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41/01 Sicherheitsrecht;Norm
SPG 1991 §89 Abs2;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Dorner und die Hofräte Dr. Kremla, Dr. Bachler, Dr. Rigler und Dr. Schick als Richter, im Beisein der Schriftführerin Oberkommissärin Mag. Unterer, über die Beschwerde des Mamadou Ly, vertreten durch
Dr. Gabriel Liedermann, Rechtsanwalt in Wien X, Gudrunstraße 143, gegen den Bescheid des Unabhängigen Verwaltungssenates Wien vom 11. Juli 1995, Zl. UVS-02/31/00001/95, betreffend Zurückweisung einer Richtlinienbeschwerde gemäß § 89 Sicherheitspolizeigesetz (weitere Partei: Bundesminister für Inneres), zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 4.565,--- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Der Beschwerdeführer richtete am 24. Oktober 1994 eine "Mitteilung" an die Bundespolizeidirektion Wien (dort eingelangt am 25. Oktober 1994) mit folgendem wesentlichen Inhalt:
Am 10. Oktober 1994 sei der Beschwerdeführer als Schubhäftling im Polizeigefangenenhaus Ost (in Wien) von einem Arzt seines Vertrauens aufgesucht worden. Eine Untersuchung durch diesen Arzt sei jedoch nicht gestattet worden. Am 24. Oktober 1994 sei der Beschwerdeführer vom Amtsarzt untersucht worden. Dieser Arzt habe sich geweigert, dem anwesenden Rechtsvertreter des Beschwerdeführers Auskunft über die erhobenen Blutzuckerwerte und die Haftfähigkeit des Beschwerdeführers zu geben. Dem Beschwerdeführer sei die Auskunft erteilt worden, daß aufgrund einer schriftlichen Weisung die Untersuchung durch einen Arzt des Vertrauens nur im Beisein des Amtsarztes gestattet werden könne. Die Einsicht in diese schriftliche Weisung sei dem Beschwerdeführer verweigert worden. Der Amtsarzt sei auch nicht bereit gewesen, mit dem Beschwerdeführer einen Termin für dessen Untersuchung im Beisein eines Vertrauensarztes zu vereinbaren.
Abschließend stellte der Beschwerdeführer nachstehendes Ersuchen:
"Ich ersuche um Übermittlung einer Kopie der oben .... bezughabenden schriftlichen Weisung an meinen einschreitenden Rechtsfreund, Untersuchung des Vorfalles und Stellungnahme."
Die Bundespolizeidirektion Wien nahm mit Schreiben vom 27. Dezember 1994 dazu wie folgt Stellung:
"Gemäß § 8 Abs. 3 Richtlinien-Verordnung steht es einem Angehaltenen, der von einem von der Behörde beauftragten Arzt untersucht werden soll, frei, zu dieser Untersuchung auf seine Kosten einen Arzt seiner Wahl beizuziehen, sofern dies ohne wesentliche Verzögerung der Untersuchung bewirkt werden kann. Im Lichte dieser Bestimmung war es für die einschreitenden Organe ohne Belang, ob allfällige gleichlautende Weisungen bestehen oder nicht. Die Bundespolizeidirektion Wien hält weitere Erläuterungen nicht zuletzt deshalb für entbehrlich, da Sie rechtsfreundlich vertreten sind.
Die von Ihnen behaupteten Geschehnisse vom 10. und 14.10.1994 werden behördenintern untersucht werden."
In seiner am 9. Jänner 1995 zur Post gegebenen, bei der belangten Behörde am darauffolgenden Tag eingelangten Beschwerde gemäß § 89 Abs. 4 Sicherheitspolizeigesetz (SPG) - "Richtlinienbeschwerde" - vertrat der Beschwerdeführer die Ansicht, daß es sich bei seiner "Mitteilung" vom 24. Oktober 1994 um eine Dienstaufsichtsbeschwerde gehandelt habe, in der er die Verletzung des § 8 Abs. 3 der Richtlinien-Verordnung - wonach ein Angehaltener davon in Kenntnis zu setzen ist, daß es ihm freistehe, zur Untersuchung durch einen Amtsarzt auf eigene Kosten einen Arzt seiner Wahl beizuziehen - geltend gemacht habe. Das Schreiben der Bundespolizeidirektion Wien vom 27. Dezember 1994 stelle eine Mitteilung im Sinne von § 89 Abs. 2 SPG des Inhalts dar, daß nach Ansicht der Behörde die geltend gemachte Richtlinienverletzung nicht vorliege.
Mit Bescheid vom 11. Juli 1995 hat die belangte Behörde diese Beschwerde zurückgewiesen und dazu begründend ausgeführt, daß die "Mitteilung" des Beschwerdeführers an die Bundespolizeidirektion Wien vom 24. Oktober 1994 keinen Hinweis auf eine Richtlinienverletzung enthalte und daher als "gewöhnliche Dienstaufsichtsbeschwerde" nicht geeignet sei, die Rechtsfolgen des § 89 SPG auszulösen. Auch die Erledigung der Bundespolizeidirektion Wien vom 27. Dezember 1994 sei nicht als Mitteilung im Sinne des § 89 Abs. 4 SPG zu qualifizieren, weil die Behörde weder den von ihr als erwiesen angenommenen Sachverhalt mitgeteilt, noch eine abschließende Feststellung darüber getroffen habe, ob eine Richtlinienverletzung vorliege oder nicht.
Über die gegen diesen Bescheid gerichtete, vom Verfassungsgerichtshof unter gleichzeitiger Ablehnung ihrer Behandlung mit Beschluß vom 28. November 1995, B 2853/95, abgetretene Beschwerde hat der Verwaltungsgerichtshof erwogen:
Die Absätze 2 und 4 des § 89 SPG haben folgenden Wortlaut:
"(2) Menschen, die in einer binnen sechs Wochen, wenn auch beim unabhängigen Verwaltungssenat ... eingebrachten Aufsichtsbeschwerde behaupten, beim Einschreiten eines Organs des öffentlichen Sicherheitsdienstes, von dem sie betroffen waren, sei eine gemäß § 31 erlassene Richtlinie verletzt worden, haben Anspruch darauf, daß ihnen die Dienstaufsichtsbehörde den von ihr schließlich in diesem Punkte als erwiesen angenommenen Sachverhalt mitteilt und sich hiebei zur Frage äußert, ob eine Verletzung vorliegt.
(4) Jeder, dem gemäß Abs. 2 mitgeteilt wurde, daß die Verletzung einer Richtlinie nicht festgestellt worden sei, hat das Recht, binnen 14 Tagen die Entscheidung des unabhängigen Verwaltungssenates zu verlangen, in dessen Sprengel das Organ eingeschritten ist; dasselbe gilt, wenn eine solche Mitteilung (Abs. 2) nicht binnen drei Monaten nach Einbringung der Aufsichtsbeschwerde ergeht. Der unabhängige Verwaltungssenat hat festzustellen, ob eine Richtlinie verletzt worden ist."
Das Recht, eine Entscheidung des unabhängigen Verwaltungssenates zu verlangen, besteht somit nur, wenn entweder die Dienstaufsichtbehörde den als erwiesen angenommenen Sachverhalt und ihre Ansicht zum Vorliegen einer Richtlinienverletzung mitteilt, oder wenn eine derartige Mitteilung nicht binnen drei Monaten ergeht.
Im Zeitpunkt der Einbringung der Richtlinienbeschwerde bei der belangten Behörde, für welchen die Zulässigkeit der Beschwerde zu beurteilen ist, lag jedoch keine dieser Voraussetzungen vor.
Mit Schreiben vom 27. Dezember 1994 hat die Bundespolizeidirektion Wien den Beschwerdeführer darauf hingewiesen, daß sich der Inhalt der schriftlichen Weisung, von der der Beschwerdeführer eine Kopie begehrt habe, mit Art. 8 Abs. 3 der Richtlinien-Verordnung decke und es daher unerheblich sei, ob eine derartige Weisung tatsächlich erlassen worden sei. Weiters hat sie in diesem Schreiben lediglich angekündigt, daß die "Geschehnisse" vom 10. und 14. Oktober 1994 untersucht würden.
Dieses Schreiben beinhaltet somit weder eine Darstellung des als erwiesen angenommenen Sachverhaltes noch eine Äußerung zur Frage, ob eine Verletzung einer Richtlinie vorliegt, und stellt daher keine Mitteilung im Sinne des § 89 Abs. 2 SPG dar.
Die Richtlinienbeschwerde wurde bereits am 9. Jänner 1995, somit weniger als drei Monate nach Einbringung der als "Mitteilung" bezeichneten Aufsichtsbeschwerde vom 24. Oktober 1994 bei der Bundespolizeidirektion Wien, zur Post gegeben.
Da die belangte Behörde die Richtlinienbeschwerde somit schon mangels Vorliegens der Voraussetzungen gemäß § 89 Abs. 4 SPG zu Recht zurückgewiesen hat, braucht auf die Frage, ob die "Mitteilung" des Beschwerdeführers an die Bundespolizeidirektion Wien vom 24. Oktober 1994 überhaupt geeignet wäre, die Rechtsfolgen des § 89 SPG auszulösen, nicht eingegangen zu werden.
Die sich somit als unbegründet erweisende Beschwerde war gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen.
Der Spruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1997:1996010048.X00Im RIS seit
20.11.2000