RS Vfgh 2020/6/9 E3688/2019

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Veröffentlicht am 09.06.2020
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Index

41/02 Staatsbürgerschaft, Pass- und Melderecht, Fremdenrecht, Asylrecht

Norm

BVG-Rassendiskriminierung ArtI Abs1
AsylG 2005 §8, §10, §57
FremdenpolizeiG 2005 §46, §52, §55
VfGG §7 Abs2

Leitsatz

Verletzung im Recht auf Gleichbehandlung von Fremden untereinander durch Nichtzuerkennung des Status eines subsidiär Schutzberechtigten betreffend einen Staatsangehörigen aus Afghanistan; mangelhafte Auseinandersetzung mit der medizinischen Versorgung im Heimatstaat

Rechtssatz

Zur medizinischen Versorgung stellt das Bundesverwaltungsgericht (BVwG) im Wesentlichen Folgendes fest:

In der afghanischen Bevölkerung litten viele Menschen an unterschiedlichen psychischen Erkrankungen. Die afghanische Regierung sei sich der Problematik bewusst und habe geistige Gesundheit als Schwerpunkt gesetzt. Jedoch sei der Fortschritt schleppend und die Leistungen außerhalb von Kabul seien dürftig. Es existierten zB in Mazar-e Sharif ein privates neuropsychiatrisches Krankenhaus und ein öffentliches psychiatrisches Krankenhaus; in Kabul existiere eine weitere psychiatrische Klinik. Landesweit böten alle Provinzkrankenhäuser kostenfreie psychologische Beratung an, die in einigen Fällen sogar über das Internet zur Verfügung stünden. Mental erkrankte Personen könnten beim Roten Halbmond, in entsprechenden Krankenhäusern und bei anderen Nichtregierungsorganisationen behandelt werden. Traditionell mangle es in Afghanistan an einem Konzept für psychisch Kranke. Sie würden nicht selten in spirituellen Schreinen unter teilweise unmenschlichen Bedingungen "behandelt" oder es werde ihnen mittels einer "Therapie" mit Brot, Wasser und Pfeffer der "böse Geist ausgetrieben". Die Behandlung von psychischen Erkrankungen - insbesondere Kriegstraumata - finde, abgesehen von einzelnen Projekten von NGOs, nach wie vor nicht in ausreichendem Maße statt.

Das BVwG hat sich nicht ausreichend mit der individuellen Situation des Beschwerdeführers im Falle der Rückkehr nach Afghanistan auseinandergesetzt und die für diese Auseinandersetzung maßgeblichen Ermittlungsschritte unterlassen. Insbesondere fehlt eine konkrete Auseinandersetzung mit dem Zugang des Beschwerdeführers zu medizinischer Versorgung, psychotherapeutischer Behandlung und Medikamenten im Heimatstaat.

Entscheidungstexte

Schlagworte

Asylrecht / Vulnerabilität, Entscheidungsbegründung, Ermittlungsverfahren, Rückkehrentscheidung

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VFGH:2020:E3688.2019

Zuletzt aktualisiert am

15.09.2020
Quelle: Verfassungsgerichtshof VfGH, http://www.vfgh.gv.at
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