RS Vfgh 2020/6/9 E3393/2019

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Veröffentlicht am 09.06.2020
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Index

41/02 Staatsbürgerschaft, Pass- und Melderecht, Fremdenrecht, Asylrecht

Norm

BVG-Rassendiskriminierung ArtI Abs1
AsylG 2005 §8, §10, §57
FremdenpolizeiG 2005 §46, §52, §55
VfGG §7 Abs2

Leitsatz

Verletzung im Recht auf Gleichbehandlung von Fremden untereinander durch Nichtzuerkennung des Status eines subsidiär Schutzberechtigten betreffend einen Staatsangehörigen aus Afghanistan; mangelnde Berücksichtigung spezifischer Länderinformationen des EASO hinsichtlich lange Zeit nicht in Afghanistan aufhältigen Rückkehrern

Rechtssatz

Das Bundesverwaltungsgericht (BVwG) stützt seine Erwägungen zwar grundsätzlich auch auf die "Country Guidance: Afghanistan - Guidance note and common analysis" des EASO mit Stand Juni 2018 bzw Juni 2019 und steht mit seiner Einschätzung auch auf dem Boden der zu im Iran geborenen und aufgewachsenen, alleinstehenden, jungen und arbeitsfähigen afghanischen Männern ohne familiäres Netzwerk in Afghanistan ergangenen Judikatur des VfGH, dabei übersieht das BVwG allerdings, dass diese Judikatur auf einer veralteten Berichtslage beruht, da die vom BVwG im Übrigen selbst herangezogene "Country Guidance: Afghanistan - Guidance note and common analysis" des EASO auf dem Stand Juni 2018 ebenso wie Juni 2019 eine spezifische Beurteilung für jene Gruppe von Rückkehrern enthält, die entweder außerhalb Afghanistans geboren wurden oder lange Zeit außerhalb Afghanistans gelebt haben:

EASO nimmt für die genannte Personengruppe an, die Annahme einer innerstaatlichen Fluchtalternative könne dann nicht zulässig sein, wenn am Zielort der aufenthaltsbeendenden Maßnahme kein Unterstützungsnetzwerk für die konkrete Person vorhanden sei, das sie bei der Befriedigung grundlegender existenzieller Bedürfnisse unterstützen könnte. Es bedürfe einer Prüfung im Einzelfall unter Heranziehung der folgenden Kriterien: Unterstützungsnetzwerk, Ortskenntnis der betroffenen Person bzw Verbindungen zu Afghanistan, sozialer und wirtschaftlicher Hintergrund (insbesondere Bildungs- und Berufserfahrung, Selbsterhaltungsfähigkeit außerhalb Afghanistans).

Indem das BVwG diese Passage der "Country Guidance: Afghanistan - Guidance note and common analysis" des EASO und die darin enthaltene spezifische Länderinformation völlig unberücksichtigt lässt und den konkreten Sachverhalt zu dieser nicht in Beziehung setzt, hat es wesentliche Aspekte des konkreten Sachverhaltes außer Acht gelassen (VfGH 12.12.2019, E3369/2019). Mit Blick auf die dargestellte Berichtslage und die zitierte Rsp bedarf es im fortgesetzten Verfahren einer Begründung, auf Grund welcher außergewöhnlichen Umstände im Sinne des EASO in der zitierten Passage es dem Beschwerdeführer dennoch möglich sein könnte, nach Afghanistan zurückzukehren, ohne dass er in seinen verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechten gemäß Art2 EMRK auf Leben sowie gemäß Art3 EMRK, weder der Folter, noch erniedrigender oder unmenschlicher Strafe oder Behandlung unterworfen zu werden, verletzt wird.

Entscheidungstexte

Schlagworte

Asylrecht, Entscheidungsbegründung, Ermittlungsverfahren, Rückkehrentscheidung

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VFGH:2020:E3393.2019

Zuletzt aktualisiert am

15.09.2020
Quelle: Verfassungsgerichtshof VfGH, http://www.vfgh.gv.at
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