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41/02 Staatsbürgerschaft, Pass- und Melderecht, Fremdenrecht, AsylrechtNorm
BVG-Rassendiskriminierung ArtI Abs1Leitsatz
Verletzung im Recht auf Gleichbehandlung von Fremden untereinander durch Nichtzuerkennung des Status subsidiär Schutzberechtigter betreffend eine afghanische Familie; mangelhafte Darstellung der Sicherheitslage in KabulRechtssatz
In seiner rechtlichen Beurteilung begründet das Bundesverwaltungsgericht (BVwG) die Zumutbarkeit der Rückkehr der Familie damit, dass die Situation in Kabul als hinreichend sicher zu bewerten sei. Die Beschwerdeführer kehrten gemeinsam als Familie zurück; die Minderjährigen würden bei ihrer Rückkehr durch den Erst- und die Zweitbeschwerdeführerin sowie durch die in Afghanistan lebenden Familienangehörigen versorgt werden können; es bestünden im konkreten Fall intakte soziale Anknüpfungspunkte und Verwandte in Afghanistan, die eine Gefährdung der minderjährigen Beschwerdeführer in Kabul als relativ gering erscheinen ließen.
Das BVwG hat zur Situation in Kabul ausgeführt, dass Gefährdungsquellen wie insbesondere Anschläge "in reinen Wohngebieten nicht anzunehmen [sind], weshalb die Sicherheitslage in der Stadt Kabul nach wie vor als ausreichend sicher zu bewerten ist." Diese Feststellungen widersprechen den Feststellungen von UNHCR zu Kabul, wonach gerade "Zivilisten, die in Kabul tagtäglich ihren wirtschaftlichen oder sozialen Aktivitäten nachgehen, Gefahr laufen, Opfer der allgegenwärtigen in der Stadt bestehenden Gefahr zu werden. Zu solchen Aktivitäten zählen etwa der Weg zur Arbeit und zurück, die Fahrt in Krankenhäuser und Kliniken, der Weg zur Schule; den Lebensunterhalt betreffende Aktivitäten, die auf den Straßen der Stadt stattfinden, wie Straßenverkäufe; sowie der Weg zum Markt, in die Moschee oder an andere Orte, an denen viele Menschen zusammentreffen" (UNHCR, Richtlinien zur Feststellung des internationalen Schutzbedarfs afghanischer Asylsuchender, 30.8.2018). Auch geht entgegen der Auffassung des BVwG aus den im angefochtenen Erkenntnis abgedruckten Länderfeststellungen nicht hervor, dass die Lage in Kabul in reinen Wohn- und Arbeitsvierteln jedenfalls ausreichend sicher ist.
Die Darstellung der Sicherheitslage, die das BVwG veranlasst hat, die Stadt Kabul als hinreichend sicher zu betrachten, findet keine Deckung in den aus den Länderberichten gewonnenen Feststellungen. Zudem verweist das BVwG bei der Prüfung der konkreten Rückkehrsituation, insbesondere der minderjährigen Dritt-, Viert-, Fünft-, Sechst- und Siebtbeschwerdeführer lediglich auf die Rückkehr im Familienkreis und die vor Ort lebenden Familienmitglieder, ohne hinreichend konkrete Feststellungen dazu zu treffen, ob die in Kabul lebenden Familienangehörigen tatsächlich willens und in der Lage sind, die siebenköpfige Familie zu unterstützen.
Entscheidungstexte
Schlagworte
Asylrecht / Vulnerabilität, Kinder, Entscheidungsbegründung, RückkehrentscheidungEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VFGH:2020:E810.2020Zuletzt aktualisiert am
15.09.2020