RS Vfgh 2020/6/26 E4227/2019

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Veröffentlicht am 26.06.2020
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Index

41/02 Staatsbürgerschaft, Pass- und Melderecht, Fremdenrecht, Asylrecht

Norm

BVG-Rassendiskriminierung ArtI Abs1
FremdenpolizeiG 2005 §46, §52, §53, §55
VfGG §7 Abs2

Leitsatz

Verletzung im Recht auf Gleichbehandlung von Fremden untereinander durch Erlassung eines Einreiseverbots und einer Rückkehrentscheidung mit widersprüchlichen, nicht nachvollziehbare Aussagen betreffend einen straffälligen Staatsangehörigen der Türkei

Rechtssatz

Zunächst führt das Bundesverwaltungsgericht (BVwG) - gestützt auf die Rechtsprechung des VwGH - aus, dass die gerichtliche Verurteilung zu einer bedingt nachgesehenen Freiheitsstrafe, für sich genommen nicht zur Annahme einer schwerwiegenden Gefahr ausreiche. Aus einem einmaligen Fehlverhalten könne zwar eine maßgebliche Gefahr für die öffentliche Ordnung und Sicherheit abgeleitet werden, dies setze jedoch eine entsprechende Gravität voraus. Das BVwG hat es unterlassen, diese Gravität in nachvollziehbarer und schlüssiger Weise für den konkreten Fall (einmalige Verurteilung, Alter bei der Tatbegehung, konkret verhängte und bereits endgültig nachgesehene Strafe [im Verhältnis zum Strafrahmen], [keine] besondere Brutalität und Gewalt bei Begehung der konkreten Straftat etc) darzulegen. Nach der Rsp des EuGH bedarf es einer Einzelfallprüfung, ob das individuelle Verhalten der betroffenen Person eine gegenwärtige, hinreichend schwere Gefahr für ein Grundinteresse der Gesellschaft darstellt. Hiebei hat das BVwG insbesondere die Tatsache, dass der Beschwerdeführer keine Haftstrafe antreten musste und die endgültige Strafnachsicht, gänzlich außer Acht gelassen. Dass sich der Beschwerdeführer seit seiner Verurteilung wohlverhalten hat, stellt das BVwG außer Frage. Für den VfGH ist daher nicht ersichtlich, worin sich die Nachdrücklichkeit der maßgeblichen Gefahr manifestiert haben soll: Der Beschwerdeführer wurde zu einer bedingten Strafe rechtskräftig verurteilt, die Probezeit ist abgelaufen und endgültige Strafnachsicht eingetreten.

In der Folge ist auch die Auffassung des BVwG, dass keine positive Zukunftsprognose angestellt werden könne, nicht nachvollziehbar: Einerseits sei aus dem strafbaren Verhalten, insbesondere wegen zwei verschiedener Handlungen, ersichtlich, dass dem Beschwerdeführer eine kriminelle Energie innewohne und könne eine Wiederholungsgefahr keineswegs ausgeschlossen werden. Andererseits geht es selbst davon aus, dass sämtliche mit der Verurteilung auferlegten Weisungen (Bewährungshilfe, Therapie) eingehalten wurden und der Beschwerdeführer nunmehr offenbar einen "positiven Lebenswandel vollzog[en]" habe. Auch ein Rückfall aus wirtschaftlichen Motiven scheine nicht wahrscheinlich. Im Widerspruch dazu kommt das BVwG sodann zum Ergebnis, dass dennoch eine potentielle Rückfallgefahr anzunehmen sei.

Entscheidungstexte

Schlagworte

Fremdenrecht, Rückkehrentscheidung, Entscheidungsbegründung

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VFGH:2020:E4227.2019

Zuletzt aktualisiert am

15.09.2020
Quelle: Verfassungsgerichtshof VfGH, http://www.vfgh.gv.at
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