TE Vwgh Erkenntnis 1979/10/11 1363/79

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Veröffentlicht am 11.10.1979
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Index

Baurecht - Wien
L37159 Anliegerbeitrag Aufschließungsbeitrag Interessentenbeitrag Wien
L80009 Raumordnung Raumplanung Flächenwidmung Bebauungsplan Wien
L80409 Altstadterhaltung Ortsbildschutz Wien
L82009 Bauordnung Wien
40/01 Verwaltungsverfahren

Norm

AVG §66 Abs4
AVG §68 Abs1
BauO Wr §127 Abs8
BauO Wr §127 Abs9

Beachte


Miterledigung (miterledigt bzw zur gemeinsamen Entscheidung verbunden):
1364/79

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Rath und die Hofräte Dr. Draxler, Mag. Onder, DDr. Hauer und Dr. Degischer als Richter, im Beisein der Schriftführerin Magistratsrat Dr. Thumb, über die Beschwerde des Dr. K und der U P in Wien, vertreten durch Dr. Johannes Hock, Rechtsanwalt in Wien I, Stallburggasse 4, gegen die Bescheide der Bauoberbehörde für Wien vom 22. März 1979, Zlen. MDR-B XIX-46/78 und MDR-B XIX-51/78, betreffend Baueinstellungen, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid vom 22. März 1979, Zl. MDR-B XIX-51/78, wird in Stattgebung der Beschwerde des Erstbeschwerdeführers wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Die Beschwerde gegen den Bescheid vom 22. März 1979, Zl. MDR-B XIX-46/78, wird als unbegründet abgewiesen.

Ferner hat der Verwaltungsgerichtshof beschlossen:

Die Beschwerde der Zweitbeschwerdeführerin gegen den Bescheid vom 22. März 1979, Zl. MDR-B XIX-51/78, wird zurückgewiesen.

Die Bundeshauptstadt Wien hat dem Erstbeschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 3.000,-- und jeder der Beschwerdeführer hat an die Bundeshauptstadt Wien Aufwendungen in der Höhe von je S 450,--, zusammen S 900,--, ferner hat die Zweitbeschwerdeführerin der Bundeshauptstadt Wien zusätzlich Aufwendungen in der Höhe von S 900,-- binnen zweiWochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Wie dem im Verwaltungsakt befindlichen Bescheidkonzept entnommen werden kann, stellte ein Organwalter der zuständigen Baupolizeiabteilung am 5. Oktober 1978 an Ort und Stelle fest, daß entgegen der Baubewilligung vom 2. August 1972 auf der Liegenschaft Wien XIX, S-straße 8 a, der Keller erweitert und die Gebäudeumrisse verändert worden seien. Bei der Erhebung war einem auf dem Bescheidkonzept angebrachten Vermerk zufolge auch festgestellt worden, die Außenmauern seien errichtet und die Decke sei bereits verlegt worden. Mit Bescheid vom 5. Oktober 1978 untersagte daraufhin der Wiener Magistrat die Fortführung der auf der Liegenschaft Wien XIX, S-straße 8 a begonnenen baulichen Herstellungen, nämlich die Errichtung eines Preßhauses, unter Berufung auf § 127 Abs. 5 der Bauordnung für Wien (BO). Begründend führte die Baubehörde erster Instanz aus, die baulichen Herstellungen seien entgegen den Bestimmungen des § 60 Abs. 1 lit. c BO begonnen worden, wobei der genehmigte Bauplan nicht eingehalten werde. Entgegen der Baubewilligung vom 12. August 1972 seien der Keller erweitert und die Gebäudeumrisse verändert worden. Dieser Bescheid wurde, wie dem Beförderungsvermerk auf Bl.Zl. 1 des Aktes entnommen werden kann, am 8. Oktober 1978 der Post zur Beförderung übergeben. In der Folge wurde offensichtlich ein neuerlicher Zustellversuch unternommen, denn nach den im Akt erliegenden Zustellnachweisen wurde der Bescheid den Beschwerdeführern erst am 9. November 1978 zugestellt.

In der dagegen erhobenen Berufung behaupteten die Beschwerdeführer unrichtige rechtliche Beurteilung und unrichtige Sachverhaltsfeststellung. Die unrichtige, weil mangelhafte Sachverhaltsdarstellung sei, so brachten sie vor, darin gelegen, daß nicht berücksichtigt worden sei, daß die Fundierung des genehmigten Gebäudes auf gewachsenem und tragfähigem Boden technisch und auf die in § 98 BO geforderte Art nur durch Versetzen der rechten Kellerwand etwas nach rechts möglich gewesen sei. Dabei sei auch - unbeabsichtigt - die hintere Kellerwand geringfügig verschoben worden. Die Notwendigkeit der Versetzung der Kellerwände habe sich erst beim Aushub der Baugrube gezeigt. Jede andere Ausführung hätte eine dem § 98 BO widersprechende Bauausführung und somit die Herstellung eines gesetzwidrigen Zustandes bedeutet. Bei der Sachverhaltsfeststellung sei auch unberücksichtigt geblieben, daß der Gebäudeumriß in seinem äußeren Erscheinungsbild dem genehmigten Umriß entspreche. Es sei hinsichtlich der Außenwände nur eine geringfügige Versetzung der rechten Außenwand nach rechts erfolgt. Rechtlich liege einerseits „dieselbe Sache“ vor, andererseits könne eine nachträgliche Genehmigung dieser geringfügigen Änderung erwirkt werden. Um diese nachträgliche Bewilligung sei mit einem Antrag vom 9. November 1978 angesucht worden.

Mit dem erstangefochtenen Bescheid vom 22. März 1979, Zl. MDR-XIX-46/78, wies die Bauoberbehörde für Wien die Berufung der Beschwerdeführer als unbegründet ab, änderte jedoch den erstinstanzlichen Bescheid dahin ab, daß er auf § 127 Abs. 8 BO gestützt wurde. Nach Wiedergabe des Berufungsvorbringens stellte die Baubehörde zweiter Instanz fest, der Bauauftrag sei nach seiner Begründung deshalb erlassen worden, weil der genehmigte Bauplan bei Ausführung des Gebäudes nicht eingehalten worden sei. Nach § 127 Abs. 8 BO sei die Bauführung unter anderem einzustellen, wenn von den genehmigten Bauplänen in solcher Art oder in solchem Umfang abgewichen werde, daß für die Abweichung die Einholung einer Baubewilligung erforderlich sei. Schon aus dem Berufungsvorbringen selbst ergebe sich in Übereinstimmung mit der Begründung des erstinstanzlichen Bescheides, daß diese Voraussetzungen gegeben seien, zumal Wände des Gebäudes an anderer Stelle errichtet worden seien, als dies im genehmigten Konsensplan vorgesehen sei. Der angefochtene Bescheid sei demnach rechtmäßigerweise ergangen und zu bestätigen gewesen.

Gegen diesen Berufungsbescheid richtet sich die zur Zl. 1363/79 protokollierte Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof.

Mit Eingabe vom 5. Dezember 1978 ersuchte der Erstbeschwerdeführer die Baubehörde erster Instanz, zu berücksichtigen, daß der begonnene, bestehende Rohbau gegen den Winter gesichert werden müsse und der Einschreiter daher als Zwischenmaßnahme beabsichtige, den Bau mit Dachpappe auf Holzlatten abzudecken. Weiter wies der Einschreiter darauf hin, daß im Hinblick auf die gegen den ergangenen Baueinstellungsbescheid erhobene Berufung dieser derzeit nicht rechtskräftig sei.

Mit Bescheid vom 5. Dezember 1978 untersagte der Wiener Magistrat neuerlich die Fortführung der „begonnenen baulichen Herstellungen, nämlich der Errichtung eines Preßhauses“, wobei dieser Verwaltungsakt gleichfalls auf § 127 Abs. 5 BO gestützt wurde. Einer Berufung gegen diesen Bescheid wurde unter einem gemäß § 64 Abs. 2 AVG 1950 die aufschiebende Wirkung aberkannt. Auch diesen Bescheid begründete die Baubehörde erster Instanz damit, daß entgegen der Baubewilligung vom 2. August 1972 der Keller erweitert und die Gebäudeumrisse verändert worden seien und dadurch abweichend vom genehmigten Bauplan eine bewilligungspflichtige Bauführung ohne hiezu gemäß § 60 Abs. 1 lit. c BO erforderliche Bewilligung ausgeführt werde. Nach Zustellung des Baueinstellungsbescheides vom 5. Oktober 1978 sei mit der Aufsetzung eines Daches begonnen worden, wodurch sich ein neuer Sachverhalt ergeben habe, der einen neuerlichen Baueinstellungsbescheid rechtfertige. Die aufschiebende Wirkung einer Berufung sei auszuschließen gewesen, weil die vorzeitige Vollstreckung zur Wahrung des öffentlichen Wohles wegen Gefahr im Verzuge dringend geboten sei.

Gegen diesen Bescheid erhob der Erstbeschwerdeführer Berufung, in welcher er im wesentlichen ausführte, der bekämpfte erstinstanzliche Bescheid wiederhole das Verbot, welches mit Bescheid vom 5. Oktober 1978 ausgesprochen worden sei. Der Tenor des (zweiten) Bescheides unterscheide sich vom ersten nur darin, daß, im Gegensatz zum früheren Bescheid, die aufschiebende Wirkung ausgeschlossen worden sei. Die Erlassung des zweiten Bescheides gleichen Inhaltes erscheine unzulässig. Die Errichtung eines Baues könne nur einmal untersagt werden, selbst wenn der verbotene Bau weitergeführt werde. Nach Rechtskraft des Untersagungsbescheides trete das Verfahren in das Stadium der Vollstreckung. Zu dieser allgemeinen Überlegung komme hinzu, daß gegenüber dem ersten Bescheid keine Änderung des Sachverhaltes stattgefunden habe. Damals bereits sei der Rohbau im Stadium des Aufsetzens des Dachstuhles gewesen, um Schäden am Rohbau durch Witterungseinflüsse in der winterlichen Jahreszeit hintanzuhalten. Der angefochtene Bescheid lasse unberücksichtigt, daß der Bescheid vom 5. Oktober 1978 nicht rechtskräftig geworden sei und dieser Bescheid keinen Ausschluß der aufschiebenden Wirkung einer Berufung enthalten habe. Theoretisch wären daher weitere Baumaßnahmen nach der Zustellung dieses Bescheides rechtmäßig gewesen. Es erscheine rechtlich nicht zulässig, einen Ausschluß der aufschiebenden Wirkung für einen Bescheid, gegen den bereits ein Rechtsmittel eingebracht worden sei, durch Fassung eines inhaltlich gleichen Bescheides unter Beifügung dieses Ausschlusses nachzuholen. In der Berufung werden sodann jene Ausführungen wiederholt, die bereits in der oben erwähnten Berufung vorgebracht worden waren. Ergänzend führte der Erstbeschwerdeführer noch aus, bei Erteilung der Baubewilligung im Jahre 1972 habe der Flächenwidmungsplan die Widmung „Grünland-ländliches Gebiet“ vorgesehen; die seither vorgenommene Umwidmung auf „Grünland, Schutzgebiet, Wald- und Wiesengürtel“ sei vorgenommen worden, ohne daß die in § 1 Abs. 1 BO erforderlichen wichtigen Rücksichten für den konkreten Fall vorgelegen seien. Für die Ausnutzung des Bewilligungsbescheides sei für den vorliegenden Bau nach wie vor von der Widmung „Grünland-ländliches Gebiet“ auszugehen. In der Beilage schloß der Erstbeschwerdeführer der Berufung das Gutachten eines gerichtlich beeideten Sachverständigen zur Frage, inwieweit und in welcher Art der derzeitige Bauzustand mit den genehmigten Bauplänen übereinstimme oder von diesen abweiche, an. Diesem Gutachten kann unter anderem entnommen werden, daß nach Auffassung des Gutachters eine Veränderung der Lage des Gebäudes gegenüber den Bewilligungen nicht festzustellen sei, weil in bezug auf die Lage zu den Anrainern und zur Straße das Gebäude innerhalb der vorgeschriebenen Mindestabstände, die in der Bewilligung vorgesehen seien, liege und der Winkel von 60 Grad mit der Straßenachse eingehalten sei. Die Änderung der Größe des Gebäudes bzw. die Vergrößerung in der Lange (Tiefe) um zirka 50 cm und in der Breite um zirka 1,90 m habe - nach Angaben des Erstbeschwerdeführers und des ausführenden Baumeisters - vor allem wegen Fundamentierungsschwierigkeiten vorgenommen werden müssen; außerdem seien durch die Verstärkung der Außenmauer von den geplanten 25 cm auf 38 cm die Innenmaße der Räume zu klein geworden. Die aufgezeigten Abweichungen seien gegenüber den genehmigten Einreichplänen aus den Jahren 1972 und 1976 im Verhältnis zum Bauwerksvolumen nicht „schwerwiegend bedeutend“, zum Teil seien sie nicht endgültig, zum Teil konnten sie ohne erheblichen wirtschaftlichen Aufwand korrigiert werden bzw. könnten sie voraussichtlich mit dem vom Erstbeschwerdeführer beantragten Planwechsel genehmigt werden.

Mit dem in Beschwerde gezogenen Bescheid der Bauoberbehörde für Wien wurde die Berufung als unbegründet abgewiesen und der angefochtene Bescheid mit der Richtigstellung bestätigt, daß er auf § 127 Abs. 8 BO gestützt wurde. Begründend vertrat die Baubehörde zweiter Instanz die Ansicht, aus dem Berufungsvorbringen selbst ergebe sich, daß Kellerwände und Außenmauern teilweise an anderer als der im Konsensplan vorgesehenen Stelle errichtet worden seien. Auch der Erstbeschwerdeführer gehe davon aus, daß die Erwirkung einer Bewilligung im Sinne der §§ 73 und 70 BO erforderlich sein werde, um die Vorschriftswidrigkeit des bestehenden, teilweise fertiggestellten Rohbaues zu heilen. Es sei daher an sich nicht rechtswidrig, wenn die Baubehörde im vorliegenden Fall mit der Erlassung eines Baueinstellungsbescheides vorgegangen sei. Daran konnte auch der Umstand nichts ändern, daß bereits mit Bescheid vom 5. Oktober 1978 die Baueinstellung ausgesprochen worden sei, weil der Erstbeschwerdeführer durch die Wiederholung der Untersagung der Bauführung in keinem Recht verletzt sein könne, sofern nur die vom Gesetz geforderten Baueinstellungsgründe gegeben seien. Dies sei aber nach der Aktenlage der Fall. Für die Rechtmäßigkeit des angefochtenen Bescheides spreche auch, daß der erste Baueinstellungsbescheid nach der Aktenlage nicht eingehalten worden sei und weitere Bauarbeiten durchgeführt worden seien. Es sei eine auf Grund von Erfahrungen feststehende Tatsache, daß bei Durchführung von nicht konsentierten Bauarbeiten nicht gewährleistet sei, daß diese in technisch einwandfreier Weise erfolgten. Wenn dies aber nicht gewährleistet sei, sei zwingend davon auszugehen, daß im Interesse des öffentlichen Wohles Gefahr im Verzuge als gegeben anzunehmen sei. Der angefochtene Bescheid sei demnach nicht rechtswidrig und sei deshalb zu bestätigen gewesen. Dieser Bescheid erging an den Erstbeschwerdeführer zu Handen seines Vertreters und an die Zweitbeschwerdeführerin persönlich.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die zur Zl. 1364/79 protokollierte Beschwerde beider Beschwerdeführer.

Die Beschwerdeführer erachten sich durch die angefochtenen Bescheide in ihrem subjektiven Recht auf richtige Anwendung der Bauordnung für Wien und auf Einhaltung der Verfahrensvorschriften verletzt.

Über diese Beschwerden sowie über die von der belangten Behörde erstattete Gegenschrift hat der Verwaltungsgerichtshof erwogen:

Mit dem in Beschwerde gezogenen Bescheid vom 22. März 1979, Zl. MDR-B XIX-51/78, wurde die Berufung des Erstbeschwerdeführers als unbegründet abgewiesen. Der diesem Bescheid zugrunde liegende erstinstanzliche Bescheid vom 5. Dezember 1978 ist gegenüber dem Erstbeschwerdeführer und der Zweitbeschwerdeführerin ergangen, doch hat nur der Erstbeschwerdeführer, wie der Sachverhaltsdarstellung entnommen werden kann, Berufung erhoben. Die Zweitbeschwerdeführerin war daher nicht berechtigt, gegen den Berufungsbescheid Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof zu erheben. Ihrer Beschwerde gegen den genannten Bescheid steht daher der Mangel der Berechtigung zur Erhebung entgegen, weshalb die Beschwerde gemäß § 34 Abs. 1 in Verbindung mit Abs. 3 VwGG 1965 zurückzuweisen war.

Bei der Prüfung der Frage, ob die Beschwerdeführer durch die mit Bescheid vom 22. März 1979, Zl. MDR-B XIX-46/78, aufrecht erhaltene Baueinstellung in ihren Rechten verletzt wurden, ist zunächst davon auszugehen, daß nach § 127 Abs. 8 der Bauordnung für Wien (BO) in der Fassung der Bauordnungsnovelle 1976, LGBl. Nr. 18, eine Bauführung unter anderem einzustellen ist, wenn von den genehmigten Bauplänen in solcher Art und in solchem Umfang abgewichen wird, daß für die Abweichung die Einholung einer Baubewilligung erforderlich ist (§ 73). § 73 BO regelt, daß beabsichtigte Abweichungen von rechtskräftigen, noch wirksamen Baubewilligungen nach den Bestimmungen des § 60 wie Änderungen an bereits bestehenden Baulichkeiten zu behandeln sind. Nach § 60 Abs. 1 lit. c BO - auf diese Gesetzesstelle hat sich die Behörde erster Instanz ausdrücklich berufen - ist unter anderem bei Änderungen von Gebäuden eine Baubewilligung zu erwirken, wenn diese Änderungen von Einfluß auf die Festigkeit, die gesundheitlichen Verhältnisse, die Feuersicherheit oder auf die subjektiv-öffentlichen Rechte der Nachbarn sind oder durch sie das äußere Ansehen oder die Raumeinteilung geändert wird, sowie für jede Änderung der bewilligten Raumwidmungen oder des bewilligten Fassungsraumes eines Gebäudes oder einer baulichen Anlage. Diese Rechtslage zeigt einerseits, daß die Beantwortung der Frage, ob eine bewilligungspflichtige Abweichung von den genehmigten Bauplänen erfolgte, davon abhängt, in welcher Beziehung die Bauführung vom Bauplan konkret abweicht, und anderseits, daß nicht jede Abweichung als bewilligungspflichtig zu beurteilen ist. Im erstinstanzlichen Verfahren wurde nun von der Baubehörde festgestellt, daß der Keller erweitert und die Gebäudeumrisse verändert wurden. Dieser Feststellung sind die Beschwerdeführer in ihrer Berufung einerseits mit der Behauptung entgegengetreten, daß die Abweichungen geringfügig seien und noch immer dieselbe Rechtssache vorliege, anderseits haben sie auf die Möglichkeit der Erteilung einer nachträglichen Baubewilligung verwiesen. Die Berufungsbehörde hat ein ergänzendes Ermittlungsverfahren nicht durchgeführt, obwohl die erstinstanzlichen Sachverhaltsermittlungen - auch ein dem Gesetz (§ 16 AVG 1950) entsprechender Aktenvermerk ist in den vorgelegten Verwaltungsakten nicht enthalten - sich in den wiedergegebenen Behauptungen erschöpften und insbesondere nicht erkennen ließen, ob nicht etwa eine bloß geringfügige, nicht bewilligungspflichtige Planabweichung gegeben sei. In diesem Zusammenhang rügen die Beschwerdeführer auch zu Recht, daß die Begründung des in Beschwerde gezogenen Bescheides mangelhaft ist, weil sie sich mit den Berufungsausführungen nicht in einer dem § 60 AVG 1950 entsprechenden Weise auseinandersetzt. Dennoch erweist sich der dadurch gegebene Verfahrensmangel als nicht wesentlich. Eine Verfahrensergänzung und eine eingehendere Begründung des angefochtenen Bescheides konnte nämlich deshalb unterbleiben, weil das durch die Beschwerdeführer in der Folge vorgelegte Gutachten des Privatsachverständigen eindeutig erkennen ließ, daß keine geringfügige Planabweichung erfolgte, sondern daß vielmehr völlig andere Außenmauern, insbesondere auch bezüglich ihrer Stärke, errichtet und jedenfalls eine Vergrößerung des Gebäudes in der Länge um zirka 50 cm und in der Breite um zirka 1,90 m vorgenommen worden waren. Eine solche Änderung des bewilligten Bauvorhabens ist aber jedenfalls nach § 60 Abs. 1 lit. c BO bewilligungspflichtig; die Frage, ob nicht ein Umbau im Sinne des § 60 Abs. 1 lit. a BO vorliegt, war in diesem Zusammenhang mangels rechtlicher Relevanz nach § 127 Abs. 8 BO nicht zu erörtern. Bei dieser Sachlage erwiesen sich aber die von der Behörde erster Instanz wenn auch objektiv zunächst unvollständig getroffenen Feststellungen als ausreichend, um der belangten Behörde die Prüfung der Frage zu ermöglichen, ob die Baueinstellung nach § 127 Abs. 8 lit. b BO der Rechtslage entsprochen hatte.

Auf die von den Beschwerdeführern in ihrer Berufung aufgeworfene Problematik der Möglichkeit der Erteilung einer nachträglichen Bewilligung kommt es im Rahmen des Baueinstellungsverfahrens nicht an, sondern nur darauf, ob bewilligungspflichtige Planabweichungen ohne die hiefür erforderliche Baubewilligung vorgenommen wurden oder nicht. Steht aber sohin eindeutig fest, daß die Beschwerdeführer für die festgestellten Abweichungen vom Bauplan eine baubehördliche Bewilligung hätten erwirken müssen, dann ist auch klargestellt, daß sie erst nach Rechtskraft dieser erforderlichen Baubewilligung mit der Fortsetzung der Bauarbeiten hätten beginnen dürfen, mag auch das ursprünglich bewilligte Bauvorhaben im Hinblick auf sonstige Schwierigkeiten mit der Fundamentierung, wie sie in ihrer Berufung behauptet hatten, nicht verwirklichbar gewesen sein. Der Bestimmung des § 72 BO (in Verbindung mit § 73 BO) ist nämlich klar zu entnehmen, daß vor Rechtskraft der Baubewilligung mit dem Bau nicht begonnen werden darf. Dies haben offensichtlich auch die Beschwerdeführer erkannt, weil sie in ihrer Beschwerde damit in Widerspruch stehendes nicht neuerlich behauptet, vielmehr das Vorliegen der gesetzlichen Voraussetzungen für eine Baueinstellung nach § 127 Abs. 8 nicht ernsthaft bestritten haben.

Zu dem Beschwerdevorbringen, die verfügte Einstellung der Arbeiten stehe auch in Widerspruch zum Überprüfungsbefund vom 8. August 1974, mit dem die Fundamente des Baues, wie sie heute dem Bau zugrunde lägen, genehmigt worden seien, ist folgendes festzustellen: Eine Überprüfung der Ausführung von bestimmten Bauarbeiten vermag eine erforderliche Baubewilligung nicht zu ersetzen. Es kann daher trotz eines Überprüfungsbefundes, welcher an sich Anlaß zu einer Beanstandung im Hinblick auf die erfolgte Abweichung vom Bauplan hätte sein können, zu Recht ein Baueinstellungsbescheid wegen bewilligungspflichtiger Abweichung vom genehmigten Bauplan erlassen werden. Darüber hinaus ist der Sinn derartiger Überprüfungen während der Bauführung vor allem darin gelegen, der Behörde die Möglichkeit zu geben, die einwandfreie technische Ausführung festzustellen, wie sich aus den Bestimmungen des § 127 Abs. 1 bis 3 BO ergibt.

Die Beschwerdeführer erachten sich weiter dadurch in ihren Rechten verletzt, daß die belangte Behörde nicht im Sinne des § 127 Abs. 9 BO lediglich eine teilweise Baueinstellung verfügt habe. Sie hätten einen Anspruch darauf, daß die Baueinstellung nur im mindestmöglichen, schonendsten Umfang ausgesprochen werde. Nach § 127 Abs. 9 kann die Behörde die Baueinstellung auf einen Teil des Bauvorhabens beschränken, wenn der Tatbestand für eine Baueinstellung nach Abs. 8 offenkundig nur für einen Teil eines Gebäudes oder einer baulichen Anlage verwirklicht ist und aus diesem Grunde die Fortführung der Bauarbeiten an einem anderen Teil des Gebäudes oder der baulichen Anlage technisch möglich und keinesfalls mit einer Gefährdung von Menschen verbunden ist; andernfalls erstreckt sich die Baueinstellung auf das gesamte Bauvorhaben. Die Anwendbarkeit dieser Gesetzesstelle konnte die belangte Behörde im Beschwerdefall zu Recht unerörtert lassen, weil schon mit Rücksicht auf die Änderung der Mauerstärke der Außenwände, erst recht aber auf die bezüglich Länge und Breite des zu errichtenden Gebäudes aufgezeigten Abweichungen von den erteilten Baubewilligungen sich die Baueinstellung auf das gesamte Bauvorhaben zu erstrecken hatte, offenkundig also der Tatbestand für eine Baueinstellung nicht nur für einen Teil des Gebäudes verwirklicht war.

Da auch diese behauptete Rechtsverletzung nicht vorlag, erweist sich die Beschwerde auf Grund der dargelegten Erwägungen, hinsichtlich der zuerst erfolgten Baueinstellung, aufrechterhalten mit dem erstangefochtenen Bescheid, als unbegründet, weshalb sie gemäß § 42 Abs. 1 VwGG 1965 abzuweisen war.

Der Beschwerde des Erstbeschwerdeführers gegen den Bescheid vom 22. März 1979, Zl. MDR-B XIX-51/78, kommt jedoch Berechtigung zu. Wie in der Beschwerde richtig erkannt wurde, kommt nämlich dann, wenn sich eine Baueinstellung auf das gesamte Bauvorhaben erstreckt, eine weitere Baueinstellung wegen desselben Bauvorhabens nicht neuerlich in Betracht, vielmehr ist bei einer Fortsetzung der Bauarbeiten trotz erfolgter Baueinstellung im Wege des Verwaltungszwanges vorzugehen. Letzteres allerdings nur unter der Voraussetzung, daß der (erste) Bescheid in Rechtskraft erwuchs bzw. einer Berufung die aufschiebende Wirkung aberkannt wurde. Daß in derselben Sache ein neuerlicher Bescheid während der Dauer des Berufungsverfahrens nicht erlassen werden darf, ergibt sich schon aus der Bestimmung des § 66 Abs. 4 AVG 1950, weil während der Dauer des Berufungsverfahrens der Unterbehörde eine Zuständigkeit in der Sache selbst gar nicht zukommt (vgl. Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 18. Jänner 1979, Zl. 1623/77). Entgegen den Ausführungen in der Begründung des angefochtenen Bescheides und in der Gegenschrift der belangten Behörde besitzt die betroffene Partei einen Rechtsanspruch darauf, daß in derselben Sache nicht neuerlich ein belastender Verwaltungsakt ergeht, wie sich dies im Falle rechtskräftiger Verwaltungsakte schon aus § 68 Abs. 1 AVG 1950 ergibt. Da die belangte Behörde in dieser Beziehung die Rechtslage verkannte, war der zur Zl. 1364/79 angefochtene Bescheid gemäß § 42 Abs. 2 lit. a VwGG 1965 wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben.

Der Zuspruch von Aufwandersatz gründet sich auf die Bestimmungen der §§ 47 ff VwGG 1965 sowie die Verordnung BGBl. Nr. 542/1977.

Wien, 11. Oktober 1979

Schlagworte

Beschränkungen der Abänderungsbefugnis Beschränkung durch die Sache Besondere Rechtsprobleme Auswechslung behördlicher Aufträge und Maßnahmen Rechtskraft Besondere Rechtsprobleme Berufungsverfahren

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1979:1979001363.X00

Im RIS seit

15.09.2020

Zuletzt aktualisiert am

15.09.2020
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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