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Verwaltungsverfahren - VStGNorm
AVG §33 Abs3Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Straßmann und die Hofräte Dr. Draxler, DDr.Hauer, Dr. Degischer und Dr. Domittner als Richter, im Beisein des Schriftführers Richter Mag. Dr. Walter, über die Beschwerde des AH in S, vertreten durch Dr. Alois Nussbaumer, Rechtsanwalt in Vöcklabruck, Stadtplatz 19, gegen den Bescheid der Oberösterreichischen Landesregierung vom 16. Februar 1981, Zl. BauR-444/5-1980 Le/Atz, betreffend Einwendungen gegen eine Exekutionsführung in einer Baustrafsache, zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Das Land Oberösterreich hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 8.535,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Mit dem im Instanzenzug ergangenen, nicht weiter bekämpften Bescheid der Oberösterreichischen Landesregierung vom 29. Mai 1980, Zl. BauR-444/3-1980, war gegen den Beschwerdeführer gemäß § 68 Abs. 2 der OÖ. Bauordnung 1976 eine Geldstrafe von S 5.000,-- verhängt worden, weil er als persönlich haftender Gesellschafter der T OHG in V, ohne im Besitz einer rechtskräftigen Baubewilligung zu sein, vor dem 8. Juni 1977 mit der Errichtung einer Entrindungs-, Vermessungs- und Sortieranlage begonnen und hiedurch eine Verwaltungsübertretung nach § 68 Abs. 1 lit. b leg. cit. begangen habe.
Zur Hereinbringung dieser Geldstrafe und des mit S 500,-- bemessenen Strafkostenbeitrages beantragte die Bezirkshauptmannschaft Vöcklabruck als Vollstreckungsbehörde namens des Landes Oberösterreich gemäß § 3 VVG 1950 mit einem am 6. Juni 1980 zur Post gegebenen Schriftsatz vom selben Tag beim Bezirksgericht Frankenmarkt die Durchführung einer Fahrnisexekution. Mit Beschluß dieses Gerichtes vom 9. Juni 1980 wurde die beantragte Exekutionsbewilligung erteilt.
In einer an die Bezirkshauptmannschaft Vöcklabruck gerichteten Eingabe vom 15. Juli 1980 erhob der Beschwerdeführer gegen den der bewilligten Exekution zugrundeliegenden Anspruch mit der Begründung Einwendungen, daß bereits Vollstreckungsverjährung im Sinne des § 31 Abs. 3 VStG 1950 eingetreten sei. Im Titelbescheid sei ihm ein vor dem 8. Juni 1977 gesetztes strafbares Verhalten zur Last gelegt worden; der Exekutionsantrag sei aber erst am 9. Juni 1980 bei Gericht eingelangt.
Mit Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Vöcklabruck vom 11. August 1980 wurden die Einwendungen des Beschwerdeführers abgewiesen. Zur Begründung wurde im wesentlichen ausgeführt, es habe bei einem von der Baubehörde erster Instanz auf dem Betriebsgelände der T OHG in V am 8. Juni 1977 durchgeführten Lokalaugenschein festgestellt werden können, daß trotz Fehlens einer hiezu berechtigenden rechtskräftigen Baubewilligung bereits mit der Errichtung der projektierten Entrindungs- und Vermessungsanlage begonnen und der Fundamentunterbau der Wiege- und Meßstation fertiggestellt worden sei. Mit Bescheid der Baubehörde erster Instanz vom 10. Juni 1977 sei die Einstellung der unmittelbar bis zum 8. Juni 1977 durchgeführten Baumaßnahmen verfügt worden. Sowohl die Baubehörde zweiter Instanz als auch die Vorstellungsbehörde hatten diese Einstellungsverfügung als zu Recht bestehend bestätigt. Das strafbare Verhalten habe also bis zum 8. Juni 1977 gedauert. Die Verjährungsfrist des § 31 VStG 1950 habe demnach am 8. Juni 1977 begonnen und zufolge der §§ 32 f AVG 1950 am 9. Juni 1980 geendet, weil der 8. Juni 1980 ein Sonntag gewesen und das Fristende daher auf den nächstfolgenden Werktag gefallen sei. Da der Exekutionsantrag aber bereits am 6. Juni 1980 zur Post gegeben worden sei und die Tage des Postenlaufes in die Frist nicht miteingerechnet würden (§ 33 Abs. 3 AVG 1950 und § 89 GOG), gelte dieser Antrag als noch vor Ablauf der Dreijahresfrist des § 31 Abs. 3 VStG 1950 eingebracht.
In seiner gegen diesen Bescheid eingebrachten Berufung bestritt der Beschwerdeführer, daß die inkriminierten Baumaßnahmen bis zum 8. Juni 1977 angedauert hätten. Die sich hierauf beziehende Sachverhaltsannahme der Behörde sei objektiv unrichtig und finde auch in der Aktenlage keine Deckung. Die sich aus der zeitlichen Festlegung des Titelbescheides „vor dem 8. Juni 1977“ ergebende Ungenauigkeit gehe zu Lasten der betreibenden Partei. Aber selbst wenn die strittigen Baumaßnahmen bis zum 8. Juni 1977 gesetzt worden wären, wäre Vollstreckungsverjährung eingetreten, da der tatsächliche Exekutionsvollzug jedenfalls erst nach dem 9. Juni 1980 in den Wohnräumlichkeiten des Beschwerdeführers durchgeführt worden sei. Schließlich hätte die beantragte Exekutionsbewilligung auch deshalb nicht erteilt werden dürfen, weil es die betreibende Partei unterlassen habe, ihrem Antrag den ihm zugrundeliegenden Exekutionstitel beizulegen. Dieser Mangel sei auf Verlangen des Exekutionsgerichtes erst zu einem späteren Zeitpunkt behoben worden.
Mit dem nun mittels Beschwerde angefochtenen Bescheid der Oberösterreichischen Landesregierung vom 16. Februar 1981 wurde der Berufung des Beschwerdeführers keine Folge gegeben. In ihrer Bescheidbegründung widersprach die belangte Behörde der Behauptung, es gäbe keinen durch den Akteninhalt gedeckten Hinweis darauf, daß die Baumaßnahmen bis zum 8. Juni 1977 angedauert hätten. Schon in der beim Marktgemeindeamt V am 8. Juni 1977 aufgenommenen Niederschrift sei dargelegt worden, daß die „Entrindungs-, Vermessungs- und Sortierungsanlage bereits in Entstehen ist und hiefür diverse Grabungs- und Stahlbetonarbeiten durchgeführt sind“, weiters, daß der Bauwerber daher umgehendst aufzufordern sei, die Bauarbeiten einzustellen. In der Folge sei von der Baubehörde erster Instanz mit l0. Juni 1977 gemäß § 56 Abs. 3 der Oö. Bauordnung bescheidmäßig die Fortsetzung der Bauausführung untersagt worden. Dieser baupolizeiliche Auftrag sei in Rechtskraft erwachsen. Diese Feststellungen in der Niederschrift vom 8. Juni 1977 und die Erlassung des Baueinstellungsbescheides indizierten deutlich, daß Arbeiten im Gange gewesen seien. Auch wurde bei dem am 8. Juni 1977 vorgenommenen Lokalaugenschein festgestellt, daß Grabungs- und Betonierungsarbeiten durchgeführt gewesen seien. Hieraus und der wiederholt erklärten Ansicht der Geschaftsführer der OGH nach, die die Bewilligungsbedürftigkeit der Bauführung verneint hätten, sei offenkundig, daß die Baumaßnahmen angedauert hätten und fortgeführt werden sollten. Es sei daher der 8. Juni 1977 als der Tag anzusehen, an dem die Bauarbeiten beendet wurden. Verfehlt sei auch die Rechtsansicht des Beschwerdeführers, daß die Exekutionsführung verspätet gewesen und Vollstreckungsverjährung eingetreten sei; dies deshalb, weil die Frist des § 31 Abs. 3 VStG 1950 nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes dann gewahrt sei, wenn die Behörde - wie dies im Beschwerdefall zutreffe - den Antrag auf gerichtliche Exekution zur Hereinbringung einer Geldstrafe noch innerhalb dieser Frist beim zuständigen Gericht eingebracht habe. Im übrigen sei es für das gegenständliche Verfahren unerheblich, ob das Gericht trotz Nichtvorlage des Exekutionstitels die Exekutionsbewilligung hätte erteilen dürfen, da dies ausschließlich Sache des Gerichtes sei.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende, sowohl Rechtswidrigkeit des Bescheidinhaltes als auch Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend machende Beschwerde.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Gemäß § 31 Abs. 2 VStG 1950 beträgt die Verjährungsfrist bei den Verwaltungsübertretungen der Gefährdung, Verkürzung oder Hinterziehung von Landes- und Gemeindeabgaben ein Jahr, bei allen anderen Verwaltungsübertretungen sechs Monate. Diese Frist ist von dem Zeitpunkt zu berechnen, an dem die strafbare Tätigkeit abgeschlossen worden ist oder das strafbare Verhalten aufgehört hat; ist der zum Tatbestand gehörende Erfolg erst später eingetreten, so läuft die Frist erst von diesem Zeitpunkt. Sind seit dem bezeichneten Zeitpunkt drei Jahre verstrichen, so darf nach § 31 Abs. 3 leg. cit. ein Straferkenntnis nicht mehr gefällt und eine verhängte Strafe nicht mehr vollstreckt werden.
Unter dem Gesichtspunkt einer inhaltlichen Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides wird auf dem Boden der dargestellten Rechtslage in der Beschwerde zunächst geltend gemacht, daß die im Strafverfahren ergangene Berufungsentscheidung vom 29. Mai 1980 nicht dem Beschwerdeführer übermittelt, sondern am 25. Juni 1980, damit also erst nach Ablauf der Dreijahresfrist des § 31 Abs. 3 VStG 1950, von FH übernommen worden sei. Abgesehen davon, daß es sich hiebei um eine im verwaltungsgerichtlichen Verfahren unbeachtliche Neuerung handelt, übersieht der Beschwerdeführer mit diesem Einwand, daß ihm der Rechtsmittelbescheid der Oö. Landesregierung vom 29. Mai 1980 laut dem bei den Verwaltungsakten erliegenden zugehörigen Rückschein bereits am 3. Juni 1980 durch postamtliche Hinterlegung zugestellt worden ist und er ja selbst nicht einmal behauptet, daß auch zu diesem Zeitpunkt bereits Vollstreckungsverjährung eingetreten gewesen sei.
In Ausführung der erhobenen Rechtsrüge wird in der Beschwerde ferner die Auffassung vertreten, daß von einer Vollstreckung erst mit der zwangsweisen Begründung des Pfändrechtes durch Eintragung der Fahrnisse in das Pfändungsprotokoll bzw. durch das Anbringen von Pfändungsmarken die Rede sein könne. Zu einem solchen Vollstreckungsakt sei es im Beschwerdefall aber erst am 8. Juli 1980, also zu einem Zeitpunkt gekommen, zu dem nach Beendigung des strafbaren Verhaltens jedenfalls mehr als drei Jahre verstrichen gewesen seien. Im Zusammenhang mit diesem Beschwerdevorbringen ist darauf hinzuweisen, daß nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (vgl. etwa die Erkenntnisse vom 6. Dezember 1950, Slg. N. F. Nr. 1809/A, vom 22. Juni 1954, Zl. 473/52, vom 5. Mai 1958, Zl. 622/57, vom 4. Dezember 1958, Zl. 1264/57, und vom 13. März 1974, Slg. N. F. Nr. 8573/A), von der abzugehen sich der Gerichtshof nicht veranlaßt sieht, die Frist des § 31 Abs. 3 VStG 1950 dann gewahrt ist, wenn die Behörde den Antrag auf gerichtliche Exekution zur Hereinbringung einer Geldstrafe innerhalb der Vollstreckungsverjährungsfrist beim zuständigen Gericht eingebracht hat (§ 3 Abs. 1 VVG 1950), es sei denn, daß sie selbst durch eigene Verfügung im Sinne des § 53 Abs. 2 VStG 1950 in den Gang des gerichtlichen Exekutionsverfahrens eingreift. Da eine derartige Verfügung der Aktenlage nach im Streitfall nicht getroffen worden ist, kommt demnach für die Frage des Eintrittes der Vollstreckungsverjährung nur dem Zeitpunkt der Einbringung des Exekutionsantrages und - entgegen der Auffassung des Beschwerdeführers - nicht dem der zwangsweisen Pfandrechtsbegründung rechtliche Bedeutung zu. Die auf der Annahme, daß für eine Unterbrechung der Verjährungsfrist des § 31 Abs. 3 VStG 1950 allein die Vornahme der Pfändung ausschlaggebend sei, beruhende Argumentation erscheint demnach verfehlt.
Gleichwohl erweist sich die Beschwerde im Ergebnis aus folgenden Gründen als berechtigt:
Nach Ausweis der Akten des Verwaltungsverfahrens steht fest, daß im Beschwerdefall der auf die Vollstreckung des Titelbescheides abzielende, an das zuständige Bezirksgericht Frankenmarkt gerichtete Exekutionsantrag am 6. Juni 1980 zur Post gegeben wurde und an dem darauffolgenden Montag (9. Juni 1980) bei Gericht eingelangt ist. Nach der oben aufgezeigten Rechtslage konnte daher, da die belangte Behörde zu Recht davon ausging, daß die Tage des Postenlaufes in die Frist nicht eingerechnet wurden, von dem von Beschwerdeführer behaupteten Eintritt der Vollstreckungsverjährung nur dann nicht gesprochen werden, wenn das dem Beschwerdeführer im Titelbescheid zur Last gelegte strafbare Verhalten zumindest bis zum 6. Juni 1977 fortgedauert hätte. Tatsächlich sind, im wesentlichen gestützt auf das Ergebnis eines am 8. Juni 1977 durchgeführten Ortsaugenscheines, die Bezirkshauptmanschaft Vöcklabruck und die belangte Behörde bei ihren Entscheidungen davon ausgegangen, daß die inkriminierten Bauarbeiten erst am 8. Juni 1977 beendet worden seien und das strafbare Verhalten daher erst an diesem Tag aufgehört habe. Dessen ungeachtet wurde im Spruch des durch die Berufungsentscheidung der belangten Behörde vom 29. Mai 1980 ausdrücklich aufrechterhaltenen Straferkenntnisses der Bezirkshauptmannschaft Vöcklabruck vom 30. August 1979 dem Beschwerdeführer lediglich angelastet, mit den als rechtswidrig erkannten Bauarbeiten „vor dem 8. Juni 1977“ begonnen zu haben. Eine Aussage darüber, daß die Arbeiten damit jedenfalls nachweislich auch über den 6. Juni 1977 hinaus fortgesetzt worden waren, ergibt sich dagegen weder aus dem Spruch des Titelbescheides noch aus dessen Begründung, zumal auch dieser insoweit nicht mehr entnommen werden kann, als daß am 8. Juni 1977 der Beginn bewilligungsbedürftiger, gleichwohl aber konsensloser Bauarbeiten festgestellt worden sei. Da eine verläßliche Annahme, daß das inkriminierte strafbare Verhalten zumindest noch bis einschließlich 6. Juni 1977 angedauert hat, zudem auch nicht unter Ausschluß jeden Zweifels daraus abgeleitet werden kann, daß die Baubehörde erster Instanz mit 10. Juni 1977 einen Baueinstellungsbescheid erlassen hat und vom bautechnischen Sachverständigen am 8. bzw. am 10. Juni 1977 der Beginn unbefugter Bauarbeiten festgestellt werden konnte, erweist sich die Ansicht der belangten Behörde, es sei offenkundig, daß die Baumaßnahmen bis zum 8. Juni 1977 angedauert hätten, als durch die Aktenlage nicht gedeckt und die Auffassung des Beschwerdeführers, daß in Ansehung des ihm gegenüber geltend gemachten Strafanspruches Vollstreckungsverjährung eingetreten sei, jedenfalls nicht entkräftet.
Der sich damit aber als inhaltlich rechtswidrig darstellende angefochtene Bescheid war daher gemäß § 42 Abs. 2 lit. a VwGG 1965 aufzuheben.
Die Kostenentscheidung stützt sich auf die §§ 47 ff VwGG 1965 in Verbindung mit Art. I lit. A Z. 1 und Art. III Abs. 2 der Verordnung vom 7. April 1981, BGB1. Nr. 221, über die Pauschalierung der Aufwandersätze im Verfahren vor dem Verwaltungsgerichtshof.
Wien, am 15. November 1983
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1983:1981050046.X00Im RIS seit
21.09.2020Zuletzt aktualisiert am
21.09.2020