Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten Univ.-Prof. Dr. Bydlinski als Vorsitzenden sowie die Hofräte und die Hofrätin Mag. Wurzer, Mag. Dr. Wurdinger, Dr. Hofer-Zeni-Rennhofer und Dr. Parzmayr als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei E*****, vertreten durch Dr. Wolfgang Hirsch und Dr. Ursula Leissing, Rechtsanwälte in Bregenz, gegen die beklagte Partei S*****, vertreten durch die Längle Fussenegger Singer Rechtsanwälte Partnerschaft, Dornbirn, wegen Feststellung (Streitwert 50.269,20 EUR), über die Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Landesgerichts Feldkirch als Berufungsgericht vom 11. Februar 2020, GZ 2 R 23/20b-32, mit dem das Urteil des Bezirksgerichts Bregenz vom 26. November 2019, GZ 4 C 657/18d-27, abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:
Spruch
Der Revision wird Folge gegeben.
Das angefochtene Urteil wird dahin abgeändert, dass die Entscheidung wie folgt lautet:
„Das Klagebegehren, es werde festgestellt, dass das gemäß dem Mietvertrag vom ***** 1991 zwischen den Streitteilen begründete Mietverhältnis an der im Erdgeschoss des ehemaligen Hauses *****, gelegenen Wohnung erloschen ist, wird abgewiesen.“
Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit 5.096,42 EUR (darin 372,57 EUR USt und 2.861 EUR Pauschalgebühr) bestimmten Kosten der Revision sowie die mit 3.103,32 EUR (darin 517,22 EUR USt) bestimmten Kosten der Berufungsbeantwortung und die mit 11.163,14 EUR (darin 2.088,83 EUR USt und 719 EUR Barauslagen) bestimmten Kosten des Verfahrens erster Instanz binnen 14 Tagen zu ersetzen.
Text
Entscheidungsgründe:
Der Kläger ist Eigentümer eines Grundstücks, auf dem sich ein 1904 errichtetes Wohnhaus mit drei Wohnungen (davon zwei im Obergeschoss und eine im Erdgeschoss) befand. Eine ca 136 m² große Wohnung im Erdgeschoss war unbefristet an den Beklagten vermietet.
In der Nacht vom 12. 2. auf den 13. 2. 2018 brannte das Wohnhaus vollständig ab. Die Brandursache (insbesondere ein Verschulden des Beklagten am Brand) konnte nicht festgestellt werden. Für das Haus bestand eine (Neuwert-)Versicherung mit einer Versicherungssumme von 863.000 EUR, wovon dem Kläger bereits 480.000 EUR ausbezahlt wurden. Den Restbetrag (also die verbleibenden 383.000 EUR) erhält er erst bei einem Wiederaufbau des Hauses. Mietzinsreserven sind nicht vorhanden. Im Schadensbericht der Versicherung wurde ausgeführt, dass die Versicherungssumme „in etwa ausreichend scheint“. Tatsächlich würden für eine Wiederherstellung des Hauses (geschätzte) Errichtungskosten in Höhe von 991.400 EUR anfallen. Eine „Wiederherstellung wie im Bestand“ wäre um die Versicherungssumme (863.000 EUR) also nicht möglich. Ein Wiederaufbau des Hauses könnte um diesen Betrag jedoch erfolgen, wenn die Wohnfläche verkleinert würde. So wäre es etwa möglich, drei Wohnungen mit je 80 m² zu schaffen.
Der Beklagte vertrat gegenüber dem Kläger sowohl vorprozessual als auch im Verfahren den Standpunkt, dass das Mietverhältnis weiter aufrecht sei und ihm (nach § 7 MRG) ein Anspruch auf Wiederherstellung seines Mietgegenstands (allenfalls auch in verkleinerter Form) zustehe.
Der Kläger begehrt die Feststellung, dass das Mietverhältnis erloschen ist, weil („und“) der Beklagte keinen Anspruch auf Wiederherstellung seines Mietobjekts gemäß § 7 MRG habe.
Das Erstgericht wies die Klage ab. Es ging davon aus, dass der Mietvertrag durch den Untergang des Bestandobjekts gemäß § 1112 ABGB nicht aufgelöst sei, weil den klagenden Bestandgeber eine Wiederherstellungspflicht gemäß § 7 MRG treffe. Nach dieser Bestimmung sei der Vermieter zur baurechtlich zulässigen und bautechnisch möglichen Wiederherstellung des durch Zufall untergegangenen Mietgegenstands in dem Maß verpflichtet, als die Leistungen aus einer bestehenden Versicherung ausreichen. Eine gänzliche Wiederherstellung des Hauses um die Versicherungssumme von 863.000 EUR sei bei (prognostizierten) Herstellungskosten von 990.000 EUR nicht möglich. Auch unter Berücksichtigung einer Anhebung des Mietzinses nach den §§ 18, 19 MRG sei nicht davon auszugehen, dass die Differenz von 127.000 EUR gedeckt werden könne. In Betracht komme aber auch eine bloß teilweise Herstellung des Mietgegenstands um die Versicherungssumme, wenn dies „vom Standpunkt der Brauchbarkeit vernünftig“ erscheine. Dabei sei „auf den bedungenen Gebrauch abzustellen“. Um die Versicherungssumme von 863.000 EUR sei etwa die Schaffung von drei Wohneinheiten mit je 80 m² möglich, wobei die Wohnfläche unter Einbeziehung eines zu erhöhenden Mietzinses noch vergrößert werden könnte. Im Hinblick auf die Nutzung der Mietwohnung durch den Beklagten als Einzelperson würde eine derart verkleinerte Wohneinheit dem bedungenen Gebrauch entsprechen. Das Mietverhältnis bestehe sohin – da den Kläger eine Pflicht zur zumindest teilweisen Wiederherstellung des untergegangenen Mietgegenstands nach § 7 MRG treffe – fort.
Das Berufungsgericht änderte das erstinstanzliche Urteil dahin ab, dass es dem Feststellungsbegehren stattgab. Da die Wiederherstellungskosten in der Versicherungssumme keine Deckung fänden (dass eine Erhöhung des Hauptmietzinses möglich sei, habe der Beklagte gar nicht behauptet; eine Mietzinsreserve besteht nicht), sei eine Wiederherstellung mit dieser Summe nicht möglich. Der Vermieter sei nur zur Wiederherstellung des ursprünglichen Objekts verpflichtet, nicht zu einer Errichtung des Hauses „in anderer Qualität“ (etwa durch Schaffung einer geringeren Anzahl an Räumen). Eine Teilherstellung sei nur insoweit geboten, als diese „vom Standpunkt der Brauchbarkeit vernünftig erscheine“, wobei es „auf den bedungenen Gebrauch“ ankomme. Dieser richte sich nach der vertraglichen Vereinbarung bzw der Verkehrssitte. Die bloß teilweise Wiedererrichtung des – ursprünglich 136 m² großen – untergegangenen Mietobjekts mit lediglich 80 m² würde einen Eingriff in die Bestandrechte des Beklagten bewirken, der weder erklärt habe, mit einer kleineren Wohnung als Ersatzobjekt einverstanden zu sein, noch seine Bereitschaft zur Beistellung finanzieller Mittel zur Fertigstellung des Mietgegenstands auf eigene Kosten bekundet habe. Mangels Vorliegens der Voraussetzungen für eine zumindest teilweise Wiederherstellung des Mietgegenstands sei der Mietvertrag durch dessen Untergang aufgelöst und dem Feststellungsbegehren somit stattzugeben.
Die ordentliche Revision sei nicht zulässig, weil die Frage der Verpflichtung des Vermieters zu einer teilweisen Wiederherstellung des durch Zufall untergegangenen Mietgegenstands gemäß § 7 MRG jeweils vom Einzelfall abhänge.
Rechtliche Beurteilung
Die dagegen erhobene Revision des Beklagten ist entgegen diesem – den Obersten Gerichtshof nicht bindenden – Ausspruch zulässig, weil zur Frage des Umfangs der Wiederherstellungspflicht nach § 7 MRG bei für eine gänzliche Wiederherstellung unzureichender Leistung aus einer bestehenden Versicherung keine gesicherte Rechtsprechung besteht. Die Revision ist auch berechtigt.
1. Gemäß § 7 Abs 1 MRG ist der Vermieter, wenn ein Mietgegenstand durch Zufall unbrauchbar geworden ist, zur baurechtlich zulässigen und bautechnisch möglichen Wiederherstellung des Mietgegenstands „in dem Maß“ verpflichtet, als Leistungen aus einer bestehenden Versicherung ausreichen. Soweit eine Wiederherstellungspflicht besteht, sieht § 29 Abs 1 Z 2 MRG – in Abweichung von § 1112 ABGB, wonach es durch den Untergang des Mietobjekts zur Auflösung des Mietvertrags kommt – das Fortbestehen des Mietverhältnisses vor. § 7 MRG enthält keine Aussage dazu, wie die dort vorgesehene Teilherstellung bei einer unzureichenden Versicherungsleistung konkret erfolgen soll bzw wann eine solche Teilherstellungspflicht nicht besteht. Evident ist, dass bei unzureichender Versicherungsleistung die Bestandobjekte nicht in einem in jeder Hinsicht vertragsgemäßen Zustand herzustellen sind. Es kann dem Gesetz aber insbesondere nicht entnommen werden, ob der Gesetzgeber primär an eine „qualitativ“ hinter dem unbrauchbar gewordenen Mietgegenstand zurückbleibende „Wiederherstellung“ gedacht hat, oder (auch) an eine Verkleinerung des Mietobjekts.
2. Eine historische Betrachtung des § 7 MRG ergibt, dass es sich bei dieser seit der Stammfassung des MRG unveränderten Norm um eine „Nachfolgebestimmung“ des § 10 MG handelt. Demnach verweisen die Gesetzesmaterialien zum MRG auch bloß auf diese „Vorgängerbestimmung“ (ErläutRV 425 BlgNR 15. GP 37, dort jedoch zu einem § 5 MRG der Regierungsvorlage). § 10 MG sah im Gegensatz zu § 7 MRG allerdings keinen dezidierten Anspruch des Mieters auf Wiederherstellung vor, sondern normierte eine Pflicht des Vermieters, die Versicherungsleistung für die Wiederherstellung („des Hauses“) zu verwenden, wozu dieser auf Antrag des Mieters oder auf Anzeige der Gemeinde von der Mietkommission zwangsweise verhalten werden konnte. Den Gesetzesmaterialien zu § 10 MG kann ebensowenig wie jenen zu § 7 MRG entnommen werden, ob dann, wenn die Versicherungsleistung für eine gänzliche Wiederherstellung des Hauses bzw des Mietgegenstands nicht ausreicht, auch die Herstellung eines kleineren als des ursprünglich vereinbarten Mietgegenstands in Betracht kommt.
4. Die bisherige höchstgerichtliche Rechtsprechung zu § 7 MRG bzw § 10 MG – insbesondere zur Frage, inwieweit bei einer unzureichenden Versicherungsleistung eine zumindest teilweise Wiederherstellung des Mietobjekts zu erfolgen hat – ist wenig aussagekräftig:
4.1. In der zu § 10 MG ergangenen Entscheidung 3 Ob 42/55 (MietSlg 4.538 = EvBl 1955/399) ging der Oberste Gerichtshof ganz allgemein davon aus, dass es dem öffentlichen Interesse an der Erhaltung bestehender Häuser sowie – da der Mieter auch für die Kosten der Versicherung des Hauses (gegen Brandschaden) aufkommen müsse – der Billigkeit entspreche, dass die Versicherungssumme widmungsgemäß verwendet wird (so auch Swoboda, Kommentar zum Mietengesetz² [1950] 149).
4.2. Zu 5 Ob 19/88 (SZ 61/60) war der Fall zu beurteilen, dass die für einen untergegangenen Mietgegenstand zur Verfügung stehende Versicherungsleistung nicht zu dessen gänzlicher Wiederherstellung ausreichte. Der Oberste Gerichtshof ging davon aus, dass die bereits zu § 10 MG angestellten Überlegungen zum Zweck der Wiederherstellungspflicht (nach § 10 MG: Verwendungspflicht) – nämlich das öffentliche Interesse an der Erhaltung bestehender Häuser und dass eine widmungsgemäße Verwendung der Versicherungssumme der Billigkeit entspreche – auch im Anwendungsbereich des MRG „Geltung beanspruchen“ könnten. Im Übrigen vertrat er – unter Bezugnahme auf Krejci (in Korinek/Krejci, Handbuch zum MRG [1985] 229) sowie Popper/Teufelhart (Handbuch des Immobilienrechts [1997] 32) – die Ansicht, dass eine Teilherstellung mangels ausreichender Versicherungsleistung nur insoweit geboten sei, als eine solche „vom Standpunkt der Brauchbarkeit vernünftig erscheint“. Sofern sich kein „tauglicher beschränkter Gebrauch“ eines Mietgegenstands erreichen lasse, sei eine Teilherstellung unangebracht. Der Oberste Gerichtshof referierte auch die Ansicht von Würth (in Rummel § 1104 ABGB Rz 2), wonach es bei dieser Beurteilung „auf den bedungenen Gebrauch“ ankomme. Auf das vom (dortigen) Mieter ins Treffen geführte Argument, der Vermieter sei zumindest zur Wiederherstellung des Mietgegenstands im Rohbau verpflichtet, wenn der Mieter die für dessen Fertigstellung erforderlichen finanziellen Mittel bzw Materialien und Arbeitsleistungen beistelle, ging der Oberste Gerichtshof nicht näher ein.
4.3. Zu 5 Ob 304/05z bestätigte der Oberste Gerichtshof die Rechtsansicht, dass eine Teilwiederherstellung des untergegangenen Mietgegenstands nur im Fall einer „vernünftigen Brauchbarkeit“ in Betracht komme. Mit der Frage einer bloß teilweisen Wiederherstellung des Mietgegenstands setzte er sich in dieser Entscheidung aber sonst nicht weiter auseinander.
5. Dass eine Pflicht des Vermieters zur zumindest teilweisen Wiederherstellung des untergegangenen Mietgegenstands mit den Mitteln der (für eine gänzliche Wiederherstellung unzureichenden) Versicherungsleistung nur insoweit bestehe, als dies „vom Standpunkt der Brauchbarkeit vernünftig erscheint“, wurde von der Literatur (soweit diese Rechtsansicht dort nicht ohnehin ihre Grundlage fand; vgl Krejci aaO; Popper/Teufelhart aaO) zustimmend aufgenommen. Eine eingehende Befassung mit der Frage des Umfangs der Wiederherstellungspflicht bei unzureichender Versicherungsleistung erfolgte jedoch nicht (vgl etwa die Ausführungen von Würth in Rummel II³ § 7 MRG Rz 3; Beer/Vospernik in Illedits/Reich-Rohrwig, Wohnrecht³ [2018] § 7 MRG Rz 3; Würth/Zingher/Kovanyi, Miet- und Wohnrecht23 § 7 MRG Rz 2). Einzig Hausmann (in Hausmann/Vonkilch, Kommentar zum Österreichischen Wohnrecht³ [2013] § 7 MRG Rz 11) und Krecji (aaO 229; dort zum „Sonderproblem“ der Aufteilung einer unzureichenden Versicherungsleistung auf mehrere untergegangene Mietgegenstände) setzten sich damit etwas näher auseinander und gingen davon aus, dass die „funktionell und wirtschaftlich effektivste Lösung geboten sei“. Hausmann (aaO) vertrat zudem die Ansicht, dass dem Vermieter hinsichtlich der zur Verfügung stehenden Varianten „ein beträchtlicher Spielraum eröffnet wird“; andererseits hielt dieser Autor auch dessen (nicht näher konkretisierte) „Anspannung nach den Grundgedanken der §§ 3 bis 5 MRG und weil die Versicherungssumme mit Zahlungen der Mieter erkauft wurde“, für geboten.
6.1. § 7 MRG sieht mit der bloßen Teilherstellung nach Maßgabe („in dem Maß“) der Versicherungsleistung eine Verpflichtung zur Herstellung eines Mietgegenstands vor, der regelmäßig nicht dem ursprünglich vereinbarten Objekt entspricht, bleibt doch eine bloß teilweise Wiederherstellung des untergegangenen Mietgegenstands typischerweise hinter dem vertraglich bedungenen Zustand – sei es hinsichtlich dessen Ausstattung oder Größe – zurück. Wenn daher in Rechtsprechung und Literatur vertreten wird, dass es bei der Beurteilung der Frage, welche Lösung (für die Parteien) „vom Standpunkt der Brauchbarkeit vernünftig erscheint“, auf den „bedungenen Gebrauch ankommen“ soll, so liegt dem erkennbar der Gedanke zugrunde, dass die Herstellung eines dem vereinbarten Mietobjekt „möglichst nahekommenden“ Ersatzobjekts regelmäßig im Interesse des Mieters liegt, dessen Schutz § 7 MRG zweifellos bezweckt.
6.2. Ein schützenswertes Interesse des Mieters an einer Verwendung der Leistung aus der auch mit seinen Betriebskostenzahlungen (vgl § 21 Abs 1 Z 4 MRG) wirtschaftlich „erkauften“ Versicherungsleistung zu seinen Gunsten (Krejci aaO 227 weist darauf hin, dass das dem Mieterschutz entsprechende Prinzip, wonach „hausnahe“ Mittel zugunsten des Mieters so lange „hausnah“ bleiben sollen, als dies eine ordnungsgemäße Erhaltung und Verwaltung des Hauses und der Mietgegenstände erforderlich mache, auch auf die Fälle des zufälligen Untergangs des Mietgegenstands ausgedehnt worden sei) besteht aber nicht nur daran, dass der „wiederhergestellte“ Mietgegenstand möglichst dem vertraglich vereinbarten Objekt entspricht, sondern auch daran, dass die Versicherungssumme überhaupt für eine (Teil-)Wiederherstellung des untergegangenen Mietgegenstands verwendet wird, auch wenn dabei – aufgrund ihrer unzureichenden Höhe – Abstriche von der vertraglich geschuldeten Leistung gemacht werden müssen. Ob sich der Mieter im Einzelfall für einen Fortbestand seines Mietverhältnisses entscheidet und einen hinter dem ursprünglich vereinbarten Mietobjekt „zurückbleibenden“ Mietgegenstand akzeptiert, oder ob er auf die Wiederherstellung eines solchen (nicht dem Vertrag entsprechenden) Objekts und damit auf die Fortsetzung des Mietverhältnisses „verzichtet“, ist grundsätzlich diesem zu überlassen.
6.3. Die Interessen des Vermieters werden bei einer (solchen) dem Mieter zugestandenen Wahlmöglichkeit dadurch ausreichend beachtet, dass er für die Wiederherstellung nur die Versicherungsleistung und keine „hausfremden Mittel“ verwenden muss. Wäre eine bloß teilweise (insbesondere verkleinerte) Wiederherstellung des Hauses für den Vermieter aus besonderen Gründen unzumutbar (etwa weil eine solche nur unter Verkleinerung von ihm selbst genutzter Gebäudeteile möglich wäre), wäre im jeweiligen Einzelfall eine Interessenabwägung vorzunehmen.
7. Einzelheiten zum konkreten Umfang der gebotenen Wiederherstellung des abgebrannten Wohnhauses müssen im vorliegenden Verfahren allerdings deshalb nicht geklärt werden, weil das Klagebegehren nur auf die Feststellung abzielt, dass der Mietvertrag mangels (jedweder) Wiederherstellungspflicht aufgelöst wurde. Da der Beklagte bereits in erster Instanz ausreichend deutlich erkennen ließ, mit einer Wiederherstellung des Mietobjekts in verkleinertem Umfang einverstanden zu sein, und seiner Revision eine konkrete Zustimmung zu einem rund 80 m² großen (möglichen) „Ersatzobjekt“ zu entnehmen ist, besteht jedenfalls insoweit eine (teilweise) Wiederherstellungspflicht gemäß § 7 Abs 1 MRG. Durch ein rund 80 m² großes (neues) Mietobjekt ließe sich – auch unter Berücksichtigung des „bedungenen Gebrauchs“ des ursprünglichen Mietobjekts für Wohnzwecke einer einzelnen Person – ein „tauglicher beschränkter Gebrauch“ erzielen. Konkrete Gründe, die eine Wiederherstellung in diesem Umfang unzumutbar erscheinen ließen, legt der Kläger auch im Revisionsverfahren nicht dar. Dass – wie der Kläger in dritter Instanz argumentiert – der Beklagte das Mietverhältnis nach Wiederherstellung der Wohnung aufkündigen könnte und er für die dann „allenfalls unwirtschaftliche kleinere Wohnung“ einen neuen Mieter suchen müsste, ist (auch hinsichtlich der in den Raum gestellten Unwirtschaftlichkeit der Vermietung einer 80 m² großen Wohnung) bloße Spekulation und im Übrigen das wirtschaftliche Risiko jedes Vermieters. Die Frage einer bei der Interessenabwägung allenfalls zu beachtenden Unwirtschaftlichkeit der Neuvermietung könnte im Übrigen nur im Rahmen einer Gesamtbetrachtung beantwortet werden. Zum Schicksal der bei Wiedererrichtung des Gebäudes neu geschaffenen anderen Wohnungen schweigt der Kläger aber.
8. Der vom Beklagten mit dem Kläger abgeschlossene Mietvertrag wurde durch den Untergang des Mietobjekts daher nicht aufgelöst, sodass das darauf abzielende Feststellungsbegehren abzuweisen ist. Da die Wiederherstellungspflicht nach § 7 MRG – auch nach dem Inhalt des Klagevorbringens – für die Beurteilung der Frage, ob der Vertrag nach § 29 Abs 1 Z 2 MRG aufgelöst wurde, nur eine Vorfrage darstellt, ist dem beantragten (abgewiesenen) Urteilsbegehren zur Verdeutlichung eine klarere, dem angestrebten Rechtsschutzziel eher entsprechende Fassung zu gegeben (vgl RS0041254).
9. Die Kostenentscheidung beruht – aufgrund der Abänderung des angefochtenen Urteils auch hinsichtlich der für das Berufungsverfahren neu zu treffenden Kostenentscheidung – auf den §§ 41 und 50 ZPO. Hinsichtlich der Kosten des erstinstanzlichen Verfahrens hat es bei der vom Erstgericht getroffenen Kostenentscheidung zu bleiben, dessen Urteil ja in der Sache wiederhergestellt wird.
Textnummer
E129080European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:OGH0002:2020:0010OB00064.20Y.0722.000Im RIS seit
16.09.2020Zuletzt aktualisiert am
28.12.2021