TE OGH 2020/7/29 4R93/20p

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 29.07.2020
beobachten
merken

Kopf

Das Oberlandesgericht Innsbruck als Berufungs- und Rekursgericht hat durch den Senatspräsidenten des Oberlandesgerichts Dr. Hoffmann als Vorsitzenden sowie den Richter des Oberlandesgerichts Dr. Huber und den Senatspräsidenten des Oberlandesgerichts Dr. Gosch als weitere Mitglieder des Senats in der Rechtssache der klagenden Partei K*****, vertreten durch Dr. Armin Exner, Rechtsanwalt in 6020 Innsbruck, wider die beklagte Partei L*****, vertreten durch Riedmüller & Mungenast Rechtsanwälte OG in 6020 Innsbruck, und der Nebenintervenientin auf Seiten der beklagten Partei R*****, wegen (eingeschränkt) Zinsen und Kosten, über die Berufungen der beklagten Partei und der Nebenintervenientin gegen das Urteil des Landesgerichts Innsbruck vom 20.5.2020, 41 Cg 16/20a-15, sowie über den Kostenrekurs der klagenden Partei (Rekursinteresse EUR 1.616,96 s.A.) gegen die in diesem Urteil enthaltene Kostenentscheidung in nichtöffentlicher Sitzung

Spruch

I. zu Recht erkannt:

Den Berufungen der beklagten Partei und der Nebenintervenientin wird k e i n e Folge gegeben.

Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei binnen 14 Tagen zu Handen des Klagsvertreters die mit EUR 308,34 (darin enthalten EUR 51,39 USt) bestimmten Kosten des Berufungsverfahrens zu ersetzen.

Die Revision ist jedenfalls u n z u l ä s s i g .

II. beschlossen:

Dem Kostenrekurs der klagenden Partei wird F o l g e gegeben und die angefochtene Kostenentscheidung dahingehend abgeändert, dass diese lautet:

Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei binnen 14 Tagen zu Handen ihres Vertreters die mit EUR 895,18 (darin enthalten EUR 171,-- Barauslagen und EUR 120,70 USt) bestimmten Kosten des erstinstanzlichen Verfahrens zu ersetzen.

Die beklagte Partei ist weiters schuldig, der klagenden Partei binnen 14 Tagen zu Handen des Klagsvertreters die mit EUR 252,31 (darin enthalten EUR 42,05 USt) bestimmten Kosten des Rekursverfahrens zu ersetzen.

Der Revisionsrekurs ist jedenfalls u n z u l ä s s i g .

Text

Entscheidungsgründe:

Vier von der BH ***** am 26.8.2019 erlassene Bescheide, mit denen die Kennzeichen von vier auf die Klägerin zugelassenen Kraftfahrzeugen eingezogen worden waren, wurden mit Beschwerdevorentscheidung vom 9.9.2019 ersatzlos behoben. Mit der Behauptung, die Klägerin habe durch das rechtswidrige Verhalten der Organe der BH ***** pro Beschwerde Vertretungskosten von EUR 1.007,40 zu tragen gehabt, forderte der Klagsvertreter die Beklagte mit E-Mail vom 14.11.2019 auf, bis spätestens 14.2.2020 einen Bruttobetrag von EUR 4.029,60 zuzüglich Kostenersatz auf ein im Schreiben näher genanntes Kanzleikonto zu überweisen. In einer am 13.2.2020 an den Klagsvertreter gesendeten E-Mail-Antwort verwies die Beklagte zunächst darauf, dass sie zwar organisatorische Rechtsträgerin sei, die Ansprüche inhaltlich aber von der Finanzprokuratur geprüft würden. Darüber hinaus erklärte die Beklagte die geltend gemachten Amtshaftungsansprüche dem Grunde nach nicht zu bestreiten. Der Höhe nach erkannte sie neben dem vom Klagsvertreter für das Aufforderungsschreiben begehrten Honorar pro Bescheidbeschwerde Nettokosten von EUR 626,10 an. Sie verwies im Weiteren darauf, dass sie diesen Betrag in Abstimmung mit dem Bund unverzüglich an den Klagsvertreter überweisen werde.

In Ansehung der auf jede Beschwerde entfallenden Umsatzsteuer von EUR 119,22 forderte die Beklagte die Klägerin unter Hinweis darauf, dass dem Ersatzberechtigten gegen den Ersatzpflichtigen ein Rückersatz der Umsatzsteuer zustünde, sobald und soweit ihn der Ersatzberechtigte als Vorsteuer abziehen könne, auf, eine allfällig zustehende Vorsteuerabzugsberechtigung bekannt zu geben.

An der Durchführung der Zahlung waren aufgrund interner Vorgaben der beklagten Partei mehrere Abteilungen/Sachbearbeiter involviert. Die Zahlungssteuerung wurde am 14.2.2020 in Gang gesetzt, wobei die zuständige Sachbearbeiterin einen Dringlichkeitsvermerk setzte. Dieser Vorgang wurde am 20.2.2020 von einem Anweisungsbefugten und dem Rechnungsstellungsleiter der Beklagten freigegeben. Die Anweisung der Zahlung erfolgte schließlich am Freitag, dem 21.2.2020.

Am 24.2.2020 langte der von der beklagten Partei im E-Mail vom 13.2.2020 anerkannte Betrag auf dem Konto des Klagsvertreters ein. Dieser Sachverhalt ist im Berufungsverfahren nicht strittig.

Die Klägerin begehrt in ihrer Mahnklage die Verpflichtung der Beklagten zur Zahlung eines Betrags von EUR 2.504,40 samt 4 % Zinsen seit 15.2.2020. Die Beklagte habe zwar ihre Haftung nach dem AHG dem Grunde nach anerkannt und Zahlung zugesagt, eine solche jedoch nicht geleistet. Sie habe die Klagsforderung mit Schreiben des Klagsvertreters vom 14.11.2019 entsprechend den Bestimmungen des AHG zum 14.2.2020 fällig gestellt. Zum Zeitpunkt der Einbringung der Mahnklage am 18.2.2020 habe sich die beklagte Partei bereits im Zahlungsverzug befunden.

Die beklagte Partei erhob gegen den antragsgemäß erlassenen bedingten Zahlungsbefehl fristgerecht Einspruch und wandte ein, dass sie die Klagsforderung innerhalb der Frist des § 8 AHG mit Schreiben vom 13.2.2020 außergerichtlich anerkannt habe. Mit 21.2.2020 sei die Klagsforderung ohne unnötigen Aufschub erfüllt worden. Aufgrund der Struktur der beklagten Partei (mehrere involvierte Sachbearbeiter und Abteilungen) und der Einhaltung der internen Vorgaben und Richtlinien im Hinblick auf die erforderliche strenge Prüfung von Forderungen sei die Zahlung am 21.2.2020 vorgenommen worden. Sie habe sich daher nicht im Verzug befunden. Die Klagsführung durch die Klägerin erfolge offenbar mutwillig, zumal aufgrund des Anerkenntnisses und der Zusage der Erfüllung durch die beklagte Partei keine Veranlassung zur Klagsführung bestanden habe. Gemäß § 45 ZPO habe daher die Klägerin die Kosten des Prozesses zu tragen.

Mit Schriftsatz vom 6.3.2020 schränkte die Klägerin ihr Zahlungsbegehren auf restlich 4 % Zinsen aus EUR 2.504,40 vom 15.2.2020 bis 23.2.2020 ein.

Nach erfolgtem Schluss der Verhandlung am 7.5.2020 erklärte die Nebenintervenientin auf Seiten der beklagten Partei mit Schriftsatz vom 12.5.2020 ihren Beitritt zum Verfahren auf Seiten der beklagten Partei unter Hinweis darauf, dass ein Fall gesetzlicher Nebenintervention nach § 17 Abs 2 ZPO vorliege.

Das Erstgericht stellte den Beitrittsschriftsatz den Parteien zu.

Mit dem angefochtenen Urteil verpflichtete das Erstgericht die beklagte Partei zur Zahlung von 4 % Zinsen aus EUR 2.504,40 vom 15.2.2020 bis einschließlich 23.2.2020. Die Ersatzpflicht hinsichtlich der Kosten des erstinstanzlichen Verfahrens im Umfang von EUR 721,78 (darin enthalten EUR 120,30 USt) legte es der Klägerin auf. Das Erstgericht ging in seiner Entscheidung vom eingangs wiedergegebenen Sachverhalt aus und beurteilte diesen in rechtlicher Hinsicht wie folgt:

Es sei zu prüfen, ob sich die Beklagte im Verzug befunden habe, weil die Zahlung zwar am 14.2.2020 eingeleitet, schließlich aber erst am 21.2.2020 freigegeben und am 24.2.2020 am Konto des Klagsvertreters eingelangt sei. Nach § 907a ABGB seien Geldschulden grundsätzlich Bringschulden. Werde eine Geldschuld durch Banküberweisung erfüllt, so habe der Schuldner den Überweisungsauftrag so rechtzeitig zu erteilen, dass der geschuldete Betrag bei Fälligkeit auf dem Konto des Gläubigers wertgestellt sei. Nur dann, wenn sich der Zahltag oder die Höhe der Geldforderung nur durch Hinzutreten weiterer Umstände ermitteln lasse, werde die Fälligkeit erst durch Erbringung der Gegenleistung, Rechnungslegung, Zahlungsaufforderung oder einen anderen Umstand ausgelöst. Diesfalls habe der Schuldner den geschuldeten Betrag ohne unnötigen Aufschub nach Eintritt des für die Fälligkeit maßgeblichen Umstands zu leisten. Da die hier Klägerin ihre Amtshaftungsforderung im Schreiben vom 14.11.2019 mit 14.2.2020 fälliggestellt habe, liege ein vorbestimmter Fälligkeitstermin im Sinn des § 907a ABGB vor, sodass die beklagte Partei gemäß § 907 Abs 2 ABGB nur dann nicht in Verzug geraten wäre, wenn die Zahlung an diesem Tag am Konto des Klagsvertreters eingelangt wäre. Der Verzug des Rechtsträgers und damit der Anspruch auf Zahlung gesetzlicher Zinsen werde entweder mit Ablauf der dreimonatigen Frist des § 8 AHG oder mit dem Zeitpunkt einer allfälligen vorherigen Anspruchsablehnung fällig. Da sich die Beklagte im Verzug befunden habe, sei das Zinsenbegehren berechtigt. Hinsichtlich der Kosten lägen die Voraussetzungen des § 45 ZPO vor. Die beklagte Partei habe die Forderung innerhalb der ihr gesetzten Frist anerkannt, der Umstand, dass die Zahlung erst am 24.2.2020 am Konto des Klagsvertreters eingelangt sei, habe keine Veranlassung zur Klagsführung gegeben. Die Erfüllung müsse nicht unter allen Umständen „umgehend erfolgen“, vielmehr sei eine nach den Umständen des Falls angemessene Frist einzuräumen. In der Rechtsprechung werde eine analoge Anwendung des § 409 Abs 1 ZPO und somit der Einräumung einer 14-Tages-Frist argumentiert. Hinzu komme, dass die Klägerin die Klage im Wissen eingebracht habe, dass die Beklagte den von ihr anerkannten Betrag in Abstimmung mit dem Bund überweisen werde. Dass dabei aufgrund interner organisatorischer Abläufe eine zumindest mehrtägige Bearbeitungsdauer erforderlich sein werde, habe der Klägerin nach der allgemeinen Lebenserfahrung bekannt sein müssen. Auch habe sie sich zur Klagsführung entschlossen, ohne zuvor auf die Aufforderung der beklagten Partei zu reagieren, die Berechtigung zur Geltendmachung der Vorsteuerabzugsberechtigung geltend zu machen. Die Klägerin sei daher schuldig, der beklagten Partei die Kosten des erstinstanzlichen Verfahrens zu ersetzen.

Gegen die Entscheidung in der Hauptsache richten sich die fristgerechten Berufungen der beklagten Partei und der Nebenintervenientin, in denen jeweils unter Geltendmachung des Berufungsgrunds der unrichtigen rechtlichen Beurteilung eine Abänderung der angefochtenen Entscheidung im Sinn einer vollständigen Klagsabweisung beantragt wird.

Die Klägerin stellt in ihrer fristgerechten Berufungsbeantwortung den Antrag, den Berufungen der beklagten Partei und der Nebenintervenientin keine Folge zu geben.

Gegen die im angefochtenen Urteil enthaltene Kostenentscheidung richtet sich der fristgerechte Kostenrekurs der Klägerin, in dem eine Abänderung der angefochtenen Kostenentscheidung dahingehend beantragt wird, dass die beklagte Partei zum Ersatz der erstinstanzlichen Verfahrenskosten verpflichtet werde.

Die beklagte Partei und die Nebenintervenientin stellen in ihren fristgerechten Rekursbeantwortungen den Antrag, dem Rekurs der Gegenseite keine Folge zu geben.

I. Zur Berufung der beklagten Partei:

Diese ist n i c h t berechtigt.

Die Berufungswerberin vertritt in ihrer Rechtsrüge den Standpunkt, dass durch das im Aufforderungsschreiben vom 14.11.2019 genannte Datum des 14.2.2020 kein vorbestimmter Fälligkeitstermin im Sinn des § 907a Abs 2 ABGB vorliege. Kein „schon im Vorhinein bestimmter“ Fälligkeitstermin im Sinn des § 907a Abs 2 ABGB liege nämlich vor, wenn sich das Fälligkeitsdatum nicht von vornherein unmittelbar aus Vertrag oder Gesetz ergebe, sondern erst nach dem Hinzutreten weiterer Umstände ermittelbar sei, oder wenn zwar ein Zahlungstermin datumsmäßig vorbestimmt sei, die Höhe des vom Schuldner an diesem Termin zu leistenden Geldbetrags vorab noch nicht exakt feststehe, sondern konkretisiert werden müsse. Nicht vorbestimmt sei der Fälligkeitstermin insbesondere dann, wenn der Eintritt der Fälligkeit aufgrund des Gesetzes vom Abschluss eines Prüfungsverfahrens abhängig sei. Eindeutiger Zweck des Aufforderungsverfahrens nach § 8 AHG sei es, dem Rechtsträger zunächst im eigenen Bereich eine unverbindliche Vorprüfung der Stichhaltigkeit der gegen ihn gerichteten Ersatzansprüche zu ermöglichen, dem Rechtsträger werde also eine maximal dreimonatige Überlegungsfrist - nicht aber Zahlungs- oder Erfüllungsfrist - eingeräumt. Ein Zahlungstermin für einen allenfalls anerkannten Amtshaftungsanspruch sei weder datumsmäßig noch der Höhe nach vertraglich oder gesetzlich vorbestimmt im Sinn des § 907a Abs 2 ABGB. Erst in dem Moment, in dem der Rechtsträger dem Ersatzwerber die Erklärung zukommen lasse, ob überhaupt und wenn ja in welchem Umfang er den behaupteten Anspruch anerkenne oder verweigere, seien jene Umstände im Sinn des § 907a Abs 2 zweiter Satz ABGB hinzugetreten, durch welche ein konkret anerkannter Amtshaftungsanspruch als Geldschuld sowohl dem Grunde als auch der Höhe nach erst ermittelbar sei. Damit aber sei der Fälligkeitseintritt eines Amtshaftungsanspruchs im Aufforderungsverfahren eindeutig nach der Regel des § 907a Abs 2 zweiter Satz ABGB zu beurteilen, wonach der Schuldner den Überweisungsauftrag „ohne unnötigen Aufschub“ nach Eintritt des für die Fälligkeit maßgeblichen Umstands - nämlich nach Erklärung über das Prüfergebnis des Aufforderungsverfahrens - zu erteilen habe. Die Beklagte habe mit E-Mail-Antwort vom 13.2.2020 fristgerecht innerhalb der gemäß § 8 AHG gesetzlich vorgesehenen Frist ihre Erklärung über das Prüfergebnis des Aufforderungsverfahrens abgegeben. Die tatsächlich eine Fälligkeit auslösende konkrete Geldschuld sei sowohl dem Grunde als auch der Höhe nach erst durch die Erklärung über das Prüfergebnis des Aufforderungsverfahrens ermittelbar gewesen. Dementsprechend sei von der Klägerin auch exakt nur der als berechtigt beurteilte und anerkannte Betrag, nicht jedoch der ursprünglich behauptete Betrag eingeklagt worden. Ausgehend von diesem Zeitpunkt (13.2.2020) sei für die Fälligkeit dieses Betrags durch Anwendung des unbestimmten Gesetzesbegriffs „unnötiger Aufschub“ der Zeitpunkt zu bestimmen, bis zu dem die Beklagte den Überweisungsauftrag erteilen habe müssen. Die beklagte Partei habe die Zahlungssteuerung unverzüglich nach Erklärung der Anerkennung am 14.2.2020 in Gang gesetzt, wobei die zuständige Sachbearbeiterin einen Dringlichkeitsvermerk gesetzt habe. Die Anweisung der Zahlung sei schließlich fünf Geschäftstage später, am 21.2.2020, einem Freitag, erfolgt und sei der von der beklagten Partei anerkannte Betrag schließlich am nächsten Geschäftstag, dem 24.2.2020, auf dem Konto des Klagsvertreters eingelangt. Die Zahlung des als Geldschuld anerkannten Amtshaftungsbetrags sei somit eindeutig „ohne unnötigen Aufschub“ und ganz klar rechtzeitig erfolgt. Die vom Erstgericht zugesprochenen Zinsen bestünden demnach nicht zu Recht. Angesichts der Organisationsstrukturen von Rechtsträgern, gegen die Amtshaftungsansprüche geltend gemacht werden könnten, gebe es sehr gute Gründe dafür, für die Erfüllungsfrist von Amtshaftungsansprüchen grundsätzlich die in der Rechtsprechung anerkannte analoge Anwendung der 14-Tage-Frist im Sinn des § 409 Abs 1 ZPO heranzuziehen.

Rechtliche Beurteilung

Dazu war zu erwägen:

1. Gemäß § 8 Abs 1 AHG soll der Geschädigte den Rechtsträger, gegen den er einen Ersatzanspruch geltend machen will, zunächst schriftlich auffordern, ihm binnen einer Frist von drei Monaten eine Erklärung zukommen zu lassen, ob er den Ersatzanspruch anerkennt oder den Ersatz ganz oder zum Teil ablehnt. Gemäß § 8 Abs 2 AHG steht dem Rechtsträger, soweit er den Ersatzanspruch anerkennt oder erfüllt, für die Dauer von drei Monaten ab Geltendmachung, längstens jedoch bis zum Schluss der mündlichen Streitverhandlung, Kostenersatz nach § 45 ZPO zu, wenn der Geschädigte den Rechtsträger zur Anerkennung eines Anspruchs nicht oder nicht hinreichend deutlich aufgefordert oder die Klage vor Ablauf der Frist von drei Monaten erhoben oder den Anspruch erst im Laufe des Rechtsstreits geltend gemacht hat. Durch das Aufforderungsverfahren soll der Rechtsträger in den Stand versetzt werden, die Richtigkeit des behaupteten Sachverhalts zu prüfen und die sich daraus ergebenden Schlüsse zu ziehen, also entweder Ablehnung oder Anerkennung der Amtshaftungsansprüche (Ziehensack, AHG § 8 Rz 40). Rechtsfolge einer unterlassenen oder nicht hinreichend deutlichen Aufforderung ist nach § 8 Abs 2 AHG sohin nur Kostenersatz nach § 45 ZPO für den den Amtshaftungsanspruch anerkennenden Rechtsträger (Mader/Vollmaier in Schwimann/Kodek, ABGB4 VII, AHG § 8 Rz 9).

2. Die Bestimmung des § 8 Abs 2 AHG regelt also lediglich die Frage des Kostenersatzes, wenn vom Geschädigten ohne vorhergehende Aufforderung oder innerhalb der dreimonatigen Äußerungsfrist Klage erhoben wird und der Rechtsträger in der Folge innerhalb dieser 3-Monats-Frist den Anspruch anerkannt hat. Daraus lässt sich allerdings keine Aussage über die Fälligkeit oder über den Beginn des Zinsenlaufs ableiten (OLG Innsbruck 4 R 19/12v). Der erkennende Senat schließt sich daher der Meinung von Schragel (in AHG³ Rz 244), wonach der Anspruch vor Ablauf von drei Monaten nicht fällig sei, nicht an (vgl schon OLG Innsbruck 4 R 19/12v). In Bezug auf die Frage der Fälligkeit einer Schadenersatzforderung kommen daher die Bestimmungen des ABGB und die darauf fußende Rechtsprechung zur Anwendung.

3. Fälligkeit ist jener Zeitpunkt, zu dem der Schuldner die Leistung bewirken und der Gläubiger sie annehmen soll (Bollenberger/P. Bydlinski in Bollenberger6 § 904 Rz 1). Bei Schadenersatzansprüchen tritt die für den Zinsenlauf maßgebliche Fälligkeit ein, wenn der Schaden feststellbar und zumindest vom Geschädigten (durch Mahnung) zahlenmäßig bestimmt worden ist (Danzl aaO § 1334 Rz 3). Demnach werden Amtshaftungsansprüche wie auch andere Schadenersatzansprüche mit ihrer ziffernmäßig bestimmten Einforderung fällig. Das AHG enthält in den §§ 8 f AHG lediglich einzelne Verfahrensvorschriften; sofern keine besonderen Regeln bestehen, sind grundsätzlich die allgemeinen Normen des Zivilprozessrechts anzuwenden (Mader/Vollmaier aaO § 8 AHG Rz 1).

4. Die Klägerin hat hier ihre Amtshaftungsansprüche mit Mail vom 14.11.2019 ziffernmäßig bestimmt und mit 14.2.2020 fällig gestellt. Da die beklagte Partei bis zu diesem Zeitpunkt die berechtigten Ansprüche der Klägerin nicht erfüllt hat, ist sie in Verzug geraten und stehen demzufolge der Klägerin auch die geltend gemachten Verzugszinsen zu. Das Erstgericht hat die Bestimmung des § 907a Abs 2 ABGB zutreffend angewandt (§ 500a ZPO). Der beklagten Partei stand ein Zeitraum von drei Monaten zur Prüfung und zur Regulierung der als berechtigt anerkannten Ansprüche der Klägerin zur Verfügung. Insofern ist dem in der Berufung vorgetragenen Einwand, wonach bei Körperschaften öffentlichen Rechts aufwändigere Prüfvorgänge im Hinblick auf eingehende Forderungen zu beachten sind, ohnehin ausreichend Rechnung getragen.

II. Zur Berufung der Nebenintervenientin:

Auch diese ist n i c h t berechtigt.

1. Vorauszuschicken ist, dass gemäß § 18 Abs 1 ZPO eine Nebenintervention in jeder Lage des Rechtsstreits bis zu dessen rechtskräftiger Erledigung durch Zustellung eines Schriftsatzes an beide Parteien erfolgen kann. Im Fall der gesetzlichen Nebenintervention (§ 10 Abs 1 Z 1 AHG) entfällt das Erfordernis der Behauptung eines konkreten rechtlichen Interesses des Nebenintervenienten am Obsiegen der Hauptpartei (Mader/Vollmaier aaO § 10 AHG Rz 2).

2. Bei der Erledigung der Rechtsrüge der Nebenintervenientin, die die erstgerichtliche Entscheidung mit denselben Argumenten zu bekämpfen versucht wie die beklagte Partei, kann sich das Berufungsgericht darauf beschränken, auf das oben zu Punkt I. Ausgeführte zu verweisen.

III. Zum Kostenrekurs der Klägerin:

Dieser ist b e r e c h t i g t .

Die Rekurswerberin moniert, dass ein Kostenersatzanspruch (der unterliegenden beklagten Partei) nach § 45 ZPO nur dann bestehe, wenn vor Ablauf der 3-Monats-Frist die Klage eingebracht werde und die Beklagte anerkenne. Hier sei die Klage erst fünf Tage nach Ablauf der gesetzten Zahlungsfrist mangels eingehender Zahlung eingebracht worden. Auch könne von einer vollständigen Anerkennung des Klagebegehrens keine Rede sein, habe die beklagte Partei doch das Zahlungsbegehren bestritten.

Dazu war zu erwägen:

1. Vorauszuschicken ist, dass die Voraussetzungen für die Anwendung des § 45 ZPO in einem Amtshaftungsverfahren in § 8 Abs 2 AHG geregelt sind. Diese Voraussetzungen liegen gerade nicht vor, weil die Klägerin erst nach Ablauf der 3-Monats-Frist Klage erhob.

2. Primär gilt für den Kostenersatz das Prinzip der Erfolgshaftung, wobei es auf den Grund des Prozesserfolgs nicht ankommt (Fucik in Rechberger4, § 41 Rz 1). Die Frage der Vorhersehbarkeit des Prozesserfolgs ist für die Kostenersatzpflicht ohne Belang (Klauser/Kodek, ZPO17 § 41 E 94; M. Bydlinski in Fasching/Konecny³ II/1, § 41 ZPO Rz 46). Ob eine Partei als unterlegen (und damit die andere als obsiegend) zu betrachten ist, ist anhand eines Vergleichs zwischen dem Inhalt ihrer den Streitgegenstand betreffenden Sachanträge und der gerichtlichen Entscheidung darüber zu ermitteln.

3. In voller Konsequenz, nicht als Ausnahme der Kostenersatzbestimmungen, hat der Kläger dem Beklagten, der durch sein Verhalten nicht zur Klage Anlass gegeben und den Klagsanspruch sofort bei der ersten Gelegenheit anerkannt hat, als Verursacher eines ohne Not geführten Prozesses die Kosten zu ersetzen (Fucik aaO ZPO § 45 Rz 1). Beide Voraussetzungen, nämlich, dass der Beklagte zur Klagsführung keinen Anlass gegeben hat und er den Klagsanspruch unverzüglich anerkennt, müssen kumulativ vorliegen (M. Bydlinski aaO § 45 ZPO Rz 1).

4. Verlangt wird in der Regel, dass der Beklagte nicht nur sofort anerkennen, sondern auch erfüllen muss, um Kostenersatz beanspruchen zu können (Klauser/Kodek, JN-ZPO18 § 45a ZPO E 60). Das sofortige Anerkenntnis allein wird in den Fällen fehlender Klagsveranlassung als nicht ausreichend angesehen. Ein Beklagter, der lediglich anerkennt, diesem Anerkenntnis aber nicht durch entsprechendes Verhalten (= Erfüllung des Klagsanspruchs) entspricht, erscheint nicht schutzwürdig. Das bloße Anerkenntnis reicht daher nur in jenen Fällen aus, in denen eine darüber hinausgehende Erfüllungshandlung nicht in Betracht kommt wie etwa bei Feststellungsklagen. Bei Leistungsklagen ist die Forderung auch unverzüglich zu erfüllen (M. Bydlinski in Fasching/Konecny3 Bnd 2/1 § 45 ZPO Rz 10).

5. Veranlassung zur Klage war gegeben, wenn bereits Verzug vorlag und der geschuldete Betrag erst nach der Klagseinbringung auf dem Konto des Klägers einlangte, gleichgültig wann der Beklagte den Überweisungsauftrag erteilt hatte (Klauser/Kodek aaO § 45 ZPO E 15). Die Anwendung der Bestimmung des § 45 ZPO setzt eine rückhaltlose Anerkennung des Klagebegehrens voraus, was bei einer nur teilweisen Anerkennung nicht der Fall ist (Deixler-Hübner in Fasching/Konecny² III § 395 ZPO Rz 10; aM Obermaier, Im Kostenhandbuch³ Rz 1291, der die Ansicht vertritt, dass Zinsen vom Anerkenntnis ausgenommen werden können).

6. Die Klägerin hat ihre Forderung mit 14.2.2020 fällig gestellt und, nachdem bis dahin keine Zahlung eingelangt war, die Klage am 18.2.2020 eingebracht. Mit Mail vom 13.2.2020 hatte die beklagte Partei zwar erklärt, den Klagsbetrag in der Hauptsache anzuerkennen und diesen in Abstimmung mit dem Bund unverzüglich an den Klagsvertreter zu überweisen, eine Zahlung erfolgte jedoch erst am 21.2.2020. Die (zu Recht bestehende) Zinsenforderung hat die beklagte Partei bis zuletzt bestritten. Damit liegt weder die für die Anwendung des § 45 ZPO erforderliche vollumfängliche Anerkennung noch die ebenfalls erforderliche fristgerechte Zahlung vor, weshalb die Kostenentscheidung nicht nach § 45 ZPO, sondern nach § 41 Abs 1 ZPO zu erfolgen hat. Die vollständig obsiegende Klägerin hat daher Anspruch auf Ersatz ihrer Kosten des erstinstanzlichen Verfahrens.

7. Die beklagte Partei hat keine Einwendungen gegen das Kostenverzeichnis der Klägerin im Sinne von § 54 Abs 1a ZPO erhoben, die im Kostenverzeichnis der Klägerin verzeichneten Kosten von EUR 895,18 (darin enthalten EUR 171,-- Barauslagen und EUR 120,70 USt) sind daher der Kostenentscheidung zugrundezulegen. In diesem Umfang ist die erstgerichtliche Kostenentscheidung abzuändern.

IV. Die Entscheidung über die Kosten des Berufungsverfahrens stützt sich auf die §§ 50, 41 Abs 1 ZPO. Die beklagte Partei hat der Klägerin die tarifmäßig verzeichneten Kosten ihrer Berufungsbeantwortung zu ersetzen.

V. Die Kostenentscheidung hinsichtlich der Kosten des Rekursverfahrens stützt sich auf die §§ 50, 41 Abs 1 ZPO und 11 RATG. Aufgrund des vollständigen Obsiegens der Klägerin im Rekursverfahren hat die beklagte Partei der Klägerin die Kosten ihres Kostenrekurses zu ersetzen.

VI. Die Entscheidung über die Unzulässigkeit der Revision gegen die Entscheidung in der Hauptsache stützt sich auf § 502 Abs 2 ZPO, hinsichtlich der Kostenentscheidung auf § 528 Abs 2 Z 3 ZPO.

Textnummer

EI0100081

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OLG0819:2020:00400R00093.20P.0729.000

Im RIS seit

16.09.2020

Zuletzt aktualisiert am

16.09.2020
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
Zurück Haftungsausschluss Vernetzungsmöglichkeiten

Sofortabfrage ohne Anmeldung!

Jetzt Abfrage starten