TE Bvwg Erkenntnis 2019/7/29 L516 2101538-2

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 29.07.2019
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Entscheidungsdatum

29.07.2019

Norm

AsylG 2005 §3 Abs1
AsylG 2005 §3 Abs5
B-VG Art133 Abs4

Spruch

L516 2101538-2/10E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Mag. Paul NIEDERSCHICK als Einzelrichter über die Beschwerde von XXXX geb. XXXX , StA. Iran, vertreten durch MigrantInnenverein St Marx, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl, vom 29.03.2017, XXXX , nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am 23.07.2019 zu Recht erkannt:

A)

Der Beschwerde wird stattgegeben und XXXX gemäß § 3 Abs 1 AsylG 2005 der Status des Asylberechtigten zuerkannt. Gemäß § 3 Abs 5 AsylG 2005 wird festgestellt, dass XXXX damit kraft Gesetzes die Flüchtlingseigenschaft zukommt.

B)

Die Revision ist gemäß Art 133 Abs 4 B-VG nicht zulässig.


Text


ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

Verfahrensgang

Der Beschwerdeführer ist iranischer Staatsangehöriger und reiste zusammen mit seiner Ehefrau und den beiden gemeinsamen minderjährigen Kindern im September 2013 in Österreich ein. Am 29.09.2013 stellten der Beschwerdeführer sowie seine Familienangehörigen jeweils einen Antrag auf internationalen Schutz.

Die Erstbefragung nach dem Asylgesetz (AsylG) fand dazu am 01.10.2013 statt, eine erste Einvernahme vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (BFA) am 25.02.2014.

Das BFA wies mit ersten Bescheiden vom 26.01.2015 diese Anträge auf internationalen Schutz hinsichtlich der Zuerkennung des Status von Asylberechtigten und hinsichtlich der Zuerkennung des Status von subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Iran ab. Das BFA erteilte keinen Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen, erließ eine Rückkehrentscheidung, stellte fest, dass die Abschiebung in den Iran zulässig sei und sprach aus, dass die Frist für die freiwillige Ausreise zwei Wochen ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung betrage.

Das Bundesverwaltungsgericht gab den dagegen erhobenen Beschwerden mit Beschluss vom 09.12.2015 statt und verwies die Angelegenheit zur Erlassung neuer Bescheide an das BFA zurück.

Das BFA richtete am 20.05.2016 eine Anfrage an die Staatendokumentation, deren Beantwortung am 04.07.2016 beim BFA einlangte.

Am 04.10.2016 wurden der Beschwerdeführer und seine Ehefrau vor dem BFA erneut niederschriftlich einvernommen.

Das BFA übermittelte dem Beschwerdeführer und seinen Familienangehörigen mit Schriftsätzen vom 28.12.2016 und 31.01.2017 weitere Beantwortungen der Staatendokumentation und der Beschwerdeführer gab dazu mit Schriftsätzen vom 09.01.2017 und 13.02.2017 Stellungnahmen ab.

Das BFA wies mit gegenständlich angefochtenem Bescheid den Antrag des Beschwerdeführers (I.) gemäß § 3 Abs 1 iVm § 2 Abs 1 Z AsylG bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten und (II.) gemäß § 8 Abs 1 AsylG bezüglich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten ab. Das BFA erteilte unter einem (III.) keinen Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß § 57 AsylG, erließ gemäß § 10 Abs 1 Z 3 AsylG iVm § 9 BFA-VG eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs 2 Z 2 FPG, stellte gemäß § 52 Abs 9 FPG fest, dass die Abschiebung in den Iran gemäß § 46 FPG zulässig sei und sprach (IV.) aus, dass gemäß § 55 Abs 1 bis 3 FPG die Frist für die freiwillige Ausreise zwei Wochen ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung betrage.

Gleichzeitig wurde vom BFA mit Verfahrensanordnung gemäß § 52 Abs 1 BFA-VG für das Beschwerdeverfahren amtswegig eine juristische Person als Rechtsberater zur Seite gestellt.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde vom 14.04.2017.

Der Beschwerdeführer und seine Familienangehörigen legten mit Schriftsätzen vom 19.11.2018 und 28.03.2019 Dokumente zur Bescheinigung der zwischenzeitlich erfolgten Integrationsschritte vor.

Das Bundesverwaltungsgericht führte in der Sache des Beschwerdeführers am 23.07.2019 eine öffentliche mündliche Verhandlung durch, an welcher der Beschwerdeführer, seine Ehefrau sowie die beiden gemeinsamen Kinder teilnahmen; die belangte Behörde erschien nicht.

Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Sachverhaltsfeststellungen

1.1 Der Beschwerdeführer führt in Österreich die im Spruch angeführten Namen und sowie das ebenso dort angeführte Geburtsdatum. Der Beschwerdeführer ist Staatsangehöriger des Iran. Seine Identität steht fest. Der Beschwerdeführer lebt in Österreich im aufrechten Familienverband mit seiner Ehefrau XXXX , sowie den beiden gemeinsamen minderjährigen Kindern XXXX und XXXX (hg GZ L516 2101545-2, 2101544-2 und 2153556-1).

1.2 Der Beschwerdeführer war vor seiner Ausreise im Iran XXXX

XXXX

XXXX

Der Beschwerdeführer lehnt das vorherrschende iranische politische System, die dortigen streng religiösen Einstellungen sowie das aktuell regierenden iranische Regime strikt ab.

1.3 Der Beschwerdeführer ist strafrechtlich unbescholten.

1.4 Zur Lage im Iran:

Allgemeine Menschenrechtslage

Zu den größten menschenrechtlichen Problemen gehören die hohe Anzahl an Exekutionen, Folter, harsche und lebensbedrohliche Haftbedingungen, willkürliche Verhaftungen, politische Gefangene, widerrechtliche Einmischung in die Privatsphäre, schwerwiegende Einschränkungen der Meinungs-, Presse-, Internet-, Versammlungs-, Vereinigungs- und Religionsfreiheit. Weiters Frauen- und LGBTI-Rechte und eingeschränkte politische Partizipation, sowie Korruption. Es gab nur wenige Unternehmungen seitens der Regierung, diese Probleme zu untersuchen, gerichtlich zu verfolgen und zu bestrafen. Straffreiheit bleibt weiterhin ein Problem in Iran (US DOS 20.4.2018). Besonders schwerwiegend und verbreitet sind staatliche Repressionen gegen jegliche Aktivität, die als Angriff auf das politische System empfunden wird oder die islamischen Grundsätze in Frage stellt. Als rechtliche Grundlage dienen dazu weit gefasste Straftatbestände (vgl. Art. 279 bis 288 iStGB sowie Staatsschutzdelikte insbesondere Art. 1 bis 18 des 5. Buches des iStGB). Personen, deren öffentliche Kritik sich gegen das System der Islamischen Republik Iran als solches richtet und die zugleich intensive Auslandskontakte unterhalten, können der Spionage beschuldigt werden (AA 8.12.2016). Besonders unter Druck stehen Mitglieder bzw. Gründer von Menschenrechtsorganisationen (zumeist Strafverteidiger bzw. Menschenrechtsanwälte), wie etwa des „Defenders of Human Rights Center“, deren Gründungsmitglieder nahezu allesamt wegen ihrer Tätigkeit hohe Haftstrafen verbüßen. Zum Teil wurden auch Körperstrafen sowie Berufs- und Reiseverbote über sie verhängt. Es ist davon auszugehen, dass sie in Haftanstalten physischer und schwerer psychischer Folter ausgesetzt sind. Oft werden auch Familienmitglieder und Freunde von Strafverteidigern unter Druck gesetzt (verhört oder verhaftet). Die Tätigkeit als Frauen- und Menschenrechtsaktivist wird regelmäßig strafrechtlich verfolgt (Vorwurf der Propaganda gegen das Regime o.ä.) und hat oft die Verurteilung zu Haft- oder auch Körperstrafen zur Folge (ÖB Teheran 9.2017).

Die Rechte auf Meinungs-, Vereinigungs-, Versammlungs- und Religionsfreiheit waren 2017 weiterhin stark eingeschränkt. Die Behörden inhaftierten zahlreiche Personen, die friedlich Kritik geäußert hatten. Die Gerichtsverfahren waren in aller Regel unfair. Folter und andere Misshandlungen von Gefangenen waren noch immer an der Tagesordnung und blieben straflos. Es wurden weiterhin Auspeitschungen, Amputationen und andere grausame Körperstrafen vollstreckt. Die Behörden billigten, dass Menschen wegen ihres Geschlechts, ihres Glaubens, ihrer politischen Überzeugung, ethnischen Zugehörigkeit, sexuellen Orientierung, Geschlechtsidentität oder einer Behinderung in starkem Maße diskriminiert und Opfer von Gewalt wurden. Hunderte Menschen wurden hingerichtet, einige von ihnen in der Öffentlichkeit. Tausende saßen weiterhin in den Todeszellen, darunter Personen, die zur Tatzeit noch minderjährig waren. Ende Dezember 2017 gingen Tausende Menschen auf die Straße, um gegen Armut, Korruption und politische Unterdrückung zu protestieren. Es waren die größten Kundgebungen gegen die iranische Führung seit 2009 (AI 22.2.2018). Vereinzelt wurden auch Rufe nach einem Ende der Islamischen Republik laut. Einige Personen wurden bei Auseinandersetzungen zwischen Demonstranten und Sicherheitsbehörden getötet und hunderte wurden inhaftiert (FH 1.2018). Laut dem rezenten Bericht der UN-Sonderberichterstatterin über die Menschenrechtssituation in Iran wurden bei den Protesten 22 Personen getötet, die Polizei bestätigte mindestens 1.000 Verhaftungen landesweit, ein Mitglied des Parlamentes sprach von 3.700 Verhafteten. Angeblich wurde eine große Anzahl an Studenten, die nicht an den Demonstrationen teilnahmen, präventiv in Haft genommen (HRC 5.3.2018).

Sicherheitsbehörden

Diverse Behörden teilen sich die Verantwortung für die innere Sicherheit; etwa das Informationsministerium, die Ordnungskräfte des Innenministeriums und die Revolutionsgarden welche direkt dem Obersten Führer Khamenei berichten. Die Basij-Kräfte, eine freiwillige paramilitärische Gruppierung mit lokalen Niederlassungen in Städten und Dörfern, sind zum Teil als Hilfseinheiten zum Gesetzesvollzug innerhalb der Revolutionsgarden tätig. Basij Einheiten sind oft bei der Unterdrückung von politischen Oppositionellen oder bei der Einschüchterung von Zivilisten, die den strikten Moralkodex nicht befolgen, involviert (US DOS 20.4.2018). Die Polizei unterteilt sich in Kriminalpolizei, Polizei für Sicherheit und öffentliche Ordnung (Sittenpolizei), Internetpolizei, Drogenpolizei, Grenzschutzpolizei, Küstenwache, Militärpolizei, Luftfahrtpolizei, eine Polizeispezialtruppe zur Terrorbekämpfung und Verkehrspolizei. Die Polizei hat auch einen eigenen Geheimdienst. Eine Sonderrolle nehmen die Revolutionsgarden (Sepah-e Pasdaran-e Enghelab-e Islami - IRGC) ein, deren Auftrag formell der Schutz der Islamischen Revolution ist. Als Parallelarmee zu den regulären Streitkräften durch den Staatsgründer Khomeini aufgebaut, haben sie neben ihrer herausragenden Bedeutung im Sicherheitsapparat im Laufe der Zeit Wirtschaft, Politik und Verwaltung durchsetzt und sich zu einem Staat im Staate entwickelt. Militärisch kommt ihnen eine höhere Bedeutung als dem regulären Militär zu. Sie verfügen über eigene Gefängnisse und eigene Geheimdienste sowie engste Verbindungen zum Revolutionsführer.

Das Ministerium für Information ist als Geheimdienst (Vezarat-e Etela’at) mit dem Schutz der nationalen Sicherheit, Gegenspionage und der Beobachtung religiöser und illegaler politischer Gruppen beauftragt. Aufgeteilt ist dieser in den Inlandsgeheimdienst, Auslandsgeheimdienst, Technischen Aufklärungsdienst und eine eigene Universität. Dabei kommt dem Inlandsgeheimdienst die bedeutendste Rolle bei der Bekämpfung der politischen Opposition zu. Der Geheimdienst tritt bei seinen Maßnahmen zur Bekämpfung der politischen Opposition nicht als solcher auf, sondern bedient sich überwiegend der Sicherheitskräfte und der Justiz. Das reguläre Militär (Artesh) erfüllt im Wesentlichen Aufgaben der Landesverteidigung und Gebäudesicherung. Neben dem „Hohen Rat für den Cyberspace“ beschäftigt sich die iranische Cyberpolice mit Internetkriminalität mit Fokus auf Wirtschaftskriminalität, Betrugsfällen und Verletzungen der Privatsphäre im Internet sowie der Beobachtung von Aktivitäten in sozialen Netzwerken und sonstigen politisch relevanten Äußerungen im Internet. Sie steht auf der EU-Menschenrechtssanktionsliste (AA 2.3.2018).

Mit willkürlichen Verhaftungen kann und muss jederzeit gerechnet werden, da vor allem die Basijis nicht nach iranisch-rechtsstaatlichen Standards handeln. Auch Verhaltensweisen, die an sich (noch) legal sind, können das Misstrauen der Basijis hervorrufen. Basijis sind ausschließlich gegenüber dem Obersten Führer loyal und haben oft keinerlei reguläre polizeiliche Ausbildung, die sie mit rechtlichen Grundprinzipien polizeilichen Handelns vertraut gemacht hätten. Basijis haben Stützpunkte u.a. in Schulen, wodurch die permanente Kontrolle der iranischen Jugend gewährleistet ist. Schätzungen über die Zahl der Basijis gehen weit auseinander. Viele Schätzungen nehmen an, dass heute mehrere Millionen Basijis in Iran tätig sind. Bereits auffälliges Hören von (insb. westlicher) Musik, die Äußerung der eigenen Meinung zum Islam oder gemeinsame Autofahrten junger nicht miteinander verheirateter Männer und Frauen kann den Unwillen zufällig anwesender Basijis bzw. mit diesen sympathisierenden Personen hervorrufen. Willkürliche Verhaftungen oder Verprügeln durch Basijis können in diesem Zusammenhang nicht ausgeschlossen werden. Zu Verhaftungen kommt es immer wieder auch, wenn (junge) Menschen gemischtgeschlechtliche Partys feiern oder sie sich nicht an die Bekleidungsvorschriften halten. Manchmal kann bei Frauen schon ein zu kurzer/enger Mantel oder das Hervortreten von Haarsträhnen unter dem Kopftuch, bei Männern zu eng anliegende Jeans, das Tragen von Goldschmuck oder ein außergewöhnlicher Haarschnitt für eine Verhaftung reichen (ÖB Teheran 9.2017).

Die Revolutionsgarden sind eng mit der iranischen Wirtschaft verbunden (FH 1.2018). Die Elitetruppe der Islamischen Republik betreibt den Imam Khomeini International Airport in der iranischen Hauptstadt und verfügt damit allein durch Start- und Landegebühren über ein äußerst lukratives Geschäft. Auch an den anderen Flug- und Seehäfen im Land kontrollieren die Truppen der 'Sepah Pasdaran' Irans Grenzen. Sie entscheiden, welche Waren ins Land gelassen werden und welche nicht. Sie zahlen weder Zoll noch Steuern. Sie verfügen über Land-, See- und Luftstreitkräfte, kontrollieren Irans strategisches Waffenarsenal und werden auf eine Truppenstärke von mehr als 120.000 geschätzt. Außerdem sind die Revolutionswächter ein gigantisches Wirtschaftsunternehmen, das Augenkliniken betreibt, Kraftfahrzeuge, Autobahnen, Eisenbahnstrecken und sogar U-Bahnen baut. Sie sind eng mit der Öl- und Gaswirtschaft des Landes verflochten, bauen Staudämme und sind im Bergbau aktiv (DW 18.2.2016). Heute gehören Khamenei und den Revolutionsgarden rund 80% der iranischen Wirtschaft. Sie besitzen außer den größten Baufirmen auch Fluggesellschaften, Minen, Versicherungen, Banken, Elektrizitätswerke, Telekommunikationsfirmen, Fußballklubs und Hotels. Für die gesammelten Auslandsaktivitäten gibt das Regime Milliarden aus (Menawatch 10.1.2018).

Längst ist aus den Revolutionsgarden ein bedeutender Machtfaktor geworden – gesellschaftlich, wirtschaftlich, militärisch und politisch. Sehr zum Leidwesen von Hassan Rohani. Der wiedergewählte Präsident versucht zwar, die Garden und ihre Chefebene in die Schranken zu weisen. Es gelingt ihm nur kaum. Die paramilitärischen Einheiten schalten und walten nach wie vor je nach Belieben. Nicht nur in Iran, sondern in der Region. Es gibt nur wenige Konflikte, an denen sie nicht beteiligt sind. Libanon, Irak, Syrien, Jemen – überall mischen die Revolutionsgarden mit und versuchen, die islamische Revolution zu exportieren. Ihre Al-Quds-Brigaden sind als Kommandoeinheit speziell für Einsätze im Ausland trainiert (Tagesspiegel 8.6.2017, vgl. BTI 2018).

In Bezug auf die Überwachung der Bevölkerung ist zu sagen, dass nicht bekannt ist, wie groß die Kapazität der iranischen Behörden ist, jeden zu überwachen. Die Behörden können nicht jeden zu jeder Zeit überwachen, haben aber eine Atmosphäre geschaffen, in der die Bürger von einer ständigen Beobachtung ausgehen (DIS/DRC 23.2.2018).

Folter und unmenschliche Behandlung

Folter ist nach Art. 38 der iranischen Verfassung verboten. Verschiedenen Berichten zufolge schließen Verhörmethoden und Haftbedingungen in Iran in einzelnen Fällen seelische und körperliche Folter sowie unmenschliche Behandlung nicht aus. Dazu kommt es vorrangig in nichtregistrierten Gefängnissen, aber auch aus „offiziellen“ Gefängnissen wird von derartigen Praktiken berichtet, insbesondere dem berüchtigten Trakt 209 im Teheraner Evin-Gefängnis, welcher unmittelbar dem Geheimdienstministerium untersteht (AA 2.3.2018).
Die Justizbehörden verhängten und vollstreckten auch 2017 weiterhin grausame und unmenschliche Strafen, die Folter gleichkamen. In einigen Fällen wurden die Strafen öffentlich vollstreckt. Zahlreiche Personen, unter ihnen auch Minderjährige, erhielten Strafen von bis zu 100 Peitschenhieben. Sie wurden wegen Diebstahls oder tätlichen Angriffen verurteilt, aber auch wegen Taten, die laut Völkerrecht nicht strafbar sind, wie z. B. außereheliche Beziehungen, Anwesenheit bei Feiern, an denen sowohl Männer als auch Frauen teilnehmen, Essen in der Öffentlichkeit während des Fastenmonats Ramadan oder Teilnahme an friedlichen Protestkundgebungen. Gerichte verhängten in zahlreichen Fällen Amputationsstrafen, die vom Obersten Gerichtshof bestätigt wurden. Die Behörden vollstreckten auch erniedrigende Strafen (AI 22.2.2018).

Bei Delikten, die im krassen Widerspruch zu islamischen Grundsätzen stehen, können jederzeit Körperstrafen ausgesprochen und auch exekutiert werden. Bereits der Besitz geringer Mengen von Alkohol kann zur Verurteilung zu Peitschenhieben führen (eine zweistellige Zahl an Peitschenhieben ist dabei durchaus realistisch). Es kann auch nicht ausgeschlossen werden, dass Personen zu Peitschenhieben verurteilt werden, die selbst Alkohol weder besessen noch konsumiert haben, u.U. ist bereits die bloße Anwesenheit bei einer Veranstaltung, bei der Alkohol konsumiert wird, für die Betroffenen gefährlich. So wurden etwa im Mai 2016 mehr als 30 Studenten wegen Teilnahme an einer Party mit Alkohol und Tanz zu je 99 Peitschenhieben verurteilt. Die häufigsten Fälle, für welche die Strafe der Auspeitschung durchgeführt wird, sind illegitime Beziehungen, außerehelicher Geschlechtsverkehr, Teilnahme an gemischtgeschlechtlichen Veranstaltungen, Drogendelikte und Vergehen gegen die öffentliche Sicherheit. Auspeitschungen werden zum Teil auch öffentlich vollstreckt. Berichten zufolge werden auch die Strafen der Amputation (z.B. von Fingern bei Diebstahl) und der Blendung noch angewandt – auf die Anwendung letzterer kann die/der ursprünglich Verletzte jedoch gegen Erhalt eines „Abstandsgeldes“ verzichten (ÖB Teheran 9.2017).

Darüber hinaus gibt es Berichte, wonach politische Gefangene mit Elektroschocks gefoltert werden. Weitere berichtete Foltermethoden sind Verprügeln, Schlagen auf Fußsohlen und andere Körperteile, manchmal während die Häftlinge mit dem Kopf nach unten an der Decke aufgehängt waren, Verbrennungen mit Zigaretten und heißen Metallgegenständen, Scheinhinrichtungen (davon wissen praktisch alle politischen Gefangene aus eigener Erfahrung zu berichten), Vergewaltigungen – teilweise durch Mitgefangene - die Androhung von Vergewaltigung, Einzelhaft, Entzug von Licht, Nahrung und Wasser, und die Verweigerung medizinischer Behandlung (ÖB Teheran 9.2017, vgl. HRC 5.3.2018).

(Quelle: BFA, Länderinformationsblatt der Staatendokumentation, Juli 2018)

Die Elitetruppe der «Sepah-e Pasdaran», respektive der islamischen Revolutionsgarde, wurde kurz nach der iranischen Revolution 1979 auf Anordnung Ayatollah Khomeinis gebildet, um das islamische System des Landes zu verteidigen und ein Gegengewicht zu den regulären Truppen zu bilden. Sie ist eine eigene von den regulären iranischen Streitkräften («Artesh») abgetrennte Einheit mit eigenem Geheimdienst, Bodenstreitkräften, Marine und Luftwaffe. Diese haben andere Aufgaben als die Einheiten der regulären Armee. Die Revolutionsgarden und die «Artesh» sind einer gemeinsamen Kommandostruktur unterstellt. Die Revolutionsgarde hat geschätzte 130‘000 Mitglieder. Sie ist zu einer äusserst wichtigen militärischen, politischen und wirtschaftlichen Kraft im Iran mit engsten Verbindungen zum Revolutionsführer und dem Präsidenten geworden. Seit der Wahl ihres ehemaligen Mitglieds Mahmud Ahmedinejads zum Präsidenten Irans im Jahr 2005 ist die Rolle der Revolutionsgarde in der Innenpolitik wichtiger geworden.

Die islamische Revolutionsgarde verfügt mit den sogenannten «Qods», die auch als «Jerusalem Force» bekannt sind, über eine Spezialeinheit, deren Truppenstärke vom amerikanischen Congressional Research Service auf rund 10‘000 bis15‘000 geschätzt wird. Diese sollen verdeckte militärische und geheimdienstliche Operationen zur Unterstützung verschiedener nichtstaatlicher Akteure in verschiedenen Ländern wie Pakistan, Afghanistan, Irak, Libanon und Bosnien ausgeführt haben. Nach Auskunft eines Experten wählen die «Qods» ihre Mitglieder in der Regel unter sehr motivierten Spezialmitgliedern der Basij oder den Mitgliedern der Revolutionsgarde aus. Sollte ausnahmsweise ein aktives Mitglied der Basij von den «Qods» ausgewählt worden sein, würde es nach Ansicht des Experten nach ideologischem und militärischem Training automatisch zu einem Spezialmitglied befördert werden.

Konsequenzen eines Ausstiegs aus der Basij

Das Regime Irans betrachtet Personen, die von der Staatsdoktrin abweichende Meinungen vertreten oder Menschenrechtsverletzungen des Regimes aufdecken, als Bedrohung. Es ist gut dokumentiert, dass solche Personen im Iran willkürlicher Haft und Folter ausgesetzt sein können.

Reaktionen von Führungsmitgliedern der Revolutionsgarde auf Desertionen und Befehlsverweigerungen. Angesichts zunehmender Desertationen und Befehlsverweigerungen von Mitgliedern verschiedener Sicherheitsbehörden betonte Ali Saeedi, der Repräsentant des Revolutionsführers Khameinis bei den Klerikern der Revolutionsgarde, im Jahre 2011, dass die Basij den Befehlen des Revolutionsführers ohne Ausnahme absoluten Gehorsam zu leisten hätten. Das iranische Regime reagiert offensichtlich mit grosser Härte auf Befehlsverweigerungen, da Nachahmer befürchtet werden. Gemäss Rooz Online will die Führung der Revolutionsgarde die Integrität der Revolutionsgarde, ihrer Familien und der Basij mit Hilfe von verschiedenen Massnahmen sicherstellen. Dazu würden auch «politische Kliniken», gehören, welche die «psychischen und politischen Krankheiten» der fehlbaren Mitglieder der Revolutionsgarde und der Basij behandeln würden.

Dokumentierte Konsequenzen im Falle von Befehlsverweigerungen der Basij- Mitglieder

In einem Interview in Channel 4 News dokumentierte 2010 ein ehemaliges Mitglied der Basij, wie es wegen Befehlsverweigerung inhaftiert und misshandelt wurde. Gemäss eines Artikels der BBC Monitoring International Reports wurden sieben Mitglieder der Basij, welche im April 2011 den Befehl verweigert hatten, auf Demonstranten zu schiessen, im Teheraner Evin-Gefängnis inhaftiert und im Beisein von Offizieren der Revolutionsgarde gefoltert. Der Führer der Revolutionsgarde soll des Weiteren eine Spezialeinheit der «Qods» beauftragt haben, Abtrünnige innerhalb der Basij und der Revolutionsgarde zu identifizieren, damit diese verhaftet und vor Gericht gebracht werden könnten.

Konsequenzen eines Austritts für reguläre, aktive oder Spezialmitglieder der Basij

Nach Auskunft eines Experten soll es zwar keine offizielle Bestrafung geben, wenn man als reguläres oder aktives Mitglied aus der Basij austritt. Allerdings werden Befehlsverweigerungen der Basij wie oben erwähnt hart bestraft. Einem desertierten Spezialmitglied der Basij würde bei einer Rückkehr ins Land mit Sicherheit ein Prozess drohen. Gemäss Artikel 105 des «Employment Law» der Revolutionsgarde hat eine Absenz eines Spezialmitglieds von mehr als 15 Tagen in Friedenszeiten eine Anklage wegen Desertion zur Folge.

(Quelle: Schweizerische Flüchtlingshilfe, Iran: Ausstieg aus der Basij, 25.01.2016)

2. Die bei der Beweiswürdigung maßgebenden Erwägungen

2.1 Die Feststellungen zur Person, zur Staatsangehörigkeit und Identität des Beschwerdeführers sowie zu seinen Familienangehörigen (oben 1.1) ergeben sich im Einklang mit seinen Angaben im Verfahren, welche insofern stringent waren und an denen auf Grund der Sprachkenntnisse auch nicht zu zweifeln war. Die Familiennamen des Beschwerdeführers wurde im Laufe des Verfahren vor dem BFA unterschiedlich geführt (vgl AS 521, 627-629; 759), wobei dies auf die verschiedenen Transkriptionsmöglichkeiten aus dem Persischen in die lateinische Schrift und in die deutsche bzw (internationalere) englische Sprache und die im Iran unterschiedlich mögliche zurückgeführt werden kann. Bereits das BFA erachtete die Identität des Beschwerdeführers und seiner Familienangehörigen aufgrund der vorgelegten Identitätsdokumente (Geburtsurkunde) als erwiesen (Bescheid, S 17).

2.2 Die Feststellungen zur Tätigkeit des Beschwerdeführers im Iran, zu seinem Entschluss, diese nicht weiter fortsetzen zu wollen, zu seiner Ausreise aus dem Iran und zu seiner Haltung gegenüber dem aktuellen iranischen Regime (oben 1.2) beruhen auf den folgenden Erwägungen:

2.2.1 Der Beschwerdeführer brachte zu seinem Ausreisegrund im Verfahren vor dem BFA zusammengefasst im Wesentlichen vor, XXXX

2.2.2 Das BFA hält es jedoch für unglaubhaft, dass der Beschwerdeführer zwangsweise zu einem Einsatz in Syrien verpflichtet worden wäre. Das BFA verwies dazu auf die Ausführungen des herangezogenen Vertrauensanwaltes der ÖB Teheran, dem keine Informationen über eine Zwangsrekrutierung bekannt waren und der vielmehr berichtete, dass Einsätze in Syrien nur freiwillig erfolgen würden.

2.2.3 Das BFA verwies zur Begründung der Unglaubhaftigkeit der vom Beschwerdeführer vorgebrachten Bedrohung zudem darauf, dass sämtliche Übersetzungen, die der Beschwerdeführer vorgelegt hat, vor jenem Zeitpunkt angefertigt wurden, an dem er von seiner bevorstehenden Zwangsrekrutierung für einen Einsatz in Syrien erfahren haben will. Das BFA verwies des Weiteren darauf, dass der Beschwerdeführer bereits auch davor am XXXX Visa-Anträge für eine Einreise in den Schengenraum gestellt habe. Das BFA schloss aus diesen Umständen, dass der Beschwerdeführer die Ausreise geplant habe und zudem auch entgegen seinen Angaben legal aus dem Iran ausgereist sei (Verwaltungsverfahrensakt des BFA, Aktenseite (AS) 759, 813 f).

Dazu ist jedoch festzuhalten, dass auch eine geplante Ausreise das Bestehen einer tatsächlichen asylrelevanten Bedrohung nicht ausschließt. Zudem bedeutet der Umstand, dass Visa beantragt oder sogar ausgestellt wurden, nicht, dass mit diesen tatsächlich auch automatisch eine legale Ausreise verbunden gewesen sein muss, auch wenn dieser Gedanke durchaus naheliegend sein mag. Schließlich kann neben einem unglaubhaften Vorbringen beispielsweise zu den Ausreisemodalitäten auch ein asylerhebliches glaubhaftes Vorbringen zu einer tatsächlich bestehenden Bedrohung bestehen.

2.2.4 Bereits das BFA erachtete jedenfalls die festgestellte jahrelange Tätigkeit des Beschwerdeführers bis zu seiner Ausreise als XXXX als glaubhaft (Bescheid, S 50, 51).

In der mündlichen Verhandlung am 23.07.2019 machte der Beschwerdeführer detaillierte Angaben zu seiner Tätigkeit als XXXX

Diese Ausführungen des Beschwerdeführers erweisen sich als widerspruchsfrei, kohärent und konsistent und er war dabei in der Lage, diese in eigener freier Erzählung umfassend detailliert vorzubringen. XXXX . Er sah daher seine Ausreise aus dem Iran als einzigen Ausweg.

Der Beschwerdeführer hinterließ daher in der mündlichen Beschwerdeverhandlung auch einen persönlich glaubhaften und überzeugenden Eindruck. Die Ausführungen des Beschwerdeführers hinsichtlich des Vorgehens der iranischen Behörden decken sich schließlich mit der festgestellten Ländersituation (oben 1.4). XXXX

Das Vorbringen des Beschwerdeführers wird daher im hier festgestellten Umfang (oben 1.3.) als glaubhaft erachtet.

2.3 Die strafrechtliche Unbescholtenheit ergibt sich aus dem aktuellen Strafregister der Republik Österreich.

2.4 Die Feststellungen zur Lage im Iran (oben 1.4) beruhen auf aktuellen Länderinformationen, konkret auf dem Länderinformationsblatt der Staatendokumentation des BFA zum Iran vom Juli 2018 und der Anfragebeantwortung der Staatendokumentation, Iran, Rückkehr in den Iran; insbesondere Basij-Mitglied und Nationalsportler, 10.04.2018, die im Zuge der mündlichen Verhandlung in das Verfahren eingeführt wurden (VHS, S 16).

Rechtliche Beurteilung:

Zu A)

3. Zuerkennung des Status eines Asylberechtigten gemäß § 3 AsylG 2005

Gesetzliche Bestimmungen

3.1 Gemäß § 3 Abs 1 AsylG 2005 ist einem Fremden, der in Österreich einen Antrag auf internationalen Schutz im Sinne des § 2 Abs 1 Z 13 AsylG 2005 gestellt hat, soweit dieser Antrag nicht bereits gemäß §§ 4, 4a oder 5 AsylG 2005 zurückzuweisen ist, der Status des Asylberechtigten zuzuerkennen, wenn glaubhaft ist, dass ihm im Herkunftsstaat Verfolgung im Sinne des Art 1 Abschnitt A Z 2 der Konvention über die Rechtsstellung der Flüchtlinge, BGBl Nr 55/1955, idF des Protokolls über die Rechtsstellung der Flüchtlinge, BGBl Nr 78/1974 (Genfer Flüchtlingskonvention – GFK), droht.

Rechtsprechung

3.2 Nach Art. 1 Abschnitt A Z 2 GFK ist Flüchtling, wer sich aus wohlbegründeter Furcht, aus Gründen der Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder der politischen Gesinnung verfolgt zu werden, außerhalb seines Heimatlandes befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, sich des Schutzes dieses Landes zu bedienen; oder wer staatenlos ist, sich infolge obiger Umstände außerhalb des Landes seines gewöhnlichen Aufenthaltes befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, in dieses Land zurückzukehren. (VwGH 22.03.2017, Ra 2016/19/0350, Rz 11).

3.3 Zentraler Aspekt der in Art 1 Abschnitt A Z 2 GFK definierten Verfolgung im Herkunftsstaat ist die wohlbegründete Furcht davor. Wohlbegründet kann eine Furcht nur dann sein, wenn sie im Lichte der speziellen Situation des Asylwerbers und unter Berücksichtigung der Verhältnisse im Verfolgerstaat objektiv nachvollziehbar ist (VwGH 12.11.2014, Ra 2014/20/0069, Punkt 5.3.). Eine Verfolgungsgefahr ist dann anzunehmen, wenn eine Verfolgung mit einer maßgeblichen Wahrscheinlichkeit droht; die entfernte Möglichkeit einer Verfolgung genügt nicht (VwGH 05.09.2016, Ra 2016/19/0074).

3.4 Relevant kann darüber hinaus nur eine aktuelle Verfolgungsgefahr sein; sie muss bei Erlassung der Entscheidung vorliegen, auf diesen Zeitpunkt hat die der Asylentscheidung immanente Prognose abzustellen, ob der Asylwerber mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit Verfolgung aus den in Art 1 Abschnitt A Z 2 Genfer Flüchtlingskonvention genannten Gründen zu befürchten habe (VwGH 19.10.2000, 98/20/0233).

3.5 Unter Verfolgung ist ein ungerechtfertigter Eingriff von erheblicher Intensität in die zu schützende persönliche Sphäre des Einzelnen zu verstehen. Erhebliche Intensität liegt vor, wenn der Eingriff geeignet ist, die Unzumutbarkeit der Inanspruchnahme des Schutzes des Heimatstaates zu begründen. Benachteiligungen auf sozialem, wirtschaftlichem oder religiösem Gebiet sind, sofern sie aus asylrelevanten Motiven erfolgen, für die Bejahung der Flüchtlingseigenschaft dann ausreichend, wenn sie eine solche Intensität erreichen, die einen weiteren Verbleib des Asylwerbers in seinem Heimatland unerträglich machen, wobei bei der Beurteilung dieser Frage ein objektiver Maßstab anzulegen ist (vgl VwGH 22.06.1994, 93/01/0443). Ein völliger Entzug der Lebensgrundlage stellt nach ständiger Rechtsprechung des VwGH eine solche Intensität dar, dass diesem Asylrelevanz zukommen kann (VwGH 24.03.1999, 98/01/0380; 13.05.1998, 97/01/0099). Daraus ergibt sich, dass ein wirtschaftlicher oder gesellschaftlicher Nachteil grundsätzlich als Verfolgung zu qualifizieren sein wird, wenn durch das Vorliegen des Nachteils die Lebensgrundlage massiv bedroht ist.

3.6 Einer von Privatpersonen bzw privaten Gruppierungen ausgehenden, auf einem Konventionsgrund beruhenden Verfolgung kommt Asylrelevanz zu, wenn der Staat nicht gewillt oder nicht in der Lage ist, diese Verfolgungshandlungen hintanzuhalten. Auch eine auf keinem Konventionsgrund beruhende Verfolgung durch Private hat aber asylrelevanten Charakter, wenn der Heimatstaat des Betroffenen aus den in Art 1 Abschnitt A Z 2 der Genfer Flüchtlingskonvention genannten Gründen nicht bereit ist, Schutz zu gewähren (VwGH 08.09.2015, Ra 2015/18/0010).

3.7 Von einer mangelnden Schutzfähigkeit des Staates kann nicht bereits dann gesprochen werden, wenn der Staat nicht in der Lage ist, seine Bürger gegen jedwede Übergriffe seitens Dritter präventiv zu schützen. Entscheidend für die Frage, ob eine ausreichend funktionierende Staatsgewalt besteht, ist vielmehr, ob für einen von dritter Seite Verfolgten trotz staatlichen Schutzes der Eintritt eines - asylrelevante Intensität erreichenden - Nachteiles aus dieser Verfolgung mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit zu erwarten ist (VwGH 30.08.2017, Ra 2017/18/0019)

3.8 Wenn Asylsuchende in bestimmten Landesteilen vor Verfolgung sicher sind und ihnen insoweit auch zumutbar ist, den Schutz ihres Herkunftsstaates in Anspruch zu nehmen, bedürfen sie nicht des Schutzes durch Asyl (vgl VwGH 24.3.1999, 98/01/0352 mwN).

3.9 Die Frage der Sicherheit des Asylwerbers in dem als innerstaatliche Fluchtalternative geprüften Gebiet des Herkunftsstaates hat selbstverständlich wesentliche Bedeutung. Es muss mit ausreichender Wahrscheinlichkeit davon ausgegangen werden können, dass der Asylwerber in diesem Gebiet Schutz vor asylrechtlich relevanter Verfolgung und vor Bedingungen, die nach § 8 Abs. 1 AsylG 2005 die Gewährung von subsidiärem Schutz rechtfertigen würden, findet. Sind diese Voraussetzungen zu bejahen, so wird dem Asylwerber unter dem Aspekt der Sicherheit regelmäßig auch die Inanspruchnahme der innerstaatlichen Fluchtalternative zuzumuten sein (VwGH 06.11.2018, Ra 2018/01/0106).

Zum gegenständlichen Verfahren

3.10 Fallbezogen ergibt sich die aktuelle asylrelevante Gefährdung des Beschwerdeführers im Falle seiner Rückkehr in den Iran aufgrund seiner tatsächlichen politisch oppositionellen Grundhaltung und Überzeugungen. Der Beschwerdeführer hat ursprünglich über mehrere Jahre bis zu seiner Ausreise als XXXX gearbeitet. XXXX Nach den Länderfeststellungen drohen dem Beschwerdeführer dafür im Iran Verhaftungen, psychische und physische Misshandlungen, unfaire Verfahren und Bestrafungen. Selbst Personen, die friedlich Kritik üben, werden inhaftiert, und selbst Personen, die nicht an Demonstrationen teilnehmen, droht, präventiv festgenommen zu werden. Umso mehr ist dies beim Beschwerdeführer zu erwarten, der den iranischen Sicherheitsbehörden, XXXX

Vor diesem Hintergrund drohen dem Beschwerdeführer mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit bereits unmittelbar bei einer Einreise in den Iran aktuell Verfolgungshandlungen durch staatliche iranische Organe.

3.11 Im Verfahren haben sich schließlich keine Hinweise auf die in Artikel 1 Abschnitt C und F der Genfer Flüchtlingskonvention genannten Endigungs- und Ausschlussgründe ergeben.

3.12 Im vorliegenden Fall sind somit unter Berücksichtigung der zuvor zitierten Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes die Voraussetzungen für die Zuerkennung des Status eines Asylberechtigten gegeben. Eine darüber hinaus gehende Beurteilung des übrigen Vorbringens des Beschwerdeführers ist angesichts des Spruchinhaltes nicht mehr erforderlich.

3.13 Gemäß § 3 Abs 5 AsylG 2005 war die Entscheidung über die Zuerkennung des Status des Asylberechtigten mit der Feststellung zu verbinden, dass dem Fremden damit kraft Gesetzes die Flüchtlingseigenschaft zukommt.

3.14 Da der verfahrensgegenständliche Antrag auf internationalen Schutz vor dem 15.11.2015 gestellt wurde, kommt dem Beschwerdeführer das dauernde Einreise- und Aufenthaltsrecht gemäß § 2 Abs 1 Z 15 AsylG 2005 idF vor Inkrafttreten des Bundesgesetzes BGBl I Nr 24/2016 zu (§ 75 Abs 24 AsylG 2005).

Zu B)

Revision

3.15 Die ordentliche Revision gemäß Art 133 Abs 4 B-VG ist nicht zulässig, da die Rechtslage durch die bisherige Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes geklärt ist.

3.16 Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.

Schlagworte

asylrechtlich relevante Verfolgung Familienverfahren Flüchtlingseigenschaft politische Gesinnung politischer Charakter Verfolgungsgefahr wohlbegründete Furcht

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2019:L516.2101538.2.00

Im RIS seit

15.09.2020

Zuletzt aktualisiert am

15.09.2020
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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