TE Bvwg Erkenntnis 2019/8/5 L506 2216668-1

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 05.08.2019
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Entscheidungsdatum

05.08.2019

Norm

AsylG 2005 §10 Abs1 Z3
AsylG 2005 §3 Abs1
AsylG 2005 §57
AsylG 2005 §8 Abs1
BFA-VG §9
B-VG Art133 Abs4
FPG §46
FPG §52 Abs2 Z2
FPG §52 Abs9
FPG §55

Spruch

L506 2216668-1/8E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch die Richterin Mag. GABRIEL als Einzelrichterin über die Beschwerde des XXXX , geb. XXXX , StA. Pakistan, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 26.02.2019, Zl. XXXX , Erstaufnahmestelle Ost, zu Recht:

A)

Die Beschwerde wird gemäß den § 3 Abs. 1, § 8 Abs. 1, § 10 Abs. 1 Z 3, und § 57 AsylG 2005 idgF iVm § 9 BFA-VG sowie § 52 Abs. 2 Z 2 und Abs. 9, § 46 und § 55 FPG 2005 idgF als unbegründet abgewiesen.

B) Die Revision ist gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang

1. Der Beschwerdeführer (nachfolgend BF), ein pakistanischer Staatsangehöriger aus der XXXX , ehem. FATA, Pakistan, moslemischen Glaubens und Angehöriger der Volksgruppe der Paschtunen, stellte nach illegaler Einreise in das österreichische Bundesgebiet am 27.12.2018 einen Antrag auf internationalen Schutz.

2. Anlässlich der Erstbefragung am selben Tag brachte der BF zu seinem Ausreisegrund vor, dass er in Pakistan Musiker bzw. Sänger gewesen sei und ihn die Taliban verfolgt hätten, weil er auf YouTube seine Lieder veröffentlicht habe. Er habe einen Drohbrief von den Taliban erhalten, worin er aufgefordert worden sei, bei den Taliban zu erscheinen, ansonsten er umgebracht werde. Er habe gewusst, dass er in beiden Fällen - ob er der Forderung Folge leiste oder nicht - umgebracht werde und habe beschlossen zu flüchten. Seitens der Regierung drohe ihm keine Gefahr. Der BF habe nur das Problem, dass sie die Paschtunen aus seiner Region nicht akzeptiere.

3. Am 07.01.2019 erfolgte eine Einvernahme des BF vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (im Weiteren: BFA). Dort erklärte er zu seinem Ausreisegrund im Wesentlichen, dass er Sänger gewesen sei und die Taliban Sänger nicht am Leben lassen würden. Auch wenn jemand rasiert sei, würden sie diesen nicht am Leben lassen. Der BF habe auf YouTube Lieder veröffentlicht und habe er gleich die Woche darauf einen Drohbrief von den Taliban erhalten. Darin habe gestanden, dass er sich bei den Taliban melden solle. Wenn man hingehe, werde man von den Taliban getötet. Wenn man nicht hingehe, würden sie zu einem nach Hause kommen. Als XXXX könne er seinen Wohnsitz in Pakistan auch nicht verlegen, zumal die Taliban davon erfahren würden.

4. Am 15.01.2019 erfolgte vor dem BFA eine weitere Einvernahme. Im Zuge dessen legte der BF die Kopie eines Drohbriefes vor und erklärte, dass er in Pakistan - außer den bereits erwähnten Problemen - keine weiteren Schwierigkeiten habe. Sein Onkel habe ihm vor drei oder vier Tagen erzählt, dass seinen Eltern die ID-Karten weggenommen worden seien und sie möglicherweise Afghanen seien. Zu seinen Eltern habe der BF keinen Kontakt, weil es in seinem Heimatdorf kein "Netz" gebe. Zu seinem Onkel hab er Kontakt, weil dieser das Dorf aufgrund seiner Arbeit verlassen dürfe. Gegenüber anderen Mitgliedern seiner Volksgruppe fühle er sich nicht benachteiligt. Er könne in Pakistan in keiner anderen Provinz leben, zumal sie Afridi seien. Afridi sei ein ganz kleiner Teil von Paschtunen. Er gehöre auch den Ahmadi Qadyani an. Schließlich wurde dem Beschwerdeführer die Möglichkeit eingeräumt, zu den ihm am 07.01.2019 ausgehändigten Länderinformationsblatt eine Stellungnahme abzugeben, woraufhin der BF erklärte, dass er Deutsch nicht verstehe. Dass er sich jederzeit an seine Rechtsberatung wenden hätten könne, habe er nicht gewusst. Der bei der Einvernahme anwesende Rechtsberater machte von der Möglichkeit, Fragen bzw. Anträge zu stellen, keinen Gebrauch. Im Zuge der Rückübersetzung merkte der Beschwerdeführer an, dass er der Volksgruppe der Afridi angehöre und nicht den Ahmadis.

5. Mit Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 26.02.2019 wurde der Antrag des Beschwerdeführers auf internationalen Schutz bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten gemäß § 3 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG abgewiesen (Spruchpunkt I.). Gemäß § 8 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG wurde der Antrag auf internationalen Schutz hinsichtlich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Pakistan abgewiesen (Spruchpunkt II.). Ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß § 57 AsylG wurde nicht erteilt (Spruchpunkt III.). Gemäß § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG iVm § 9 BFA-VG wurde gegen den Beschwerdeführer eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 Z 2 FPG erlassen (Spruchpunkt IV.) und gemäß § 52 Abs. 9 FPG festgestellt, dass dessen Abschiebung nach Pakistan gemäß § 46 FPG zulässig sei (Spruchpunkt V.). Gemäß § 55 Abs. 1 bis 3 FPG betrage die Frist für die freiwillige Ausreise vierzehn Tage ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung (Spruchpunkt VI.).

Das BFA führte beweiswürdigend aus, dass das Vorbringen des BF aufgrund des nicht nachvollziehbaren und unsubstantiierten Vorbringens nicht glaubwürdig sei.

Spruchpunkt II. begründete die Behörde zusammengefasst damit, dass das Bestehen einer Gefährdungssituation iSd § 8 Abs 1 Z 1 AsylG zu verneinen sei.

Zu Spruchpunkt IV. hielt das BFA fest, dass die Zulässigkeit der Rückkehrentscheidung für den Beschwerdeführer keinen Eingriff in Art. 8 EMRK darstelle.

6. Mit Verfahrensanordnung des BFA vom 07.01.2019 wurde dem BF mitgeteilt, dass beabsichtigt sei, seinen Antrag auf internationalen Schutz abzuweisen.

7. Mit Verfahrensordnung des BFA vom 07.01.2019 wurde dem BF gemäß § 52a Abs 2 BFA-VG die Verpflichtung mitgeteilt, bis zum 15.01.2019 ein Rückkehrberatungsgespräch in Anspruch zu nehmen.

8. Mit Verfahrensanordnungen des BFA vom 26.02.2019 wurde gemäß § 52 Abs. 1 BFA-VG dem BF amtswegig ein Rechtsberater zur Seite gestellt und gemäß § 52a Abs. 2 BFA-VG die Verpflichtung mitgeteilt, bis 27.03.2019 ein Rückkehrberatungsgespräch in Anspruch zu nehmen.

9. Gegen den oa. Bescheid erhob der BF durch seine (damalige) Vertretung binnen offener Frist vollumfänglich Beschwerde. Zu deren Inhalt im Detail wird auf den Akteninhalt verwiesen (zur Zulässigkeit dieser Vorgangsweise: VwGH 16.12.1999, 99/20/0524).

Nach einer kurzen Wiederholung des bisherigen Verfahrensganges wurde moniert, dass die Länderfeststellungen im bekämpften Bescheid sich nicht mit dem konkreten Fluchtvorbringen des Beschwerdeführers befassen würden. Das BFA habe es gänzlich unterlassen, sich mit der Situation von Musikern in von Taliban bewohnten Gebieten auseinanderzusetzen. Im Weiteren wurden auszugsweise Berichte zitiert, aus denen hervorgehe, dass Musiker in das Visier der Taliban geraten würden, zumal Musik von den Taliban verboten sei. Aus den Berichten gehe auch hervor, dass die Taliban in der Grenzregion zu Afghanistan aktiv seien und gezielte Tötungen vornehmen würden. Zur Volksgruppenzugehörigkeit des Beschwerdeführers wurde ausgeführt, dass es sich bei den Afridis um eine Untergruppe der Paschtunen sowie bei den Malik Din Kehl um eine Untergruppe der Afridis handle. Dass der Beschwerdeführer nicht der Volksgruppe der Ahmadi Qadyani angehöre habe er bereits im Rahmen der Rückübersetzung der Einvernahme aufgeklärt. Bei den Verfassern des Drohbriefes handle es sich entgegen der Ausführungen im bekämpften Bescheid um Taliban. Die Taliban seien im Dorf des Beschwerdeführers aktiv und so auf das Video des Beschwerdeführers aufmerksam geworden. Weiters könne der Beschwerdeführer - aus näher dargelegten Gründen - seinen Wohnsitz in Pakistan nicht verlegen. Auf das Vorbringen, wonach der Beschwerdeführer und seine Familie Afghanen seien, sei das BFA nicht näher eingegangen und habe dadurch seine Ermittlungspflicht verletzt. Zudem stehe dem Beschwerdeführer keine innerstaatliche Fluchtalternative offen und wäre dem Beschwerdeführer aufgrund der ihm von den Taliban unterstellten politischen Gesinnung internationaler Schutz zu gewähren gewesen. Aufgrund der Tätigkeit als Musiker drohe dem Beschwerdeführer auch eine Verletzung seines Rechts auf Leben.

10. Hinsichtlich des Verfahrensganges und des Parteivorbringens im Detail wird auf den Akteninhalt verwiesen.

11. Beweis wurde erhoben durch die Einsichtnahme in den behördlichen Verwaltungsakt unter zentraler Zugrundelegung der niederschriftlichen Angaben des BF, des Bescheidinhaltes sowie des Inhaltes der gegen den Bescheid des BFA erhobenen Beschwerde. Einsicht genommen wurde zudem in die vom BFA in das Verfahren eingebrachten Erkenntnisquellen betreffend die allgemeine Lage im Herkunftsstaat des BF, die dem Bundesverwaltungsgericht von Amts wegen vorliegen.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Verfahrensbestimmungen

1.1. Zuständigkeit der entscheidenden Einzelrichterin

1.1.1. Gemäß § 7 Abs. 1 Z 1 des BFA-Verfahrensgesetzes (BFA-VG), BGBl. I Nr. 87/2012 idgF, entscheidet über Beschwerden gegen Entscheidungen (Bescheide) des BFA das Bundesverwaltungsgericht.

1.1.2. Gemäß § 6 des Bundesverwaltungsgerichtsgesetzes (BVwGG), BGBl. I Nr. 10/2013, entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist.

Da in den maßgeblichen gesetzlichen Bestimmungen eine Senatszuständigkeit nicht vorgesehen ist, obliegt in der gegenständlichen Rechtssache die Entscheidung dem nach der jeweils geltenden Geschäftsverteilung des Bundesverwaltungsgerichtes zuständigen Einzelrichter.

Aufgrund der geltenden Geschäftsverteilung wurde der gegenständliche Verfahrensakt der erkennenden Einzelrichterin zugewiesen, woraus sich deren Zuständigkeit ergibt.

2. Feststellungen (Sachverhalt):

2.1. Zur Person des Beschwerdeführers wird festgestellt:

Der Beschwerdeführer ist pakistanischer Staatsangehöriger, sunnitischen Glaubens und Angehöriger der Volksgruppe der Paschtunen. Die Identität des Beschwerdeführers steht nicht fest.

Der Beschwerdeführer stammt aus der XXXX in Pakistan und hat dort sechs Jahre lang die Grundschule besucht. Der Beschwerdeführer ist ledig und hat keine Kinder. In Pakistan sind nach wie vor seine Eltern, drei Schwestern, zwei Brüder, drei Halbschwestern sowie ein Onkel aufhältig und besteht Kontakt zu seinem Onkel.

Der Beschwerdeführer reiste im Februar 2018 aus Pakistan aus und lebte ca. ein halbes Jahr in Serbien. Er reiste im Dezember 2018 illegal in das österreichische Bundesgebiet ein und stellte am 27.12.2018 einen Antrag auf internationalen Schutz. Der Beschwerdeführer war bis 28.03.2019 aufrecht im Bundesgebiet gemeldet und hat am 27.03.2019 das Bundesgebiet selbständig Richtung Italien verlassen.

Es kann nicht festgestellt werden, dass der Beschwerdeführer in seinem Heimatstaat Pakistan asylrelevanter Verfolgung ausgesetzt war oder pro futuro asylrelevanter Verfolgung in Pakistan ausgesetzt sein wird.

Der Beschwerdeführer ist gesund und arbeitsfähig.

Es können keine stichhaltigen Gründe für die Annahme festgestellt werden, dass der Beschwerdeführer Gefahr liefe, in Pakistan einer unmenschlichen Behandlung oder Strafe oder der Todesstrafe bzw. einer sonstigen konkreten individuellen Gefahr unterworfen zu werden.

Es kann nicht festgestellt werden, dass der Beschwerdeführer im Falle der Rückkehr nach Pakistan in eine existenzgefährdende Notsituation geraten würde oder als Zivilperson einer ernsthaften Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines innerstaatlichen oder internationalen Konfliktes ausgesetzt wäre.

Zum Entscheidungszeitpunkt konnte auch keine sonstige aktuelle Gefährdung des Beschwerdeführers in seinem Herkunftsstaat festgestellt werden.

In Österreich hat der Beschwerdeführer keine Verwandten oder sonstigen nahen Bezugspersonen. Er war kein Mitglied in einem Verein und lebte bis zu seiner Abmeldung am 28.03.2019 von der staatlichen Grundversorgung. Der Beschwerdeführer verfügt über keine nennenswerten Deutschkenntnisse und hat in Österreich keine Ausbildung absolviert. Im Strafregisterauszug scheinen keine Verurteilungen des Beschwerdeführers auf und ist er unbescholten.

Sonstige maßgeblichen Anhaltspunkte für die Annahme einer hinreichenden Integration des Beschwerdeführers in Österreich in sprachlicher, beruflicher und gesellschaftlicher Hinsicht konnten nicht festgestellt werden.

Der Beschwerdeführer verfügt zum Entscheidungszeitpunkt über keine relevanten Bindungen zu Österreich.

Des Weiteren liegen die Voraussetzungen für die Erteilung einer "Aufenthaltsberechtigung besonderer Schutz", nicht vor und ist die Erlassung einer Rückkehrentscheidung geboten. Es ergibt sich aus dem Ermittlungsverfahren überdies, dass die Zulässigkeit der Abschiebung des Beschwerdeführers nach Pakistan festzustellen ist.

2.2. Zur Lage im Herkunftsstaat wird festgestellt:

KI vom 31.7.2018: Wahlen am 25.7.2018 (betrifft: Abschnitt 2/Politische Lage)

Am 25. Juli 2018 fanden in Pakistan Wahlen statt. Es war das erste Mal in der Geschichte Pakistans, dass zwei gewählte Regierungen in Folge ihre volle Amtszeit dienen konnten (EUEOM 27.7.2018). Neben der Nationalversammlung wurden auch vier Provinzversammlungen (Punjab, Sindh, Khyber Pakhtunkhwa und Belutschistan) gewählt (NDTV 26.7.2018).

Laut offiziellem Resultat der Wahlkommission erlangte die Partei Tehreek-e-Insaf (PTI) von Imran Khan 115 Sitze im Parlament in Islamabad. Die bisherige Regierungspartei Pakistan Muslim League-Nawaz (PML-N) unter Shehbaz Sharif folgte mit 64 Sitzen, die Partei Pakistan Peoples Party (PPP) von Bilawal Bhutto kam mit 43 auf den dritten Platz (Dawn 30.7.2018). Khan hat noch keinen Koalitionspartner. Um alleine regieren zu können, hätte die PTI 137 Sitze benötigt (NZZ 28.7.2018). Die PML-N und PPP kündigten bereits an, in der Opposition gegen Imran Khan zusammenzuarbeiten (Dawn 30.7.2018). Imran Khan begann zunächst Koalitionsgespräche mit der Partei Muttahidda Qaumi Movement (MQM) (Dawn 28.7.2018).

Die Armee hatte am Wahltag 370.000 Soldaten eingesetzt, die die Wahllokale sichern sollten (NZZ 28.7.2018; vgl. EUEOM 27.7.2018). Zusätzlich waren 450.000 Polizisten im Einsatz. Die Befugnisse des Sicherheitspersonals wurden im Vergleich zur vorigen Wahl erweitert (EUEOM 27.7.2018). Erstmals waren Soldaten nicht nur vor, sondern auch in den Wahllokalen anwesend, auch während der Auszählung der Stimmen. Der Leiter der EU-Wahlbeobachtermission, Michael Gahler, sagte am Donnerstag gegenüber lokalen Medien, dem ersten Eindruck nach hätten sich die Soldaten strikt an ihren Einsatzbefehl gehalten (NZZ 28.7.2018).

Die Wahlbeteiligung lag laut Wahlkommission landesweit bei 51,7 Prozent (ECP o.D.). Etwa 106 Millionen Menschen waren wahlberechtigt. Neun Millionen Frauen hatten sich erstmals als Wählerinnen registrieren lassen. Obwohl es vereinzelt Beschwerden gab, dass Frauen von der Stimmabgabe abgehalten wurden, war die Wahlbeteiligung von Frauen anscheinend höher als früher. Die Wahlkommission hatte angeordnet, dass die Ergebnisse von Distrikten, in denen die Stimmen der Frauen unter 10 Prozent blieben, ungültig seien. Fast alle Parteien umwarben deshalb in diesem Jahr die Pakistanerinnen, wählen zu gehen (NZZ 28.7.2018). In den ehem. Stammesgebieten unter Bundesverwaltung (FATA) stieg die Zahl der Frauen, die als Wählerinnen registriert waren, um 66 Prozent gegenüber der vorhergehenden Wahl (EUEOM 27.7.2018; vgl. NZZ 28.7.2018).

Obwohl Schritte unternommen wurden, die Beteiligung von Minderheiten an den Wahlen zu sichern, blieb die Situation der Ahmadiya-Gemeinschaft unverändert. Ahmadis werden weiterhin in einem separaten Wählerverzeichnis geführt Eine Novelle des Wahlgesetzes 2017 hätte Ahmadis ins generelle Wählerverzeichnis inkludiert, diese Änderung wurde jedoch am 23.11.2017 nach Massenprotesten wieder rückgängig gemacht (EUEOM 27.7.2018).

Die Wahlverlierer prangerten auch Wahlfälschung an und erklärten, sie würden das Ergebnis nicht anerkennen. Sharif erklärte, das Militär habe die Abstimmung zugunsten Khans manipuliert. Auch Bilawal Bhutto sprach, ebenso wie Vertreter islamistischer Parteien, von Wahlfälschung (NZZ 28.7.2018). Die Wahlbeobachtermission der EU schätzte den Wahlvorgang als transparent und gut durchgeführt ein, bemerkte jedoch Schwierigkeiten bei der Auszählung. Die Wahlhelfer hielten die Prozeduren nicht immer ein und hatten Schwierigkeiten, die Formulare für die Resultatsübermittlung korrekt auszufüllen (EUEOM 27.7.2018). Bei der pakistanischen Wahlkommission wurden bis kurz nach Schließung der Wahllokale 654 Beschwerden registriert, die ausschließlich Verstöße gegen die Wahlordnung betreffen würden. Über das Militär habe es keine Beschwerde gegeben (Standard 26.7.2018). Durch technische Probleme im erstmals eingesetzten Result Transmission System (RTS) kam es zu Verzögerungen der Bekanntgabe von Sprengelergebnissen an die Wahlkommission (EUEOM 27.7.2018).

Am Wahltag kam es in Belutschistan zu zwei Anschlägen mit Todesopfern auf Wahllokale (EUEOM 27.7.2018). Bei einem Selbstmordanschlag in Quetta kamen 31 Menschen ums Leben, darunter auch Kinder und Polizisten, 35 Personen wurden verletzt. Der IS reklamierte den Anschlag für sich (Standard 26.7.2018; vgl Dawn 26.7.2018). In Khuzdar wurde bei einem Granatenangriff auf ein Wahllokal ein Polizist getötet (Dawn 26.7.2018; vgl. Standard 25.7.2018). Weiters gab es regional Zusammenstöße zwischen Anhängern unterschiedlicher Parteien (EUEOM 27.7.2018; vgl. Dawn 26.7.2018) vorwiegend in Belutschistan und Khyber Pakhtunkhwa (Dawn 26.7.2018). Bereits im Vorfeld der Wahl waren bei mehreren Anschlägen auf Parteien und Kandidaten mehr als 180 Menschen getötet worden (Standard 25.7.2018; vgl. Kurzinformation vom 18.7.2018).

Reporter ohne Grenzen berichten von zahlreichen Einschränkungen für Journalisten während des Wahlkampfes. In den vergangenen Monaten seien unabhängige Medien wiederholt zensiert und kritische Journalisten bedroht, tätlich angegriffen und entführt worden (ROG 25.7.2018). Auch die Wahlbeobachtermission der EU sah deutliche Hinweise für Einschränkungen der Redefreiheit durch staatliche und nicht-staatliche Akteure (EUEOM 27.7.2018). Gemäß Reporter ohne Grenzen versuchten insbesondere das Militär und die Geheimdienste eine unabhängige Berichterstattung zu verhindern (ROG 25.7.2018). Weit verbreitete Selbstzensur der Berichterstatter hinderte gemäß EU-Wahlbeobachtermission Wahlberechtigte daran, eine qualifizierte Wahlentscheidung zu treffen (EUEOM 27.7.2018).

Quellen:

Dawn (26.7.2018): 'Naya Pakistan' imminent: PTI leads in slow count of 11th general elections vote, https://www.dawn.com/news/1421984/voting-underway-across-pakistan-amid-tight-security-with-only-hours-left-till-polling-ends, Zugriff 30.7.2018

Dawn (28.7.2018): Imran starts preparations for formation of govt at Centre, https://www.dawn.com/news/1423370/imran-starts-preparations-for-formation-of-govt-at-centre, Zugriff 30.7.2018

Dawn (30.7.2018): PPP, PML-N join hands to give Imran tough time, https://www.dawn.com/news/1423776/ppp-pml-n-join-hands-to-give-imran-tough-time, Zugriff 30.7.2018

ECP -Election Commission of Pakistan (o.D.a): Assembly Wise Voters Turnout, https://www.ecp.gov.pk/frmstats.aspx, Zugriff 30.7.2018

EUEOM - European Union Election Observation Mission Islamic Republic of Pakistan (27.7.2018): Preliminary Statement - Positive changes to the legal framework were overshadowed by restrictions on freedom of expression and unequal campaign opportunities, https://eeas.europa.eu/sites/eeas/files/eu_eom_pakistan_2018_-_preliminary_statement_on_25_july_elections.pdf, Zugriff 30.7.2018

NDTV - New Delhi Television Limited (26.7.2018): Pakistan Election Results Live Updates: "Want To Fix India-Pak Ties," Says Imran Khan, https://www.ndtv.com/world-news/pakistan-election-result-2018-live-updates-imran-khan-on-brink-of-victory-after-millions-vote-in-pak-1889205, Zugriff 30.7.2018

NZZ - Neue Zürcher Zeitung (28.7.2018): Imran Khan triumphiert in Pakistan, https://www.nzz.ch/international/wahlen-in-pakistan-imran-khan-triumphiert-ld.1406380, Zugriff 30.7.2018

ROG - Reporter ohne Grenzen (25.7.2018): Pakistan - Einschränkungen während Wahlkampfes, http://www.rog.at/pm/pakistan-einschraenkungen-waehrend-wahlkampfes/, Zugriff 30.7.2018

Standard, der (25.7.2018): Dutzende Tote in Pakistan bei Anschlag am Wahltag, https://derstandard.at/2000084092243/Dutzende-Tote-bei-Anschlag-am-Tag-der-Parlamentswahl-in-Pakistan, Zugriff 30.7.2018

Standard, der (26.7.2018): Ex-Cricketstar Imran Khan steuert auf Wahlsieg in Pakistan zu, https://derstandard.at/2000084154112/Pakistans-Regierungspartei-PML-N-spricht-von-Wahlfaelschung, Zugriff 30.7.2018

Politische Lage

Pakistan ist ein Bundesstaat der sich aus den vier Provinzen Punjab, Sindh, Belutschistan und Khyber Pakhtunkhwa zusammensetzt. Das Hauptstadtterritorium Islamabad ("Islamabad Capital Territory") ist eine eigene Verwaltungseinheit unter Bundesverwaltung. Für die "Federally Administered Tribal Areas" (FATA, Stammesgebiete unter Bundesverwaltung) bestimmte bis 28.5.2018 die pakistanische Verfassung, dass die vom Parlament beschlossenen Gesetze nur dann gelten, wenn dies der Präsident explizit anordnet (AA 10.2017a). Am 28.5.2018 unterzeichnete Präsident Mamnoon Hussain die FATA Interim Governance Regulation 2018, die etwa zwei Jahre lang gültig sein wird (NHT 28.5.2018). Am 31.5.2018 wurden die FATA mit Khyber Pakhtunhkhwa vereinigt und die ehemaligen Stammesgebiete werden mittels der FATA Interim Governance Regulation durch die Provinz Khyber Pakhtunkhwa verwaltet (Geo.tv 31.5.2018).

Daneben kontrolliert Pakistan die Gebiete von Gilgit-Baltistan und Azad Jammu & Kashmir (AJK - "freies Kaschmir"), dem auf der pakistanischen Seite der Demarkationslinie ("Line of Control") zwischen Indien und Pakistan liegenden Teil Kaschmirs. Beide Gebiete werden offiziell nicht zum pakistanischen Staatsgebiet gerechnet. Gilgit-Baltistan hat im September 2009 eine Teilautonomie erhalten. Es war bis dahin von Islamabad aus regiert worden. AJK genießt ebenfalls Autonomie, ist aber finanziell und politisch von der Regierung in Islamabad abhängig (AA 10.2017a).

Das Ergebnis der Volkszählung 2017 ergab für Pakistan 207.774.520 Einwohner (PBS 2017a) ohne Berücksichtigung von Azad Jammu & Kashmir und Gilgit Baltistan (TET 25.7.2018). Das Land ist laut CIA World Factbook der sechstbevölkerungsreichste Staat der Welt (CIA 23.2.2018).

Im April 2010 wurde eine weitreichende Verfassungsreform ("Eighteenth Amendment of the Constitution of Pakistan") verabschiedet, die von einem parteiübergreifenden Parlamentsausschuss seit Juni 2009 vorbereitet worden war. Ziel war es, zur Grundgestalt der unter Präsident Zulfikar A. Bhutto 1973 verabschiedeten Verfassung zurückzukehren, die nach zahlreichen Eingriffen der Militärherrscher Zia-ul Haq und Musharraf fast bis zur Unkenntlichkeit verändert worden war. Kernelemente der vorgenommenen Verfassungsänderungen sind eine Stärkung der Position des Ministerpräsidenten bei gleichzeitiger Einschränkung der Machtbefugnisse des Präsidenten, eine Stärkung des Föderalismus durch eine deutliche Ausweitung der Kompetenzen der Provinzen gegenüber der Zentralregierung, eine Stärkung der Unabhängigkeit der Justiz durch ein neues Ernennungsverfahren für die obersten Richter und die Einführung zweier neuer Grundrechte: des Rechts auf Information und des Rechts auf Erziehung (AA 10.2017a).

Die gesetzgebende Gewalt in Pakistan liegt beim Parlament. Das Parlament besteht aus zwei Kammern, der Nationalversammlung und dem Senat. Daneben werden in den Provinzen Pakistans Provinzversammlungen gewählt. Die Nationalversammlung umfasst 342 Abgeordnete, von denen 272 vom Volk direkt gewählt werden. Es gilt das Mehrheitswahlrecht. 60 Sitze sind für Frauen, zehn weitere für Vertreter religiöser Minderheiten reserviert. Die reservierten Sitze werden auf die in der Nationalversammlung vertretenen Parteien entsprechend deren Stimmenanteil verteilt. Die Legislaturperiode dauert fünf Jahre (AA 10.2017a).

Seit 1.8.2017 ist der bisherige Ölminister Shahid Khaqan Abbasi (von der Regierungspartei PML-N) neuer Ministerpräsident. Der bisherige Ministerpräsident Nawaz Sharif war am 28.8.2017 vorzeitig zurückgetreten, nachdem Pakistans Oberster Gerichtshof Sharifs Amtsenthebung angeordnet hatte. Grundlage für die Amtsenthebung ist das Verschweigen von Einkommen aus einer ausländischen Firmenbeteiligung, die Sharif der Wahlkommission bei seiner Registrierung als Kandidat 2013 hätte anzeigen müssen. Die Korruptionsvorwürfe gegen Sharif und seine Familie sind mit der "Panama-Papers-Affäre" verbunden (AA 10.2017a). Im April 2018 wurde Nawaz Sharif von einem fünfköpfigen Anti-Korruptionsgericht auf Lebenszeit von der Übernahme eines öffentlichen Amtes gesperrt (AJ 13.4.2018).

Die letzten Parlamentswahlen fanden am 11.5.2013 statt. Damals löste die Pakistan Muslim League-N (PML-N) unter Parteichef Nawaz Sharif eine von der Pakistan Peoples Party (PPP) geführte Regierung ab. Es war das erste Mal in der Geschichte Pakistans, dass eine zivile Regierung eine volle Legislaturperiode (2008 bis 2013) regieren konnte und dass der demokratische Wechsel verfassungsgemäß ablief. Die PML-N erreichte bei den Wahlen eine absolute Mehrheit der Mandate. Dieses deutliche Ergebnis ist auch auf das in Pakistan geltende Mehrheitswahlrecht zurückzuführen. Landesweit stimmten ca. ein Drittel der Wähler für die PML-N. Zweitstärkste Partei in der Nationalversammlung wurde die PPP, gefolgt von der Pakistan Tehreek-e-Insaf (Pakistanische Bewegung für Gerechtigkeit, PTI) des ehemaligen Cricket-Stars Imran Khan. Die MQM (Muttahida Quami Movement), mit ihren Hochburgen in den beiden Großstädten der Provinz Sindh, Karatschi und Hyderabad, stellt die viertstärkste Fraktion. Am 5.6.2013 wurde Nawaz Sharif vom Parlament zum Ministerpräsidenten gewählt. Für ihn war es, nach 1990 und 1999, die dritte Amtszeit als pakistanischer Regierungschef (AA 10.2017a).

Ebenfalls am 11.5.2013 fanden die Wahlen zu den vier Provinzversammlungen statt. In Punjab, der bevölkerungsreichsten Provinz (ca. 50 % der Bevölkerung Pakistans), errang die PML-N mehr als zwei Drittel der Mandate, der Bruder von Nawaz Sharif, Shahbaz Sharif, wurde in seinem Amt als Chief Minister bestätigt. In Sindh konnte die PPP ihre Vormachtstellung verteidigen, in Khyber Pakhtunkhwa errang die PTI die meisten Mandate und führt dort nun eine Koalitionsregierung. Die Regierung von Belutschistan wird von einem Chief Minister der belutschischen Nationalistenpartei (NP) geführt, die eine Koalition mit der PML-N und weiteren Parteien eingegangen ist (AA 10.2017a).

Am 30.7.2013 wählten beide Kammern des Parlaments und Abgeordnete der Provinzparlamente den PML-N Politiker Mamnoon Hussain zum neuen pakistanischen Staatsoberhaupt, der am 9.9.2013 vereidigt wurde. Hussain löst Asif Ali Zardari als Staatspräsidenten ab, der als erstes Staatsoberhaupt in der Geschichte Pakistans seine Amtszeit geordnet beenden konnte. Der verfassungsmäßige Machtübergang sowohl in der Regierung als auch im Amt des Staatsoberhaupts wurde als wichtiger Beitrag zur Stabilisierung der Demokratie in Pakistan gewürdigt (AA 10.2017a). Die nächsten Parlamentswahlen finden am 15.7.2018 statt (Samaa 20.12.2017).

Im November 2017 blockierten Demonstranten - Mitglieder religiöser Parteien wie Tehreek Labbaik Ya Rasool Allah (TLY), Tehreek-i-Khatm-i-Nabuwwat und Sunni Tehreek Pakistan (ST) 20 Tage lang den Autobahnknoten Fayzabad Interchange in Islamabad. Anlass der Proteste war eine Zeile in der Novelle des Wahlgesetzes (Elections Act 2017), die nach Meinung der Demonstranten den Khatm-i-Nabuwwat-Eid [Anm.: legt die Endgültigkeit des Prophetentums Mohammads fest] veränderte (Dawn 28.11.2017). Nach diesen Änderungen wäre es Ahmadis etwas erleichtert worden, aktiv und passiv an Wahlen teilzunehmen (Nation 19.11.2017). Die Änderung am Eid wurde durch einen Parlamentsbeschluss rückgängig gemacht. Dennoch forderten die Demonstranten den Rücktritt von Justizminister Zahid Hamid. Nachdem der Islamabad High Court (IHC), der Supreme Court sowie verschiedene religiöse Parteiführer aufgefordert hatten, die Proteste zu beenden, hat der IHC letztlich die Distriktverwaltung aufgefordert, die Demonstranten "mit allen nötigen Mitteln" vom Autobahnknoten zu entfernen. Nach mehreren vergeblichen Verhandlungsrunden wurde Innenminister Ahsan Iqbal vom IHC verwarnt, er könne wegen Missachtung eines Gerichtsentscheides angeklagt werden. Weiters stellte der IHC fest, dass die Demonstranten aufgrund der wiederholten Missachtung der Gerichtsanordnung zur Auflösung der Proteste einen "terroristischen Akt" begangen hätten. Nach einem verstrichenen Ultimatum begann die Regierung am 25.11.2017 mit der gewaltsamen Auflösung der Proteste, bei der sechs Personen getötet wurden. Die zur Unterstützung gerufene Armee verweigerte ihr Eingreifen, wodurch weitere Verhandlungen mit den Demonstranten notwendig wurden. Die Blockade wurde aufgelöst, nachdem einigen Forderungen der Demonstranten nachgegeben wurde, Zahid Hamid musste als Justizminister zurücktreten (Dawn 28.11.2017).

Mit der Vereinigung der FATA mit der Provinz Khyber Pakhtunkhwa am 31.5.2018 (Geo.tv 31.5.2018) wurde die Zahl der Abgeordneten in der Provinzversammlung von Khyber Pakhtunkhwa von 124 auf 145 erhöht. Insgesamt wird die ehemalige FATA von 21 Abgeordneten im kommenden Provinzparlament vertreten, davon sind vier Mandate für Frauen und einer für Nicht-Muslime reserviert. Die neue Provinzversammlung von Khyber Pakhtunkhwa wird innerhalb eines Jahres nach den Parlamentswahlen von 2018 erfolgen (Nation 27.5.2018). Die zwölf Sitze der [ehem.] FATA in der Nationalversammlung werden Khyber Pakhtunkhwa zugeschlagen; die Provinz verfügt in der kommenden Legislaturperiode über 60 statt bisher 48 Abgeordnetensitze (Geo.tv 16.5.2018). Politische Parteien durften in den [ehem.] Stammesgebieten (FATA) seit 2011 aktiv werden (USDOS 20.4.2018).

Quellen:

AA - Auswärtiges Amt (10.2017a): Pakistan - Staatsaufbau und Innenpolitik, https://www.auswaertiges-amt.de/de/aussenpolitik/laender/pakistan-node/-/205010, Zugriff 8.3.2018

AJ - Al Jazeera (13.4.2018): Pakistani court bans ex-PM Nawaz Sharif from parliament for life, https://www.aljazeera.com/news/2018/04/pakistani-court-bans-pm-nawaz-sharif-parliament-life-180413072707795.html, Zugriff 14.5.2018

CIA - Central Intelligence Agency (23.2.2018): World Factbook, https://www.cia.gov/library/publications/the-world-factbook/geos/pk.html, Zugriff 8.3.2017

Dawn (28.11.2017): An overview of the crisis that forced the government to capitulate, https://www.dawn.com/news/1373200/an-overview-of-the-crisis-that-forced-the-government-to-capitulate, Zugriff 26.4.2018

Geo.tv (16.5.2018): KP Assembly seats to increase to 147 after FATA merger: draft bill, https://www.geo.tv/latest/195723-kp-assembly-seats-to-increase-to-147-after-fata-merger-reveals-draft-bill, Zugriff 1.6.2018

Geo.tv (31.5.2018): President signs amendment bill, merging FATA with KP, https://www.geo.tv/latest/197519-fata-official-merged-with-kp-as-president-mamnoon-signs, Zugriff 1.6.2018

Nation, The (19.11.2017): Understanding the Faizabad sit-in, https://nation.com.pk/19-Nov-2017/understanding-the-faizabad-sit-in, Zugriff 16.5.2018

Nation, the (27.5.2018): KP Assembly approves Fata merger bill, https://nation.com.pk/27-May-2018/kp-assembly-approves-fata-merger-bill, Zugriff 1.6.2018

NHT - National Herald Tribune (28.5.2018): Mamnoon signs FATA Interim Governance Regulation, 2018, http://dailynht.com/story/43730, Zugriff 29.5.2018

PBS - Pakistan Bureau of Statistics (2017a): PROVINCE WISE PROVISIONAL RESULTS OF CENSUS - 2017, http://www.pbs.gov.pk/sites/default/files/PAKISTAN%20TEHSIL%20WISE%20FOR%20WEB%20CENSUS_2017.pdf, Zugriff 8.5.2018

Samaa (20.12.2017): Govt to complete its term; elections to be held in July 2018: PM, https://www.samaa.tv/pakistan/2017/12/govt-complete-term-elections-held-july-2018-pm/, Zugriff 26.4.2018

TET - The Express Tribune (25.7.2017): 6th census findings: 207 million and counting, https://tribune.com.pk/story/1490674/57-increase-pakistans-population-19-years-shows-new-census/, Zugriff 9.5.2018

USDOS - US Department of State (20.4.2018): Country Reports on Human Rights Practices for 2017 - Pakistan, https://www.state.gov/documents/organization/277535.pdf, Zugriff 23.4.2018

Sicherheitslage

Zentrales Problem für die innere Sicherheit Pakistans bleibt die Bedrohung durch Terrorismus und Extremismus. Seit Jahren verüben die Taliban und andere terroristische Organisationen schwere Terroranschläge, von denen vor allem die Provinzen Khyber Pakhtunkhwa und Belutschistan, aber auch pakistanische Großstädte wie Karatschi, Lahore und Rawalpindi betroffen sind. Die Terroranschläge richten sich vor allem gegen Einrichtungen des Militärs und der Polizei. Opfer sind aber auch politische Gegner der Taliban, Medienvertreter, religiöse Minderheiten, Schiiten sowie Muslime, die nicht der strikt konservativen Islam-Auslegung der Taliban folgen, wie z. B. die Sufis (AA 10.2017a). Landesweit ist die Zahl der terroristischen Angriffe seit 2013 kontinuierlich zurückgegangen, wobei der Rückgang 2017 nicht so deutlich ausfiel wie im Jahr zuvor und auch nicht alle Landesteile gleich betraf. In Belutschistan und Punjab stieg 2017 die Zahl terroristischer Anschläge, die Opferzahlen gingen jedoch im Vergleich zum Vorjahr auch in diesen Provinzen zurück (PIPS 1.2018 S 21f).

Die pakistanischen Taliban hatten in einigen Regionen an der Grenze zu Afghanistan über Jahre eigene Herrschaftsstrukturen etabliert und versucht, ihre extrem konservative Interpretation der Scharia durchzusetzen (AA 20.10.2017). Seit Ende April 2009, als die Armee die vorübergehende Herrschaft der Taliban über das im Norden Pakistans gelegene Swat-Tal mit einer Militäraktion beendete, haben sich die Auseinandersetzungen zwischen dem pakistanischen Militär und den pakistanischen Taliban verschärft. Von Oktober bis Dezember 2009 wurden die Taliban aus Süd-Wasiristan (ehem. Federally Administered Tribal Areas - FATA) vertrieben, einer Region, die von ihnen jahrelang kontrolliert worden war. 2013 lag der Schwerpunkt der Auseinandersetzungen auf dem Tirah-Tal unweit Peshawar, wo die Taliban zunächst die Kontrolle übernehmen konnten, bevor sie vom Militär wieder vertrieben wurden (AA 10.2017a).

Die Regierung von Ministerpräsident Nawaz Sharif hatte sich zunächst, mandatiert durch eine Allparteienkonferenz, um eine Verständigung mit den pakistanischen Taliban auf dem Verhandlungsweg bemüht. Da sich ungeachtet der von der Regierung demonstrierten Dialogbereitschaft die schweren Terrorakte im ganzen Land fortsetzten, wurde der Dialogprozess im Juni 2014, nach Beginn einer umfassenden Militäroperation in Nord-Wasiristan abgebrochen. Die Militäroperation begann am 15.4.2014 in der bis dahin weitgehend von militanten und terroristischen Organisationen kontrollierten Region Nord-Wasiristan, in deren Verlauf inzwischen die Rückzugsräume und Infrastruktur der aufständischen Gruppen in der Region weitgehend zerstört werden konnten (AA 10.2017a). Durch verschiedene Operationen der Sicherheitskräfte gegen Terrorgruppen in den [ehem.] Stammesgebieten (Federally Administered Tribal Areas - FATA) konnte dort das staatliche Gewaltmonopol überwiegend wiederhergestellt werden. Viele militante Gruppen, insbesondere die pakistanischen Taliban, zogen sich auf die afghanische Seite der Grenze zurück und agitieren von dort gegen den pakistanischen Staat (AA 20.10.2017).

Durch die Militäroperation wurden ca. 1,5 Millionen Menschen vertrieben. Die geordnete Rückführung der Binnenvertriebenen in die betroffenen Regionen der Stammesgebiete, die Beseitigung der Schäden an der Infrastruktur und an privatem Eigentum ebenso wie der Wiederaufbau in den Bereichen zivile Sicherheitsorgane, Wirtschaft, Verwaltung und Justiz stellen Regierung, Behörden und Militär vor große Herausforderungen (AA 20.10.2017).

Im Gefolge des schweren Terrorangriffs auf eine Armeeschule in Peshawar am 16.12.2014, bei dem über 150 Menschen, darunter über 130 Schulkinder, ums Leben kamen und für den die pakistanischen Taliban die Verantwortung übernahmen, haben Regierung und Militär mit Zustimmung aller politischen Kräfte des Landes ein weitreichendes Maßnahmenpaket zur Bekämpfung von Terror und Extremismus beschlossen. Es umfasst u. a. die Aufhebung des seit 2008 geltenden Todesstrafen-Moratoriums für Terrorismus-Straftaten, die Einführung von Militärgerichten zur Aburteilung ziviler Terrorismus verdächtiger und Maßnahmen gegen Hassprediger, Terrorfinanzierung, etc. Ferner sind Ansätze erkennbar, konsequenter als bisher gegen extremistische Organisationen unterschiedlicher Couleur im ganzen Land vorzugehen und die staatliche Kontrolle über die zahlreichen Koranschulen (Madrassen) zu verstärken (AA 10.2017a).

2016 wurden weiterhin Anti-Terroroperationen in den Agencies Khyber und Nord-Wasiristan durchgeführt, um aufständische Feinde des Staates zu eliminieren. Militärische, paramilitärische und zivile Sicherheitskräfte führten landesweit Operationen durch. Sicherheitskräfte, inklusive der paramilitärischen Sindh Rangers, verhafteten Verdächtige und vereitelten Anschlagspläne in Großstädten wie Karatschi. Operationen der paramilitärischen Rangers gegen Terrorismus und Kriminalität führten zu geringeren Ausmaßen an Gewalt und in Karatschi, jedoch wurden in den Medien Vorwürfe veröffentlicht, dass die Rangers gegen bestimmte politische Parteien auch aus politischen Gründen vorgingen (USDOS 7.2017).

Spezialisierte Einheiten der Exekutive leiden unter einem Mangel an Ausrüstung und Training, um die weitreichenden Möglichkeiten der Anti-Terrorismus-Gesetzgebung durchzusetzen. Die Informationsweitergabe zwischen den unterschiedlichen Behörden funktioniert nur schleppend. Anti-Terror-Gerichte sind langsam bei der Abarbeitung von Terrorfällen, da die Terrorismusdelikte sehr breit definiert sind. In Terrorismusprozessen gibt es eine hohe Rate an Freisprüchen. Dies liegt auch daran, dass Staatsanwälte in Terrorismusfällen eine untergeordnete Rolle spielen und die Rechtsabteilungen von militärischen und zivilen Einrichtungen Ermittlungen behindern. Ebenso werden Zeugen, Polizei, Opfer, Ankläger, Anwälte und Richter von terroristischen Gruppen eingeschüchtert (USDOS 7.2017).

Für das erste Quartal 2018 (1.1. bis 31.3.) registrierte PIPS landesweit 76 terroristische Angriffe, bei denen 105 Personen ums Leben kamen und 171 Personen verletzt wurden. Unter den Todesopfern befanden sich 44 Zivilisten, 28 Polizisten, 31 Mitglieder von Grenzschutz oder Rangers, zwei Steuereintreiber sowie zehn Aufständische (Aggregat aus: PIPS 6.4.2018; PIPS 6.3.2018; PIPS 5.2.2018).

Die verschiedenen militanten, nationalistisch-aufständischen und gewalttätigen religiös-sektiererischen Gruppierungen führten 2017 370 terroristische Angriffe in 64 Distrikten Pakistans durch. Dabei kamen 815 Menschen ums Leben und weitere 1.736 wurden verletzt. Unter den Todesopfern waren 563 Zivilisten, 217 Angehörige der Sicherheitskräfte und 35 Aufständische. 160 (43 %) Angriffe zielten auf staatliche Sicherheitskräfte, 86 (23 %) auf Zivilisten, 22 waren religös-sektiererisch motiviert, 16 Angriffe zielten auf staatliche Einrichtungen, 13 waren gezielte Angriffe auf politische Persönlichkeiten oder Parteien, zwölf waren Angriffe auf regierungsfreundliche Stammesälteste, zehn Angriffe betrafen nicht-belutschische Arbeiter oder Siedler in Belutschistan und neun betrafen Journalisten oder Medienvertreter (PIPS 1.2018 S 17f).

2015 gab es 625 Terrorakte in 76 Distrikten/Regionen in Pakistan, 48 % weniger als 2014. Mindestens 1.069 Menschen verloren dabei ihr Leben, 38 % weniger als 2014, 1443 Personen wurden verletzt, 54 % weniger als 2014. Unter den Todesopfern waren 630 Zivilisten, 318 Angehörige der Sicherheits- und Rechtsdurchsetzungsbehörden und 121 Aufständische (PIPS 3.1.2016). Im Jahr 2016 ging die Zahl der Terroranschläge um weitere 28 % auf 441 zurück, betroffen waren 57 Distrikte. Getötet wurden dabei 908 Personen. Der Umstand, dass ein Rückgang von 28 % bei der Zahl der Anschläge nur einen leichten Rückgang von 12 % bei den Todesopfern mit sich brachte, zeigt auch, dass den Aufständischen einige größere Anschläge gelingen konnten. Zu Tode kamen 545 Zivilisten, 302 Angehörige der Sicherheitskräfte und 61 Aufständische (PIPS 1.2017).

Die Situation verbesserte sich kontinuierlich seit 2013 und der Trend setzte sich auch 2017 fort. Dies lässt sich Großteils auf landesweite, umfassende Operationen gegen Aufständische durch die Sicherheitsbehörden als Teil des National Action Plan (NAP) zurückführen, beispielsweise von den Militäroperationen in den [ehem.] FATA zu den von den Rangers angeführten gezielten Operationen in Karatschi (PIPS 1.2018 S 17ff).

Etwa 58 % (213 von 370) aller Anschläge mit 604 Toten und 1374 Verletzten wurden von Tehreek-e-Taliban Pakistan (TTP) und ihren Splittergruppen bzw. Gruppen mit ähnlichen Zielen in den [ehem.] FATA und Khyber Pakhtunkhwa wie die Lashkar-e-Islam sowie von IS-Unterstützern durchgeführt. Nationalistische Gruppierungen führten 138 Anschläge durch, vorwiegend in Belutschistan, und einige wenige in Sindh, dabei kamen 140 Menschen ums Leben und 265 Menschen wurden verletzt. 19 Anschläge mit 71 Toten und 97 Verletzten wurden durch religiös-sektiererische Gruppen durchgeführt (PIPS 1.2018 S 17).

Insgesamt gab es im Jahr 2017 in Pakistan, inklusive der Anschläge, 713 Vorfälle von für die Sicherheitslage relevanter Gewalt (2016: 749; -5 %), darunter 75 operative Schläge der Sicherheitskräfte (2016: 95), 68 Auseinandersetzungen zwischen Sicherheitskräften und Aufständischen (2016: 105), 171 Auseinandersetzungen an den Grenzen mit Indien, Afghanistan und Iran (2016: 74) und vier Vorfälle von ethnischer oder politischer Gewalt (2016: zwölf) (PIPS 1.2018 S 20; Zahlen für 2016: PIPS 1.2017). Die Zahl der bei diesen Vorfällen getöteten Personen sank um 15 % auf 1.611 von 1.887 im Jahr 2016, die Zahl der verletzten Personen stieg jedoch im selben Zeitraum um 13 % von 1.956 auf 2.212 (PIPS 1.2018 S 20). Im Jahr 2016 gab es im Vergleich zu 2015 32 % weniger Vorfälle und 46 % weniger Todesopfer (PIPS 1.2017).

Im Jahr 2017 wurden 75 operative Schläge und Razzien (2016: 95; -21 %) in 28 Distrikten oder Regionen Pakistans durchgeführt (2016: 35), davon 39 in Belutschistan (2016: 38), 18 in den [ehem.] FATA (2016: 24), acht in Khyber Pakhtunkhwa (2016: fünf), sieben im Punjab (2016: 13) und drei in Karatschi (2016: 15). 296 Menschen wurden dabei getötet (2016: 492), davon 281 Aufständische (2016: 481) (PIPS 1.2018 S 23; Zahlen für 2016: PIPS 1.2017). Im Jahr 2015 wurden 143 Sicherheitsoperationen in 31 Distrikten mit 1.545 Todesopfern durchgeführt (PIPS 1.2017).

Es scheint, dass sich nun erfolgreich eine Null-Toleranz-Sicht in Staat und Gesellschaft gegenüber Terror durchsetzt. Die Sicherheitseinrichtungen sind weiterhin mit vielschichtigen Herausforderungen konfrontiert. Die wichtigsten davon sind Kapazitätslücken in der Bekämpfung städtischer Terrorbedrohungen und die mangelhafte Kooperation zwischen den verschiedenen Gesetzesdurchsetzungsbehörden (PIPS 3.1.2016).

Die Regierung unterhält Deradikalisierungszentren, die "korrigierende religiöse Bildung", Berufsausbildung, Beratung und Therapie anbieten (USDOS 7.2017). Zentren befinden sich in Swat, Khyber Agency, Bajaur Agency und Khyber Pakhtunkhwa. Es existieren separate Programme für Frauen und Jugendliche (BFA 9.2015). Weithin gelobt ist das Sabaoon Rehabilitation Center einer NGO im Swat-Tal, das gemeinsam mit dem Militär gegründet wurde und sich an jugendliche ehemalige Extremisten richtet (USDOS 7.2017).

Die Asia Pacific Group on Money Laundering konnte in Pakistan Fortschritte bei der Behebung von strategischen Mängeln erzielen, die diese in Bezug auf die Bekämpfung der Finanzierung von Terrorismus zuvor festgestellt hatte. Maßnahmen umfassen z.B. die Überwachung von grenzüberschreitenden Geldtransfers, NGO-Finanzierungen, das Einfrieren von Geldern, die rechtliche Meldepflicht von Banken über verdächtige Transaktionen sowie deren Verpflichtung, regelmäßig die Liste der von der UN als Terrororganisationen Eingestuften zu kontrollieren. Dennoch werden bestimmte Gruppen, insbesondere Lashkar e-Tayyiba, nicht effektiv daran gehindert, in Pakistan Spenden zu lukrieren oder auf ihre finanziellen Mittel zuzugreifen (USDOS 7.2017).

Quellen:

AA - Auswärtiges Amt der Bundesrepublik Deutschland (10.2017a): Pakistan - Innenpolitik, http://www.auswaertiges-amt.de/DE/Aussenpolitik/Laender/Laenderinfos/Pakistan/Innenpolitik_node.html, Zugriff 13.3.2018

AA - Auswärtiges Amt der Bundesrepublik Deutschland (20.10.2017): Bericht über die asyl- und abschieberelevante Lage in der Islamischen Republik PAKISTAN.BFA Staatendokumentation (9.2015): Fact Finding Mission Report Pakistan, http://www.ecoi.net/file_upload/90_1453713783_bfa-sd-pakistan-ffm-report-2015-09-v2.pdf, Zugriff 18.3.2017

PIPS - Pakistan Institute for Peace Studies (1.2017): PIPS Research Journal - Conflict & Peace Studies, Vol.9, No.1, Special Report 2016 - Pakistan Security Report.

PIPS - Pakistan Institute for Peace Studies (1.2018): PIPS Research Journal - Conflict & Peace Studies, Vol.10, No.1, Special Report 2017 - Pakistan Security Report.

PIPS - Pakistan Institute for Peace Studies (3.1.2016): Pakistan Security Report 2015.

PIPS - Pakistan Institute for Peace Studies (5.2.2018): Monthly Security Report: January 2018, http://pakpips.com/app/reports/65, Zugriff 14.5.2018

PIPS - Pakistan Institute for Peace Studies (6.3.2018): Monthly Security Report: February 2018, http://pakpips.com/app/reports/169, Zugriff 14.5.2018

PIPS - Pakistan Institute for Peace Studies (6.4.2018): Monthly Security Report: March 2018, http://pakpips.com/app/reports/199, Zugriff 14.5.2018

USDOS - US Department of State (7.2017): Country Report on Terrorism 2016 - Chapter 2 - Pakistan (S 261-265), https://www.state.gov/documents/organization/272488.pdf, Zugriff 8.5.2018

Regionale Verteilung der Gewalt

Der regionale Schwerpunkt terroristischer Anschläge mit den meisten Opfern liegt in Khyber Pakhtunkhwa, den [ehem.] Stammesgebieten FATA und in Belutschistan (AA 28.3.2018) sowie in der Wirtschaftsmetropole Karatschi, wobei es in Karatschi seit 2016 nicht mehr zu größeren Anschlägen gekommen ist (AA 20.10.2017).

Für das erste Quartal 2018 (1.1. bis 31.3.) registrierte PIPS landesweit 76 terroristische Angriffe, bei denen 105 Personen ums Leben kamen. Davon entfielen auf Belutschistan 40 Anschläge mit 56 Toten; auf Khyber Pakhtunkhwa zehn Anschläge mit 20 Toten und auf die [ehem.] FATA 18 Anschläge mit 17 Toten. Im Sindh gab es fünf Anschläge mit acht Toten, in Punjab zwei Anschläge mit zwölf Toten. Im Hauptstadtterritorium Islamabad, in Gilgit Baltistan und Azad Jammu & Kashmir wurden keine Anschläge registriert (Aggregat aus: PIPS 6.4.2018; PIPS 6.3.2018; PIPS 5.2.2018).

Im Jahr 2017 war Belutschistan - wie schon in den drei Jahren zuvor - die am stärksten vom Terrorismus betroffene Provinz. Bei 165 Anschlägen kamen 288 Menschen ums Leben. Somit entfielen 44 % aller Anschläge bzw. 35 % aller Todesfälle landesweit auf Belutschistan. Die [ehem.] Stammesgebiete (FATA) waren die am zweitstärksten vom Terrorismus betroffene Region, sowohl was die Zahl der Anschläge als auch der Opfer angeht. Bei 83 Angriffen kamen 253 Personen ums Leben. In Khyber Pakhtunkhwa kamen bei 71 Anschlägen 91 Personen ums Leben; in Sindh gab es 31 Anschläge (davon 24 in Karatschi) mit 119 Todesopfern (davon 25 in Karatschi, sowie 91 durch einen einzigen suizidalen Sprengstoffanschlag in Sehwan Sharif). Im Punjab kam es zu 14 Anschlägen mit 61 Todesopfern, im Hauptstadtterritorium gab es drei Anschläge mit zwei Todesopfern und in Azad Jammu und Kashmir gab es drei Anschläge mit einem Todesopfer (PIPS 1.2018 S 37-59).

Im Jahr 2016 war Belutschistan wieder die Region von Pakistan mit den höchsten Anschlagszahlen - 151 Anschläge wurden durchgeführt. Sie war auch die Provinz mit den höchsten Opferzahlen, mit 412 Toten. Khyber Pakhtunkhwa war am zweitstärksten von Anschlägen betroffen, 127 Anschläge töteten hier 189 Menschen. Gefolgt wurden diese von den [ehem.] FATA mit 99 Anschlägen und 163 Toten. Sindh war von 54 Anschlägen mit 63 Toten betroffen, allerdings entfielen davon 47 Anschläge mit 60 Toten allein auf Karatschi. Im Sindh - Karatschi ausgenommen - gingen die Todeszahlen in Bezug zu Terrorismus um 97 % zurück, in Islamabad um 75 %, in Karatschi um 60 und in den [ehem.] FATA um 38 %. Islamabad erlitt einen Anschlag mit einem Toten (PIPS 1.2017).

Quellen:

AA - Auswärtiges Amt der Bundesrepublik Deutschland (20.10.2017): Bericht über die asyl- und abschieberelevante Lage in der Islamischen Republik PAKISTAN.

AA - Auswärtiges Amt Deutschland (28.3.2018): Pakistan - Reise- und Sicherheitshinweise (Teilreisewarnung) https://www.auswaertiges-amt.de/de/pakistansicherheit/204974, Zugriff 8.5.2018

PIPS - Pakistan Institute for Peace Studies (1.2017): PIPS Research Journal - Conflict & Peace Studies, Vol.9, No.1, Special Report 2016 - Pakistan Security Report.

PIPS - Pakistan Institute for Peace Studies (1.2018): PIPS Research Journal - Conflict & Peace Studies, Vol.10, No.1, Special Report 2017 - Pakistan Security Report.

PIPS - Pakistan Institute for Peace Studies (3.1.2016): Pakistan Security Report 2015.

PIPS - Pakistan Institute for Peace Studies (6.4.2018): Monthly Security Report: March 2018, http://pakpips.com/app/reports/199, Zugriff 14.5.2018

PIPS - Pakistan Institute for Peace Studies (6.3.2018): Monthly Security Report: February 2018, http://pakpips.com/app/reports/169, Zugriff 14.5.2018

PIPS - Pakistan Institute for Peace Studies (5.2.2018): Monthly Security Report: January 2018, http://pakpips.com/app/reports/65, Zugriff 14.5.2018

Wichtige Terrorgruppen

Im Jahr 2017 ging die Zahl terroristischer Anschläge weiter zurück, doch aufständische Gruppierungen stellen weiterhin eine starke Bedrohung für die innere Sicherheit des Landes dar. Die Gruppierungen unterliegen wie bereits 2016 einer konstanten Transformation. Eine bisher unbekannte Gruppierung namens Ansarul Sharia wurde in Karatschi aktiv und verstärkte Aktivitäten von Daesh / ISIS stellen eine neue Herausforderung für die Sicherheitskräfte dar (PIPS 1.2018).

Die Tehrik-e-Taliban Pakistan (TTP) ist die größte aufständische Gruppe in Pakistan (EASO 7.2016); 70 Angriffe mit 186 Toten gingen 2017 auf ihr Konto (PIPS 1.2018 S 83f). Sie entstand 2007 als loses Bündnis von Deobandi-Gruppen, die an der Pakistanischen Grenze zu Afghanistan operierten. Ursprüngliches Ziel war die Einsetzung der Sharia und die Bekämpfung der Koalitionskräfte in Afghanistan. Später richtete sie sich auch gegen den pakistanischen Staat. Die Anhängerschaft setzt sich hauptsächlich aus Paschtunen der Grenzregion zusammen. Die TTP finanziert sich aus Erpressung, Schmuggel, Drogenhandel und Kidnapping. Es scheint, als hätte sie durch die Operation Zarb-e-Azb in Nord-Wasiristan stark an Boden verloren (EASO 7.2016). Der Vertreter des PIPS erläutert bei der FFM 2013, dass die TTP nicht über eine einheitliche Struktur verfügt und auch die vorhandene Struktur nicht mehr intakt ist. Jede Gruppe hat eigene Operationen (BAA 6.2013). Die TTP wurde stark durch interne Krisen und die militärischen Operationen in Nord-Wasiristan und in der Khyber Agency geschwächt. Die internen Krisen hielten diese Organisation aber nicht davon ab, gewaltsame Anschläge durchzuführen (PIPS 4.1.2015). Die TTP konnte ihre internen Streitigkeiten 2017 durch die Wiedereingliederung der größten Fraktion aus Süd-Wasiristan in die Hauptgruppe beilegen (PIPS 1.2018 S 83f).

Neben der TTP, ihren Unter- und Splittergruppen sind auch einige kleinere militante islamistisch motivierte Gruppen in Khyber Pakhtunkhwa und den [ehem.] FATA aktiv, sie werden als lokale Taliban bezeichnet (PIPS 1.2018 S 85). Allerdings gebrauchen auch viele kriminelle Gruppen dieses Label. Die meisten dieser Gruppen sind klein und ihre Operationen sind auf ihre Umgebung begrenzt (BAA 6.2013).

Ziel der Lashkar-e-Jhangvi (LeJ) ist es, Pakistan in ein sunnitisches Land zu transformieren. Sie ist in viele Gruppen zersplittert, deren Taktiken und Ziele sich von einem Gebiet zum anderen unterscheiden (SATP o.D.). Die LeJ erlitt 2016 starke Verluste in der Führerschaft (PIPS 1.2017). Im Jahr 2017 war die LeJ mit ihren Splittergruppen, darunter die Lashkar-e-Jhangvi Al-Alami, insgesamt für 18 Anschläge mit 132 Toten verantwortlich. 90 % davon betrafen die erste Jahreshälfte. Die verminderte Aktivität im zweiten Halbjahr ist durch die Zerschlagung ihrer Hauptnetzwerke in Belutschistan und Sindh durch die Sicherheitskräfte zu erklären (PIPS 1.2018 S 87).

Jamaatul Ahrar (JuA) war 2017 Urheberin von 37 terroristischen Anschlägen (2016: 66) mit 123 Toten, vorwiegend in den [ehem.] FATA und Khyber Pakhtunkhwa. JuA wurde 2017 durch interne Streitigkeiten sowie durch Tötungen mehrerer Kommandanten stark geschwächt (PIPS 1.2018 S 84f).

Nationalistische aufständische Gruppen sind hauptsächlich in Belutschistan aktiv, einige auch im Sindh, allerdings sind letztere eher in Sabotageakte involviert und in ihrem Operationsgebiet begrenzt (PIPS 1.2018). Nachdem die nationalistischen Gruppen 2016 durch Sicherheitsoperationen und interne Krisen stark geschwächt wurden (PIPS 1.2017), stieg die Schlagkraft der belutschischen nationalistischen Gruppen 2017 wieder an. Hauptakteur nationalistischer Gewalt ist die Balochistan Liberation Army, die 2017 42 Angriffe mit 51 Todesopfern durchführte, ein leichter Rückgang verglichen mit 55 Angriffen 2016. Weitere wichtige belutschische Terrororganisationen sind die Baloch Republican Army, Lashkar-e-Balochistan und die Balochistan Liberation Front (PIPS 1.2018).

Quellen:

BAA - Bundesasylamt (6.2013): Bericht zur Fact Finding Mission Pakistan vom 8-16.3.2013 mit den Schwerpunkten Sicherheitslage, Religiöse Minderheiten Landrechte Medizinische und soziale Versorgung, Afghanische Flüchtlinge.

EASO - European Asylum Support Office (7.2016): Country of Origin Information Report, Pakistan Security Situation, http://www.ecoi.net/file_upload/1930_1469617733_easo-country-of-origin-information-report-pakistani-security-report.pdf, Zugriff 18.3.2017

PIPS - Pakistan Institute for Peace Studies (1.2017): PIPS Research Journal - Conflict & Peace Studies, Vol.9, No.1, Special Report 2016 - Pakistan Security Report.

PIPS - Pakistan Institute for Peace Studies (1.2018): PIPS Research Journal - Conflict & Peace Studies, Vol.10, No.1, Special Report 2017 - Pakistan Security Report.

PIPS - Pakistan Institute for Peace Studies (4.1.2015): Pakistan Security Report 2014.

SATP - South Asia Terrorism Portal (o.D.): Lashkar-e-Jhangvi, http://www.satp.org/satporgtp/countries/pakistan/terroristoutfits/lej.htm, Zugriff 8.5.2017

Zwangsrekrutierung und Drohbriefe

Bei der Zwangsrekrutierung handelt es sich um eine Rekrutierung, die unter Androhung von Gewalt oder anderen Formen von Bedrohung durchgeführt wird. Die zu diesem Thema befragten Interviewpartner gaben im Rahmen der FFM 2015 an, dass ihnen keine derartigen Fälle bekannt sind (BFA 9.2015). Allerdings gab es für die Zeit der Besetzung des Swat-Tals durch die Taliban [Anm.: 2009 durch die Regierung beendet] Berichte zu Zwangsrekrutierungen. Die Taliban entführten Kinder und setzen durch, dass Familien entweder Geld oder ein Familienmitglied zur Verfügung stellen (Abbas 2015; vgl. The Telegraph 30.5.2009). Die bei der FFM 2013 interviewte Sozialwissenschaftlerin an der National Defence University erläuterte derartige Beispiele für Rekrutierungen bei der Übernahme des Swat-Tals. Einige Unwillige wurden zur Abschreckung getötet, diese Botschaft verbreitete sich rasch und die Eltern gaben ihre Kinder den Taliban als Kämpfer mit. Ebenso spielten allerdings ökonomische und religiöse Faktoren eine Rolle. Taliban waren eine Art Unternehmen, mit zwar geringer, aber monatlicher Bezahlung, und es wurde propagiert, dass die Jungen etwas für Gott täten, und die Religion studieren würden (BAA 6.2013). Bildungseinrichtungen und radikale Segmente von religiösen Gruppen sind attraktive Rekrutierungsböden für Aufständische (PIPS 1.2017).

Quellen:

BAA - Bundesasylamt (6.2013): Bericht zur Fact Finding Mission Pakistan vom 8-16.3.2013 mit den Schwerpunkten Sicherheitslage, Religiöse Minderheiten Landrechte Medizinische und soziale Versorgung, Afghanische Flüchtlinge.

BFA Staatendokumentation (9.2015): Fact Finding Mission Report Pakistan, http://www.ecoi.net/file_upload/90_1453713783_bfa-sd-pakistan-ffm-report-2015-09-v2.pdf, Zugriff 18.3.2017

Hassan Abbas (2015): The Taliban Revival Violence and Extremism on the Pakistan-Afghanistan Frontier, Yale University Press.

PIPS - Pakistan Institute for Peace Studies (1.2017): PIPS Research Journal - Conflict & Peace Studies, Vol.9, No.1, Special Report 2016 - Pakistan Security Report.

The Telegraph (30.5.2009): Taliban recruits teenage suicide bombers for revenge attacks, http://www.telegraph.co.uk/news/worldnews/asia/pakistan/5413052/Taliban-recruits-teenage-suicide-bombers-for-revenge-attacks.html, Zugriff 18.3.2017

Khyber Pakhtunkhwa

Die Provinz Khyber Pakhtunkhwa (KP) ist in 25 Distrikte (GovKP o.D.; vgl PBS 2017) und die wiederum in insgesamt 71 Tehsils unterteilt. Laut Zensus 2017 hatte KP ca. 30,5 Millionen Einwohner [Gebietsstand: 30.5.2018]; in der Hauptstadt Peshawar leben 4,3 Millionen Menschen (PBS 2017a). Am 31.5.2018 wurden die FATA mit der Provinz Khyber Pakhtunkhwa vereinigt, wodurch die Provinz um sieben Tribal Districts (bis 31.5.2018: Agencies), sechs Subdivisions (bis 31.5.2018: Frontier Regions) (Dawn 31.5.2018) und weitere fünf Millionen Einwohner wuchs (PBS 2017a)

[Anm.: In Folge wird die Sicherheitslage der Provinz Khyber Pakhtunkhwa in den Grenzen vor dem 30.5.2018 behandelt. Für die Sicherheitslage im Gebiet der ehemaligen FATA siehe Abschnitt 3.4.]

Im Jahr 2009 führte das pakistanische Militär einen Großeinsatz gegen die TPP in Khyber Pakhtunkhwa durch. In den darauffolgenden Jahren hielt das pakistanische Militär eine starke Präsenz, jedoch nahm die Intensität der militärischen Operationen ab. Die regional aktiven Taliban gingen in den Untergrund, übten ihre terroristischen Tätigkeiten, wie Anschläge und gezielte Tötungen jedoch weiter aus (EASO 8.2015). In fast allen größeren Städten von Khyber Pakhtunkhwa können militante Schläfer-Zellen gefunden werden (BFA 9.2015).

Die Provinz profitierte von den militärischen Operationen in den [ehem.] FATA, insbesondere, die in der Khyber Agency durchgeführt wurden. Die Sicherheitslage hat sich wesentlich verbessert (Dawn 20.4.2015). Im Jahr 2015 sank die Zahl der Terrorvorfälle in Khyber Pakhtunkhwa weiter, KP gehörte allerdings weiterhin zu den stark betroffenen Regionen (PIPS 3.1.2016). 2016 stieg die Zahl der Anschläge um 2 %, die Zahl der Todesopfer um 5 % gegenüber 2015 (PIPS 1.2017), während 2017 die Zahl terroristischer Anschläge um 44 % und die Zahl der Todesopfer um mehr als die Hälfte gegenüber dem Vorjahr zurückging (PIPS 1.2018).

Für das erste Quartal 2018 (1.1. bis 31.3.) registrierte PIPS in Khyber Pakhtunhkwa zehn terroristische Angriffe mit 20 Todesopfern und 32 Verletzten. Unter den Toten waren 15 Mitglieder der Sicherheitskräfte, zwei Zivilisten und je ein Mitglie

Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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