TE Bvwg Erkenntnis 2019/8/5 L503 2215038-2

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 05.08.2019
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Entscheidungsdatum

05.08.2019

Norm

AsylG 2005 §3 Abs1
AsylG 2005 §3 Abs5
AsylG 2005 §34
B-VG Art133 Abs4

Spruch

L503 2215036-2/5E

L503 2215038-2/6E

L503 2215040-2/5E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

1.) Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Dr. DIEHSBACHER als Einzelrichter über die Beschwerde von XXXX , geb. XXXX , StA. Georgien, vertreten durch den MigrantInnenverein St. Marx, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 8.5.2019, Zl. XXXX , zu Recht erkannt:

A)

Der Beschwerde wird stattgegeben und XXXX gemäß § 3 Abs 1 iVm § 34 AsylG der Status der Asylberechtigten zuerkannt.

Gemäß § 3 Abs 5 AsylG 2005 wird festgestellt, dass XXXX damit kraft Gesetzes die Flüchtlingseigenschaft zukommt.

B)

Die Revision ist gemäß Art 133 Abs 4 B-VG nicht zulässig.

2.) Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Dr. DIEHSBACHER als Einzelrichter über die Beschwerde von XXXX , geb. XXXX , StA. Georgien, vertreten durch seine Mutter XXXX , diese vertreten durch den MigrantInnenverein St. Marx, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 8.5.2019, Zl. XXXX , zu Recht erkannt:

A) Der Beschwerde wird stattgegeben und XXXX gemäß § 3 Abs 1 iVm § 34 AsylG der Status des Asylberechtigten zuerkannt.

Gemäß § 3 Abs 5 AsylG 2005 wird festgestellt, dass XXXX damit kraft Gesetzes die Flüchtlingseigenschaft zukommt.

B) Die Revision ist gemäß Art 133 Abs 4 B-VG nicht zulässig.

3.) Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Dr. DIEHSBACHER als Einzelrichter über die Beschwerde von XXXX , geb. XXXX , StA. Georgien, vertreten durch ihre Mutter XXXX , diese vertreten durch den MigrantInnenverein St. Marx, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 8.5.2019, Zl. XXXX , zu Recht erkannt:

A) Der Beschwerde wird stattgegeben und XXXX gemäß § 3 Abs 1 iVm § 34 AsylG der Status der Asylberechtigten zuerkannt.

Gemäß § 3 Abs 5 AsylG 2005 wird festgestellt, dass XXXX damit kraft Gesetzes die Flüchtlingseigenschaft zukommt.

B) Die Revision ist gemäß Art 133 Abs 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang:

1. Die Beschwerdeführer reisten spätestens am 28.3.2018 in das österreichische Bundesgebiet ein. Am selben Tag stellte XXXX (im Folgenden kurz: BF1) für sich selbst und als gesetzliche Vertreterin für ihre minderjährigen Kinder XXXX (im Folgenden kurz: BF2) und XXXX (im Folgenden kurz: BF3) Anträge auf internationalen Schutz.

Die BF1 brachte im Wesentlichen vor, dass ihr Ehemann XXXX (im Folgenden kurz: R.D.) - der Vater des BF2 und der BF3 - in Österreich asylberechtigt sei und sie mit ihm gemeinsam leben wolle.

2. Mit Bescheiden des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl (im Folgenden kurz: BFA) vom 14.2.2019 zu XXXX wurden die Anträge der Beschwerdeführer hinsichtlich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten gemäß § 3 Abs 1 iVm § 2 Abs 1 Z 13 AsylG (Spruchpunkt I.) sowie hinsichtlich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf ihren Herkunftsstaat Georgien gemäß § 8 Abs 1 iVm § 2 Abs 1 Z 13 AsylG (Spruchpunkt II.) abgewiesen. Ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß § 57 AsylG wurde ihnen nicht erteilt (Spruchpunkt III.) und gemäß § 10 Abs 1 Z 3 AsylG iVm § 9 BFA-VG eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs 2 Z 2 FPG gegen sie erlassen (Spruchpunkt IV.). Weiters wurde gemäß § 52 Abs 9 FPG festgestellt, dass ihre Abschiebung gemäß § 46 FPG nach Georgien zulässig sei (Spruchpunkt V.) und wurde den Beschwerden gemäß § 18 Abs 1 Z 1 BFA-VG die aufschiebende Wirkung aberkannt (Spruchpunkt VI.). Gemäß § 55 Abs 1a FPG bestehe keine Frist für die freiwillige Ausreise (Spruchpunkt VII.).

Begründend führte das BFA aus, dass die Beschwerdeführer keine eigenen Fluchtgründe geltend gemacht hätten und in Georgien weder verfolgt noch bedroht würden. Eine asylrelevante Verfolgung sei nicht vorgebracht worden. Es hätte nicht festgestellt werden können, dass die BF1 mit R.D. verheiratet sei. Dessen Vaterschaft in Bezug auf den BF2 und die BF3 sei ebenso unglaubwürdig.

3. Mit Beschluss vom 1.3.2019 zu L518 2215040-1/3E, L518 2215038-1/3E und L518 2215036-1/3E, gab das Bundesverwaltungsgericht den gegen diese Bescheide gerichteten Beschwerden vom 20.2.2019 statt, behob die angefochtenen Bescheide und verwies die Angelegenheiten zur Erlassung neuer Bescheide an das BFA zurück. Begründend führte das Bundesverwaltungsgericht aus, dass es den Beschwerdeführern in Ermangelung geeigneter Bescheinigungsmittel nicht möglich gewesen sei, das von ihnen behauptete Verwandtschaftsverhältnis glaubhaft darzutun, weshalb die belangte Behörde dazu berufen gewesen wäre, den Beschwerdeführern eine Belehrung über die Möglichkeit einer DNA-Analyse gemäß § 13 Abs 4 BFA-VG zu erteilen. Ungeachtet dieser Unterlassung durch die belangte Behörde hätten die Beschwerdeführer eigeninitiativ die Vornahme einer solchen Analyse begehrt bzw. ihre beabsichtigte Mitwirkung an einer solchen kundgetan. Die belangte Behörde habe es jedoch unterlassen, trotz Verlangen der Beschwerdeführer, auf Kosten der Beschwerdeführer eine DNA-Analyse vorzunehmen, weshalb die belangte Behörde in diesem Aspekt grob willkürlich gehandelt habe. Daran hätte im konkreten Fall auch der Umstand nichts zu ändern vermocht, dass sich im Rahmen der niederschriftlichen Einvernahme einige Widersprüche ergeben hätten, wären doch andererseits teilweise Übereinstimmungen in zentralen Punkten vorhanden gewesen und hätten sich manche Widersprüche lediglich in Nebenaspekten ergeben.

4. Im fortgesetzten Verfahren vor dem BFA legten die Beschwerdeführer mit Schriftsatz vom 12.3.2019 zwei Abstammungsgutachten vom 8.3.2019 betreffend den BF2 und die BF3 vor, aus denen hervorgeht, dass die Vaterschaft von R.D. beim BF2 und der BF3 praktisch erwiesen sei.

Im Akt erliegt weiters ein vom BFA in Auftrag gegebenes Sachverständigengutachten über eine Abstammungsuntersuchung vom 5.4.2019, aus welchem sich ergibt, dass sowohl die Mutterschaft der BF1 als auch die Vaterschaft von R.D. zum BF2 und der BF3 als praktisch erwiesen gelten.

5. Mit den nunmehr angefochtenen, im zweiten Rechtsgang erlassenen Bescheiden des BFA vom 8.5.2019 zu XXXX wurden die Anträge der Beschwerdeführer hinsichtlich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten gemäß § 3 Abs 1 iVm § 2 Abs 1 Z 13 AsylG (Spruchpunkt I.) sowie hinsichtlich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf ihren Herkunftsstaat Georgien gemäß § 8 Abs 1 iVm § 2 Abs 1 Z 13 AsylG (Spruchpunkt II.) neuerlich abgewiesen. Ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß § 57 AsylG wurde ihnen nicht erteilt (Spruchpunkt III.) und gemäß § 10 Abs 1 Z 3 AsylG iVm § 9 BFA-VG eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs 2 Z 2 FPG gegen sie erlassen (Spruchpunkt IV.). Weiters wurde gemäß § 52 Abs 9 FPG festgestellt, dass ihre Abschiebung gemäß § 46 FPG nach Georgien zulässig sei (Spruchpunkt V.) und wurde den Beschwerden gemäß § 18 Abs 1 Z 1 BFA-VG die aufschiebende Wirkung aberkannt (Spruchpunkt VI.). Gemäß § 55 Abs 1a FPG bestehe keine Frist für die freiwillige Ausreise (Spruchpunkt VII.).

Begründend führte das BFA wiederum aus, es habe nicht festgestellt werden können, dass die BF1 mit R.D. verheiratet sei. Hingegen sei nun erwiesen, dass die BF1 mit diesem gemeinsam zwei Kinder, den BF2 und die BF3, habe. Ein gemeinsames Familienleben mit R.D. bestehe nicht, da dieser mit den Beschwerdeführern kein Ehe- bzw. Familienleben in einem gemeinsamen Haushalt führen wolle und in Österreich nach muslimischem Ritus mit einer anderen Frau verheiratet sei, mit der er auch ein gemeinsames Kind habe. Das tatsächliche Bestehen eines Familienlebens sei für die Erlangung des Asylstatus im Rahmen eines Familienverfahrens relevant, denn die Asylgewährung im Rahmen eines Familienverfahrens gemäß § 34 Abs 2 AsylG würde ausscheiden, wenn das geforderte Familienleben im Sinne des Art 8 EMRK nicht bestehe. Diesbezüglich werde auf das Erkenntnis des AsylGH vom 9.8.2011, E3 216.274-4/2010-36E, hingewiesen. Da im gegenständlichen Fall keinem anderen Familienangehörigen - mit Ausnahme von R.D., mit dem kein gemeinsames Familienleben bestehe - der Status des Asylberechtigten zuerkannt worden sei, komme auch für die Beschwerdeführer eine Zuerkennung aufgrund des vorliegenden Familienverfahrens nicht in Betracht.

6. Gegen diese Bescheide erhoben die Beschwerdeführer fristgerecht Beschwerde an das Bundesverwaltungsgericht. Darin machten sie die inhaltliche Rechtswidrigkeit der angefochtenen Bescheide geltend und führten dazu aus, dass es nicht zweifelhaft sein könne, dass die BF1 mit R.D. verheiratet sei. Auf die DNA-Analyse der beiden minderjährigen Kinder werde verwiesen. Vor dem kulturellen Hintergrund der Beschwerdeführer sei anzunehmen, dass die BF1 und R.D. nicht zwei gemeinsame Kinder hätten, wenn sie nicht verheiratet wären.

7. Mit Beschlüssen des Bundesverwaltungsgerichtes vom 13.6.2019 zu L503 2215040-2/2Z, L503 2215036-2/2Z und L503 2215038-2/2Z wurde den Beschwerden die aufschiebende Wirkung zuerkannt.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

1.1. Zur Person der BF1:

Die BF1 trägt den im Spruch angeführten Namen und wurde am dort angeführten Datum geboren. Ihre Identität steht nicht fest. Die BF1 ist Staatsangehörige von Georgien. Sie gehört der Volksgruppe der Tschetschenen an und bekennt sich zur Religion des Islam.

Die BF1 heiratete R.D., geb. XXXX , am XXXX in Grosny, Russische Föderation, nach islamischem Ritus. Einige Tage darauf wurde die Ehe auch vor dem Standesamt in Grosny geschlossen. Im Zeitpunkt der Einreise in das österreichische Bundesgebiet bestand die Ehe bereits und besteht auch weiterhin noch.

R.D. lebt seit dem Jahr 2007 in Österreich und wurde ihm der Status des Asylberechtigten zuerkannt. Ein Verfahren zur Aberkennung dieses Status ist nicht anhängig.

Die BF1 reiste gemeinsam mit ihren minderjährigen Kindern, dem BF2 und der BF3, spätestens am 28.3.2018 in das österreichische Bundesgebiet ein und stellte am selben Tag für sich, den BF2 und die BF3 Anträge auf internationalen Schutz. Eigene Fluchtgründe brachte die BF1 nicht vor.

Die BF1 ist nicht straffällig geworden.

1.2. Zur Person des BF2:

Der minderjährige BF2 trägt den im Spruch angeführten Namen und wurde am dort angeführten Datum geboren. Seine Identität steht nicht fest. Der BF2 ist Staatsangehöriger von Georgien.

Die BF1 ist die Mutter des BF2, sein Vater ist R.D., dem in Österreich der Status des Asylberechtigten zuerkannt wurde. Ein Verfahren zur Aberkennung dieses Status ist nicht anhängig.

Der BF2 reiste gemeinsam mit seiner Mutter, der BF1, und seiner Schwester, der BF3, spätestens am 28.3.2018 in das österreichische Bundesgebiet ein, wo seine Mutter am selben Tag für ihn einen Antrag auf internationalen Schutz stellte. Für den BF2 wurden keine eigenen Fluchtgründe geltend gemacht; vielmehr gab seine Mutter an, dass ihre Fluchtgründe auch für den BF2 gelten würden.

Der BF2 ist nicht straffällig geworden.

1.3. Zur Person der BF3:

Die minderjährige BF3 trägt den im Spruch angeführten Namen und wurde am dort angeführten Datum geboren. Ihre Identität steht nicht fest. Die BF3 ist Staatsangehörige von Georgien.

Die BF1 ist die Mutter der BF3, ihr Vater ist R.D., dem in Österreich der Status des Asylberechtigten zuerkannt wurde. Ein Verfahren zur Aberkennung dieses Status ist nicht anhängig.

Die BF3 reiste gemeinsam mit ihrer Mutter, der BF1, und ihrem Bruder, dem BF2, spätestens am 28.3.2018 in das österreichische Bundesgebiet ein, wo ihre Mutter für sie am selben Tag einen Antrag auf internationalen Schutz stellte. Für die BF3 wurden keine eigenen Fluchtgründe geltend gemacht; vielmehr gab ihre Mutter an, dass ihre Fluchtgründe auch für die BF3 gelten würden.

2. Beweiswürdigung:

2.1. Die Feststellungen zur Person der Beschwerdeführer ergeben sich im Wesentlichen aus den glaubhaften Angaben der BF1 im Zuge ihrer Einvernahmen (Erstbefragung am 29.3.2018, niederschriftliche Einvernahmen am 17.4.2018, 21.6.2018 und 17.12.2018). Dass die Identität der Beschwerdeführer nicht feststeht, ergibt sich aus dem Umstand, dass sie während des Verfahrens keine unbedenklichen Identitätsdokumente vorgelegt haben. Aus dem vom erkennenden Gericht einholten Auszug aus dem Strafregister geht hervor, dass die Beschwerdeführer nicht straffällig geworden sind.

Die Feststellung, dass R.D. der Status des Asylberechtigten in Österreich zuerkannt wurde, ergibt sich aus dem Akteninhalt (vgl AS 101, 183, 219 zu L503 2215040-2) und wurde auch den angefochtenen Bescheiden zugrunde gelegt (vgl AS 509 zu L503 2215040-2).

2.3. Aus den Abstammungsgutachten vom 8.3.2019 und dem vom BFA in Auftrag gegebenen Sachverständigengutachten vom 5.4.2019 ergibt sich zweifelsfrei, dass R.D. der Vater des BF2 und der BF3 ist. Aus letztgenanntem Gutachten geht auch hervor, dass die BF1 die Mutter des BF2 und der BF3 ist. Das BFA trat den Ergebnissen der DNA-Analysen nicht entgegen und legte sie den angefochtenen Bescheiden bereits zugrunde.

2.4. Unter Berücksichtigung der bisherigen Verfahrensergebnisse und der nunmehr festgestellten Vaterschaft von R.D. bei den minderjährigen Kindern der BF1 erscheint es für das erkennende Gericht als glaubhaft, dass die BF1 R.D. in Tschetschenien geheiratet hat und diese Ehe auch weiter aufrecht ist. Die BF1 wurde in der Einvernahme am 17.12.2018 ausführlich zur Eheschließung und zum Zusammenleben mit ihrem Ehemann befragt. Ihre Angaben deckten sich in den wesentlichen Punkten mit jenen von R.D. in seiner zeugenschaftlichen Einvernahme am selben Tag. Allfällige Widersprüche oder Ungereimtheiten in den Aussagen zeigte das BFA in den gegenständlichen Bescheiden nicht (mehr) auf. In den vom Bundesverwaltungsgericht aufgehobenen Bescheiden vom 14.2.2019 stützte sich das BFA noch darauf, dass die Angaben der BF1 zur Eheschließung lediglich vage und widersprüchlich gewesen seien und auch die behauptete Vaterschaft von R.D. unglaubhaft sei. Nachdem im fortgesetzten Verfahren die Vaterschaft nun zweifelsfrei erwiesen werden konnte, war auch das Vorbringen der BF1 zu ihrer Eheschließung in diesem Licht einer Beurteilung zu unterziehen. Das BFA setzte sich in den gegenständlichen Bescheiden jedoch in keiner Weise damit auseinander, welche Änderungen sich aus der nunmehrigen Feststellung der Vaterschaft von R.D. für die Beweiswürdigung der Behörde ergeben. Für das erkennende Gericht erscheint es vor dem Hintergrund der wahrheitsgemäßen Angaben der BF1 zum Vater ihrer Kinder im Zusammenhalt mit den in den zentralen Punkten übereinstimmenden Angaben zur Eheschließung und zum gemeinsamen Zusammenleben in hohem Maße als wahrscheinlich, dass die behauptete Eheschließung in Tschetschenien auch tatsächlich stattgefunden hat. Das BFA führte in den angefochtenen Bescheiden keine Gründe ins Treffen, die angesichts der vorliegenden Beweisergebnisse eine andere Beurteilung nahelegen würden. Das erkennende Gericht ging daher vom Bestehen der - vor der Einreise der BF1 in das österreichische Bundesgebiet geschlossenen - Ehe mit R.D. aus.

3. Rechtliche Beurteilung:

Zu A) Stattgabe der Beschwerden

3.1. Zuständigkeit, Entscheidung durch den Einzelrichter, anzuwendendes Verfahrensrecht

Gemäß § 6 BVwGG entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist. Gegenständlich liegt somit Einzelrichterzuständigkeit vor.

Das Verfahren der Verwaltungsgerichte mit Ausnahme des Bundesfinanzgerichts ist durch das VwGVG geregelt (§ 1 leg cit). Gemäß § 58 Abs 2 VwGVG bleiben entgegenstehende Bestimmungen, die zum Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Bundesgesetzes bereits kundgemacht wurden, in Kraft.

Gemäß § 17 VwGVG sind, soweit in diesem Bundesgesetz nicht anderes bestimmt ist, auf das Verfahren über Beschwerden gemäß Art 130 Abs 1 B-VG die Bestimmungen des AVG mit Ausnahme der §§ 1 bis 5 sowie des IV. Teiles, die Bestimmungen der Bundesabgabenordnung - BAO, BGBl. Nr. 194/1961, des Agrarverfahrensgesetzes - AgrVG, BGBl. Nr. 173/1950, und des Dienstrechtsverfahrensgesetzes 1984 - DVG, BGBl. Nr. 29/1984, und im Übrigen jene verfahrensrechtlichen Bestimmungen in Bundes- oder Landesgesetzen sinngemäß anzuwenden, die die Behörde in dem dem Verfahren vor dem Verwaltungsgericht vorangegangenen Verfahren angewendet hat oder anzuwenden gehabt hätte.

§ 1 BFA-VG bestimmt, dass dieses Bundesgesetz allgemeine Verfahrensbestimmungen beinhaltet, die für alle Fremden in einem Verfahren vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl, vor Vertretungsbehörden oder in einem entsprechenden Beschwerdeverfahren vor

dem Bundesverwaltungsgericht gelten. Weitere Verfahrensbestimmungen im AsylG und FPG bleiben unberührt.

3.2. Zuerkennung des Status des Asylberechtigten

Gemäß § 3 Abs 1 Asylgesetz ist einem Fremden, der in Österreich einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt hat, soweit dieser Antrag nicht bereits gemäß §§ 4, 4a oder 5 zurückzuweisen ist, der Status des Asylberechtigten zuzuerkennen, wenn glaubhaft ist, dass ihm im Herkunftsstaat Verfolgung im Sinne des Art 1 Abschnitt A Z 2 Genfer Flüchtlingskonvention droht.

Flüchtling im Sinne des Asylgesetzes ist, wer aus wohlbegründeter Furcht, aus Gründen der Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder der politischen Gesinnung verfolgt zu werden, sich außerhalb seines Heimatlandes befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, sich des Schutzes dieses Landes zu bedienen; oder wer staatenlos ist, sich infolge obiger Umstände außerhalb des Landes seines gewöhnlichen Aufenthaltes befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, in dieses Land zurückzukehren.

Das Vorbringen des Asylsuchenden muss geeignet sein, eine asylrelevante Verfolgung im rechtlichen Sinne glaubhaft darzulegen. Hiezu muss zunächst eine konkrete, gegen den Asylwerber selbst gerichtete Verfolgungshandlung glaubhaft gemacht werden, aus der eine wohlbegründete Furcht im Sinne von § 3 Absatz 1 Asylgesetz iVm Artikel 1 Abschnitt A Z 2 GFK rechtlich ableitbar ist. Hiezu genügt der bloße Hinweis auf die allgemeine Lage in dem Heimatland des Asylwerbers nicht (vgl hiezu zB VwGH 10.03.1994, Zahl 94/19/0056). Eine Furcht kann nur dann wohlbegründet sein, wenn sie im Lichte der speziellen Situation des Asylwerbers unter Berücksichtigung der Verhältnisse im Verfolgerstaat objektiv nachvollziehbar ist (vgl hiezu zB VwGH 12.05.1999, Zahl 98/01/0649). Eine Verfolgungshandlung setzt einen Eingriff von erheblicher Intensität in die zu schützende persönliche Sphäre des Einzelnen voraus, der geeignet ist, die Unzumutbarkeit der Inanspruchnahme des Schutzes des Heimatstaates zu begründen (vgl hiezu zB VwGH 25.04.1999, Zahl 99/01/0280).

Die Verfolgungsgefahr muss ihre Ursache in einem der Gründe haben, welche Art 1 Abschnitt A Z 2 GFK nennt (VwGH 9.9.1993, 93/01/0284; 15.3.2001, 99720/0128); sie muss Ursache dafür sein, dass sich der Asylwerber außerhalb seines Heimatlandes bzw. des Landes seines vorherigen Aufenthaltes befindet. Die Verfolgungsgefahr muss dem Heimatstaat bzw. dem Staat des letzten gewöhnlichen Aufenthaltes zurechenbar sein (VwGH 16.6.1994, 94/19/0183; 18.2.1999, 98/20/0468). Relevant kann aber nur eine aktuelle Verfolgungsgefahr sein; sie muss vorliegen, wenn der Asylbescheid erlassen wird; auf diesen Zeitpunkt hat die Prognose abzustellen, ob der Asylwerber mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit Verfolgung aus den genannten Gründen zu befürchten habe (vgl VwGH 9.3.1999, 98/01/0318; 19.10.2000, 98/20/0233).

Im gegenständlichen Fall wurde eine asylrelevante Verfolgung der Beschwerdeführer im Herkunftsstaat nicht vorgebracht.

Es kommt aber eine Asylgewährung gemäß § 34 Abs 2 AsylG in Betracht.

§ 34 AsylG 2005, BGBl. I Nr. 2005/100 idgF lautet:

Familienverfahren im Inland

§ 34. (1) Stellt ein Familienangehöriger von

1. einem Fremden, dem der Status des Asylberechtigten zuerkannt worden ist;

2. einem Fremden, dem der Status des subsidiär Schutzberechtigten (§ 8) zuerkannt worden ist oder

3. einem Asylwerber

einen Antrag auf internationalen Schutz, gilt dieser als Antrag auf Gewährung desselben Schutzes.

(2) Die Behörde hat auf Grund eines Antrages eines Familienangehörigen eines Fremden, dem der Status des Asylberechtigten zuerkannt worden ist, dem Familienangehörigen mit Bescheid den Status eines Asylberechtigten zuzuerkennen, wenn

1. dieser nicht straffällig geworden ist und

(Anm.: Z 2 aufgehoben durch Art. 3 Z 13, BGBl. I Nr. 84/2017)

3. gegen den Fremden, dem der Status des Asylberechtigten zuerkannt wurde, kein Verfahren zur Aberkennung dieses Status anhängig ist (§ 7).

(3) Die Behörde hat auf Grund eines Antrages eines Familienangehörigen eines Fremden, dem der Status des subsidiär Schutzberechtigten zuerkannt worden ist, dem Familienangehörigen mit Bescheid den Status eines subsidiär Schutzberechtigten zuzuerkennen, wenn

1. dieser nicht straffällig geworden ist;

(Anm.: Z 2 aufgehoben durch Art. 3 Z 13, BGBl. I Nr. 84/2017)

3. gegen den Fremden, dem der Status des subsidiär Schutzberechtigten zuerkannt wurde, kein Verfahren zur Aberkennung dieses Status anhängig ist (§ 9) und

4. dem Familienangehörigen nicht der Status eines Asylberechtigten zuzuerkennen ist.

(4) Die Behörde hat Anträge von Familienangehörigen eines Asylwerbers gesondert zu prüfen; die Verfahren sind unter einem zu führen; unter den Voraussetzungen der Abs. 2 und 3 erhalten alle Familienangehörigen den gleichen Schutzumfang. Entweder ist der Status des Asylberechtigten oder des subsidiär Schutzberechtigten zuzuerkennen, wobei die Zuerkennung des Status des Asylberechtigten vorgeht, es sei denn, alle Anträge wären als unzulässig zurückzuweisen oder abzuweisen. Jeder Asylwerber erhält einen gesonderten Bescheid. Ist einem Fremden der faktische Abschiebeschutz gemäß § 12a Abs. 4 zuzuerkennen, ist dieser auch seinen Familienangehörigen zuzuerkennen.

(5) Die Bestimmungen der Abs. 1 bis 4 gelten sinngemäß für das Verfahren beim Bundesverwaltungsgericht.

(6) Die Bestimmungen dieses Abschnitts sind nicht anzuwenden:

1. auf Familienangehörige, die EWR-Bürger oder Schweizer Bürger sind;

2. auf Familienangehörige eines Fremden, dem der Status des Asylberechtigten oder der Status des subsidiär Schutzberechtigten im Rahmen eines Verfahrens nach diesem Abschnitt zuerkannt wurde, es sei denn es handelt sich bei dem Familienangehörigen um ein minderjähriges lediges Kind;

3. im Fall einer Aufenthaltsehe, Aufenthaltspartnerschaft oder Aufenthaltsadoption (§ 30 NAG).

Da dem Ehemann bzw. dem Vater der Beschwerdeführer bereits der Status des Asylberechtigten in Österreich zuerkannt wurde, war gemäß § 34 Abs 2 AsylG auch seiner Ehefrau, der BF1, sowie seinen minderjährigen Kindern, dem BF2 und der BF3, als Familienangehörigen (§ 2 Abs 1 Z 22 AsylG) der Status von Asylberechtigten zuzuerkennen. Hinweise auf bestehende Ausnahmetatbestände im Sinne des § 34 Abs 2 AsylG liegen nicht vor. Den Beschwerdeführern kommt damit gemäß § 3 Abs 5 AsylG kraft Gesetzes die Flüchtlingseigenschaft zu. Entgegen der Rechtsansicht des BFA ist nach der derzeit geltenden Rechtslage ein gemeinsames Familienleben des Fremden, dem der Status des Asylberechtigten zuerkannt wurde, mit den antragstellenden Familienangehörigen nicht Voraussetzung für die Gewährung von Asyl an seine Familienangehörigen. Dass der Ehemann bzw. Vater der Beschwerdeführer kein gemeinsames Ehe- bzw. Familienleben mit diesen führt bzw. führen will oder bereits mit einer anderen Person zusammenlebt, ist demnach nicht entscheidungsrelevant.

3.3. Absehen von der Durchführung einer mündlichen Verhandlung

Gemäß § 21 Abs 7 BFA-VG kann eine mündliche Verhandlung unterbleiben, wenn der Sachverhalt aus der Aktenlage in Verbindung mit der Beschwerde geklärt erscheint oder sich aus den bisherigen Ermittlungen zweifelsfrei ergibt, dass das Vorbringen nicht den Tatsachen entspricht. Im Übrigen gilt § 24 VwGVG.

Gemäß § 24 Abs 2 Z 1 VwGVG kann eine Verhandlung entfallen, wenn der das vorangegangene Verwaltungsverfahren einleitende Antrag der Partei oder die Beschwerde zurückzuweisen ist, oder bereits auf Grund der Aktenlage feststeht, dass der mit Beschwerde angefochtene Bescheid aufzuheben, die angefochtene Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt oder die angefochtene Weisung für rechtswidrig zu erklären ist.

Gemäß § 24 Abs 4 VwGVG kann das Verwaltungsgericht, soweit durch Bundes- oder Landesgesetz nicht anderes bestimmt ist, ungeachtet eines Parteiantrags von einer Verhandlung absehen, wenn die Akten erkennen lassen, dass die mündliche Erörterung eine weitere Klärung der Rechtssache nicht erwarten lässt, und einem Entfall der Verhandlung weder Art 6 Abs 1 der Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten, BGBl. Nr. 210/1958, noch Art 47 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union, ABl. Nr. C 83 vom 30.03.2010 S. 389 entgegenstehen.

Im gegenständlichen Fall ergab sich klar aus der Aktenlage, dass von einer mündlichen Erörterung keine weitere Klärung der Rechtssache zu erwarten war, weshalb von einer mündlichen Verhandlung abgesehen werden konnte.

Zu B) Unzulässigkeit der Revision:

Gemäß § 25a Abs 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art 133 Abs 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision ist gemäß Art 133 Abs 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.

Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.

Schlagworte

Asylgewährung von Familienangehörigen Ehe Familienleben Familienverfahren Flüchtlingseigenschaft Minderjährigkeit

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2019:L503.2215038.2.01

Im RIS seit

15.09.2020

Zuletzt aktualisiert am

15.09.2020
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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