TE Vwgh Erkenntnis 1997/12/4 96/18/0222

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Veröffentlicht am 04.12.1997
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Index

19/05 Menschenrechte;
41/02 Passrecht Fremdenrecht;

Norm

FrG 1993 §17 Abs1;
FrG 1993 §19;
MRK Art8 Abs2;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Wetzel und die Hofräte Dr. Zeizinger, Dr. Rigler, Dr. Handstanger und Dr. Bayjones als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Keller, über die Beschwerde des A, vertreten durch Dr. Lukas Kozak, Rechtsanwalt in 1030 Wien, Landstraßer Hauptstraße 47-49, gegen den Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Wien vom 31. August 1995, Zl. SD 36/95, betreffend Ausweisung, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Begründung

I.

1. Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Wien (der belangten Behörde) vom 31. August 1995 wurde der Beschwerdeführer, ein Staatsangehöriger der Jugoslawischen Föderation, gemäß § 17 Abs. 1 des Fremdengesetzes - FrG, BGBl. Nr. 838/1992, ausgewiesen.

Der Beschwerdeführer sei am 1. November 1994 wegen illegalen Aufenthaltes betreten worden. Es habe sich herausgestellt, daß er etwa zwei Jahre vorher nach einer bereits erfolgten Zurückweisung an der Grenze illegal über Slowenien nach Österreich gelangt sei, sich seither in Österreich illegal aufgehalten habe und seit Juni 1993 auch nicht polizeilich gemeldet gewesen sei. Im Zuge des Ausweisungsverfahrens habe er einen Antrag auf Feststellung der Unzulässigkeit der Abschiebung und in weiterer Folge einen Asylantrag gestellt. Der Asylantrag sei mittlerweile mit Bescheid des Bundesministers für Inneres vom 7. April 1995 rechtskräftig abgewiesen worden.

Für die Beurteilung der Frage, ob der Aufenthalt des Beschwerdeführers rechtmäßig oder rechtswidrig sei, sei der Zeitpunkt der vorliegenden Entscheidung maßgebend. Der Beschwerdeführer verfüge weder über eine Aufenthaltsberechtigung nach dem Asylgesetz noch über eine solche nach anderen Bestimmungen. Er sei auch nie zum Aufenthalt in Österreich berechtigt gewesen und habe auch durch den mittlerweile rechtskräftig abgewiesenen Asylantrag keine vorläufige Aufenthaltsberechtigung nach dem Asylgesetz erlangt. Die vom Beschwerdeführer als Vorfrage bezeichnete Frage des Anspruches auf Asylgewährung sei überholt und sei auch vor der Erledigung des Asylverfahrens keine relevante Vorfrage gewesen. Der Aufenthalt des Beschwerdeführers sei jedenfalls nicht rechtmäßig. In einem solchen Fall sei die Ausweisung zu verfügen, sofern dem nicht § 19 FrG entgegenstehe.

Der Beschwerdeführer lebe in Österreich bei seinem Bruder. Ein Eingriff in sein Privat- und Familienleben im Sinne des § 19 FrG liege daher, wenn er auch nicht geltend gemacht worden sei, vor. Dessen ungeachtet sei dieser Eingriff aber zur Verteidigung eines geordneten Fremdenwesens - der Berufungswerber lebe in Österreich illegal und lange Zeit unangemeldet -, somit also zur Erreichung der im Art. 8 Abs. 2 MRK genannten Ziele, dringend geboten. Die Bestimmung des § 19 FrG stehe daher der Ausweisung nicht entgegen.

Eine darüber hinausgehende Interessenabwägung - der Beschwerdeführer berufe sich in diesem Zusammenhang aus nicht ganz einsichtigen Gründen auf § 27 Abs. 3 FrG - im Sinne des § 20 Abs. 1 FrG habe im Falle einer Ausweisung nicht zu erfolgen.

Die Frage, wohin der Beschwerdeführer in Realisierung seiner Verpflichtung, den unerlaubten Aufenthalt zu beenden, ausreisen könnte und ob eine Abschiebung in sein Heimatland zulässig sei, sei bei der vorliegenden Entscheidung nicht zu berücksichtigen gewesen. Auch ein anhängiges Verfahren gemäß § 54 FrG stehe der Erlassung der Ausweisung nicht entgegen; eine Abschiebung auf Grund der Ausweisung sei allerdings erst nach rechtskräftigem Abschluß des Feststellungsverfahrens zulässig. Das Argument des Beschwerdeführers, er könne den Bescheid nicht erfüllen, weil er in Schubhaft sei, sei mit der Entlassung aus der Schubhaft gegenstandslos geworden.

2. Gegen diesen Bescheid erhob der Beschwerdeführer zunächst Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof, der mit Beschluß vom 27. Februar 1996, B 3162/95, die Behandlung der Beschwerde ablehnte und die Beschwerde dem Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung abtrat.

Im verwaltungsgerichtlichen Verfahren machte der Beschwerdeführer Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend und beantragte, den angefochtenen Bescheid aus diesen Gründen aufzuheben.

II.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

1. Die Beschwerde läßt die Auffassung der belangten Behörde, daß dem Beschwerdeführer keine Aufenthaltsberechtigung in Österreich zukomme, unbekämpft. Auf der Grundlage der unbestrittenen maßgeblichen Sachverhaltsfeststellungen besteht gegen diese Beurteilung kein Einwand. Die Behörde hat somit das Vorliegen der Voraussetzung des § 17 Abs. 1 FrG für die Erlassung einer Ausweisung - vorbehaltlich ihrer Zulässigkeit nach § 19 FrG - zutreffend angenommen.

2.1. Die Beschwerde bekämpft die Beurteilung der Behörde im Grund des § 19 FrG. Nach Auffassung des Beschwerdeführers mangle es in seinem Fall an der von § 19 FrG verlangten Dringlichkeit. Der Beschwerdeführer sei weder eine Gefahr für die nationale Sicherheit noch für die öffentliche Ruhe und Ordnung, sein weiterer Aufenthalt gefährde auch nicht das wirtschaftliche Wohl Österreichs. Liege - wie im Beschwerdefall - lediglich ein illegaler Aufenthalt vor, so mangle es schon deswegen an der Dringlichkeit im Sinne des § 19 FrG. Seiner Ausweisung stünden auch die familiären Bindungen des Beschwerdeführers zu seinem Bruder und dessen Frau entgegen.

2.2. Mit diesem Vorbringen zeigt die Beschwerde keine Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides auf. Die belangte Behörde hat auf der Grundlage der unbestrittenen maßgeblichen Sachverhaltsfeststellungen, daß der Beschwerdeführer in Österreich mit seinem Bruder lebe, zutreffend einen mit der Ausweisung verbundenen Eingriff in das Privat- und Familienleben des Beschwerdeführers angenommen. Der Beschwerdeführer hat aber durch seinen unberechtigten Aufenthalt in Österreich in der Dauer von etwa drei Jahren das dem Art. 8 Abs. 2 MRK unterstellbare öffentliche Interesse an der Einhaltung der die Einreise und den Aufenthalt von Fremden regelnden Vorschriften durch die Normadressaten, dem nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ein hoher Stellenwert zukommt (vgl. etwa das Erkenntnis vom 4. September 1997, Zl. 97/18/0373, mwH), gravierend beeinträchtigt. Die genannten (auf das Leben im gemeinsamen Haushalt mit seinem Bruder gegründeten) familiären Interessen des Beschwerdeführers sind keineswegs so stark ausgeprägt, daß sie dieses maßgebliche öffentliche Interesse überwiegen könnten. Es ist somit nicht als rechtswidrig zu erkennen, wenn die Behörde dem öffentlichen Interesse an der Wahrung eines geordneten Fremdenwesens gegenüber diesen familiären Interessen den Vorrang gab und zu dem Ergebnis gelangt ist, daß die Ausweisung des Beschwerdeführers im Grunde des § 19 FrG dringend geboten ist.

2.3. Bei diesem Ergebnis ist auch die Verfahrensrüge, die Behörde sei betreffend die persönliche Situation und die Familienverhältnisse des Beschwerdeführers nicht ihrer Pflicht zur amtswegigen Erforschung der materiellen Wahrheit nachgekommen, nicht zielführend.

3. Da somit bereits der Inhalt der Beschwerde erkennen läßt, daß die behauptete Rechtsverletzung nicht vorliegt, war die Beschwerde nach § 35 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren als unbegründet abzuweisen.

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1997:1996180222.X00

Im RIS seit

20.11.2000
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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