Entscheidungsdatum
06.08.2019Norm
AsylG 2005 §10 Abs1 Z2Spruch
L504 2146588-1/57E
IM NAMEN DER REPUBLIK!
Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Mag. R. ENGEL als Einzelrichter über die Beschwerde von XXXX , geb. XXXX , StA. Irak, vertreten durch RA Mag. Manuel DIETRICH, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 09.01.2017, Zl. XXXX , nach Durchführung einer Verhandlung zu Recht erkannt:
A)
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
B)
Die Revision ist gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.
Text
ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:
I. Verfahrenshergang
1. Die beschwerdeführende Partei [bP], ein Staatsangehöriger des Irak sunnitischen Glaubens und der arabischen Volksgruppe zugehörig, stellte am 10.07.2015, nach nicht rechtmäßiger Einreise in das österreichische Bundesgebiet, einen Antrag auf internationalen Schutz.
Bei der zwei Tage später von einem Organ des öffentlichen Sicherheitsdienstes durchgeführten Erstbefragung gab die bP als Fluchtgrund an, dass sie vor den IS-Milizen fliehen hätte müssen, da diese die Region eingenommen hätten. In weiterer Folge sei XXXX durch Anwendung von Chemiewaffen verseucht worden und seien dadurch drei der Geschwister sowie die Mutter der bP als Folge dieser Verseuchung an Krebs erkrankt. Zudem trage die bP ein christliches Symbol als Tätowierung am linken Oberarm, nämlich einen Engel mit dem Buchtstaben "W", dem Anfangsbuchstaben des Namens ihrer Freundin.
2. Am 24.08.2016 wurde die bP vom Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl [BFA] niederschriftlich befragt.
Dabei führte sie eingangs an, dass ihre Familie aktuell in " XXXX " in einem Haus leben würde, das von den Ortsbewohnern zur Verfügung gestellt worden sei. Die gesundheitliche Situation der Mutter und Schwester sei sehr schlecht. Tanten und Onkel würden in XXXX , weitere Verwandte in Bagdad leben.
Die bP sei Programmierer und habe im Irak ein Büro gehabt, wo sie Computer repariert habe. Nebenbei habe sie diverse Büroartikel verkauft. So habe sie ihren Lebensunterhalt verdient.
Hinsichtlich der Fluchtgründe gab sie bei der Einvernahme an:
"F: Was war der konkrete Grund, warum Sie die Heimat verlassen haben? Erzählen Sie bitte möglichst chronologisch über alle Ereignisse, die Sie zum Verlassen der Heimat veranlasst haben (freie Erzählung)!
A: Am 01.01.2014 ist der IS in unseren Ort einmarschiert. Ich hatte in meinem Ort ein Büro. Dort habe ich Computer repariert und diverse Bürosachen verkauft. Als der IS in unseren Ort einmarschiert ist gab es keine Sicherheit mehr. Es gab keine Polizei, keine Armee mehr. Im März 2014 kamen drei Personen des IS zu mir. Sie verlangten von mir diverse Namen auszudrucken. Falls ich das akzeptiert hätte, hätte ich mit dem IS zusammen gearbeitet. Wenn ich es abgelehnt hätte, hätten sie gedacht, dass ich Anhänger der irakischen Regierung bin. Deswegen musste ich meinen Ort verlassen, das war im März 2014. Ich ging zuerst mit meiner Familie in das Flüchtlingslager. Im Oktober 2014 hat meine Familie das Flüchtlingslager verlassen, da der Gesundheitszustand meiner Mutter und Schwester sehr schlecht war. Ich durfte das Lager nicht verlassen, ich musste dort bleiben. Ich bin Sunnit und wenn man mich kontrolliert hätte, hätten sie mich getötet. Anfang 2015 verließ ich das Lager. Im Oktober 2014 ging meine Familie nach XXXX . Ich ging zuerst nach Bagdad. Dann verließ ich das Land.
Anmerkung: AW bittet um eine kurze Pause.
F: Haben Sie noch weitere Gründe, weshalb Sie Ihr Heimatland verlassen haben?
A: Nein.
F: Haben Sie sämtliche Gründe und Vorfälle, welche Sie zum Verlassen Ihres Heimatlandes veranlasst haben, angeführt?
A: Ja.
F: Was hätten Sie für den IS drucken sollen?
A: Ich habe auch Visitenkarten gedruckt. Für den IS hätte ich ein A4 großes Blatt Papier drucken sollen mit diversen Namen und der IS Flagge.
F: Von wem genau sind Sie bedroht worden?
A: Vom IS. Ich lehnte ab mit ihnen zusammen arbeiten. Außerdem war die Lage sehr schlecht. Ich musste meinen Ort verlassen.
F: Woher wussten Sie dass es Personen vom IS gewesen wären?
A: Die Personen kamen maskiert. Ich erkannte sie nicht.
F: Wann genau war der Vorfall?
A: Zwischen Jänner und März.
F: Wie genau wurden Sie bedroht?
A: Ich war in meinem Büro. Es gab keine Sicherheit mehr. Es kamen drei Personen. Zwei kamen in das Geschäft rein. Sie verlangten von mir, die Ausdrucke anzufertigen. Ich lehnte das ab. Ich sagte, dass ich das nicht machen kann. Sie gingen dann raus. Zwei Tage später kamen die gleichen Personen noch einmal. Sie sagten, dass ich das Geschäft verlassen soll.
F: Wie oft wurden Sie insgesamt bedroht?
A: Nur einmal.
F: Passierte etwas, nachdem Sie den Auftrag ablehnten?
A: Sie bedrohten mich mit dem Tod. Deswegen habe ich den Ort verlassen.
F: Wurden Sie beim ersten Mal mit dem Tod bedroht?
A: Nein beim zweiten Mal.
F: Wann haben Sie XXXX verlassen?
A: Im März 2014.
F: Waren Sie das einzige Druckerbüro in XXXX ?
A:In meinem Ort schon.
F: Wie kann Ihre Familie derzeit im Irak leben?
A: Die Lage ist sehr schlecht. Sie brauchen die Ersparnisse für die medizinische Behandlung.
F: Wer arbeitet von Ihrer Familie?
A: Niemand. Sie bekommen Unterstützung. Sie bekommen Mehl, Reis, Zucker...
F: Wurde Ihnen ausreichend Zeit eingeräumt, ihre Probleme vollständig und so ausführlich, wie Sie es wollten, zu schildern?
A: Ja. Die Krankheit meiner Familie ist bedingt durch einen Anschlag. Es explodierten Chlor- und Gasflaschen. Das war 2013.
Anmerkung LA: VP gibt an, dass er noch ein Video auf seinem Handy hätte, dass allerdings ausschließlich die allgemeine Lage im Irak zeigt.
F: Haben Sie sich wegen Ihrer Probleme an die Polizei, an ein Gericht, eine Behörde, einen Anwalt, eine Menschenrechtsorganisation oder sonst eine Stelle gewandt?
A: Nein.
F: Warum nicht?
A: Ich hatte Angst und versteckte mich im Flüchtlingslager.
[...]"
3. Mit Bescheid des BFA vom 09.01.2017 wurde der Antrag auf internationalen Schutz gemäß § 3 Abs. 1 AsylG 2005 abgewiesen und der Status eines Asylberechtigten nicht zuerkannt (Spruchpunkt I.). Gem. § 8 Abs. 1 Z 1 AsylG wurde der Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Irak nicht zugesprochen (Spruchpunkt II.). Ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß § 57 AsylG wurde nicht erteilt. Gemäß § 10 Abs. 1 Z 2 AsylG iVm § 9 BFA-VG wurde gegen die bP eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 Z 2 FPG erlassen und gemäß § 52 Abs. 9 FPG festgestellt, dass eine Abschiebung in den Irak gemäß § 46 FPG zulässig ist (Spruchpunkt III.).Gemäß § 55 Abs. 1 bis 3 FPG betrage die Frist für die freiwillige Ausreise 14 Tage ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung (Spruchpunkt IV.).
Gegen diesen Bescheid wurde mit Schriftsatz vom 27.01.2017 innerhalb offener Frist vollumfängliche Beschwerde wegen inhaltlicher Rechtswidrigkeit infolge unrichtiger rechtlicher Beurteilung sowie der Verletzung von Verfahrensvorschriften erhoben.
In der Beschwerde wurden zunächst verfassungsrechtliche Bedenken betreffend die zweiwöchige Beschwerdefrist gem. § 16 Abs. 1 BFA-VG bzw. die Anregung geäußert, das Bundesverwaltungsgericht möge die Aufhebung dieser Norm beim VfGH beantragen.
Inhaltlich wurde das bisherige Vorbringen im Wesentlichen wiederholt und ausgeführt, dass für die bP keine innerstaatliche Fluchtalternative bestehe, da es ihr nicht zumutbar sei, ihren Lebensunterhalt an einem fremden Ort alleine zu bestreiten. In einem solchen Fall würde sie in eine ausweglose Situation geraten.
Die Einvernahme der bP sei sehr kurz und oberflächlich gewesen und seien keine weiteren Nachfragen oder Überprüfungen angestellt worden, obwohl die BF ausführliche Angaben zu ihren Fluchtgründen gemacht habe.
Weiters seien die im angefochtenen Bescheid getroffenen Länderfeststellungen unvollständig und würden sich nicht mit dem konkreten Fluchtvorbringen der bP auseinandersetzen. So habe es das BFA zur Gänze unterlassen, sich mit der Gefahr durch den IS in XXXX auseinanderzusetzen.
Zudem sei im Verfahren vor dem BFA ein Video vorgelegt worden, auf welchem das zerstörte Haus des BF zu sehen sei, was nicht ausreichend gewürdigt worden sei und somit einen groben Verfahrensmangel darstelle. Auf dem Video sei eindeutig der Name des BF zu hören und sein zerstörtes Haus zu sehen. Wie das BFA zu dem Schluss gelange, dass das Video die allgemeine und bekannte Lage im Irak zeige, sei nicht nachvollziehbar.
Das BVwG hat die Beschwerde als unbegründet abgewiesen. Das von der bP angesprochene Video wurde dem BVwG mit der Beschwerde nicht vorgelegt. Einer dagegen erhobenen ao Revision hat der Verwaltungsgerichtshof stattgegeben. Der VwGH hat vertreten, dass die Beschwerde der Entscheidung des Bundesamtes substantiiert entgegen getreten sei. Die bP habe beim Bundesamt ein Video vorgelegt, auf dem ihr Name deutlich zu hören sei und ihr zerstörtes Haus sichtbar wäre. Das BVwG hätte daher eine Verhandlung durchzuführen gehabt.
Die bP brachte in weiterer Folge beim VwGH einen Fristsetzungsantrag ein und hat dieser dem BVwG eine dreimonatige Frist zur Entscheidung vorgegeben. Infolge mangelnder Mitwirkung in Bezug auf das Video hat der VwGH auf Antrag des BVwG die Frist bis zum 16.08.2019 erstreckt.
Die bP wurde vom BVwG aufgefordert (Oz 29Z) das bislang nicht im Akt befindlich Video zu übermitteln. Dem wurde nachgekommen. Der schriftlichen Aufforderung bekannt zu geben, was sie mit dem Video konkret bescheinigen wolle, anzugeben zu welchem Zeitpunkt auf dem Video ihr Name zu hören sei, einen Screenshot oder Ausdruck von ihrem Facebook Profil zu übermitteln worauf ersichtlich ist, wann ihr wer dieses Video übermittelt hat, wurde nicht nachgekommen. Vielmehr verwies die bP darauf, dass dies das BVwG im Zuge einer Verhandlung selbst erfragen solle (Oz 32), womit die bP de facto entgegen dem Grundsatz der arbiträren Ordnung anstatt des BVwG selbst den Gang des Verfahrens bestimmen wollte. Das auch beigebrachte Argument, die bP sei deshalb nicht zur Beantwortung der Fragen zum Video in der Lage gewesen, weil der Rechtsfreund keinen Dolmetscher zur Verfügung gehabt habe, wird als bloße Schutzbehauptung angesehen, zumal die bP sich einerseits auch des Rechtsberaters bedienen hätte können, welcher bei Übersetzung behilflich zu sein hat, und weiters war die bP offenbar durchaus in der Lage die Fragen zum Privat- und Familienleben zu beantworten.
Mit Schriftsatz vom 12.03.2019 (Oz 34Z9) wurde die bP neben Fragen zum Privat- und Familienleben in Österreich nochmals aufgefordert die bereits gestellten Fragen zum Video zu beantworten. Die Fragen zum Video wurden diesmal auch nur zum Teil beantwortet, es wurde nur bekannt gegeben wann der Name im Video zu hören ist (Oz 39).
Mit Schriftsatz vom 12.03.2019 wurde gegenüber den Verfahrensparteien das Parteiengehör zu den zur Beurteilung herangezogenen herkunftsstaatlichen Berichten gewahrt (Oz 33). Dazu wurde keine Stellungnahme abgegeben.
Stellungnahme erfolgte zu den angefragten privaten und familiären Anknüpfungspunkten in Österreich sowie zur Frage, ob sich hinsichtlich der persönlichen Problemlage im Irak seither Änderungen ergeben hätten (Oz 39).
Am 24.06.2019 wurde eine Beschwerdeverhandlung durchgeführt. Darin wurden aktualisierte Berichte erörtert. Auf eine schriftliche Stellungnahme dazu verzichtete die bP. An deren Ende erging gem. § 39 Abs 3 AVG der Beschluss zur Schließung des Ermittlungsverfahrens.
In der Verhandlung brachte die bP nunmehr in Abweichung zu ihrem bisherigen Vorbringen vor, dass sie damals von Personen des Staates, der Regierung, bedroht worden sei, womit sie ihren Angaben beim Bundesamt, es seien Angehörige der IS-Milizen gewesen, widersprach.
Bis zum Zeitpunkt dieser Entscheidung langte keine Beschwerdeergänzung mehr ein, weshalb das BVwG davon ausgeht, dass seit der Verhandlung ein unveränderter Sachverhalt vorliegt.
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
1. Sachverhalt
1.1. Identität und Herkunftsstaat:
Die bP ist Staatsangehörige des Irak, sunnitischen Glaubens und Angehörige der arabischen Volksgruppe. Auf Grund unterschiedlicher Identitätsangaben im Verfahren und dem Umstand, dass dem BVwG selbst keine irakischen Identitätsdokumente im Original vorlagen vermag seitens des Verwaltungsgerichtes keine Feststellung der Identität erfolgen. Soweit die bP hier namentlich genannt wird handelt es sich um eine Verfahrensidentität.
1.2. Regionale Herkunft und persönliche Lebensverhältnisse vor der Ausreise
Sie war bei der Ausreise ledig und lebte bis März 2014 in XXXX , Al-Anbar, wo sie auch Grundschule, Mittelschule und Fachhochschule absolvierte. Ihren Lebensunterhalt verdiente die bP dort durch die Reparatur von Computern bzw. den Verkauf von Büroartikeln. Von März 2014 lebte die bP bis Anfang 2015 in einem Flüchtlingslager in Sicherheit. Bis ca. Mitte Mai 2015 lebte sie unverfolgt in Bagdad, von wo aus sie die Ausreise per Bus in die Türkei antrat. Die bP brachte zuletzt in der Verhandlung nicht vor, dass sie im Falle der Rückkehr nicht das für die Existenz unbedingt Notwendige erlangen könnte und kann dies auch amtswegig auf Grund der allgemeinen Lage nicht festgestellt werden.
1.3. Familiäres/verwandtschaftliches bzw. soziales Netzwerk im Herkunftsstaat
Die Mutter und Geschwister (Brüder und Schwestern) der bP leben unverfolgt in einem gemieteten Haus in XXXX /Gouvernment Al-Qadisiyyah ca. 100-150 Km von XXXX entfernt. Sie werden dort von den lokalen Behörden und Nachbarn unterstützt. Die Brüder arbeiten gelegentlich auf Baustellen. Es sind alle Geschwister verheiratet und sorgen diese dort für ihre Familien. Sie sind in der Lage das für den Lebensunterhalt Notwendige zu erlangen. Die bP hat zu diesen über Internet laufend Kontakt, zuletzt am Tag der Verhandlung. Die im Irak lebenden Familienangehörigen unterstützten sie finanziell bei der geplanten Ausreise. Die bP gehört einem im Irak ansässigen Clan/Stamm an. Tanten und Onkel der bP leben in Bagdad.
1.4. Ausreisemodalitäten
Sie reiste von Bagdad aus mit dem Bus in die Türkei. Ob sie legal ausreiste kann nicht festgestellt werden, da die diesbezüglichen Angaben zw. Erstbefragung und Einvernahme widersprüchlich sind. Von dort aus fuhr sie schlepperunterstützt über Griechenland bis nach Österreich. In Griechenland scheint sie mit einem Eurodac-Treffer GR auf (20.06.2015 Kos).
Sie durchreiste auf ihrem Weg nach Österreich mehrere als sicher geltende Staaten. In diesen suchte sie nicht um Schutz an. Es wurde nicht behauptet, dass ihr dort die Stellung eines Antrages auf internationalen Schutz nicht auch möglich gewesen wäre oder dass Flüchtlinge dort keinen Schutz erlangen könnten.
1.5. Gesundheitszustand
Die bP hat im Verfahren keine aktuell behandlungsbedürftige Erkrankung dargelegt.
1.6. Privatleben / Familienleben in Österreich
Art, Dauer, Rechtmäßigkeit des bisherigen Aufenthaltes:
Die bP begab sich mit Unterstützung einer kriminellen Schlepperorganisation und ohne Vorhandensein eines Einreise- bzw. Aufenthaltstitels am 10.07.2015 in das Bundesgebiet.
Mit der am 12.07.2015 erfolgten Stellung des Antrages auf internationalen Schutz erlangte die bP eine vorläufige Aufenthaltsberechtigung gem. AsylG, die nach Antragsabweisung durch die Beschwerdeerhebung am 27.01.2017verlängert wurde.
Da ihr in diesem Verfahren weder der Status eines Asylberechtigten noch jener eines subsidiär Schutzberechtigten zuzuerkennen war, erweist sich die Einreise als rechtswidrig und stellt gem. § 120 Abs 1 u. Abs 7 FPG eine Verwaltungsübertretung dar, die als Offizialdelikt von der Landespolizeidirektion als Strafbehörde zu ahnden ist.
Familiäre Anknüpfungspunkte in Österreich:
Die bP hat in Österreich keine als Familienleben zu wertenden Umstände dargelegt. Sie hat während des Beschwerdeverfahrens am 21.06.2018 in Österreich eine in Dänemark lebende dänische Staatsangehörige geheiratet. Diese hat von ihrem Freizügigkeitsrecht nicht Gebrauch gemacht. Sie ist in Dänemark beim Roten Kreuz beschäftigt. Sie war nicht für Erwerbszwecke in Österreich aufhältig und war auch nur für die Eheschließung kurzfristig in Österreich. Zwei oder drei Mal kam sie für wenige Tage zu Besuch. Zuletzt war sie ca. 7-8 Monate vor der Verhandlung bei der bP für 4 Tage im Bundesgebiet. Die bP hat ihren Angaben nach in Dänemark um einen Aufenthaltstitel angesucht worüber aber noch nicht entschieden wurde. Die bP gibt an, mit der Ehegattin lieber in Österreich leben zu wollen. Sie steht mit ihr über Internet in Kontakt.
Grad der Integration / Schutzwürdigkeit des Privatlebens / Die Frage, ob das Privatleben / Familienleben zu einem Zeitpunkt entstand, in dem sich die Beteiligten ihres unsicheren Aufenthaltsstaates bewusst waren:
Die bP verfügt weder über eine irakische noch über eine österreichische Lenkberechtigung (Führerschein).
In Bezug auf Deutschkenntnisse hat die bP Bescheinigungen über den Besuch von Deutschkursen vorgelegt. Grundkenntnisse der deutschen Sprache sind gegeben, die Verhandlung konnte jedoch nur mit Dolmetscher abgehalten werden. Positiv abgelegte Prüfungen im Rahmen des GER für Sprachen wurden im Beschwerdeverfahren nicht nachgewiesen.
Gutes soziales und gesellschaftliches Engagement und die Bemühung sich in Österreich zu integrieren, einschließlich ehrenamtlicher Tätigkeit, wird ihr in Österreich seitens Dritter bescheinigt. Sie hat ua bei einer Feuerwehrübung teilgenommen, ist Mitglied in Vereinen, hilft in ihrer Unterkunft etwa bei Koch- und Reinigungstätigkeiten und leistet auch einer Mutter mit ihrem krebskranken Kind Beistand.
Teilweise oder gänzliche wirtschaftliche Selbsterhaltung während des Verfahrens bzw. Teilnahme an möglicher und erlaubter Erwerbstätigkeit für Asylwerber (https://www.ams.at/unternehmen/service-zur-personalsuche/beschaeftigung-auslaendischer-arbeitskraefte/beschaeftigung-von-asylwerberinnen-und-asylwerbern#wieknnenasylwerberinnenundasylwerberbeschftigtwerden):
Hinsichtlich Erwerbstätigkeit in Österreich liegen widersprechende Angaben zwischen der schriftlichen anwaltlichen Stellungnahme vom 29.03.2019 und den persönlichen Angaben der bP in der Verhandlung vor. Die Stellungnahme behauptet, dass die bP "ua. als Restaurantchef in Lech" gearbeitet habe. Die bP behauptete in der Verhandlung, dass dies nicht den Tatsachen entspreche. Sie habe sich lediglich dort beworben, das AMS habe dem aber nicht zugestimmt.
Bei der Sozialversicherung scheint die bP nicht mit einem sozialversicherungspflichtigen Beschäftigungsverhaltnis auf.
Lt. Datenbank der Grundversorgung gilt sie als finanziell "hilfsbedürftig" und erhält seit Beginn des Verfahrens Leistungen aus der Grundversorgung. Für Asylwerber mögliche Beschäftigungen zur wirtschaftlichen Selbsterhaltung um nicht mehr auf die Grundversorgung angewiesen zu sein kamen nicht hervor.
In der Verhandlung legte die bP vom 18.06.2019 eine "Einstellungszusage" einer GmbH vor, wonach sie "ab der gültigen Aufenthalt- und Arbeitsgenehmigung" bei diesem Unternehmen als Trockenbauer eingestellt werde.
Zeitpunkt der Begründung familiärer/privater Anknüpfungspunkte:
Die bP hat all diese privaten Anknüpfungspunkte während einer Zeit erlangt, in der der Aufenthaltsstatus im Bundesgebiet stets prekär war. Auch die Eheschließung mit der dänischen Staatsangehörigen erfolgten während des Beschwerdeverfahrens, also einem Zeitpunkt, wo sie durch die ablehnende Entscheidung bereits wusste, dass keine berechtigten Hoffnungen auf einen Aufenthaltstitel aus dem Asylverfahren bestehen.
Bindungen zum Herkunftsstaat:
Die beschwerdeführende Partei ist im Herkunftsstaat geboren, absolvierte dort ihre Schulzeit und Berufsausbildung, kann sich im Herkunftsstaat - im Gegensatz zu Österreich - problemlos verständigen und hat bei weitem ihr überwiegendes Leben in diesem Staat verbracht. Sie kennt die dortigen Regeln des Zusammenlebens, hat dort noch Familienangehörige und Verwandte, zu denen auch Kontakt besteht.
Es kann nicht davon ausgegangen werden, dass die beschwerdeführende Partei als von ihrem Herkunftsstaat entwurzelt zu betrachten wäre.
Strafrechtliche/verwaltungsstrafrechtliche Vormerkungen:
In der Datenbank des österreichischen Strafregisters scheinen keine Vormerkungen wegen rk. gerichtlicher Verurteilungen auf.
Das Vorliegen von rk. Verwaltungsstrafen wurde dem BVwG nicht mitgeteilt und ergibt sich auch nicht aus dem Akteninhalt.
Verstöße gegen die öffentliche Ordnung, insbesondere im Bereich des Asyl-, Fremdenpolizei- und Einwanderungsrechts:
Da der bP weder der Status einer Asylberechtigten noch der einer subsidiär schutzberechtigten Person zukommt, stellt die rechtswidrige Einreise gegenständlich auch grds. eine Verwaltungsübertretung dar (vgl. § 120 Abs 7 FPG) und ist dies als Offizialdelikt von der Landespolizeidirektion als Strafbehörde wahrzunehmen.
Die beschwerdeführende Partei verletzte - trotz diesbezüglicher wiederholter Belehrung - durch die nichtwahrheitsgemäße Begründung ihres Antrages auf internationalen Schutz ihre Mitwirkungsverpflichtung im Asylverfahren. Das Verhalten vor den österreichischen Instanzen im Asylverfahren ist bei der Beurteilung der Integration zu berücksichtigen.
Verfahrensdauer:
Die bP stellte am 12.07.2015 diesen Antrag auf internationalen Schutz und entschied das Bundesamt am 09.01.2017 darüber. Die Dauer des Beschwerdeverfahrens war teilweise durch die mangende Mitwirkung (betr. Auskünfte zum Video) der bP bedingt.
1.7. Zu den behaupteten ausreisekausalen Geschehnissen / Erlebnissen im Zusammenhang mit staatlichen bzw. nichtstaatlichen Akteuren und der zu erwartenden Rückkehrsituation
Die bP brachte zuletzt in der Verhandlung nur sicherheitsrelevante Probleme im Falle einer Rückkehr vor. Sie befürchtet demnach als Sunnit Verfolgung durch Milizen des Staates bzw. der Regierung. Andere Probleme im Falle der Rückkehr gab sie nicht konkret an.
Die bP vermochte die behaupteten, als ausreisekausal dargelegten, persönlichen Erlebnisse und Rückkehrbefürchtung, so wie von ihr dargelegt, aus den in der Beweiswürdigung angeführten Gründen nicht glaubhaft machen. Die bP wechselt im Zuge mehrerer Einvernahmen die Verfolger aus. Die bP hat sich somit vor der Ausreise schon nicht glaubhaft exponiert.
Es kann somit nicht festgestellt werden, dass die bP im Zusammenhang mit ihrer als nicht glaubhaft erachteten ausreisekausalen Bedrohungslage und Rückkehrbefürchtung im Falle einer Rückkehr in ihren Herkunftsstaat mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit einer asylrelevanten Verfolgungsgefahr oder einer entscheidungsrelevanten realen Gefahr von Leib und/oder Leben ausgesetzt wäre.
Es wird als möglich und zumutbar erachtet, dass die bP sich in der Region ansiedelt, wo auch ihre Mutter und Geschwister seit Jahren unverfolgt leben und in der Lage sind den notwendigen Lebensunterhalt zu erlangen.
Aus den Angaben der bP ergibt sich im Herkunftsstaat unter Berücksichtigung ihrer persönlichen Verhältnisse, keine Situation, wonach im Falle der Rückkehr eine ernsthafte individuelle Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit einer Zivilperson infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen bewaffneten Konflikts bestünde. Dies ergibt sich auch nicht aus der amtswegigen Einschätzung der Lage im Herkunftsstaat
Die bP war im Hinblick auf Unterkunft und Versorgung mit Lebensmitteln bislang in der Lage im Herkunftsstaat ihre Existenz zu sichern. Es wurde von ihr weder beim Bundesamt noch im Beschwerdeverfahren konkret dargelegt, dass sie im Falle der Rückkehr nicht mehr ihre Grundbedürfnisse der menschlichen Existenz decken könnte.
Sie behauptete nicht, dass im Falle der Rückkehr auf Grund der allgemeinen Versorgungslage eine persönliche, relevante Gefährdung von Leib und/oder Leben gegeben wäre. Dies kann auch amtswegig auf Grund der allgemeinen Lage im Herkunftsstaat nicht festgestellt werden.
1.8. Zur asyl- und abschiebungsrelevanten Lage im Herkunftsstaat:
Verfahrensgegenständliche Erkenntnisquellen:
Ergänzende, aktualisierte Quellen für die Verhandlung:
* Länderinformationsblatt der Staatendokumentation mit letzter KI vom 09.04.2019
* Summary of presentation by Joel Wing, 28.03.2019
* Musings on Iraq
* Google Ereignis-Recherche zu Ramadi und Bagdad, Abfrage 24.06.2019
Den schon mit Schriftsatz vom 12.03.2019 zu Gehör gebrachten Berichten (Oz 33Z)
? Länderinformationsblatt der Staatendokumentation v. 20.11.2018
* Google Ereignis-Recherche zu Ramadi und Bagdad bis März 2019
* BAMF, Briefing Notes, 11.02.2019
* Interview mit der deutschen Journalistin B. S. vom 04.10.2018 über die Lage im Irak
* Anfragebeantwortung der Staatendoku zur sicherheitsrelevanten Vorfällen von Oktober 2018 bis Jänner 2019
* BVwG, vorläufige Feststellungen zum Irak
Aus den zitierten und zu Gehör gebrachten Erkenntnisquellen ergeben sich zusammenfassend nachfolgende Feststellungen bzw. Schlussfolgerungen, die als solche im Wesentlichen der Partei dergestalt schon übermittelt wurden und denen nicht konkret entgegen getreten wurde. Weder wurde eine Unvollständigkeit oder Unrichtigkeit behauptet.
Politik / Zusammensetzung der Bevölkerung
Die politische Landschaft des Irak hat sich seit dem Sturz Saddam Husseins im Jahr 2003 enorm verändert. Gemäß der Verfassung ist der Irak ein demokratischer, föderaler und parlamentarisch-republikanischer Staat, der aus 18 Provinzen besteht. Die Autonome Region Kurdistan ist Teil der Bundesrepublik Irak und besteht aus den drei nördlichen Provinzen Dohuk, Erbil und Sulaymaniya. Sie wird von einer Regionalverwaltung, der kurdischen Regionalregierung, verwaltet und verfügt über eigene Streitkräfte.
Die konfessionell/ethnische Verteilung der politischen Spitzenposten ist nicht in der irakischen Verfassung festgeschrieben, aber seit 2005 üblich. So ist der Parlamentspräsident gewöhnlich ein Sunnit, der Premierminister ist ein Schiit und der Präsident der Republik ein Kurde. Die meisten religiös-ethnischen Gruppen sind im Parlament vertreten.
Der Irak hat ca. 38 Millionen Einwohner. Etwa 75-80 % der heute im Irak lebenden Bevölkerung sind Araber, 15-20 % sind Kurden und 5 % sind Turkomanen, rund 600.000 Assyrer/Aramäer, etwa 10.000 Armenier oder Angehörige anderer ethnischer Gruppen. Weiterhin sollen im Südosten 20.000 bis 50.000 Marsch-Araber leben. Von turkomanischen Quellen wird der Anteil der eigenen ethnischen Gruppe auf etwa 10 % geschätzt.
Etwa 97 % der Bevölkerung sind muslimisch. Über 60 % sind Schiiten und zwischen 32 und 37 % Sunniten; die große Mehrheit der muslimischen Kurden ist sunnitisch. Ca. 17-22 %, also ca. 6,5 bis 8,4 Millionen der Gesamtbevölkerung sind arabische Sunniten (vorwiegend im Zentral- und Westirak), ca. 15-20 % der Gesamtbevölkerung sind kurdische Sunniten. So wie Schiiten sind auch (arabische) Sunniten in hohen politischen (zB Parlamentspräsident) und öffentlichen Ämtern vertreten. Ebenso als Beschäftigte bei Polizei, Militär und Gerichten. Sunniten nehmen ebenso am sonstigen gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Leben teil. Christen, Jesiden und andere Religionen bilden mit ca. 3 % eine Minderheit. Die Christen zählen überwiegend zu den orientalisch-christlichen Gemeinschaften: Chaldäisch-katholische Kirche, Assyrische Kirche des Ostens, Alte Kirche des Ostens, Armenische Apostolische Kirche, Römisch-katholische Kirche, Syrisch-katholische Kirche, Syrisch-Orthodoxe Kirche von Antiochien, Assyrisch-evangelische Kirche und andere.
Sicherheitskräfte - Milizen - Rechtschutz
Die irakischen Sicherheitskräfte ISF:
Im ganzen Land sind zahlreiche innerstaatliche Sicherheitskräfte tätig. Die irakischen Sicherheitskräfte (ISF, Iraqi Security Forces) bestehen aus Sicherheitskräften, die vom Innenministerium verwaltet werden, Sicherheitskräften, die vom Verteidigungsministerien verwaltet werden, den Volksmobilisierungseinheiten (PMF, Popular Mobilization Forces), und dem Counter-Terrorism Service (CTS). Das Innenministerium ist für die innerstaatliche Strafverfolgung und die Aufrechterhaltung der Ordnung zuständig; es beaufsichtigt die Bundespolizei, die Provinzpolizei, den Dienst für den Objektschutz, den Zivilschutz und das Ministerium für den Grenzschutz. Die Energiepolizei, die dem Ölministerium unterstellt ist, ist für den Schutz von kritischer Infrastruktur in diesem Bereich verantwortlich. Konventionelle Streitkräfte, die dem Verteidigungsministerium unterstehen, sind für die Verteidigung des Landes zuständig, führen aber in Zusammenarbeit mit Einheiten des Innenministeriums auch Einsätze zur Terrorismusbekämpfung sowie interne Sicherheitseinsätze durch. Der Counter-Terrorism Service (CTS) ist direkt dem Premierminister unterstellt und überwacht das Counter-Terrorism Command (CTC), eine Organisation, zu der drei Brigaden von Spezialeinsatzkräften gehören. Die irakischen Streit- und Sicherheitskräfte dürften mittlerweile wieder ca. 100.000 Armee-Angehörige (ohne PMF und Peshmerga) und über 100.000 Polizisten umfassen.
Volksmobilsierungseinheiten (PMF):
Der Name bezeichnet eine Dachorganisation für etwa vierzig bis siebzig Milizen und demzufolge ein loses Bündnis paramilitärischer Formationen. Die PMF werden vom Staat unterstützt und sind landesweit tätig. Die Mehrheit der PMF-Einheiten ist schiitisch, was die Demografie des Landes widerspiegelt. Sunnitische, jesidische, christliche und andere "Minderheiten-Einheiten" der PMF sind in ihren Heimatregionen tätig. Es gibt große, gut ausgerüstete Milizen, quasi militärische Verbände, wie die Badr-Organisation, mit eigenen Vertretern im Parlament, aber auch kleine improvisierte Einheiten mit wenigen Hundert Mitgliedern, wie die Miliz der Schabak. Viele Milizen werden von Nachbarstaaten wie dem Iran oder Saudi-Arabien unterstützt. Die Türkei unterhält in Baschika nördlich von Mosul ein eigenes Ausbildungslager für sunnitische Milizen. Die Milizen haben eine ambivalente Rolle. Einerseits wäre die irakische Armee ohne sie nicht in der Lage gewesen, den IS zu besiegen und Großveranstaltungen wie die Pilgerfahrten nach Kerbala mit jährlich bis zu 20 Millionen Pilgern zu schützen. Andererseits stellen die Milizen einen enormen Machtfaktor mit Eigeninteressen dar, was sich in der gesamten Gesellschaft, der Verwaltung und in der Politik widerspiegelt und zu einem allgemeinen Klima der Korruption und des Nepotismus beiträgt. Die PMF unterstehen seit 2017 formal dem Oberbefehl des irakischen Ministerpräsidenten. Alle PMF-Einheiten sind offiziell dem Nationalen Sicherheitsberater unterstellt. Die Bemühungen der Regierung, die PMF als staatliche Sicherheitsbehörde zu formalisieren, werden fortgesetzt, aber Teile der PMF bleiben "iranisch" ausgerichtet. Das Handeln dieser unterschiedlichen Einheiten stellt zeitweise eine zusätzliche Herausforderungen in Bezug auf die Sicherheitslage dar, insbesondere - aber nicht nur - in ethnisch und religiös gemischten Gebieten des Landes.
Rechtschutz
Das reguläre Strafjustizsystem besteht aus Ermittlungsgerichten, Gerichten der ersten Instanz, Berufungsgerichten, dem Kassationsgerichtshof und der Staatsanwaltschaft. Das Oberste Bundesgericht erfüllt die Funktion eines Verfassungsgerichts. Die Verfassung garantiert die Unabhängigkeit der Justiz. Jedoch schränken bestimmte gesetzliche Bestimmungen und Einflussnahmen die Unabhängigkeit und Unparteilichkeit der Justiz ein. Personal- und Kompetenzmangel wird zuweilen beklagt.
Die Verfassung gibt allen Bürgern das Recht auf einen fairen und öffentlichen Prozess. Dennoch verabsäumen es Beamte vereinzelt, Angeklagte unverzüglich oder detailliert über die gegen sie erhobenen Vorwürfe zu informieren. Beobachter berichteten, dass Verfahren nicht den internationalen Standards entsprechen. Obwohl Ermittlungs-, Prozess- und Berufungsrichter im Allgemeinen versuchen, das Recht auf ein faires Verfahren durchzusetzen, gibt es diesbezüglich Mängel im Verfahren. Urteile ergehen vereinzelt mit überschießend hohen Strafen.
Aufgrund von Misstrauen gegenüber Gerichten oder fehlendem Zugang wenden sich Iraker vereinzelt auch an Stammesinstitutionen, um Streitigkeiten beizulegen, selbst wenn es sich um schwere Verbrechen handelt.
Die Rechtsprechung ist in der Praxis von einem Mangel an kompetenten Richtern, Staatsanwälten sowie Justizbeamten gekennzeichnet. Eine Reihe von Urteilen lassen auf politische Einflussnahme schließen. Hohe Richter werden oftmals auch unter politischen Gesichtspunkten ausgewählt.
Sicherheitslage
Im Dezember 2017 erklärte die irakische Regierung den militärischen Sieg über den Islamischen Staat. Die Sicherheitslage hat sich, seitdem die territoriale Kontrolle des IS gebrochen wurde, verbessert. Vereinzelte, untergetauchte IS-Kämpfer sind jedoch weiterhin in manchen Gebieten für Verbrechen verantwortlich. Ebenso werden vereinzelt Übergriffe seitens schiitischer Milizen verzeichnet. Die allgemeine Kriminalitätsrate ist hoch. Eine systematische Diskriminierung oder Verfolgung religiöser oder ethnischer Minderheiten durch staatliche Behörden findet grds. nicht statt. In der Autonomen Region Kurdistan sind Minderheiten weitgehend vor Gewalt und Verfolgung geschützt.
Wenngleich es zum Teil erhebliche Mängel im Sicherheits- und Rechtschutzsystem gibt, kann nicht davon gesprochen werden, dass für die Bevölkerung generell keine wirksamen Schutzmechanismen vorhanden wären oder, dass dazu kein Zugang möglich wäre. Ansätze zur Abhilfe und zur Professionalisierung entstehen durch internationale Unterstützung: Die Sicherheitssektorreform wird aktiv und umfassend von der internationalen Gemeinschaft unterstützt.
Es ergibt sich auf Grund der aktuellen Berichtslage nicht, dass in der Herkunftsregion der beschwerdeführenden Partei oder im gesamten Irak aktuell eine Lage herrschen würde, die für eine Zivilperson eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit (infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes) mit sich bringen würde.
Es kann auf Grund der aktuellen Berichtslage nicht festgestellt werden, dass derzeit quasi jede Person mit dem Persönlichkeitsprofil der beschwerdeführenden Partei (insbes. ethnische, konfessionelle Zugehörigkeit) im Irak bzw. in der Herkunftsregion einer mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit drohenden Verfolgung aus asylrelevanten Motiven unterliegen würde.
Es kann ebenso nicht festgestellt werden, dass für diese Personen im Irak bzw. in der Herkunftsregion eine allgemeine Sicherheitslage herrschen würde, wonach sie per se einer realen Gefahr einer Gefährdung der persönlichen Unversehrtheit ausgesetzt wären
Sunniten
Ca. 17-22 %, also ca. 6,5 bis 8,4 Millionen der Gesamtbevölkerung sind arabische Sunniten (vorwiegend im Zentral- und Westirak), ca. 15-20 % der Gesamtbevölkerung sind kurdische Sunniten. So wie Schiiten sind auch arabische Sunniten in hohen politischen (zB Parlamentspräsident) und öffentlichen Ämtern vertreten. Ebenso als Beschäftigte bei Polizei, Militär und Gerichten. Sunniten nehmen ebenso am sonstigen gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Leben teil. Es gibt Berichte über vereinzelte Menschenrechtsverletzungen an Sunniten, va. durch schiitische Milizen oder unbekannte Täter. Vor allem Personen die Angehörige der terroristischen Gruppierung IS sind oder im Verdacht stehen solche zu sein oder diese unterstützen, können derart gefährdet sein. Auf Grund der Berichtslage lässt sich nicht schließen, dass dies Teil eines systematischen, quasi jeden Sunniten gleichermaßen treffenden Risikos ist. Sunniten, die in schiitisch dominierten Regionen leben, können gesellschaftliche Diskriminierung in einem moderaten Level erfahren, vor allem in den südlichen Gouvernements. Es handle sich vorwiegend um Diskriminierung am Arbeitsmarkt bzw. um gesellschaftliche Diskriminierung aufgrund von Nepotismus. Schiitische Arbeitgeber würden eher Schiiten einstellen. Generell ist die Zahl von registrierten, sicherheitsrelevanten Vorfällen jedoch seit dem Zeitpunkt als der IS als "vertrieben" gilt, stark rückläufig und regional unterschiedlich.
Eine systematische Verfolgung von Sunniten verneinend auch der VwGH, zB in Ra 2018/14/0354-11 vom 30. April 2019; vgl. auch uva. BVwG v. 07.03.2019, L504 2120407-1 [ein Sunnit namens Omar mit wiederholten Reisen und längeren Aufenthalten (2016-2019) im Irak, vor allem Bagdad, während des laufenden Beschwerdefahrens]).
Aktuelle Versorgungslage
Auf Grund klimatischer Verhältnisse (Wasserknappheit) und zum Teil veralteter Infrastruktur kann die Versorgung mit sauberem Wasser nicht überall gleich gut gewährleistet sein. Berichte, dass das Mindestmaß an lebensnotwendiger Versorgung mit Trinkwasser (zB auch durch Kauf von Trinkwasserflaschen in Geschäften) im Irak nicht möglich oder zugänglich wäre, liegen nicht vor.
Schätzungen des Welternährungsprogramms zufolge benötigen ca. 700.000 Iraker Nahrungsmittelhilfe. Das Sozialsystem wird vom sog. "Public Distribution System" (PDS) dominiert, einem Programm, bei dem die Regierung importierte Lebensmittel kauft, um sie an die Öffentlichkeit zu verteilen. Das PDS ist das wichtigste Sozialhilfeprogramm im Irak, in Bezug auf Flächendeckung und Armutsbekämpfung. Es ist das wichtigste Sicherheitsnetz für Arme. Es sind alle Bürger berechtigt, Lebensmittel im Rahmen von PDS zu erhalten. An der Umsetzung kann es zu Mängeln kommen.
Es kann auf Grund der Berichtslage nicht festgestellt werden, dass aktuell im Irak bzw. in der Herkunftsregion eine derart schlechte Versorgungslage herrschen würde, dass nicht das zur Existenz unbedingt Notwendige erlangbar wäre.
Medizinische Versorgung
Das Gesundheitswesen besteht aus einem privaten und einem öffentlichen Sektor. Ein staatliches Krankenversicherungssystem existiert nicht. Alle irakischen Staatsbürger, die sich als solche ausweisen können, haben Zugang zum Gesundheitssystem. Fast alle Iraker leben etwa eine Stunde vom nächstliegenden Krankenhaus bzw. Gesundheitszentrum entfernt. Die Ärzte und das Krankenhauspersonal gelten generell als qualifiziert.
Bewegungsfreiheit
Die irakische Verfassung und andere nationale Rechtsinstrumente erkennen das Recht aller Bürger auf Freizügigkeit, Reise- und Aufenthaltsfreiheit im ganzen Land an. Die Bewegungsfreiheit verbesserte sich, nachdem die vom IS kontrollierten Gebiete wieder unter staatliche Kontrolle gebracht wurden.
In einigen Fällen beschränken die Behörden die Bewegungsfreiheit von Vertriebenen und verbieten Bewohnern von IDP-Lagern, ohne eine Genehmigung das Lager zu verlassen. Das Gesetz erlaubt es den Sicherheitskräften aus Sicherheitsgründen die Bewegungsfreiheit im Land einzuschränken, Ausgangssperren zu verhängen, Gebiete abzuriegeln und zu durchsuchen. Es gab Berichte, dass Sicherheitskräfte (ISF, Peshmerga, PMF) Bestimmungen, die Aufenthaltsgenehmigungen vorschreiben, um die Einreise von Personen in befreite Gebiete unter ihrer Kontrolle zu beschränken, in der Vergangenheit selektiv umgesetzt haben.
Eine Kontrolle der eigenen Staatsangehörigen findet bei der Ausreise statt. Iraker mit gültigem Reisepass genießen Reisefreiheit und können die Landesgrenzen problemlos passieren.
Die kurdische Autonomieregierung schränkt die Bewegungsfreiheit in den von ihr verwalteten Gebieten ein. Innerirakische Migration aus dem Zentralirak in die Autonome Region Kurdistan ist grundsätzlich möglich. Durch ein Registrierungsverfahren wird der Zuzug jedoch kontrolliert. Wer dauerhaft bleiben möchte, muss sich bei der Asayish-Behörde des jeweiligen Bezirks anmelden. Informationen über die Anzahl der Anträge und Ablehnungen werden nicht veröffentlicht. Die Behörden verlangen von Nicht-Ortsansässigen, Genehmigungen einzuholen, die einen befristeten Aufenthalt in der Autonomieregion erlauben. Diese Genehmigungen waren in der Regel erneuerbar. Bürger, die eine Aufenthaltserlaubnis für die Autonome Region Kurdistan bzw. die von ihr kontrollierten Gebiete einholen wollen, benötigen idR einen in der Region ansässigen Bürgen. Bürger, die aus dem Zentral- oder Südirak in die Autonome Region Kurdistan einreisen (egal welcher ethno-religiösen Gruppe sie angehörten, auch Kurden) müssen aus Sicherheitsgründen Checkpoints passieren und Personen- und Fahrzeugkontrollen werden idR durchgeführt. Die Behörden der Autonomen Region Kurdistan wenden Beschränkungen zuweilen unterschiedlich streng an. Die Wiedereinreise von IDPs und Flüchtlingen wird - je nach ethno-religiösem Hintergrund und Rückkehrgebiet - mehr oder weniger restriktiv gehandhabt. Beamte hindern Personen, die ihrer Meinung nach ein Sicherheitsrisiko darstellen könnten, an der Einreise in die Region. Die Einreise kann für Männer oft schwieriger, insbesondere für arabische Männer, die ohne Familie reisen.
IDPs und Flüchtlinge
Die Zahl der Vertriebenen sinkt stetig; die Zahl der Rückkehrer ist mittlerweile auf 4 Millionen gestiegen. Die Regierung und internationale Organisationen, einschließlich UN-Einrichtungen und NGOs, versuchen, IDPs Schutz und andere Hilfe zu gewähren.
Rückkehr
Die freiwillige Rückkehrbewegung irakischer Flüchtlinge aus anderen Staaten, befindet sich im Vergleich zum Umfang der Rückkehr der Binnenflüchtlinge auf einem deutlich niedrigeren, im Vergleich zu anderen Herkunftsstaaten aber auf einem relativ hohen Niveau. Bei jenen Irakern, welche in Österreich einen Antrag auf internationalen Schutz stellten, Verfolgung behaupteten und während des Beschwerdeverfahrens freiwillig wieder zurückkehrten, handelt es sich überwiegend um arabische Sunniten und Schiiten. Neben Österreich führen auch andere Staaten der EU abgelehnte irakische Staatsangehörige in den Irak zurück.
Dokumente
Identitätsbescheinigende Dokumente die im Irak ausgestellt wurden sind wenig zuverlässig, zumal sie häufig auch auf Grund mangelnder Dokumentation ausgestellt werden.
Jedes irakische Dokument, ob als Totalfälschung oder als echte Urkunde mit unrichtigem Inhalt, ist im Irak gegen Bezahlung zu beschaffen
2. Beweiswürdigung
Das Bundesverwaltungsgericht hat Beweis erhoben durch den Inhalt des vorgelegten Verwaltungsaktes, einschließlich der Beschwerde und dem Ergebnis des ergänzenden Ermittlungsverfahrens.
Einleitend ist anzuführen, dass die im Verfahren aufgenommenen Niederschriften mit den Aussagen der bP vollen Beweis iSd § 15 AVG über den Verlauf und Gegenstand der Amtshandlung bilden und mit diesem Inhalt als zentrales Beweismittel der Beweiswürdigung unterzogen werden können. Die bP trat den Gegenbeweis der Unrichtigkeit des darin bezeugten Vorganges nicht an.
Ad II. 1.1.1. - 1.1.6. Diese Feststellungen ergeben sich aus den diesbezüglich im Wesentlichen gleichbleibenden, plausiblen Angaben der bP, die zum Teil durch Bescheinigungsmittel untermauert wurden. Die amtswegig eingeholten Auskünfte sind aus verlässlichen Quellen und unstreitig geblieben.
Ad II. 1.1.7. Zu den behaupteten ausreisekausalen Geschehnissen / Erlebnissen im Zusammenhang mit staatlichen bzw. nichtstaatlichen Akteuren und der zu erwartenden Rückkehrsituation:
Gerade beim Antrag auf internationalen Schutz kommt der persönlichen Aussage zur eigenen Gefährdungssituation im Herkunftsstaat als Beweismittel und zentralem Punkt in diesem Verfahren besondere Bedeutung zu, handelt es sich doch behauptetermaßen um persönliche Erlebnisse bzw. eigene sinnliche Wahrnehmungen des Antragstellers / der Antragstellerin über die berichtet wird. Diese entziehen sich zumeist - insbesondere auf Grund der faktischen und rechtlichen Ermittlungsschranken der Asylinstanzen - weitgehend einer Überprüfbarkeit und liegen diese idR alleine in der persönlichen Sphäre der bP.
Im Wesentlichen geht es für die Entscheider darum, zu beurteilen, ob es im konkreten Fall glaubhaft ist, dass die diesbezüglichen Aussagen der bP auf einem tatsächlichen persönlichen Erleben beruhen oder ob sich die Partei dabei der Lüge bedient bzw. die Aussagen nicht erlebnisbegründet sind.
Im Allgemeinen erfolgt eine (vorsätzliche) Falschaussage nicht ohne Motiv (vgl. Bender/Nack/Treuer, Tatsachenfeststellung vor Gericht, 4. Auflage, Rz 246ff). Im Verfahren über einen Antrag auf internationalen Schutz kann eine derartige Motivationslage, die den Wahrheitswillen eines Antragstellers/einer Antragstellerin zu beeinflussen geeignet ist, darin liegen, dass sie ihrer Überzeugung nach - uU auch durch Suggestion Dritter beeinflusst - dadurch gesteigerte Erfolgsaussichten erwarten, um den beantragten Status als Asylberechtigter oder als subsidiär Schutzberechtigter und damit einen Aufenthaltstitel samt Zugang zum Arbeitsmarkt und/oder staatlicher Versorgung zu erlangen (sog. "Folgenberücksichtigung", siehe oben zitierte Quelle).
Als Beurteilungskritierien für die Glaubhaftmachung nennt der Verwaltungsgerichtshof beispielsweise:
Bloßes Leugnen oder eine allgemeine Behauptung reicht für eine Glaubhaftmachung nicht aus (VwGH 24.2.1993, 92/03/0011; 1.10.1997, 96/09/0007). Aus dem Wesen der Glaubhaftmachung ergibt sich auch, dass die Ermittlungspflicht der Behörde durch die vorgebrachten Tatsachen und angebotenen Beweise eingeschränkt ist (VwGH 29.3.1990, 89/17/0136; 25.4.1990, 90/08/0067). Ohne entsprechendes Vorbringen des Asylwerbers oder ohne sich aus den Angaben konkret ergebende Anhaltspunkte ist die Behörde / das Bundesverwaltungsgericht nicht verpflichtet jegliche nur denkbaren Lebenssachverhalte ergründen zu müssen (vgl. VwGH 10.8.2018, Ra 2018/20/0314, mwN).
Es ist Aufgabe des Asylwerbers, durch ein in sich stimmiges und widerspruchsfreies Vorbringen, allenfalls durch entsprechende Bescheinigungsmittel untermauert, einen asylrelevanten Sachverhalt glaubhaft zu machen. (VwGH 30. 11. 2000, 2000/01/0356).
Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes kann die Behörde einen Sachverhalt grundsätzlich nur dann als glaubhaft anerkennen, wenn der Asylwerber während des Verfahrens im Wesentlichen gleichbleibende Angaben macht, wenn diese Angaben wahrscheinlich und damit einleuchtend erscheinen und wenn erst sehr spät gemachte Angaben nicht den Schluss aufdrängten, dass sie nur der Asylerlangung um jeden Preis dienen sollten, der Wirklichkeit aber nicht entsprechen. Als glaubhaft könnten Fluchtgründe im Allgemeinen nicht angesehen werden, wenn der Asylwerber die nach seiner Meinung einen Asyltatbestand begründenden Tatsachen im Laufe des Verfahrens unterschiedlich oder sogar widersprüchlich darstellt, wenn seine Angaben mit den der Erfahrung entsprechenden Geschehnisabläufen nicht vereinbar und daher unwahrscheinlich erscheinen oder wenn er maßgebliche Tatsachen erst sehr spät im Laufe des Asylverfahrens vorbringt (vgl. zB. VwGH 6.3.1996, 95/20/0650).
Auch auf die Mitwirkung des Asylwerbers im Verfahren ist bei der Beurteilung der Glaubhaftmachung Bedacht zu nehmen. Wenn es sich um einen der persönlichen Sphäre der Partei zugehörigen Umstand handelt (zB ihre familiäre [VwGH 14.2.2002, 99/18/0199 ua], gesundheitliche [VwSlg 9721 A/1978; VwGH 17.10.2002, 2001/20/0601; 14.6.2005, 2005/02/0043], oder finanzielle [vgl VwGH 15.11.1994, 94/07/0099] Situation), von dem sich die Behörde nicht amtswegig Kenntnis verschaffen kann (vgl auch VwGH 24.10.1980, 1230/78), besteht eine erhöhte Mitwirkungspflicht und Darlegungslast des Asylwerbers (VwGH 18.12.2002, 2002/18/0279).
Wenn Sachverhaltselemente im Ausland ihre Wurzeln haben, ist die Mitwirkungspflicht und Offenlegungspflicht der Partei in dem Maße höher, als die Pflicht der Behörde zur amtswegigen Erforschung des Sachverhaltes wegen des Fehlens der ihr sonst zu Gebote stehenden Ermittlungsmöglichkeiten geringer wird. Tritt in solchen Fällen die Mitwirkungspflicht der Partei in den Vordergrund, so liegt es vornehmlich an ihr, Beweise für die Aufhellung auslandsbezogener Sachverhalte beizuschaffen (VwGH 12.07.1990, Zahl 89/16/0069).
Das BVwG geht auf Grund des Ermittlungsverfahrens davon aus, dass die bP in zentralen Bereichen, wo es um die Ausreise bzw. ausreisekausale Probleme und Rückkehrbefürchtungen geht, keine bzw. geringe Bereitschaft zeigte wahrheitsgemäße Angaben zu machen. Offensichtlich hielt sie es selbst für einen positiven Ausgang des beantragten internationalen Schutzes für abträglich hier den Tatsachen entsprechende Angaben zu machen.
Als besonders gewichtigt wird in diesem Zusammenhang erachtet, dass die bP im Zuge des Verfahrens die Verfolger auswechselte. Waren es ihren Angaben in der Erstbefragung und der folgenden Einvernahme beim Bundesamt die Verfolger immer klar und deutlich Angehörige der IS-Miliz, so waren es in der Verhandlung nunmehr Milizen des Staates bzw. der Regierung, womit die bP offenkundig schiitische Milizen meint, zumal der IS nicht mit dem irakischen Staat kooperiiert bzw. nicht diesem zuzurechnen ist.
Diesbezüglicher Auszug aus der Verhandlungsschrift:
"[...]
"Seit Ihrer Ausreise aus Ihrem Heimatland ist nun schon einige Zeit vergangen. Würden sie aus heutiger Sicht bei einer Rückkehr an Ihren früheren Wohnort XXXX noch Probleme erwarten? Wenn ja, geben Sie bitte konkret und vollständig alle Probleme an, die Sie persönlich für sich bei einer Rückkehr erwarten würden.
Es gibt ein allgemeines Problem, aber das werde ich beiseite lassen. Ich will nicht über die Infrastruktur und die allgemeinen Probleme sprechen. Ich bin nach wie vor bedroht durch Milizen und durch Leute, die ich nicht kenne.
Durch welche Milizen und warum sind Sie durch diese noch immer bedroht?
Mir unbekannt, weil die sind zu mir maskiert, vermummt, gekommen, aber ich vermute vom Staat, also von der Regierung.
Wie würde sich die Situation gestalten, wenn sie an den Ort zurückkehre, wo Ihre Familie seit einiger Zeit lebt?
Auch eine gefährliche Lage, weil die, die mich bedrohen, sie sind mir unbekannt, weil ich Sunnit bin.
Ihre Familienangehörigen sind aber auch Sunniten und leben dort?
Ich bin ein junger Mann, die Familienmitglieder die dort sind, sind älter, meine Mutter ist krank. Die Drohung wurde an mich gerichtet.
[...]"
Die sich hier abzeichnende Bereitschaft der bP zu Falschaussagen ist auch geeignet bei der Beurteilung der anderen antragsbegründenden Aussagen im Hinblick Glaubhaftigkeit einzufließen bzw. Berücksichtigung zu finden (vlg. Bender/Nack/Treuer, Tatsachenfeststellung vor Gericht, 4. Auflage, S53).
Außer Streit steht, dass XXXX , wie andere Teile des Irak, vom Terror des IS betroffen war. Jedoch ist aktuell eine Gefährdung der Zivilbevölkerung durch diese Miliz im gesamten Irak nicht mehr dergestalt gegeben und gilt sie im Wesentlichen als besiegt.
Die verfahrensgegenständlichen Statistiken zeigen besonders, dass sich die Zahl von sicherheitsrelevanten Vorfällen insgesamt seit der Ausreise der bP ganz gravierend reduzierte.
Die bP vermochte in der Verhandlung nicht konkret und mit Substanz darlegen, warum es gerade ihr nicht zumutbar sein sollte dort zu wohnen, wo auch ihre Familienangehörigen seit Jahren unverfolgt und in der Lage die Existenz zu sichern leben.
Durch ihre widersprüchlichen Angaben zu ihren Verfolgern vermochte sie nicht glaubhaft machen, dass sie verfolgt ausgereist ist. Eine aktuelle Gruppenverfolgung von Sunniten kann der Berichtslage nicht entnommen werden und widerspricht schon die Schilderung über das Leben der Familienangehörigen einer solchen Annahme.
Bei der bP handelt es sich um einen erwerbsfähigen Mann mit guter Ausbildung und verfügt er am zugewiesenen Aufenthaltsort auch über Familiengehörige samt Unterkunft und könnten diese auch, sofern erforderlich, vor dortigen Behörden für ihn einstehen. Die bP könnte auch durch die österreichischen Asylunterlagen nachweisen wo er sich für welche Zwecke seit 2015 aufgehalten hat. Dass es durch die Stellung eines Asylantrages im Ausland im Falle der Rückkehr in den Irak zu relevanten Repressalien käme, wurde nicht behauptet und entspricht auch nicht dem Amtswissen.
Hinsichtlich des Videos, welches im Wesentlichen den Anlass für die Behebung der Entscheidung durch den Verwaltungsgerichtshof gab, ist Folgendes anzuführen:
Trotz Stellung eines Fristantrages wirkte die bP in Bezug auf die Verschaffung von Erkenntnissen über das Video nicht bzw. nicht hinreichend mit. Das BVwG versuchte zur Vorbereitung der Verhandlung vorweg Informationen über den Inhalt des Videos und deren Erlangung zu erfahren, was von der bP jedoch schlichtweg verweigert wurde. Zuerst wurde vorgeschoben, dass dies mangels beim Rechtsfreund vorhandenem Dolmetscher nicht möglich gewesen sei, obwohl Asylwerbern und sicher auch Rechtsanwälten bekannt sein muss, dass man sich zwecks Dolmetscherdienste auch an den durch Verfahrensanordnung des BFA für das Beschwerdeverfahren beigestellten Rechtsberater wenden kann. Selbst über nochmalige Aufforderung wurden wesentliche Fragen zum Video abermals nicht beantwortet.
Der Grund dieser "Zurückhaltung" der bP, vor der Verhandlung schon Auskünfte zu erteilen, zeigt sich für das BVwG nach der Verhandlung an sich klar. Das Verwaltungsgericht erachtet den Inhalt des Videos als nicht geeignet eine aktuelle oder schon zum Zeitpunkt der Ausreise bestehende Verfolgungsgefahr darzulegen. Der Wahrheitsgehalt des Inhaltes lässt auch erhebliche Zweifel aufkommen.
Aus dem Video ergibt sich, dass darin mehrere zerstörte Häuser zu sehen sind und eine Stimme (die Person ist nicht zu sehen) auf arabisch sagt, dass das die Wohnung des " XXXX " ist, welches gesprengt wurde. Er wurde vertrieben und verfolgt. Die Person wiederholt nochmals, dass das die Wohnung der bP ist und dass sie vom IS verfolgt wird.
In der Verhandlung wurde versucht zu erhellen wer dieses Video aus welchem Motiv aufgenommen hat und woher diese Person weiß, dass die bP vom IS verfolgt wird. Die diesbezüglichen Antworten der bP waren sehr ausweichend und wenig konkret. Die bP versuchte hier nach Ansicht des Gerichtes nähere Umstände zu verschleiern. Offensichtlich hielt sie es für die Erfolgsaussichten des Verfahrens für abträglich hier konkrete, wahrheitsgemäße und vollständige Angaben zu machen.
Nachweise wie sie in den Besitz des Videos gelangt ist blieb sie trotz schriftlicher Nachfrage im Beschwerdeverfahren begründungslos schuldig.
Angaben zum Hersteller des Videos und zum Herstellungszeitpunkt waren widersprüchlich.
So gab sie beim Bundesamt an, dass das Video von einem Freund Namens XXXX aufgenommen wurde (AS 145). In der Verhandlung gab die bP auf Nachfrage dazu jedoch an, dass sie sich nicht an den Namen des Herstellers erinnern könne, sie wisse diesen nicht.
Zum Herstellungszeitpunkt des Videos gab sie beim Bundesamt am 31.08.2016 an, dass dieses vom besagten Freund "vor ca. 5 Monaten" aufgenommen wurde, also wäre dies jedenfalls 2016 gewesen. Bei der Verhandlung gab sie dazu an, dass dies 2014 oder 2015 gewesen sei.
Einerseits verneinte die bP in der Verhandlung die Frage ob sie dieses Video in Auftrag gegeben habe, auf der anderen Seite vermochte sie nicht plausibel machen, warum der Hersteller dieses Video machte und der bP schickte.
Ebenso vermochte sie nicht plausibel machen, woher der Hersteller und Sprecher auf dem Video weiß, dass die bP vom IS gesucht wird.
Resümierend geht das BVwG davon aus, dass es sich hier zweifelsfrei um ein von der bP in Auftrag gegebenes Video handelt, in der sie den Inhalt vorgab, welcher jedoch, wie obige Ausführungen deutlich aufzeigen, so nicht glaubhaft ist.
Abgesehen davon, wäre dieses Video auch bei inhaltlicher Unbedenklichkeit angesichts der zwischenzeitigen Vertreibung des IS aus aktueller Sicht nicht geeignet eine entscheidungsrelevante aktuelle Gefährdung der bP zu begründen.
Das BVwG konnte sich in der Verhandlung zur Beurteilung der Glaubhaftigkeit der Aussagen der beschwerdeführenden Partei zum Ausreisegrund einen persönlichen Eindruck und damit von ihrem verbalen sowie nonverbalen Verhalten und vom Inhalt ihrer Aussagen, als die wesentlichen Entscheidungskriterien der Glaubhaftigkeitsbeurteilung, Kenntnis verschaffen.
Dabei fiel auf, dass sich das verbale und nonverbale Verhalten der Partei, als sie von ihren vorgeblich persönlich so erlebten und als ausreisekausal bezeichneten Geschehnissen und ihrer Rückkehrbefürchtung erzählte, nicht merkbar von ihrem Basis- bzw. Referenzverhalten in unkritischen Aussagepassagen unterschied. Sowohl hinsichtlich Lautstärke der Aussage als auch in Bezug auf ihre nonverbale Kommunikation waren auch unter Berücksichtigung allfälliger kultureller Unterschiede keine merkbaren Abweichungen erkennbar.
Resümierend ist somit festzuhalten, dass es nicht glaubhaft ist, dass die beschwerdeführende Partei das als ausreisekausal bezeichnete Geschehen tatsächlich persönlich, so wie von ihr geschildert, erlebt hat bzw. noch immer eine Gefährdung bestehen soll.
Hier ist auch durchaus ein Motiv für die persönliche Tendenz zur Lüge in jenen Bereichen, die der Antragsbegründung bzw. dem Verbleib im Bundesgebiet dienen, erkennbar. Zum einen ist der äußere Einfluss (idR in der Intensität einer im Rahmen eines solchen, erst zu ermittelnden Sachverhaltes aussage- bzw. einvernahmepsychologisch an sich verpönten Suggestion, die die Ermittlung des "wahren Sachverhaltes" erschwert) im Asylverfahren durch Schlepper, gesetzliche Belehrungen über Tatbestandsvoraussetzungen zur Erlangung eines Status und (Rechts)Beratungssystem in notorisch bekannter Weise zuweilen derart ausgeprägt, dass Antragsteller geneigt sind, ihre persönliche Ausreisemotivation, die der allgemeinen Lebenserfahrung nach oftmals doch nur im Wunsch der Erlangung eines Aufenthaltsrechtes und/oder wirtschaftliche Verbesserung liegt, was sie idR mangels hinreichender Qualifikationen im Rahmen einer legalen Zuwanderung nicht erlangen können. Das Motiv, dann, wenn man eigentlich nur asylfremde Ausreisegründe hat, eigenes diesbezügliches Vorbringen an die (mitgeteilten/suggerierten) Tatbestandsvoraussetzungen anzupassen, liegt auf der Hand. Zudem besteht idR keine Gefahr, dass sich die bP wegen e