Entscheidungsdatum
19.08.2019Norm
AsylG 2005 §10 Abs1 Z3Spruch
L504 2214189-1/8E
IM NAMEN DER REPUBLIK!
Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Mag. R. ENGEL als Einzelrichter über die Beschwerde von XXXX , XXXX geb., StA. Türkei, vertreten durch ARGE Rechtsberatung, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 18.01.2019, Zl. XXXX , zu Recht erkannt:
A) Die Beschwerde wird unbegründet abgewiesen.
B) Die Revision ist gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.
Text
ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:
I. Verfahrenshergang
Die beschwerdeführende Partei [bP] stellte am 22.07.2018 einen Antrag auf internationalen Schutz.
Es handelt sich dabei um einen Mann, welcher seinen Angaben nach Staatsangehöriger der Türkei mit muslimischen Glaubensbekenntnis ist, der Volksgruppe der Kurden angehört und aus XXXX stammt.
Aus dem unbestritten gebliebenen Verfahrensgang des angefochtenen Bescheides ergibt sich Folgendes:
"[...]
- Es liegt ein Eurodac-Treffer, Ihre Person betreffend, vor. Nach Abgleich der übermittelten Fingerabdrücke im AFIS wurde folgendes Ergebnis erzielt: Sie haben am 11.01.2018 in Griechenland illegal die EU-Außengrenzen überschritten. Nach Ihren eigenen Angaben im Verfahrensverlauf hielten Sie sich rund sechseinhalb Monate in Griechenland auf.
- Sie sind an einem unbekannten Datum illegal nach Österreich eingereist.
- Am 22.07.2018 stellten Sie in Österreich einen Antrag auf internationalen Schutz und gaben an, den Namen XXXX zu tragen und am XXXX in der Provinz XXXX in der Türkei geboren worden zu sein. Sie wurden am selben Tag durch ein Organ des öffentlichen Sicherheitsdienstes der Polizeiinspektion Fremdenpolizei der Einsatz-, Grenz- und Fremdenpolizeilichen Abteilung (EGFA) Kärnten in Klagenfurt am Wörtersee erstbefragt. Sie gaben in dieser Befragung im Wesentlichen Folgendes zu Protokoll:
[...]
4. Angaben über mitgereiste Familienangehörige nach Österreich
4.1 Angaben über weitere Familienangehörige im Herkunftsland oder anderem Drittstaat:
(Eltern, Ehegatten, Kinder, Geschwister *, Name, Vorname, GebDatum, / Keine)
Vater: XXXX , ca. 68 Jahre
Mutter: XXXX , ca. 60 Jahre
Brüder: Ramazan 38 Jahre, Mehmet 33 Jahre, Ahmed 30 Jahre, Ferhat 23 Jahre,
Schwestern: Shirin 41 Jahre, Bahar 27 Jahre, Leyla 25 Jahre, Zeynep 21 Jahre, Esra 19 Jahre
5. Angaben über Familienangehörige in Österreich oder einem EU-Staat mit Status:
(Asylwerber, Aufenthaltsberechtigung, Visum, etc)
(Eltern, Ehegatten, Kinder, Geschwister *, Name, Vorname, GebDatum, / Keine/ Status)
Schweiz: Cousin: Mesut XXXX ca. 38 Jahre
Deutschland: Cousin XXXX 21 Jahre
6. Angaben zur Wohnsitzadresse im Herkunftsland: Anschrift (Ort, Straße)
XXXX
[...]
9.1 Wann haben Sie den Entschluss zur Ausreise aus Ihrem Herkunftsstaat gefasst?
Im Jänner 2018
9.2 Hatten Sie anlässlich Ihres Verlassens des Herkunftsstaates ein bestimmtes Reiseziel (Zielland)?
Deutschland
9.2.1 Falls ja, welches und warum wollten Sie dieses bestimmte Land erreichen?
Deutschland, weil ich dort Bekannte habe.
9.3 Wann und womit haben Sie ihre/n Heimat/Herkunftsstaat/Aufenthalts verlassen?
Abreise aus Wohnort: Jänner 2018
- Ausreise aus Herkunftsstaat: Jänner 2018
9.4 Sind Sie legal oder illegal aus Ihrer/m Heimat/Herkunftsland ausgereist?
Illegal
9.5 Hatten Sie je ein Reisedokument oder sonstigen Identitätsnachweis?
Nein
9.5.2 Können Sie sich Dokumentkopien oder -originale beschaffen?
Nein
9.5.3 Reisten Sie mit einem Reisedokument aus?
x ja x nein
9.6 Geben Sie die konkrete Reiseroute mit Nennung der durchreisten Staaten von ihrer Heimat bis nach Österreich (chronologisch) an:
Tabelle kann nicht abgebildet werden
9.6.1 Was können Sie noch über den Aufenthalt in diesen durchgereisten EU-Ländern angeben:
Ich kann über den Aufenthalt der durchgereisten Länder nichts sagen, da ich oft nicht genau gewusst habe wo ich bin.
9.7. Haben Sie in einem dieser Länder oder in einem anderen Land um Asyl angesucht:
Nein
9.9 Haben Sie jetzt ein bestimmtes Reiseziel (Zielland)? Wenn ja, welches:
Deutschland
9.9.1 Wenn ja: warum wollen Sie dieses bestimmte Land erreichen?
Weil ich dort Bekannte habe.
11. Warum haben Sie ihr Land verlassen (Fluchtgrund): (Die Befragung ist durch den Antragsteller in eigenen Worten abschließend zu beantworten, ohne zu hinterfragen [Wer, Wann, Was, Wo, Wie, Wieso])
Weil ich als Kurde politisch verfolgt werde.
11.1 Was befürchten Sie bei einer Rückkehr in Ihre Heimat?
Ich werde eingesperrt und habe Angst um mein Leben.
11.2. Gibt es konkrete Hinweise, dass Ihnen bei Rückkehr unmenschliche Behandlung,
unmenschliche Strafe oder die Todesstrafe drohen?
Hätten Sie im Falle Ihrer Rückkehr in Ihren Heimatstaat mit irgendwelchen Sanktionen zu rechnen?
Wenn ja, welche?
Ich wurde in der Türkei bereits im Gefängnis gefoltert und schwer verletzt und bin psychisch angeschlagen.
Die aufgenommene Niederschrift wurde mir in einer für mich verständlichen Sprache rückübersetzt.
Haben Sie Ergänzungen / Korrekturen zu machen?
x ja x nein - Wenn ja, welche?
1996 war ich mit 14 Jahren für ein Jahr im Gefängnis
2006 war ich 6 1/2 Jahre im Gefängnis
Nun bin ich frei, wurde aber für 10 Jahre verurteilt.
Ich musste mich dazwischen auch wöchentlich bei der Polizei melden.
Aufgrund dessen habe ich mich entschlossen das Land zu verlassen.
Ich musste deshalb ins Gefängnis, da ich mich politisch für die PKK engagiert und für diese Werbung gemacht habe. Gekämpft habe ich aber nie für sie.
Haben sie alles verstanden?
x ja x nein
- Ich bestätige die Übernahme einer Kopie der Erstbefragung
- Bei Ihrer niederschriftlichen Einvernahme im Rahmen Ihres Zulassungsverfahrens zu Ihrem Antrag auf internationalen Schutz am 07.08.2018 vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (im Folgenden BFA), Erstaufnahmestelle West, in St. Georgen im Attergau gaben Sie, im Beisein eines Dolmetschers der Sprache Türkisch, vor einem Organwalter des BFA im Wesentlichen Folgendes zu Protokoll:
[...]
F: Fühlen Sie sich körperlich und geistig in der Lage, die Einvernahme durchzuführen?
A: Ja
F: Sind Sie, krank, pflegebedürftig oder ansonsten von jemandem abhängig?
A: Ich habe mit meinem Bein Probleme, welches ich mir gebrochen hatte und nicht gut abgeheilt ist. Die passierte 2012 und ich wurde das letzte Mal 2014 deswegen behandelt. Sie wollten mich operieren, allerdings bestand das Problem, dass ich nach der OP ein Invalide wäre, weshalb ich die OP nicht machen ließ. Befunde habe ich diesbezüglich keine, da es mir im Gefängnis passierte.
[...]
F: Sie wurden zu diesem Antrag auf int. Schutz bereits am 22.07.2018 durch die PI XXXX erstbefragt. Entsprechen die dabei von Ihnen gemachten Angaben der Wahrheit bzw. möchten Sie dazu noch Korrekturen oder Ergänzungen anführen?
A: Ich habe alles erzählt und es gibt nichts mehr hinzuzufügen.
F: Haben Sie Familienangehörige in der Heimat?
A: Ja, meine Eltern und 9 Geschwister.
Vater: XXXX
Mutter: XXXX
Schwestern: XXXX
Brüder: XXXX
Alle wohnhaft in der Provinz XXXX
F: Haben Sie in Österreich, im Bereich der EU, in Norwegen oder in Island Verwandte, zu denen ein finanzielles Abhängigkeitsverhältnis bzw. eine besonders enge Beziehung besteht?
A: Ich habe einen Cousin, welcher in der Schweiz einen Aufenthaltstitel in der Schweiz hat. Ich werde nicht von Ihm unterstützt aber wir telefonieren zwischen ein und zwei Mal in der Woche. Der Cousin heißt Mesut XXXX .
Ich habe auch einen Freund der Familie, welcher in der Schweiz wohnt , den ich schon seit meiner Geburt kenne, welcher mich finanziell unterstützen wird. Ich warte auf das Geld, welches er mir zugesagt hat. Er heißt Necmettin XXXX .
Auch in Wien habe ich einen Freund, welcher mir finanzielle Unterstützung zugesagt hat, sofern ich Sie benötige. Er ist ebenfalls ein Freund der Familie und heißt XXXX
Aufforderung: Führen Sie alle Gründe und Vorfälle an, welche Sie zum Verlassen Ihres Heimatlandes veranlasst haben! Sie werden darauf hingewiesen, dass falsche Angaben die Glaubwürdigkeit Ihres Vorbringens beeinträchtigen können. Sollten Sie zu irgendeinem Zeitpunkt vor österreichischen Behörden falsche Angaben gemacht haben oder sollte es zu sonstigen Ungereimtheiten gekommen sein, so werden Sie aufgefordert, dies jetzt bekannt zu geben.
Soweit Sie auf Ereignisse Bezug nehmen, werden Sie auch aufgefordert, den Ort und die Zeit zu nennen, wann diese stattfanden und die Personen zu benennen, die daran beteiligt waren. Warum verließen Sie Ihr Heimatland? Erzählen Sie unter Anführung von Fakten, Daten und Ihnen wichtig scheinenden Ereignissen.
A: Begonnen hat alles damit, als ich mit 16 Jahren das erste Mal zu einer Haftstrafe, wegen politischen Gründen (unterstützen der DDP durch Zeitungen und Zeitschriften verteilen Propaganda, Meinungsfreiheit) verurteilt wurde. Ich saß damals ein Jahr im Gefängnis. Im Jahr 2006 war ich wieder 6 Monate in Haft aus denselben Gründen. Ich war 5 bis 6 Monate draußen und wurde erneut aus pol. Gründen verhaftet. Ich wurde zu 8,5 Jahren unbedingter Freiheitsstrafe verurteilt. 6,5 Jahre davon habe ich verbüßt, die letzten 3 Jahre wurde ich mit gelinderem Mittel entlassen. Ich musste mich jeden Tag beim Polizeiposten melden und gemeinnützige Arbeit leisten. Das Verfahren vom Jahr 2006 war noch nicht abgeschlossen und mir droht eine Haftstrafe von weiteren 10 Jahren. Mein Rechtsanwalt hatte drei Mal Berufung eingelegt und mir zur Flucht geraten. Da ich keine Rechtsmittel mehr erheben konnte und mir mindestens weitere 6 Jahre in Haft drohten bin ich geflüchtet.
F: Haben Sie alle Fluchtgründe genannt?
A: Nein, ich bin geflohen, da ich mein Leben nicht mehr in Ruhe fortführen konnte. Die Polizei belästigte mich zu Hause. Ich bekam auch Drohanrufe als ich in der Türkei war. Ich hatte mit den Behörden auch Probleme, weil ich nur Türkisch mit ihnen sprechen durfte.
Anm: Aw legt diverse Schriftstücke vor Beilage 1; nach Rücksprache mit der DM handelt es sich hierbei um Urteilsschriften des Schwurgerichts XXXX in welchem die Enthaftung des AW betitelt wird, das Schriftstück handelt vom 19.09.2006 (Verhaftung fand am 21.03.2006), Angeklagt wurde der AW bezüglich Teilnahme bei der PKK welche in Verbindung mit XXXX ) Das vorgelegte Schreiben wurde am XXXX 2017 ausgefolgt.
F: Haben Sie weitere Beweismittel?
A: Die habe ich im Lager vergessen. Es handelt sich dabei um die Haftstrafe 2007 von 6,5 Jahren.
F: Haben Sie Beweismittel, welche Ihre aktuelle Anklage, welche Sie zu Ihrer Flucht bewegte, beweist?
A: Nein, da ich glaube, dass das Verfahren noch nicht abgeschlossen ist.
F: Besitzen Sie eine Anklageschrift hinsichtlich des aktuellen Verfahrens gegen Sie?
A: Mein Anwalt sagte mir, dass diese Anklageschrift von 2006 reicht. Das aktuelle Schreiben von 2018 gibt es noch nicht.
F: Hatten Sie wegen Ihrer Religion in Ihrem Herkunftsstaat je Probleme?
A: Nein
F: Hatten Sie in Ihrem Herkunftsstaat wegen Ihrer Volksgruppenzugehörigkeit Probleme?
A: Ja, wir sind wegen der derzeitigen Regierung geflüchtet, weil Erdogan an der Spitze ist und wir verfolgt werden.
F: Waren Sie politisch aktiv, oder Parteimitglied?
A: Ja, ich war Mal Mitglied in der DDP, aber ich scheine nicht mehr auf.
F: Hatten Sie je Probleme mit der Polizei oder Behörden, Institutionen, Organisationen, Privatpersonen, Ihres Heimatlandes? Ausgenommen das nunmehr Gesagte!
A: Nein nur das Gesagte.
F: Haben Sie den Dolmetscher während der gesamten Einvernahme einwandfrei verstanden?
A: Ja.
F: Hat der Dolmetsch das rückübersetzt, was Sie gesagt haben?
A: Ja.
Die Niederschrift wurde mir rückübersetzt. Der Inhalt ist richtig und ich bestätige dies mit meiner Unterschrift. Ich bestätige auch mit meiner Unterschrift, dass ich eine Kopie der Niederschrift erhalten habe.
- Nach Zulassung Ihres Verfahrens am 07.08.2018 wurden Sie am 12.11.2018 durch eine zur Entscheidung berufene Organwalterin des Bundesamtes für Fremdwesen und Asyl, Regionaldirektion Niederösterreich, im Beisein eines Dolmetschers der Sprache Kurdisch, niederschriftlich einvernommen. Es folgen die entscheidungs-relevanten Auszüge aus dieser Einvernahme:
[...]
LA: Fühlen Sie sich psychisch und physisch in der Lage, die gestellten Fragen wahrheitsgemäß zu beantworten?
VP: Ja, ich bin gesund.
LA: Sind Sie in ärztlicher Behandlung, nehmen Sie irgendwelche Medikamente?
VP: Nein, weder noch.
LA: Wie gut verstehen Sie den anwesenden Dolmetscher?
[...]
LA: Haben Sie im Verfahren bis dato der Wahrheit entsprechende Angaben gemacht?
VP: Ja, habe ich.
LA: Wurden Ihnen Ihre Angaben jeweils rückübersetzt und korrekt protokolliert?
VP: Ja, es wurde rückübersetzt und korrekt protokolliert.
LA: Sind Sie damit einverstanden, dass wir in Ihrem Herkunftsstaat Erhebungen unter Verwendung Ihrer personenbezogenen Daten durchführen, wobei diese jedenfalls nicht an staatliche Stellen weitergegeben werden?
VP: Ja, bin ich.
LA: Können Sie irgendwelche Dokumente oder andere Beweismittel vorlegen?
VP: Nein.
LA: Hatten Sie jemals ein Reisedokument?
VP: Nein.
LA: Welche sonstigen Dokumente, die Ihre Identität bestätigen (z. B. Personalausweis), können Sie der Behörde vorlegen? Wo befinden sich die Originale dieser Dokumente?
VP: Ich hatte einen Personalausweis. Als ich nach Österreich kam, ist er unterwegs verloren gegangen. Er war im Rucksack drinnen und als ich über die Berge ging, ist er verloren gegangen. Es war in der Nacht, der Reisverschluss war offen. Nachgefragt habe ich dabei auch meine Geldbörse mit 400 Euro verloren; das ist in Albanien passiert.
LA: Sie haben im Rahmen der Einvernahme zu Ihrer Zulassung bezüglich Ihres Antrages auf internationalen Schutz diese Dokumente am 07.08.2018 vorgelegt bzw. kurz danach eingebracht (Anmerkung: Dem AW wird eine Kopie dieser vorgelegten Dokumente ausgefolgt): Worum handelt es sich bei diesen Dokumenten?
VP: Das sind beides Dokumente vom türkischen Gericht. Sie haben mich festgenommen und beschuldigt, bei der PKK ein Mitglied zu sein.
LA: Von welchem Jahr stammen diese Dokumente?
VP: Aus dem Jahr 2006 und dem Jahr 2007. In einem Fall habe ich sechseinhalb Jahre gesessen. Beim zweiten Verfahren bin ich sechs Monate gesessen, aber das Verfahren läuft noch - ist nicht abgeschlossen. Die türkische Polizei hat mich erstmals 1998 festgenommen - ich war damals 15 Jahre alt. Das war in meinem Heimatort XXXX . Ich war ein Jahr im Gefängnis. Das zweite Mal wurde ich 2006 in XXXX festgenommen und war sechs Monate im Gefängnis, aber das Verfahren dauert noch und ist noch nicht abgeschlossen, da die Staatsanwaltschaft will, dass ich 10 Jahre bekomme. 2007 wurde ich in der Provinzstadt XXXX verhaftet - ich habe dort gewohnt und wurde von zu Hause abgeholt und festgenommen. Damals wurde ich zu achteinhalb Jahren Gefängnis bestraft. Ein Jahr war ich in XXXX in Gefängnis, danach haben sie mich in die Stadt Konya XXXX in ein anderes Gefängnis gebracht. Dort war ich viereinhalb Jahre lang.
LA: Wann wurden Sie zuletzt freigelassen?
VP: Das war 2014. Aber ich war immer unter Beobachtung. Die Polizei hat mich überwacht.
LA: Wie haben Sie das bemerkt?
VP: Ich wurde immer wieder kontrolliert - die Polizei wollte immer meinen Ausweis sehen.
LA: Wie oft wurden Sie kontrolliert?
VP: Sehr oft - manchmal zweimal am Tag, manchmal einmal in der Woche.
LA: Wo haben Sie nach 2014 gelebt?
VP: In der Provinzhauptstadt XXXX in einem Viertel, wo nur Kurden leben. Nachgefragt war das in der Strasse XXXX , im Viertel XXXX in der Stadt XXXX - bei meinen Eltern und Geschwistern. Ich möchte noch etwas sagen: Als ich noch ein Kind und 12 Jahre alt war, haben Soldaten unser Dorf angezündet, danach bin ich mit meiner Familie nach XXXX geflüchtet, aber dort haben sie uns auch nicht in Ruhe gelassen.
LA: Wo befinden sich die Originale der von Ihnen vorgelegten Dokumente?
VP: Ich habe die Originale bei mir. Ich habe sie von meinem Anwalt bekommen. Mein Bruder war aktiver PKK Kämpfer und ist 1993 bis 1996 auf die Berge gegangen. Er wurde von türkischen Soldaten 1996 getötet, danach wurde unser Haus angezündet und wir sind nach XXXX geflüchtet.
Anmerkung: Der AW folgt der Behörde die Originale beider Dokumente aus.
LA: Warum habe Sie diese Dokumente nicht schon bei Ihrer Erstbefragung in der PI XXXX am 22.07.2018 vorgelegt?
VP: Ich hatte sie nicht mit. Ich habe sie erst später vom Anwalt per Post bekommen. Nachgefragt heißt mein Anwalt XXXX und lebt in XXXX .
LA: Wie heißen Sie und wann und wo wurden Sie geboren?
VP: Ich heiße XXXX . Ich wurde XXXX in der Türkei geboren (Anmerkung: Der AW blickt auf seine weiße Aufenthaltsberechtigungskarte, um sein Geburtsdatum zu korrigieren.) Ich korrigiere, ich wurde am XXXX geboren, und zwar in der Provinz XXXX , im Bezirk XXXX , im Dorf XXXX .
LA: Welche Staatsangehörigkeit haben Sie?
VP: Die türkische Staatsangehörigkeit.
LA: Welcher Volksgruppe und welcher Religionsgemeinschaft gehören Sie an?
VP: Ich gehöre der Volksgruppe der Kurden an und bin ohne Bekenntnis. Nachgefragt war ich immer schon ohne Bekenntnis.
LA: Haben Sie in Österreich, im Bereich der EU (Deutschland, Frankreich etc.), Norwegen, Schweiz oder in Island Verwandte oder Bekannte, zu denen ein finanzielles Abhängigkeitsverhältnis oder eine besonders enge Bindung besteht?
VP: Ich habe Cousins in Deutschland und in der Schweiz. Sie heißen Nemedin XXXX und Mesut XXXX in der Schweiz und Ahmet XXXX sowie Valat XXXX . Ich habe aber kein Abhängigkeitsverhältnis bzw. keine besonders enge Bindung zu ihnen. Wir haben nur telefonisch Kontakt - und zwar ein- bis zweimal in der Woche.
LA: Werden Sie von irgendjemanden - Bekannten oder Verwandten - zurzeit finanziell unterstützt?
VP: Nein, ich bin in der Grundversorgung.
LA: Sind Sie verheiratet?
VP: Nein.
LA: Haben Sie Kinder?
VP: Nein.
LA: Haben Sie Familienangehörige in der Heimat? Wen?
VP: Meine Eltern und meine neun Geschwister: Ich habe fünf Schwestern und vier Brüder. Meine Mutter heißt XXXX (ca. 70 Jahre alt) und mein Vater XXXX (ca. 60 Jahre alt). Meine Schwestern heißen XXXX - sie ist verheiratet und hat einen anderen Familiennamen und ist ca. 40 J. alt, ebenso wie XXXX (ca. 25 J.), Außerdem noch XXXX (ca. 27), XXXX (ca. 20) und XXXX (ca. 17 J.). Diese drei Schwestern von mir sind nicht verheiratet. Sie leben noch bei meinen Eltern. Meine Brüder heißen XXXX (ca. 38 J.), XXXX (ca. 33 J.) XXXX (ca. 30 J.), XXXX (ca. 24 J.). Mein Bruder XXXX wurde 1996 von türkischen Soldaten ermordet. Er war vier Jahre älter als ich. Alle meine Brüder leben in XXXX . Nur XXXX wohnt nicht bei meinen Eltern, alle anderen schon. Ich habe zuletzt auch bei meinen Eltern gelebt.
LA: Wovon bestreiten Ihre Angehörigen den Lebensunterhalt?
VP: Drei meiner Brüder arbeiten als Maler, einer macht Reinigungsarbeiten/ ist Straßenkehrer. Mein Vater arbeitet als Nachtportier und meine Mutter ist Hausfrau.
LA: Wie ist Ihr Verhältnis zu Ihren Angehörigen?
VP: Wir haben ein gutes Verhältnis.
LA: Haben Sie noch Kontakt ins Heimatland? (telefonisch, e-mail, postalisch, etc.)
VP: Wir haben täglich am Telefon Kontakt miteinander.
Pause (10:10 Uhr bis 10:20 Uhr)
LA: Wo leben Sie derzeit in Österreich?
VP: In XXXX in einer Flüchtlingsunterkunft.
LA: Kennen Sie XXXX ? Seit wann?
VP: Ja, wir sind gemeinsam nach Österreich gekommen. Ich habe ihn unterwegs in Albanien kennengelernt. Das ist ca. 6 Monate her.
LA: Bitte schildern Sie mir einen typischen Tagesablauf in Österreich.
VP: Ich stehe in der Früh auf und lerne via Internet/ Youtube zwei bis drei Stunden am Tag Deutsch. Danach gehe ich spazieren - ein- oder zwei Stunden. Dann bereite ich das Essen vor und mache sauber.
LA: Wie gut würden Sie Ihre Deutschkenntnisse beschreiben?
VP: Ich kann nur ein wenig Deutsch, also z. B. wie geht es dir fragen.
LA: Besuchen Sie in Österreich Kurse (z.B. Deutschkurs) oder machen Sie Ausbildungen?
VP: Letzte Woche hat in XXXX ein Deutschkurs begonnen, ca. 15 min zu Fuß von meiner Unterkunft. Nachgefragt mache ich sonst keine anderen Ausbildungen.
LA: Sind Sie Mitglied in einem Verein, oder einer Organisation hier in Österreich?
VP: Nein.
LA: Haben Sie österreichische Freunde oder sonstige soziale Kontakte zu Österreichern?
VP: Ein Freund von mir lebt seit sieben Jahren in Österreich und studiert hier. XXXX hat mich heute hierher begleitet. Ich weiß nicht, ob er schon Österreicher ist. Nachgefragt habe ich keinen näheren Kontakt zu andern Österreichern - z. B. in der Ortschaft, in der ich lebe.
LA: Welche Schulbildung haben Sie?
VP: Ich bin fünf Jahre in meinem Heimatdorf XXXX in die Schule gegangen.
LA: Was haben Sie nach der Schulausbildung gemacht?
VP: Ich habe danach in der Landwirtschaft gearbeitet. Wir haben Tiere gehabt, auf die ich aufgepasst.
LA: Waren Sie jemals berufstätig - abseits von dieser Arbeit in der Landwirtschaft?
VP: In XXXX war ich Tagelöhner - ich habe z. B. als Erntehelfer gearbeitet oder als Tischlergehilfe.
LA: Wann war Sie zuletzt als Tagelöhner in Ihrem Heimatland beschäftigt?
VP: Seit 2006 habe ich nicht mehr als Tagelöhner gearbeitet, weil mir im Gefängnis mein Fuß gebrochen wurde. Ich kann noch immer nicht gut gehen. Ich wurde im Gefängnis oft geschlagen oder sie haben ein Stromkabel an meinen Finger gebunden und Strom durchfließen lassen. Einmal haben sie mich 15 Tage mit Strom misshandelt. Ich leide immer noch darunter und habe Probleme mit meinen Nieren und Darm.
LA: Sie haben zuvor gesagt, sie seien nicht in ärztlicher Behandlung!
VP: Ich wurde in der Türkei behandelt, hier nicht. Wo ich lebe, gibt es gute Luft und es geht mir besser. Ich habe seit dieser Folterung oft Kopfschmerzen.
LA: Wovon haben Sie nach 2014 - nach der Entlassung aus dem Gefängnis - gelebt?
VP: Meine Eltern haben mich unterstützt.
LA: Wie würden Sie Ihre wirtschaftliche/ finanzielle Situation vor Ihrer Ausreise nach Österreich im Heimatland gemessen am landesüblichen Durchschnitt bezeichnen (zB. gut/mittel/schlecht)?
VP: Normal. Meine Eltern haben ein Haus, mein Vater und meine Brüder arbeiten. Nur ich konnte das nicht, weil ich physisch und psychisch nicht in der Lage bin. Außerdem bin ich vorbestraft und keine Firma würde mich beschäftigen. Wenn jemand mit der PKK eine Verbindung hat, will keiner einen anstellen.
LA: Leisteten Sie jemals einen offiziellen Militärdienst? Wenn ja, in welcher Verwendung?
VP: Ja, im Jahre 2004/2005 - 15 Monate lang. Ich war einfacher Soldat.
LA: Bitte geben Sie so genau wie möglich die Adresse im Heimatland an, an der Sie zuletzt gelebt haben?
VP: XXXX , in der Strasse XXXX , in der Gasse XXXX . Hausnummer XXXX , bei meinen Eltern.
LA: Wie lange haben Sie an der genannten Adresse gelebt?
VP: Seit 1993 bis zur Ausreise.
LA: Hatten Sie in Ihrem Herkunftsstaat jemals wegen Ihrer Religionszugehörigkeit Probleme?
VP: Nein.
LA: Hatten Sie in Ihrem Herkunftsstaat wegen Ihrer Volksgruppenzugehörigkeit als Kurde Probleme?
VP: Ja, deswegen bin ich geflüchtet.
LA: Wo haben Sie die letzten Tage vor Ihrer Ausreise nach Europa verbracht?
VP: Bei den Eltern.
LA: Sind oder waren Sie Mitglied/ Anhänger einer politischen Partei oder eines politischen Vereins bzw. einer Gruppierung?
VP: Ich war bei der HDP-Partei 2002 Mitglied bis ich im Gefängnis war - also bis 2006. Danach war ich kein Mitglied mehr.
LA: Können Sie einen Mitgliedsausweis dazu vorlegen?
VP: Nein, ich habe keinen Mitgliedsausweis. Nachgefragt hat man mir den Mitgliedsausweis im Gefängnis abgenommen. Die Partei wurde verboten und ich habe auch keinen Ausweis mehr bekommen.
LA: Weshalb haben Sie sich dieser politischen Partei angeschlossen? Was hat Sie persönlich daran angesprochen (Ihre persönlichen Beweggründe)?
VP: Ich bin Kurde und die HDP Partei kämpft für die kurdischen Rechte, deshalb habe ich mich der Partei angeschlossen.
LA: Wofür stehen die Bezeichnung HDP?
VP: Volksdemokratische Partei.
LA: Wann wurde diese Partei verboten?
VP: Das weiß ich nicht, das war 2005/2006 - ich war deswegen im Gefängnis.
LA: Seit wann gabt es die Partei HDP?
VP: Das weiß ich nicht.
LA: Wie haben die Führungspersönlichkeiten dieser Partei geheißen?
VP: Er hieß Murat BOZDAG - er war der Parteivorsitzender und ist bereits verstorben. Danach wurde die Partei verboten.
LA: Waren Sie nach 2006 noch politisch aktiv?
VP: Ich war danach nicht mehr politisch aktiv, weil ich Angst hatte.
LA: Welche konkreten, politischen Ziele verfolgt diese Partei? Sagen Sie mir alles, was Sie darüber wissen.
VP: Jeder soll in Freiheit leben. Wir wollten den Menschen, die unterdrückt sind, helfen. Ich habe an Veranstaltungen teilgenommen und auch die Bevölkerung darüber informiert.
LA: An welchen Veranstaltungen haben Sie konkret teilgenommen? Bei welchen noch?
VP: Ich war z. B. bei der Neujahrsfeier 2000/2001. Ich war aktiv, bevor ich im Gefängnis war.
LA: Beschreiben Sie mir diese Aktivität näher! Was haben Sie alles gemacht?
VP: Ich habe an Veranstaltungen teilgenommen und ich habe für Sicherheit dort geleistet - also geschaut, was jemand mit hat. Ich habe Zeitschriften verteilt.
LA: Welche Zeitschriften haben Sie verteilt? Wo und wann war das?
VP: Ich habe die Zeitschrift Özgür Günden 2001/2002 verteilt - in unserem Bezirk habe ich sie verteilt - in Häuser, Geschäften.
LA: Was haben Sie sonst noch getan - welche Aktivitäten setzen Sie sonst noch?
VP: Ich habe Spendengeld für die Partei gesammelt. Nachgefragt war das auch 2000-2002/2003. Das war alles. Mehr habe ich nicht gemacht.
LA: Mit wem haben Sie da zusammengearbeitet?
VP: Wir waren eine Gruppe von 3-5 Personen - eine Jugendgruppe.
LA: Wie haben die anderen Personen, die mit Ihnen mitgearbeitet haben, geheißen?
VP: Die Namen habe ich leider vergessen.
LA: Was wurde Ihnen persönlich vorgeworfen? Warum sind Sie 2006 ins Gefängnis gekommen?
VP: Sie haben mir vorgeworfen, bei Demonstrationen teilgenommen zu haben und Mitglied der HDP Partei zu sein. Aber ich wurde schon 1998 festgenommen, weil ich mich an die PKK Kämpfer anschließen wollte. Damals war ich ein Jahr in Gefängnis. Dann war ich bekannt.
LA: Wie ist es dazu gekommen, dass Sie PKK Kämpfer werden wollten?
VP: Die Soldaten haben dauernd unser Haus durchsucht und danach unser Dorf angezündet. Ich konnte das nicht aushalten und wollte deshalb zur PKK. Meinen Bruder haben Sie auch getötet. Als sie ihn getötet haben, wollte ich auch zur PKK gehen.
LA: Wann haben Sie Ihr Heimatland verlassen?
VP: Vor ca. 10 Monaten - am 11. Jänner 2018 bin ich illegal ausgereist. Ich bin von XXXX mit dem Bus nach Istanbul gefahren und dann mit dem Auto bis zur Grenze und dann zu Fuß nach Griechenland.
LA: Wie viel hat die illegale Ausreise insgesamt gekostet?
VP: Sie hat Euro 2000 bis nach Griechenland gekostet und von Griechenland nach Österreich nochmal 3000 Euro.
LA: Wer hat das bezahlt?
VP: Meine Familie wollte mich unterstützen, hat den Schmuck verkauft und so meine illegale Ausreise finanziert.
A: Aus welchem Grund verließen Sie Ihr Heimatland? Schildern Sie dies bitte möglichst lebensnah, d.h. mit sämtlichen Details und Informationen, sodass die Behörde Ihr Vorbringen nachvollziehen kann! Nehmen Sie sich dafür ruhig Zeit!
VP: Ich war dauernd unter Beobachtung der türkischen Polizei. Ich konnte mich nicht frei bewegen. Außerdem gibt es ein Strafverfahren von Seiten der Staatsanwaltschaft der Stadt XXXX , die wollen mich 10 Jahre hinter Gitter bringen. Ich bin sowieso bis jetzt acht Jahre im Gefängnis gewesen und halte noch einmal eine Haftstrafe körperlich und psychisch nicht aus. Deshalb habe ich das Land verlassen.
LA: Bitte schildern Sie mir dieses Strafverfahren der Staatsanwaltschaft der Stadt XXXX ganz genau bis ins kleineste Detail. Was wissen Sie alles darüber?
VP: Unsere Abgeordneten sind im Gefängnis. Wir haben keine Rechte.
LA: Bitte beantworten Sie die Frage und schildern Sie Ihr persönliches Strafverfahren und was Ihnen von Staatsanwaltschaft vorgeworfen?
VP: Sie haben mich gefragt, warum ich bei kurdischen Veranstaltungen dabei war. Ich sagte, ich sei Kurde und bin deshalb dorthin gegangen. Sie sagten aber, dass ist verboten. Sie sagen, dass ich ein Terrorist bei der PKK bin - dessen werde ich beschuldigt. Aber das stimmt nicht, ich bin kein Terrorist. Ich habe für die PKK nicht gearbeitet.
LA: Hatten Sie je Probleme mit der Polizei oder Behörden, Institutionen, Organisationen, Ihres Heimatlandes? Ausgenommen das nunmehr Gesagte!
VP: Nein nur das Gesagte. Sie haben mich in XXXX auch nicht in Ruhe gelassen und mich dauernd festgenommen. Die türkische Polizei hat in XXXX ständig eine Ausweiskontrolle gemacht. Da ich schon im Gefängnis war und mein Bruder bei der PKK war, wurde ich immer festgenommen. Ich konnte mich nicht frei bewegen und hatte Angst, weitere 10 Jahre im Gefängnis zu landen.
LA: Wann wurden Sie zuletzt von der türkischen Polizei festgenommen?
VP: Das war ein bis zwei Wochen bevor ich die Türkei verlassen habe. Sie habe mich damals mit dem Umbringen bedroht.
LA: Schildern Sie mir ganz genau, wie dieser Vorfall abgelaufen ist?
VP: Ich war in der Strasse, in der ich wohne, spazieren. Sie haben meinen Ausweis kontrolliert und haben mich mitgenommen. Sie haben mich in einen Polizei-Minibus abgeführt und wollten wissen, wer alles für die kurdische Partei arbeitet - ich sollte alle Namen nennen. Ich habe gesagt, das mache ich nicht. Danach haben sie zu mir gesagt, dass sie mich umbringen werden. Dann wurde ich wieder freigelassen und sie sagten zu mir, ich soll mir gut überlegen, ob ich nicht doch Namen nennen möchte. Danach habe ich das Land verlassen.
LA: Wie viel Personen haben Sie bei diesem letzten Vorfall kontrolliert?
VP: Zwei Beamte haben mich angehalten und kontrolliert. Es waren noch drei weitere Polizeibeamte im Bus. Auch andere Personen wurden kontrolliert, aber nur ich wurde mitgenommen. Der Bus stand in der nächsten Gasse um die Ecke.
LA: Wie haben die Beamten ausgesehen?
VP: Es waren alles Zivilpolizisten, die mir ihren Ausweis gezeigt haben.
LA: Bitte beschreiben Sie mir diese Beamten so genau wie möglich.
VP: Zwei waren eher blond und einer eher normal und zwei hatten ein eher dunkles aussehen. Sie waren alle zwischen 25 und 35 Jahre alt. Es waren Türken.
LA: Wie lange hat der ganze Vorfall gedauert?
VP: Ca. 2 Stunden. Ich war die ganze Zeit im Minibus. Ich wurde bedroht und auch ein paar Mal geschlagen und sie haben mir gesagt, ich soll Namen nennen. Ich habe gesagt, ich kenne niemanden. Ich habe mit der Partei nichts zu tun, seit ich aus dem Gefängnis entlassen wurde.
LA: Was ist danach passiert?
VP: Sie haben mich freigelassen und mir gesagt, ich solle mir das nochmal überlegen. Dann bin ich sowieso ausgereist.
LA: Wann waren die Festnahmen vor diesem Vorfall?
VP: Öfter - manchmal einmal in der Woche und manchmal am Tag zweimal. Ich wurde immer festgenommen und wieder freigelassen.
LA: Wie oft war das?
VP: Seit ich vom Gefängnis rauskam - drei Jahre lang, bis ich das Land verlassen habe.
LA: Mit dem Umbringen wurden Sie nur einmal bedroht?
VP: Das haben sie vorher auch gesagt, aber ich konnte das Land nicht verlassen.
LA: Seit wann wurden Sie mit dem Umbringen bedroht?
VP: Etwa vier Monate vor der Ausreise.
LA: Warum hat man Sie auf einmal mit dem Umbringen bedroht? Gab es dazu einen speziellen Anlass?
VP: Ich wurde schon nach meiner Entlassung aus dem Gefängnis mit dem Umbringen bedroht.
LA: Welche politische Einstellung haben Ihre nahen Angehörigen in Ihrem Heimatland?
VP: Sie unterstützen auch die kurdische Partei. Mein Bruder XXXX war auch viereinhalb Jahre im Gefängnis - als sie mich festgenommen haben, haben sie ihn auch festgenommen. Meine anderen Brüder waren nicht im Gefängnis.
LA: Was war nach der Freilassung von XXXX ? Wurde er noch einmal festgenommen?
VP: Er hat sich von der Partei entfernt und gearbeitet. Für ihn gibt es kein Strafverfahren mehr - nicht so wie bei mir.
LA: Haben Sie alle Ihre Fluchtgründe genannt oder möchten Sie hierzu noch etwas ergänzen?
VP: Ich habe alle meine Fluchtgründe genannt.
LA: Welche Befürchtungen haben Sie für den Fall einer Rückkehr in Ihr Heimatland?
VP: Ich komme ins Gefängnis. Mein Leben ist dort nicht sicher - sie werden mich umbringen.
[Länderfeststellungen]
VP: Die Länderfeststellungen benötige ich nicht.
LA: Ich beende jetzt die Befragung. Hatten Sie ausreichend Gelegenheit alles zum Verfahren vorzubringen oder haben Sie noch etwas hinzufügen?
VP: Ich habe alles gesagt und möchte nichts mehr ergänzen.
Anm.: Die gesamte Niederschrift wird wortwörtlich rückübersetzt:
LA: Haben Sie nun nach Rückübersetzung Einwendungen gegen die Niederschrift selbst, wurde alles richtig und vollständig protokolliert?
VP: Es ist alles richtig.
LA: Haben Sie den Dolmetscher einwandfrei verstanden?
VP: Ja.
- Mit Verfahrensanordnung vom heutigen Tag wurde Ihnen ein Rechtsberater gemäß § 52 BFA-VG für ein allfälliges Beschwerdeverfahren zur Seite gestellt.
Der Antrag auf internationalen Schutz wurde folglich vom Bundesamt gemäß § 3 Abs 1 AsylG 2005 abgewiesen und der Status eines Asylberechtigten nicht zuerkannt.
Gem. § 8 Abs 1 Z 1 AsylG wurde der Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Türkei nicht zugesprochen.
Ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß § 57 AsylG wurde nicht erteilt.
Gemäß § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG iVm § 9 BFA-VG wurde gegen die bP gemäß § 52 Abs. 2 Z 2 FPG eine Rückkehrentscheidung erlassen und gemäß § 52 Abs. 9 FPG festgestellt, dass eine Abschiebung in die Türkei gemäß § 46 FPG zulässig sei.
Gemäß § 55 Abs. 1 bis 3 FPG betrage die Frist für die freiwillige Ausreise 14 Tage ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung.
Das Bundesamt gelangte im Wesentlichen zur Erkenntnis, dass hinsichtlich der Gründe für die Zuerkennung des Status eines asyl- oder subsidiär Schutzberechtigten eine aktuelle und entscheidungsrelevante Bedrohungssituation nicht glaubhaft gemacht worden sei. Ebenso ergebe sich aus allgemeinen Lage im Herkunftsstaat keine mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit drohende bzw. reale Gefährdung der bP. Abschiebungshindernisse lägen demnach nicht vor. Die Voraussetzungen für die Zuerkennung eines Aufenthaltstitels aus berücksichtigungswürdigen Gründen seien nicht gegeben. Ein die öffentlichen Interessen an der Aufenthaltsbeendigung übersteigendes Privat- und Familienleben würde nicht vorliegen und wurde daher eine Rückkehrentscheidung verfügt.
Gegen diesen Bescheid wurde innerhalb offener Frist Beschwerde erhoben. Wenn das BFA die Echtheit der vorgelegten Gerichtsurteile anzweifelt, wäre es an ihr gelegen, diesbezügliche Ermittlungen anzustellen. Die bP sei während ihrer Haft Folterungen ausgesetzt gewesen. Die Haftbedingungen hätten sich vor allem für Kurden nicht verbessert. Sicherheitsbeamte würden regelmäßig die Eltern der bP aufsuchen und nach der bP fragen. Dies lege nahe, das die bP bei einer Rückkehr in die Türkei festgenommen und inhaftiert werde. Hinsichtlich der Länderberichte wird moniert, dass diese das Fluchtvorbringen der bP nicht widerspiegeln, dass es ihnen an Aktualität mangelt, sowie dass das BFA ihre Anfragebeantwortung zur "Lage der Kurden - insbesondere der Haftbedingungen" nicht ausreichend gewürdigt habe. Die bP sei unbescholten und besuche zweimal wöchentlich einen Deutschkurs.
Mit Schriftsatz vom 26.02.2019 wurden ohne nähere Erörterung nachfolgend Unterlagen vorgelegt:
- Visitenkarte des Rechtsanwaltes Ali B., der die bP in ihrem Strafverfahren in der Türkei vertritt
- Ambulanzkarte LK A. vom 05.02.2019 bzgl. Fract cruris sin. Non rec. (Unterschenkelbruch 2011) und rezidivierender Belastungsschmerzen (bP wurde von einer anderen Person am Fuß verletzt)
- Sonographie Befund vom 07.02.2019 (mehrere insuspekte Leberhämangiome, mehrere Gallenblasenwandpolypen)
- Deutschkursbestätigung des Bürgermeisters B. J. vom 05.02.2019
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
Das BVwG hat durch den Inhalt des übermittelten Verwaltungsaktes der belangten Behörde, einschließlich der Beschwerde Beweis erhoben.
Das BFA zog die folgenden Beweismittel heran:
Von Ihnen vorgelegte Beweismittel:
- Gerichtsurteil vom Gericht für Strafsachen in der Stadt XXXX vom 18.05.2009
- Gerichtsurteil vom Gericht für schwere Strafsachen in der Stadt XXXX vom XXXX 2017
Weitere von der Behörde herangezogene Beweismittel:
- Die Protokolle Ihrer niederschriftlichen Befragungen bzw. Einvernahmen im Asylverfahren
- Eine aktuelle Zusammenstellung der Staatendokumentation des BFA zu Ihrem Herkunftsland
- Deutsche Übersetzung des Gerichtsurteils vom 18.05.2009 (siehe Ausdruck im Akt): Das Dokument weist Ihre angebliche Verurteilung durch das Gericht für Strafsachen in der Stadt XXXX auf: Und zwar sollen Sie von der Straftat der Propagandaführung für die bewaffnete, terroristische Organisation Arbeiterpartei Kurdistans (kurdisch Partiya Karkerên Kurdistanê; PKK) aus Mangel an Beweisen freigesprochen worden sein, jedoch wegen der Straftat der Mitgliedschaft an der PKK und der Fälschung von amtlichen Dokumenten im Wirkungsbereich einer Terrororganisation zu einer Haftstrafe von insgesamt 8 Jahren und 9 Monate verurteilt worden sein.
Datum der Verhaftung: 21.12.2007 (davor Untersuchungshaft von 17-21.12.2007); Datum, Uhrzeit, Ort der Straftat: 17.12.2007 und davor in XXXX
- Deutsche Übersetzung des Gerichtsurteils vom XXXX 2017 (siehe Ausdruck im Akt): Das Dokument weist Ihre angebliche Verurteilung durch das Gericht für schwere Strafsachen auf. Sie sollen mit Wissen über die Eigenschaft der terroristischen Vereinigung PKK bei der Gründung der "Freie Bürgerbewegung", die mit der terroristischen Organisation PKK/KONGRA-GEL in Verbindung steht, eine aktive Rolle eingenommen haben und im Namen der terroristischen Vereinigung tätig geworden sein. Konkret wird ausgeführt, dass Sie als Angehöriger der "Freien Bürgerbewegung" am 09.11.2005 an den Vorfällen in Hakkari Semdinli, und in der Kreisstadt Yüksekova, im Rahmen der Protestaktionen wegen des Aufgriffes des Abdullah Öcalan am 15. Februar 1999 und dessen Einlieferung in die Türkei, mitgewirkt haben. Sie sollen weiters im Namen der terroristischen Vereinigung terroristische Aktionen, wie Straßen blockieren, die Sicherheitskräfte und Fahrzeuge des öffentlichen Dienstes mit Steinen und Molotov Cocktails zu bewerfen, durchgeführt haben. Laut diesem Urteil wären Sie angeblich am XXXX 2017 zu insgesamt 10 Jahren Haft verurteilt worden.
- Online Recherche über terroristische Organisationen in der Türkei (Ausdruck im Akt)
- Online Recherche über die "Demokrasi ve Degisim Partisi" (Abkürzung: DDP. "Partei der Demokratie und des Wandels"), die im März 1996 verboten wurde (Ausdruck im Akt)
- Online Recherche über die linksgerichtete, auf die kurdische Minderheit ausgerichtete "Halkin Demokrasi Partisi" (Abkürzung: HADEP, "Partei der Demokratie des Volkes"), Gründung: 11. Mai 1994 durch Murat BOZLAK, Auflösung: 13. März 2003 (Ausdruck im Akt)
- Online Recherche über die linksgerichtete "Halklarin Demokratik Partisi" (Abkürzung: HDP, deutsch: Demokratische Partei der Völker), gegründet 2012, Parteivorsitzende: Pervin Buldan, Sezai Temelli (Ausdruck im Akt)
- Anfragebeantwortung der Staatendokumentation über die "Lage der Kurden - insbesondere der Haftbedingungen" vom 09.02.2017 in der Türkei (Ausdruck im Akt)
- sowie sämtliche weitere Bestandteile des Verwaltungsaktes
1. Feststellungen (Sachverhalt)
Das Bundesamt traf auf Grund des Ermittlungsverfahrens folgende Feststellungen denen sich das BVwG anschließt:
"Zu Ihrer Person:
Sie reisten illegal in Österreich ein.
Ihre Identität steht nicht zweifelsfrei fest. Sie sind türkischer Staatsbürger.
Sie gehören der Volksgruppe der Kurden an und sprechen Kurdisch und Türkisch sowie ein wenig Deutsch.
Sie wurden glaubhaft XXXX im Dorf XXXX , im Bezirk XXXX in der Provinz XXXX in der Türkei geboren und sind in Ihrem Heimatdorf fünf Jahre lang in die Schule gegangen. In jungen Jahren sind Sie mit Ihrer Familie in die Stadt XXXX gezogen, wo Sie bis zu Ihrer Ausreise aus Ihrem Heimatland lebten.
Sie sind glaubhaft volljährig, ledig und haben keine Kinder.
Sie haben bis zu Ihrer Ausreise aus Ihrem Heimatland bei Ihren Eltern und Geschwistern gelebt und waren als mithelfender Familienangehöriger in der Landwirtschaft und als Taglöhner (Erntehelfer, Tischlergehilfe) berufstätig. Alle Ihre nahen Angehörigen sind nach wie vor in XXXX aufhältig.
Sie leiden an keiner lebensbedrohlichen Erkrankung und sind arbeitsfähig.
Sie sind in Österreich unbescholten.
Zu den Gründen für das Verlassen Ihres Herkunftsstaats:
Die von Ihnen ausgesagten Ausreisegründe vermögen nicht glaubhaft zu machen, dass Sie im Herkunftsstaat einer hinreichend intensiven Gfk-relevanten Verfolgung ausgesetzt sind, die eine Asylgewährung rechtfertigen würde.
Im Zuge Ihrer Einvernahmen machten Sie äußerst widersprüchliche und wenig substantiierte Angaben betreffend Ihrer angeblichen Verfolgung bzw. Bedrohung aufgrund Ihrer kurdischen Volksgruppenzugehörigkeit und Ihrer angeblichen Mitgliedschaft und Tätigkeiten für pro-kurdische Parteien.
Sie konnten der erkennenden Behörde weder das Vorliegen einer noch offenen Haftstrafe in Ihrem Herkunftsstaat, noch den Umstand, bereits in der Türkei in Haft gewesen zu sein, glaubhaft vermitteln. Dasselbe gilt für die angeblichen behördlichen Schikanen, denen Sie bis zu Ihrer Ausreise aus Ihrem Heimatland ausgesetzt gewesen sein sollen.
Andere Fluchtgründe machten Sie - trotz mehrfacher Nachfrage - nicht geltend.
Zu Ihrer Situation im Fall Ihrer Rückkehr:
Es konnte unter Berücksichtigung aller bekannten Umstände nicht festgestellt werden, dass Sie im Falle einer Rückkehr in die Türkei dort einer realen Gefahr der Verletzung von Art 2, Art 3 EMRK oder der Protokolle Nr. 6 oder Nr. 13 zur Konvention ausgesetzt wären oder für Sie als Zivilperson eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konflikts mit sich bringen könnte.
Zudem war festzustellen, dass Sie bis zu Ihrer Ausreise in Ihrem Heimatland bei Ihren Eltern und Geschwistern in der Türkei lebten.
Alle Ihre nahen Angehörigen sind nach wie vor in Ihrem Herkunftsstaat aufhältig. Ihr Vater und Ihre vier Brüder sind in Ihrem Heimatland berufstätig. Sie haben bereits vor Ihrer illegalen Ausreise bei Ihrem Eltern und Ihren Geschwistern in der Stadt XXXX gelebt. Sie verfügen mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit im Rückkehrfall über entsprechende familiäre und soziale Unterstützung, stehen Sie doch glaubhaft regelmäßig mit Ihren Familienangehörigen in Kontakt. Eine etwaige Gefährdung Ihrer sozialen Absicherung ist auszuschließen.
Sie leiden an keinen lebensbedrohlichen Erkrankungen und sind arbeitsfähig. Ihre angebliche, körperliche Einschränkung durch einen Beinbruch konnten Sie nicht glaubhaft machen.
Es ist Ihnen auch möglich und zumutbar, Ihren Herkunftsstaat etwa via Flug über einen internationalen Flughafen problemlos und sicher zu erreichen.
Es ergaben sich keine Rückkehrhemmnisse Ihre Person betreffend.
Zu Ihrem Privat- und Familienleben:
Sie sind glaubhaft ledig und kinderlos.
Es leben keine nahen Angehörigen von Ihnen in Österreich.
Sie sind maßgeblich im Heimatstaat familiär und sozial verankert.
Sie verfügen in Österreich über keinerlei nennenswerte soziale Kontakte und sind der deutschen Sprache nur mäßig mächtig. Es konnte keine Integrationsverfestigung festgestellt werden.
Es konnte mit der Setzung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme, Ihre Person betreffend, kein unzulässiger Eingriff in Ihr Privat- oder Familienleben festgestellt werden.
Zur Lage in Ihrem Herkunftsland: [...]"
Das Bundesamt traf im angefochtenen Bescheid Feststellungen zum Herkunftsstaat Türkei auf Basis des Länderinformationsblattes der Staatendokumentation, Stand 21.03.2018. Im Wesentlichen ergibt sich für diesen Fall zusammengefasst daraus Folgendes:
Mehr als 15 Millionen türkische BürgerInnen, so wird geschätzt, haben einen kurdischen Hintergrund und sprechen einen der kurdischen Dialekte. Wenngleich es zu Diskriminierungen kommen kann, ergibt sich auf Grund der Berichtslage nicht, dass Kurden mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit wegen ihrer Volksgruppenzugehörigkeit in der Türkei einer asylrelevanten Verfolgung ausgesetzt wären.
In amtlichen Haftanstalten kommt es immer wieder zu Folter und andere Formen der Misshandlung. Davon betroffen sind insbesondere Personen, die unter dem Anti-Terror-Gesetz festgehalten werden. Folter bleibt in vielen Fällen straflos - wenngleich es ebenso Fälle gibt, in welchen Anklage erhoben und Verurteilungen erfolgen. Aus der Berichtslage ergibt sich jedoch nicht, dass nur Kurden von Misshandlungen betroffen sind.
Die materielle Ausstattung der Haftanstalten wurde in den letzten Jahren deutlich verbessert und die Schulung des Personals fortgesetzt. Die Haftbedingungen in den Gefängnissen in Ankara, Diyarbakir, Sanliurfa und Istanbul seien generell zufriedenstellend, wenngleich es teilweise zu Überbelegungen kommt.
Die Versorgungslage ist in der Türkei grds. gesichert und ist Kurden - so wie der übrigen Bevölkerung - auch eine Teilnahme am Erwerbsleben möglich.
Die Sicherheit ist für die Bevölkerung im Allgemeinen gewährleistet und die staatlichen Schutzmechanismen hinreichend funktionsfähig. Es kann nicht festgestellt werden, dass in der Türkei aktuell eine Lage herrschen würde, wonach diese für eine Zivilperson eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes mit sich bringen würde.
2. Beweiswürdigung
Einleitend ist anzuführen, dass die im Verfahren aufgenommenen Niederschriften mit den Aussagen der bP vollen Beweis iSd § 15 AVG über den Verlauf und Gegenstand der Amtshandlung bilden und mit diesem Inhalt als zentrales Beweismittel der Beweiswürdigung unterzogen werden können.
Die bP trat den Gegenbeweis der Unrichtigkeit des darin bezeugten Vorganges nicht an.
Das Bundesamt würdigte die Ermittlungsergebnisse folgendermaßen:
"[...]
Betreffend die Feststellungen zu Ihrer Person:
Mangels der Vorlage eines Reisepasses mit gültigem Visum für Österreich wurde die Feststellung zur illegalen Einreise getroffen.
Sie legten der erkennenden Behörde auch kein anderes identitätsstiftendes Dokument vor. Ihre Identität steht somit nicht zweifelsfrei fest. Soweit in der gegenständlichen Rechtssache eine Identität (Name und Geburtsdatum) angeführt wurde, gilt diese ausschließlich für die Individualisierung Ihrer Person im Asylverfahren.
Es ist festzustellen, dass Sie aufgrund Ihrer gleichbleibenden Aussagen in Zusammenhang mit Ihrem Geburtsort sowie aufgrund Ihrer Sprachkenntnisse glaubhaft türkischer Staatsbürger sind.
Sie wurden aussagekonform und daher glaubhaft XXXX im Dorf XXXX , im Bezirk XXXX in der Provinz XXXX in der Türkei geboren wurden. Sie sind demzufolge volljährig.
Sie gehören aussagekonform der Volksgruppe der Kurden an.
Die Feststellungen über Ihr Familienleben (ledig, kinderlos) und zu Ihrer Schulbildung (Dauer: fünf Jahre im Heimatdorf) ergeben sich aus Ihren gleichbleibenden Angaben im Verfahren und sind daher als glaubhaft zu werten. Für die entscheidende Behörde gibt es keine ersichtlichen Gründe, warum Sie hierzu unwahre Angaben gemacht haben sollen, ergibt sich daraus für Sie ja auch kein Mehrwert im Verfahren.
Ihren Angaben zufolge haben Sie als Minderjähriger Ihr Heimatdorf XXXX verlassen und sind mit Ihren Eltern und neun Geschwistern (fünf Schwestern und vier Brüdern) in die türkische Stadt XXXX gezogen, wo Sie bis zu Ihrer Ausreise bei Ihren Eltern und Geschwistern gelebt haben. Alle Ihre nahen Angehörigen leben weiterhin in der Türkei, in der Stadt XXXX . Sie stehen in täglichem, aufrechtem Kontakt zu Ihren nächsten Angehörigen in Ihrem Herkunftsstaat.
Sie waren glaubhaft als mithelfender Familienangehöriger in der Landwirtschaft und als Taglöhner (Erntehelfer, Tischlergehilfe) berufstätig.
Dass Sie aufgrund eines Beinbruchs, den Sie sich beim Abbüßen einer (nicht glaubhaften) Haftstrafe zugezogen haben wollen, nicht mehr arbeitsfähig sind, konnten Sie der Behörde gegenüber nicht glaubhaft vermitteln, gaben Sie doch eingangs im Zuge Ihrer niederschriftlichen Einvernahme an, gesund zu sein und an keinerlei Erkrankungen zu leiden bzw. keine Medikamente einzunehmen (siehe Ebd., S. 2).
Zudem widersprachen Sie sich in Ihren niederschriftlichen Einvernahmen hinsichtlich des Zeitpunkts, wann dieser angebliche Beinbruch passiert sein soll: Während Sie in der niederschriftlichen Einvernahme zu Ihrem Zulassungsverfahren am 07.08.2018 angaben, das der Beinbruch im Jahr 2012 passiert wäre und nicht gut abgeheilt sei und Sie keine Befunde vorlegen könnten, weil Ihnen das im Gefängnis passiert sei (siehe niederschriftliche Einvernahme zu Ihrem Zulassungsverfahren, S. 1), gaben Sie im Zuge Ihrer Einvernahme zu Ihrem Antrag auf internationalen Schutz am 12.11.2018 an, dass Sie bereits seit 2006 nicht mehr arbeiten hätten können, weil Ihnen im Gefängnis der Fuß gebrochen worden wäre und Sie immer noch nicht gut gehen könnten (siehe diese Einvernahme, S. 8f). Laut Ihren Angaben in der zweiten niederschriftlichen Einvernahme, soll Ihr angeblicher Beinbruch nun also viele Jahre früher passiert sein.
Hinzu kommt, dass Sie ausführten, im Zuge Ihrer Flucht aus Ihrem Heimatland Richtung Österreich zu Fuß nach Griechenland bzw. in Albanien über die Berge gegangen zu sein, was mit einer, Ihre Bewegungsfähigkeit massiv einschränkenden Behinderung am Bein nicht vereinbar wäre (siehe Ebd. S. 4 und S. 12).
Es ist daher festzustellen, dass Sie (wie von Ihnen selbst Eingangs in der niederschriftlichen Einvernahme zu Ihrem Antrag auf internationalen Schutz am 12.11.2018 angeführt) gesund und somit grundsätzlich arbeitsfähig sind.
Aus Ihren bisherigen Angaben sowie aus den in Österreich vorgenommenen Überprüfungen geht hervor, dass Sie bis dato unbescholten sind.
Betreffend die zu den Gründen für das Verlassen Ihres Herkunftsstaats:
Es entspricht der ständigen Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes, wenn Gründe, die zum Verlassen des Heimatlandes beziehungsweise Herkunftsstaates geführt haben, im Allgemeinen als nicht glaubwürdig angesehen werden, wenn der Asylwerber die nach seiner Meinung einen Asyltatbestand begründenden Tatsachen im Laufe des Verfahrens - niederschriftlichen Einvernahmen - unterschiedlich oder sogar widersprüchlich darstellt, wenn seine Angaben mit den der Erfahrung entsprechenden Geschehnisabläufen oder mit tatsächlichen Verhältnissen bzw. Ereignissen nicht vereinbar und daher unwahrscheinlich erscheinen oder wenn er maßgebliche Tatsachen erst sehr spät im Laufe des Asylverfahrens vorbringt (VwGH 6.3.1996, 95/20/0650).
Ihrem Vorbringen konnte nicht glaubhaft entnommen werden, dass Sie tatsächlich aus den von Ihnen genannten Gründen die Heimat verlassen hätten. Ihre Angaben zur Verfolgungssituation konnten nicht glaubhaft nachvollzogen werden, machten Sie doch äußerst widersprüchliche und wenig substantiierte Angaben betreffend Ihrer angeblichen Verfolgung bzw. Bedrohung aufgrund Ihrer kurdischen Volksgruppenzugehörigkeit und Ihrer angeblichen propagandistischen Tätigkeiten für pro-kurdische Parteien.
Zu den Gründen für die mangelhafte Glaubwürdigkeit Ihres Vorbringens im Einzelnen:
Zunächst ist festzuhalten, dass es sich bei den von Ihnen im Zuge Ihrer niederschriftlichen Einvernahme vorgelegten Dokumenten (zwei Gerichtsurteile - siehe Beweismittel), Ihren eigenen Angaben zufolge, um Originale vom türkischen Gericht handeln soll, die Sie von Ihrem Anwalt XXXX bekommen hätten (siehe Ihre niederschriftliche Einvernahme am 12.11.2018, S. 5f).
Wenn man die beiden Schriftstücke jedoch näher betrachtet, so wird deutlich, dass das ältere Dokument, das vermeintlich vom Gericht für Strafsachen in XXXX stammen soll und mit 18.05.2009 datiert ist, offensichtlich lediglich eine Kopie und kein Original ist. Auf dem jüngeren, mit XXXX 2017 datierten, vermeintlichen Gerichtsurteil vom Gericht für schwere Strafsachen in XXXX befindet sich lediglich ein einfacher Stempel mit Unterschrift Ihres angeblich