TE Bvwg Erkenntnis 2019/8/20 L525 2157127-1

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Veröffentlicht am 20.08.2019
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Entscheidungsdatum

20.08.2019

Norm

AsylG 2005 §10 Abs1 Z3
AsylG 2005 §57
AVG §68 Abs1
B-VG Art133 Abs4
FPG §46
FPG §52 Abs2 Z2
FPG §52 Abs9
FPG §55 Abs1a
VwGVG §28 Abs1
VwGVG §31 Abs1

Spruch

L525 2157127-1/25E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Mag. Johannes ZÖCHLING als Einzelrichter über die Beschwerde von XXXX , geb. XXXX , StA: Pakistan, vertreten durch den Verein Menschenrechte Österreich, Alser Straße 20, 1090 Wien, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 31.3.2017, Zl. 185428303/170079119 EAST-Ost, nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am 7.3.2019

I.) beschlossen:

A) Das Verfahren wird hinsichtlich Spruchpunkt I. des angefochtenen Bescheides wegen Zurückziehung der Beschwerde gemäß § 28 Abs. 1 iVm § 31 Abs. 1 VwGVG eingestellt.

B) Die Revision ist gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

II.) zu Recht erkannt:

A) Die Beschwerde wird hinsichtlich der Spruchpunkte II. und III. des angefochtenen Bescheides gemäß § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG iVm § 9 BFA-VG, § 57 AsylG, §§ 46, 52 Abs. 9 sowie § 55 Abs. 1a FPG als unbegründet abgewiesen.

B) Die Revision ist gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang:

Der Beschwerdeführer - ein pakistanischer Staatsangehöriger - stellte nach illegaler Einreise in das Bundesgebiet erstmals am 2.4.1998 einen Antrag auf internationalen Schutz in Österreich. Dieser Antrag wurde mit Bescheid des Bundesasylamtes vom 20.5.1998, Zl. 98 02.426-BAT, gemäß § 7 AsylG 1997 abgewiesen und festgestellt, dass die Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Beschwerdeführers nach Pakistan gemäß § 8 AsylG 1997 zulässig sei. Die Beschwerde gegen diesen Bescheid wurde mit Erkenntnis des Asylgerichtshofes vom 24.6.2011, Zl. C6 203607-0/2008/36E, rechtskräftig abgewiesen.

Mit Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Horn vom 13.10.1998, Zl. 11-F-98, wurde gegen den Beschwerdeführer eine Ausweisung gemäß § 33 Abs. 1 FrG iVm § 57 AVG erlassen, mit der Wirkung, dass der Beschwerdeführer mit der Erlassung (Zustellung) des Bescheides unverzüglich auszureisen habe. Mit einem weiteren Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Horn vom 13.10.1998 wurde die Vollstreckung der erlassenen Ausweisung gemäß §§ 42, 43 Abs. 1 und 56 Abs. 2 FrG bis zum 13.4.1999von Amts wegen gegen jederzeitigen Widerruf aufgeschoben. Dieser Aufschub wurde mit Bescheid vom 8.4.1999 bis 13.10.1999 verlängert. Mit Schreiben der Bezirkshauptmannschaft Horn vom 17.4.1999 wurde der Beschwerdeführer darüber verständigt, dass die mit Bescheidvom 13.10.1998 ausgesprochene Ausweisung aufgrund der ihm vom Bundesasylamt erteilten vorläufigen Aufenthaltsberechtigung gegenstandslos geworden sei.

Mit Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Korneuburg vom 13.12.2002, Zl. 11-F/02, wurde gegen den Beschwerdeführer gemäß §§ 36 Abs. 1 und 2 Z 1, 37, 39, 103 Abs. 1 FrG und § 64 Abs. 2 AVG ein bis 12.12.2012 befristetes Aufenthaltsverbot für das Bundesgebiet der Republik Österreich erlassen und ausgesprochen, dass der Beschwerdeführer das Bundesgebiet der Republik Österreich unverzüglich zu verlassen habe. Der Berufung gegen diesen Bescheid wurde die aufschiebende Wirkung aberkannt.

Mit Bescheid der Bundespolizeidirektion Wien vom 7.10.2011, Zl. III-1001583/FrB/11, wurde über den Beschwerdeführer gemäß § 76 Abs. 1 FPG iVm § 57 AVG die Schubhaft zur Sicherung des Verfahrens zur Erlassung einer Rückkehrentscheidung und der Abschiebung verhängt. Mit einem weiteren Bescheid der Bundespolizeidirektion Wien vom 7.10.2011 wurde gegen den Beschwerdeführer gemäß § 52 Abs. 1 FPG eine Rückkehrentscheidung erlassen. Weiters wurde gegen ihn gemäß § 53 Abs. 1 iVm Abs. 2 Z 3 und Abs. 2 FPG ein auf die Dauer von 18 Monaten befristetes Einreiseverbot für den gesamten Schengenraum erlassen. Mit Bescheid der Bundespolizeidirektion Wien vom 17.10.2011 wurde gemäß § 77 FPG von der Anordnung der Schubhaft gegen den Beschwerdeführer Abstandgenommen und ein gelinderes Mittel zur Sicherung der Abschiebung (Meldung bei der zuständigen Polizeiinspektion) angeordnet. In der Folge wurde der Beschwerdeführer aus der Schubhaft entlassen. Aus einem Aktenvermerk der Bundesbundespolizeidirektion Wien vom16.5.2012 ergibt sich, dass am selben Tag das gelindere Mittel aufgehoben worden sei, da trotz zahlreicher Urgenzen keine Heimreisezertifikatausstellung erfolgt sei. So geht bereits aus einem Schreiben der pakistanischen Botschaft in Wien vom 18.10.2011 hervor, dass die pakistanische Botschaft die Nationalität bzw. Identität des Beschwerdeführers aufgrund unzureichender Informationen nicht habe feststellen können. Aus einem weiteren Schreiben der pakistanischen Botschaft in Wien vom 27.2.2012 ergibt sich, dass der Beschwerdeführer in der Botschaft vorstellig geworden ist.

Mit Schriftsatz vom 14.8.2014 stellte der Beschwerdeführer einen Antrag auf Ausstellung einer Karte für Geduldete gemäß § 46a FPG. Dieser Antrag wurde am 7.3.2017 durch das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (in der Folge "BFA") rechtskräftig abgewiesen und wurde der Bescheid durch Hinterlegung am 20.2.2017 zugestellt. Ein Rechtsmittel wurde nicht erhoben. Das BFA stellte dabei unter anderem fest, dass der Beschwerdeführer in seinem Verfahren zur Erlangung eines Heimreisezertifikats nicht mitwirkte.

Am 19.1.2017 stellte der Beschwerdeführer den gegenständlichen Folgeantrag auf internationalen Schutz. Am selben Tag wurde er durch Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes einer Erstbefragung unterzogen. Zu den Gründen seines neuerlichen Asylantrages befragt gab er an, seine alten Fluchtgründe seien noch immer aufrecht. Seit ca. drei Jahren hätte er keinen Kontakt mehr zu seiner Familie, weil sie nicht mehr in dem Dorf lebe. Der Grund dafür sei, dass sie ebenfalls von den gleichen Leuten verfolgt und bedroht werde wie der Beschwerdeführer. Der Beschwerdeführer könne nicht nach Pakistan zurückkehren, weil er nicht beweisen könne, dass er aus Pakistan komme. Deshalb würde er auch keine Dokumente von der pakistanischen Botschaft in Wien bekommen. Im Falle einer Rückkehr in seine Heimat habe er Angst um sein Leben.

Am 14.2.2017 wurde der Beschwerdeführer durch das BFA niederschriftlich einvernommen. Dabei gab er über Befragen an, dass er neben seiner Muttersprache Punjabi auch Urdu und Deutsch spreche. Er sei gesund. Im Herkunftslandhabe er keine Familienangehörigen oder Verwandten. Seit zwei Jahren habe er keinen Kontakt mit seiner Familie, er wisse auch nicht, wo sie sei. Im Heimatland sei er in der Schule und dann ein Jahr an der Universität gewesen. Geld habe er von seiner Familie bekommen. Er wisse nicht, ob er zum jetzigen Zeitpunkt seinen Lebensunterhalt im Heimatland auf dieselbe Art und Weise wie vor Verlassen des Heimatlandes bestreiten könnte. In Österreich lebe er vom Geld der Caritas. Er gehe nicht arbeiten. Er sei am 2.4.1998nach Österreich gekommen und sei seitdem hier. Zu den Schritten seiner Integration in Österreich befragt gab der Beschwerdeführer an, dass er versucht habe zu arbeiten. Er habe nämlich keine Arbeitserlaubnis. Er sei auch in der Schule gewesen und habe gelernt. Er habe mehr machen wollen, hätte sich aber so schlecht gefühlt, weil er keine Arbeit habe. Er mache Sport und sei in einem Cricketverein. Fußball spiele er mit seinen Freunden. Seine Freunde seien aus Pakistan und der Türkei.

Zu den Gründen für seinen neuerlichen Asylantrag führte er aus, dass er keinen Ausweis gehabt hätte. Er hätte einen Führerschein gehabt, den er aber verloren habe. Deswegen habe er sich gedacht, er stelle einen Asylantrag, damit er wieder einen Ausweis habe. Außerdem wolle er in Österreich bleiben. Jedes Mal, wenn er daran denke, Österreich zu verlassen, mache ihn das psychisch schlecht. Auf weiteres Befragen gab der Beschwerdeführer an, dass sich in Bezug auf sein Vorbringen im Erstverfahren, dass er von Mitgliedern der MSF gesucht werde, nichts verändert habe.

Die Familie des Beschwerdeführers sei nicht mehr im Dorf. Sie hätte es wegen der Partei verlassen. Der Beschwerdeführer habe zwei Bekannte aus Pakistan. Einer habe letztes Jahr nach seiner Familie im Dorf gesucht und die Nachbarn hätten gesagt, dass seine Familie weg sei. In Österreich habe er keine Familienangehörigen oder Verwandten. Zu Österreich bestehe auch kein finanzielles oder sonstiges Abhängigkeitsverhältnis. Der Beschwerdeführer lebe nicht in einer Familiengemeinschaft oder in einer familienähnlichen Lebensgemeinschaft. Auf die Frage, inwieweit sein Familien- und Privatleben betroffen wäre, wenn er Österreich verlassen sollte, gab der Beschwerdeführer keine Antwort. In den letzten 20 Jahren habe er in Österreich offiziell nichts gemacht. Er sei immer draußen spazieren, koche, spiele Fußball. Ergänzend brachte der Beschwerdeführer vor, dass er schon lange in Österreich sei.

Mit Schriftsatz vom 21.2.2017 erstattete der Beschwerdeführer eine Stellungnahme. Zusammengefasst geht daraus hervor, dass der Beschwerdeführer sich seit 2.4.1998, also bereits seit über 18 Jahren durchgängig in Österreich aufhalte. Eine Rückkehrentscheidung nach solch einem langen Aufenthalt sei nur dann zulässig, wenn sich der Fremde überhaupt nicht in Österreich integriert habe, wovon im Falle des Beschwerdeführers keinesfalls ausgegangen werden könne. Der Beschwerdeführer sei sprachlich integriert, wofür auch die Tatsache spreche, dass die Einvernahme vom 14.2.2017 durchwegs auf Deutsch geführt worden sei. Dazu werde ein B1-Sprachzeugnis vorgelegt. Der Umstand, dass sich der Beschwerdeführer schlecht fühle, weil er aufgrund der fehlenden Arbeitserlaubnis nicht arbeiten dürfe, sei als starkes Indiz für seine Arbeitswilligkeit zu deuten. Nach Erteilung einer Arbeitserlaubnis werde der Beschwerdeführer die Möglichkeit haben, in den Arbeitsmarkt einzusteigen, was ein der Stellungnahme angehängter Arbeitsvorvertrag beweise. Der Beschwerdeführer habe in seinem privaten Lebensbereich weitreichende Lebensbeziehungen aufgebaut. Sein Lebensmittelpunkt liege eindeutig in Österreich, er spiele regelmäßig Fußball mit Freunden und spiele auch in einem Cricketverein. Dem Beschwerdeführer würden die Bindungen zum Herkunftsstaat fehlen. Er habe seit über zwei Jahren keinerlei Kontakte zu seiner Familie mehr. Seine Familie würde den Kontakt auch nicht aktiv suchen, da sie aufgrund des Fluchtvorbringens des Beschwerdeführers so viele Probleme gehabt hätte. Der Beschwerdeführer besitze daher in Österreich ein weit stärker schützenswertes Privatleben als in Pakistan. Er lebe seit fast 20 Jahren in Österreich und habe keinerlei sozialen Bindungen mehr zu seinem Herkunftsstaat.

Der Stellungnahme beigelegt wurden ein Deutschzertifikat B1 des Internationalen Kulturinstitutes vom 28.9.2015 und ein Arbeitsvorvertrag als Küchenhilfe.

Mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid vom 31.3.2017 wies das BFA den Antrag des Beschwerdeführers auf internationalen Schutz wegen entschiedener Sache gemäß § 68 Abs. 1 AVG zurück (Spruchpunkt I.). Ein Aufenthaltstitelaus berücksichtigungswürdigen Gründen wurde ihm gemäß § 57 AsylG nicht erteilt. Gemäß § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG iVm § 9 BFA-VG wurde gegen ihn eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 FPG erlassen. Gemäß § 52 Abs. 9 FPG wurde festgestellt, dass seine Abschiebunggemäß § 46 FPG nach Pakistan zulässig sei (Spruchpunkt II.). Gemäß § 55 Abs. 1a FPG bestehe keine Frist für die freiwillige Ausreise (Spruchpunkt III.).

Nach Darstellung des Verfahrensganges stellte die belangte Behörde zusammengefasst fest, dass die Identität des Beschwerdeführers nicht feststehe und er Staatsangehöriger von Pakistan sei. Er sei nicht integriert. Ein neuer entscheidungsrelevanter Sachverhalt habe nicht festgestellt werden können. Es liege kein Familienleben vor. Der Beschwerdeführer verfüge in Österreich über keine familiären bzw. verwandtschaftlichen Anknüpfungspunkte. Seine Einreise sei illegal erfolgt. In ihrer Beweiswürdigung führte die belangte Behörde aus, dass offensichtlich keine besondere Integrationsverfestigung des Beschwerdeführers in Österreich bestehe. Seit seiner illegalen Einreise habe er zu keinem Zeitpunkt seines Aufenthalts in Österreichdavon ausgehen können, dass ihm ein nicht auf das Asylgesetz gestütztes Aufenthaltsrechts in Österreich zukommen würde. Gewichtige Interessen an einem Verbleib in Österreich habe er nicht vorgebracht. Rechtlich führte die belangte Behörde aus, dass kein Eingriff in das Recht auf Achtung des Familienlebens nicht hätte festgestellt werden können. Aufgrund des bisherigen Aufenthalts und der Tatsache, dass der Beschwerdeführer sich in das Bundesgebiet begeben habe bzw. das Interesse erkennen lasse, weiterhin hier zu verweilen, seien aber private Interessen an einem weiteren Aufenthalt im Bundesgebiet ableitbar. Die Dauer seines Aufenthaltes beschränke sich auf dem Beschwerdeführer zurechenbare Handlungen, wie das Stellen eines letztlich unbegründeten und zurückgewiesenen Antrages auf internationalen Schutz. Ein durch besondere Umstände qualifiziertes privates Interesse an einem Aufenthalt im Bundesgebiet liege nicht vor. Es würden keine Hinweise dafür vorliegen, dass der Beschwerdeführer in die hiesigen Verhältnisse hineingewachsen sei und sich gleichzeitig von seinem Heimatland entfremdet hätte. Er spreche die in seinem Heimatland gesprochenen Sprachen nach wie vor besser als Deutsch; die Einvernahme habe der Beschwerdeführer größtenteils in Deutsch absolviert, bei konkreten Fragen sei eine Beantwortung jedoch nur unter Hinzuziehung eines Dolmetschers möglich gewesen. Der Beschwerdeführer spiele in einem Cricketverein und Fußball. Seine Kameraden würden aus Pakistan und der Türkei stammen. Seit dem 30.6.2011 bestehe eine rechtskräftige Rückkehrentscheidung gegen den Beschwerdeführer, der Großteil seines Aufenthaltes in Österreich sei unrechtmäßig. Den überwiegenden Teil seines bisherigen Lebens habe er nicht in Österreich verbracht. In Österreich sei er teilweise berufstätig gewesen. Eine Gesamtabwägung der Interessen habe ergeben, dass dem Interesse des Beschwerdeführers an einem weiteren Aufenthalt in Österreich ein wesentlich geringerer Stellenwert zukomme als dem öffentlichen Interesse an der Beendigung seines Aufenthalts.

Gegen diesen Bescheid erhob der Beschwerdeführer mit Schriftsatz seines damaligen rechtsfreundlichen Vertreters vom 10.5.2017 fristgerecht Beschwerde. Darin wird im Wesentlichen ausgeführt, dem Bescheid liege eine unrichtige Tatsachenfeststellung infolge eines mangelhaften Ermittlungsverfahrens und fehlerhafte Beweiswürdigung zugrunde. Die belangte Behörde stütze sich auf unvollständige Länderberichte und habe es verabsäumt, weitere - in der Beschwerde genannte - Berichte heranzuziehen. Die Beweiswürdigung der belangten Behörde sei unschlüssig und aktenwidrig. Die vorliegenden Länderberichte seien fehlerhaft gewürdigt worden. Im Falle einer Rückkehr des Beschwerdeführers nach Pakistan würde er in eine existenzielle Notlage geraten und ein Überleben unter menschenwürdigen Bedingungen wäre nicht zu gewährleisten. Der Beschwerdeführer habe 2014 erfahren, dass seine Familie weggezogen sei. 2016 habe er einen Freund beauftragt, herauszufinden, ob sich seine Familie möglicherweise doch noch im Ortbefinde. Der Beschwerdeführer habe sich bemüht, neue Identitätsdokumente zu besorgen, die pakistanische Vertretungsbehörde habe aber trotz seiner Angaben keine Ersatzdokumente erstellen können. Zur Integrationsverfestigung des Beschwerdeführers wurde auf die Stellungnahme vom 21.2.2017 verwiesen und wurde dem hinzugefügt, dass sich der Beschwerdeführer bereits früher um eine Arbeitsstelle bemüht habe, seine ca. 10 Bewerbungen allerdings erfolglos geblieben seien. Der Beschwerdeführer befinde sich seit 1998 ununterbrochen in Österreich. Er bemühe sich, sich in die österreichische Gesellschaft zu integrieren und ein eigenes Leben in Österreich aufzubauen. Dabei sei es ihm insbesondere wichtig, eine geeignete Arbeitsstelle zu finden. Von einem unzureichenden Integrationswillen könne keinesfalls ausgegangen werden.

Die Beschwerde wurde dem Bundesverwaltungsgericht am 15.5.2017 vorgelegt und langte am 16.5.2017 in der Außenstelle Linz ein.

Mit Beschluss des Bundesverwaltungsgerichtes vom 18.5.2017 wurde der Beschwerde gemäß § 17 Abs. 1 BFA-VG die aufschiebende Wirkung zuerkannt.

Das Bundesverwaltungsgericht führte am 7.3.2019 in Anwesenheit des Beschwerdeführers und seines Rechtsvertreters eine mündliche Verhandlung durch. Im Zuge der Verhandlung monierte der Rechtsvertreter, dass die Ausfertigung des Bescheides vom 31.3.2017, die dem Beschwerdeführer zugestellt worden sei, keine Unterschrift aufweise und auch nicht amtssigniert sei. Der Richter hielt fest, dass die Urschrift unterschrieben sei, was der Rechtsvertreter bestätigte. Der Rechtsvertreterführte aus, dass die Beschwerde als unzulässig zurückgewiesen werden müsste. Darüber hinaus sei im Bescheid auch nicht über den subsidiären Schutz abgesprochen worden.

Nach Rücksprache mit dem Beschwerdeführer wurde die Beschwerde gegen den Spruchpunkt I. des angefochtenen Bescheides (Zurückweisung wegen entschiedener Sache gemäß § 68 AVG) vom Rechtsvertreter zurückgezogen. Im Zuge der Verhandlung legte der Rechtsvertreter - neben zu einem früheren Zeitpunkt bereits vorgelegten Unterlagen - ein Schreiben der Diakonie - Flüchtlingsdienst gem. GmbH vom 6.3.2019 über die Integration des Beschwerdeführers vor. Aktuelle Länderberichte wurden dem Beschwerdeführer und dem Rechtsvertreter gemeinsam mit der Ladung zur mündlichen Verhandlung übermittelt. Eine Stellungnahme hiezu wurde nicht abgegeben.

Mit Schreiben der Landespolizeidirektion Wien vom 3.4.2019 wurde dem Bundesverwaltungsgericht eine Aufstellung der verwaltungsstrafrechtlichen Vormerkungen des Beschwerdeführers übermittelt.

Nach Kontaktaufnahme mit der zuständigen Referentin des BFA wurde dem Bundesverwaltungsgericht eine Ausfertigung des angefochtenen Bescheides sowie eine Verfahrensanordnung vom 31.3.2017 per E-Mail übermittelt. Daraus geht hervor, dass die Ausfertigung des Bescheides mit einer Amtssignatur vom 31.3.2017 versehen ist. Weiters übermittelt wurde eine E-Mail-Korrespondenz zwischen dem BFA und der Landespolizeidirektion Wien, in der das BFA die Landespolizeidirektion Wien am26.4.2017 um die dringende Ausfolgung (unter anderem) des angefochtenen Bescheides ersucht. Dem der Landespolizeidirektion Wien diesbezüglich übermittelten E-Mail ist der zur Ausfolgung an den Beschwerdeführer bestimmte - nunmehr angefochtene - Bescheid samt Amtssignatur als PDF-Dokument angeschossen.

Am 9.4.2019 legte das BFA eine Ausfertigung eines Protokolls- und Urteilsvermerks des Bezirksgerichtes Innere Stadt Wien vom 19.3.2019, Zl. 17 U 19/19 m, über eine Verurteilung des Beschwerdeführers wegen des Vergehens des versuchten Diebstahls gemäß §§ 15, 127 StGB vor.

Am 12.4.2019 legte der Rechtsvertreter des Beschwerdeführers eine Urkunde des Bezirksgerichtes Innere Stadt Wien vom 25.3.2019 über die bedingte Strafnachsicht hinsichtlich der mit Urteil vom 19.3.2019, Zl. 17 U 19/19m, verhängten Freiheitsstrafe vor. Weiters wurden ein Schreiben samt Terminbestätigung der Diakonie - Flüchtlingsdienst gem. GmbH vom 2.4.2019 hinsichtlich einer Alkoholtherapie, ein ÖSD-Zeugnis zur Integrationsprüfung A2 vom 20.3.2019 sowie eine Anmeldebestätigung für einen Deutschkurs B1 der AWZ Soziales Wien GmbH vorgelegt.

Mit Schreiben des Bundesverwaltungsgerichtes vom 20.5.2019 wurde der Rechtsvertreter des Beschwerdeführers zur Wahrung des Parteiengehörs vom Ergebnis der Beweisaufnahme verständigt, wobei ihm der Bescheid des BFA vom31.3.2017 mit Amtssignatur übermittelt und ihm die Gelegenheit zur Abgabe einer Stellungnahme binnen zwei Wochen gegeben wurde. Eine Stellungnahme langte nicht ein.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

1.1 Zur Person des Beschwerdeführers:

Der Beschwerdeführer trägt den im Spruch angeführten Namen und wurde am dort angeführten Datum geboren. Seine Identität steht nicht fest. Der Beschwerdeführer ist Staatsangehöriger von Pakistan. Er bekennt sich zum sunnitischen Islam. Der Beschwerdeführer spricht Punjabi als Muttersprache sowie Urdu. Er verfügt über Kenntnisse der deutschen Sprache auf dem Niveau B1, die es ihm ermöglichen, sich auf Deutsch zu unterhalten. Der Beschwerdeführer stammt aus dem Dorf XXXX in Gujranwala, Provinz Punjab. Er besuchte fünf Jahre lang die Volksschule und danach sieben Jahre lang die High-School. Anschließend besuchte er für fünf Monate das Secondry College of Science im Privatcollege in Gujranwala und studierte dort Englisch, Physik, Chemie und Biologie.

Der Vater des Beschwerdeführers hatte viele Tiere und einen eigenen Traktor; der Beschwerdeführer unterstützte ihn dabei. Der Beschwerdeführer hat in Pakistan einen Bruder und zwei Schwestern, zuletzt hatte er vor ca. einem Jahr Kontakt zu seinem Bruder. Der Beschwerdeführer ist ledig und hat keine Kinder. Der Beschwerdeführer hat Kontakt zu Freunden in Pakistan. Dem Beschwerdeführer kann Kontakt mit seiner Familie aufnehmen in Pakistan.

Der Beschwerdeführer befindet sich seit 2.4.1998 in Österreich und stellte am selben Tag seinen ersten Antrag auf internationalen Schutz. Er reiste illegal und schlepperunterstützt in das Bundesgebiet ein. Der Antrag auf internationalen Schutz wurde mit Bescheid des Bundesasylamtes vom 20.5.1998 abgewiesen und festgestellt, dass die Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Beschwerdeführers nach Pakistan zulässig sei.

Mit Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Horn vom 13.10.1998 wurde gegen den Beschwerdeführer eine Ausweisung erlassen, mit der Wirkung, dass der Beschwerdeführer mit der Erlassung (Zustellung) des Bescheides unverzüglich auszureisen habe. Der Bescheid ist in Rechtskraft erwachsen. Der Beschwerdeführer leistete der Ausweisung nicht Folge. Die Vollstreckung der Ausweisung wurde mit einem weiteren Bescheid vom 8.4.1999 bis zum 13.10.1999 aufgeschoben, bis dem Beschwerdeführer mit Schreiben vom 17.4.1999 mitgeteilt wurde, dass die Ausweisung aufgrund seiner vorläufigen Aufenthaltsberechtigung gegenstandslos geworden sei.

Mit Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Korneuburg vom 13.12.2002 wurde gegen den Beschwerdeführer ein bis 12.12.2012 befristetes Aufenthaltsverbot für das Bundesgebiet der Republik Österreich erlassen und ausgesprochen, dass der Beschwerdeführer das Bundesgebiet der Republik Österreich unverzüglich zu verlassen habe. Der Bescheid ist in Rechtskraft erwachsen. Der Beschwerdeführer leistete dem Aufenthaltsverbot nicht Folge.

Mit Erkenntnis des Asylgerichtshofes vom 24.6.2011 wurde die Beschwerde gegen den Bescheid des Bundesasylamtes vom 20.5.1998 rechtskräftig abgewiesen.

Mit Bescheid der Bundespolizeidirektion Wien vom 7.10.2011 wurde gegen den Beschwerdeführer eine Rückkehrentscheidung und ein auf die Dauer von 18 Monaten befristetes Einreiseverbot für den gesamten Schengenraum erlassen. Der Bescheid ist in Rechtskraft erwachsen. Der Beschwerdeführer leistete der Rückkehrentscheidung nicht Folge.

Der Antrag des Beschwerdeführers vom 14.8.2014 auf Ausstellung einer Duldungskarte wurde durch das BFA am 7.3.2017 abgewiesen.

Mit dem angefochtenen Bescheid des BFA vom 31.3.2017 wurde der Antrag des Beschwerdeführers auf internationalen Schutz zurückgewiesen und eine Rückkehrentscheidung erlassen. Die dem Beschwerdeführer zugestellte Ausfertigung des Bescheides ist mit einer Amtssignatur versehen.

In Österreich befinden sich keine Familienmitglieder oder Verwandten des Beschwerdeführers. Der Beschwerdeführer lebt nicht in einer Lebensgemeinschaft oder mit einer ihm sonst nahestehenden Person zusammen. Im Zeitraum von 4.4.2006 bis 10.5.2006 war der Beschwerdeführer als Arbeiter beschäftigt, in den Zeiträumen von 10.7.2012 bis 20.7.2012, von 30.10.2012 bis 5.11.2012 sowie von 10.8.2016 bis 7.11.2016 war er als Arbeiter geringfügig beschäftigt, wobei eben nur für die Zeit vom 30.10.2012 bis zum 5.11.2012 Beitragsgrundlagen vorhanden sind. Seither geht der Beschwerdeführer keiner Beschäftigung nach. Er bezieht seit dem Jahr 2004 Leistungen aus der Grundversorgung. Seit dem Jahr 2013 erhält er Unterkunft durch die Diakonie Flüchtlingsdienst gem. GmbH. Der Beschwerdeführer hat am 28.9.2015 eine Deutschprüfung auf dem Niveau B1 bestanden. Am 20.3.2019 legte er erfolgreich eine Integrationsprüfung bestehend aus Inhalten zur Sprachkompetenz (Niveau A2) und zu Werte- und Orientierungswissen ab. Weitere Kurse oder Ausbildungen absolvierte er in Österreich nicht. Der Beschwerdeführer legte einen Arbeitsvorvertrag als Küchenhilfe vor. Er behauptet Mitglied in einem Cricketverein zu sein und behauptet Fußball mit seinen Freunden aus Pakistan und der Türkei zu spielen. Er hat nach eigenen Angaben zwei bis drei österreichische Freunde. Eine tiefergehende freundschaftliche Beziehung zu diesen Personen konnte nicht festgestellt werden. Seine Freunde besucht er nicht oft. Der Beschwerdeführer übermittelte dem erkennenden Gericht mit Schreiben vom 11.4.2019 einen Termin für eine Alkoholtherapie für den gleichen Tag. Es konnte nicht festgestellt werden, dass der Beschwerdeführer sich regelmäßig in Therapie befindet.

Der Beschwerdeführer weist folgende gerichtliche Vorstrafen auf:

* Mit Urteil des Landesgerichtes Korneuburg vom 1.10.2002, rechtskräftig am selben Tag, 603 Hv 23/02a, wurde der Beschwerdeführer wegen des Verbrechens des gewerbsmäßigen Diebstahls durch Einbruch nach den §§ 127, 129 Z 2 und 130 dritter Fall StGB zu einer Freiheitsstrafe von 14 Monaten (davon zehn Monate bedingt) verurteilt.

* Mit Urteil des Bezirksgerichtes Favoriten vom 12.5.2005, rechtskräftig am 18.5.2005, 33 U 207/04h, wurde der Beschwerdeführer wegen des Vergehens der Entfremdung unbarer Zahlungsmittel nach § 241e Abs. 3 StGB zu einer bedingten Freiheitsstrafe von zwei Monaten verurteilt.

* Mit Urteil des Bezirksgerichtes Innere Stadt Wien vom 9.10.2006, rechtskräftig am 13.10.2006, 13 U 373/06x, wurde der Beschwerdeführer wegen des Vergehens der Hehlerei nach § 164 Abs. 1 StGB zu einer Freiheitsstrafe von drei Monaten verurteilt.

* Mit Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen Wien vom 9.12.2008, rechtskräftig am selben Tag, 64 Hv 145/08y, wurde der Beschwerdeführer wegen der Vergehen der versuchten Nötigung nach §§ 15, 105 Abs. 1 StGB, der Veruntreuung nach § 133 Abs. 1 StGB, der Urkundenunterdrückung nach § 229 Abs. 1 StGB, des unerlaubten Umgangs mit Suchtgiften nach § 27 Abs. 1 Z 1, erster und zweiter Fall SMG sowie des unerlaubten Umgangs mit Suchtgiften nach § 27 Abs. 1 Z 1 und Z 2 und Abs. 2 SMG zu einer Freiheitsstrafe von sechs Monaten verurteilt. Die bedingte Strafnachsicht zu der Verurteilung des Bezirksgerichtes Favoriten vom 12.5.2005 wurde widerrufen.

* Mit Urteil des Bezirksgerichtes Innere Stadt Wien vom 19.3.2019, 17 U 19/19m, wurde der Beschwerdeführer wegen des Vergehens des versuchten Diebstahls nach §§ 15, 127 StGB rechtskräftig zu einer bedingten Freiheitsstrafe von fünf Monaten verurteilt.

Der Beschwerdeführer hat - soweit ermittelbar - folgende Verwaltungsübertretungen begangen:

* Mit Straferkenntnis der Bundespolizeidirektion Wien vom 27.3.2012, rechtskräftig am 18.4.2012, wurde über den Beschwerdeführer wegen Lenkens eines Kraftfahrzeuges, obwohl ihm die erforderliche Lenkberechtigung entzogen worden war, gemäß § 1 Abs. 3 FSG eine Geldstrafe in Höhe von EUR 1.100,-- verhängt.

* Mit Straferkenntnis der Bundespolizeidirektion Wien vom 26.4.2012, rechtskräftig am 20.5.2012, wurde über den Beschwerdeführer wegen Lenkens eines Kraftfahrzeuges, ohne die dafür erforderliche Lenkberechtigung zu besitzen, gemäß § 1 Abs. 3 iVm § 37 Abs. 1 und 3 Z 1 FSG eine Geldstrafe in Höhe von EUR 990,-- verhängt.

* Mit Straferkenntnis der Bundespolizeidirektion Wien vom 13.6.2012, rechtskräftig am 25.8.2012, wurde über den Beschwerdeführer wegen Lenkens eines Kraftfahrzeuges, ohne die dafür erforderliche Lenkberechtigung zu besitzen, gemäß § 1 Abs. 3 iVm § 37 Abs. 1 und 3 Z 1 FSG eine Geldstrafe in Höhe von EUR 363,-- verhängt.

* Mit Straferkenntnis der Landespolizeidirektion Wien vom 17.12.2012, rechtskräftig am 22.1.2013, wurde über den Beschwerdeführer wegen Lenkens eines Kraftfahrzeuges, ohne die dafür erforderliche Lenkberechtigung zu besitzen, gemäß § 1 Abs. 3 iVm § 37 Abs. 1 und 3 Z 1 FSG eine Geldstrafe in Höhe von EUR 1.500,-- verhängt.

* In den Jahren 2016 und 2017 wurden über den Beschwerdeführer durch die Landespolizeidirektion Wien rechtskräftig zwei Verwaltungsstrafen in Höhe von jeweils EUR 800,-- wegen § 99 Abs. 1b iVm § 5 Abs. 1 StVO (Lenken oder Inbetriebnahme eines Fahrzeuges in einem durch Alkohol oder Suchtgift beeinträchtigten Zustand) verhängt.

* In den Jahren 2001, 2002, 2006, 2011 und 2012 wurde der Beschwerdeführer mehrmals bei der Ausübung einer illegalen Beschäftigung betreten.

Es kann unter Berücksichtigung aller bekannten Umstände und Beweismittel nicht festgestellt werden, dass eine Zurückweisung, Zurück- oder Abschiebung des Beschwerdeführers nach Pakistan eine reale Gefahr einer Verletzung der EMRK bedeuten würde oder für den Beschwerdeführer als Zivilperson eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit mit sich bringen würde.

Eine berücksichtigungswürdige Integration kann nicht festgestellt werden.

1.2 Länderfeststellungen:

Politische Lage

Pakistan ist ein Bundesstaat der sich aus den vier Provinzen Punjab, Sindh, Belutschistan und Khyber Pakhtunkhwa zusammensetzt. Das Hauptstadtterritorium Islamabad ("Islamabad Capital Territory") ist eine eigene Verwaltungseinheit unter Bundesverwaltung. Für die "Federally Administered Tribal Areas" (FATA, Stammesgebiete unter Bundesverwaltung) bestimmte bis 28.5.2018 die pakistanische Verfassung, dass die vom Parlament beschlossenen Gesetze nur dann gelten, wenn dies der Präsident explizit anordnet (AA 10.2017a). Am 28.5.2018 unterzeichnete Präsident Mamnoon Hussain die FATA Interim Governance Regulation 2018, die etwa zwei Jahre lang gültig sein wird (NHT 28.5.2018). Am 31.5.2018 wurden die FATA mit Khyber Pakhtunhkhwa vereinigt und die ehemaligen Stammesgebiete werden mittels der FATA Interim Governance Regulation durch die Provinz Khyber Pakhtunkhwa verwaltet (Geo.tv 31.5.2018).

Daneben kontrolliert Pakistan die Gebiete von Gilgit-Baltistan und Azad Jammu & Kashmir (AJK - "freies Kaschmir"), dem auf der pakistanischen Seite der Demarkationslinie ("Line of Control") zwischen Indien und Pakistan liegenden Teil Kaschmirs. Beide Gebiete werden offiziell nicht zum pakistanischen Staatsgebiet gerechnet. Gilgit-Baltistan hat im September 2009 eine Teilautonomie erhalten. Es war bis dahin von Islamabad aus regiert worden. AJK genießt ebenfalls Autonomie, ist aber finanziell und politisch von der Regierung in Islamabad abhängig (AA 10.2017a).

Das Ergebnis der Volkszählung 2017 ergab für Pakistan 207.774.520 Einwohner (PBS 2017a) ohne Berücksichtigung von Azad Jammu & Kashmir und Gilgit Baltistan (TET 25.7.2018). Das Land ist laut CIA World Factbook der sechstbevölkerungsreichste Staat der Welt (CIA 23.2.2018).

Im April 2010 wurde eine weitreichende Verfassungsreform ("Eighteenth Amendment of the Constitution of Pakistan") verabschiedet, die von einem parteiübergreifenden Parlamentsausschuss seit Juni 2009 vorbereitet worden war. Ziel war es, zur Grundgestalt der unter Präsident Zulfikar A. Bhutto 1973 verabschiedeten Verfassung zurückzukehren, die nach zahlreichen Eingriffen der Militärherrscher Zia-ul Haq und Musharraf fast bis zur Unkenntlichkeit verändert worden war. Kernelemente der vorgenommenen Verfassungsänderungen sind eine Stärkung der Position des Ministerpräsidenten bei gleichzeitiger Einschränkung der Machtbefugnisse des Präsidenten, eine Stärkung des Föderalismus durch eine deutliche Ausweitung der Kompetenzen der Provinzen gegenüber der Zentralregierung, eine Stärkung der Unabhängigkeit der Justiz durch ein neues Ernennungsverfahren für die obersten Richter und die Einführung zweier neuer Grundrechte: des Rechts auf Information und des Rechts auf Erziehung (AA 10.2017a).

Die gesetzgebende Gewalt in Pakistan liegt beim Parlament. Das Parlament besteht aus zwei Kammern, der Nationalversammlung und dem Senat. Daneben werden in den Provinzen Pakistans Provinzversammlungen gewählt. Die Nationalversammlung umfasst 342 Abgeordnete, von denen 272 vom Volk direkt gewählt werden. Es gilt das Mehrheitswahlrecht. 60 Sitze sind für Frauen, zehn weitere für Vertreter religiöser Minderheiten reserviert. Die reservierten Sitze werden auf die in der Nationalversammlung vertretenen Parteien entsprechend deren Stimmenanteil verteilt. Die Legislaturperiode dauert fünf Jahre (AA 10.2017a).

Seit 1.8.2017 ist der bisherige Ölminister Shahid Khaqan Abbasi (von der Regierungspartei PML-N) neuer Ministerpräsident. Der bisherige Ministerpräsident Nawaz Sharif war am 28.8.2017 vorzeitig zurückgetreten, nachdem Pakistans Oberster Gerichtshof Sharifs Amtsenthebung angeordnet hatte. Grundlage für die Amtsenthebung ist das Verschweigen von Einkommen aus einer ausländischen Firmenbeteiligung, die Sharif der Wahlkommission bei seiner Registrierung als Kandidat 2013 hätte anzeigen müssen. Die Korruptionsvorwürfe gegen Sharif und seine Familie sind mit der "Panama-Papers-Affäre" verbunden (AA 10.2017a). Im April 2018 wurde Nawaz Sharif von einem fünfköpfigen Anti-Korruptionsgericht auf Lebenszeit von der Übernahme eines öffentlichen Amtes gesperrt (AJ 13.4.2018).

Die letzten Parlamentswahlen fanden am 11.5.2013 statt. Damals löste die Pakistan Muslim League-N (PML-N) unter Parteichef Nawaz Sharif eine von der Pakistan Peoples Party (PPP) geführte Regierung ab. Es war das erste Mal in der Geschichte Pakistans, dass eine zivile Regierung eine volle Legislaturperiode (2008 bis 2013) regieren konnte und dass der demokratische Wechsel verfassungsgemäß ablief. Die PML-N erreichte bei den Wahlen eine absolute Mehrheit der Mandate. Dieses deutliche Ergebnis ist auch auf das in Pakistan geltende Mehrheitswahlrecht zurückzuführen. Landesweit stimmten ca. ein Drittel der Wähler für die PML-N. Zweitstärkste Partei in der Nationalversammlung wurde die PPP, gefolgt von der Pakistan Tehreek-e-Insaf (Pakistanische Bewegung für Gerechtigkeit, PTI) des ehemaligen Cricket-Stars Imran Khan. Die MQM (Muttahida Quami Movement), mit ihren Hochburgen in den beiden Großstädten der Provinz Sindh, Karatschi und Hyderabad, stellt die viertstärkste Fraktion. Am 5.6.2013 wurde Nawaz Sharif vom Parlament zum Ministerpräsidenten gewählt. Für ihn war es, nach 1990 und 1999, die dritte Amtszeit als pakistanischer Regierungschef (AA 10.2017a).

Ebenfalls am 11.5.2013 fanden die Wahlen zu den vier Provinzversammlungen statt. In Punjab, der bevölkerungsreichsten Provinz (ca. 50 % der Bevölkerung Pakistans), errang die PML-N mehr als zwei Drittel der Mandate, der Bruder von Nawaz Sharif, Shahbaz Sharif, wurde in seinem Amt als Chief Minister bestätigt. In Sindh konnte die PPP ihre Vormachtstellung verteidigen, in Khyber Pakhtunkhwa errang die PTI die meisten Mandate und führt dort nun eine Koalitionsregierung. Die Regierung von Belutschistan wird von einem Chief Minister der belutschischen Nationalistenpartei (NP) geführt, die eine Koalition mit der PML-N und weiteren Parteien eingegangen ist (AA 10.2017a).

Am 30.7.2013 wählten beide Kammern des Parlaments und Abgeordnete der Provinzparlamente den PML-N Politiker Mamnoon Hussain zum neuen pakistanischen Staatsoberhaupt, der am 9.9.2013 vereidigt wurde. Hussain löst Asif Ali Zardari als Staatspräsidenten ab, der als erstes Staatsoberhaupt in der Geschichte Pakistans seine Amtszeit geordnet beenden konnte. Der verfassungsmäßige Machtübergang sowohl in der Regierung als auch im Amt des Staatsoberhaupts wurde als wichtiger Beitrag zur Stabilisierung der Demokratie in Pakistan gewürdigt (AA 10.2017a). Die nächsten Parlamentswahlen finden am 15.7.2018 statt (Samaa 20.12.2017).

Im November 2017 blockierten Demonstranten - Mitglieder religiöser Parteien wie Tehreek Labbaik Ya Rasool Allah (TLY), Tehreek-i-Khatm-i-Nabuwwat und Sunni Tehreek Pakistan (ST) 20 Tage lang den Autobahnknoten Fayzabad Interchange in Islamabad. Anlass der Proteste war eine Zeile in der Novelle des Wahlgesetzes (Elections Act 2017), die nach Meinung der Demonstranten den Khatm-i-Nabuwwat-Eid [Anm.: legt die Endgültigkeit des Prophetentums Mohammads fest] veränderte (Dawn 28.11.2017). Nach diesen Änderungen wäre es Ahmadis etwas erleichtert worden, aktiv und passiv an Wahlen teilzunehmen (Nation 19.11.2017). Die Änderung am Eid wurde durch einen Parlamentsbeschluss rückgängig gemacht. Dennoch forderten die Demonstranten den Rücktritt von Justizminister Zahid Hamid. Nachdem der Islamabad High Court (IHC), der Supreme Court sowie verschiedene religiöse Parteiführer aufgefordert hatten, die Proteste zu beenden, hat der IHC letztlich die Distriktverwaltung aufgefordert, die Demonstranten "mit allen nötigen Mitteln" vom Autobahnknoten zu entfernen. Nach mehreren vergeblichen Verhandlungsrunden wurde Innenminister Ahsan Iqbal vom IHC verwarnt, er könne wegen Missachtung eines Gerichtsentscheides angeklagt werden. Weiters stellte der IHC fest, dass die Demonstranten aufgrund der wiederholten Missachtung der Gerichtsanordnung zur Auflösung der Proteste einen "terroristischen Akt" begangen hätten. Nach einem verstrichenen Ultimatum begann die Regierung am 25.11.2017 mit der gewaltsamen Auflösung der Proteste, bei der sechs Personen getötet wurden. Die zur Unterstützung gerufene Armee verweigerte ihr Eingreifen, wodurch weitere Verhandlungen mit den Demonstranten notwendig wurden. Die Blockade wurde aufgelöst, nachdem einigen Forderungen der Demonstranten nachgegeben wurde, Zahid Hamid musste als Justizminister zurücktreten (Dawn 28.11.2017).

Mit der Vereinigung der FATA mit der Provinz Khyber Pakhtunkhwa am 31.5.2018 (Geo.tv 31.5.2018) wurde die Zahl der Abgeordneten in der Provinzversammlung von Khyber Pakhtunkhwa von 124 auf 145 erhöht. Insgesamt wird die ehemalige FATA von 21 Abgeordneten im kommenden Provinzparlament vertreten, davon sind vier Mandate für Frauen und einer für Nicht-Muslime reserviert. Die neue Provinzversammlung von Khyber Pakhtunkhwa wird innerhalb eines Jahres nach den Parlamentswahlen von 2018 erfolgen (Nation 27.5.2018). Die zwölf Sitze der [ehem.] FATA in der Nationalversammlung werden Khyber Pakhtunkhwa zugeschlagen; die Provinz verfügt in der kommenden Legislaturperiode über 60 statt bisher 48 Abgeordnetensitze (Geo.tv 16.5.2018). Politische Parteien durften in den [ehem.] Stammesgebieten (FATA) seit 2011 aktiv werden (USDOS 20.4.2018).

Quellen:

- AA - Auswärtiges Amt (10.2017a): Pakistan - Staatsaufbau und Innenpolitik, https://www.auswaertiges-amt.de/de/aussenpolitik/laender/pakistan-node/-/205010, Zugriff 8.3.2018

- AJ - Al Jazeera (13.4.2018): Pakistani court bans ex-PM Nawaz Sharif from parliament for life, https://www.aljazeera.com/news/2018/04/pakistani-court-bans-pm-nawaz-sharif-parliament-life-180413072707795.html, Zugriff 14.5.2018

- CIA - Central Intelligence Agency (23.2.2018): World Factbook, https://www.cia.gov/library/publications/the-world-factbook/geos/pk.html, Zugriff 8.3.2017

- Dawn (28.11.2017): An overview of the crisis that forced the government to capitulate, https://www.dawn.com/news/1373200/an-overview-of-the-crisis-that-forced-the-government-to-capitulate, Zugriff 26.4.2018

- Geo.tv (16.5.2018): KP Assembly seats to increase to 147 after FATA merger: draft bill, https://www.geo.tv/latest/195723-kp-assembly-seats-to-increase-to-147-after-fata-merger-reveals-draft-bill, Zugriff 1.6.2018

- Geo.tv (31.5.2018): President signs amendment bill, merging FATA with KP, https://www.geo.tv/latest/197519-fata-official-merged-with-kp-as-president-mamnoon-signs, Zugriff 1.6.2018

- Nation, The (19.11.2017): Understanding the Faizabad sit-in, https://nation.com.pk/19-Nov-2017/understanding-the-faizabad-sit-in, Zugriff 16.5.2018

- Nation, the (27.5.2018): KP Assembly approves Fata merger bill, https://nation.com.pk/27-May-2018/kp-assembly-approves-fata-merger-bill, Zugriff 1.6.2018

- NHT - National Herald Tribune (28.5.2018): Mamnoon signs FATA Interim Governance Regulation, 2018, http://dailynht.com/story/43730, Zugriff 29.5.2018

- PBS - Pakistan Bureau of Statistics (2017a): PROVINCE WISE PROVISIONAL RESULTS OF CENSUS - 2017, http://www.pbs.gov.pk/sites/default/files/PAKISTAN%20TEHSIL%20WISE%20FOR%20WEB%20CENSUS_2017.pdf, Zugriff 8.5.2018

- Samaa (20.12.2017): Govt to complete its term; elections to be held in July 2018: PM, https://www.samaa.tv/pakistan/2017/12/govt-complete-term-elections-held-july-2018-pm/, Zugriff 26.4.2018

- TET - The Express Tribune (25.7.2017): 6th census findings: 207 million and counting, https://tribune.com.pk/story/1490674/57-increase-pakistans-population-19-years-shows-new-census/, Zugriff 9.5.2018

- USDOS - US Department of State (20.4.2018): Country Reports on Human Rights Practices for 2017 - Pakistan, https://www.state.gov/documents/organization/277535.pdf, Zugriff 23.4.2018

Sicherheitslage

Zentrales Problem für die innere Sicherheit Pakistans bleibt die Bedrohung durch Terrorismus und Extremismus. Seit Jahren verüben die Taliban und andere terroristische Organisationen schwere Terroranschläge, von denen vor allem die Provinzen Khyber Pakhtunkhwa und Belutschistan, aber auch pakistanische Großstädte wie Karatschi, Lahore und Rawalpindi betroffen sind. Die Terroranschläge richten sich vor allem gegen Einrichtungen des Militärs und der Polizei. Opfer sind aber auch politische Gegner der Taliban, Medienvertreter, religiöse Minderheiten, Schiiten sowie Muslime, die nicht der strikt konservativen Islam-Auslegung der Taliban folgen, wie z. B. die Sufis (AA 10.2017a). Landesweit ist die Zahl der terroristischen Angriffe seit 2013 kontinuierlich zurückgegangen, wobei der Rückgang 2017 nicht so deutlich ausfiel wie im Jahr zuvor und auch nicht alle Landesteile gleich betraf. In Belutschistan und Punjab stieg 2017 die Zahl terroristischer Anschläge, die Opferzahlen gingen jedoch im Vergleich zum Vorjahr auch in diesen Provinzen zurück (PIPS 1.2018 S 21f).

Die pakistanischen Taliban hatten in einigen Regionen an der Grenze zu Afghanistan über Jahre eigene Herrschaftsstrukturen etabliert und versucht, ihre extrem konservative Interpretation der Scharia durchzusetzen (AA 20.10.2017). Seit Ende April 2009, als die Armee die vorübergehende Herrschaft der Taliban über das im Norden Pakistans gelegene Swat-Tal mit einer Militäraktion beendete, haben sich die Auseinandersetzungen zwischen dem pakistanischen Militär und den pakistanischen Taliban verschärft. Von Oktober bis Dezember 2009 wurden die Taliban aus Süd-Wasiristan (ehem. Federally Administered Tribal Areas - FATA) vertrieben, einer Region, die von ihnen jahrelang kontrolliert worden war. 2013 lag der Schwerpunkt der Auseinandersetzungen auf dem Tirah-Tal unweit Peshawar, wo die Taliban zunächst die Kontrolle übernehmen konnten, bevor sie vom Militär wieder vertrieben wurden (AA 10.2017a).

Die Regierung von Ministerpräsident Nawaz Sharif hatte sich zunächst, mandatiert durch eine Allparteienkonferenz, um eine Verständigung mit den pakistanischen Taliban auf dem Verhandlungsweg bemüht. Da sich ungeachtet der von der Regierung demonstrierten Dialogbereitschaft die schweren Terrorakte im ganzen Land fortsetzten, wurde der Dialogprozess im Juni 2014, nach Beginn einer umfassenden Militäroperation in Nord-Wasiristan abgebrochen. Die Militäroperation begann am 15.4.2014 in der bis dahin weitgehend von militanten und terroristischen Organisationen kontrollierten Region Nord-Wasiristan, in deren Verlauf inzwischen die Rückzugsräume und Infrastruktur der aufständischen Gruppen in der Region weitgehend zerstört werden konnten (AA 10.2017a). Durch verschiedene Operationen der Sicherheitskräfte gegen Terrorgruppen in den [ehem.] Stammesgebieten (Federally Administered Tribal Areas - FATA) konnte dort das staatliche Gewaltmonopol überwiegend wiederhergestellt werden. Viele militante Gruppen, insbesondere die pakistanischen Taliban, zogen sich auf die afghanische Seite der Grenze zurück und agitieren von dort gegen den pakistanischen Staat (AA 20.10.2017).

Durch die Militäroperation wurden ca. 1,5 Millionen Menschen vertrieben. Die geordnete Rückführung der Binnenvertriebenen in die betroffenen Regionen der Stammesgebiete, die Beseitigung der Schäden an der Infrastruktur und an privatem Eigentum ebenso wie der Wiederaufbau in den Bereichen zivile Sicherheitsorgane, Wirtschaft, Verwaltung und Justiz stellen Regierung, Behörden und Militär vor große Herausforderungen (AA 20.10.2017).

Im Gefolge des schweren Terrorangriffs auf eine Armeeschule in Peshawar am 16.12.2014, bei dem über 150 Menschen, darunter über 130 Schulkinder, ums Leben kamen und für den die pakistanischen Taliban die Verantwortung übernahmen, haben Regierung und Militär mit Zustimmung aller politischen Kräfte des Landes ein weitreichendes Maßnahmenpaket zur Bekämpfung von Terror und Extremismus beschlossen. Es umfasst u. a. die Aufhebung des seit 2008 geltenden Todesstrafen-Moratoriums für Terrorismus-Straftaten, die Einführung von Militärgerichten zur Aburteilung ziviler Terrorismus verdächtiger und Maßnahmen gegen Hassprediger, Terrorfinanzierung, etc. Ferner sind Ansätze erkennbar, konsequenter als bisher gegen extremistische Organisationen unterschiedlicher Couleur im ganzen Land vorzugehen und die staatliche Kontrolle über die zahlreichen Koranschulen (Madrassen) zu verstärken (AA 10.2017a).

2016 wurden weiterhin Anti-Terroroperationen in den Agencies Khyber und Nord-Wasiristan durchgeführt, um aufständische Feinde des Staates zu eliminieren. Militärische, paramilitärische und zivile Sicherheitskräfte führten landesweit Operationen durch. Sicherheitskräfte, inklusive der paramilitärischen Sindh Rangers, verhafteten Verdächtige und vereitelten Anschlagspläne in Großstädten wie Karatschi. Operationen der paramilitärischen Rangers gegen Terrorismus und Kriminalität führten zu geringeren Ausmaßen an Gewalt und in Karatschi, jedoch wurden in den Medien Vorwürfe veröffentlicht, dass die Rangers gegen bestimmte politische Parteien auch aus politischen Gründen vorgingen (USDOS 7.2017).

Spezialisierte Einheiten der Exekutive leiden unter einem Mangel an Ausrüstung und Training, um die weitreichenden Möglichkeiten der Anti-Terrorismus-Gesetzgebung durchzusetzen. Die Informationsweitergabe zwischen den unterschiedlichen Behörden funktioniert nur schleppend. Anti-Terror-Gerichte sind langsam bei der Abarbeitung von Terrorfällen, da die Terrorismusdelikte sehr breit definiert sind. In Terrorismusprozessen gibt es eine hohe Rate an Freisprüchen. Dies liegt auch daran, dass Staatsanwälte in Terrorismusfällen eine untergeordnete Rolle spielen und die Rechtsabteilungen von militärischen und zivilen Einrichtungen Ermittlungen behindern. Ebenso werden Zeugen, Polizei, Opfer, Ankläger, Anwälte und Richter von terroristischen Gruppen eingeschüchtert (USDOS 7.2017).

Für das erste Quartal 2018 (1.1. bis 31.3.) registrierte PIPS landesweit 76 terroristische Angriffe, bei denen 105 Personen ums Leben kamen und 171 Personen verletzt wurden. Unter den Todesopfern befanden sich 44 Zivilisten, 28 Polizisten, 31 Mitglieder von Grenzschutz oder Rangers, zwei Steuereintreiber sowie zehn Aufständische (Aggregat aus: PIPS 6.4.2018; PIPS 6.3.2018; PIPS 5.2.2018).

Die verschiedenen militanten, nationalistisch-aufständischen und gewalttätigen religiös-sektiererischen Gruppierungen führten 2017 370 terroristische Angriffe in 64 Distrikten Pakistans durch. Dabei kamen 815 Menschen ums Leben und weitere 1.736 wurden verletzt. Unter den Todesopfern waren 563 Zivilisten, 217 Angehörige der Sicherheitskräfte und 35 Aufständische. 160 (43 %) Angriffe zielten auf staatliche Sicherheitskräfte, 86 (23 %) auf Zivilisten, 22 waren religös-sektiererisch motiviert, 16 Angriffe zielten auf staatliche Einrichtungen, 13 waren gezielte Angriffe auf politische Persönlichkeiten oder Parteien, zwölf waren Angriffe auf regierungsfreundliche Stammesälteste, zehn Angriffe betrafen nicht-belutschische Arbeiter oder Siedler in Belutschistan und neun betrafen Journalisten oder Medienvertreter (PIPS 1.2018 S 17f).

2015 gab es 625 Terrorakte in 76 Distrikten/Regionen in Pakistan, 48 % weniger als 2014. Mindestens 1.069 Menschen verloren dabei ihr Leben, 38 % weniger als 2014, 1443 Personen wurden verletzt, 54 % weniger als 2014. Unter den Todesopfern waren 630 Zivilisten, 318 Angehörige der Sicherheits- und Rechtsdurchsetzungsbehörden und 121 Aufständische (PIPS 3.1.2016). Im Jahr 2016 ging die Zahl der Terroranschläge um weitere 28 % auf 441 zurück, betroffen waren 57 Distrikte. Getötet wurden dabei 908 Personen. Der Umstand, dass ein Rückgang von 28 % bei der Zahl der Anschläge nur einen leichten Rückgang von 12 % bei den Todesopfern mit sich brachte, zeigt auch, dass den Aufständischen einige größere Anschläge gelingen konnten. Zu Tode kamen 545 Zivilisten, 302 Angehörige der Sicherheitskräfte und 61 Aufständische (PIPS 1.2017).

Die Situation verbesserte sich kontinuierlich seit 2013 und der Trend setzte sich auch 2017 fort. Dies lässt sich Großteils auf landesweite, umfassende Operationen gegen Aufständische durch die Sicherheitsbehörden als Teil des National Action Plan (NAP) zurückführen, beispielsweise von den Militäroperationen in den [ehem.] FATA zu den von den Rangers angeführten gezielten Operationen in Karatschi (PIPS 1.2018 S 17ff).

Etwa 58 % (213 von 370) aller Anschläge mit 604 Toten und 1374 Verletzten wurden von Tehreek-e-Taliban Pakistan (TTP) und ihren Splittergruppen bzw. Gruppen mit ähnlichen Zielen in den [ehem.] FATA und Khyber Pakhtunkhwa wie die Lashkar-e-Islam sowie von IS-Unterstützern durchgeführt. Nationalistische Gruppierungen führten 138 Anschläge durch, vorwiegend in Belutschistan, und einige wenige in Sindh, dabei kamen 140 Menschen ums Leben und 265 Menschen wurden verletzt. 19 Anschläge mit 71 Toten und 97 Verletzten wurden durch religiös-sektiererische Gruppen durchgeführt (PIPS 1.2018 S 17).

Insgesamt gab es im Jahr 2017 in Pakistan, inklusive der Anschläge, 713 Vorfälle von für die Sicherheitslage relevanter Gewalt (2016: 749; -5 %), darunter 75 operative Schläge der Sicherheitskräfte (2016: 95), 68 Auseinandersetzungen zwischen Sicherheitskräften und Aufständischen (2016: 105), 171 Auseinandersetzungen an den Grenzen mit Indien, Afghanistan und Iran (2016: 74) und vier Vorfälle von ethnischer oder politischer Gewalt (2016: zwölf) (PIPS 1.2018 S 20; Zahlen für 2016: PIPS 1.2017). Die Zahl der bei diesen Vorfällen getöteten Personen sank um 15 % auf 1.611 von 1.887 im Jahr 2016, die Zahl der verletzten Personen stieg jedoch im selben Zeitraum um 13 % von 1.956 auf 2.212 (PIPS 1.2018 S 20). Im Jahr 2016 gab es im Vergleich zu 2015 32 % weniger Vorfälle und 46 % weniger Todesopfer (PIPS 1.2017).

Im Jahr 2017 wurden 75 operative Schläge und Razzien (2016: 95; -21 %) in 28 Distrikten oder Regionen Pakistans durchgeführt (2016: 35), davon 39 in Belutschistan (2016: 38), 18 in den [ehem.] FATA (2016: 24), acht in Khyber Pakhtunkhwa (2016: fünf), sieben im Punjab (2016: 13) und drei in Karatschi (2016: 15). 296 Menschen wurden dabei getötet (2016: 492), davon 281 Aufständische (2016: 481) (PIPS 1.2018 S 23; Zahlen für 2016: PIPS 1.2017). Im Jahr 2015 wurden 143 Sicherheitsoperationen in 31 Distrikten mit 1.545 Todesopfern durchgeführt (PIPS 1.2017).

Es scheint, dass sich nun erfolgreich eine Null-Toleranz-Sicht in Staat und Gesellschaft gegenüber Terror durchsetzt. Die Sicherheitseinrichtungen sind weiterhin mit vielschichtigen Herausforderungen konfrontiert. Die wichtigsten davon sind Kapazitätslücken in der Bekämpfung städtischer Terrorbedrohungen und die mangelhafte Kooperation zwischen den verschiedenen Gesetzesdurchsetzungsbehörden (PIPS 3.1.2016).

Die Regierung unterhält Deradikalisierungszentren, die "korrigierende religiöse Bildung", Berufsausbildung, Beratung und Therapie anbieten (USDOS 7.2017). Zentren befinden sich in Swat, Khyber Agency, Bajaur Agency und Khyber Pakhtunkhwa. Es existieren separate Programme für Frauen und Jugendliche (BFA 9.2015). Weithin gelobt ist das Sabaoon Rehabilitation Center einer NGO im Swat-Tal, das gemeinsam mit dem Militär gegründet wurde und sich an jugendliche ehemalige Extremisten richtet (USDOS 7.2017).

Die Asia Pacific Group on Money Laundering konnte in Pakistan Fortschritte bei der Behebung von strategischen Mängeln erzielen, die diese in Bezug auf die Bekämpfung der Finanzierung von Terrorismus zuvor festgestellt hatte. Maßnahmen umfassen z.B. die Überwachung von grenzüberschreitenden Geldtransfers, NGO-Finanzierungen, das Einfrieren von Geldern, die rechtliche Meldepflicht von Banken über verdächtige Transaktionen sowie deren Verpflichtung, regelmäßig die Liste der von der UN als Terrororganisationen Eingestuften zu kontrollieren. Dennoch werden bestimmte Gruppen, insbesondere Lashkar e-Tayyiba, nicht effektiv daran gehindert, in Pakistan Spenden zu lukrieren oder auf ihre finanziellen Mittel zuzugreifen (USDOS 7.2017).

Quellen:

- AA - Auswärtiges Amt der Bundesrepublik Deutschland (10.2017a): Pakistan - Innenpolitik, http://www.auswaertiges-amt.de/DE/Aussenpolitik/Laender/Laenderinfos/Pakistan/Innenpolitik_node.html, Zugriff 13.3.2018

- AA - Auswärtiges Amt der Bundesrepublik Deutschland (20.10.2017): Bericht über die asyl- und abschieberelevante Lage in der Islamischen Republik PAKISTAN.BFA Staatendokumentation (9.2015): Fact Finding Mission Report Pakistan, http://www.ecoi.net/file_upload/90_1453713783_bfa-sd-pakistan-ffm-report-2015-09-v2.pdf, Zugriff 18.3.2017

- PIPS - Pakistan Institute for Peace Studies (1.2017): PIPS Research Journal - Conflict & Peace Studies, Vol.9, No.1, Special Report 2016 - Pakistan Security Report.

- PIPS - Pakistan Institute for Peace Studies (1.2018): PIPS Research Journal - Conflict & Peace Studies, Vol.10, No.1, Special Report 2017 - Pakistan Security Report.

- PIPS - Pakistan Institute for Peace Studies (3.1.2016): Pakistan Security Report 2015.

- PIPS - Pakistan Institute for Peace Studies (5.2.2018): Monthly Security Report: January 2018, http://pakpips.com/app/reports/65, Zugriff 14.5.2018

- PIPS - Pakistan Institute for Peace Studies (6.3.2018): Monthly Security Report: February 2018, http://pakpips.com/app/reports/169, Zugriff 14.5.2018

- PIPS - Pakistan Institute for Peace Studies (6.4.2018): Monthly Security Report: March 2018, http://pakpips.com/app/reports/199, Zugriff 14.5.2018

- USDOS - US Department of State (7.2017): Country Report on Terrorism 2016 - Chapter 2 - Pakistan (S 261-265), https://www.state.gov/documents/organization/272488.pdf, Zugriff 8.5.2018

Regionale Verteilung der Gewalt

Der regionale Schwerpunkt terroristischer Anschläge mit den meisten Opfern liegt in Khyber Pakhtunkhwa, den [ehem.] Stammesgebieten FATA und in Belutschistan (AA 28.3.2018) sowie in der Wirtschaftsmetropole Karatschi, wobei es in Karatschi seit 2016 nicht mehr zu größeren Anschlägen gekommen ist (AA 20.10.2017).

Für das erste Quartal 2018 (1.1. bis 31.3.) registrierte PIPS landesweit 76 terroristische Angriffe, bei denen 105 Personen ums Leben kamen. Davon entfielen auf Belutschistan 40 Anschläge mit 56 Toten; auf Khyber Pakhtunkhwa zehn Anschläge mit 20 Toten und auf die [ehem.] FATA 18 Anschläge mit 17 Toten. Im Sindh gab es fünf Anschläge mit acht Toten, in Punjab zwei Anschläge mit zwölf Toten. Im Hauptstadtterritorium Islamabad, in Gilgit Baltistan und Azad Jammu & Kashmir wurden keine Anschläge registriert (Aggregat aus: PIPS 6.4.2018; PIPS 6.3.2018; PIPS 5.2.2018).

Im Jahr 2017 war Belutschistan - wie schon in den drei Jahren zuvor - die am stärksten vom Terrorismus betroffene Provinz. Bei 165 Anschlägen kamen 288 Menschen ums Leben. Somit entfielen 44 % aller Anschläge bzw. 35 % aller Todesfälle landesweit auf Belutschistan. Die [ehem.] Stammesgebiete (FATA) waren die am zweitstärksten vom Terrorismus betroffene Region, sowohl was die Zahl der Anschläge als auch der Opfer angeht. Bei 83 Angriffen kamen 253 Personen ums Leben. In Khyber Pakhtunkhwa kamen bei 71 Anschlägen 91 Personen ums Leben; in Sindh gab es 31 Anschläge (davon 24 in Karatschi) mit 119 Todesopfern (davon 25 in Karatschi, sowie 91 durch einen einzigen suizidalen Sprengstoffanschlag in Sehwan Sharif). Im Punjab kam es zu 14 Anschlägen mit 61 Todesopfern, im Hauptstadtterritorium gab es drei Anschläge mit zwei Todesopfern und in Azad Jammu und Kashmir gab es drei Anschläge mit einem Todesopfer (PIPS 1.2018 S 37-59).

Im Jahr 2016 war Belutschistan wieder die Region von Pakistan mit den höchsten Anschlagszahlen - 151 Anschläge wurden durchgeführt. Sie war auch die Provinz mit den höchsten Opferzahlen, mit 412 Toten. Khyber Pakhtunkhwa war am zweitstärksten von Anschlägen betroffen, 127 Anschläge töteten hier 189 Menschen. Gefolgt wurden diese von den [ehem.] FATA mit 99 Anschlägen und 163 Toten. Sindh war von 54 Anschlägen mit 63 Toten betroffen, allerdings entfielen davon 47 Anschläge mit 60 Toten allein auf Karatschi. Im Sindh - Karatschi ausgenommen - gingen die Todeszahlen in Bezug zu Terrorismus um 97 % zurück, in Islamabad um 75 %, in Karatschi um 60 und in den [ehem.] FATA um 38 %. Islamabad erlitt einen Anschlag mit einem Toten (PIPS 1.2017).

Quellen:

- AA - Auswärtiges Amt der Bundesrepublik Deutschland (20.10.2017): Bericht über die asyl- und abschieberelevante Lage in der Islamischen Republik PAKISTAN.

- AA - Auswärtiges Amt Deutschland (28.3.2018): Pakistan - Reise- und Sicherheitshinweise (Teilreisewarnung) https://www.auswaertiges-amt.de/de/pakistansicherheit/204974, Zugriff 8.5.2018

- PIPS - Pakistan Institute for Peace Studies (1.2017): PIPS Research Journal - Conflict & Peace Studies, Vol.9, No.1, Special Report 2016 - Pakistan Security Report.

- PIPS - Pakistan Institute for Peace Studies (1.2018): PIPS Research Journal - Conflict & Peace Studies, Vol.10, No.1, Special Report 2017 - Pakistan Security Report.

- PIPS - Pakistan Institute for Peace Studies (3.1.2016): Pakistan Security Report 2015.

- PIPS - Pakistan Institute for Peace Studies (6.4.2018): Monthly Security Report: March 2018, http://pakpips.com/app/reports/199, Zugriff 14.5.2018

- PIPS - Pakistan Institute for Peace Studies (6.3.2018): Monthly Security Report: February 2018, http://pakpips.com/app/reports/169, Zugriff 14.5.2018

- PIPS - Pakistan Institute for Peace Studies (5.2.2018): Monthly Security Report: January 2018, http://pakpips.com/app/reports/65, Zugriff 14.5.2018

Wichtige Terrorgruppen

Im Jahr 2017 ging die Zahl terroristischer Anschläge weiter zurück, doch aufständische Gruppierungen stellen weiterhin eine starke Bedrohung für die innere Sicherheit des Landes dar. Die Gruppierungen unterliegen wie bereits 2016 einer konstanten Transformation. Eine bisher unbekannte Gruppierung namens Ansarul Sharia wurde in Karatschi aktiv und verstärkte Aktivitäten von Daesh / ISIS stellen eine neue Herausforderung für die Sicherheitskräfte dar (PIPS 1.2018).

Die Tehrik-e-Taliban Pakistan (TTP) ist die größte aufständische Gruppe in Pakistan (EASO 7.2016); 70 Angriffe mit 186 Toten gingen 2017 auf ihr Konto (PIPS 1.2018 S 83f). Sie entstand 2007 als loses Bündnis von Deobandi-Gruppen, die an der Pakistanischen Grenze zu Afghanistan operierten. Ursprüngliches Ziel war die Einsetzung der Sharia und die Bekämpfung der Koalitionskräfte in Afghanistan. Später richtete sie sich auch gegen den pakistanischen Staat. Die Anhängerschaft setzt sich hauptsächlich aus Paschtunen der Grenzregion zusammen. Die TTP finanziert sich aus Erpressung, Schmuggel, Drogenhandel und Kidnapping. Es scheint, als hätte sie durch die Operation Zarb-e-Azb in Nord-Wasiristan stark an Boden verloren (EASO 7.2016). Der Vertreter des PIPS erläutert bei der FFM 2013, dass die TTP nicht über eine einheitliche Struktur verfügt und auch die vorhandene Struktur nicht mehr intakt ist. Jede Gruppe hat eigene Operationen (BAA 6.2013). Die TTP wurde stark durch interne Krisen und die militärischen Operationen in Nord-Wasiristan und in der Khyber Agency geschwächt. Die internen Krisen hielten diese Organisation aber nicht davon ab, gewaltsame Anschläge durchzuführen (PIPS 4.1.2015). Die TTP konnte ihre internen Streitigkeiten 2017 durch die Wiedereingliederung der größten Fraktion aus Süd-Wasiristan in die Hauptgruppe beilegen (PIPS 1.2018 S 83f).

Neben der TTP, ihren Unter- und Splittergruppen sind auch einige kleinere militante islamistisch motivierte Gruppen in Khyber Pakhtunkhwa und den [ehem.] FATA aktiv, sie werden als lokale Taliban bezeichnet (PIPS 1.2018 S 85)

Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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