TE Bvwg Erkenntnis 2019/8/29 L516 2222695-1

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 29.08.2019
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Entscheidungsdatum

29.08.2019

Norm

AsylG 2005 §3
AsylG 2005 §57
AsylG 2005 §8
BFA-VG §9
B-VG Art133 Abs4
FPG §52
FPG §52 Abs9
FPG §55 Abs1
VwGVG §28 Abs2

Spruch

L516 2222695-1/3E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Mag. Paul NIEDERSCHICK als Einzelrichter über die Beschwerde von XXXX , geb XXXX , StA Armenien, vertreten durch den Vater XXXX , dieser vertreten durch die WEH Rechtsanwalt GmbH, Dr. Wilfried Ludwig WEH und Mag. Stefan HARG, Rechtsanwälte, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom XXXX , Zahl 1227617402 - 190424732 / BMI-BFA_VBG_RD, zu Recht erkannt:

A)

I. Die Beschwerde wird hinsichtlich der Spruchpunkte I, II und III des angefochtenen Bescheides gemäß §§ 3, 8 und 57 AsylG als unbegründet abgewiesen.

II. Die Beschwerde wird hinsichtlich des Spruchpunktes IV des angefochtenen Bescheides stattgegeben und ausgesprochen, dass eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG iVm § 9 Abs 3 BFA-VG vorübergehend unzulässig ist.

III. Die Spruchpunkte V und VI des angefochtenen Bescheides werden gemäß § 28 Abs 2 iVm § 52 Abs 9 und § 55 Abs 1 FPG ersatzlos aufgehoben.

B)

Die ordentliche Revision ist gemäß Art 133 Abs 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

Der Beschwerdeführer ist in Österreich am XXXX geboren und armenischer Staatsangehöriger. Das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (BFA) wies mit Bescheid vom XXXX einen "Antrag [des Beschwerdeführers] auf internationalen Schutz vom 26.04.2019" (I.) gemäß § 3 Abs 1 iVm § 2 Abs 1 Z 13 AsylG 2005 idgF hinsichtlich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten und (II.) gemäß § 8 Abs 1 iVm § 2 Abs 1 Z 13 AsylG hinsichtlich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf Armenien ab. Das BFA erteilte (III.) keinen Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß § 57 AsylG, erließ (IV.) gemäß § 10 Abs 1 Z 3 AsylG iVm § 9 BFA-VG gegen den Beschwerdeführer eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs 2 Z 2 FPG, stellte (V.) gemäß § 52 Abs 9 FPG fest, dass die Abschiebung nach Armenien gemäß § 46 FPG zulässig sei, erkannte (VI.) einer Beschwerde gegen diese Entscheidung gem § 18 Abs 1 Z 1 die aufschiebende Wirkung ab und sprach (VII.) aus, dass keine Frist für die freiwillige Ausreise gemäß § 55 Abs 1a bestehe.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde. Der Bescheid wurde zur Gänze angefochten.

Verfahrensablauf

Am 25.04.2019 übermittelte der Standesamtsverband XXXX dem BFA die Geburtsurkunde und Personenstandsdaten des in Österreich geborenen Beschwerdeführers per E-Mail.

Das BFA lud daraufhin zunächst die Mutter des Beschwerdeführers als dessen gesetzliche Vertreterin und deren ausgewiesene Vertretung mit Ladung vom 29.05.2019 zu einer Einvernahme für den 11.07.2019, ohne den Zweck dafür bekannt zu geben.

Am 11.07.2019 erfolgte eine Einvernahme der Mutter des Beschwerdeführers im Beisein ihrer ausgewiesenen Vertretung. Diese Einvernahme wurde nach rund zweieinhalbstündiger Dauer auf Wunsch der Vertretung nach Vereinbarung einer weiteren Einvernahme unter Ladung des Vaters des Beschwerdeführers und der Bekanntgabe des Zwecks der Einvernahme unterbrochen. Eine entsprechende Ladung für den 19.07.2019 wurde von der Vertretung am 11.07.2019 übernommen.

Am 19.07.2019 erfolgte eine Einvernahme des Vaters des Beschwerdeführers ohne Beisein einer Vertretung. Am selben Tag übermittelte die Vertretung dem BFA per E-Mail zudem Anträge und Bescheinigungsmittel.

Am 22.07.2019 langte beim BFA eine Stellungnahme mit Urkundenvorlage für den Beschwerdeführer ein.

Am 23.07.2019 wurde der gegenständlich angefochtene Bescheid der Vertretung des Beschwerdeführers zugestellt. Gleichzeitig stellte das BFA dem Beschwerdeführer für das Beschwerdeverfahren eine juristische Person als Rechtsberater zur Seite (§ 52 Abs 1 BFA-VG).

Am 20.08.2019 wurde die gegenständliche Beschwerde erhoben, die samt Verwaltungsakten des BFA am 26.08.2019 beim Bundesverwaltungsgericht, Außenstelle Linz, einlangte.

Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Sachverhaltsfeststellungen:

1.1 Der Beschwerdeführer ist am XXXX in Österreich geboren. Seine Identität steht fest. Er ist der minderjährige leibliche Sohn des XXXX , geb. XXXX , und der XXXX , geb. XXXX , und der Bruder des XXXX , geb. XXXX . Alle sind Staatsangehörige von Armenien. Der Beschwerdeführer lebt mit diesen Familiengehörigen im gemeinsamen Familienverband.

1.2 Die Eltern des Beschwerdeführers hatten bereits am XXXX für sich und am XXXX für den in Österreich nachgeborenen Bruder des Beschwerdeführers Anträge auf internationalen Schutz gestellt. Jene Anträge der Eltern und des Bruders des Beschwerdeführers wurden vom BFA mit Bescheiden jeweils vom XXXX zur Gänze abgewiesen; das BFA erteilte gleichzeitig keine Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen, erließ Rückkehrentscheidungen, stellte fest, dass ihre Abschiebung nach Armenien zulässig sei und sprach aus, dass die Frist für die freiwillige Ausreise 14 Tage ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung betrage. Die dagegen erhobenen Beschwerden wies das Bundesverwaltungsgericht nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung mit Erkenntnis vom XXXX , XXXX und XXXX zur Gänze ab. Der Verfassungsgerichtshof lehnte die Behandlung einer wiederum dagegen erhobenen Beschwerde mit Beschluss vom XXXX , ab und der Verwaltungsgerichtshof wies eine Revision mit Beschluss vom XXXX , zurück. Die Eltern und der Bruder des Beschwerdeführers reisten anschließend nicht aus dem Bundesgebiet aus. Sie stellten bis zum heutigen Tag auch keine Folgeanträge auf internationalen Schutz.

1.3 Das BFA verfügte XXXX ; der Vater und der zum damaligen Zeitpunkt rund dreieinhalbjährige Bruder des Beschwerdeführers wurden von der Mutter des Beschwerdeführers getrennt und in Vorbereitung der Außerlandesbringung nach XXXX verbracht. In weiterer Folge unterblieb damals eine Abschiebung des Vaters und des Bruders des Beschwerdeführers ohne die Mutter, da das BFA letztlich eine "getrennte" Abschiebung "derzeit" als unverhältnismäßig einstufte.

1.4 Mit Antrag vom 29.10.2018 beantragten die Eltern des Beschwerdeführers beim BFA für sich und seinen Bruder

"1. Die Frist für die freiwillige Ausreise bis jedenfalls über die Geburt [des Beschwerdeführers, Anm] hinaus zu verlängern,

2. in eventu, um vorerst zumindest vier Wochen zu verlängern,

3. jedenfalls den Aufenthalt der Antragsteller vorerst zu dulden."

Mit weiteren Antrag vom 05.11.2018 beantragten die Eltern des Beschwerdeführers beim BFA für sich und seinen Bruder

"1. Die Frist für die freiwillige Ausreise bis jedenfalls über die Geburt des zweiten Kindes [des Beschwerdeführers, Anm] hinaus zu verlängern,

2. in eventu, um vorerst zumindest vier Wochen zu verlängern,

3. jedenfalls den Aufenthalt der Antragsteller vorerst zu dulden."

Das BFA sprach über jene Anträge vom 29.10.2018 und 05.11.2018 bisher nicht förmlich ab, nahm in der Folge jedoch bis dato Abstand von der Durchführung einer Abschiebung.

Der Vater des Beschwerdeführers beantragte am XXXX bei der Bezirkshauptmannschaft XXXX die Erteilung eines Aufenthaltstitels "Rot-Weiß-Rot-Karte" gem § 41 Abs 2 Z 1 NAG (Fachkraft im Mangelberuf gem § 12a AuslBG). Über diesen Antrag wurde bisher nicht rechtskräftig entschieden, jenes Verfahren ist gegenwärtig beim Bundesverwaltungsgericht anhängig.

Am 19.07.2019 beantragten die Eltern des Beschwerdeführers beim BFA für sich, für den Beschwerdeführer und seinen Bruder

"1. Bis zur Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts im anhängigen Verfahren auf Erteilung eines Aufenthaltstitels in einem Mangelberuf einen Durchsetzungsaufschub zu gewähren und keine aufenthaltsbeendende Maßnahme zu setzen,

2. in eventu den Aufenthalt der Antragsteller bis zur Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichtes zu dulden,

3. den Antragstellern Aufenthaltstiteln aus Gründen des Artikel 8 EMRK, in eventu einen Aufenthaltstitel in besonders berücksichtigungswürdigen Fällen zu erteilen."

Mit noch am 22.07.2019 beim BFA eingelangten Schriftsatz (datiert mit 19.07.2019) beantragten die Eltern des Beschwerdeführers noch vor Erlassung des gegenständlich angefochtenen Bescheides beim BFA für sich, für den Beschwerdeführer und seinen Bruder

"1. das Verfahren einzustellen,

2. bis zur Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts im anhängigen Verfahren auf Erteilung eines Aufenthaltstitels in einem Mangelberuf einen Durchsetzungsaufschub zu gewähren und keine aufenthaltsbeendende Maßnahme zu setzen,

3. in eventu den Aufenthalt der Antragsteller bis zur Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichtes zu dulden,

4. den Antragstellern Aufenthaltstiteln aus Gründen des Artikel 8 EMRK, in eventu einen Aufenthaltstitel in besonders berücksichtigungswürdigen Fällen zu erteilen."

Über diese Anträge vom 19.07.2019 und 22.07.2019 hat das BFA bisher nicht abgesprochen.

1.5 Der Vater des Beschwerdeführers wurde am XXXX stationär in das Landeskrankenhaus XXXX zur operativen Entfernung einer Metallplatte mit 14 Schrauben aufgenommen und bedarf für mehrere Wochen einer weiteren Nachbehandlung.

1.6 Vom BFA wurde für den Beschwerdeführer aufgrund der gesetzlich normierten Antragsfiktion des § 17a Abs 3 AsylG ein Antrag auf internationalen Schutz als gestellt erachtet. Für ihn wurden im Verfahren vor dem BFA und in der Beschwerde keine eigenen Gründe geltend gemacht. Der Beschwerdeführer leidet an keiner akut lebensbedrohlichen und behandlungsbedürftigen Erkrankung. Es ergibt sich auch sonst nicht, dass er im Falle einer Ausreise mit seinen Eltern und seinem Bruder nach Armenien mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit einer aktuellen sowie unmittelbaren persönlichen und konkreten Verfolgung, Bedrohung oder sonstigen Gefährdung von erheblicher Intensität ausgesetzt wäre.

1.7 In der Vergangenheit wurden für die Eltern und dem Bruder des Beschwerdeführers von den armenischen Behörden Heimreisezertifikate ausgestellt. Diese sind bereits abgelaufen. Es liegen jedoch bis zum heutigen Tag keine aktuell gültigen Heimreisezertifikate für den Beschwerdeführer und seine Familienangehörigen vor.

1.8 Zur Lage in Armenien

Grundversorgung und Wirtschaft

Über ein Viertel der armenischen Bevölkerung lebt unterhalb der Armutsgrenze, d.h. es stehen weniger als 75 Euro pro Monat zur Verfügung. Die registrierte Arbeitslosenquote liegt bei 20%. Mehr als ein Drittel der Jugendlichen ist weder in Ausbildung noch in der Beschäftigung. Die Schattenwirtschaft macht über 30% des Bruttoinlandsprodukts aus. Die Wirtschaft wird nach wie vor von den sogenannten "Oligarchen" dominiert, Geschäftsleuten, die in bestimmten Wirtschaftszweigen Monopole gegründet und in der Vergangenheit erheblichen Einfluss auf die Politik ausgeübt haben (FriEnt 23.4.2019)

Das Durchschnittseinkommen betrug im ersten Quartal 2019 rund 174.000 Dram [ca. 323 Euro] (ArmStat 2019), während die monatliche Durchschnittspension 2017 40.634 Dram [ca. 74 Euro] ausmachte. Das Mindesteinkommen beträgt 55.000 Dram [100 Euro], die Mindestpension 16.000 Dram [29 Euro] (ArmStat 2018).

Der UNDP Human Development Index, ein Messwert zur Beurteilung der Humanentwicklung und der Ungleichheit, ergab 2017 für Armenien einen Wert von 0.757 [Statistischer Bestwert ist 1] (im Vergleich der HDI von Österreich beträgt 0.908). Damit belegte Armenien, dessen Wert sich seit 1990 kontinuierlich verbesserte, Platz 83 von 189 Staaten (UNDP 15.7.2018).

Für 2018 wird in Armenien ein Wirtschaftswachstum von 5% erwartet. Im Vergleich zu den Vorjahren ist es ein etwas moderaterer Wert. 2017 stieg das armenische BIP um 7,5%, was mit der Überwindung der Wirtschaftskrise Russlands, des wichtigsten Partners Armeniens, zusammenhängt. Rohstoffgewinnung und deren Verarbeitung dominieren die armenische Industrie. Auch der Landwirtschaftssektor spielt eine wichtige Rolle, vor allem in Exporten des Landes. Der 8.5.2018 schlug ein neues Kapitel in der jüngeren Geschichte Armeniens auf. Der neue armenische Premierminister Pashinyan erklärte den Kampf gegen die alle Bereiche umfassende Korruption. Seine weiteren Ziele sind die Verbesserung der Lebensbedingungen der in großen Teilen verarmten Bevölkerung und der Wirtschaftsaufschwung (WKO 23.7.2018).

Sozialwesen

Das Sozialsystem in Armenien ist wie folgt aufgebaut:

* Staatliches Sozialhilfeprogramm, z.B. Unterstützung von Familien, einmalige Geburtenzuschüsse, sowie Kindergeld bis zum Alter von zwei Jahren

* Sozialhilfeprogramme für Personen mit Behinderung, Veteranen, Kinder, insbesondere medizinische und soziale Rehabilitationshilfe, Altersheime, Waisenhäuser, Internate

* staatliches Sozialversicherungsprogramm, welches aus Alters- und Behindertenrente, sowie Zuschüssen bei vorübergehender Behinderung und Schwangerschaft.

* Privilegien für Personen, die im Jahr 1999 signifikante Notlagen durchlebten, vor allem für Veteranen des Zweiten Weltkriegs.

Alle armenischen Staatsbürger sind berechtigt, Sozialhilfe in Anspruch zu nehmen.

Anmeldeverfahren: RückkehrerInnen können in einem der 51 Büros des staatlichen Sozialversicherungsservice (10 in Jerewan und 41 in der anderen Regionen) Sozialhilfe beantragen oder online ein Formular einreichen: http://www.ssss.am/arm/e-reception/send-application/

Pensionssystem

Das Renteneintrittsalter in Armenien liegt bei 63 Jahren. Eine Sozialrente wird ab 65 Jahre gewährt. Bei beschwerlicher oder gefährlicher Arbeit kann das Eintrittsalter niedriger liegen. Das staatliche Rentenversicherungssystem, basierend auf einer gesetzlichen Sozialversicherung, ist in folgende Elemente gegliedert:

- Altersrente

- Verlängerte Dienstrente

- Behindertenrente

- Rente für Familien, die den Einkommensträger verloren haben

Um eine armenische Rente in Anspruch nehmen zu können muss der/die Rückkehrende in Armenien registriert sein. Anmeldungen für die staatliche Rente können ebenfalls auf der Website des staatlichen Sozialversicherungsservice des Ministeriums für Arbeit und Soziales eingereicht werden (IOM 2018).

Der Pensionsanspruch gilt ab einem Alter von 63 mit mindestens 25 Jahren abgeschlossener Beschäftigung; ab einem Alter von 59 mit mindestens 25 Jahren Beschäftigung, wobei mindestens 20 Jahre erschwerte oder gefährlicher Arbeit vor dem 1. Januar 2014 oder mindestens 10 Jahre derartiger Arbeit nach dem 1. Januar 2014 verrichtet wurde; oder ab einem Alter von 55 mit mindestens 25 Jahren Beschäftigung, einschließlich mindestens 15 Jahre in Schwerst- oder gefährlicher Arbeit vor dem 1. Januar 2014 bzw. mindestens 7,5 Jahre in einer solchen nach dem 1. Januar 2014. Eine verringerte Pension steht nach mindestens zehnjähriger Anstellung, jedoch erst ab 65 zu. Bei Invalidität im Rahmen der Sozialversicherung sind zwischen zwei und zehn Jahre Anstellung Grundvoraussetzung, abhängig vom Alter des Versicherten beim Auftreten der Invalidität. Die Invaliditätspension hängt vom Grade der Invalidität ab. Unterhalb der erforderlichen Zeiten für eine Invaliditätspension besteht die Möglichkeit einer Sozialrente für Invalide in Form einer Sozialhilfe. Zur Pensionsberechnung werden die Studienjahre, die Wehrdienstzeit, die Zeit der Kinderbetreuung und die Arbeitslosenzeiten herangezogen. Die Alterspension im Rahmen der Sozialversicherung beträgt 100% der Basispension von 16.000 Dram monatlich zuzüglich eines variablen Bonus. Die Bonuspension macht 500 Dram monatlich für jedes Kalenderjahr ab dem elften Beschäftigungsjahr multipliziert mit einem personenspezifischen Koeffizienten, basierend auf der Länge der Dienstzeit (SSA 2016).

Schutzbedürftige Personen

Das Ministerium für Arbeit und Soziales (MLSA) implementiert Programme zur Unterstützung von schutzbedürftigen Personen: Behinderte, ältere Personen, RentnerInnen, Waisen, Opfer von Menschenhandel, Frauen und Kinder. Der Zugang zu diesen Leistungen erfolgt über die 51 Büros des staatlichen Sozialversicherungsservice (IOM 2018).

Arbeitslosenunterstützung

2015 wurde die Arbeitslosenunterstützung zugunsten einer Einstellungsförderung eingestellt. Zu dieser Förderung gehört auch die monetäre Unterstützung für Personen die am regulären Arbeitsmarkt nicht wettbewerbsfähig sind. Das Arbeitsgesetz von 2004 sieht ein Abfertigungssystem seitens der Arbeitgeber vor. Bei Betriebsauflösung oder Stellenabbau beträgt die Abfertigung ein durchschnittliches Monatssalär, bei anderen Gründen hängt die Entschädigung von der Dienstzeit ab, jedoch maximal 44 Tage im Falle von 15 Anstellungsjahren (SSA 2016).

Mutterschaftsgeld

Obwohl der Geburtsvorgang eines Babys technisch gesehen nach dem Gesetz kostenlos ist, fallen jedoch im Laufe von neun Monaten und vor allem in den Tagen nach der Geburt viele weitere Kosten an. Dies betrifft im Allgemeinen auch die Krankenhausgebühren. In den ersten sieben Lebensjahren eines Kindes sind alle Arztbesuche und Impfungen kostenlos. Dazu gehören auch Allergietests und ähnliche Untersuchungen, die für das Kind notwendig sind. Medikamentenkosten sind das Einzige, wofür die Eltern [fallweise] aufkommen müssen. Bestimmte Medikamente, wie Vitamin D bei Wintergeburten, werden von den Kliniken ebenfalls kostenlos zur Verfügung gestellt. In einige Krankenhäusern werden sogar kostenlos Windeln oder Cremes ausgeben, sobald das Baby geboren ist. Die Geburt ist in Armenien offiziell kostenlos, die meisten Krankenhäuser verlangen jedoch inoffiziell Geldleistungen für die Anwesenheit des Arztes (Repat Armenia 26.6.2018).

Derzeit bestehen in Armenien drei Arten von Beihilfen in Verbindung mit Kindesgeburten. Einerseits die einmalige Mutterschaftsbeihilfe von 50.000 Dram. Darüber hinaus gibt es eine monatliche Zahlung von ca. 18.000 Dram im Monat an alle erwerbstätigen Elternteile, die ein Kind (bis zum 2. Lebensjahr) versorgen und sich in einem teilweise bezahlten Mutterschaftsurlaub befinden. Für das dritte und vierte Kind stehen je 1 Million Dram zu und zusätzlich 500.000 Dram, eingezahlt auf ein Spezialkonto für das Kind, von dem vor dem 18. Lebensjahr nur für bestimmte Zwecke wie etwa für Schulgebühren Geld abgehoben werden darf. Ab dem fünften Kind wird der einmalige Geldbetrag bis auf 1,5 Millionen Dram erhöht plus einer halben Million auf dem Spezialkonto. Außerdem haben Mütter, auch selbständig erwerbstätige, das Recht auf einen Mutterschutzurlaub von 70 Tagen vor und 70 Tagen nach der Geburt. Dieser Zeitraum wird bei schwierigen Geburten auf 155 oder Mehrlingsgeburten auf 180 Tage ausgedehnt. In diesem Zeitraum wird das Gehalt zu 100% weiter bezahlt. Es können bis zu drei Jahre unbezahlte Karenz in Anspruch genommen werden, ohne das es zum Verlust des Arbeitsplatzes kommt (Repat Armenia 26.6.2018).

Medizinische Versorgung

Die primäre medizinische Versorgung ist in der Regel entweder durch regionale Polikliniken oder ländliche Behandlungszentren erbracht. Die sekundäre medizinische Versorgung wird von 37 (Stand: 2016) regionalen Krankenhäusern und einigen der größeren Polikliniken mit speziellen ambulanten Diensten übernommen, während die tertiäre medizinische Versorgung größtenteils den staatlichen Krankenhäusern und einzelnen Spezialeinrichtungen in Jerewan vorbehalten ist. Die primäre medizinische Versorgung ist wie früher grundsätzlich kostenfrei (AA 17.4.2018, vgl. MedCOI 2.2018).

Um Zugang zu kostenlosen medizinischen Primärleistungen zu erhalten, muss eine Person armenischer Staatsbürger sein und in einer der Polikliniken oder primären Gesundheitseinrichtungen (Primary Healthcare - PHC) in der Nähe ihres Wohnortes registriert sein. In diesen Polikliniken oder PHC-Einrichtungen sind alle allgemeinen und wichtigsten spezialisierten medizinischen Dienstleistungen völlig kostenlos (einschließlich Impfungen und routinemäßiger labortechnischer Untersuchungen). Die folgenden Dienstleistungen stehen in den Polikliniken kostenlos zur Verfügung:

? allgemeines Gesundheitswesen: Allgemeinmediziner, Hausarzt, Bezirkstherapeut, Kinderarzt

? spezialisierte medizinische Dienste: Neurologen, Endokrinologen, Onkologen, Kardiologen, Chirurgen, Phthysiatern, Hals-Nasen-Ohren-Heilern (HNO), Gynäkologen, Dermatologen, Chirurgen/Traumatologen, Augenärzten, Infektions-/Immunologen, Stomatologen; und in mehreren Polikliniken Rheumatologen, Urologen

? Laboruntersuchungen: Blutkörperchenzahl, biochemische Routineuntersuchungen

? medizinisch-technische Untersuchungen: Ultraschall, EKG, Röntgen, Spirometrie, Fundoskopie

? Impfungen und Hausbesuche durch einen Hausarzt: bei akuten Erkrankungen - Infektionen der oberen Atemwege, Temperatur, Schmerzsyndrom; bei onkologischen Patienten durch Onkologen (MedCOI 2.2018).

Kostenlose medizinische Versorgung gilt nur noch eingeschränkt für die sekundäre und die tertiäre Ebene. Das Fehlen einer staatlichen Krankenversicherung erschwert den Zugang zur medizinischen Versorgung insoweit, als für einen großen Teil der Bevölkerung die Finanzierung der kostenpflichtigen ärztlichen Behandlung extrem schwierig geworden ist. Viele Menschen sind nicht in der Lage, die Gesundheitsdienste aus eigener Tasche zu bezahlen. Der Abschluss einer privaten Krankenversicherung übersteigt die finanziellen Möglichkeiten der meisten Familien bei weitem (AA 7.4.2019).

Alle armenischen StaatsbürgerInnen, einschließlich Rückkehrende, Asylsuchende und Flüchtlinge, haben ohne Einschränkungen das Recht auf Dienstleistungen von Krankenversicherungen. Rückkehrende, die nicht von der staatlichen Krankenkasse profitieren, können eine freiwillige private Krankenversicherung abschließen. Die Preise variieren zwischen 230 USD und 350 USD pro Jahr. Für die Anmeldung werden der Pass/Personalausweis und die Krankenversicherungskarte benötigt. Für den Abschluss einer privaten Krankenversicherung muss die Person die Krankenkassen direkt kontaktieren (IOM 2018).

Die armenische Verfassung von 1995 garantiert den universellen Anspruch auf medizinische Leistungen, die vom Staat finanziert werden sollten. Ab 1997 wurden aufgrund der Finanzierungsnöte die Ansprüche durch die Einführung des Basis-Leistungspakets (BBP) begrenzt, bei dem es sich um ein öffentlich finanziertes Paket handelt, das eine Liste von Dienstleistungen festlegt, die für die gesamte Bevölkerung kostenlos sind (weitgehend Grundversorgung, sanitär-epidemiologische Dienstleistungen und Behandlung von rund 200 gesellschaftlich bedeutsamen Krankheiten) und die diejenigen Gruppen festlegt, die alle Dienstleistungen kostenlos erhalten sollten. Die unter den BBP fallenden Dienstleistungen und Bevölkerungsgruppen werden jährlich seitens der Regierung überprüft. Zu den Kategorien von Menschen, die nach dem BBP Anspruch auf kostenlose Gesundheitsleistungen haben, gehören Menschen mit Behinderungen, die je nach Schweregrad in die Gruppen I, II oder III eingeteilt sind; Kriegsveteranen; Hinterbliebene von Gefallenen, aktive Soldaten und ihre Familienmitglieder; generell Kindern unter sieben Jahren, unter 18 Jahren mit Behinderung, Kinder von vulnerablen Bevölkerungsgruppen oder Familien mit vier oder mehr Minderjährigen, von minderjährigen Elternteilen, Kindern ohne elterliches Sorgerecht oder aus Familien mit Menschen mit Behinderungen, Kinder in Pflegeheimen; alte Menschen in Pflegeheimen, Häftlinge, Opfer von Menschenhandel, Schutzsuchende und deren Familienmitglieder. D.h., wenn ein Patient unter das BBP fällt, ist die Behandlung kostenlos. Auch private medizinische Einrichtungen müssen kostenlose Dienstleistungen für die unter das BBP fallenden Personengruppen erbringen. Die Kosten übernimmt das Gesundheitsministerium. Gehört jedoch der Patient nicht zu einer der sozial schwachen oder besonderen Bevölkerungsgruppen, ist er nicht versichert oder fällt nicht unter ein "spezielles Krankheitsprogramm" (z.B. AIDS, Tuberkulose, Psychiatrie, etc. sowie die teilweise Abdeckung anderer Erkrankungen, wie Krebs), so muss er für die erhaltene Behandlung bezahlen (MedCOI 2.2018).

Für die hospitale Behandlung zahlreicher Erkrankungen und Leiden besteht ein komplexes System des Selbstbehalts (Co-Payment System), wodurch nicht die gesamten Kosten beim Patienten liegen. Ausgenommen sind wiederum Minderjährige und Personen, die unter das BBP hinsichtlich der Hospitalsbetreuung fallen, für die die gesamten Kosten übernommen werden. Wenn ein Patient eine Krankenhausbehandlung benötigt, nimmt die primäre medizinische Einrichtung (z.B. Poliklinik) eine Überweisung an den entsprechenden Krankenhausdienst vor. Die Hausärzte informieren die Patienten in der Regel über ihre Chance auf kostenlose Behandlung oder Zuzahlung in Krankenhäusern, die Dienstleistungen im Rahmen des BBP anbieten. Nach der Anmeldung hat der Patient oder sein gesetzlicher Vertreter den ersten erforderlichen Betrag seines Anteils an der Zuzahlung zu begleichen. Der Selbstbehalt (Zuzahlungsbetrag) kann vollständig oder schrittweise bezahlt werden, spätestens jedoch mit der Entlassung des Patienten aus dem Krankenhaus. Die staatliche Gesundheitsbehörde übernimmt den Rest der Gesamtkosten nach der Analyse der monatlichen Finanzberichte der Krankenhäuser. Es gibt keine Rückerstattung und beide Parteien (Patient und Staat) zahlen ihren eigenen Anteil. Der Betrag, den jede Partei innerhalb des Zuzahlungssystems zahlen muss, ist kein fester Prozentsatz für alle betroffenen Krankheiten (MedCOI 2.2018).

Folgende Personengruppen können kostenfreie Medikamente in lokalen Polykliniken erhalten:

- Behinderte, 1. und 2. Gruppe (die Kategorien werden vom Ministerium für Arbeit und Soziales bestimmt)

- Behinderte Kinder unter 18 Jahren

- Veteranen des II. Weltkriegs

- Kinder ohne elterliche Aufsicht, sowie Halbwaisen unter 18 Jahren

- Kinder (unter 18 Jahren) aus Familien mit 4 oder mehr minderjährigen Kindern

- Angehörige von Militärangehörigen, die im Dienste der Republik Armenien verstorben sind

- Kinder aus Familien mit behinderten Kindern unter 18 Jahren Kinder unter 7 Jahre

Eine Kostenerstattung in Höhe von 50% ist für folgende Personengruppen gewährleistet:

- Behinderte der 3.Gruppe

- Rechtswidrig Verurteilte

- Alleinstehende, arbeitslose Pensionäre

- Familien bestehend aus arbeitslosen Pensionären

- Alleinstehende Mütter mit Kindern unter 18 Jahren

Eine Kostenerstattung in Höhe von 30% erhalten arbeitslose Pensionäre (IOM 2018).

Ein Grundproblem der staatlichen medizinischen Fürsorge ist die schlechte Bezahlung des medizinischen Personals (für einen allgemein praktizierenden Arzt ca. 250 Euro/Monat). Dies führt dazu, dass die Qualität der medizinischen Leistungen des öffentlichen Gesundheitswesens in weiten Bereichen unzureichend ist. Denn hochqualifizierte und motivierte Mediziner wandern in den privatärztlichen Bereich ab, wo Arbeitsbedingungen und Gehälter deutlich besser sind. Der Ausbildungsstand des medizinischen Personals ist zufriedenstellend. Die Ausstattung der staatlichen medizinischen Einrichtungen mit technischem Gerät ist dagegen teilweise mangelhaft. In einzelnen klinischen Einrichtungen - meist Privatkliniken - stehen hingegen moderne Untersuchungsmethoden wie Ultraschall, Mammographie sowie Computer- und Kernspintomographie zur Verfügung (AA 7.4.2019).

Rückkehr

Rückkehrer werden grundsätzlich nach Ankunft in die Gesellschaft integriert. Sie haben Zugang zu allen Berufsgruppen, auch im Staatsdienst, und überdurchschnittlich gute Chancen, Arbeit zu finden. Für rückkehrende Migranten wurde ein Beratungszentrum geschaffen; es handelt sich um ein Projekt der französischen Büros für Einwanderung und Migration. Rückkehrer können sich auch an den armenischen Migrationsdienst wenden, der ihnen mit vorübergehender Unterkunft und Beratung zur Seite steht. Fälle, in denen Rückkehrer festgenommen oder misshandelt wurden, sind nicht bekannt (AA 7.4.2019).

Das offizielle Internet-Informationsportal "Tundarc" bietet potentiellen armenischen Rückkehrern, auch Doppelstaatsbürgern, wichtigen Informationen zu den zu beachtenden Formalitäten bei einer Rückkehr sowie den wichtigsten Themenbereichen, wie Gesundheitsfürsorge, Pension, Bildung oder Militärdienst an. Überdies findet sich eine Orientierung zu bestehenden Hilfsprogrammen (Tundarc o.D.).

2. Die bei der Beweiswürdigung maßgebenden Erwägungen:

2.1 Die Feststellungen zur Identität, Staatsangehörigkeit und Person des Beschwerdeführers und seiner Familienangehörigen (oben 1.1) beruhen auf der im Verfahren von seinen diesbezüglich glaubhaft vorgebrachten Angaben und der vorliegenden Geburtsurkunde einer österreichischen Personenstandsbehörde. Die diesbezüglichen Feststellungen wurden bereits vom BFA als feststehend erachtet.

2.2 Die Feststellungen zu den Anträgen der Eltern und des Bruders des Beschwerdeführers auf internationalen Schutz, zu den dazu geführten Verfahren und den getroffenen Entscheidungen des BFA, des Bundesverwaltungsgerichtes, des Verfassungsgerichtshofes und des Verwaltungsgerichtshofes (oben 1.2) beruhen auf den diesbezüglich in den dazu geführten Gerichtsakten des Bundesverwaltungsgerichtes befindlichen Entscheidungen, die bei den Feststellungen genannt wurden.

2.3 Die Feststellungen zur Festnahme am XXXX , zur temporären Trennung des Vaters und des Bruders von der Mutter des Beschwerdeführers in Vorbereitung der Außerlandesbringung und der letztlich erfolgten Abstandnahme des BFA von einer getrennten Abschiebung "derzeit" (oben 1.3) beruhen auf der im vorgelegten Verwaltungsverfahrensakt des BFA befindlichen und vom BFA erstellten "Chronologie" (Verwaltungsverfahrensakt des BFA, Aktenseite (AS) 353-357), die im Einklang steht mit den Ausführungen des Beschwerdeführers in seinem Antrag vom 19.07.2019 (AS 113).

2.4 Die Feststellungen zu den nach Abschluss der Asylverfahren der Eltern und des Bruders beim BFA gestellten Anträgen vom 28.10.2018, 05.11.2018, 19.07.2019 und 22.07.2019 (oben 1.4) beruhen auf den dazu im Verwaltungsverfahrensakt des BFA befindlichen Schriftsätzen (AS 59 ff, 63ff, 113 ff, 339 ff). Der am 22.07.2019 beim BFA eingetroffene Schriftsatz langte bei der Behörde zwar nach Abfertigung, jedoch noch vor Erlassung des gegenständlich bekämpften Bescheides ein, da die Zustellung des Bescheides erst am 23.07.2019 erfolgte (vgl VwGH 28.02.2008, 2006/18/0349). Die Feststellung zu dem bei der Bezirksverwaltungsbehörde beantragten Aufenthaltstitel nach § 12a AuslBG ergibt sich aus den Angaben des Beschwerdeführers in Verbindung mit dem diesbezüglich beim Bundesverwaltungsgericht anhängigen Beschwerdeverfahren. Soweit die Beschwerdeführer im Verfahren vor dem BFA mit den beiden Schriftsätzen vom 19.07.2019, von denen einer erst am 22.07.2019 bei der Behörde einlangte, beantragten, das BFA möge "Aufenthaltstiteln aus Gründen des Artikel 8 EMRK, in eventu einen Aufenthaltstitel in besonders berücksichtigungswürdigen Fällen zu erteilen", ist jedoch darauf zu verweisen, dass gemäß § 58 Abs 5 AsylG Anträge auf Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß §§ 55 bis 57 persönlich beim Bundesamt zu stellen sind, was nach bisheriger Aktenlage nicht erfolgt ist.

2.5 Die Feststellungen zum stationären Krankenhausaufenthalt des Vaters des Beschwerdeführers ab XXXX und der erforderlichen medizinischen Nachbehandlung (oben 1.5) beruhen auf den diesbezüglichen Angaben des Beschwerdeführers zu seinem Antrag vom 22.07.2019 (AS 342), die im Einklang mit der vorgelegten Terminbestätigung des LKH XXXX stehen (AS 349), konsistent sind und auch vom BFA unbestritten blieben und deshalb als glaubhaft erachtet werden.

2.6 Die Feststellungen zur mangelnden Gefährdung im Falle einer Ausreise des Beschwerdeführers mit seinen Eltern und seinem Bruder nach Armenien (oben 1.6) beruhen auf den folgenden Erwägungen: Für den Beschwerdeführer wurden im Verfahren vor dem BFA und in der Beschwerde von den Eltern und deren Vertretung keine eigenen Antragsgründe geltend gemacht, was wohl von diesen gemacht worden wäre, würden sie eine solche für den Beschwerdeführer befürchten. Die eigenen Anträge der Eltern und des Bruders des Beschwerdeführers auf internationalen Schutz vom XXXX wurden bereits mit den Erkenntnissen des Bundesverwaltungsgerichtes vom XXXX rechtskräftig sowohl hinsichtlich der Zuerkennung des Status von Asylberechtigten als auch hinsichtlich des Status von subsidiär Schutzberechtigten abgewiesen. Die rechtsfreundlich vertretenen Eltern und der Bruder des Beschwerdeführers haben inzwischen bis heute auch keine neuen Anträge auf internationalen Schutz gestellt, was diese wohl gemacht hätten, wenn sie selbst annehmen würden, dass sich seit jener Entscheidung vom XXXX der Sachverhalt in einer für sie relevanten Weise geändert hätte. Auch die Feststellung, dass der Beschwerdeführer an keiner akut lebensbedrohlichen und behandlungsbedürftigen Erkrankung leidet, beruht darauf, dass ein derartiges Vorbringen zu keinem Zeitpunkt erstattet wurde und für diesen auch keine medizinischen Unterlagen vorgelegt wurden, aus denen sich eine andere Beurteilung ergeben würde. Auch den vom BFA im gegenständlich angefochtenen Bescheid getroffenen Länderfeststellungen zu Armenien (oben 1.8) wurde mit der Beschwerde nicht entgegengetreten. Aus diesen ergibt sich, dass der Beschwerdeführer bei einer Ausreise nach Armenien im Familienverband mit seinen Eltern und seinem Bruder in Ansehung existentieller Grundbedürfnisse (wie etwa Nahrung, Unterkunft) keiner lebensbedrohenden Situation ausgesetzt wäre.

2.7 Die Feststellungen zu den Heimreisezertifikaten beruhen auf den Ausführungen des BFA zur Beschwerdevorlage vom 21.08.2019 (OZ 1) und den Eintragungen im Zentralen Fremdenregister (IZR) zum heutigen Tag.

2.8 Die festgestellte aktuelle Lage in Armenien (oben 1.8) beruht auf den vom BFA im gegenständlich angefochtenen Bescheid getroffenen Länderfeststellungen (Bescheid, S 17-49). Die Beschwerde ist diesen Feststellungen nicht entgegengetreten und es ergeben sich auch sonst keine Anhaltspunkte dafür, dies Feststellungen in Zweifel zu ziehen.

3. Rechtliche Beurteilung:

Zu A)

Zum Antrag auf internationalen Schutz gem § 17a AsylG

Rechtsgrundlagen

3.1 § 17a Abs 2 AsylG lautet: "Wird ein drittstaatszugehöriges Kind eines Asylwerbers oder eines Fremden, der sich nach rechtskräftigem Abschluss seines Asylverfahrens unrechtmäßig im Bundesgebiet aufhält und dessen Aufenthalt im Bundesgebiet nicht geduldet ist (§ 46a FPG), in Österreich nachgeboren und ist der Asylwerber oder Fremde zu dessen Vertretung befugt, hat er dem Bundesamt die Geburt des Kindes binnen zwei Wochen anzuzeigen."

3.2 § 17a Abs 3 AsylG lautet: "Mit Einlangen der Anzeige über die Geburt beim Bundesamt oder sobald das Bundesamt auf sonstige Weise Kenntnis von der Geburt erlangt, gilt der Antrag auf internationalen Schutz für das Kind als gestellt und eingebracht, es sei denn, dem Kind kommt bereits ein Aufenthaltsrecht für mehr als 90 Tage nach diesem oder einem anderen Bundesgesetz zu."

3.3 Gemäß Artikel 7 Abs 5 lit c der Richtlinie 2013/32/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26. Juni 2013 zu gemeinsamen Verfahren für die Zuerkennung und Aberkennung des internationalen Schutzes (Verfahrensrichtlinie) können die Mitgliedstaaten im nationalen Recht die Fälle festlegen, "in denen die förmliche Stellung eines Antrags auf internationalen Schutz auch als die förmliche Stellung eines Antrags auf internationalen Schutz für alle unverheirateten Minderjährigen zu werten ist."

Zum gegenständlichen Verfahren

3.4 Die Beschwerde bringt vor, dass der Beschwerdeführer keinen Antrag auf internationalen Schutz gestellt habe, sodass ein Grund für ein Einschreiten des BFA nicht erkennbar sei (AS 370).

Dazu ist festzuhalten, dass das BFA bereits in der Einvernahme am 11.07.2019 der Vertretung des Beschwerdeführers die Regelung des § 17a AsylG als Grundlage für das gegenständliche Verfahren nannte (AS 73 f). Der Standesamtsverband XXXX übermittelte dem BFA am 25.04.2019 die Geburtsurkunde und Personenstandsdaten des bereits am XXXX in Österreich nachgeborenen Beschwerdeführers. Dadurch erlangte das BFA auf sonstige Weise Kenntnis von der Geburt des Beschwerdeführers und damit gilt ex lege gemäß § 17a Abs 3 AsylG der Antrag auf internationalen Schutz für den Beschwerdeführer als gestellt und eingebracht; dass dem Beschwerdeführer bereits ein Aufenthaltsrecht für mehr als 90 Tage nach diesem oder einem anderen Bundesgesetz zukäme, wurde zu keinem Zeitpunkt für den Beschwerdeführer vorgebracht; auch sonst haben sich keine Hinweise auf das Vorliegen eines solchen Aufenthaltsrechtes ergeben (zur grundsätzlich verfassungsrechtlichen Zulässigkeit gesetzlicher Antragsfiktionen vgl VfGH 10.10.2018, G186/2018 ua).

3.5 Soweit für den Beschwerdeführer noch in der am 22.07.2019 beim BFA eingelangten Stellungnahme vorgebracht wurde, dass eine Antragsfiktion "nach" Abschluss des Asylverfahrens der Eltern für Minderjährige nach der Verfahrensrichtlinie ausgeschlossen sei (AS 340 f), ist dem entgegen zu bemerken, dass der Wortlaut des Artikel 7 Abs 5 lit c Verfahrensrichtlinie dessen Anwendung auf Fälle der vorliegenden Art nicht ausschließt.

3.6 Dem BFA war daher nicht entgegenzutreten, wenn es aufgrund der gesetzlich normierten Antragsfiktion des § 17a Abs 2 und 3 AsylG für den Beschwerdeführer einen Antrag auf internationalen Schutz als gestellt erachtete und dazu die gesetzten Verfahrensschritte vornahm.

Spruchpunkt I

Zu Spruchpunkt I des angefochtenen Bescheides (Nichtzuerkennung des Status des Asylberechtigten gemäß § 3 AsylG 2005)

Rechtsgrundlagen

3.7 Gemäß § 3 Abs 1 AsylG 2005 ist einem Fremden, der in Österreich einen Antrag auf internationalen Schutz im Sinne des § 2 Abs 1 Z 13 AsylG 2005 gestellt hat, der Status des Asylberechtigten zuzuerkennen, wenn glaubhaft ist, dass ihm im Herkunftsstaat Verfolgung im Sinne des Art 1 Abschnitt A Z 2 der Konvention über die Rechtsstellung der Flüchtlinge, BGBl Nr 55/1955, idF des Protokolls über die Rechtsstellung der Flüchtlinge, BGBl Nr 78/1974 (Genfer Flüchtlingskonvention - GFK), droht.

Zum gegenständlichen Verfahren

3.8 Voraussetzung für die Zuerkennung des Status des Asylberechtigten ist die Glaubhaftmachung, dass dem Asylwerber im Herkunftsstaat Verfolgung im Sinn des Art. 1 Abschnitt A Z 2 Genfer Flüchtlingskonvention, demnach aus Gründen der Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder der politischen Gesinnung, droht (VwGH 02.09.2015, Ra 2015/19/0143).

3.9 Zentraler Aspekt der in Art 1 Abschnitt A Z 2 GFK definierten Verfolgung im Herkunftsstaat ist die wohlbegründete Furcht davor. Eine Furcht kann nur dann wohlbegründet sein, wenn sie im Licht der speziellen Situation des Asylwerbers unter Berücksichtigung der Verhältnisse im Verfolgerstaat objektiv nachvollziehbar ist. Es kommt nicht darauf an, ob sich eine bestimmte Person in einer konkreten Situation tatsächlich fürchtet, sondern ob sich eine mit Vernunft begabte Person in dieser Situation aus Konventionsgründen fürchten würde (VwGH 05.09.2016, Ra 2016/19/0074).

3.10 Unter "Verfolgung" im Sinne des Art 1 Abschnitt A Z 2 GFK ist ein ungerechtfertigter Eingriff von erheblicher Intensität in die zu schützende persönliche Sphäre des Einzelnen zu verstehen. § 2 Abs 1 Z 11 AsylG 2005 umschreibt "Verfolgung" als jede Verfolgungshandlung im Sinne des Art 9 Statusrichtlinie, worunter - unter anderem - Handlungen fallen, die aufgrund ihrer Art oder Wiederholung so gravierend sind, dass sie eine schwerwiegende Verletzung der grundlegenden Menschenrechte darstellen, insbesondere der Rechte, von denen gemäß Art 15 Abs 2 MRK keine Abweichung zulässig ist. Dazu gehören insbesondere das durch Art 2 MRK geschützte Recht auf Leben und das in Art. 3 MRK niedergelegte Verbot der Folter (VwGH 15.12.2016, Ra 2016/18/0083).

3.7 Fallbezogen wurden nach der zitierten Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes keine wohlbegründete Furcht vor einer aktuellen Verfolgung glaubhaft gemacht. So wurden für den Beschwerdeführer im Verfahren vor dem BFA und in der Beschwerde keine eigenen Antragsgründe geltend gemacht. Die Anträge der Eltern und des Bruders des Beschwerdeführers auf internationalen Schutz wurden hinsichtlich der Zuerkennung des Status von Asylberechtigten bereits mit den Erkenntnissen des Bundesverwaltungsgerichtes vom XXXX rechtskräftig abgewiesen.

3.8 Da somit nicht die Voraussetzungen für die Zuerkennung des Status eines Asylberechtigten gegeben sind, war Spruchpunkt I des angefochtenen Bescheides des BFA zu bestätigen.

Zu Spruchpunkt II des angefochtenen Bescheides (Nichtzuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten gemäß § 8 Abs 1 AsylG 2005)

Rechtsgrundlagen

3.9. Gemäß § 8 Abs 1 AsylG 2005 ist einem Fremden, der in Österreich einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt hat, wenn dieser in Bezug auf die Zuerkennung des Status des Asylberechtigten abgewiesen wird (Z 1), oder dem der Status des Asylberechtigten aberkannt worden ist (Z 2), der Status des subsidiär Schutzberechtigten zuzuerkennen, wenn eine Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Fremden in seinen Herkunftsstaat eine reale Gefahr einer Verletzung von Art 2 EMRK, Art 3 EMRK oder der Protokolle Nr 6 oder Nr 13 zur Konvention bedeuten würde oder für ihn als Zivilperson eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes mit sich bringen würde.

Zum gegenständlichen Verfahren

3.10 Fallbezogen wurden für den Beschwerdeführer im Verfahren vor dem BFA und in der Beschwerde keine eigenen Antragsgründe geltend gemacht. Der Beschwerdeführer leidet an keiner akut lebensbedrohlichen und behandlungsbedürftigen Erkrankung. Die Anträge der Eltern und des Bruders des Beschwerdeführers auf internationalen Schutz wurden hinsichtlich der Zuerkennung des Status von subsidiär Schutzberechtigten ebenso bereits mit den Erkenntnissen des Bundesverwaltungsgerichtes vom XXXX rechtskräftig abgewiesen.

Auch den vom BFA im gegenständlich angefochtenen Bescheid getroffenen Länderfeststellungen zu Armenien (oben 1.8) wurde mit der Beschwerde nicht entgegengetreten. Aus diesen ergibt sich, dass der Beschwerdeführer bei einer Ausreise nach Armenien im Familienverband mit seinen Eltern und seinem Bruder in Ansehung existentieller Grundbedürfnisse (wie etwa Nahrung, Unterkunft) keiner lebensbedrohenden Situation ausgesetzt wäre. Eine die physische Existenz nur unzureichend sichernde Versorgungssituation im Herkunftsstaat, die im Einzelfall eine Verletzung der durch Art 3 EMRK gewährleisteten Rechte darstellen würde (vgl VwGH 08.09.2016, Ra 2016/20/0063), liegt somit nicht vor. Das Bundesverwaltungsgericht verkennt dabei nicht, dass die wirtschaftliche Lage des Beschwerdeführers und seiner Familienangehörigen in ihrem Herkunftsstaat möglicherweise schlechter sein wird, als in Österreich; aus den getroffenen Ausführungen ergibt sich aber eindeutig, dass der Schutzbereich des Art 3 EMRK nicht tangiert ist.

3.11 Da somit nicht die Voraussetzungen für die Zuerkennung des Status eines subsidiär Schutzberechtigten gegeben sind, war Spruchpunkt II des angefochtenen Bescheides des BFA zu bestätigen.

Zu Spruchpunkt III der angefochtenen Bescheide (Nichterteilung eines Aufenthaltstitels aus berücksichtigungswürdigen Gründen gem § 57 AsylG)

Rechtsgrundlage

3.12 Gemäß § 57 Abs 1 AsylG ist im Bundesgebiet aufhältigen Drittstaatsangehörigen von Amts wegen oder auf begründeten Antrag eine "Aufenthaltsberechtigung besonderer Schutz" zu erteilen 1. wenn der Aufenthalt des Drittstaatsangehörigen im Bundesgebiet gemäß § 46a Abs 1 Z 1 oder Z 3 FPG seit mindestens einem Jahr geduldet ist und die Voraussetzungen dafür weiterhin vorliegen [...] 2. zur Gewährleistung der Strafverfolgung von gerichtlich strafbaren Handlungen oder zur Geltendmachung und Durchsetzung von zivilrechtlichen Ansprüchen im Zusammenhang mit solchen strafbaren Handlungen [...] oder 3. wenn der Drittstaatsangehörige, der im Bundesgebiet nicht rechtmäßig aufhältig oder nicht niedergelassen ist, Opfer von Gewalt wurde, eine einstweilige Verfügung nach §§ 382b oder 382e EO, RGBl Nr 79/1896, erlassen wurde oder erlassen hätte werden können und der Drittstaatsangehörige glaubhaft macht, dass die Erteilung der "Aufenthaltsberechtigung besonderer Schutz" zum Schutz vor weiterer Gewalt erforderlich ist.

Zum gegenständlichen Verfahren

3.13. Fallbezogen liegen nach dem Vorbringen des Beschwerdeführers vor dem BFA und in der Beschwerde die gesetzlichen Voraussetzungen für die Erteilung eines solchen Aufenthaltstitels nicht vor.

3.14. Demnach war auch die Beschwerde gegen Spruchpunkt III des angefochtenen Bescheides abzuweisen.

Zu Spruchpunkt II

Spruchpunkt IV des angefochtenen Bescheides (Rückkehrentscheidung)

Rechtsgrundlagen

3.15 Gemäß § 10 Abs 1 Z 3 AsylG 2005 ist eine Entscheidung nach diesem Bundesgesetz mit einer Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG zu verbinden, wenn der Antrag auf internationalen Schutz sowohl bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten als auch der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten abgewiesen wird und von Amts wegen ein Aufenthaltstitel gemäß § 57 AsylG 2005 nicht erteilt wird.

3.16 Gemäß § 52 Abs 9 FPG ist mit der Rückkehrentscheidung gleichzeitig festzustellen, ob die Abschiebung des Drittstaatsangehörigen gemäß § 46 in einen oder mehrere bestimmte Staaten zulässig ist. Dies gilt nicht, wenn die Feststellung des Drittstaates, in den der Drittstaatsangehörige abgeschoben werden soll, aus vom Drittstaatsangehörigen zu vertretenden Gründen nicht möglich ist.

3.17 Gemäß § 55 FPG wird mit einer Rückkehrentscheidung gemäß § 52 zugleich eine Frist für die freiwillige Ausreise festgelegt. (Abs 1) Eine Frist für die freiwillige Ausreise besteht nicht für die Fälle einer zurückweisenden Entscheidung gemäß § 68 AVG sowie wenn eine Entscheidung auf Grund eines Verfahrens gemäß § 18 BFA-VG durchführbar wird. (Abs 1a) Die Frist für die freiwillige Ausreise beträgt 14 Tage ab Rechtskraft des Bescheides, sofern nicht im Rahmen einer vom Bundesamt vorzunehmenden Abwägung festgestellt wurde, dass besondere Umstände, die der Drittstaatsangehörige bei der Regelung seiner persönlichen Verhältnisse zu berücksichtigen hat, die Gründe, die zur Erlassung der Rückkehrentscheidung geführt haben, überwiegen. (Abs 2) Bei Überwiegen besonderer Umstände kann die Frist für die freiwillige Ausreise einmalig mit einem längeren Zeitraum als die vorgesehenen 14 Tage festgesetzt werden. Die besonderen Umstände sind vom Drittstaatsangehörigen nachzuweisen und hat er zugleich einen Termin für seine Ausreise bekanntzugeben. § 37 AVG gilt. (Abs 3) Das Bundesamt hat von der Festlegung einer Frist für die freiwillige Ausreise abzusehen, wenn die aufschiebende Wirkung der Beschwerde gemäß § 18 Abs. 2 BFA-VG aberkannt wurde. (Abs 4)

3.18 Wird durch eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG in das Privat- oder Familienleben des Fremden eingegriffen, so ist gemäß § 9 Abs 1 BFA-VG idgF die Erlassung der Entscheidung zulässig, wenn dies zur Erreichung der im Art 8 Abs 2 EMRK genannten Ziele dringend geboten ist.

3.19 Gemäß § 9 Abs 2 BFA-VG sind bei der Beurteilung des Privat- und Familienlebens im Sinne des Art 8 EMRK insbesondere zu berücksichtigen: 1. die Art und Dauer des bisherigen Aufenthaltes und die Frage, ob der bisherige Aufenthalt des Fremden rechtswidrig war; 2. das tatsächliche Bestehen eines Familienlebens; 3. die Schutzwürdigkeit des Privatlebens; 4. der Grad der Integration; 5. die Bindungen zum Heimatstaat des Fremden; 6. die strafgerichtliche Unbescholtenheit; 7. Verstöße gegen die öffentliche Ordnung, insbesondere im Bereich des Asyl-, Fremdenpolizei- und Einwanderungsrechts; 8. die Frage, ob das Privat- und Familienleben des Fremden in einem Zeitpunkt entstand, in dem sich die Beteiligten ihres unsicheren Aufenthaltsstatus bewusst waren; 9. die Frage, ob die Dauer des bisherigen Aufenthaltes des Fremden in den Behörden zurechenbaren überlangen Verzögerungen begründet ist.

3.20 Gemäß § 9 Abs 3 BFA-VG ist über die Zulässigkeit der Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG jedenfalls begründet, insbesondere im Hinblick darauf, ob diese gemäß Abs 1 auf Dauer unzulässig ist, abzusprechen. Die Unzulässigkeit einer Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG ist nur dann auf Dauer, wenn die ansonsten drohende Verletzung des Privat- und Familienlebens auf Umständen beruht, die ihrem Wesen nach nicht bloß vorübergehend sind. Dies ist insbesondere dann der Fall, wenn die Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG schon allein auf Grund des Privat- und Familienlebens im Hinblick auf österreichische Staatsbürger oder Personen, die über ein unionsrechtliches Aufenthaltsrecht oder ein unbefristetes Niederlassungsrecht (§§ 45 und 48 oder §§ 51 ff Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz (NAG), BGBl I Nr 100/2005) verfügen, unzulässig wäre.

Zum gegenständlichen Verfahren

3.21 Wenn eine Interessenabwägung im Sinn des Art 8 MRK ein Überwiegen der privaten oder familiären Interessen des Fremden gegenüber dem öffentlichen Interesse an einer Aufenthaltsbeendigung ergibt, hat eine Rückkehrentscheidung zu unterbleiben; zugleich ist in einem solchen Fall auszusprechen, ob die Erlassung einer Rückkehrentscheidung nur vorübergehend oder auf Dauer unzulässig ist. Wird Ersteres rechtskräftig festgestellt, so ist damit der Aufenthalt des Fremden gemäß § 46a Abs 1 Z 4 (in Verbindung mit Abs 6) FrPolG 2005 geduldet (VwGH 13.12.2018 2018/18/0260).

Von der Unzulässigkeit einer Rückkehrentscheidung auf Dauer wird regelmäßig auszugehen sein, wenn familiäre Bindungen zu einer Ankerperson einer Aufenthaltsbeendigung entgegenstehen und anzunehmen ist, dass sich diese Ankerperson weiterhin auf Dauer rechtmäßig im Bundesgebiet aufhalten wird. Ist das nicht der Fall und kommt der Ankerperson nur ein vorübergehendes Aufenthaltsrecht zu, so liegt dagegen nur eine vorübergehende Unzulässigkeit vor (VwGH 13.12.2018 2018/18/0260).

Fallbezogen lebt der minderjährige Beschwerdeführer gegenwärtig im Familienverband mit seinen Eltern und seinem ebenso minderjährigen Bruder in Österreich. Weder die Eltern noch der Bruder des Beschwerdeführers verfügen aktuell über ein Aufenthaltsrecht für Österreich. Sie halten sich trotz der beim BFA und bei der Bezirkshauptmannschaft XXXX gestellten Anträge gegenwärtig unrechtmäßig in Österreich auf, da die erfolgte bloße Antragstellung kein Aufenthaltsrecht verschafft.

Soweit die Beschwerdeführer im Verfahren vor dem BFA mit den beiden Schriftsätzen vom 19.07.2019, von denen einer erst am 22.07.2019 bei der Behörde einlangte, beantragten, das BFA möge "Aufenthaltstiteln aus Gründen des Artikel 8 EMRK, in eventu einen Aufenthaltstitel in besonders berücksichtigungswürdigen Fällen zu erteilen", ist zudem darauf zu verweisen, dass gemäß § 58 Abs 5 AsylG Anträge auf Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß §§ 55 bis 57 persönlich beim Bundesamt zu stellen sind, was nach bisheriger Aktenlage nicht erfolgt ist.

Für eine Unzulässigkeit einer Rückkehrentscheidung auf Dauer ergeben sich aus dem getroffenen Sachverhaltsfeststellungen zum gegenwärtigen Zeitpunkt keine Anhaltspunkte und wurden solche auch nicht behauptet. Gegenwärtig ergibt sich aus den vom BFA dem Bundesverwaltungsgericht vorgelegten Verwaltungsverfahrensakten jedoch, dass der Vater des Beschwerdeführers ab XXXX stationär in ein Landeskrankenhaus zur operativen Entfernung einer Metallplatte mit 14 Schrauben aufgenommen wurde und für mehrere Wochen einer weiteren Nachbehandlung bedarf, was vom BFA im angefochtenen Bescheid nicht berücksichtigt wurde, sodass die Abschiebbarkeit des Vaters des Beschwerdeführers aktuell vom BFA nicht geklärt wurde. Es besteht daher durch die gegenständlich angefochtene Entscheidung des BFA aktuell nach wie vor die reale Gefahr einer Verletzung von Art 8 EMRK durch den Eingriff in das Familienleben des Beschwerdeführers. Dass die Gefahr einer solchen Verletzung im vorliegenden Fall nicht lediglich hypothetischer Natur ist, ergibt sich daraus, dass bereits einmal der Vater und der Bruder des Beschwerdeführers von der Mutter des Beschwerdeführers getrennt und in Vorbereitung der Außerlandesbringung nach XXXX verbracht wurden, während sich die Mutter des Beschwerdeführers stationär in einem Krankenhaus in XXXX befand. Das BFA nahm damals zwar letztlich von einer getrennten Abschiebung des Vaters und des Bruders des Beschwerdeführers ohne die Mutter Abstand, schloss eine solche jedoch für die Zukunft nicht aus, sondern stufte sie lediglich "derzeit" als unverhältnismäßig ein. Eine Abschiebung des Beschwerdeführers ohne seine beiden Eltern und ohne seinen Bruder ist jedoch jedenfalls unzulässig.

Unter Berücksichtigung sämtlicher Umstände des vorliegenden Falles überwiegt daher das private Interesse des Beschwerdeführers an der Fortführung seines Privat- und Familienlebens mit seinen gegenwärtig in Österreich aufhältigen Eltern und seinem Bruder das öffentliche Interesse an einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme. Es ist auch keine ausreichende Rechtfertigung zu erkennen, warum öffentliche Interessen es zwingend erfordern würden, dass der Beschwerdeführer getrennt von seinen Familienangehörigen Österreich verlassen müsste, auch wenn diese bis dato nicht über ein dauerhaftes Aufenthaltsrecht verfügen.

Vor dem Hintergrund des § 9 Abs 3 BFA-VG ist daher eine Rückkehrentscheidung im Falle des Beschwerdeführers bis zu einer etwaigen tatsächlichen Abschiebbarkeit der Eltern und des Bruders des Beschwerdeführers im gemeinsamen Familienverband mit dem Beschwerdeführer vorübergehend unzulässig anzusehen.

3.22 Es ist daher im Ergebnis spruchgemäß der Beschwerde gegen Spruchpunkt IV des angefochtenen Bescheides stattzugeben und festzustellen, dass im Falle des Beschwerdeführers gemäß § 9 Abs 3 BFA-VG eine Rückkehrentscheidung vorübergehend unzulässig ist.

Es genügt dabei, im Spruch des Bescheides nur die Feststellung der vorübergehenden Unzulässigkeit einer Rückkehrentscheidung aufzunehmen und die dafür maßgebenden Überlegungen bzw die angenommenen zeitlichen Grenzen bloß in der Begründung anzuführen (vgl VwGH 25.10.2012, 2012/21/0030).

Spruchpunkt III

Zur ersatzlosen Behebung der Spruchpunkte V und VII der angefochtenen Bescheide (Zulässigkeit der Abschiebung, keine Fristgewährung für die freiwillige Ausreise)

3.23 Aufgrund des bisherigen Ergebnisses liegen die gesetzlichen Voraussetzungen für die Zulässigkeit der Abschiebung und für die Festlegung keiner Frist für die freiwillige Ausreise mangels einer gesetzlichen Grundlage dafür nicht mehr vor, weshalb gleichzeitig die betreffenden Spruchpunkte ersatzlos zu beheben sind.

Zum Antrag in der Beschwerde, dieser die aufschiebende Wirkung zuzuerkennen

3.24 Der Beurteilung des BFA im angefochtenen Bescheid, mit welcher die Aberkennung der aufschiebenden Wirkung begründet wurde, wurde in der Beschwerde nicht entgegengetreten. Mit der gegenständlichen Entscheidung innerhalb einer Woche ab Vorlage der Beschwerde erübrigt sich mangels eines rechtlichen Interesses ein gesonderter Abspruch auch über den mit der Beschwerde gestellten Antrag, der Beschwerde die aufschiebende Wirkung zuzuerkennen.

Entfall der mündlichen Verhandlung

3.25 Die Abhaltung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung konnte im gegenständlichen Fall gemäß § 21 Abs 7 BFA-VG iVm § 24 VwGVG unterbleiben, da der Sachverhalt in Verbindung mit der Beschwerde geklärt ist.

Zu B)

Revision

3.26 Die Revision ist nicht zulässig, da die Rechtslage durch die zitierte Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes geklärt ist.

3.27 Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.

Schlagworte

Abschiebungshindernis Asylverfahren Glaubwürdigkeit Interessenabwägung mangelnde Asylrelevanz Minderjährigkeit nachgeborenes Kind non refoulement private Interessen Rückkehrentscheidung vorübergehend unzulässig

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2019:L516.2222695.1.00

Im RIS seit

15.09.2020

Zuletzt aktualisiert am

15.09.2020
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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