Entscheidungsdatum
29.08.2019Norm
AsylG 2005 §12a Abs2Spruch
L510 2222780-1/8E
BESCHLUSS
Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Mag. INDERLIETH in dem amtswegig eingeleiteten Verfahren über die durch den mündlich verkündeten Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 20.08.2019, Zl. XXXX , erfolgte Aufhebung des faktischen Abschiebeschutzes des XXXX , geb. XXXX , StA: Türkei, beschlossen:
A)
Die Aufhebung des faktischen Abschiebeschutzes ist gemäß § 12a Abs 2 iVm § 22 Abs 10 AsylG 2005 sowie § 22 BFA-VG nicht rechtmäßig. Der mündlich verkündete Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 20.08.2019, Zl. XXXX , wird ersatzlos behoben.
B)
Die Revision ist gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.
Text
BEGRÜNDUNG:
I. Verfahrensgang:
1. Der Antragsteller (AS) hat am 12.04.2002 in Österreich erstmals einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt. Dabei brachte er im Wesentlichen vor, dass er in seiner Heimat weder strafrechtliche, politische oder religiöse Verfolgungen zu befürchten habe. Er habe keinerlei Schwierigkeiten. Er wollte auf diese Weise versuchen, in Österreich bleiben zu dürfen. Er möchte nun so rasch als möglich in die Türkei zurückkehren. Am 30.08.2005 wurde das Asylverfahren vom Bundesasylamt eingestellt.
2. Am 18.10.2015 stellte der AS seinen zweiten Antrag auf internationalen Schutz. Am 19.10.2015 wurde er von einem Organ des öffentlichen Sicherheitsdienstes erstbefragt. Bezüglich der Fluchtgründe und Rückkehrbefürchtungen machten er folgende Angaben:
"Ich lebe inzwischen in einer Lebensgemeinschaft. Wir haben vor ca. eineinhalb Monaten nach islamischem Recht geheiratet. Ich habe diesbezüglich eine schriftliche Urkunde darüber. Dieses Schriftstück befindet sich bei meiner Lebensgefährtin, XXXX . Inzwischen habe ich auch meinen Sohn XXXX besucht, da ich in Zukunft mit meiner Lebensgefährtin zusammenleben möchte, entschloss ich mich dazu, hier in Österreich einen Asylantrag zu stellen."
Am 14.11.2018 führte der AS zu seinen Fluchtgründen vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (BFA) im Wesentlichen aus:
"Ich wollte eigentlich nur für ein oder zwei Tage nach Österreich kommen um meinen Sohn noch einmal zu sehen. Ich wollte danach wieder in die Türkei. Ich wollte eigentlich nicht das Asyl nützen um in Österreich zu verbleiben, ich hatte in der Türkei ein besseres Leben. Der Grund war einfach nur mein Sohn. Bei meinem Onkel habe ich meine zukünftige Ehefrau kennengelernt. Wir haben uns verliebt. Ich bin dann von der Polizei angehalten worden, ich wurde dort beschimpft, sie haben mich nicht telefonieren lassen. Sie wollten mich abschieben. Der Asylantrag war nicht der Grund für die Hochzeit. Wir haben uns verliebt, es ist gekommen wie es ist. Ich kann nicht mit meiner bosnischen Frau und der österreichischen Tochter meiner Frau nicht in die Türkei. Die Kleine habe ich kennengelernt als sie 7 war. Ich habe eine sehr gute Beziehung zu der Tochter meiner Gattin."
3. Mit Bescheid vom 12.12.2018 wies das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (BFA) den Antrag gemäß den §§ 3 Abs. 1 und 8 Abs. 1 Asylgesetz 2005 (AsylG 2005) ab, erteilte dem Antragsteller gem. § 57 AsylG keinen Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen, erließ gegen ihn eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 Z 2 Fremdenpolizeigesetz 2005 (FPG) und stellte gemäß § 52 Abs. 9 FPG fest, dass seine Abschiebung in die Türkei gemäß § 46 FPG zulässig sei. Gem. § 55 Abs. 1a FPG wurde keine Frist für die freiwillige Ausreise gewährt. Einer Beschwerde wurde die aufschiebende Wirkung aberkannt. Gem. § 53 Abs. 1 iVm Abs. 3 wurde ein auf die Dauer von 8 Jahren befristetes einreiseverbot verhängt. Gem. § 13 Abs. 2 habe der AS sein Recht zum Aufenthalt im Bundesgebiet verloren.
Dieses Verfahren erwuchs mit 16.01.2019 mangels Beschwerdeerhebung in Rechtskraft.
4. Am 16.07.2019 stellte der AS nunmehr gegenständlichen dritten Antrag auf internationalen Schutz, der als Folgeantrag gewertet wurde. In der Erstbefragung führte er zum Fluchtgrund folgend aus:
"Mein Bruder wollte mich umbringen. Er ist bekennender Moslem geworden, aber ich fühle mich nicht so wie er. Auf dem Papier bin ich auch Moslem, aber ich übe die Religion so nicht aus. Mein Sohn XXXX ist römisch-katholischer Christ und ist getauft. Deshalb sagt mein Bruder zu mir, warum ich in die Familie ein christliches Kind gebracht habe. Er sagt auch, dass ich mich von meiner jetzigen Frau scheiden lassen soll und eine muslimische Frau heiraten soll. Er akzeptiert meine Familie nicht. Ich habe ein Tattoo mit dem Namen meines Sohnes, welches er mir mit Essigsäure entfernen wollte, weil ich für ihn ein schmutziger Mensch bin. Ich habe hiermit alle meine Gründe und die dazugehörenden Ereignisse angegeben, warum ich nach Österreich gereist bin. Ich habe keine weiteren Gründe einer Asylantragstellung."
Zur Frage, ob er im Falle einer Rückkehr in die Türkei mit unmenschlicher Behandlung zu rechnen hätte, führte der AS aus:
"Ja, ich bin 3 Mal nicht zu einer Verhandlung gekommen, deshalb werde ich festgenommen. Bei Erdogan kann man nie genau wissen was passiert."
5. Bei der am 20.08.2019 erfolgten Einvernahme beim Bundesamt führte der Antragsteller zur neuerlichen Antragstellung im Wesentlichen Folgendes an:
"[...]
LA: Habe Sie bis jetzt im Verfahren zur Ihrer Person und den Fluchtgründen die Wahrheit gesagt?
VP: Ja. Nachgefragt gebe ich an, dass mein Name und das Geburtsdatum, der Wahrheit entsprechen (Anm Erstbefragung wird vorgehalten). (Anm. kein Identitätsbezeugendes Dokument im Akt) Die Polizei hat meinen türkischen Personalausweis. Ich habe eine Bestätigung.
LA: Wo befindet sich Ihr Reisepass?
VP: Den habe ich zerrissen. Ich fühle mich als kein Türke mehr.
LA: Fühlen Sie sich heute psychisch und physisch in der Lage, Angaben zu Ihrem Asylverfahren zu machen?
VP: Ja.
LA: Sind Sie derzeit in ärztlicher Behandlung und oder Therapie und nehmen Sie irgendwelche Medikamente?
VP: Ich nehme keine Medikamente. Zurzeit keine Therapie (auf deutsch). Aspirin ab und zu.
LA: Gibt es bezüglich Ihres Gesundheitszustandes irgendwelche Neuigkeiten, die Sie der Behörde mitteilen möchten?
VP: Ich hatte in Wie 2x einen Herzinfarkt. Es gibt Befunde. Habe ich aber zurzeit nicht hier. Kann ich Ihnen alles senden.
LA: Gibt es seit Rechtskraft irgendwelche Neuigkeiten in Bezug auf Privat- und Familienleben bzw. gibt es aktuelle Befunde und/ oder Dokumente die Sie bei der Behörde einbringen möchten, die nicht schon bereits Teil des Ermittlungsverfahrens waren?
VP: Keine.
LA: Zur Ihrer Person: Ihre Identität steht fest.
Sie sind türkischer Staatsbürger, gehören der Volksgruppe der Türken und Untergruppe der Hanafiten an, sprechen türkisch und Serbokroatisch, Polnisch, Russisch, Bulgarisch, Hebräisch und Deutsch und sind Moslem sunnitischer Richtung.
Sie lebten und arbeiteten in der in Türkei. Ob ich Sunnit bin und Untergruppe der Hanafiten ist für mich irrelevat. Mensch ist Mensch. Ich gehe auch in die Kirche.
Sie leiden an keiner schwerwiegenden lebensbedrohenden physischen oder psychischen Erkrankung oder sonstigen Beeinträchtigung.
Sie stellten erstmalig am 12.09.2002 in Österreich einen Antrag auf internationalen Schutz, welches Verfahren am 30.08.2015 aufgrund der freiwilligen Ausreise in die Türkei eingestellt wurde.
Laut Ausschreibung wurde am 05.02.2008 von der Bezirkshauptmannschaft XXXX
ein Aufenthaltsverbot erlassen, gültig bis 31.05.2015.
Am 18.10.2015 stellten Sie Ihren zweiten Antrag auf internationalen Schutz.
2018 konnten Sie erst einvernommen werden, da Sie mehrmalig Ladungen nicht nachgekommen sind.
Mit Bescheid vom 12.12.2018 wurde Ihr Verfahren gem. §§ 3 u. 8 AsylG, negativ, eine Rückkehrentscheidung erlassen, die aufschiebende Wirkung gem. § 18 Abs. 1 Z. 2, 4 BFA VG aberkannt und gem. § 53 Abs. 1 iVm. Abs. 3 FPG wurde gegen Sie ein Aufenthaltsverbot in der Dauer von 8 Jahren erlassen.
Gem. § 13 Abs.2 Z. 1 AsylG haben Sie Ihr Recht zum Aufenthalt im Bundesgebiet seit dem 13.02.2018 verloren.
Dieses Verfahren wurde mit 16.01.2019 rechtskräftig in I. Instanz.
Am 10.05.2019 wurden Sie in die Türkei überstellt.
Sie sind verheiratet und haben einen leiblichen Sohn.
VP: Stimmt. Aber ich habe keinen Bescheid erhalten. Ich war in Schubhaft. Vor der Schubhaft hat mich die Polizei 2x verhaftet. Ich wurde 1x vom 03. Bezirk und 1x vom 07. Bezirk (Polizei) wieder freigelassen. (antwortet auf Deutsch).
LA: Wurden Sie in Österreich straffällig?
VP: Bedingt (antwortet auf Deutsch, Frage wird von Dolmetscher übersetzt. Ich bin nicht vorbestraft.
LA: Leben Sie mit einer Person in einer Familiengemeinschaft oder in einer familienähnlichen Lebensgemeinschaft? Falls dies der Fall ist, beschreiben Sie diese Gemeinschaft.
VP: Ja, mit meiner Gattin und meiner Tochter. Nachgefragt ist das nicht meine leibliche Tochter.
LA: Seit wann sind Sie verheiratet?
VP: Seit 2015. (Anm. Auszug Standesamt vorhanden).
LA: Welche Staatsangehörigkeit hat Ihre Frau?
VP: Bosnien.
LA: Welchen Aufenthaltsstatus hat Ihre Frau?
VP: Karte rot-weiß-rot.
LA: Seit Ihrer Verehelichung, waren Sie durchgehend bei Ihrer Frau gemeldet?
VP: Immer. Gottseidank. Einziges Mal im Mai 2019 wo ich in Schubhaft war.
LA: Sie wurden am 10.05.2019 in die Türkei überstellt. Vor Ihrer Überstellung, wann waren Sie zuletzt bei Ihrer Frau gemeldet?
VP: Immer. Laut Meldeamt.
LA: Können Sie mir bitte sagen, warum Ihre Frau am 19.02.2019 von der XXXX verzogen ist?
VP: Wir haben eine andere Wohnung genommen. Gemeinsam. (Mietvertrag wird vorgelegt.)
LA: Sie wurden am 10.05.2019 in die Türkei verbracht und waren bis zuletzt auch an dieser Adresse gemeldet. Können Sie mir das bitte erklären?
VP: Das war mein Problem. Ich habe keinen Ausweis gehabt und konnte mich deshlab nicht anmelden. Ich bin 5 Jahre ohne Ausweis spazieren gegangen. Ich habe jedes Mal Strafe bezahle müssen.
LA: Haben Sie jemals Ihrer Frau und/ oder Ihren Kind Unterhalt bzw. Alimente gezahlt?
VP: Meine Ex-Frau hat mich wegen Alimente angezeigt. Das Verfahren wurde eingestellt. Ich bin freigesprochen worden. Ich zeigte vor, das ich über Western Union immer von der Türkei aus Geld geschickt habe und mein Fehler war: Ich habe als Grund nicht Alimente angegeben. Ich habe der Ex-Frau sogar ein Auto gekauft. Meiner jetzigen Frau habe ich auch ein Auto gekauft, das wurde bereits verkauft.
LA: Haben Sie im Bereich der EU, in Norwegen, CH oder in Island Verwandte, zu denen ein finanzielles Abhängigkeitsverhältnis bzw. eine besonders enge Beziehung besteht?
VP: Ja. Ich habe eine Schwiegermutter in der Schweiz. Ich will keinen Kontakt. Sie schickt mir immer Franken. Ich habe einen Onkel, Tanten, mehrere Cousins hier in Österreich. Der Onkel ist ein Islamist. Er geht in die Moschee (Antwortet auf Deutsch).
Der Name des Onkels ist XXXX , ca. 52 Jahre alt... Er wohnt in Wien.
Und ich habe eine Frau und einen Sohn in Österreich.
LA: Wo wohnt Ihr leiblicher Sohn zurzeit?
VP: Im 16. Bezirk in Wien bei seiner Mutter XXXX . (Antwortet auf Deutsch).
LA: Besteht zu den in Österreich aufhältigen Familienangehörigen in irgendeiner Form ein Abhängigkeitsverhältnis? Sei es aus finanziellen und/ oder sonstigen Gründen für Sie betreffend?
VP: Nein. Ich unterstütze nur meinen Sohn und Stieftochter.
LA: Inwiefern sind Ihre jetzige Frau und Ihr leiblicher Sohn von Ihnen abhängig?
VP: Meine Frau arbeitet. Sie ist nicht von mir abhängig. Sie kauft mir alles. Der Sohn bekommt Geld von mir, ich bekomme das Geld von meiner Gattin. (Antwortet auf Deutsch).
LA: Ist Ihre Frau berufstätig?
VP: Ja. Bei XXXX .
LA: Was machen die Kinder zurzeit (schulisch, beruflich etc..)
VP: Beide gehen in die Schule.
LA: Wie oft sehen Sie Ihren leiblichen Sohn?
VP: Normal jedes Wochenende oder jedes zweite Wochenende. Zurzeit nicht so viel wegen Urlaub und Sommer.
LA: Wann haben Sie Ihren Sohn das letzte Mal gesehen?
VP: Im Jänner 2019.
LA: Ihr Sohn will den Kontakt zu Ihnen?
VP: Ja. Manchmal will er, manchmal nicht. Wie er aufgelegt ist. (antwortet auf Deutsch).
LA: Wie sieht zurzeit Ihr Familienleben aus? Was machen Sie?
VP: Spazieren, Kino gehen... Fiaka fahren... Schwimmbad. Am Graben spazieren. Eis essen.
LA: Wovon wollen Sie leben, wenn Sie in Österreich weiter bleiben wollen?
VP: Ich habe meine eigene Firma XXXX seit 2002. Derzeit ist die stillgelegt. Keinen einzigen Cent Schulden. Keine Versicherungsschulden. Ich habe den Steuerberater Vollmacht gegeben für eine Wiedereröffnung. Wenn ich es schaffe. Ansonsten gehe ich arbeiten. Ich habe mehrere Möglichkeiten.
LA: Gingen Sie in Österreich jemals einer legalen Erwerbstätigkeit nach?
VP: Ja. Meine Firma. Lebensmittelgeschäft. War eine gute Einnahmequelle. Adresse XXXX .
LA: Wovon bestreiten jetzt Sie Ihren Lebensunterhalt?
VP: Von meiner Gattin. Ich habe auch ein bisschen Erspartes. Ich bin nicht in der Grundversorgung.
LA: Abgesehen davon, wie sieht es gesundheitlich bei Ihnen aus? Wären Sie in der Lage eine Beschäftigung anzunehmen?
VP: Ja.
LA: Sind Sie zurzeit versichert?
VP: Jein. ab morgen...
LA: Sind Sie in Österreich Mitglied in Vereinen oder Organisationen?
VP: Nein. Aber ich zahle Spende an das Rote Kreuz.
LA: Bekommen Sie in irgendeiner Form sonstige finanzielle Unterstützung? (Caritas, Roten Kreuz, sonstige Organisation etc.)
VP: Nein.
LA: Sie haben eine Verfahrensanordnung gem. § 29 Abs. 3 Z 4 und 6 AsylG erhalten, womit Ihnen mitgeteilt wurde, dass beabsichtigt ist, Ihren Antrag auf internationalen Schutz gem. § 68 AVG zurückzuweisen und den faktischen Abschiebeschutz aufzuheben. Sie haben nunmehr Gelegenheit zur geplanten Vorgangsweise des Bundesamtes Stellung zu nehmen. Was spricht gegen die aufenthaltsbeendende Maßnahme, über die bereits rechtskräftig abgesprochen worden ist?
VP: Einige Gerichtsverhandlungen und Gerichtsprozesse in der Türkei. Das habe ich nicht gewusst. Das habe ich im Mai 2019 erfahren. Es gibt einige Strafen gegen mich.
LA: Seit wann gibt es die Gerichtsprozesse/ Verhandlungen?
VP: Seit 10 Jahren.
LA: Gibt es schon ein Urteil?
VP: Weiß man nicht. Ich bin dran. Ich kann Protokolle und Aktenzahlen vorlegen.
LA: Um was geht es denn überhaupt um den Prozess?
VP: Ich weiß es nicht. Ich muss mal zur Botschaft gehen zur türkischen.
LA: Hat sich seit dem Vorbringen im Vorverfahren bzgl. Ihrer Fluchtgründe etwas verändert?
VP: Aufgrund der Gerichtsverhandlungen bin ich ins Ausland ausgereist. In der Türkei herrscht keine Gerechtigkeit mehr.
LA: Warum haben Sie jetzt neuerlich einen Asylantrag gestellt?
VP: In diesem Jahr im Februar und Mai war ich 2x in Gewahrsam. Im Februar vom 03. Bezirk die Polizei und im Mai vom 07. Bezirk von der Polizei. Jedes Mal war ich ca. 2-3 Stunden angehalten, weil ich ein Aufenthaltsverbot habe. So hat man das mir erzählt. Ich wurde wieder freigelassen. Die Polizei hat sich entschuldigt. Es war kein Fehler aber es gab einen Bescheid vom BFA aber ich wusste nichts davon. Im April war 2x die Fremdenpolizei bei mir zuhause. und hat mir auch nicht gesagt dass es einen Bescheid gibt. Ich wurde nur gefragt ob ich hier mit meiner Familie da wohne und ich sagte ja. Als zum dritten Mal die Fremdenpolizei gekommen ist, sagte diese zu mir. Ich hätte Plst und sollte dies abholen im 07. Bezirk im XXXX . Ich sagte ich hole die Post ab. Er sagte das geht nicht. wir müssten gemeinsam die Post abholen...Der Beamte hat mir gesagt das ich ein Aufenthaltsverbot habe und ich muss dort im XXXX verbleiben. Ich wurde festgenommen. Bis zur letzten Minute hatte ich keine Recht auf ein Telefonat. 3 Zivilisten kamen vermutlich Interpol von XXXX und sagten ich müsste mit denen in die Türkei fliegen. Ich sagte ich muss gar nicht mitfliegen, weil ich noch mit meiner Gattin und den Kindern reden und mich verabschieden möchte. Ich durfte mich nicht verabschieden und ich durfte auch nicht mit denen telefonieren. Ich versuchte einen Anwalt zu erreichen. Mein Anwalt kam letzten Tag. ich schilderte ihm den Vorfall. Die Polizei sagte mir meine Familie dürfe mich nicht besuchen, erst am Sonntag. aber in 3 Stunden war schon mein Flieger.
Ich habe zu denen gesagt, wenn meine Familie mich nicht besuchen kommt, dann verlasse ich Österreich nicht freiwillig. Aufgrund der Abschiebung wurde niemand verständigt. Niemand wusste von meiner Abschiebung. Meine Gattin und die Tochter sind Zeugen. Sogar die Polizei weinte als ich abgeschoben wurde. 2 Polizisten weinten. Polizei borgte mir auch Geld für Zigaretten.
Ich bin in die Türkei geflogen. Dann am ersten Tag wurde ich verhaftet in der Türkei am Flughafen. Neben der österreichischen Polizei sogar. An diesem Tag hatte ich 5 Verhandlungen gehabt. Ich habe Geld zahlen müssen die Unkosten. Das ist eine Privatpolizei. wenn man schnell fahren will in der Türkei mit Blaulicht muss man die Polizei bezahlen Ich habe keinen Freispruch bekommen. Die Verhandlungen wurden verlegt. Bis jetzt gibt es kein Urteil. Jetzt im November sollte eine gerichtliche Verhandlung in der Türkei in Istanbul stattfinden. Ich hatte Angst und bin hierher zu meiner Familie. Ich sagte damals freiwillig in die Türkei. war kein Problem im Mai 2019. Jetzt geht das nicht mehr wie ich jetzt Verhandlungen habe. Man warten über 8 Jahre im Gefängnis auf die Verhandlungen.
LA: Das waren alle Ihre Fluchtgründe?
VP: Ja.
LA: Seit wann sind Ihnen die Fluchtgründe bekannt?
VP: Frage wird wiederholt. Seit Mai 2019.
LA: Was wird Ihnen vorgeworfen?
VP: Das weiß ich nicht. Ich kann Berichte oder Aktenzahlen besorgen. Es geht darum es wird mir vorgeworfen dass ich vielleicht jemanden umbringen wollte oder was weiß ich.
LA: Wenn Sie Berichte oder Aktenzahlen besorgen können, dann müssten Sie doch wissen warum Sie angeklagt werden?
VP: Genau.
LA Warum?
VP: Ich noch keine Informationen bzw vom Gericht Bescheid bekommen. Mein Anwalt holt sämtliche Akten und dann weiß ich es um was es geht.
LA: Sind Sie mit Ihrem Anwalt in Kontakt?
VP: Ja... Nachgefragt telefonieren wir miteinander. Ich bin auch in Kontakt mit meiner Mutter. Aber sie ist auch böse auf mich weil ich einen christlichen Sohn habe.
LA: Wenn Sie in Kontakt mit Ihrem Anwalt in der Türkei stehen, dann müssten Sie doch schon in Erfahrung gebracht haben was man Ihnen vorwirft und warum genau Sie einen neuerlichen Asylantrag gestellt haben.
VP: Der Rechtsanwalt hat viel zu tun und hat mehrere Fälle. Ich musste auch Vollmacht erteilen. In der Türkei geht das nicht so. Ohne notarielle Beglaubigung geht das nicht.
LA: Woher wollen Sie dann wissen, dass Sie festgenommen werden, wenn Sie gar nicht wissen was man Ihnen vorwirft?
VP: Es gibt eine elektronische Datei E-DEVLET. Da habe erfahren das gegen mich mehrere Gerichtsverhandlungen gibt.
LA: Wie haben Sie das erfahren. mit wem haben Sie telefoniert?
VP: das ist wie Online Finanzen. Ich musste mich zuerst registrieren und man kann alles abfragen. Auch strafen etc.. Nachgefragt geht das über PC und Handy, Tablet.. es ist eine APP.
LA: Dann zeigen Sie mir das mal. zeigen Sie mir die APP.
VP: Das kann ich nicht. Nachgefragt weil das auf meinem Tablet ist.
LA: Dann können Sie mir das doch zeigen. APP runterladen.
VP: Nein. ich weiß die Codes aber ich kann da nicht rein.
LA: Warum haben Sie das Tablet dann nicht zur Einvernahme mitgenommen?
VP: Ich habe das nicht gewusst. Habe nur das Telefon mitgenommen.
LA: Was ist nun mit den Fluchtgründen vom Erstverfahren/ früheren Verfahren? Bestehen diese nicht mehr oder wie darf ich das verstehen?
VP: Nein. Diese gelten nicht mehr.
LA: Sie gaben an am ersten Tag in der Türkei 5 Verhandlungen gehabt zu haben?
VP: Ja, im Mai.
LA: Was hat man da zu Ihnen gesagt bei den Verhandlungen?
VP: Ich wollte das verschieben das Gericht. Ich kann mich nicht erinnern. Damals war ich nicht psychisch nicht in der Lage. deshalb wollte ich die verschieben weil ich mich nicht in Lager gefühlt habe. Die Gerichtsverhandlung wurde verschoben.
LA: Welche Gerichtsverhandlung wurde verschoben?
VP: Frage musste wiederholt werden. Verhandlung für das Strafrecht.
LA: Um was geht es dabei?
VP: Ich kann mich nicht daran erinnern. Das einzige was ich weiß. Komisch war 2009 war ich alkoholisiert. Ich zahlte die Strafe und trotzdem habe ich Verhandlung. Das ist eine Klage vom Staat. Wenn man alkoholisiert ist bekommt man eine Strafe.
LA: Wie viele Verhandlungen wurden verschoben?
VP: Ich weiß es nicht. Ich war in 2 oder 3 verschiedenen Gebäuden.
LA: Warum haben Sie dann die Türkei verlassen?
VP: Ich hatte Angst. Die wollten mich verhaften. 10 Tage später wäre eine strafrechtliche Verhandlung gewesen.
LA: Was haben Sie nach der Verschiebung der Verhandlungen gemacht?
VP: Ich bin zu meiner Familie gegangen. Ich habe mit meiner Familie gestritten ein bisschen. Dann bin ich zu meinem Freund. Ich habe einen Reisepass organisiert und bin nach Mazedonien.
LA: Sie sind gleich nach den Verhandlungen ausgereist?
VP: Nach 10 Tagen.
LA: Die Fluchtgründe bestehen nicht mehr.
VP: Nein.
LA: Haben Sie Beweismittel für Ihr nunmehriges Vorbringen, die Sie der Behörde vorlegen möchten?
VP: Zurzeit keine. Im Moment nicht, aber bis morgen kann ich das zu Ihnen bringen.
LA: Welche Beweismittel möchten Sie mir bringen?
VP: Ich kann von E-DEVET alles ausdrucken. Ich kann Ihnen Berichte geben und die Gerichtszahlen.
LA: Sie hätten bis heute Zeit gehabt sämtliche Beweismittel zu besorgen. Eine Einvernahme wurde bereits verschoben. Warum konnten Sie bis heute keine Beweismittel besorgen, wenn Sie doch wussten das Sie heute eine Einvernahme haben und Ihren Fluchtgrund der Behörde schildern müssen.
VP: Ich habe das nicht gewusst das ich über das Gericht reden muss. Das habe ich wirklich nicht gewusst.
LA: Was dachten Sie was heute gefragt wird?
VP: Weiß ich nicht.
LA: Bezüglich Ihrer Familie in der Türkei gibt es nichts zu berichten?
VP: Uninteressant für mich. Ich bin auch nicht interessiert an meiner Familie.
LA: Warum haben Sie Erstbefragung am 16.07.2019 von den Gerichtsverhandlungen nichts erwähnt?
VP: Der Beamte sagte zu mir dass das nicht relevant ist. Ich brauch das nicht zu sagen.
Machen Sie beim BFA Traiskirchen weiter.
LA: Haben Sie aufgrund Familienstreitigkeiten Ihr Heimatland verlassen?
VP: Ich hatte Streit zuhause.. Deshalb bin ich zu einem Freund. Das ist ein Privatsache. Das ich schon im Jänner 2019 gesagt. Wegen religiöser Sachen gibt es Streit.
LA: Deswegen Haben Sie Ihr Heimatland nicht verlassen?
VP: Das ist ein Streit von vielen. Aber aufgrund Angst der Verhandlungen bin ich geflüchtet.
LA: Bereits in Ihren Vorverfahren wurde von der erstinstanzlichen Behörde erkannt, dass Ihr Fluchtvorbringen nicht mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit eine Verfolgung bzw. Gefährdung im asylrelevanten Ausmaß nach sich zieht. Was sagen Sie dazu?
VP: Ich habe über die Familienstreitigkeiten schon alles geschildert.
LA: Ihr nunmehriges Vorbringen ist für die Behörde nicht glaubhaft. Sie hatten genug Zeit Beweismittel zu besorgen. Die Behörde geht davon aus, dass Sie Ihren Antrag nur stellten, um dadurch einer Rücküberstellung in die Türkei zu entgehen. Möchten Sie dazu etwas angeben?
VP: Sämtliche Beweismittel werde ich Ihnen vorlegen.
LA: Sie können anfangen mir einmal ganz genau zu erklären warum und weswegen Sie genau verhaftet werden sollen und angeblich eine Gerichtsverhandlung haben sollten. Sie haben bis dato nie etwas hinsichtlich erwähnt. Das Verfahren soll Ihrer Aussage nach schon seit ca. 10 Jahren geben und jetzt sollten Sie verhaftet werden und erst im November 2019 eine Verhandlung haben? Können Sie mir das bitte schlüssig erklären?
VP: Weil ich bis Mai das nicht gewusst habe. Ich war 10 Jahre lang nicht in der Türkei.
LA: Wenn es so ein Verfahren geben sollte wie Sie es mir schildern. wegen versuchten Mord oder Unfall im alkoholisierten Zustand vl sogar mit Verletzten. etc.. Dann hätte man die Verhandlung zwar verschoben aber Sie wären nicht nach Österreich sondern gleich in Untersuchungshaft gekommen. Oder läuft das in der Türkei nicht so. Erklären Sie mir das bitte.
VP: Frage wird wiederholt... Durch Geld kann man vieles Erledigen. Ich hatte Geld und dann haben die mich freigelassen. Es gibt noch immer einen Haftbefehl.
LA: Seit wann gibt es den Haftbefehl?
VP: Seit 2010/2011.
LA: Wegen was gibt es den Haftbefehl?
VP: Diese komischen Sachen kann man nicht übersetzen. Die ganze Türkei ist komisch. Es läuft dort alles komisch.
LA: Aufforderung: Versuchen Sie es dem Dolmetscher zu erklären.
VP: Ich meine Damit, wenn man Geld hat kann man in der Türkei alles erledigen. Man kann sich Zeit kaufen.
LA: Würden Sie freiwillig in die Türkei zurückreisen?
VP: Nein.
LA: Werden Sie sich einer Überstellung widersetzen?
VP: Ja.
Vorhalt:
LA: Das von Ihnen dargebrachte Vorbringen ist insgesamt dennoch nicht geeignet, einen neuen, entscheidungs-, nonrefoulement- bzw. asylrelevanten Sachverhalt zu begründen- es ist beabsichtigt, Ihren Asylantrag wegen entschiedener Sache zurückzuweisen, eine vorläufige Aufenthaltsberechtigung steht Ihnen nicht zu. Es ist die Absicht der Behörde dass Ihnen kein faktischer Abschiebeschutz zukommt und Sie in die Türkei zu überstellen. Was möchten Sie dazu angeben?
VP: Ich lebe hier und habe Familie in Österreich. Ich versuche die Rechte über einen Anwalt zu erklären.
LA: Sie haben die Möglichkeit nach der Einvernahme die Rückkehrberatung in Anspruch zu nehmen. Ich weiße Sie darauf hin, dass dies ein verpflichtendes Rückehrberatungsgespräch ist. Sollten Sie nicht teilnehmen verletzen Sie Ihre Mitwirkungspflicht im Verfahren. Haben Sie das verstanden?
VP: verstanden.
LA: Was befürchten Sie bei einer Rückkehr ins Heimatland?
VP: Ich möchte gar nicht darüber nachdenken.
LA: Haben oder hatten Sie jemals irgendwelche andere Probleme, außer den genannten, mit privaten Personen, Personengruppen, Banden oder kriminellen Organisationen?
VP: Ja. Nachgefragt ich habe Angst vor Erdogan. Ich wurde bei Demos 3x festgenommen weil ich Sesambrötchen gratis verteilt habe.
LA: Gibt es außer den genannten Problemen und Befürchtungen sonst noch irgendwelche Sie betreffende Schwierigkeiten, die noch nicht zur Sprache gekommen sind?
VP: Nein.
LA: Möchten Sie die Länderfeststellungen zur Türkei auszugsweise Übersetzt bekommen?
VP: Ja. (LFST werden AW auszugsweise Übersetzt).
LA: Haben Sie ausreichend Gelegenheit gehabt zu haben, die Gründe für den Asylantrag vollständig und umfassend zu schildern und auch alle sonstigen Hindernisse darzulegen, die einer Rückkehr ins Heimatland entgegenstehen?
VP: Ich glaube schon außer den Beweisen. Die sind wichtig.
LA: Ich beende jetzt die Befragung. Hatten Sie Gelegenheit alles vorzubringen, was Ihnen wichtig erscheint?
VP: Ja.
Anmerkung:
Der Rechtsberaterin wird die Möglichkeit gegeben, Fragen oder Anträge zu stellen.
RB: Keine Fragen und oder Anträge.
LA: Es wird Ihnen nunmehr die Niederschrift rückübersetzt und Sie haben danach die Möglichkeit noch etwas richtig zu stellen oder hinzuzufügen.
Anmerkung: Die gesamte Niederschrift wird wortwörtlich rückübersetzt.
LA: Haben Sie nun nach Rückübersetzung Einwendungen gegen die Niederschrift selbst, wurde alles richtig und vollständig protokolliert?
VP: Es wurde alles vollständig und richtig protokolliert.
LA: Möchten Sie noch etwas hinzufügen, richtig stellen oder ergänzen?
VP: Ja. Ich habe zwischen 2009 und 2010 70.000 Dollar Schulden bei einer Mafiafamilie angehäuft. Müsse dies zurückzahlen. Eine Familie schuldet mir aber schon 30.00 Dollar. Ich sollte auf das verzichten. Ich bin entführt worden, geschlagen und gefoltert. Ich war 3 Tage im Krankenhaus. Ich werde von der Familie bedroht mit dem umbringen.
LA: Haben Sie dies bereits der Behörde bereits geschildert?
VP: Nein, noch nicht.
..."
Im Folgenden verkündete das Bundesamt mündlich den Bescheid mit dem der faktische Abschiebeschutz gemäß § 12a Abs. 2 iVm § 22 Abs. 10 AsylG, BGBl. I Nr. 100/2005 (AsylG) idgF, aufgehoben wurde.
Der Beurkundung des mündlich verkündeten Bescheides wurde ein Konvolut an Dokumenten und Formularen, offenkundig in türkischer Sprache, beigeheftet. Diesbezüglich erfolgte seitens des BFA bei seiner Aktenvorlage keine Erklärung, die Unterlagen waren auch nicht übersetzt.
5. Am 27.08.2019 langte der Verwaltungsakt bei der zuständigen Gerichtsabteilung des BVwG, zur Überprüfung der Rechtmäßigkeit der Aufhebung des Abschiebeschutzes, ein.
Das BFA wurde mit 27.08.2019 seitens des BVwG einerseits aufgefordert bekannt zu geben, welche Schritte es bisher setzte, um die faktische Durchführung der Abschiebung alsbald möglich zu machen. Zudem wurde das BFA aufgefordert bekannt zu geben, worauf sich die der Beurkundung des Bescheides beigeschlossenen Dokumente und Formulare (AS 209 - 251) in türkischer Sprache beziehen und ob diese mit dem Fluchtvorbringen des AS in Zusammenhang stehen würden.
Mit Schreiben 27.08.2019 gab das BFA bekannt, dass keine neuen Schritte für die Erlangung eines Heimreisezertifikates gesetzt wurden. Ein Interview beim türkischen GK in Wien sei unbedingt notwendig. Dies könne jederzeit beantragt werden (2 Wochen Wartezeit), die Ausstellung eines HRZ dauere im Normalfall nochmals eine Woche. Die zuständige Regionaldirektion sei bereits in Kenntnis darüber. Somit sollte ein neuerliches HRZ in nächster Zeit zu erlangen sein.
Mit Schreiben vom 29.08.2019 gab das BFA bekannt, dass vom türkischen GK Wien für den AS ein HRZ ausgesellt wird. Dies könne 3 Tage vor dem Flug abgeholt werden.
Mit Schreiben vom 28.08.2019 gab das BFA bekannt, dass sich die dem Bescheid beigelegten türkischen Dokumente bzw. Formulare allesamt auf das neue Fluchtvorbringen beziehen würden, zumal der AS schon in der Niederschrift darlegte, dass er Beweismittel für sein Fluchtvorbringen vorlegen könne. Weiter wurde angeführt:
(1.) Bestätigung, dass der Haftbefehl gegen ihn aufgehoben wurde
(2.) Vorläufiger türk. Personalausweis
(3.) Niederschrift Staatsanwaltschaft Beschuldigtenvernehmung von 2014
(4.) Schwer leserlich - Verhandlungsschrift
(5.) 2. Seite Staatsanwaltschaft Niederschrift 1. Seite 03/2014
(7.) Nicht leserlich
(8.) Notarielle Beglaubigung
(9.) Restliche Screenshots sind Auszüge von E-DEBLET (Die türk. Website e-Devlet kapisi, einfach e-Devlet oder turkiye.gov.tr, ist eine Informationsquelle für Ausländer, die den Zugang zu staatlichen Diensten ermöglicht.
Abschließend sei noch zu erwähnen, dass der AS weder in der Erstbefragung noch in der Einvernahme im Erstverfahren etwaige Gerichtsverhandlungen etc. erwähnte.
6. Mit 28.08.2019 wurde dem BFA seitens des BVwG der vollständige Erhalt des Aktes bestätigt.
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
1. Feststellungen:
Zur Person:
Die Identität des AS steht fest. Er ist Staatsangehöriger der Türkei, sunnitisch muslimischen Glaubens und Angehöriger der türkischen Volksgruppe. Er ist volljährig, verheiratet und Vater eines Sohnes aus einer früheren Beziehung.
Aus den Anfragedaten des ZMR geht hervor, dass er am 10.12.2015 beim Standesamt XXXX Frau XXXX geheiratet hat.
Der Antragsteller brachte insgesamt 3 Asylanträge in Österreich ein.
Der AS hat eine auf das Asylgesetz gestützte Aufenthaltsberechtigung in Österreich und verfügt über keine sonstige Aufenthaltsberechtigung.
Zu den Gründen für die Anträge auf internationalen Schutz sowie zur voraussichtlichen Entscheidung im nunmehrigen Verfahren:
Der AS begründete den ersten Asylantrag damit, dass er in seiner Heimat weder strafrechtliche, politische oder religiöse Verfolgungen zu befürchten habe. Er habe keinerlei Schwierigkeiten. Er habe auf diese Weise versuchen wollen, in Österreich bleiben zu dürfen. Er wolle nun so rasch als möglich in die Türkei zurückkehren.
Im Zuge der Einvernahme zum zweiten Asylantrag brachte der Antragsteller vor, dass er eigentlich nur für ein oder zwei Tage nach Österreich habe kommen wollten um seinen Sohn noch einmal zu sehen. Er habe danach wieder in die Türkei reisen wollen. Er habe eigentlich nicht das Asyl nützen wollen um in Österreich zu verbleiben, er habe in der Türkei ein besseres Leben gehabt. Der Grund sei einfach nur sein Sohn gewesen. Bei seinem Onkel habe er seine zukünftige Ehefrau kennengelernt. Sie hätten sich verliebt. Er sei dann von der Polizei angehalten worden, er sei beschimpf worden, sie hätten ihn nicht telefonieren lassen. Sie hätten ihn abschieben wollen. Der Asylantrag sei nicht der Grund für die Hochzeit gewesen. Er könne nicht mit seiner bosnischen Frau und der österreichischen Tochter seiner Frau in die Türkei. Er habe eine sehr gute Beziehung zu der Tochter seiner Gattin.
In der Einvernahme zum dritten Antrag gab er u. a. an, dass es Gerichtsverhandlungen gegen ihn in der Türkei gebe. Dies habe er bei seiner Rückkehr in die Türkei im Mai 2019 erfahren. Er sei bereits bei der Einreise am Flughafen verhaftet worden. Am ersten Tag habe er bereits 5. Verhandlungen gehabt. 10 Tage später hätte es eine strafrechtliche Verhandlung gegeben, sie hätten ihn festnehmen wollen. Deshalb hätte er aus Angst die Türkei verlassen. Es gebe immer noch einen Haftbefehl. Er könne Beweismittel vorlegen, welche er von E-DEVLET ausdrucken könne.
Der AS legte dem BFA einen Tag nach seiner Einvernahme und nach Verkündung des mündlichen Bescheides ein Konvolut an Beweismitteln vor, welche sich laut Angaben des BFA allesamt auf das Fluchtvorbringen beziehen. Die Unterlagen wurden nicht übersetzt bzw. mit dem Antragsteller erörtert. Der diesbezügliche Sachverhalt ist nicht ausreichend geklärt um beurteilen zu können, ob die Sache voraussichtlich wegen entschiedener Sache zurückzuweisen ist.
Es steht nicht ausreichend fest, ob der AS mit einer strafrechtlichen Verurteilung rechnen muss und ist auch nicht bekannt um welche Art von Verurteilung es sich gegebenenfalls handeln könnte. Es ist unter Berücksichtigung der derzeit bekannten Umstände somit auch nicht ausreichend geklärt, ob die Zurückweisung, Zurück- oder Abschiebung in die Türkei eine reale Gefahr einer Verletzung von Art. 2 EMRK, Art. 3 EMRK oder der Protokolle Nr. 6 oder Nr. 13 zur Konvention bedeuten würde.
Zur asyl- und abschiebungsrelevanten Lage in der Türkei:
Das BFA übersetzte dem Antragsteller laut Niederschrift vom 20.08.2019 auszugsweise Länderfeststellungen zur Türkei. Die Lage in der Türkei ist seit der Entscheidung über den vorherigen Antrag auf internationalen Schutz bzw. Erlassung einer Rückkehrentscheidung im Wesentlichen unverändert.
2. Beweiswürdigung:
Das BVwG hat aus dem vorgelegten Verwaltungsakt Beweis erhoben.
Betreffend die Gründe für die voraussichtliche Entscheidung legte das BFA im Wesentlichen dar, dass das Vorbringen der bP in Bezug auf in der Türkei anhängige Verfahren nicht glaubhaft sei. Die bP habe genug Zeit gehabt Beweismittel vorzulegen, was sie jedoch nicht gemacht habe. Das gesamte diesbezügliche Vorbringen stütze sich lediglich auf Behauptungen und sei einer Verifizierung nicht zugänglich.
Seitens des BVwG wird diesen Darlegungen des BFA nicht gefolgt. Es entspricht zwar der Richtigkeit und wird seitens des BVwG nicht verkannt, dass der AS bei seiner Einvernahme vor dem BFA sehr vage war und keine konkreten Delikte nennen konnte, welche ihm angeblich durch den türkischen Staat angelastet werden und mit welcher Strafe er diesbezüglich zu rechnen hätte. Dennoch stellte der AS in Aussicht, entsprechende Unterlagen vorzulegen, was er letztlich auch am nächsten Tag nach der Einvernahme und der Verkündung des Bescheides gemacht hat. Diese Unterlagen in türkischer Sprache (AS 209 - AS 251) sind nicht übersetzt. Selbst das BFA legte dar, dass sich diese Unterlagen konkret auf das Fluchtvorbringen beziehen. Ohne Erörterung dieser Unterlagen mit dem AS bzw. ohne Übersetzung dieser Unterlagen kann somit nicht verlässlich davon ausgegangen werden, dass die Angaben des AS völlig unglaubwürdig sind und somit nicht geeignet wären, von einer Änderung des entscheidungswesentlichen Sachverhalts auszugehen. Diesbezüglich ist jedenfalls ein entsprechendes Ermittlungsverfahren erforderlich.
Somit kann auch nicht mit der erforderlichen Sicherheit davon ausgegangen werden, dass die Feststellungen zur Gefährdungssituation bezogen auf das individuelle Vorbringen seit der Entscheidung über den vorherigen Antrag auf internationalen Schutz, im Wesentlichen unverändert geblieben sind.
3. Rechtliche Beurteilung:
Zu A)
§ 12 a Abs. 2 AsylG normiert, dass, wenn ein Fremder einen Folgeantrag stellt und kein Fall des Absatz 1 vorliegt, das Bundesamt den faktischen Abschiebeschutz des Fremden aufheben kann, wenn
1. gegen ihn eine aufrechte Rückkehrentscheidung oder Ausweisung besteht,
2. der Antrag voraussichtlich zurückzuweisen ist, weil keine entscheidungswesentliche Änderung des maßgeblichen Sachverhaltes eingetreten ist, und
3. die Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung keine reale Gefahr einer Verletzung von Art. 2, 3 oder Art. 8 EMRK oder der Protokolle Nr. 6 oder Nr. 13 zur Konvention bedeuten und für ihn als Zivilperson keine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes mit sich bringen würde.
Gemäß § 22 Abs. 10 AsylG ergehen solche Entscheidungen des Bundesamtes betreffend die Aufhebung des Abschiebeschutzes gem. § 12a Abs. 2 AsylG mündlich in Bescheidform.
§ 22 BFA-VG lautet:
Überprüfung der Aufhebung des faktischen Abschiebeschutzes
(1) Eine Entscheidung des Bundesamtes, mit der der faktische Abschiebeschutz eines Fremden aufgehoben wurde (§ 12a Abs. 2 AsylG 2005), ist vom Bundesverwaltungsgericht unverzüglich einer Überprüfung zu unterziehen. Das Verfahren ist ohne Abhaltung einer mündlichen Verhandlung zu entscheiden. § 20 gilt sinngemäß. § 28 Abs. 3 2. Satz VwGVG ist nicht anzuwenden.
(2) Die Aufhebung des Abschiebeschutzes gemäß § 12a Abs. 2 AsylG 2005 und eine aufrechte Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG oder eine Ausweisung gemäß § 66 FPG sind mit der Erlassung der Entscheidung gemäß § 12a Abs. 2 AsylG 2005 durchsetzbar. Mit der Durchführung der die Rückkehrentscheidung oder Ausweisung umsetzenden Abschiebung gemäß § 46 FPG ist bis zum Ablauf des dritten Arbeitstages ab Einlangen der gemäß § 22 Abs. 10 AsylG 2005 zu übermittelnden Verwaltungsakten bei der zuständigen Gerichtsabteilung des Bundesverwaltungsgerichtes zuzuwarten. Das Bundesverwaltungsgericht hat das Bundesamt unverzüglich vom Einlangen der Verwaltungsakten bei der zuständigen Gerichtsabteilung und von der im Rahmen der Überprüfung gemäß Abs. 1 getroffenen Entscheidung über die Rechtmäßigkeit der Aufhebung des Abschiebeschutzes zu verständigen.
(3) Über die Rechtmäßigkeit der Aufhebung des Abschiebeschutzes im Rahmen der Überprüfung gemäß Abs. 1 hat das Bundesverwaltungsgericht binnen acht Wochen zu entscheiden.
Daraus folgt:
Im konkreten Fall liegt ein Folgeantrag iSd § 2 Abs. 1 Z. 23 AsylG vor.
Die darin verhängte Rückkehrentscheidung ist aufrecht, da Rückkehrentscheidungen gem. § 12a Abs 6 AsylG 18 Monate ab der Ausreise des Fremden aufrecht bleiben. Auch liegt ein rechtskräftiges Aufenthaltsverbot vor. Der AS verfügt über kein sonstiges Aufenthaltsrecht.
Wie bereits in der Beweiswürdigung dargelegt, kann gegenständlich nicht mit der erforderlichen Sicherheit davon ausgegangen werden, dass die Angaben des AS völlig unglaubwürdig sind und somit nicht geeignet wären, von einer Änderung des entscheidungswesentlichen Sachverhalts auszugehen. Diesbezüglich ist jedenfalls ein entsprechendes Ermittlungsverfahren erforderlich.
Somit kann auch nicht mit der erforderlichen Sicherheit davon ausgegangen werden, dass die Feststellungen zur Gefährdungssituation bezogen auf das individuelle Vorbringen seit der Entscheidung über den vorherigen Antrag auf internationalen Schutz, im Wesentlichen unverändert geblieben sind.
Es liegen somit die Voraussetzungen für eine Aufhebung des faktischen Abschiebeschutzes iSd § 12a Abs 2 Z 2. und 3. nicht vor, weshalb spruchgemäß zu entscheiden war.
Gem. § 22 Abs. 1 BFA-VG konnte eine Verhandlung entfallen.
Zu B) Unzulässigkeit der Revision:
Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.
Schlagworte
aufrechte Rückkehrentscheidung entschiedene Sache Ermittlungsverfahren faktischer Abschiebeschutz - Aufhebung nicht rechtmäßig Folgeantrag res iudicata Sachverhaltsfeststellungen wesentliche SachverhaltsänderungEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:BVWG:2019:L510.2222780.1.00Im RIS seit
15.09.2020Zuletzt aktualisiert am
15.09.2020