TE Bvwg Erkenntnis 2019/8/30 L527 2180215-1

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 30.08.2019
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Entscheidungsdatum

30.08.2019

Norm

AsylG 2005 §10
AsylG 2005 §3 Abs1
AsylG 2005 §3 Abs5
AsylG 2005 §34
AsylG 2005 §8
B-VG Art133 Abs4
FPG §46
FPG §52
FPG §55

Spruch

L527 2180215-1/16E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch den Richter MMag. Christian AUFREITER, LL.B. als Einzelrichter über die Beschwerde des XXXX , geb. XXXX , Staatsangehörigkeit Iran, vertreten durch Rechtsanwalt Mag. Georg BÜRSTMAYR, XXXX , gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 22.11.2017, Zl. XXXX , nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am 26.06.2019 und 01.07.2019, zu Recht:

A)

I. Der Beschwerde wird stattgegeben und XXXX , geb. XXXX , gemäß § 3 Abs 1 AsylG 2005 der Status des Asylberechtigten zuerkannt. Gemäß § 3 Abs 5 AsylG 2005 wird festgestellt, dass XXXX , geb. XXXX , damit kraft Gesetzes die Flüchtlingseigenschaft zukommt.

II. Die Spruchpunkte II bis IV des angefochtenen Bescheids werden ersatzlos behoben.

B) Die Revision ist gemäß Art 133 Abs 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang:

Der Beschwerdeführer und seine Ehegattin ( XXXX ) verließen den Iran am XXXX .2015 legal mittels Flugzeug und reisten am selben Tag mit einem (von einem Schlepper organisierten) Visum C in Österreich ein. Nachdem der Beschwerdeführer einige Tage in Österreich bei einem Schlepper untergebracht war, stellte er am 10.01.2016 den gegenständlichen Antrag auf internationalen Schutz.

Diesen begründete der Beschwerdeführer in der Erstbefragung damit, dass er im Iran die häusliche Kirche besucht habe. Das sei bei der Polizei bekannt geworden. Eine Bekannte, die ebenfalls konvertiert sei, habe ihn gewarnt. Deshalb habe er den Iran verlassen.

In seiner Einvernahme am 30.10.2017 vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (im Folgenden: [belangte] Behörde) bestätigte der Beschwerdeführer die in der Erstbefragung gemachten Angaben und schilderte sein Vorbringen detaillierter. Er legte eine Taufurkunde der XXXX gemeinde vor; er sei Christ, Protestant.

Die belangte Behörde erachtete das Vorbringen des Beschwerdeführers zu seinen Fluchtgründen für nicht glaubhaft. Mit dem angefochtenen Bescheid wies sie den Antrag auf internationalen Schutz sowohl hinsichtlich des Status des Asylberechtigten als auch hinsichtlich des Status des subsidiär Schutzberechtigten ab (Spruchpunkte I und II). Die belangte Behörde erteilte keinen Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen, erließ eine Rückkehrentscheidung, sprach die Zulässigkeit der Abschiebung in den Iran aus (Spruchpunkt III) und setzte für die freiwillige Ausreise eine Frist von 14 Tagen ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung fest (Spruchpunkt IV).

Dagegen erhob der Beschwerdeführer die gegenständliche Beschwerde an das Bundesverwaltungsgericht. Dieses beraumte für 26.06.2019 eine öffentliche mündliche Verhandlung an. Die Verhandlung fand zunächst am 26.06.2019 statt und wurde am 01.07.2019 fortgesetzt. In der Verhandlung vernahm das Bundesverwaltungsgericht - neben dem Beschwerdeführer - (als Zeugen) den Obmann der als Verein konstituierten XXXX gemeinde ein. Die belangte Behörde hatte schon im Vorfeld erklärt, auf die Durchführung einer und die Teilnahme an einer mündlichen Verhandlung zu verzichten.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

1.1. Der Beschwerdeführer führt in Österreich den im Kopf der Entscheidung genannten Namen und wurde zum dort angegebenen Datum geboren. Er ist iranischer Staatsangehöriger und seit ca. 29 Jahren mit XXXX , geb. XXXX , Staatsangehörigkeit: Iran, XXXX , verheiratet. Gemeinsam mit seiner Ehefrau reiste der Beschwerdeführer Ende Dezember 2015 aus dem Iran aus und in das Bundesgebiet ein. Er stellte am 10.01.2016 in Österreich den gegenständlichen Antrag auf internationalen Schutz.

Im Strafregister der Republik Österreich scheint in Bezug auf den Beschwerdeführer keine Verurteilung auf.

1.2. Das Bundesverwaltungsgericht erkannte der Ehefrau des Beschwerdeführers mit Erkenntnis vom heutigen Tag, XXXX , den Status der Asylberechtigten zu. Gegen die Beschwerdeführerin ist kein Verfahren zur Aberkennung des Status der Asylberechtigten anhängig.

2. Beweiswürdigung:

2.1. Die Feststellungen zur Identität des Beschwerdeführers ergeben sich aus dessen Angaben im Verfahren vor der belangten Behörde und dem Bundesverwaltungsgericht. Die belangte Behörde kam sogar zu dem Ergebnis, dass die Identität des Beschwerdeführers feststehe (AS 172). Sie begründete dies mit vom Beschwerdeführer vorgelegten Dokumenten. Dass die Behörde diese Dokumente einer Echtheitsprüfung unterzogen hätte, kann dem vorgelegten Akt nicht entnommen werden. Angesichts seiner gleichbleibenden und nachvollziehbaren Angaben im gesamten Verfahren (AS 9, 13; 141; OZ 10, S 33 f) sowie seiner Antworten auf Fragen zur Beziehung zu seiner Ehefrau in der Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht (OZ 10, S 33 f) war die Feststellung zum Familienstand zu treffen; vgl. außerdem OZ 13, S 4.

Dass im Strafregister der Republik Österreich keine Verurteilung des Beschwerdeführers aufscheint, ergibt sich aus dem entsprechenden aktuellen Auszug aus diesem Register (OZ 8, 15).

Wann der Beschwerdeführer den Antrag auf internationalen Schutz gestellt hat, ist in einer unbedenklichen Urkunde dokumentiert (AS 9 ff) und wurde nicht in Zweifel gezogen. Das Datum der Ausreise aus dem Iran und der Einreise in das Bundesgebiet hat der Beschwerdeführer stets gleichbleibend benannt (AS 13, 143; OZ 10, S 36). Angesichts des ihm von der österreichischen Botschaft in Teheran erteilten Visums ist es plausibel (OZ 8).

2.2. Dass und wann das Bundesverwaltungsgericht der Ehefrau des Beschwerdeführers den Status der Asylberechtigten zuerkannt hat, ergibt sich unzweifelhaft aus dem Akt des Bundesverwaltungsgerichts zur Zahl XXXX . Dass seit der Zuerkennung des Status der Asylberechtigten mit Erkenntnis vom heutigen Tag bereits ein Verfahren zur Aberkennung eingeleitet worden wäre, ist nicht ersichtlich.

2.3. Mit Blick auf die Feststellungen unter 1.1 sowie 1.2. und die unten dargelegte Rechtslage ist eine Auseinandersetzung mit dem vom Beschwerdeführer vorgebrachten "Fluchtgrund" (AS 17, 143), seinen Ausführungen, weshalb er den Iran verlassen und in Österreich einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt habe (OZ 10, S 37), sowie insbesondere mit dem behaupteten Religionswechsel und der Frage, ob eine echte, innere Konversion oder eine Scheinkonversion vorliegt, nicht erforderlich. Vgl. VwGH 30.04.2018, Ra 2017/01/0418. Es erübrigt sich daher auch, auf die Beweiswürdigung im angefochtenen Bescheid näher einzugehen. Ohne dass daran Rechtsfolgen geknüpft wären, ist dennoch festzuhalten: Das Bundesverwaltungsgericht hat sich nicht darauf beschränkt, die aktuelle Glaubensüberzeugung des Beschwerdeführers allein anhand seiner Aussagen und der von ihm vorgelegten Unterlagen zu beurteilen, sondern das Bundesverwaltungsgericht hat darüber hinaus - wie im Lichte der höchstgerichtlichen Judikatur (z. B. VwGH 26.03.2019, Ra 2018/19/0530) im gegenständlichen Fall geboten - den Obmann der als Verein konstituierten christlichen Gemeinde, an deren Leben der Beschwerdeführer teilnimmt, als Zeugen einvernommen. Ferner hat sich das Bundesverwaltungsgericht mit den nach der Judikatur (vgl. etwa VwGH 14.03.2019, Ra 2018/18/0455) für die Beurteilung eines Glaubenswechsels relevanten Aspekten wesentlich eingehender befasst als die belangte Behörde (AS 145 ff vs. OZ 10, S 39 ff, OZ 13, S 7 ff). Nach alledem hat das Bundesverwaltungsgericht erhebliche Zweifel an der Ernsthaftigkeit der Konversion des Beschwerdeführers. Exemplarisch erwähnt sei, dass der Beschwerdeführer selbst einräumte, beim ersten Gespräch über das Christentum mit einer Bekannten keineswegs so begeistert gewesen zu sein wie seine Frau, es sei nicht so gewesen, dass er "es" schon gefunden habe (OZ 10, S 37). Selbst wenn der Gesprächsinhalt das Interesse des Beschwerdeführers, mehr über das Christentum zu erfahren, geweckt haben sollte, ist es nicht einleuchtend, dass er sich bereits bei dieser Gelegenheit für das Christentum entschieden haben will (OZ 10, S 41). Auch der Umstand, dass sich der Beschwerdeführer über ein Jahr nach besagtem Gespräch bei Gebeten in Gottesdiensten in Österreich reserviert verhielt (OZ 10, Beilage Z, S 6), indiziert, dass die Angaben betreffend die angebliche Hinwendung zum Christentum nicht den Tatsachen entsprechen. Hinzukommt, dass der Beschwerdeführer im Zusammenhang mit Fragen zu den Umständen seines angeblichen Religionswechsels mitunter von sich und seiner Frau oder von "wir" sprach (z. B. OZ 10, S 40). Es entstand insgesamt der Eindruck, der Beschwerdeführer habe vielfach die Empfindungen, Erfahrungen und Erlebnisse seine Frau für sein Vorbringen übernommen. Daher - und unter Berücksichtigung der Lebensgeschichte des Beschwerdeführers - kann das Bundesverwaltungsgericht nicht erkennen, dass der Beschwerdeführer seine Motivation für den Glaubenswechsel schlüssig dargelegt hätte. Die abschließende Beurteilung des Vorbringens des Beschwerdeführers konnte jedoch, wie erwähnt, unterbleiben; vgl. abermals VwGH 30.04.2018, Ra 2017/01/0418.

3. Rechtliche Beurteilung:

Zu A) Stattgabe der Beschwerde:

3.1. Gemäß § 3 Abs 1 AsylG 2005 ist einem Fremden, der in Österreich einen Antrag auf internationalen Schutz iSd § 2 Abs 1 Z 13 AsylG 2005 gestellt hat, der Status des Asylberechtigten zuzuerkennen, wenn glaubhaft ist, dass ihm im Herkunftsstaat Verfolgung im Sinne des Art 1 Abschnitt A Z 2 der Konvention über die Rechtsstellung der Flüchtlinge, BGBl 55/1955, idF des Protokolls über die Rechtsstellung der Flüchtlinge, BGBl 78/1974 (Genfer Flüchtlingskonvention - GFK), droht.

Nach Art 1 Abschnitt A Z 2 GFK ist Flüchtling, wer sich aus wohlbegründeter Furcht, aus Gründen der Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder der politischen Gesinnung verfolgt zu werden, außerhalb seines Heimatlandes befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, sich des Schutzes dieses Landes zu bedienen; oder wer staatenlos ist, sich infolge obiger Umstände außerhalb des Landes seines gewöhnlichen Aufenthaltes befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, in dieses Land zurückzukehren.

Gemäß § 34 Abs 2 iVm Abs 5 AsylG 2005 hat das Bundesverwaltungsgericht aufgrund eines Antrags eines Familienangehörigen eines Fremden, dem der Status des Asylberechtigten zuerkannt worden ist, dem Familienangehörigen mit Erkenntnis den Status eines Asylberechtigten zuzuerkennen, wenn dieser nicht straffällig geworden ist und gegen den Fremden, dem der Status des Asylberechtigten zuerkannt wurde, kein Verfahren zur Aberkennung dieses Status anhängig ist.

Familienangehöriger iSd § 34 Abs 2 AsylG 2005 ist u. a., wer Ehegatte eines Asylwerbers oder eines Fremden ist, dem der Status des Asylberechtigten zuerkannt wurde, sofern die Ehe bereits vor der Einreise bestanden hat (§ 2 Abs 1 Z 22 AsylG 2005).

Gemäß § 2 Abs 3 AsylG 2005 ist ein Fremder iSd § 34 Abs 2 AsylG 2005 straffällig geworden, wenn er wegen einer vorsätzlich begangenen gerichtlich strafbaren Handlung, die in die Zuständigkeit des Landesgerichtes fällt (Z 1), oder mehr als einmal wegen einer sonstigen vorsätzlich begangenen gerichtlich strafbaren Handlung, die von Amts wegen zu verfolgen ist (Z 2), rechtskräftig verurteilt worden ist.

3.2. Subsumiert man den festgestellten Sachverhalt den genannten Rechtsvorschriften, erweist sich, dass dem Beschwerdeführer gemäß § 3 Abs 1 iVm § 34 Abs 2 AsylG 2005 der Status des Asylberechtigten zuzuerkennen ist. Dass sich die Zuerkennung rechtlich u. a. auf § 34 Abs 2 AsylG 2005 stützt, ist in den Spruch des vorliegenden Erkenntnisses aber nicht aufzunehmen; vgl. VwGH 30.04.2018, Ra 2017/01/0418.

Der Beschwerdeführer hat einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt. Er ist Ehegatte der Beschwerdeführerin im Verfahren XXXX , der das Bundesverwaltungsgericht mit Erkenntnis vom heutigen Tag den Status der Asylberechtigten zuerkannt hat. Die Ehe besteht seit ca. 29 Jahren, also bestand sie vor der Einreise in das Bundesgebiet Ende Dezember 2015. Im Strafregister der Republik Österreich scheint in Bezug auf den Beschwerdeführer keine Verurteilung auf. Er ist also nicht straffällig geworden. Gegen die Beschwerdeführerin ist kein Verfahren zur Aberkennung des Status der Asylberechtigten anhängig. Damit sind die Voraussetzungen dafür, dem Beschwerdeführer den Status des Asylberechtigten zuzuerkennen, erfüllt.

Gemäß § 3 Abs 5 AsylG 2005 war die Entscheidung über die Zuerkennung des Status des Asylberechtigten mit der Feststellung zu verbinden, dass dem Fremden damit kraft Gesetzes die Flüchtlingseigenschaft zukommt.

Da mit der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten die rechtliche Voraussetzung für die Erlassung der Spruchpunkte II bis IV des angefochtenen Bescheids wegfällt, sind diese Spruchpunkte ersatzlos zu beheben.

Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.

3.4. Da der verfahrensgegenständliche Antrag auf internationalen Schutz nach dem 15.11.2015 gestellt wurde, kommt dem Beschwerdeführer gemäß § 3 Abs 4 AsylG damit eine auf drei Jahre befristete Aufenthaltsberechtigung als Asylberechtigter zu (§ 75 Abs 24 AsylG 2005).

Zu B) Unzulässigkeit der Revision:

Gemäß § 25a Abs 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art 133 Abs 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision ist gemäß Art 133 Abs 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Die für die Entscheidung relevanten Rechtsfragen sind entweder durch Judikatur des Verwaltungsgerichtshofs geklärt oder von Vornherein klar. Vgl. die zitierten Entscheidungen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.

Schlagworte

Asylgewährung von Familienangehörigen Christentum Familienverfahren Flüchtlingseigenschaft Konversion

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2019:L527.2180215.1.00

Im RIS seit

15.09.2020

Zuletzt aktualisiert am

15.09.2020
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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