TE Vfgh Erkenntnis 1996/2/26 B1713/94

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Veröffentlicht am 26.02.1996
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Index

L2 Dienstrecht
L2200 Landesbedienstete

Norm

B-VG Art7 Abs1 / Verwaltungsakt
PG 1965 §6, §7
Sbg LandesbeamtenG 1987 §6b

Leitsatz

Verletzung im Gleichheitsrecht durch die Festsetzung der Minderung eines Ruhegenusses aufgrund mangelhafter Begründung des angefochtenen Bescheides

Spruch

Der Beschwerdeführer ist durch den angefochtenen Bescheidteil im verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf Gleichheit aller Staatsbürger vor dem Gesetz verletzt worden.

Der bekämpfte Bescheidteil wird aufgehoben.

Das Land Salzburg ist schuldig, dem Beschwerdeführer zu Handen seiner Rechtsvertreter die mit 18.000 S bestimmten Prozeßkosten binnen 14 Tagen bei sonstigem Zwang zu ersetzen.

Begründung

Entscheidungsgründe:

I. 1. Der Beschwerdeführer steht in einem öffentlich-rechtlichen Dienstverhältnis zum Land Salzburg. Die Salzburger Landesregierung versetzte ihn mit Bescheid vom 29. Juni 1994 gemäß §14 Abs1 des Beamten-Dienstrechtsgesetzes 1979 iVm §2 Abs1 des Salzburger Landesbeamtengesetzes 1987, LGBl. Nr. 1, wegen dauernder Dienstunfähigkeit mit Ablauf des 30. Juni 1994 in den Ruhestand.

Mit demselben Bescheid bestimmte sie die Höhe seines Ruhegenusses. Im Hinblick darauf, daß der Beamte das 60. Lebensjahr noch nicht vollendet hatte, wurde gemäß §6 b des Salzburger Landesbeamtengesetzes 1987 idF LGBl. 103/1993 eine Verminderung des Ruhegenusses um 10 % der Ruhegenußbemessungsgrundlage festgesetzt.

2. Mit der vorliegenden, auf Art144 B-VG gestützten Beschwerde wird der Bescheid insoweit angefochten, "als damit eine Verminderung des Ruhegenusses um 10 % der Ruhegenußbemessungsgrundlage verfügt wird".

Der Beschwerdeführer behauptet, im verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf Gleichheit aller Staatsbürger vor dem Gesetz und der Sache nach auch in seinen Rechten wegen Anwendung eines verfassungswidrigen Gesetzes verletzt worden zu sein. Er beantragt, "den angefochtenen Bescheid" (gemeint offenkundig: den Bescheid im angefochtenen Umfang) kostenpflichtig aufzuheben, in eventu die Beschwerde dem Verwaltungsgerichtshof abzutreten.

3. Die Salzburger Landesregierung erstattete eine Gegenschrift, in der sie die Abweisung der Beschwerde begehrt.

II. Der Verfassungsgerichtshof hat über die - zulässige - Beschwerde erwogen:

1. §6 b des Sbg. LandesbeamtenG 1987 lautet:

"Die Bestimmungen des Pensionsgesetzes 1965 (PG 1965), BGBl. Nr. 340, gelten mit folgenden Abweichungen:

1. Bei der Berechnung der ruhegenußfähigen Landesdienstzeit gelten ergänzend zu §6 Abs2 PG 1965 jene

Zeiten, in denen der Beamte teilbeschäftigt war, nur in dem Ausmaß als ruhegenußfähige Landesdienstzeit, das dem Verhältnis der herabgesetzten Wochendienstzeit zur Vollarbeitszeit entspricht.

2. §7 PG 1965 ist mit der Maßgabe anzuwenden, daß sich der Ruhegenuß bei Beamten, die vor Vollendung des 60. Lebensjahres wegen Dienstunfähigkeit ausscheiden, um 2 v.H. der Ruhegenußbemessungsgrundlage für jedes Jahr vermindert, das dem Beamten zur Vollendung des 60. Lebensjahres fehlt. Dabei werden Bruchteile eines Jahres, wenn sie mindestens sechs Monate betragen als ein volles Jahr gerechnet, andernfalls bleiben sie unberücksichtigt. Der Ruhegenuß darf jedoch nicht auf weniger als 60 v.H. der Ruhegenußbemessungsgrundlage lage herabgesetzt werden. 60 v.H. des jeweiligen Gehaltsansatzes der Dienstklasse V, Gehaltsstufe 2, dürfen bei der Berechnung des Ruhegenusses keinesfalls unterschritten werden. In berücksichtigungswürdigen Fällen (z.B. wenn der Beamte auf die eingetretene Dienstunfähigkeit keinen Einfluß nehmen

konnte oder alle zumutbaren Maßnahmen ergriffen hat, um den Eintritt der dauernden Dienstunfähigkeit zu verhindern) wird der Ruhegenuß in voller Höhe zuerkannt.

              3.              In Verfahren über die Minderung des Ruhegenusses gemäß Z. 2 ist ein bei der Dienstbehörde eingerichteter

Beirat zu hören, der aus je zwei Vertretern des Dienstgebers und der Personalvertretung sowie einem Arzt besteht."

              2.              Der angefochtene Bescheidteil (welcher die Verminderung des Ruhegenusses verfügt) wird wie folgt begründet:

"Der beim Amt der Salzburger Landesregierung eingerichtete Beirat im Verfahren gemäß §6 b des zitierten Landesbeamtengesetzes hat in seiner Sitzung vom 15.6.1994 einstimmig beschlossen, der Dienstbehörde zu empfehlen, daß keine sonstigen berücksichtigungswürdigen Gründe für die Zuerkennung des vollen Ruhegenusses vorliegen.

Vom Amtsarzt sowie vom psychiatrischen Gutachter wurde eine operative Sanierung Ihres Bandscheibenleides empfohlen, was jedoch von Ihnen abgelehnt wird.

Die Ihnen mit Schreiben vom 16.6.1994 bekanntgegebenen oben angeführten Gutachten haben Sie zur Stellungnahme vorgelegt erhalten und in Ihrer Äußerung erklärt, daß Sie mit einer allfälligen Minderung Ihres Ruhegenusses nicht einverstanden seien und alle Maßnahmen ergriffen hätten, um den Eintritt der dauernden Dienstunfähigkeit zu verhindern; welche Maßnahmen Sie zur Verhinderung der Dienstunfähigkeit ergriffen haben, haben Sie nicht vorgebracht.

Bei der Höhe des Ihnen zuerkannten Ruhegenusses liegen auch keine wirtschaftlichen, sozialen oder sonstigen berücksichtigungswürdigen Gründe für die Zuerkennung des vollen Ruhegenusses vor."

3. Das verfassungsgesetzlich gewährleistete Recht auf Gleichheit aller Staatsbürger vor dem Gesetz wird u.a. dann verletzt, wenn die Behörde willkürlich vorgegangen ist.

Ein willkürliches Verhalten der Behörde, das in die Verfassungssphäre eingreift, liegt u.a. in einer gehäuften Verkennung der Rechtslage, aber auch im Unterlassen jeglicher Ermittlungstätigkeit in einem entscheidenden Punkt oder dem Unterlassen eines ordnungsgemäßen Ermittlungsverfahrens überhaupt, insbesondere in Verbindung mit einem Ignorieren des Parteivorbringens und einem leichtfertigen Abgehen vom Inhalt der Akten oder dem Außerachtlassen des konkreten Sachverhaltes (s. z. B. VfSlg. 8808/1980 und die dort angeführte Rechtsprechung; VfSlg. 10338/1985, 11213/1987).

4. Ein solcher Vorwurf ist der Behörde im vorliegenden Fall zu machen:

Der Sache nach hat sich die belangte Behörde mit einer Bezugnahme auf die vom Beirat beschlossene Empfehlung begnügt, ohne eine eigenständige Begründung für die Minderung des Ruhegenusses zu geben. Insbesondere setzt sich die Behörde überhaupt nicht mit der Frage auseinander, ob der Ruhegenuß allenfalls wegen Vorliegens eines berücksichtigungswürdigen Falles in voller Höhe zuzuerkennen ist, weil der Beschwerdeführer auf die eingetretene Dienstunfähigkeit keinen Einfluß nehmen konnte.

Hinsichtlich des Umstandes, ob der Beschwerdeführer alle zumutbaren Maßnahmen ergriffen hat, um den Eintritt der dauernden Dienstunfähigkeit zu verhindern, begnügt sich der angefochtene Bescheid mit dem bloßen Hinweis, daß dem Beschwerdeführer ärztlich eine operative Sanierung seines Bandscheibenleidens empfohlen worden sei und er dieser Empfehlung nicht entsprochen habe. Abgesehen davon, daß der Bescheid nicht erörtert, ob die vorgeschlagene Operation dem Beschwerdeführer zumutbar wäre, erfolgte die vorzeitige Ruhestandsversetzung nur sekundär wegen des Bandscheibenleidens, sondern in erster Linie wegen mangelnder psycho-physischer Belastbarkeit; welche Maßnahmen der Beschwerdeführer in diesem Zusammenhang hätte setzen sollen, um den Eintritt der dauernden Dienstunfähigkeit zu verhindern, läßt die Behörde im Dunkeln.

Der Beschwerdeführer wurde also durch den bekämpften Bescheid im verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf Gleichheit aller Staatsbürger vor dem Gesetz verletzt. Der Bescheid war infolgedessen aufzuheben.

5. Die Kostenentscheidung gründet sich auf §88 VerfGG.

In den zugesprochenen Kosten ist Umsatzsteuer in der Höhe von 3.000 S enthalten.

6. Diese Entscheidung konnte gemäß §19 Abs4 erster Satz VerfGG ohne Durchführung einer mündlichen Verhandlung getroffen werden.

Schlagworte

Bescheidbegründung, Dienstrecht, Ruhegenuß, Dienstunfähigkeit

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VFGH:1996:B1713.1994

Dokumentnummer

JFT_10039774_94B01713_00
Quelle: Verfassungsgerichtshof VfGH, http://www.vfgh.gv.at
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