Entscheidungsdatum
03.09.2019Norm
AsylG 2005 §10Spruch
L529 1236686-2/6E
BESCHLUSS
Das Bundesverwaltungsgericht beschließt durch den Richter Mag. M. EGGINGER als Einzelrichter über die Beschwerde von XXXX , geb. XXXX , StA. Türkei, vertreten durch den Verein Menschenrechte Österreich, gegen das als Bescheid bezeichnete Schreiben des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 29.07.2019, Zl. XXXX :
A) Die Beschwerde wird mangels Vorliegen eines Bescheides als unzulässig zurückgewiesen.
B) Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.
Text
BEGRÜNDUNG:
I. Verfahrenshergang
1. Mit dem im Spruch angeführten Schreiben des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl wurde dem BF ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß § 57 AsylG nicht erteilt (Spruchpunkt I.), gegen ihn gemäß § 10 Abs. 2 AsylG iVm § 9 BFA-VG gemäß § 52 Abs. 1 Z 1 FPG eine Rückkehrentscheidung erlassen (Spruchpunkt II.), gemäß § 52 Abs. 9 FPG festgestellt, dass die Abschiebung gemäß § 46 FPG in die Türkei zulässig ist (Spruchpunkt III.), gemäß § 53 Abs. 1 iVm Abs. 3 Z 1 FPG gegen ihn ein auf die Dauer von 3 Jahren befristetes Einreiseverbot erlassen (Spruchpunkt IV.), gemäß § 55 Abs. 4 FPG eine Frist für die freiwillige Ausweise nicht gewährt (Spruchpunkt V.) und gemäß § 18 Abs. 2 Z 1 BFA-VG einer Beschwerde gegen diese Rückkehrentscheidung die aufschiebende Wirkung aberkannt (Spruchpunkt VI.)
2. Im zuvor laufenden Verfahren vor dem BFA zur Erlassung eines Einreiseverbotes hatte RA Mag. Michael-Thomas REICHENVATER eine mit 06.06.2016 datierte Stellungnahme abgegeben. Gleichzeitig hatte der gefertigte Rechtsanwalt mitgeteilt, dass der BF ihn mit der rechtsfreundlichen Vertretung betraut habe und hatte er um Übersendung sämtlicher Verfügungen, Ladungen und Beschlüsse zu Handen des Vertreters ersucht (AS 225 - 229).
Mit Schreiben vom 12.06.2018 war die Vorlage von Urkunden durch den rechtsfreundlichen Vertreter erfolgt (AS 1007).
3. Das als Bescheid bezeichnete Schreiben vom 29.07.2019, Zl. XXXX (AS 1375 - 1500), wurde am 01.08.2019 an den Vertretenen selbst in der JA Graz-Jakomini zugestellt (vgl. Rückschein - AS 1373).
4. Die gegenständliche Beschwerde des BF vom 20.08.2019 gegen den "Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 29.07.2019" wurde namens des BF vom Verein Menschenrechte Österreich eingebracht (AS 1515 - 1527). Dazu wurde mit Urkunde vom 08.08.2019 seitens des BF dem Verein Menschenrechte Österreich Vollmacht erteilt (AS 1529).
5. Die Beschwerdevorlage langte am 29.08.2019 beim BVwG (Wien) und am 30.08.2019 in der BVwG-Außenstelle Linz, bei der zuständigen Gerichtsabteilung, ein.
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
1. Feststellungen:
Mit Schreiben vom 06.06.2016 berief sich RA Mag. Michael-Thomas REICHENVATER auf die ihm erteilte Vollmacht. Eine derartige Vollmacht inkludiert eine Zustellvollmacht.
Eine Auflösung dieses Vollmachtsverhältnisses ist aus den vorliegenden Verwaltungsakten nicht ersichtlich. Die Bevollmächtigung des angeführten rechtsfreundlichen Vertreters besteht nach wie vor.
Das als Bescheid bezeichnete Schreiben vom 29.07.2019 ist an den Vertretenen selbst und nicht an den Vertreter adressiert und wurde dem Vertretenen selbst - am 01.08.2019 - zugestellt.
Die Bevollmächtigung des Vereines Menschenrechte erfolgte am 08.08.2019.
2. Beweiswürdigung:
Der maßgebliche Sachverhalt ergibt sich aus dem vorgelegten Verwaltungsakt, insbesondere der Stellungnahme der rechtsfreundlichen Vertretung vom 06.06.2016 (AS 225 - 229), dem Bescheid und dem Rückschein (AS 1375, 1373).
Eine Nachfrage seitens des BVwG vom 02.09.2019 bei der Kanzlei von RA Mag. REICHENVATER ergab, dass dieses Vollmachtsverhältnis nach wie vor besteht (OZ 5).
3. Rechtliche Beurteilung:
Zu A) Zurückweisung der Beschwerde mangels Vorliegens eines Bescheides
3.1. Allgemeine rechtliche Grundlagen:
Gemäß § 6 BVwGG entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist. Gegenständlich entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter.
Sofern die Beschwerde nicht zurückzuweisen oder das Verfahren einzustellen ist, hat das Verwaltungsgericht die Rechtssache gem. § 28 Abs 1 VwGVG durch Erkenntnis zu erledigen.
Das Verfahren der Verwaltungsgerichte mit Ausnahme des Bundesfinanzgerichtes ist durch das VwGVG, BGBl. I 2013/33 i.d.F. BGBl. I 2013/122, geregelt (§ 1 leg.cit.). Gemäß § 58 Abs. 2 VwGVG bleiben entgegenstehende Bestimmungen, die zum Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Bundesgesetzes bereits kundgemacht wurden, in Kraft.
Gemäß § 17 VwGVG sind, soweit in diesem Bundesgesetz nicht anderes bestimmt ist, auf das Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 B-VG die Bestimmungen des AVG mit Ausnahme der §§ 1 bis 5 sowie des IV. Teiles, die Bestimmungen der Bundesabgabenordnung - BAO, BGBl. Nr. 194/1961, des Agrarverfahrensgesetzes - AgrVG, BGBl. Nr. 173/1950, und des Dienstrechtsverfahrensgesetzes 1984 - DVG, BGBl. Nr. 29/1984, und im Übrigen jene verfahrensrechtlichen Bestimmungen in Bundes- oder Landesgesetzen sinngemäß anzuwenden, die die Behörde in dem dem Verfahren vor dem Verwaltungsgericht vorangegangenen Verfahren angewendet hat oder anzuwenden gehabt hätte.
3.2. Zur Zurückweisung der Beschwerde mangels Vorliegen eines Bescheids:
3.2.1. Einschlägige Rechtsgrundlagen:
3.2.1.1. § 10 AVG lautet:
Vertreter
§ 10. (1) Die Beteiligten und ihre gesetzlichen Vertreter können sich, sofern nicht ihr persönliches Erscheinen ausdrücklich gefordert wird, durch eigenberechtigte natürliche Personen, juristische Personen oder eingetragene Personengesellschaften vertreten lassen. Bevollmächtigte haben sich durch eine schriftliche, auf Namen oder Firma lautende Vollmacht auszuweisen. Vor der Behörde kann eine Vollmacht auch mündlich erteilt werden; zu ihrer Beurkundung genügt ein Aktenvermerk. Schreitet eine zur berufsmäßigen Parteienvertretung befugte Person ein, so ersetzt die Berufung auf die ihr erteilte Vollmacht deren urkundlichen Nachweis.
(2) Inhalt und Umfang der Vertretungsbefugnis richten sich nach den Bestimmungen der Vollmacht; hierüber auftauchende Zweifel sind nach den Vorschriften des bürgerlichen Rechts zu beurteilen. Die Behörde hat die Behebung etwaiger Mängel unter sinngemäßer Anwendung des § 13 Abs. 3 von Amts wegen zu veranlassen.
3.2.1.2. § 7 ZustellG lautet:
Heilung von Zustellmängeln
§ 7. Unterlaufen im Verfahren der Zustellung Mängel, so gilt die Zustellung als in dem Zeitpunkt dennoch bewirkt, in dem das Dokument dem Empfänger tatsächlich zugekommen ist.
3.2.1.3. § 9 ZustellG lautet:
Zustellungsbevollmächtigter
§ 9. (1) Soweit in den Verfahrensvorschriften nicht anderes bestimmt ist, können die Parteien und Beteiligten andere natürliche oder juristische Personen oder eingetragene Personengesellschaften gegenüber der Behörde zur Empfangnahme von Dokumenten bevollmächtigen (Zustellungsvollmacht).
(2) Einer natürlichen Person, die keinen Hauptwohnsitz im Inland hat, kann eine Zustellungsvollmacht nicht wirksam erteilt werden. Gleiches gilt für eine juristische Person oder eingetragene Personengesellschaft, wenn diese keinen zur Empfangnahme von Dokumenten befugten Vertreter mit Hauptwohnsitz im Inland hat. Das Erfordernis des Hauptwohnsitzes im Inland gilt nicht für Staatsangehörige von EWR-Vertragsstaaten, falls Zustellungen durch Staatsverträge mit dem Vertragsstaat des Wohnsitzes des Zustellungsbevollmächtigten oder auf andere Weise sichergestellt sind.
(3) Ist ein Zustellungsbevollmächtigter bestellt, so hat die Behörde, soweit gesetzlich nicht anderes bestimmt ist, diesen als Empfänger zu bezeichnen. Geschieht dies nicht, so gilt die Zustellung als in dem Zeitpunkt bewirkt, in dem das Dokument dem Zustellungsbevollmächtigten tatsächlich zugekommen ist.
(4) Haben mehrere Parteien oder Beteiligte einen gemeinsamen Zustellungsbevollmächtigten, so gilt mit der Zustellung einer einzigen Ausfertigung des Dokumentes an ihn die Zustellung an alle Parteien oder Beteiligte als bewirkt. Hat eine Partei oder hat ein Beteiligter mehrere Zustellungsbevollmächtigte, so gilt die Zustellung als bewirkt, sobald sie an einen von ihnen vorgenommen worden ist.
(5) Wird ein Anbringen von mehreren Parteien oder Beteiligten gemeinsam eingebracht und kein Zustellungsbevollmächtigter namhaft gemacht, so gilt die an erster Stelle genannte Person als gemeinsamer Zustellungsbevollmächtigter.
(6) § 8 ist auf den Zustellungsbevollmächtigten sinngemäß anzuwenden.
3.2.2. Einschlägige Rechtsprechung und Literatur:
Der Parteienvertreter hat der Behörde seine Bevollmächtigung angezeigt und sich gemäß § 8 Abs. 1 RAO auf die ihm erteilte Vollmacht berufen. Ab diesem Zeitpunkt wären sämtliche Schriftstücke an den Parteienvertreter zuzustellen gewesen (VwGH v. 27.06.2013, 2013/07/0035).
Eine gemäß § 8 Abs. 1 RAO zur umfassenden berufsmäßigen Parteienvertretung erteilte Vollmacht erfasst auch eine Zustellvollmacht iSd § 9 ZustellG (VwGH v. 24.01.2013, 1012/16/0011).
Wird statt an den Zustellungsbevollmächtigten an den Vertretenen selbst zugestellt, so ist die Zustellung unwirksam (VwGH v. 24.01.2013, 1012/16/0011).
Eine allgemeine Vollmacht zur Vertretung beinhaltet, so nicht explizit ausgeschlossen, auch die Befugnis zur Empfangnahme von Schriftstücken iSd § 9 ZustG, siehe z.B. VwGH vom 26.2.2014, Zl. 2012/13/0051: "Nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes schließt eine allgemeine Vertretungsbefugnis eine Zustellungsbevollmächtigung mit ein (vgl. z. B. das Erkenntnis vom 20. Juni 2012, 2010/17/0215, mwN).
Ist ein Zustellungsbevollmächtigter bestellt, hat die Behörde (wenn gesetzlich nichts anderes bestimmt ist) diesen als Empfänger zu bezeichnen (§ 9 Abs. 3 ZustG). Eine Zustellung an den Vertretenen ist unwirksam. Wird fälschlich der Vertretene selbst als Empfänger bezeichnet, ist eine Heilung nach § 7 ZustellG nicht möglich (vgl. Thienel, Verwaltungsverfahrensrecht, 3. Auflage, S. 341).
3.2.3. Im konkreten Fall
3.2.3.1. Im gegenständlichen Fall berief sich der rechtsfreundliche Vertreter im Schreiben vom 06.06.2016 auf das ihm erteilte Vollmachtsverhältnis. Gemäß obigen Ausführungen ist davon auszugehen, dass eine Zustellvollmacht inkludiert ist. Das Vollmachtsverhältnis war zum Zeitpunkt der Übernahme - 01.08.2019 - noch aufrecht.
Die als Bescheid bezeichnete Erledigung hätte daher dem Vertreter und nicht dem Vertretenen (dem Beschwerdeführer) zugestellt werden müssen.
Die als Bescheid bezeichnete Erledigung des BFA ist daher mangels einer für den Beschwerdeführer rechtswirksamen Zustellung als Bescheid rechtlich nicht existent geworden. Eine Heilung des Zustellmangels ist - wie angeführt - nicht möglich.
Das weitere Bevollmächtigungsverhältnis - zum Verein Menschenrechte Österreich - wurde erst nachfolgend (am 08.08.2019) begründet.
Zu B) Unzulässigkeit der Revision:
Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung (vgl. oben Pkt. 3.2.2.); weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.
Schlagworte
Empfänger mangelnde Beschwer Nichtbescheid Zurückweisung Zustellbevollmächtigter ZustellmangelEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:BVWG:2019:L529.1236686.2.00Im RIS seit
15.09.2020Zuletzt aktualisiert am
15.09.2020