Entscheidungsdatum
03.09.2019Norm
AsylG 2005 §10Spruch
L526 2164345-1/15E
L526 2164351-1/14E
L526 2164349-1/12E
L526 2164347-1/12E
L526 2184951-1/15E
BESCHLUSS
Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Mag. Petra Martina Schrey, LL.M. als Einzelrichterin über die Beschwerden des 1) XXXX , geb. XXXX , StA. Armenien Alias Syrien, der 2) XXXX , geb. XXXX , StA. Armenien Alias Staatenlos, des 3) XXXX , geb. XXXX , StA. Armenien Alias Staatenlos, der 4) XXXX , geb. XXXX , StA. Armenien Alias Staatenlos, des 5) XXXX , geb. XXXX , StA. Armenien alle vertreten durch Rechtsanwälte Dr. Dellasega & Dr. Kapferer, gegen die Bescheide des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom XXXX , Zahl XXXX und XXXX , Zl. XXXX beschlossen:
A) In Erledigung der Beschwerden werden gem. § 28 Abs. 3 VwGVG, Bundesgesetz über das Verfahren der Verwaltungsgerichte (Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz), BGBL I 33/2013 idgF die bekämpften Bescheide behoben und die Angelegenheiten zur Erlassung eines neuen Bescheides an das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl verwiesen.
B) Die Revision ist gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.
Text
ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:
Verfahrenshergang
1. Die im Spruch genannten Beschwerdeführer (BF1 bis BF5) brachten am 06.04.2014 bzw. 07.12.2017 (in Österreich geborener BF5) Anträge auf internationalen Schutz ein. BF 1 und BF 2 sind die Eltern der minderjährigen BF3 bis BF5.
BF1 gab vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (BFA) an, dass er ursprünglich aus Syrien stammen würde. Von dort sei er mit seiner Familie aufgrund der Unterdrückung durch die Araber in die Ukraine geflohen. In der Ukraine habe er BF 2 kennen gelernt. Nach jahrelangem Aufenthalt in der Ukraine hätten sie auch dort Schwierigkeiten bekommen und wären nach Europa geflohen. Aufgrund von Zweifeln an den Angaben insbesondere zur Staatsangehörigkeit wurden mit BF1 und BF2 Sprachanalysen im Mai 2016 durchgeführt. Diese Analysen ergaben, dass der sprachliche Hintergrund der BF mit sehr hoher Sicherheit in Armenien und sehr geringer Wahrscheinlichkeit in Syrien liegt.
Die BF seien kurdischer Abstammung und Angehörige der Jesiden.
2. Mit im Spruch genannten Bescheiden wurde die Anträge der Beschwerdeführer auf internationalen Schutz bezüglich der Zuerkennung des Status der Asylberechtigten gemäß § 3 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG abgewiesen. Gemäß § 8 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG wurde der Antrag auf internationalen Schutz hinsichtlich der Zuerkennung des Status der subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Armenien abgewiesen. Ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß § 57 AsylG wurde nicht erteilt. Gemäß § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG iVm § 9 BFA-VG wurde gegen die Beschwerdeführer eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 Z 2 FPG erlassen und gemäß § 52 Abs. 9 FPG festgestellt, dass dessen Abschiebung nach Armenien gemäß § 46 FPG zulässig sei. Des Weiteren besteht gemäß § 55 Abs. 1a FPG keine Frist für die freiwillige Ausreise und sprach das BFA aus, dass einer Beschwerde gegen diese Entscheidungen über den Antrag auf internationalen Schutz gemäß § 18 Abs. 1 Z 3 und 5 BFA-VG die aufschiebende Wirkung aberkannt werde.
2. Die Beschwerdeführer erhoben gegen diese Bescheide des BFA am 11.07.2017 fristgerecht Beschwerde. Hierbei sprachen sie sich insbesondere gegen die Aussagekraft bzw. Richtigkeit der durchgeführten Sprachanalysen aus. Zudem stellten die Beschwerdeführer einen Antrag auf aufschiebende Wirkung.
3. Vom Bundesverwaltungsgericht wurde mit Beschlüssen vom 24.07.2017 die aufschiebende Wirkung nicht zuerkannt.
4. Mit Verfügung des Geschäftsverteilungsausschusses vom 16.10.2018 wurden die Rechtssachen der Gerichtsabteilung L523 abgenommen und der nunmehr zuständigen Gerichtsabteilung zugeteilt.
5. Mit Schreiben vom 19.06.2019 wurden die BF vom Ergebnis der Beweisaufnahme verständigt und zur Bekanntgabe von Änderungen sowie zur Vorlage von Beweismitteln insbesondere zu ihrer Identität aufgefordert.
6. Mit Stellungnahme vom 11.07.2019 legten die BF diverse Unterlagen zu ihrer Integration vor. Ausgeführt wurde, dass die BF an den Identifizierungsversuchen immer mitgewirkt hätten und nunmehr mit ziemlicher Sicherheit feststehe, dass die BF nicht armenische Staatsangehörige seien. Bei einer persönlichen Vorsprache der BF vor der armenischen Botschaft sei dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl als belangter Behörde (in weiterer Folge auch kurz "bB" genannt) mitgeteilt worden, dass es sich bei BF1 und BF2 nicht um armenische Staatsangehörige handele. Inzwischen sei versucht worden, ukrainische Dokumente für die Ausreise der BF zu besorgen.
7. Mit E-Mail vom 24.07.2019 wurden von der rechtsfreundlichen Vertretung der BF Ladungen der BF vor die bB sowie Fragebögen für die Ausstellung von Heimreisezertifikaten betreffend Aserbaidschan vorgelegt. Ausgeführt wurde, dass nunmehr verifiziert habe werden können, dass es sich bei den BF nicht um armenische Staatsangehörige handle. Die BF würden - trotz fehlender Anknüpfungspunkte zu Aserbaidschan - auch weiterhin an der Feststellung des Sachverhaltes mitwirken.
8. Nach Anfrage an die bB am 05.08.2019 wurden dem Bundesverwaltungsgericht die Mitteilungen der armenischen Botschaft vom Juni 2019 vorgelegt. Demnach habe ein persönliches Gespräch der BF1 und BF2 mit einer armenischen Delegation bei der Botschaft zur Abklärung der armenischen Staatsangehörigkeit im Zusammenhang mit der Erstellung eines Heimreisezertifikates am 11.06.2019 stattgefunden. Es habe sich ergeben, dass es sich bei den BF nicht um armenische Staatsangehörige handelt.
I.9. Mit Beschlüssen vom 5.8.2019 wurde den Beschwerden die aufschiebende Wirkung zuerkannt.
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
Beweis wurde erhoben durch den Inhalt des vorliegenden Verwaltungsaktes der Verwaltungsbehörde und der eingebrachten Beschwerde.
1. Feststellungen (Sachverhalt)
Die belangte Behörde hat die notwendigen Ermittlungen des maßgeblichen Sachverhaltes unterlassen bzw. stellte sich nunmehr nachträglich heraus, dass der maßgebliche Sachverhalt zum Zeitpunkt der Entscheidung der belangten Behörde nicht hinreichend feststand. Dies, da nunmehr selbst von der bB nicht mehr davon ausgegangen wird, dass es sich bei den BF um armenische Staatangehörige handelt bzw. Versuche unternommen werden, Heimreisezertifikate von der Ukraine und Aserbaidschan zu erhalten. Hinsichtlich des Verfahrensganges und festzustellenden Sachverhalt wird auf die unter Punkt I getroffenen Ausführungen verwiesen.
2. Beweiswürdigung
Der für die gegenständliche Zurückverweisung des Bundesverwaltungsgerichtes relevante Sachverhalt ergibt sich aus der Aktenlage zweifelsfrei.
3. Rechtliche Beurteilung
3.1. Gemäß § 7 Abs. 1 Z 1 des Bundesgesetzes, mit dem die allgemeinen Bestimmungen über das Verfahren vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl zur Gewährung von internationalem Schutz, Erteilung von Aufenthaltstiteln aus berücksichtigungswürdigen Gründen, Abschiebung, Duldung und zur Erlassung von aufenthaltsbeendenden Maßnahmen sowie zur Ausstellung von österreichischen Dokumenten für Fremde geregelt werden (BFA-Verfahrensgesetz - BFA-VG), BGBl I 87/2012 idgF, entscheidet das Bundesverwaltungsgericht über Beschwerden gegen Bescheide des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl.
Gemäß § 6 BVwGG entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist.
Gegenständlich liegt somit Einzelrichterzuständigkeit vor.
Das Verfahren der Verwaltungsgerichte mit Ausnahme des Bundesfinanzgerichtes ist durch das VwGVG, BGBl. I 2013/33 idF BGBl. I 2013/122, geregelt (§ 1 leg.cit.). Gemäß § 58 Abs. 2 VwGVG bleiben entgegenstehende Bestimmungen, die zum Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Bundesgesetzes bereits kundgemacht wurden, in Kraft.
Gemäß § 17 VwGVG sind, soweit in diesem Bundesgesetz nicht anderes bestimmt ist, auf das Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 B-VG die Bestimmungen des AVG mit Ausnahme der §§ 1 bis 5 sowie des IV. Teiles, die Bestimmungen der Bundesabgabenordnung - BAO, BGBl. Nr. 194/1961, des Agrarverfahrensgesetzes - AgrVG, BGBl. Nr. 173/1950, und des Dienstrechtsverfahrensgesetzes 1984 - DVG, BGBl. Nr. 29/1984, und im Übrigen jene verfahrensrechtlichen Bestimmungen in Bundes- oder Landesgesetzen sinngemäß anzuwenden, die die Behörde in dem Verfahren vor dem Verwaltungsgericht vorangegangenen Verfahren angewendet hat oder anzuwenden gehabt hätte.
Gemäß § 28 Abs. 1 VwGVG hat das Verwaltungsgericht die Rechtssache durch Erkenntnis zu erledigen, sofern die Beschwerde nicht zurückzuweisen oder das Verfahren einzustellen ist.
Gemäß § 28 Abs. 2 VwGVG hat über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 Z1 B-VG das Verwaltungsgericht dann in der Sache selbst zu entscheiden, wenn der maßgebliche Sachverhalt feststeht oder die Feststellung des maßgeblichen Sachverhalts durch das Verwaltungsgericht selbst im Interesse der Raschheit gelegen oder mit einer erheblichen Kostenersparnis verbunden ist.
Gemäß § 28 Abs. 3 hat, wenn die Voraussetzungen des Abs. 2 leg. cit nicht vorliegen, das Verwaltungsgericht im Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 Z1 B-VG in der Sache selbst zu entscheiden, wenn die Behörde dem nicht bei der Vorlage der Beschwerde unter Bedachtnahme auf die wesentliche Vereinfachung oder Beschleunigung des Verfahrens widerspricht. Hat die Behörde notwendige Ermittlungen des Sachverhalts unterlassen, so kann das Verwaltungsgericht den angefochtenen Bescheid mit Beschluss aufheben und die Angelegenheit zur Erlassung eines neuen Bescheides an die Behörde zurückzuverweisen. Die Behörde ist hierbei an die rechtliche Beurteilung gebunden, von welcher das Verwaltungsgericht bei seinem Beschluss ausgeht.
Gemäß § 31 Abs. 1 VwGVG erfolgen die Entscheidungen und Anordnungen durch Beschluss, soweit nicht ein Erkenntnis zu fällen ist.
Zu A)
Bis zum 31.12.2013 war es dem Asylgerichtshof und davor dem Unabhängigen Bundesasylsenat gemäß § 66 Abs 2 AVG möglich, den angefochtenen Bescheid zu beheben und die Angelegenheit zur neuerlichen Verhandlung und Erlassung eines neuen Bescheides an das Bundesasylamt zurückzuverweisen, wenn der vorliegende Sachverhalt so mangelhaft war, dass die Durchführung oder Wiederholung einer mündlichen Verhandlung unvermeidlich erschien. Abs 3 leg cit legte fest, dass der Asylgerichtshof die mündliche Verhandlung und unmittelbarer Beweisaufnahme auch selbst durchführen konnte, wenn hiermit eine Ersparnis an Zeit und Kosten verbunden war.
Diesbezüglich hat der Verwaltungsgerichtshof mit Erkenntnissen vom 21.11.2002, 2002/20/0315 und 2000/20/0084, grundsätzliche Ausführungen zur Anwendbarkeit des § 66 Abs 2 AVG im Asylverfahren im Allgemeinen und durch den Unabhängigen Bundesasylsenat im Besonderen getätigt. Dabei hat er im zuletzt genannten Erkenntnis insbesondere ausgeführt, dass bei der Abwägung der für und gegen eine Entscheidung gemäß § 66 Abs 2 AVG sprechenden Gesichtspunkte auch berücksichtigt werden muss, dass das Asylverfahren nicht nur möglichst kurz sein soll. Der Gesetzgeber hat zur Sicherung der Qualität des Asylverfahrens einen Instanzenzug vorgesehen, der zum Unabhängigen Bundesasylsenat und somit zu einer gerichtsähnlichen, unparteilichen und unabhängigen Instanz als besonderem Garanten eines fairen Asylverfahrens führt. Es kommt dem Unabhängigen Bundesasylsenat in dieser Funktion schon nach der Verfassung die Rolle einer "obersten Berufungsbehörde" (Art 129c Abs 1 B-VG) zu. Diese wird aber ausgehöhlt und die Einräumung eines Instanzenzuges zur bloßen Formsache degradiert, wenn sich das Asylverfahren einem eininstanzlichen Verfahren vor der Berufungsbehörde nähert, da es das Bundesasylamt ablehnt, auf das Vorbringen sachgerecht einzugehen und brauchbare Ermittlungsergebnisse in Bezug auf die Verhältnisse im Herkunftsstaat in das Verfahren einzuführen.
Im bereits zitierten Erkenntnis vom 21.11.2002, 2000/20/0084, sowie im Erkenntnis vom 22.12.2002, 2000/20/0236, weist der Verwaltungsgerichtshof darauf hin, dass - auch bei Bedachtnahme auf die mögliche Verlängerung des Gesamtverfahrens - eine ernsthaft Prüfung des Antrages nicht erst bei der "obersten Berufungsbehörde" beginnen und zugleich bei derselben Behörde enden solle. Ein Vorgehen gemäß § 66 Abs 2 AVG ermöglicht es daher, dem Abbau einer echten Zweiinstanzlichkeit des Verfahrens und der Aushöhlung der Funktion des unabhängigen Bundesasylsenates als Kontrollinstanz entgegenzuwirken.
Zu § 28 Abs 3 VwGVG hat der Verwaltungsgerichtshof ausgesprochen, dass die Verwaltungsgerichte grundsätzlich meritorisch zu entscheiden haben, eine Zurückverweisung der Sache an die Verwaltungsbehörde zur Durchführung notwendiger Ermittlungen jedoch insbesondere dann in Betracht kommen wird, wenn die Verwaltungsbehörde jegliche erforderliche Ermittlungstätigkeit unterlassen hat, wenn sie zur Ermittlung des maßgebenden Sachverhalts (vgl § 37 AVG) lediglich völlig ungeeignete Ermittlungsschritte gesetzt oder bloß ansatzweise ermittelt hat. Gleiches gilt, wenn konkrete Anhaltspunkte annehmen lassen, dass die Verwaltungsbehörde (etwa schwierige) Ermittlungen unterließ, damit diese dann durch das Verwaltungsgericht vorgenommen werden (VwGH 26.06.2014, Ro 2014/03/0063).
Nach dem eindeutigen Wortlaut des § 28 Abs. 3, 2. Satz VwGVG ist Voraussetzung für eine Aufhebung und Zurückverweisung nach dieser Bestimmung das Fehlen relevanter behördlicher Sachverhaltsermittlungen. Hinsichtlich dieser Voraussetzung gleicht die Bestimmung des § 28 Abs. 3, 2. Satz VwGVG jener des § 66 Abs. 2 AVG, der als - eine - Voraussetzung der Behebung und Zurückverweisung gleichfalls Mängel der Sachverhaltsfeststellung normiert, sodass insofern - auch wenn § 66 Abs. 2 AVG im Gegensatz zu § 28 Abs. 3, 2. Satz VwGVG als weitere Voraussetzung der Behebung und Zurückverweisung auch die Notwendigkeit der Durchführung oder Wiederholung einer mündlichen Verhandlung voraussetzt - auf die Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes zur Bestimmung des § 66 Abs. 2 AVG zurückgegriffen werden kann.
§ 28 Abs. 3 zweiter Satz VwGVG bildet damit die Rechtsgrundlage für eine kassatorische Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichtes, wenn "die Behörde notwendige Ermittlungen des Sachverhalts unterlassen" hat.
Der Verwaltungsgerichtshof hat sich im seinem Erkenntnis vom 26.06.2014, Ro 2014/03/0063, mit der Sachentscheidungspflicht der Verwaltungsgerichte auseinandergesetzt und darin folgende Grundsätze herausgearbeitet:
Die Aufhebung eines Bescheides einer Verwaltungsbehörde durch ein Verwaltungsgericht komme nach dem Wortlaut des § 28 Abs. 1 Z 1 VwGVG nicht in Betracht, wenn der für die Entscheidung maßgebliche Sachverhalt feststeht. Dies wird jedenfalls dann der Fall sein, wenn der entscheidungsrelevante Sachverhalt bereits im verwaltungsbehördlichen Verfahren geklärt wurde, zumal dann, wenn sich aus der Zusammenschau der im verwaltungsbehördlichen Bescheid getroffenen Feststellungen (im Zusammenhalt mit den dem Bescheid zu Grunde liegenden Verwaltungsakten) mit dem Vorbringen in der gegen den Bescheid erhobenen Beschwerde kein gegenläufiger Anhaltspunkt ergibt.
Der Verfassungsgesetzgeber habe sich bei Erlassung der Verwaltungsgerichtsbarkeits-Novelle 2012, BGBl. I 51, davon leiten lassen, dass die Verwaltungsgerichte grundsätzlich in der Sache selbst zu entscheiden haben, weshalb ein prinzipieller Vorrang einer meritorischen Entscheidungspflicht der Verwaltungsgerichte anzunehmen ist.
Angesichts des in § 28 VwGVG insgesamt verankerten Systems stelle die nach § 28 Abs. 3 zweiter Satz VwGVG bestehende Zurückverweisungsmöglichkeit eine Ausnahme von der grundsätzlichen meritorischen Entscheidungszuständigkeit der Verwaltungsgerichte dar. Nach dem damit gebotenen Verständnis stehe diese Möglichkeit bezüglich ihrer Voraussetzungen nicht auf derselben Stufe wie die im ersten Satz des § 28 Abs. 3 VwGVG verankerte grundsätzliche meritorische Entscheidungskompetenz der Verwaltungsgerichte. Vielmehr verlangt das im § 28 VwGVG insgesamt normierte System, in dem insbesondere die normative Zielsetzung der Verfahrensbeschleunigung bzw. der Berücksichtigung einer angemessenen Verfahrensdauer ihren Ausdruck findet, dass von der Möglichkeit der Zurückverweisung nur bei krassen bzw. besonders gravierenden Ermittlungslücken Gebrauch gemacht wird. Eine Zurückverweisung der Sache an die Verwaltungsbehörde zur Durchführung notwendiger Ermittlungen wird daher insbesondere dann in Betracht kommen, wenn die Verwaltungsbehörde jegliche erforderliche Ermittlungstätigkeit unterlassen hat, wenn sie zur Ermittlung des maßgebenden Sachverhaltes (vgl. § 37 AVG) lediglich völlig ungeeignete Ermittlungsschritte gesetzt oder bloß ansatzweise ermittelt hat. Gleiches gilt, wenn konkrete Anhaltspunkte annehmen lassen, dass die Verwaltungsbehörde (etwa schwierige) Ermittlungen unterließ, damit diese dann durch das Verwaltungsgericht vorgenommen werden (etwa im Sinn einer "Delegierung" der Entscheidung an das Verwaltungsgericht).
3.2. Einzelfallbezogen ergibt sich hieraus Folgendes:
3.2.1. Im Rahmen Feststellungen zur Person der BF wurde in gegenständlich bekämpften Bescheiden festgehalten, dass sie armenische Staatsangehörige wären. Die maßgebliche Lage wurde daher im Hinblick auf den Herkunftsstaat Armenien geprüft. Verwiesen wurde auf die Sprachgutachten und wurden der Entscheidung Länderfeststellungen zu Armenien zugrunde gelegt.
Auch wenn aufgrund der Überprüfung der Kenntnisse der volljährigen BF in Bezug auf die Gegebenheiten im behaupteten Herkunftsland und der Analyse zum sprachlichen Hintergrund in Syrien, welcher mit sehr geringer Wahrscheinlichkeit vorliegt, nicht davon ausgegangen werden kann, dass sie BF tatsächlich syrische Staatsangehörige wären, so wird sich die belangte Behörde dennoch ausführlich damit auseinander zu setzen haben, warum nunmehr die armenische Delegation nicht davon ausgeht, dass die BF armenische Staatsangehörige sind.
Damit wird die belangte Behörde wohl das gegenständlichen Verfahren nochmals unter Einbeziehung entsprechender Länderfeststellungen zu einem noch festzustellenden Herkunftsstaat zu führen haben. Dies unter Berücksichtigung einer etwaigen Staatsangehörigkeit von Armenien, Aserbaidschan oder der Ukraine. Kann die Staatsangehörigkeit letztlich nicht festgestellt werden, wird darauf hingewiesen, dass in § 8 Abs. 6 AsylG für einen derartigen Fall Vorsorge getragen wird. Der Verwaltungsgerichtshof führt zu dieser Bestimmung aus, dass nach dem Willen des Gesetzgebers für die Anwendung dieser Bestimmung darauf abgestellt wird, dass der Asylwerber nicht am Verfahren mitwirkte und offensichtlich einen unrichtigen Herkunftsstaat angibt, indem er seine Staatsangehörigkeit verschleiert. Ein derart agierender Asylwerber solle keinen Vorteil gegenüber Asylwerbern haben, die ihrer Mitwirkungspflicht nachkommen und wahrheitsgemäß in Herkunftsstaat angeben. Der Wortlaut der Bestimmung gehe jedoch über dieses Offensichtlichkeitskalkül hinaus. Durch die Wortfolge "kann der Herkunftsstaat des Asylwerbers nicht festgestellt werden" wird nämlich als Voraussetzung normiert, dass durch die Asylbehörde dessen wahrer Herkunftsstaat nicht festgestellt werden kann (VwGH 15.01.2009, 2007/01/0443). Die Asylbehörde hat den wahren Herkunftsstaat des Asylwerbers von Amts wegen festzustellen, wenn ihr dies aufgrund konkreter Anhaltspunkte im Verfahren auch ohne Mitwirkung des Asylwerbers möglich ist (VwGH 19.03.2009, 2008/01/0020).
Gemäß § 28 Abs 3 VwGVG kann somit nicht davon ausgegangen werden, dass der maßgebliche Sachverhalt feststeht und die Feststellung des maßgeblichen Sachverhaltes durch das Bundesverwaltungsgericht selbst im Interesse der Raschheit gelegen oder mit einer erheblichen Kostenersparnis verbunden wäre.
Es ist in erster Linie die Aufgabe der Verwaltungsbehörde zum Zeitpunkt ihrer Entscheidung den maßgeblichen Sachverhalt vollständig zu ermitteln und diese Aufgabe nicht etwa an die Rechtsmittelinstanz auszulagern.
Zu B) Unzulässigkeit der Revision:
Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.
Die Revision ist gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (vgl. beispielshaft Erk. d. VwGH v. 16.12.2009, GZ. 2007/20/0482; Erk. d. VwGH vom 19.11.2009, 2008/07/0167) auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen.
Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.
Aufgrund der oa. Ausführungen war die Revision nicht zuzulassen.
Schlagworte
Ermittlungspflicht Familienverfahren Kassation mangelnde Sachverhaltsfeststellung Minderjährigkeit Sprachanalyse StaatsangehörigkeitEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:BVWG:2019:L526.2164349.1.01Im RIS seit
15.09.2020Zuletzt aktualisiert am
15.09.2020