TE Bvwg Erkenntnis 2019/9/10 L510 2223116-1

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 10.09.2019
beobachten
merken

Entscheidungsdatum

10.09.2019

Norm

BFA-VG §18 Abs2 Z1
BFA-VG §18 Abs5
BFA-VG §9
B-VG Art133 Abs4
FPG §46
FPG §52 Abs5
FPG §52 Abs9
FPG §53 Abs1
FPG §53 Abs3 Z5
FPG §55 Abs4

Spruch

L510 2223116-1/3E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Mag. INDERLIETH als Einzelrichter über die Beschwerde von XXXX , geb. am XXXX , StA. Türkei, vertreten durch Verein Menschenrechte Österreich, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 12.08.2019, Zl: XXXX , zu Recht erkannt:

A)

I. Die Beschwerde wird gem §§ 52 Abs 5 und 9, 46, 53 Abs 1 iVm Abs 3 Z 5 FPG, §§ 9 und 18 Abs 2 Z 1 BFA-VG als unbegründet abgewiesen.

II. Der Antrag auf Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung der Beschwerde wird als unzulässig zurückgewiesen.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrenshergang

1. Die beschwerdeführende Partei (bP) ist am XXXX in Gmunden geboren. Sie ist türkischer Staatsbürger. Am 11.05.2000 erhielt sie vom Magistrat der Stadt XXXX einen unbefristeten Aufenthaltstitel.

Bis auf zwei Aufenthalte in der Türkei zwecks Urlaubs, war die bP in Österreich aufhältig.

Aufgrund Ihrer siebzehnten strafgerichtlichen Verurteilung befindet sie sich derzeit in Strafhaft. Ihre Entlassung ist derzeit für den 08.09.2023 berechnet.

Sie wurde zuletzt am 02.03.2012 um 08:35 Uhr festgenommen und am XXXX (RK XXXX ) vom Landesgericht XXXX unter der Zahl XXXX rechtskräftig wegen § 142 (1) StGB zu einer unbedingten Freiheitsstrafe von 9 Jahren verurteilt.

2. Im Rahmen des Parteiengehörs wurde ihr mit Schreiben des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl (BFA) vom 28.11.2018 schriftlich Gelegenheit gegeben, zum Sachverhalt Stellung zu nehmen bzw. ihre Privat- und Familienverhältnisse darzulegen. Sie wurde darüber informiert, dass beabsichtigt ist, gegen sie eine Rückkehrentscheidung und ein Einreiseverbot zu verhängen. Mit gleichem Schreiben wurde ihr auch das Länderinformationsblatt der Staatendokumentation für die Türkei zur Stellungnahme zugestellt.

Die bP gab eine Stellungnahme zum Sachverhalt und zu ihrem Privat- und Familienleben ab. Eine Stellungnahme zu den Länderfeststellungen tätigte sie nicht.

3. Mit im Spruch angeführten Bescheid des BFA vom 12.08.2019 wurde gegen die bP eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 5 Fremdenpolizeigesetz 2005 erlassen (Spruchpunkt I.). Gemäß § 52 Abs. 9 FPG wurde festgestellt, dass ihre Abschiebung gemäß § 46 FPG in die Türkei zulässig sei (Spruchpunkt II.). Gemäß § 53 Abs. 1 iVm Abs. 3 Ziffer 5 Fremdenpolizeigesetz wurde gegen sie ein unbefristetes Einreiseverbot erlassen (Spruchpunkt III.). Gem. § 55 Abs. 4 FPG wurde eine Frist für die freiwillige Ausreise nicht gewährt. (Spruchpunkt IV). Einer Beschwerde gegen diese Rückkehrentscheidung wurde gemäß § 18 Abs. 2 Ziffer 1 BFA-Verfahrensgesetz (BFA-VG) die aufschiebende Wirkung aberkannt (Spruchpunkt V.).

Mit Verfahrensanordnung vom 12.08.2019 wurde ihr ein Rechtsberater gemäß § 52 BFA-VG für ein allfälliges Beschwerdeverfahren zur Seite gestellt.

4. Mit Schriftsatz der Vertretung vom 29.08.2019 wurde fristgerecht Beschwerde eingebracht.

Neben rechtlichen Ausführungen wurde im Wesentlichen dargelegt, dass die bP in Österreich geboren wurde. Sie spreche ausgezeichnet Deutsch und habe hier die gesamte Schulausbildung erhalten. Sie habe einen unbefristeten Aufenthaltstitel. Die Mutter und die Geschwister würden in Österreich leben. Österreich sei ihre Heimat, in der Türkei sei sie nur zweimal zwecks Urlaub gewesen. Es liege ein Eingriff in das Recht auf Privat- und Familienleben vor. Die meisten Straftaten seien zwischen 15 und 21 Jahren begangen worden. Die Freunde und die Familie würden in Österreich leben, in der Türkei habe die bP kaum soziale Kontakte. Eine Rückkehrentscheidung in Verbindung mit einem unbefristeten Einreiseverbot erscheine unverhältnismäßig. Aus diesem Grund werde um die Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung ersucht.

5. Mit 05.09.2019 langte der Verwaltungsverfahrensakt bei der zuständigen Gerichtsabteilung ein.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen (Sachverhalt)

1.1. Zur Person der beschwerdeführenden Partei:

Die bP ist am XXXX in Österreich geboren. Sie ist türkischer Staatsbürger. Sie besitzt eine unbefristete Aufenthaltsberechtigung für Österreich. Sie absolvierte in Österreich ihre Pflichtschule. Eine Berufsausbildung tätigte sie nicht. Die bP spricht sehr gut Deutsch und ist gesund. Sie hat in Österreich ihren Freundeskreis. Am 06.05.2000 ging sie erstmals einer sozialversicherungsrechtlichen Beschäftigung nach. Über weite Strecken erhielt sie Arbeitslosenbezug und Notstandhilfe. Zuletzt scheint die bP im April und Mai 2010, sowie im November und Dezember 2011 mit Arbeitslosenbezug auf. Sie verbüßt derzeit ihre Haftstrafe. Ihre Entlassung ist derzeit für den 08.09.2023 berechnet.

Die bP hielt sich bisher 2 Mal in der Türkei zwecks Urlaub auf. Ihren Vater betreffend liegt ein unbefristetes Aufenthaltsverbot vor, dieser ist freiwillig in die Türkei ausgereist.

Ihre Mutter und die Schwestern sind in Österreich wohnhaft. Die bP hat keine Sorgepflichten. Wenn sie kein Einkommen hatte, wurde sie durch ihre Eltern und ihre Schwestern unterstützt. Sie engagiert sich nicht in irgendeiner Weise sozial in Österreich.

Insgesamt war sie mehr als 12 Jahre lang in Haft.

Gegen die bP besteht seit 25.02.2004 ein Waffenverbot.

- Bereits am 18.07.1996 erfolgte gegen die bP eine Anzeige durch den damaligen Gendarmerieposten XXXX über den Diebstahl von Süßigkeiten und Fahrrädern.

- Am 11.01.1999 erfolgte durch den Gendarmerieposten XXXX gegen sie eine Anzeige wegen Körperverletzung.

- Am 11.05.2000 erhielt sie vom Magistrat der Stadt XXXX einen unbefristeten Aufenthaltstitel.

- Ab dann wurde sie folgendermaßen verurteilt:

01) BG XXXX

PAR 83/1 StGB

Geldstrafe von 50 Tags zu je 30,00 ATS (1.500,00 ATS) im NEF 25 Tage

Ersatzfreiheitsstrafe, bedingt, Probezeit 3 Jahre

Anordnung der Bewährungshilfe

Jugendstraftat

Vollzugsdatum 07.07.2000

02) LG XXXX

PAR 142/1 143 StGB

Freiheitsstrafe 9 Monate, bedingt, Probezeit 3 Jahre

Anordnung der Bewährungshilfe

Zusatzstrafe gemäß §§ 31 und 40 STGB unter Bedachtnahme auf XXXX

Jugendstraftat

Vollzugsdatum 23.06.2003

03) BG XXXX

PAR 125 136/1 StGB

Keine Zusatzstrafe gemäß §§ 31 und 40 StGB unter Bedachtnahme auf XXXX

Jugendstraftat

Vollzugsdatum 30.10.2000

04) LG XXXX

PAR 142/1 143 PAR 15 105/1 106 ABS 1/1 StGB

Freiheitsstrafe 7 Monate

Freiheitsstrafe 17 Monate, bedingt, Probezeit 3 Jahre

Jugendstraftat

Vollzugsdatum 09.10.2001

05) LG XXXX

PAR 83/1 84/1 StGB

Keine Zusatzstrafe gemäß §§ 31 und 40 STGB unter Bedachtnahme auf LG WELS 25

VR 209/2001 HV 3/2001 RK 21.05.2001

Jugendstraftat

Vollzugsdatum 02.07.2001

06) LG XXXX

PAR 142/1 83/1 StGB

Freiheitsstrafe 15 Monate

Jugendstraftat

Vollzugsdatum 23.06.2003

07) LG XXXX

PAR 127 129/1 StGB

Keine Zusatzstrafe gemäß §§ 31 und 40 StGB unter Bedachtnahme auf XXXX

Jugendstraftat

Vollzugsdatum 29.10.2002

08) LG XXXX

PAR 27/1 (1.2.6. FALL) SMG

Freiheitsstrafe 4 Monate

Junge(r) Erwachsene(r)

Vollzugsdatum 16.12.2004

09) LG XXXX

PAR 127 129/1 PAR 105/1 15/1 StGB

Freiheitsstrafe 6 Monate

Zusatzstrafe gemäß §§ 31 und 40 STGB unter Bedachtnahme auf LG WELS 15 HV

30/2004M RK 30.03.2004

Junge(r) Erwachsene(r)

Vollzugsdatum 15.02.2007

10) LG XXXX

PAR 127 128 ABS 1/4 129/1 U 2 15/1 PAR 136/1 U 2 229/1 164/4 StGB

Freiheitsstrafe 15 Monate

Junge(r) Erwachsene(r)

Vollzugsdatum 03.04.2011

11) LG XXXX

PAR 164/2 U 4 StGB

PAR 50 ABS 1/3 WaffG

Freiheitsstrafe 3 Monate

Vollzugsdatum 03.04.2011

12) BG XXXX

PAR 287 (125) StGB

Freiheitsstrafe 3 Monate

Vollzugsdatum 22.12.2009

13) LG XXXX

PAR 127 129/1 U 2 15/1 PAR 269/1 (1. FALL) 15/1 PAR 83/1 84 ABS 2/4 StGB

Datum der (letzten) Tat 07.08.2009

Freiheitsstrafe 18 Monate, davon Freiheitsstrafe 12 Monate, bedingt, Probezeit

3 Jahre

Vollzugsdatum 03.01.2011

14) LG XXXX

PAR 83/1 107/1 U 2 (1. FALL) 15/1 105/1 StGB

Datum der (letzten) Tat 12.07.2010

Freiheitsstrafe 5 Monate

Vollzugsdatum 02.06.2014

15) LG XXXX

§§ 127, 128 (1) Z 1 4. Fall, 129 Z 2 StGB

Datum der (letzten) Tat 13.01.2012

Freiheitsstrafe 2 Jahre Vollzugsdatum 02.03.2014

- Sie wurde am 02.03.2012 um 08:35 Uhr festgenommen und am XXXX (RK XXXX ) vom Landesgericht XXXX unter der Zahl XXXX rechtskräftig wegen § 142 (1) StGB zu einer Freiheitsstrafe von 9 Jahren verurteilt.

- Bereits in der Straffhaft erfolgte ihre bis dato letzte Verurteilung vom LG XXXX unter der Zahl XXXX wegen §§ 125, 126 (1) Z 5 StGB zu einer Freiheitsstrafe von 3 Monaten.

1.2. Es konnte nicht festgestellt werden, dass die bP im Falle einer Ausreise in die Türkei aus in ihrer Person gelegenen Gründen oder aufgrund der allgemeinen Lage vor Ort einer maßgeblichen individuellen Gefährdung oder Bedrohung ausgesetzt wäre oder dort keine hinreichende Existenzgrundlage vorfinden würde.

1.3. Zur aktuellen Lage in der Türkei wird auf die länderkundlichen Feststellungen des BFA im bekämpften Bescheid verwiesen, die auch der gegenständlichen Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts zugrunde gelegt werden.

2. Beweiswürdigung

Beweis wurde erhoben durch den Inhalt des vorliegenden Verwaltungsverfahrensaktes. Zentral wurden berücksichtig:

Die Angaben der bP im Zuge ihrer Stellungnahme im Rahmen des Parteiengehörs. SA-Strafregisterauszug, ZMR-Anfrage, Versicherungsdatenauszug, Gerichtsurteile, Aktenvermerke und Anzeigen des Gendarmeriepostens XXXX v. 1998 u. 1999 bezüglich Diebstähle und Körperverletzung betreffend die bP, Länderfeststellungen zur Türkei, Personeninformationsauskunft, IZR-Anfrage.

2.1. Die Feststellungen zu 1.1. stützen sich auf den vorliegenden Akteninhalt und wurden im Verfahren nicht bestritten, weshalb auch das BVwG diese Feststellungen seiner Entscheidung zugrunde legt.

2.2. Die Feststellungen zu 1.2. wurden mangels irgendeines in diese Richtung deutenden Vorbringens durch das BFA getroffen. Auch in der Stellungnahme und in der Beschwerde machte die bP in Bezug auf ihren Herkunftsstaat keine Probleme geltend.

Insgesamt war somit den diesbezüglichen Feststellungen des BFA nicht entgegen zu treten.

Dass es aktuell in der Türkei keinen landesweiten bewaffneten Konflikt gibt, unter dem die Zivilbevölkerung in einer Weise zu leiden hätte, dass ein Aufenthalt dort jedermann, sohin auch die bP, in eine maßgebliche Gefahrenlage bringen würde, war zugleich als notorisch festzustellen, wie dies aus den Feststellungen des BFA zu gewinnen war.

Im Übrigen war die bP bisher schon mehrmals auf Besuch in der Türkei, was ebenso gegen die Wahrscheinlichkeit irgendeines Bedrohungsszenarios sprach.

2.3. Die vom BFA getroffenen Feststellungen zur allgemeinen Lage in der Türkei stellen sich in den für die Entscheidung wesentlichen Aspekten als ausreichend und tragfähig dar und stehen mit dem Amtswissen des Gerichts hierzu im Einklang.

3. Rechtliche Beurteilung

Zu A)

1. Zu Spruchpunkt I.

Rückkehrentscheidung

1.1. Gemäß § 52 Abs. 5 FPG hat das Bundesamt gegen einen Drittstaatsangehörigen, der vor Verwirklichung des maßgeblichen Sachverhaltes auf Dauer rechtmäßig niedergelassen war und über einen Aufenthaltstitel "Daueraufenthalt EU" verfügt, eine Rückkehrentscheidung zu erlassen, wenn die Voraussetzungen gemäß § 53 Abs. 3 FPG die Annahme rechtfertigen, dass dessen weiterer Aufenthalt eine gegenwärtige, hinreichend schwere Gefahr für die öffentliche Ordnung oder Sicherheit darstellen würde.

§ 53 FPG lautet:

(1) Mit einer Rückkehrentscheidung kann vom Bundesamt mit Bescheid ein Einreiseverbot erlassen werden. Das Einreiseverbot ist die Anweisung an den Drittstaatsangehörigen, für einen festgelegten Zeitraum nicht in das Hoheitsgebiet der Mitgliedstaaten einzureisen und sich dort nicht aufzuhalten.

(2) ...

(3) Ein Einreiseverbot gemäß Abs. 1 ist für die Dauer von höchstens zehn Jahren, in den Fällen der Z 5 bis 9 auch unbefristet zu erlassen, wenn bestimmte Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass der Aufenthalt des Drittstaatsangehörigen eine schwerwiegende Gefahr für die öffentliche Ordnung oder Sicherheit darstellt. Als bestimmte Tatsache, die bei der Bemessung der Dauer des Einreiseverbotes neben den anderen in Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten öffentlichen Interessen relevant ist, hat insbesondere zu gelten, wenn

(...)

5. ein Drittstaatsangehöriger von einem Gericht zu einer unbedingten Freiheitsstrafe von mehr als fünf Jahren rechtskräftig verurteilt worden ist;

(...)

Im gegenständlichen Fall wurde seitens des BFA festgestellt, dass die bP am 11.05.2000 vom Magistrat einen unbefristeten Aufenthaltstitel erlangte und somit den Aufenthaltstitel "Daueraufenthalt EU" innehat. Die bP ist daher auf Dauer rechtmäßig niedergelassen.

Das BFA hat somit richtigerweise die Rückkehrentscheidung auf den Tatbestand des § 52 Abs. 5 FPG gestützt. Dem wurde auch in der Beschwerde nicht entgegen getreten.

Gemäß § 53 Abs. 3 Z 5 FPG ist ein Einreiseverbot auch unbefristet zu erlassen, wenn ein Drittstaatsnagehöriger von einem Gericht zu einer unbedingten Freiheitsstrafe von mehr als fünf Jahren rechtskräftig verurteilt worden ist.

Die bP wurde zuletzt mit Urteil des Landesgerichts XXXX unter der Zahl XXXX rechtskräftig wegen § 142 (1) StGB zu einer unbedingten Freiheitsstrafe von 9 Jahren rechtskräftig verurteilt.

Damit ist der Tatbestand des § 53 Abs. 3 Z 5 FPG erfüllt, was in der Beschwerde auch unbestritten geblieben ist. Diese Tatsache alleine indiziert bereits das Vorliegen einer schwerwiegenden Gefahr für die öffentliche Ordnung und Sicherheit durch den Aufenthalt der bP im Bundesgebiet (VwGH 30.07.2014, 2013/22/0281).

Darüber hinaus ist auf der Grundlage einer Einzelfallprüfung, in deren Rahmen neben der rechtskräftigen strafgerichtlichen Verurteilung auch das bisherige Verhalten der bP während ihres Aufenthalts im Bundesgebiet sowie ihr Privat- und Familienleben zu analysieren und berücksichtigen sind, eine Gefährlichkeitsprognose zu treffen (vgl. VwGH 20.12.2016, Ra 2016/21/0109, mwN aus der Judikatur). Maßgeblich sind Art und Schwere der zugrundeliegenden Straftaten und das sich daraus ergebende Persönlichkeitsbild der bP (Hinweis E 15. Dezember 2011, 2011/21/0237).

Das BFA legte diesbezüglich nochmals die ersten 15 Verurteilungen der bP (siehe Feststellungen) dar und führte darüber hinaus folgend aus:

"Sie wurden am 02.03.2012 um 08:35 Uhr festgenommen und am XXXX (RK XXXX ) vom Landesgericht XXXX unter der Zahl XXXX rechtskräftig wegen § 142 (1) StGB zu einer Freiheitsstrafe von 9 Jahren verurteilt.

Sie haben daher das Verbrechen des Raubes nach dem § 142 Abs. 1 StGB begangen.

Bei den Strafbemessungsgründen wurde mildernd die geständige Verantwortung und erschwerend die massive einschlägige Vorstrafenbelastung, wobei die Tat während zweier offener Probezeiten begangen wurde, das Zusammentreffen strafbarer Handlungen, wobei sich dieser Umstand aus der Bedachtnahme auf das Urteil des LG XXXX vom 15.6.2012 ergibt, die Begehung des Raubes zum Nachteil von zwei Raubopfern sowie die Verletzungen beider Raubopfer, wobei die psychische Beeinträchtigung der S. W. eine schwere Verletzung darstellt, welche jedoch nicht eine Folge der Gewalteinwirkung ist, sondern der psychischen Belastungssituation, welche mit der Tatausführung einhergegangen ist berücksichtigt.

Bereits in der Straffhaft erfolgte Ihre bis dato letzte Verurteilung vom LG XXXX unter der Zahl XXXX wegen §§ 125, 126 (1) Z 5 StGB zu einer Freiheitsstrafe von 3 Monaten.

Durch Ihr über lange Jahre hinweg gezeigtes (strafrechtliches) Verhalten, welches sich ständig steigerte, stellen Sie eine schwerwiegende Gefahr für die öffentliche Ordnung und Sicherheit dar.

Sie missachteten die österreichische Rechtsordnung, indem Sie bereits vor dem Erreichen der Strafmündigkeit mit Gewalt- und Eigentumsdelikten begannen, zwischendurch wurden Sie auch wegen Delikte nach dem SMG verurteilt.

Und schließlich steigerten Sie Ihre Delinquenz im Raub.

Sie versuchten sich daher offenkundig den Lebensunterhalt in Österreich mit Ihrer Straffälligkeit zu finanzieren bzw. aufzubessern.

Bei diesen Delikten handelt es sich ohne Zweifel um ein die öffentliche Sicherheit auf dem Gebiet des Fremdenwesens besonders schwer gefährdendes und beeinträchtigendes Fehlverhalten.

Die Behörde geht aus folgendem Grund weiters davon aus, dass diese hinreichend schwere Gefahr auch noch gegenwärtig vorliegt, das heißt, nach wie vor aktuell ist:

Eine wesentliche Besserung Ihrer bescheidenen wirtschaftlichen Lage ist nicht zu erwarten. Sie haben in den letzten drei Jahren vor Ihrer Festnahme auch nicht mehr gearbeitet.

Weiters ist aus der zeitlichen Abfolge Ihrer Delinquenz eine Steigerung der Intensität unschwer nachvollziehbar.

Das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl geht deshalb davon aus, dass Sie durch Ihr Verhalten eine Gefahr für die öffentliche Ordnung und Sicherheit darstellen. Ausgehend davon musste eine Zukunftsprognose negativ ausfallen bzw. es konnte für die Zukunft nicht davon ausgegangen werden, dass Sie keine weiteren strafbaren Handlungen bzw. Verstöße gegen die österreichische Rechtsordnung begehen werden.

Die Tatbestandsvoraussetzungen des § 52 Abs. 5 FPG für die Erlassung einer Rückkehrentscheidung liegen daher vor."

Bei einer Gesamtbetrachtung aller durch das BFA aufgezeigten Umstände und der auf Grund des persönlichen Fehlverhaltens der bP getroffenen Gefährdungsprognose ist davon auszugehen, dass der weitere Aufenthalt der bP im Bundesgebiet eine schwerwiegende Gefahr für die öffentliche Ordnung und Sicherheit darstellt.

Es wird dem BFA somit zugestimmt, dass die Tatbestandsvoraussetzungen für das Vorliegen einer Rückkehrentscheidung gem. § 52 Abs. 5 FPG vorlagen.

1.2. Gemäß § 52 FPG iVm § 9 BFA-VG darf eine Rückkehrentscheidung nicht verfügt werden, wenn es dadurch zu einer Verletzung des Privat- und Familienlebens in Österreich käme:

§ 9 Abs. 1 bis 3 BFA-VG lautet:

(1) Wird durch eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG, eine Anordnung zur Außerlandesbringung gemäß § 61 FPG, eine Rückkehrentscheidung gemäß § 66 FPG oder ein Aufenthaltsverbot gemäß § 67 FPG in das Privat- oder Familienleben des Fremden eingegriffen, so ist die Erlassung der Entscheidung zulässig, wenn dies zur Erreichung der im Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten Ziele dringend geboten ist.

(2) Bei der Beurteilung des Privat- und Familienlebens im Sinne des Art. 8 EMRK sind insbesondere zu berücksichtigen:

1. die Art und Dauer des bisherigen Aufenthaltes und die Frage, ob der bisherige Aufenthalt des Fremden rechtswidrig war,

2. das tatsächliche Bestehen eines Familienlebens,

3. die Schutzwürdigkeit des Privatlebens,

4. der Grad der Integration,

5. die Bindungen zum Heimatstaat des Fremden,

6. die strafgerichtliche Unbescholtenheit,

7. Verstöße gegen die öffentliche Ordnung, insbesondere im Bereich des Asyl-, Fremdenpolizei- und Einwanderungsrechts,

8. die Frage, ob das Privat- und Familienleben des Fremden in einem Zeitpunkt entstand, in dem sich die Beteiligten ihres unsicheren Aufenthaltsstatus bewusst waren,

9. die Frage, ob die Dauer des bisherigen Aufenthaltes des Fremden in den Behörden zurechenbaren überlangen Verzögerungen begründet ist.

(3) Über die Zulässigkeit der Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG ist jedenfalls begründet, insbesondere im Hinblick darauf, ob diese gemäß Abs. 1 auf Dauer unzulässig ist, abzusprechen. Die Unzulässigkeit einer Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG ist nur dann auf Dauer, wenn die ansonsten drohende Verletzung des Privat- und Familienlebens auf Umständen beruht, die ihrem Wesen nach nicht bloß vorübergehend sind. Dies ist insbesondere dann der Fall, wenn die Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG schon allein auf Grund des Privat- und Familienlebens im Hinblick auf österreichische Staatsbürger oder Personen, die über ein unionsrechtliches Aufenthaltsrecht oder ein unbefristetes Niederlassungsrecht (§ 45 oder §§ 51 ff Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz (NAG), BGBl. I Nr. 100/2005) verfügen, unzulässig wäre.

Gem. Art. 8 Abs. 2 EMRK ist der Eingriff einer öffentlichen Behörde in die Ausübung des Rechts auf das Privat- und Familienleben nur statthaft, insoweit dieser Eingriff gesetzlich vorgesehen ist und eine Maßnahme darstellt, welche in einer demokratischen Gesellschaft für die nationale Sicherheit, die öffentliche Ruhe und Ordnung, das wirtschaftliche Wohl des Landes, der Verteidigung der Ordnung und zur Verhinderung von strafbaren Handlungen, zum Schutz der Gesundheit und der Moral oder zum Schutz der Rechte und Freiheiten anderer notwendig ist.

Zweifellos handelt es sich beim Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl um eine öffentliche Behörde im Sinne des Art. 8 Abs. 2 EMRK; der Eingriff ist - wie bereits oben dargestellt - in § 9 Abs. 1 BFA-VG iVm § 67 FPG gesetzlich vorgesehen.

Es ist daher in weiterer Folge zu prüfen, ob der Eingriff in Ihr Recht auf Achtung des Familien- und Privatlebens im gegenständlichen Fall durch den Eingriffsvorbehalt des Art. 8 EMRK gedeckt ist und ein in einer demokratischen Gesellschaft legitimes Ziel, nämlich die Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung im Sinne von Art. 8 Abs. 2 EMRK, verfolgt. Es ist eine individuelle Abwägung der betroffenen Interessen vorzunehmen, um festzustellen, ob der Eingriff durch das Aufenthaltsverbot auch als im Sinne des Art. 8 Abs. 2 EMRK verhältnismäßig angesehen werden kann.

Art. 8 EMRK:

Recht auf Achtung des Privat- und Familienlebens

(1) Jedermann hat Anspruch auf Achtung seines Privat- und Familienlebens, seiner Wohnung und seines Briefverkehrs.

(2) Der Eingriff einer öffentlichen Behörde in die Ausübung dieses Rechts ist nur statthaft, insoweit dieser Eingriff gesetzlich vorgesehen ist und eine Maßnahme darstellt, die in einer demokratischen Gesellschaft für die nationale Sicherheit, die öffentliche Ruhe und Ordnung, das wirtschaftliche Wohl des Landes, die Verteidigung der Ordnung und zur Verhinderung von strafbaren Handlungen, zum Schutz der Gesundheit und der Moral oder zum Schutz der Rechte und Freiheiten anderer notwendig ist."

Für die Beurteilung ob ein relevantes Privat- und/oder Familienleben iSd Art 8 EMRK vorliegt sind nach der höchstgerichtlichen Judikatur insbesondere nachfolgende Umstände beachtlich:

Privatleben

Nach der Rechtsprechung des EGMR (vgl. aktuell SISOJEVA u.a. gg. Lettland, 16.06.2005, Bsw. Nr. 60.654/00) garantiert die Konvention Fremden kein Recht auf Einreise und Aufenthalt in einem Staat. Unter gewissen Umständen können von den Staaten getroffene Entscheidungen auf dem Gebiet des Aufenthaltsrechts (zB. eine Rückkehrentscheidungsentscheidung) aber in das Privatleben eines Fremden eingreifen. Dies beispielsweise dann, wenn ein Fremder den größten Teil seines Lebens in dem Gastland zugebracht (wie im Fall SISOJEVA u.a. gg. Lettland) oder besonders ausgeprägte soziale oder wirtschaftliche Bindungen im Aufenthaltsstaat vorliegen, die sogar jene zum eigentlichen Herkunftsstaat an Intensität deutlich übersteigen (vgl. dazu BAGHLI gg. Frankreich, 30.11.1999, Bsw. Nr. 34374/97; ebenso die Rsp. des Verfassungsgerichtshofes; vgl. dazu VfSlg 10.737/1985; VfSlg 13.660/1993).

Bei der Schutzwürdigkeit des Privatlebens manifestiert sich der Grad der Integration des Fremden insbesondere an intensiven Bindungen zu Verwandten und Freunden, der Selbsterhaltungsfähigkeit, der Schulausbildung, der Berufsausbildung, der Teilnahme am sozialen Leben, der Beschäftigung und ähnlichen Umständen (vgl. EGMR 4.10.2001, Fall Adam, Appl. 43.359/98, EuGRZ 2002, 582; 9.10.2003, Fall Slivenko, Appl. 48.321/99, EuGRZ 2006, 560; 16.6.2005, Fall Sisojeva, Appl. 60.654/00, EuGRZ 2006, 554; vgl. auch VwGH 5.7.2005, 2004/21/0124; 11.10.2005, 2002/21/0124).

Familienleben

Das Recht auf Achtung des Familienlebens iSd Art. 8 EMRK schützt das Zusammenleben der Familie. Es umfasst jedenfalls alle durch Blutsverwandtschaft, Eheschließung oder Adoption verbundenen Familienmitglieder, die effektiv zusammenleben;

das Verhältnis zwischen Eltern und minderjährigen Kindern auch dann, wenn es kein Zusammenleben gibt (EGMR Kroon, VfGH 28.06.2003, G 78/00); etwa bei Zutreffen anderer Faktoren aus denen sich ergibt, dass eine Beziehung genügend Konstanz aufweist, um de facto familiäre Bindungen zu erzeugen: zB Natur und Dauer der Beziehung der Eltern und insbesondere, ob sie geplant haben ein gemeinsames Kind zu haben; ob der Vater das Kind als eigenes anerkannt hat; ob Unterhaltszahlungen für die Pflege und Erziehung des Kindes geleistet wurden; und die Intensität und Regelmäßigkeit des Umgangs (EGMR v. 8.1.2009, Zl 10606/07, Fall Grant gg. Vereinigtes Königreich).

Kinder werden erst vom Moment ihrer Geburt an rechtlich Teil der Familie. Zu noch ungeborenen Kindern liegt somit bis dahin (noch) kein schützenswertes Familienleben iSd Art 8 EMRK vor (vgl. zB VfGH 24.02.2003, B 1670/01; EGMR 19.02.1996, GÜL vs Switzerland).

Der Begriff des Familienlebens ist jedoch nicht nur auf Familien beschränkt, die sich auf eine Heirat gründen, sondern schließt auch andere "de facto Beziehungen" ein; maßgebend ist beispielsweise das Zusammenleben eines Paares, die Dauer der Beziehung, die Demonstration der Verbundenheit durch gemeinsame Kinder oder auf andere Weise (EGMR Marckx, EGMR 23.04.1997, X ua).

Eine familiäre Beziehung unter Erwachsenen fällt nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte (EGMR) nur dann unter den Schutz des Art. 8 Abs. 1 EMRK, wenn zusätzliche Merkmale der Abhängigkeit hinzutreten, die über die üblichen Bindungen hinausgehen (vgl. dazu auch das Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes vom 9. Juni 2006, B 1277/04, unter Hinweis auf die Judikatur des EGMR; des Weiteren auch das Erkenntnis des VwGH vom 26. Jänner 2006, Zl. 2002/20/0423 und die darauf aufbauende Folgejudikatur, etwa die Erkenntnisse vom 26. Jänner 2006, Zl. 2002/20/0235, vom 8. Juni 2006, Zl. 2003/01/0600, vom 22. August 2006, Zl. 2004/01/0220 und vom 29. März 2007, Zl. 2005/20/0040, vom 26. Juni 2007, 2007/01/0479).

Die Beziehung der bereits volljährigen Kinder zu den Eltern ist vor allem dann als Familienleben zu qualifizieren, wenn jene auch nach Eintritt der Volljährigkeit im Haushalt der Eltern weiterleben, ohne dass sich ihr Naheverhältnis zu den Eltern wesentlich ändert (Chvosta, Die Rückkehrentscheidung von Asylwerbern und Art 8 MRK, ÖJZ 2007/74, 860 unter Hinweis auf Wiederin in Korinek/Holoubek, Österreichisches Bundesverfassungsrecht, Art 8 EMRK Rz 76).

Nach der Judikatur des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte (EGMR) sind Beziehungen zwischen Eltern und ihren erwachsenen Kindern, die wegen des Fehlens von über die üblichen Bindungen hinausgehenden Merkmalen der Abhängigkeit nicht (mehr) unter den Begriff des Familienlebens fallen, unter den Begriff des ebenfalls von Art. 8 Abs. 1 EMRK geschützten Privatlebens zu subsumieren (VwGH 21.4.2011, 2011/01/0093-7 [vgl. dazu die Urteile des EGMR vom 9. Oktober 2003, Slivenko gegen Lettland, Beschwerde Nr. 48321/99, Randnr. 97, vom 15. Juni 2006, Shevanova gegen Lettland, Beschwerde Nr. 58822/00, Randnr. 67, vom 22. Juni 2006, Kaftailova gegen Lettland, Beschwerde Nr. 59643/00, Randnr. 63, und vom 12. Jänner 2010, A.W. Khan gegen das Vereinigte Königreich, Beschwerde Nr. 47486/06, Randnr. 31 ff]).

Alle anderen verwandtschaftlichen Beziehungen (zB zwischen Enkel und Großeltern, erwachsenen Geschwistern [vgl. VwGH 22.08.2006, 2004/01/0220, mwN; 25.4.2008, 2007/20/0720 bis 0723-8], Cousinen [VwGH 15.01.1999, 97/21/0778; 26.6.2007, 2007/01/0479], Onkeln bzw. Tanten und Neffen bzw. Nichten) sind nur dann als Familienleben geschützt, wenn eine "hinreichend starke Nahebeziehung" besteht. Nach Ansicht der Gerichtshöfe des öffentlichen Rechts ist für diese Wertung insbesondere die Intensität und Dauer des Zusammenlebens von Bedeutung (vgl. VfSlg 17.457/2005). Dabei werden vor allem das Zusammenleben und die gegenseitige Unterhaltsgewährung zur Annahme eines Familienlebens iSd Art 8 EMRK führen, soweit nicht besondere Abhängigkeitsverhältnisse, wie die Pflege eines behinderten oder kranken Verwandten, vorliegen.

Ist von einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme die gesamte Familie betroffen, greift sie lediglich in das Privatleben der Familienmitglieder und nicht auch in ihr Familienleben ein; auch dann, wenn sich einige Familienmitglieder der Abschiebung durch Untertauchen entziehen (EGMR im Fall Cruz Varas gegen Schweden). In diesen Fällen ist nach der Judikatur des EGMR der Eingriff in das Privatleben gegebenenfalls separat zu prüfen (Chvosta, Die Rückkehrentscheidung von Asylwerbern und Art 8 MRK, ÖJZ 2007/74, 856 mwN).

Der Begriff des "Familienlebens" in Art. 8 EMRK umfasst nicht nur die Kleinfamilie von Eltern und (minderjährigen) Kindern und Ehegatten, sondern auch entferntere verwandtschaftliche Beziehungen, sofern diese Beziehungen eine gewisse Intensität aufweisen, etwa ein gemeinsamer Haushalt vorliegt (vgl. dazu EKMR 19.07.1968, 3110/67, Yb 11, 494 (518); EKMR 28.02.1979, 7912/77, EuGRZ 1981/118; Frowein - Peukert, Europäische Menschenrechtskonvention, EMRK-Kommentar, 2. Auflage (1996) Rz 16 zu Art. 8; Baumgartner, Welche Formen des Zusammenlebens schützt die Verfassung? ÖJZ 1998, 761; vgl. auch Rosenmayer, Aufenthaltsverbot, Schubhaft und Abschiebung, ZfV 1988, 1). In der bisherigen Spruchpraxis der Straßburger Instanzen wurden als unter dem Blickwinkel des Art. 8 EMRK zu schützende Beziehungen bereits solche zwischen Enkel und Großeltern (EGMR 13.06.1979, Marckx, EuGRZ 1979, 458; s. auch EKMR 07.12.1981, B 9071/80, X-Schweiz, EuGRZ 1983, 19), zwischen Geschwistern (EKMR 14.03.1980, B 8986/80, EuGRZ 1982, 311) und zwischen Onkel bzw. Tante und Neffen bzw. Nichten (EKMR 19.07.1968, 3110/67, Yb 11, 494 (518); EKMR 28.02.1979, 7912/77, EuGRZ 1981/118; EKMR 05.07.1979, B 8353/78, EuGRZ 1981, 120) anerkannt, sofern eine gewisse Beziehungsintensität vorliegt (vgl. Baumgartner, ÖJZ 1998, 761; Rosenmayer, ZfV 1988, 1). Das Kriterium einer gewissen Beziehungsintensität wurde von der Kommission auch für die Beziehung zwischen Eltern und erwachsenen Kindern gefordert (EKMR 06.10.1981, B 9202/80, EuGRZ 1983, 215).

1.3. Der Vater der bP reiste aufgrund eines unbefristeten Einreiseverbotes freiwillig in die Türkei aus. In Österreich leben die Mutter und mehrere Geschwister der bP. Die bP hat keine Sorgepflichten in Österreich. Wenn die bP kein Einkommen hatte, wurde sie durch ihre Eltern und ihre Geschwister unterstützt. Derzeit befindet sich die bP in Strafhaft und besteht kein gemeinsamer Wohnsitz mit ihren Familienmitgliedern. Aufgrund der gegebenen Umstände, insbesondere der Tatsache, dass die bP durch ihre Familienmitglieder unterstützt wurde, ist im Zweifel davon auszugehen, dass ein relevantes Familienleben in Österreich vorliegt, auch wenn dieses nur schwach ausgeprägt ist.

Auf Grund der langen Aufenthaltsdauer im Bundesgebiet und der gegeben persönlichen Umstände liegt auch ein relevantes Privatleben in Österreich vor.

Da die Rückkehrentscheidung somit einen Eingriff in das Recht auf Privat- und Familienleben darstellt, bedarf es diesbezüglich einer Abwägung der persönlichen Interessen mit den öffentlichen Interessen, ob eine Rückkehrentscheidung zur Erreichung der im Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten Ziele dringend geboten ist.

Im vorliegenden Fall ist der Eingriff gesetzlich vorgesehen und verfolgt gem. Art 8 Abs. 2 EMRK legitime Ziele, nämlich

- die Aufrechterhaltung der öffentlichen Ruhe und Ordnung, worunter auch die geschriebene

Rechtsordnung zu subsumieren ist;

- das wirtschaftliche Wohl des Landes;

- zur Verhinderung von strafbaren Handlungen;

Öffentliche Ordnung / Verhinderung von strafbaren Handlungen (auch im Bereich des Aufenthaltsrechtes)

Der EGMR geht davon aus, dass die Konvention kein Recht auf Aufenthalt in einem bestimmten Staat garantiert. Der EGMR erkennt in stRsp weiters, dass die Konventionsstaaten nach völkerrechtlichen Bestimmungen berechtigt sind, Einreise, Rückkehrentscheidung und Aufenthalt von Fremden ihrer Kontrolle zu unterwerfen, soweit ihre vertraglichen Verpflichtungen dem nicht entgegenstehen (vgl. uva. zB. Urteil Vilvarajah/GB, A/215 § 102 = NL 92/1/07 und NL 92/1/27f.). Die Schaffung eines Ordnungssystems mit dem die Einreise und der Aufenthalt von Fremden geregelt wird, ist auch im Lichte der Entwicklungen auf europäischer Ebene notwendig. Dem öffentlichen Interesse an der Einhaltung der die Einreise und den Aufenthalt von Fremden regelnden Bestimmungen kommt im Interesse des Schutzes der öffentlichen Ordnung (Art 8 Abs. 2 EMRK) daher ein hoher Stellenwert zu (VfGH 29.9.2007, B 328/07, VwGH 16.01.2001, Zl. 2000/18/0251 uva.).

Wirtschaftliches Wohl

Die geordnete Zuwanderung von Fremden ist auch für das wirtschaftliche Wohl des Landes (vgl zB EGMR 31.7.2008, Darren Omoregie u.a. gg. Norwegen) von besonderer Bedeutung, da diese sowohl für den geordneten Arbeitsmarkt als auch für das Sozial- und Gesundheitssystem erhebliche Auswirkung hat.

1.4. Im Einzelnen ergibt sich unter zentraler Beachtung der in § 9 Abs. 1 Z 1-9 AsylG genannten Determinanten Folgendes:

- Art und Dauer des bisherigen Aufenthaltes und die Frage, ob der bisherige Aufenthalt rechtswidrig war:

Die bP wurde in Österreich geboren und war bisher legal im österreichischen Bundesgebiet aufhältig. Sie hat seit 11.05.2000 einen unbefristeten Aufenthaltstitel.

- das tatsächliche Bestehen eines Familienlebens

In Österreich leben die Mutter und mehrere Geschwister der bP. Wenn die bP kein Einkommen hatte, wurde sie durch ihre Familienmitglieder unterstützt. Ansonsten hat die bP in Österreich keine ihr besonders nahestehenden Personen. Auch zu ihrer Mutter und zu ihren Geschwistern ist das Bestehen eines Familienlebens zu relativieren, bedenkt man, dass die bP über 12 Jahre lang in Strafhaft war.

- Schutzwürdigkeit des Privatlebens

Während des bisherigen Aufenthaltes im Bundesgebiet hat die bP auch private Anknüpfungspunkte in Österreich erlangt, wobei jedoch diesbezüglich auch der kriminelle Aspekt diverser Anknüpfungspunkte nicht übersehen werden darf. Die bP lebt zwar seit ihrer Geburt in Österreich und hat viele Freunde, jedoch verbrachte sie über 12 Jahre lang in Strafhaft.

- Grad der Integration

Der bP nimmt nicht im besonderen Maß am Sozialleben in Österreich teil. Sie spricht die deutsche Sprache. Sie war nur eingeschränkt am Arbeitsmarkt tätig und bezog über erhebliche Zeiträume Leistungen in Form von Arbeitslosengeld und Notstandshilfe. Die bP war über einen Zeitraum von über 10 Jahren wiederholt massiv straffällig.

- Bindungen zum Herkunftsstaat

Die beschwerdeführende Partei hielt sich in der Türkei nur zweimal aufgrund eines Urlaubes auf. Wie sich aus der Beschwerde ergibt, hat sie in der Türkei kaum soziale Kontakte. Es wurde jedoch nicht dargetan, dass die bP in der Türkei über gar keine sozialen Kontakte verfügt, bzw. sie gar nicht in der Lage wäre sich dort zu verständigen bzw. dort zu leben.

- strafrechtliche Unbescholtenheit

In der Datenbank des österreichischen Strafregisters scheinen die o. a. 17 Verurteilung auf. Die für die Integration wesentliche soziale Komponente wird durch die von der bP begangenen Straftaten erheblich beeinträchtigt, insbesondere durch wiederholt schwere Delikte wie Raub und schwerer Raub. Die Integration eines Fremden in seinem Gastland verlangt die Bereitschaft, die Rechtsordnung dieses Gastlandes zu respektieren. Diese Bereitschaft hat die bP jedenfalls nicht gezeigt.

- Verstöße gegen die öffentliche Ordnung, insbesondere im Bereich des Asyl-. Fremdenpolizei- und Einwanderungsrechts

Die beschwerdeführende Partei hielt sich rechtmäßig in Österreich auf.

1.5. Zusammenfassend ist somit festzuhalten, dass eine Rückkehrentscheidung gegenständlich einen Eingriff in das Recht auf Privat- und Familienleben der bP darstellt, wobei der Eingriff in das Recht auf Privatleben schwerer wiegt, da die bP überwiegend ihr Leben in Österreich gestaltet hat, auch wenn sie eine erhebliche Zeit davon in Strafhaft verbrachte.

Letztlich ist auch auf die Judikatur des VwGH zu verweisen, wonach die allfällige Trennung von Familienangehörigen ebenso wie mögliche Schwierigkeiten bei der Wiedereingliederung im Heimatland im öffentlichen Interesse in Kauf zu nehmen sind (vgl. VwGH 09.07.2009, 2008/22/0932; 22.02.2011, 2010/18/0417) und selbst Schwierigkeiten bei der Gestaltung der Lebensverhältnisse, die infolge der alleinigen Rückkehr auftreten können, hinzunehmen sind (vgl. VwGH 15.03.2016, Zl. Ra 2015/21/0180).

Zur Integration im privaten Bereich ist zudem festzustellen, dass selbst Umstände, dass der Fremde einen großen Freundes- und Bekanntenkreis hat und er der deutschen Sprache mächtig ist, seine persönlichen Interessen an einem weiteren Aufenthalt im Bundesgebiet nicht maßgeblich verstärken können (vgl. VwGH 26.11.2009, 2007/18/0311; 29.6.2010, 2010/18/0226).

Die bP ist in Strafhaft, voraussichtlich bis 08.09.2023. Die bP ist gegenständlich nicht selbsterhaltungsfähig.

Unter Berücksichtigung aller bekannten Umstände und unter Einbeziehung der oa. Judikatur der Höchstgerichte ist gegenständlich ein überwiegendes öffentliches Interesse - nämlich die Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung, das wirtschaftliche Wohl des Landes, sowie zur Verhinderung von strafbaren Handlungen, insbesondere in Bezug auf die rechtskräftigen Verurteilungen der bP, insbesondere im Bereich von Gewaltdelikten, aber auch eines Drogendeliktes, - an der Aufenthaltsbeendigung der bP festzustellen, welches ihre Interessen an einem Verbleib in Österreich überwiegt. Die Rückkehrentscheidung ist daher als notwendig und nicht unverhältnismäßig zu erachten.

Die persönlichen Bindungen in Österreich lassen keine besonderen Umstände im Sinn des Art. 8 EMRK erkennen, die es der bP schlichtweg unzumutbar machen würden, in ihr Heimatland zurückzukehren.

Es erfolgte daher zu Recht die Erlassung einer Rückkehrentscheidung gem. § 52 Abs. 5 FPG. Die Beschwerde war somit hinsichtlich Spruchpunkt I. abzuweisen.

2. Zu Spruchpunkt II.

Zulässigkeit der Abschiebung

2.1. Gemäß § 52 Abs. 9 FPG hat das Bundesamt mit einer Rückkehrentscheidung gleichzeitig festzustellen, dass eine Abschiebung eines Drittstaatsangehörigen gemäß § 46 FPG in einen oder mehrere bestimmte Staaten zulässig ist, es sei denn, dass dies aus vom Drittstaatsangehörigen zu vertretenden Gründen nicht möglich sei.

Nach § 50 Abs. 1 FPG ist die Abschiebung Fremder in einen Staat unzulässig, wenn dadurch Art. 2 oder 3 der Europäischen Menschenrechtskonvention (EMRK), BGBl. Nr. 210/1958, oder das Protokoll Nr. 6 oder Nr. 13 zur Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten über die Abschaffung der Todesstrafe verletzt würde oder für sie als Zivilperson eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konflikts verbunden wäre.

Nach § 50 Abs. 2 FPG ist Abschiebung in einen Staat unzulässig, wenn stichhaltige Gründe für die Annahme bestehen, dass dort ihr Leben oder ihre Freiheit aus Gründen ihrer Rasse, ihrer Religion, ihrer Nationalität, ihrer Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder ihrer politischen Ansichten bedroht wäre (Art. 33 Z 1 der Konvention über die Rechtsstellung der Flüchtlinge, BGBl. Nr. 55/1955, in der Fassung des Protokolls über die Rechtsstellung der Flüchtlinge, BGBl. Nr. 78/1974), es sei denn, es bestehe eine innerstaatliche Fluchtalternative (§ 11 AsylG 2005).

Nach § 50 Abs. 3 FPG ist Abschiebung in einen Staat unzulässig, solange der Abschiebung die Empfehlung einer vorläufigen Maßnahme durch den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte entgegensteht.

2.2. Dass die bP im Fall ihrer Rückkehr in die Türkei einer Gefährdung im Sinn des Art. 2 und 3 EMRK ausgesetzt wäre oder ihr die Todesstrafe dort drohen könnte, ist nicht ersichtlich und auch im Verfahren und der Beschwerde nicht behauptet worden. Es besteht in der Türkei kein internationaler oder innerstaatlicher Konflikt, der für eine Zivilperson eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt bedeuten würde. Dies ist notorisch und wurde Gegenteiliges im Verfahren auch nie behauptet. Anhaltspukte dafür, dass die bP in ihrem Herkunftsstaat nicht in der Lage wäre, für ihren notwendigsten Lebensunterhalt zu sorgen, sind ebenso wenig ersichtlich und wurden auch nicht behauptet. Die bP ist gesund, im arbeitsfähigen Alter und hat sich bereits zweimal in der Türkei problemlos aufgehalten.

Im Hinblick auf die vom BFA im angefochtenen Bescheid gemäß § 52 Abs. 9 iVm § 50 FPG getroffene Feststellung sind keine konkreten Anhaltspunkte dahingehend hervorgekommen, dass die Abschiebung in den Herkunftsstaat unzulässig wäre. Derartiges wurde auch im Beschwerdeschriftsatz nicht behauptet.

Es war unter Berücksichtigung aller bekannten Umstände daher die Entscheidungen des BFA im Ergebnis zu bestätigen und die Beschwerde somit hinsichtlich Spruchpunkt II. abzuweisen.

3. Zu Spruchpunkt III.

Einreiseverbot

3.1. Einreiseverbot § 53 FPG

(1) Mit einer Rückkehrentscheidung kann vom Bundesamt mit Bescheid ein Einreiseverbot erlassen werden. Das Einreiseverbot ist die Anweisung an den Drittstaatsangehörigen, für einen festgelegten Zeitraum nicht in das Hoheitsgebiet der Mitgliedstaaten einzureisen und sich dort nicht aufzuhalten.

(Anm.: Abs. 1a aufgehoben durch BGBl. I Nr. 68/2013)

(2) Ein Einreiseverbot gemäß Abs. 1 ist, vorbehaltlich des Abs. 3, für die Dauer von höchstens fünf Jahren zu erlassen. Bei der Bemessung der Dauer des Einreiseverbots hat das Bundesamt das bisherige Verhalten des Drittstaatsangehörigen mit einzubeziehen und zu berücksichtigen, inwieweit der Aufenthalt des Drittstaatsangehörigen die öffentliche Ordnung oder Sicherheit gefährdet oder anderen in Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten öffentlichen Interessen zuwiderläuft. Dies ist insbesondere dann anzunehmen, wenn der Drittstaatsangehörige

1. wegen einer Verwaltungsübertretung gemäß § 20 Abs. 2 der Straßenverkehrsordnung 1960 (StVO), BGBl. Nr. 159, iVm § 26 Abs. 3 des Führerscheingesetzes (FSG), BGBl. I Nr. 120/1997, gemäß § 99 Abs. 1, 1 a, 1 b oder 2 StVO, gemäß § 37 Abs. 3 oder 4 FSG, gemäß § 366 Abs. 1 Z 1 der Gewerbeordnung 1994 (GewO), BGBl. Nr. 194, in Bezug auf ein bewilligungspflichtiges, gebundenes Gewerbe, gemäß den §§ 81 oder 82 des SPG, gemäß den §§ 9 oder 14 iVm § 19 des Versammlungsgesetzes 1953, BGBl. Nr. 98, oder wegen einer Übertretung des Grenzkontrollgesetzes, des Meldegesetzes, des Gefahrengutbeförderungsgesetzes oder des Ausländerbeschäftigungsgesetzes rechtskräftig bestraft worden ist;

2. wegen einer Verwaltungsübertretung mit einer Geldstrafe von mindestens 1 000 Euro oder primären Freiheitsstrafe rechtskräftig bestraft wurde;

3. wegen einer Übertretung dieses Bundesgesetzes oder des Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetzes rechtskräftig bestraft worden ist, sofern es sich dabei nicht um eine in Abs. 3 genannte Übertretung handelt;

4. wegen vorsätzlich begangener Finanzvergehen oder wegen vorsätzlich begangener Zuwiderhandlungen gegen devisenrechtliche Vorschriften rechtskräftig bestraft worden ist;

5. wegen eines Verstoßes gegen die Vorschriften, mit denen die Prostitution geregelt ist, rechtskräftig bestraft worden ist;

6. den Besitz der Mittel zu seinem Unterhalt nicht nachzuweisen vermag;

7. bei einer Beschäftigung betreten wird, die er nach dem AuslBG nicht ausüben hätte dürfen, es sei denn, der Drittstaatsangehörige hätte nach den Bestimmungen des Ausländerbeschäftigungsgesetzes für denselben Dienstgeber eine andere Beschäftigung ausüben dürfen und für die Beschäftigung, bei der der Drittstaatsangehörige betreten wurde, wäre keine Zweckänderung erforderlich oder eine Zweckänderung zulässig gewesen;

8. eine Ehe geschlossen oder eine eingetragene Partnerschaft begründet hat und sich für die Erteilung oder Beibehaltung eines Aufenthaltstitels, für den Erwerb oder die Aufrechterhaltung eines unionsrechtlichen Aufenthaltsrechts, für den Erwerb der österreichischen Staatsbürgerschaft, zwecks Zugangs zum heimischen Arbeitsmarkt oder zur Hintanhaltung aufenthaltsbeendender Maßnahmen auf diese Ehe oder eingetragene Partnerschaft berufen, aber mit dem Ehegatten oder eingetragenen Partner ein gemeinsames Familienleben im Sinne des Art. 8 EMRK nicht geführt hat oder

9. an Kindes statt angenommen wurde und die Erteilung oder Beibehaltung eines Aufenthaltstitels, der Erwerb oder die Aufrechterhaltung eines unionsrechtlichen Aufenthaltsrechts, der Erwerb der österreichischen Staatsbürgerschaft, der Zugang zum heimischen Arbeitsmarkt oder die Hintanhaltung aufenthaltsbeendender Maßnahmen ausschließlicher oder vorwiegender Grund für die Annahme an Kindes statt war, er jedoch das Gericht über die wahren Verhältnisse zu den Wahleltern getäuscht hat.

(3) Ein Einreiseverbot gemäß Abs. 1 ist für die Dauer von höchstens zehn Jahren, in den Fällen der Z 5 bis 8 auch unbefristet zu erlassen, wenn bestimmte Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass der Aufenthalt des Drittstaatsangehörigen eine schwerwiegende Gefahr für die öffentliche Ordnung oder Sicherheit darstellt. Als bestimmte Tatsache, die bei der Bemessung der Dauer des Einreiseverbotes neben den anderen in Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten öffentlichen Interessen relevant ist, hat insbesondere zu gelten, wenn

1. ein Drittstaatsangehöriger von einem Gericht zu einer unbedingten Freiheitsstrafe von mehr als drei Monaten, zu einer bedingt oder teilbedingt nachgesehenen Freiheitsstrafe von mehr als sechs Monaten oder mehr als einmal wegen auf der gleichen schädlichen Neigung beruhenden strafbaren Handlungen rechtskräftig verurteilt worden ist;

2. ein Drittstaatsangehöriger von einem Gericht wegen einer innerhalb von drei Monaten nach der Einreise begangenen Vorsatztat rechtskräftig verurteilt worden ist;

3. ein Drittstaatsangehöriger wegen Zuhälterei rechtskräftig verurteilt worden ist;

4. ein Drittstaatsangehöriger wegen einer Wiederholungstat oder einer gerichtlich strafbaren Handlung im Sinne dieses Bundesgesetzes oder des Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetzes rechtskräftig bestraft oder verurteilt worden ist;

5. ein Drittstaatsangehöriger von einem Gericht zu einer unbedingten Freiheitsstrafe von mehr als fünf Jahren rechtskräftig verurteilt worden ist;

6. auf Grund bestimmter Tatsachen die Annahme gerechtfertigt ist, dass der Drittstaatsangehörige einer kriminellen Organisation (§ 278a StGB) oder einer terroristischen Vereinigung (§ 278b StGB) angehört oder angehört hat, terroristische Straftaten begeht oder begangen hat (§ 278c StGB), Terrorismus finanziert oder finanziert hat (§ 278d StGB) oder eine Person für terroristische Zwecke ausbildet oder sich ausbilden lässt (§ 278e StGB) oder eine Person zur Begehung einer terroristischen Straftat anleitet oder angeleitet hat (§ 278f StGB);

7. auf Grund bestimmter Tatsachen die Annahme gerechtfertigt ist, dass der Drittstaatsangehörige durch sein Verhalten, insbesondere durch die öffentliche Beteiligung an Gewalttätigkeiten, durch den öffentlichen Aufruf zur Gewalt oder durch hetzerische Aufforderungen oder Aufreizungen, die nationale Sicherheit gefährdet oder

8. ein Drittstaatsangehöriger öffentlich, in einer Versammlung oder durch Verbreiten von Schriften ein Verbrechen gegen den Frieden, ein Kriegsverbrechen, ein Verbrechen gegen die Menschlichkeit oder terroristische Taten von vergleichbarem Gewicht billigt oder dafür wirbt.

(4) Die Frist des Einreiseverbotes beginnt mit Ablauf des Tages der Ausreise des Drittstaatsangehörigen.

(5) Eine gemäß Abs. 3 maßgebliche Verurteilung liegt nicht vor, wenn sie bereits getilgt ist. § 73 StGB gilt.

(6) Einer Verurteilung nach Abs. 3 Z 1, 2 und 5 ist eine von einem Gericht veranlasste Unterbringung in einer Anstalt für geistig abnorme Rechtsbrecher gleichzuhalten, wenn die Tat unter Einfluss eines die Zurechnungsfähigkeit ausschließenden Zustandes begangen wurde, der auf einer geistigen oder seelischen Abartigkeit von höherem Grad beruht.

Der Verwaltungsgerichtshof hat in seinem Erkenntnis vom 15.12.2011, Zahl 2011/21/0237, zur Rechtslage vor dem FPG idgF (in Kraft seit 01.01.2014) erwogen, dass bei der Festsetzung der Dauer des Einreiseverbotes nach dem FrÄG 2011 eine Einzelfallprüfung vorzunehmen (vgl ErläutRV, 1078 BlgNR 24. GP 29 ff und Art 11 Abs 2 Rückführungs-RL) sei. Dabei hat die Behörde das bisherige Verhalten des Drittstaatsangehörigen zu beurteilen und zu berücksichtigen, ob (bzw. inwieweit über die im unrechtmäßigen Aufenthalt als solchen zu erblickende Störung der öffentlichen Ordnung hinaus) der (weitere) Aufenthalt des Drittstaatsangehörigen die öffentliche Ordnung oder Sicherheit gefährdet oder anderen in Art. 8 Abs. 2 MRK genannten öffentlichen Interessen zuwiderläuft. Eine derartige Gefährdung ist nach der Gesetzessystematik insbesondere in den Fällen der Z 1 bis 9 des § 53 Abs. 2 FrPolG 2005 idF FrÄG 2011 anzunehmen.

In den Fällen des § 53 Abs. 3 Z 1 bis 8 FrPolG 2005 idF FrÄG 2011 ist das Vorliegen einer schwerwiegenden Gefahr für die öffentliche Ordnung oder Sicherheit indiziert, was dann die Verhängung eines Einreiseverbotes in der Dauer von bis zu zehn Jahren und, liegt eine bestimmte Tatsache im Sinne der Z 5 bis 8 vor, von unbefristeter Dauer ermöglicht. Zudem ist festzuhalten, dass - wie schon nach bisheriger Rechtslage (vgl. VwGH 20.11.2008, 2008/21/0603) - in Bezug auf strafgerichtliche Verurteilungen nicht auf die bloße Tatsache der Verurteilung bzw. Bestrafung des Fremden, sondern immer auf das zugrunde liegende Verhalten (arg.: Einzelfallprüfung) abzustellen ist. Maßgeblich sind Art und Schwere der zugrunde liegenden Straftaten und das sich daraus ergebende Persönlichkeitsbild; darauf kommt es bei der Bemessung der Dauer des Einreiseverbots an.

§ 53 Abs. 3 FPG idgF hat im Vergleich zur Rechtslage vor dem 01.01.2014 keine inhaltliche Änderung erfahren. Daraus ist zu schließen, dass auch in Bezug auf die vom VwGH statuierten (obgenannten) Kriterien, die bei der Verhängung des Einreiseverbots und seiner Dauer zur Anwendung gelangen sollen, kein Wandel stattgefunden hat. Aus diesem Grund erachtet das Bundesverwaltungsgericht diese auch nach wie vor als anwendbar. Bei der Stellung der für jedes Einreiseverbot zu treffenden Gefährlichkeitsprognose ist das Gesamt(fehl)verhalten des Fremden in Betracht zu ziehen und auf Grund konkreter Feststellungen eine Beurteilung dahin vorzunehmen, ob und im Hinblick auf welche Umstände die in § 53 Abs. 3 FrPolG 2005 idF FrÄG 2011 umschriebene Annahme gerechtfertigt ist (VwGH 2012/18/0230, 19.02.2013)

3.2. Das BFA verhängte gem. § 53 Abs. 1 iVm Abs. 3 Z. 5 FPG ein unbefristetes Einreiseverbot gegen die bP.

Begründend legte das BFA im Wesentlichen folgend dar:

"Die Erlassung eines Einreiseverbotes gemäß § 53 Abs. 3 erfordert das Vorliegen einer schwerwiegenden Gefahr für die öffentliche Ordnung und Sicherheit. Bei der Bemessung ist das Gesamtverhalten des Fremden in Betracht zu ziehen und aufgrund konkreter Feststellungen eine Beurteilung der Gefährlichkeitsprognose vorzunehmen. Bei dieser Beurteilung kommt es nicht auf die bloße Tatsache der Verurteilung oder des Vorliegens der sonstigen genannten Tatbestandsvoraussetzungen an, sondern auf das diesen zugrundeliegende Fehlverhalten, die Art und Schwere der zugrundeliegenden Straftaten und auf das sich daraus ergebende Persönlichkeitsbild (VwGH 19.2.2013, 2012/18/0230).

In Ihrem Fall ist dabei zu berücksichtigen, dass Sie noch immer eine gegenwärtige und erhebliche Gefahr darstellen. Dies ergibt sich wie noch näher ausgeführt wird aus Ihrem Gesamtverhalten, Ihrer Zukunftsprognose und dass Sie seit Begehung der strafbaren Handlung immer in Haft waren.

Ein allfälliger Gesinnungswandel eines Straftäters durch die Verbüßung einer Freiheitsstrafe unter dem Blickwinkel des hier maßgeblichen Fremdenrechts in erster Linie daran zu messen ist, innerhalb welchen Zeitraumes sich der Fremde nach der Entlassung aus der Strafhaft in Freiheit wohlverhalten hat. (vgl. VwGH 26.1.2017, Ra 2016/21/0233 mwN, VwGH 21.02.2013, 2011/23/0192J.)

Dieser Zeitraum ist umso länger zu bemessen, je gravierender die Straftaten und die Höhe der Haftstrafe ist.

Sie befinden sich seit 02.03.2012 in Haft.

Aus der in Haft zugebrachten Zeit lässt sich schon angesichts der naturgemäß im Strafhaft/Maßnahmenvollzug vorherrschenden kontrollierten Rahmenbedingungen, welche unter anderem auf regelkonformes Verhalten der Insassen/Untergebrachten mit Ziel der Sicherung der Sicherheit und Ordnung ausgerichtet sind (vgl. § 20 StVG), nicht nachvoll- ziehbar auf Ihr zukünftiges Verhalten in einem von Ihnen frei wählbaren, keiner dem Strafvollzug vergleichbaren Kontrolle, unterliegenden Umfeld, geschlossen werden.

Vielmehr bedarf es der Bewährung in Freiheit.

Jedoch weist auch Ihre Vollzugsinformation Ordnungswidrigkeiten auf.

Wie bereits in Spruchpunkt II dargelegt wurden Sie in Österreich bereits 17 Mal rechtskräftig verurteilt.

Seit 1996 fallen Sie immer wieder durch Eigentums- und Gewalttaten auf. Später wandten Sie sich auch noch dem Drogenmilieu zu.

In Ihrem 16. Urteil wertete das Gericht als erschwerend die massive einschlägige Vorstrafenbelastung, wobei die Tat während zweier offener Probezeiten begangen wurde, das Zusammentreffen strafbarer Handlungen, wobei sich dieser Umstand aus der Bedachtnahme auf das Urteil des LG XXXX vom 15.6.2012 ergibt, die Begehung des Raubes zum Nachteil von zwei Raubopfern sowie die Verletzungen beider Raubopfer, wobei die psychische Beeinträchtigung der S. W. eine schwere Verletzung darstellt, welche jedoch nicht eine Folge der Gewalteinwirkung ist, sondern der psychischen Belastungssituation, welche mit der Tatausführung einhergegangen ist.

Haftstrafen, in der Vergangenheit gewährte bedingte Strafnachsichten bzw. auch bedingte Entlassungen konnten Sie nicht davon abhalten ein Ehepaar zu berauben.

Durch den längeren Zeitraum der Begehung der verschiedenen Delikte (ab 1996 immer wieder) kann nicht davon ausgegangen werden, dass Ihre kriminelle Motivation nicht bloß punktuell und kurzfristig, sondern in Form einer persönlichen Disposition bestand.

Sie zeigten mit Ihrem Verhalten, dass Sie mit beträchtlicher krimineller Energie ausgestattet sind, wonach die Annahme gerechtfertigt ist, dass von Ihnen auch weiterhin eine erhebliche Gefahr für die öffentliche Ordnung und Sicherheit ausgehen kann.

Besonders ist bei einer Zukunftsprognose hervorzuheben, dass Sie in vollem Bewusstsein mehrmals straffällig wurden.

Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
Zurück Haftungsausschluss Vernetzungsmöglichkeiten

Sofortabfrage ohne Anmeldung!

Jetzt Abfrage starten