TE Bvwg Erkenntnis 2019/9/30 L509 1433888-3

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 30.09.2019
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Entscheidungsdatum

30.09.2019

Norm

AsylG 2005 §10 Abs1 Z3
AsylG 2005 §2 Abs1 Z13
AsylG 2005 §3 Abs1
AsylG 2005 §57
AsylG 2005 §8 Abs1
BFA-VG §9
B-VG Art133 Abs4
FPG §46
FPG §52 Abs2 Z2
FPG §52 Abs9
FPG §55 Abs1
FPG §55 Abs1a
FPG §55 Abs2
FPG §55 Abs3

Spruch

L509 1433888-3/10E

SCHRIFTLICHE AUSFERTIGUNG DES AM 27.03.2019 MÜNDLICH VERKÜNDETEN ERKENNTNISSES

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Mag. Ewald HUBER-HUBER als Einzelrichter über die Beschwerde von XXXX , geb. XXXX , StA. Pakistan, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 09.11.2017, Zl. XXXX , nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am 27.03.2019, zu Recht erkannt:

A) Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

B) Die Revision ist gem. Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang:

1. Der Beschwerdeführer (im Folgenden: BF), ein pakistanischer Staatsangehöriger, stellte am 20.06.2012 seinen ersten Antrag auf internationalen Schutz. Dieser Antrag wurde zunächst vom Bundesasylamt gem. § 3 Abs. 1 AsylG und gem. § 8 Abs. 1 AsylG abgewiesen, sowie die Ausweisung des BF aus dem österreichischen Bundesgebiet nach Pakistan ausgesprochen. Die gegen diese Entscheidung erhobene Beschwerde wurde mit Erkenntnis des Asylgerichtshofes vom 09.12.2013, Zl. E10 433.888-1/2013/22E abgewiesen und erwuchs dieses durch die persönliche Übernahme am 13.12.2013 in Rechtskraft.

2. Am 02.06.2014 stellte der BF den nunmehr gegenständlichen, zweiten Antrag auf internationalen Schutz und wurde dazu am 06.06.2014 von einem Organ des öffentlichen Sicherheitsdienstes erstbefragt.

Dabei gab er an, dass sein Asylantrag in Österreich 2013 abgelehnt worden sei und er daher im Jänner 2014 zu seinen Schwestern bzw. Onkeln sowie Cousins und Cousinen nach Deutschland gereist sei. Der BF habe immer noch die gleichen Gründe wie bei seiner ersten Asylantragstellung. Er sei Ahmadi und könne nicht zurück nach Pakistan. Es gebe keine neuen Gründe. Der BF habe Angst um sein Leben, die Ahmadis würden in Pakistan verfolgt.

3. Am 01.07.2014 wurde der BF beim Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (im Folgenden BFA), Erstaufnahmestelle West, niederschriftlich einvernommen.

Dabei bestätigte der BF zunächst seine bisherigen Angaben als vollständig und wahrheitsgetreu und gab an, bereits alles gesagt zu haben, was er sagen wollte. Ebenso verneinte er die Frage, ob er noch etwas angeben wolle, was ihm wichtig erscheint.

Auf Nachfrage der Rechtsberaterin führte der BF aus, dass sich seine Ehegattin habe scheiden lassen und legte er die Scheidungsurkunde vor. Zudem führte der BF aus, dass nach der rechtskräftigen Entscheidung des Erstverfahrens die Familie des BF in Pakistan bedroht worden sei und die Familie deshalb umziehen habe müssen. Auch könnten die medizinischen Probleme des BF in Pakistan nicht behandelt werden.

Außerdem sei der Schwester des BF in Deutschland aufgrund ihrer Zugehörigkeit zur Religion der Ahmadyia die Flüchtlingseigenschaft zugesprochen worden.

4. Am 29.07.2014 wurde dem BFA der Mietvertrag der Mutter des BF als Beweis dafür, dass die Familie in Pakistan wegen der Gefährdung für Ahmadyia übersiedeln habe müssen, übermittelt.

5. Der Antrag des BF auf internationalen Schutz vom 02.06.2014 wurde mit Bescheid der belangten Behörde vom 14.10.2014 gem. § 68 Abs. 1 AVG wegen entschiedener Sache zurückgewiesen.

Begründend führte die belangte Behörde aus, dass der BF in seinem gegenständlichen Asylantrag auf sein Vorverfahren verweise, welches ausführlich geprüft und negativ entschieden worden sei und auch die dagegen eingebrachte Beschwerde vom Asylgerichtshof als unbegründet abgewiesen worden sei.

Der BF stütze sein nunmehriges Vorbringen auf die bereits geprüften Gründe und sei dieses nicht geeignet, eine Entscheidungsänderung zu bewirken, weswegen von entschiedener Sache auszugehen sei. Sämtliche nunmehr vorgebrachten Gründe seien dem BF bereits im Vorverfahren entweder bekannt gewesen oder stütze er sein nunmehriges Vorbringen darauf.

Änderungen hinsichtlich der den BF betreffenden persönlichen Lage im Herkunftsland seit dem Vorverfahren seien nicht gegeben, wenngleich der BF nunmehr allgemein gehalten vorbringe, alles sei schlimmer geworden und sei auf bereits erfolgte Ausführungen zu verweisen. Auch amtswegig habe Gegenteiliges nicht festgestellt werden können.

Dieser Bescheid wurde dem BF am 28.08.2014 ausgefolgt.

6. Gegen diesen Bescheid wurde vom BF mit Schriftsatz vom 23.10.2014 innerhalb offener Frist vollumfängliche Beschwerde erhoben. Darin wird vorgebracht, dass sich die Behörde mit dem Vorbringen des BF nur unzureichend auseinandergesetzt und insbesondere die geänderte Situation im arabischen Raum nicht berücksichtigt habe, wodurch sich auch die Sicherheitslage in Pakistan seit Abschluss des letzten Asylverfahrens grundlegend verschlechtert habe. Mit dieser neuen Situation habe sich die belangte Behörde nicht auseinandergesetzt.

Vor dem Hintergrund der aktuellen Berichte zur Situation der Ahmadyia Gemeinschaft in Pakistan sei das Fluchtvorbringen des BF glaubwürdig.

7. Das Bundesverwaltungsgericht hat der Beschwerde gegen den angeführten Bescheid des BFA mit Erkenntnis vom 28.11.2014, GZ L509 1433888-2/2E, gemäß § 21 Abs. 3 BFA-VG stattgegeben und den Bescheid behoben. Eine Revision wurde für nicht zulässig erklärt.

In der Begründung vertrat das BVwG die Ansicht, dass aufgrund des Vorbringens des BF zu seinem 2. Antrag auf internationalen Schutz nicht von einer "entschiedenen Sache" im Sinne des § 68 AVG ausgegangen werden konnte. Der BF habe den Umzug seiner Familie in Pakistan erwähnt, der erst nach rechtskräftigem Abschluss des ersten Asylverfahrens stattgefunden habe und auf den die belangte Behörde in ihrer Entscheidung wegen entschiedener Sache nicht eingegangen sei. Darüber hinaus hat das BFA dem BF keine Länderfeststellungen zur Kenntnis gebracht, obwohl es im Bescheid auf solche Bezug genommen hat. Insofern wurde das Parteiengehör verletzt.

8. Am 19.07.2017 wurde der BF beim BFA erneut zu seinem Antrag auf internationalen Schutz vom 02.06.2014 einvernommen. Aufgefordert, seine neuen Gründe zu schildern (AS 1136), gab der BF an, nachdem er in Pakistan Schwierigkeiten gehabt hätte, hätten dies seine Eltern zu spüren bekommen. Sie hätten das Haus der Familie verlassen müssen und sie seien nach XXXX gezogen. Ahmadis würden verfolgt werden und sie könnten nicht in Ruhe leben. Sein Vater hätte seine Geschäfte nicht mehr weiterbetreiben können und die Eltern seien mit dem Umbringen bedroht worden. Geschäfte von anderen Ahmadis seien angezündet worden. Wo immer Sunniten sich versammeln, würden sie auf Ahmadis losgehen. Seine Eltern seien von der sunnitischen Gruppierung "Chwatme Nabuwat" bedroht worden. Er sei noch während seines Aufenthaltes in Pakistan auch persönlich von einer sunnitischen Gruppe bedroht worden. Die Familie sei nach XXXX gezogen, weil deren Leben in Gefahr gewesen sei. Auch sein Bruder habe Probleme gehabt und dieser sei nun in Malaysia. In XXXX hätte die Familie auch keine Ruhe. Alle Ahmadis hätten dort Probleme. Die Polizei kooperiere mit den Mitgliedern der Khatam-e-Nabuwat. Den Eltern würden Briefe vor die Haustüre geworfen, mit denen sie aufgefordert werden, entweder das Land zu verlassen oder sonst würden sie umgebracht werden. Im Falle einer Rückkehr nach Pakistan würde er umgebracht werden.

Auf Vorhalt der Länderinformationen betreffend die Situation von Ahmadis in XXXX entgegnete der BF, dass die Sunniten immer wieder für Unruhe sorgen und Versammlungen abhalten würden. Personen würden in XXXX entführt und getötet. Vor kurzem sei ein Lehrer entführt und tot aufgefunden worden. Ein achtzigjähriger Geschäftsmann sei zu Lebenslänglich verurteilt worden, weil er Ahmadi sei. Ein aus den USA zurückgekehrter Arzt, der Ahmadi ist, sei während eines Spazierganges mit seiner Familie von Unbekannten von einem Motorrad aus erschossen worden.

9. Der BF ließ durch seinen ausgewiesenen Vertreter eine Stellungnahme abgeben. In der Stellungnahme vom 02.08.2017 wurde ausgeführt, dass sich das Vorbringen mit der Berichtslage decken würde. Dazu wurde ein UNHCR-Bericht vom Jänner 2017 angeschlossen, in dem auf die Verfolgung von Ahmadis durch nicht-staatliche Akteure eingegangen werde. Darüber hinaus legte der Vertreter des BF auch noch einen Bericht von Home Office vom Mai 2016 vor, in welchem die Gruppe Khatm-e-Nabuwat als federführend für die Einbringung von Anzeigen gegen die Ahmadis wegen Verletzung der Anti-Ahmadi-Strafgesetze bezeichnet werde. Die Khatm-e-Nabuwat sei eine Vereinigung von extremen, religiösen Gruppen, deren Ziel es wäre, die Ahmadis durch direkte Drohungen, Telefonanrufe; Einschüchterungen, Drangsalierung von Familienangehörigen und Forderungen zum Islam zu konvertieren, zu bedrängen.

Mit der Stellungnahme wurden auch Berichte über konkrete Verfolgungsvorfälle, die in XXXX stattgefunden hätten, vorgelegt.

Im Heimatort des BF hätte sich die allgemeine Verfolgung von Ahmadis nach Beendigung des Asylverfahrens des BF erheblich intensiviert. Dies hätte zur Folge gehabt, dass die Eltern, die Schwester und der Bruder des BF aus dem Heimatort nach XXXX flüchten hätten müssen. Sein Vater hätte auch das Geschäftslokal aufgeben müssen. Eine Rückkehr in seinen Heimatort sei aufgrund der Verfolgung durch die Khatm-e-Nabuwat nicht mehr möglich.

10. Mit dem gegenständlich angefochtenen Bescheid des BFA vom 09.11.2017 wurde der Antrag des BF auf internationalen Schutz hinsichtlich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten gem. § 3 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG 2015 abgewiesen (Spruchpunkt I.). Des Weiteren wurde der Antrag hinsichtlich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Pakistan gem. § 8 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG abgewiesen (Spruchpunkt II.). Dem BF wurde außerdem kein Aufenthaltstitel gem. § 57 AsylG aus berücksichtigungswürdigen Gründen erteilt (Spruchpunkt III.). Gem. § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG iVm § 9 BFA-Verfahrensgesetz, BGBl. I Nr. 87/2012 (BFA-VG) idgF, wurde gegen den BF eine Rückkehrentscheidung gem. § 52 Abs. 2 Z 2 Fremdenpolizeigesetz 2005, BGBl. I NR. 100/2005 (FPG) idgF, erlassen (Spruchpunkt IV.). Gem. § 52 Abs. 9 FPG wurde festgestellt, dass die Abschiebung nach Pakistan gem. § 46 FPG zulässig ist (Spruchpunkt V.). Die Frist für die freiwillige Ausreise des BF wurde gem. § 55 Abs. 1 bis 3 FPG mit zwei Wochen ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung festgesetzt (Spruchpunkt VI.).

In der Begründung führt das BFA aus, dass die Angaben des BF im Rahmen der Beweiswürdigung als gänzlich unwahr zu erachten wären und es dem BF nicht gelungen wäre, eine persönliche Verfolgung glaubhaft zu machen. Hilfsweise wurde der BF auf die Inanspruchnahme einer innerstaatlichen Fluchtalternative durch Aufenthaltnahme in XXXX , wo auch seine Familie Aufenthalt genommen hätte, die dort keinen Übergriffen ausgesetzt wäre, oder auch durch Aufenthaltnahme in einer der größeren Städte Pakistans verwiesen. Dem BF wurde nicht abgesprochen, Mitglied der Ahmadiyyagemeinde zu sein, eine Verfolgung allein aus diesem Grund wurde jedoch nicht anerkannt. In XXXX würden Ahmadis die Glaubensmehrheit darstellen und diese überwiegend in Eintracht mit anderen Religionen und von den Behörden unbehelligt leben.

Der Status eines subsidiär Schutzberechtigten wurde nicht zuerkannt, weil weder die allgemeine Lage in Pakistan noch die individuelle Lage des BF für die Zuerkennung eines solchen Schutzes sprechen. Die belangte Behörde berücksichtigte dabei die in manchen Gebieten Pakistans verstärkt beeinträchtigte Sicherheitslage, erachtete jedoch diese jedoch in Bezug auf den BF nicht für derart maßgeblich, dass eine Rückkehr des BF nicht zumutbar wäre. In der Region, aus der der BF käme, stelle sich die Sicherheitslage vergleichsweise günstig dar. Es sei in Pakistan auch eine hinreichende Existenzgrundlage für den BF vorhanden. Seine Rückkehrbefürchtungen habe der BF nicht konkretisiert und seien diese daher auch nicht objektivierbar. Der BF wurde auch im Hinblick auf den subsidiären Schutz auf die zumutbare Inanspruchnahme einer innerstaatlichen Fluchtalternative verwiesen.

Für die Erteilung einer "Aufenthaltsberechtigung besonderer Schutz" würden die gesetzlich beschriebenen Voraussetzungen nicht vorliegen.

Der BF habe keinen Familienbezug zu einer dauernd in Österreich aufenthaltsberechtigten Person. Ein durch die Rückkehrentscheidung erfolgter Eingriff in das Recht auf Familienleben sei daher nicht anzunehmen. Der durch die Rückkehrentscheidung stattfindende Eingriff in das Recht auf Privatleben sei nach Abwägung der öffentlichen zu den privaten Interessen wegen überwiegender öffentlicher Interessen gerechtfertigt.

Die Abschiebung des BF nach Pakistan sei zulässig, wie sich schon aus der Prüfung des subsidiären Schutzes (zu Spruchpunkt II) ergeben hätte.

Die Frist für die freiwillige Ausreise von 14 Tagen sei gesetzlich begründet.

11. Mit Verfahrensanordnung vom 13.11.2017 wurde dem BF die ARGE Rechtsberatung - Diakonie und Volkshilfe als Rechtsberaterin amtswegig zur Seite gestellt. Mit weiterer Verfahrensanordnung wurde der BF verpflichtet, ein Rückkehrberatungsgespräch innerhalb von 2 Wochen in Anspruch zu nehmen.

12. Gegen diese Entscheidung der belangten Behörde ließ der BF durch seinen ausgewiesenen Vertreter rechtzeitig das Rechtsmittel der Beschwerde einbringen. Mit der Beschwerde wird die Zuerkennung des Status eines Asylberechtigten, in eventu die Zuerkennung des Status eines subsidiär Schutzberechtigten, in eventu die Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß § 55 AsylG wegen dauerhafter Unzulässigkeit einer Rückkehrentscheidung und jedenfalls die Durchführung einer mündlichen Beschwerdeverhandlung beantragt.

13. Das Bundesverwaltungsgericht führte am 27.03.2019 eine mündliche Beschwerdeverhandlung durch und verkündete das Erkenntnis in Anwesenheit der Partei.

Der im Beschwerdeakt ausgewiesene, vom BF bevollmächtigte und zur Verhandlung ordnungsgemäß geladene rechtsfreundliche Vertreter entschuldigte sich am Tag und unmittelbar vor Beginn der mündlichen Verhandlung telefonisch und erklärte, dass er den BF nicht mehr vertrete. Noch am 27.03.2019 langte die einvernehmliche Auflösung der Vollmacht schriftlich beim Bundesverwaltungsgericht ein.

Mit Schriftsatz vom 02.04.2019 gab der o.a. Rechtsanwalt die nunmehr vom BF wieder erteilte Vollmacht bekannt und beantragte er gleichzeitig die schriftliche Ausfertigung des am 27.03.2019 anlässlich der Beschwerdeverhandlung mündlich verkündeten Erkenntnisses. Mit weiterem Schriftsatz vom 06.05.2019 wurde die Vollmacht wieder gekündigt.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

Beweis wurde erhoben durch:

* Durchführung einer öffentlichen mündlichen Beschwerdeverhandlung am 27.03.2019, wobei der BF im Beisein eines Dolmetschers in der Sprache Urdu persönlich einvernommen wurde.

* Einsichtnahme in den erstinstanzlichen Verwaltungsakt unter besonderer Berücksichtigung der Angaben des BF vor dem BFA und den Beschwerdeausführungen sowie Prüfung der vorgelegten Unterlagen

* Einsichtnahme in die vom Beschwerdeführer im erstinstanzlichen Verfahren vorgelegte Bestätigung der Ahmadiyya-Muslim-Jammaat-Gemeinschaft Österreich vom 02.06.2014 (AS 169) sowie in die Anfragebeantwortung der Staatendokumentation zur Situation der in Pakistan lebenden, religiösen Gruppe der "Ahmadis".

* Einsichtnahme in die vom Beschwerdeführer nach der mündlichen Beschwerdeverhandlung am 23.03.2016 vorgelegte pakistanische Geburtsurkunde im Original samt englischer Übersetzung (OZ 20) und Berücksichtigung der weiteren, von seinem rechtsfreundlichen Vertreter abgegebenen schriftlichen Stellungnahmen und Urkundenvorlage (OZ 21, OZ 22 und OZ 31)

1. Feststellungen

1.1. Beim Beschwerdeführer handelt es sich um einen pakistanischen Staatsangehörigen welcher die Landessprachen Urdu und Punjabi beherrscht und sich zum Glauben der Ahmadiya bekennt. Seine Identität steht nicht fest. Er ist ledig und hat keine Kinder. Von seinen Familienangehörigen leben seine Eltern noch in Pakistan, sie sind ca. 55 (Mutter) bzw. 60 Jahre (Vater) alt und gesund. Seine Geschwister (2 Brüder, 3 Schwestern) haben Pakistan verlassen, nachdem der BF ausgereist ist. Eine Schwester und ein Bruder sind jeweils mit ihren Familien nach Malaysien ausgereist, eine Schwester lebt mit ihrer Familie in Kenia und ein Bruder ist nach Japan verzogen. Eine weitere Schwester lebt in England. Die Eltern leben in XXXX von den Erträgen durch den Verkauf eines Grundstückes und eines Geschäftes. Nach Aussage des BF wurden bei seinen Eltern weder Hausdurchsuchungen durchgeführt noch haben sie sonst Probleme mit der örtlichen Polizei (VS S 9).

1.2. Bereits aufgrund seines Erstantrages wurde mit Erkenntnis vom 09.12.2013, Zl. E10 433888-1/2013 rechtskräftig entschieden, dass der Beschwerdeführer in Pakistan keine asylrelevante Verfolgung zu befürchten hat und dorthin zurückkehren kann. Das nunmehrige Vorbringen, dass sich die Lage in Pakistan seither zu seinem Nachteil verändert hätte und nach seiner Ausreise auch seine Geschwister ausgereist wären, lässt noch nicht auf eine maßgebliche Gefahr einer asylrelevanten Verfolgung schließen. Es konnte somit nicht festgestellt werden, dass der Beschwerdeführer in Pakistan einer Verfolgung aus Gründen der Genfer Flüchtlingskonvention ausgesetzt war oder aus asylrelevanten Gründen nicht nach Pakistan zurückkehren kann.

Der BF ist gesund und leidet an keinen Krankheiten und ist überdies arbeitsfähig. Es sind keine Anhaltspunkte hervorgekommen, die eine Rückkehr des BF nach Pakistan als unzulässig erscheinen ließen. Vor allem ist die Grundversorgung in Pakistan gesichert und hat der BF auch familiäre Anknüpfungspunkte in seiner Heimat. Im Übrigen könnte er Rückkehrhilfe durch IOM in Anspruch nehmen.

IOM bietet im Rahmen ihres Programmes Assisted Voluntary Return & Reintegration (AVRR) die folgenden Leistungen an (Laufzeit von einem Jahr; entsprechendes Monitoring inkludiert): Betreuung bei Ankunft am Flughafen (Islamabad, Lahore); Unterbringung bis zur Fahrt nach Hause; Berufs- bzw. Bildungsberatung und in der Folge entsprechende Unterstützung; medizinische Hilfeleistungen; besondere Unterstützungsleistungen für vulnerable Personengruppen (alleinstehende Frauen, minderjährige Kinder) (ÖB 10.2018; vgl. IOM o.D.). IOM führt in seinem Länderinformationsblatt für Pakistan mit Bezug auf pakistanische Rückkehrer an, dass diese bei der Arbeitssuche auch Unterstützung durch das Tameer-e-Pakistan Programm - einer Armutsbekämpfungsmaßnahme mit Ziel Arbeitsplätze im Land und Einkommensquellen für Armutsbevölkerung zu schaffen - erhalten können (IOM 2018).

Für den Fall dass der BF nicht in seine Herkunftsregion zurückkehren kann, ist er auf die Inanspruchnahme einer innerstaatlichen Fluchtalternative in XXXX zu verweisen, wo seine Eltern leben. Der BF ist im Fall der Rückkehr mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit weder am Leben noch an seiner körperlichen Integrität noch sonst in seiner ökonomischen oder sozialen Existenz bedroht.

Gründe für die Erteilung einer Aufenthaltsberechtigung aus berücksichtigungswürdigen Gründen haben sich nicht ergeben. Der Beschwerdeführer hat sich in Österreich nicht integriert, spricht kaum Deutsch und hat keine familiären oder sonstigen Beziehungen. Seine Eltern leben in Pakistan. Der Umstand, dass der BF in Österreich als Verteiler von Zeitungen und Drucksorten arbeitet und daraus seit Mitte 2018 ein Einkommen lukriert, so dass er über die nötigen Mittel zu seinem Unterhalt aus eigenem verfügt, ist nicht ausreichend, um gegenwärtig von einer Integration sprechen zu können, die es erfordern würde, seine privaten Interessen schon höher zu bewerten als die öffentlichen Interessen an der Hintanhaltung von Migration, die durch Umgehung der Einreise- und Aufenthaltsbestimmungen stattfindet. Er lebt mit pakistanischen Landsleuten in einer Wohngemeinschaft und er führt weder eine Partnerschaft (Lebensgemeinschaft) noch pflegt er sonst nennenswerte Beziehungen zu Österreichern.

Es überwiegen daher die öffentlichen Interessen an der Einhaltung der fremden - und aufenthaltsrechtlichen Vorschriften die privaten Interessen des Beschwerdeführers an einem weiteren Verbleib hier in Österreich. Die aufgrund der Rückkehrentscheidung stattfindende Einschränkung seiner Rechte auf Führung eines Privat - und Familienlebens ist gerechtfertigt und notwendig.

1.3. Feststellungen zum Herkunftsland Pakistan:

Länderinformationsblatt der Staatendokumentation vom 21.06.2018 mit letzter Kurzinformation, eingefügt am 31.07.2018.

Religionsfreiheit

Laut Volkszählung 2017 sind 96,28 % der ca. 207 Millionen Einwohner Pakistans muslimisch [vgl. CIA 14.3.2018: 96,4 %; USDOS 15.8.2017: 95 %], 1,59 % Christen, 1,6 % Hindus, 0,22 % Ahmadi, 0,25 % gelistete Kasten ("scheduled castes") und 0,07 % gehören einer anderen Religion an (PBS 2017b). CIA World Factbook gibt an, dass von den Muslimen ca. 85-90 % Sunniten und 10-15 % Schiiten sind (CIA 14.3.2018) und USDOS geht anhand der Volkszählung 1998 davon aus, dass 75 % der muslimischen Bevölkerung offiziell als Sunniten und 25 % als Schiiten geführt werden. Weitere Religionsgemeinschaften sind Hindus, Christen, Zoroastrier, Bahais, Sikhs, Buddhisten, Ahmadis und kleinere Gruppen wie Kalasha, Kihal und Jainisten. Minderheitenvertreter schätzen die Zahl der religiösen Minderheiten auf 6-10 Millionen Anhänger (USDOS 15.8.2017).

Artikel 227 der Verfassung besagt, dass alle Gesetze mit den Regeln des Islams konform sein müssen, wobei der Artikel auch Schutz der Rechte von Nicht-Muslimen vorsieht (Pakistan Constitution 1973, 2016; vgl. USDOS 15.8.2017). Die Verfassung verbietet Diskriminierung in religiösen Bereichen (USDOS 15.8.2017). Die Praktiken der Regierung und einige Gesetze schränken für religiöse Minderheiten die Religionsfreiheit ein (USDOS 20.4.2018). Vertreter der Minderheiten brachten vor, dass die Regierung bei der Sicherung der Rechte der Minderheiten auf Bundes- und Provinzebene inkonsequent war und dass die Maßnahmen der Regierung zur Unterbindung von Zwangskonvertierungen religiöser Minderheiten zum Islam unzureichend seien. Vertreter religiöser Minderheiten erklären, dass das neue Gesetz der Provinzversammlung von Sindh gegen Zwangskonvertierungen, das im November 2016 beschlossen wurde, Zwangskonvertierungen unterbindet und Minderjährige, die religiösen Minderheiten angehören, besser schützen könne. (USDOS 15.8.2017).

Die Lage der religiösen Minderheiten - vor allem Christen und Hindus - sowie der Ahmadis, die vom pakistanischen Staat nicht als Muslime anerkannt werden, ist weiterhin schwierig. Viele leben in Zwangsarbeit und Schuldknechtschaft. Eine Bedrohung geht von militanten Organisationen vor allem gegen Schiiten, Ahmadis und Christen, aber auch gegen gemäßigte Sunniten aus (AA 10.2017a). Religiöse Minderheiten sowie sunnitische Muslime und Sufis, die sich gegen die Terrorgruppen oder deren Ansichten stellen, stehen neben Sicherheitskräften besonders im Fokus terroristischer Gruppen, insbesondere der pakistanischen Taliban und der Lashkar-e-Jhangvi. 2016 waren die Minderheiten von zahlreichen Anschlägen mit Todesopfern betroffen (USCIRF 4.2017). Gezielte Tötungen von Minderheitenangehörigen betreffen vor allem lokal bekannte Personen, die z.B. einflussreiche Positionen in ihrer Gemeinschaft haben, oder angesehene Berufe, wie Ärzte und Rechtsanwälte (BAA 6.2013; vgl. auch: BFA 9.2015).

Im Jahr 2017 wurden in Pakistan 16 Fälle von Gewalt gegen religiöse Minderheiten berichtet, was im Vergleich zum Jahr 2016 (35 Fälle) ein Rückgang um mehr als die Hälfte ist. 231 Personen kamen bei diesen Angriffen im Jahr 2017 ums Leben, dies ist ein Anstieg im Vergleich zum Jahr 2016 (137 Tote) um fast 70 %. (SATP 18.2.2018). Laut PIPS wurden im Jahr 2017 bei sechs Terroranschlägen insgesamt 13 Angehörige von religiösen Minderheiten getötet und 57 verletzt (PIPS 1.2018 S 68), im Jahr 2016 wurden bei fünf Terroranschlägen insgesamt 82 Angehörige von Minderheiten getötet und 236 verletzt (PIPS 1.2017). [Anmerkung: Diese Zahlen beziehen sich in beiden Quellen auf nicht-muslimische Minderheiten und Ahmadis.]

Besonderes Angriffsziel radikal-sunnitischer Gruppen waren in den vergangenen Jahren die schiitischen Hazara-Gemeinden in Belutschistan. Die christliche Gemeinschaft ist von sozialer und gesellschaftlicher Diskriminierung betroffen und immer wieder Opfer von Anschlägen (AA 10.2017a). Es gibt auch Berichte über Angriffe auf religiöse Plätze, Friedhöfe und religiöse Symbole der religiösen Minderheiten, die nicht von der Polizei unterbunden werden können (USDOS 15.8.2017). NGOs kritisieren die Behörden, dass die Polizei Angriffe auf Mitglieder der religiösen Minderheiten nicht erfolgreich verhindert bzw. erfolglos bei der Verhaftung der Täter ist. Es gibt allerdings Verbesserungen in der Professionalität der Polizei und Beispiele, wo lokale Behörden Minderheitenangehörige vor Diskriminierung und kommunaler Gewalt schützten (USDOS 20.4.2018).

Die umstrittene Blasphemiegesetzgebung, die ursprünglich unter der britischen Kolonialherrschaft zum Schutz der Religionsfreiheit eingeführt wurde, aber seit der Regierungszeit von General Zia-ul Haq in den 1980er-Jahren strenger ausgelegt wird, sieht u.a. für Gotteslästerung die Todesstrafe vor. Außerdem richten sich einige ihrer Paragrafen spezifisch gegen die Ahmadis (AA 10.2017a). Vertreter der Ahmadis sind besorgt über das Vorgehen der Behörden gegen Ahmadis aufgrund der Blasphemie- und anderer widersprüchlicher, diskriminierender Gesetze (USDOS 15.8.2017). Auch die Gerichte versagen oft beim Schutz der Minderheitenrechte. Die Blasphemiegesetze werden diskriminierend gegen Christen, Ahmadis, Schiiten und andere Mitglieder religiöser Minderheiten angewendet (USDOS 20.4.2018). Rechtsbeobachter meinen allerdings auch, dass die Behörden einige Schritte unternommen hätten, um einige Personen vor unbegründeten Anschuldigungen der Blasphemie zu schützen, jedoch halten die unteren Gerichte grundlegende Beweismittelstandards in Blasphemieklagen nicht ein (USDOS 15.8.2017).

Per Gesetz ist es Madrassen verboten, interkonfessionellen oder interreligiösen Hass oder Gewalt zu propagieren. Es wurde gesetzlich vorgeschrieben, dass sich Madrassen in einem von fünf Verbänden oder direkt bei der Regierung registrieren lassen und ihre Finanzierung nachweisen müssen. Anführer der Zivilgesellschaft sagen, dass die Lehre religiöser Intoleranz weiterhin weit verbreitet ist. Obwohl mehrere Gruppen Empfehlungen zur Abschaffung diskriminierender Inhalte abgaben, zeigt die Bundesregierung keine Initiative, diese zu unterstützen. Es gab Berichte, dass einzelne Madrassen Gewalt oder Extremismus lehren (USDOS 15.8.2017). Bei der FFM 2013 führte ein Minderheitenvertreter aus, es gäbe eine "Infrastruktur" von Hass und Gewalt, Organisationen, die Hass verbreiten, Institutionen, die sie schützen sowie Interessenvertretungen, die sich einen ökonomischen Vorteil aus der Diskriminierung von Minderheiten erwarten (BAA 6.2013). Der nationale Aktionsplan gegen Terror sieht auch explizit die Bekämpfung von Hassreden vor und einige Fälle wurden strafrechtlich verfolgt. Auch wurde die Bewegungs- und Redefreiheit von Klerikern eingeschränkt, denen vorgeworfen wird, religiösen Hass zu verbreiten (USDOS 15.8.2017).

Im Juni 2014 hat der Oberste Gerichtshof ein wichtiges Urteil als Reaktion auf den Anschlag auf die Allerheiligenkirche in der pakistanischen Großstadt Peschawar gefällt. Dieses Urteil forderte nicht nur von der Regierung, die Opfer des Anschlags zu entschädigen, sondern ordnete auch an, dass die Bundes- und Provinzregierungen Institutionen schaffen müssen, um die Durchsetzung von Gesetzen zum Schutz der Minderheiten zu überwachen, und dass ein Nationalrat für Minderheiten gegründet werden muss. Als Antwort auf die zunehmende Gewalt gegen Hindus im Sindh fördert die Provinzregierung die Sicherheit an religiösen Orten der Minderheiten. Der Fortschritt ist allerdings langsam und eine effektive Reaktion fehlt (MRGI 2.7.2015).

Laut Vertretern der Minderheitsreligionsgemeinschaften hindert die Regierung organisierte religiöse Gruppen prinzipiell nicht daran, Gebetsstätten zu errichten und ihre Geistlichen auszubilden. Es gibt keine offiziellen Einschränkungen zur Errichtung von Glaubensstätten der Ahmadis, jedoch verweigern lokale Behörden regelmäßig notwendige Baubewilligungen und Ahmadis dürfen ihre Gebetsstätten nicht als "Moschee" bezeichnen. Die Religionszugehörigkeit wird in Pässen angegeben und bei einem Antrag auf eine Identitätskarte wird danach gefragt (USDOS 15.8.2017).

Die meisten Minderheitengruppen berichteten von Diskriminierungen bei Anstellungen in der Regierung und bei der Aufnahme an Hochschulen. Im staatlichen Bereich gilt auf nationaler Ebene eine 5-Prozent-Quote für Minderheiten. Diese wird allerdings nach Aussage von Minderheitenvertretern nicht durchgesetzt (USDOS 15.8.2017). Vertreter religiöser Minderheiten berichten von einer "Gläsernen Decke", die verhindert, dass Nicht-Muslime in höhere Positionen im öffentlichen Dienst befördert würden. Auch im Militärdienst gibt es zwar keine offiziellen Hinderungsgründe, jedoch würden Angehörige von religiösen Minderheiten nur selten in Dienstgrade höher als Colonel [Oberst] aufsteigen (USDOS 15.8.2017). Die Diskriminierungen gehen allerdings nicht in die Richtung einer tatsächlichen Abgrenzung. Im Alltag ist die Kommunikation relativ unproblematisch zwischen den Religionen, dies bestätigten alle Interviewpartner bei der FFM 2013. Man heiratet häufig untereinander, versteht sich, lebt friedlich. Aber die Situation ist labil. Wenn sich ein Vorfall ereignet und jemand die Leute aufhetzt, kann es zu Ausschreitungen kommen. Das Land hat außerdem auch positive Veränderungen im Bereich religiöse Toleranz gesehen. Es ist heute möglich, vieles zu diskutieren. Es gibt unterschiedliche Organisationen in Pakistan, die für Toleranz und Zusammenarbeit zwischen den Religionen arbeiten. Durch die Zusammenarbeit zwischen den religiösen Führern unterschiedlicher Religionen finden Minderheitenangelegenheiten Gehör (BAA 6.2013).

Das Ministerium für religiöse Angelegenheiten und interkonfessionelle Harmonie organisiert die Teilnahme an der Hajj und anderen islamischen Pilgerfahrten. Das Budget des Ministeriums deckt auch finanzielle Hilfen für autochthone Minderheiten ab; darunter die Renovierung von Glaubensstätten, kleine Entwicklungsprojekte, Stipendien und die Durchführung religiöser Feiertage (USDOS 15.8.2017). Im Rahmen der Umsetzung der 18. Verfassungsänderung wurden in allen Provinzen Ministerien zur Wahrung der Rechte der Minderheiten eingerichtet (AA 20.10.2017).

Im Februar 2016 wurde von der Regierung ein Menschenrechts-Aktionsplan mit 16 Punkten mit Rahmenbedingungen für verbesserten Schutz u.A. von Minderheiten angekündigt, jedoch gab es im Frühjahr noch keine konkreten Hinweise auf eine Umsetzung. Im Februar 2017 wurde vom Parlament ein Zusatz zum Strafrecht beschlossen, der die Verbreitung von religiösem, sektiererischen oder ethnischen Hass mittels technischer Hilfsmittel strafbar macht. Jedoch befürchten religiöse Minderheitengemeinschaften, dass dieses Gesetz auch angewendet werden könnte, die Religionsausübung einzuschränken und die Zahl der Verhaftungen und falschen Anschuldigungen wegen Blasphemie zu erhöhen (USCIRF 4.2017).

Von den 342 Sitzen im Parlament sind zehn für Angehörige der religiösen Minderheiten reserviert. Im Senat sind vier der 104 Sitze für religiöse Minderheiten reserviert - je einer für jede Provinz. Reservierte Sitze für religiöse Minderheiten bestehen auch in den Provinzversammlungen; drei in Khyber Pakhtunkhwa, acht im Punjab, neun im Sindh und drei in Belutschistan. Die gewählten Parteien und nicht die Minderheitenversammlungen bestimmen die Minderheitenvertreter (USDOS 15.8.2017). In den lokalen Regierungen ist ein Minimum von einem Sitz pro Zila (Distrikt) und pro Tehsil (~Bezirk) vorgesehen, in Belutschistan mindestens zwei (BFA 10.2014).

Quellen:

- AA - Auswärtiges Amt der Bundesrepublik Deutschland (10.2017a): Pakistan - Innenpolitik, http://www.auswaertiges-amt.de/DE/Aussenpolitik/Laender/Laenderinfos/Pakistan/Innenpolitik_node.html, Zugriff 13.3.2018

- AA - Auswärtiges Amt der Bundesrepublik Deutschland (20.10.2017): Bericht über die asyl- und abschieberelevante Lage in der Islamischen Republik PAKISTAN.

- BAA - Bundesasylamt (6.2013): Bericht zur Fact Finding Mission Pakistan vom 8-16.3.2013 mit den Schwerpunkten Sicherheitslage, Religiöse Minderheiten Landrechte Medizinische und soziale Versorgung, Afghanische Flüchtlinge.

- BFA - Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (9.2015): Fact Finding Mission Report Pakistan, http://www.bfa.bmi.intra.gv.at/board/staatendokumentation/Freigegebene%20Dokumente/Pakistan/FFM-Berichte/PAKI_FFM%20Report_2015_09.pdf, Zugriff 17.11.2016

- CIA - Central Intelligence Agency (14.3.2018): World Factbook, https://www.cia.gov/library/publications/the-world-factbook/geos/pk.html, Zugriff 18.3.2018

- MRGI - Minority Rights Group International (2.7.2015): State of the World's Minorities and Indigenous Peoples 2015 - Pakistan, http://www.refworld.org/docid/55a4fa494.html, Zugriff 15.3.2018

- Pakistan Constitution (1973, amend. 2016): Constitution of the Islamic Republic of Pakistan (1973) As Amended by The Constitution Twenty Second Amendment Act, 2016 Article: 227 Provisions relating to the Holy Quran and Sunnah, https://pakistanconstitutionlaw.com/article-227-provisions-relating-to-the-holy-quran-and-sunnah/, Zugriff 14.3.2018

- PBS - Pakistan Bureau of Statistics (2017b): POPULATION BY RELIGION, http://www.pbs.gov.pk/sites/default/files//tables/POPULATION%20BY%20RELIGION.pdf, Zugriff 14.5.2018

- PIPS - Pakistan Institute for Peace Studies (1.2018): PIPS Research Journal - Conflict & Peace Studies, Vol.10, No.1, Special Report 2017 - Pakistan Security Report.

- SATP - South Asian Terrorism Portal (18.2.2018): Sectarian Violence in Pakistan: 1989-2018, http://www.satp.org/satporgtp/countries/pakistan/database/sect-killing.htm, Zugriff 14.3.2018

- USCIRF - United States Commission on International Religious Freedom (4.2017): 2017 Annual Report, http://www.uscirf.gov/sites/default/files/2017.USCIRFAnnualReport.pdf, Zugriff 14.3.2018

- USDOS - US Department of State (15.8.2017): 2016 International Religious Freedom Report - Pakistan, 2016 Report on International Religious Freedom - Pakistan, Zugriff 13.3.2018

- USDOS - US Department of State (20.4.2018): Country Reports on Human Rights Practices for 2017 - Pakistan, https://www.state.gov/documents/organization/277535.pdf, Zugriff 23.4.2018

Die islamische Religionsgemeinschaft der Ahmadiya wird von muslimischen Geistlichen in Pakistan nicht als muslimisch anerkannt. Durch Änderung der Verfassung im Jahre 1974 wurde diese Lehrmeinung Verfassungsgrundsatz (AA 20.10.2017).

Die Anzahl der in Pakistan lebenden Mitglieder der Ahmadiya Muslim Community wird auf zwischen 400.000 bzw. zwei bis vier Millionen geschätzt. Die Divergenz dieser Werte wird damit begründet, dass die meisten Ahmadis eine Registrierung als Nicht-Muslime ablehnen (UKHO 5.2016).

Ahmadis sind über ganz Pakistan verteilt. Hauptsiedlungsräume der Ahmadis in Pakistan, abgesehen von XXXX sind Sialkot, Quetta, Multan, Rawalpindi, Karatschi, Lahore und Faisalabad, sowie weiters auch Khewra, Sarghoda, Bhalwal, Shahpur, Gujaranwala.

Das Zentrum der Ahmadis in Pakistan liegt in Chenab Nagar, dem vormaligen XXXX . Mehr als 95 % - oder etwa 70.000 - der Einwohner der Stadt sind Ahmadis. In XXXX fühlen sich die Mitglieder der Gemeinschaft vor Ort relativ sicher. XXXX bietet für Ahmadis ein großes Maß an Freiheit, um ihre religiösen Aktivitäten durchführen zu können. Ahmadis aus ganz Pakistan nehmen die Stadt XXXX als "sicheren Ort" wahr, wo sie sich nicht verstecken müssen und ihre Identität kein Tabu ist. Allerdings führt diese hohe Konzentration an Ahmadis in XXXX auch zu Bedrohungen durch Gegner dieser Glaubensrichtung. Mehrmals im Jahr versammeln sich in XXXX Gegner der Gemeinschaft von außerhalb in großer Anzahl vor die Stadt, um Demonstrationen abzuhalten und Hassparolen zu skandieren, während sich die Ahmadis derweil in ihren Häusern einschließen (UKHO 5.2016).

Ahmadis sind von gezielten Angriffen, Blasphemie-Vorwürfen, der Entweihung und Zerstörung ihrer Kultstätten sowie verschiedenen Formen der sozialen Diskriminierung betroffen (UKHO 5.2016). Ahmadis unterliegen strengen gesetzlichen Einschränkungen und staatlicher Diskriminierung (USCIRF 4.2017). Ihnen wird zwar vom Gesetz der Status einer religiösen Minderheit eingeräumt (AA 20.10.2017), allerdings werden sie durch eine speziell gegen sie gerichtete Gesetzgebung diskriminiert (AA 20.10.2017; vgl. USCIRF 28.4.2016).

Obwohl sich die Ahmadis selbst als Muslime sehen (Gümüs / Ermagan 2016) führt die zweite Novellierung der Verfassung (Constitutional (Second Amendment) Act of 1974) im Artikel 260 die Ahmadis, insbesondere die Quadiani- und Lahore-Gruppen explizit als nicht-muslimische Minderheit auf (Pakistan Consitution Law 1973, 2016). Paragraf 298-C des pakistanischen Strafgesetzbuches macht es für Ahmadis, sowohl der Lahore- als auch der Quadiani-Gruppe, strafbar, sich selbst als Muslime zu bezeichnen, ihren Glauben Islam zu nennen und ihren Glauben zu bewerben oder zu missionieren, sich in irgendeiner Form als Muslime darzustellen und in irgendeiner Form die religiösen Gefühle der Muslime zu verletzen. Paragraf 298-B behandelt den Missbrauch von Titeln und Bezeichnungen, die für Heiligtümer bzw. heilige Persönlichkeiten reserviert sind. Er verbietet Ahmadis beider Denominationen unter anderem, andere Personen als die dafür im Gesetz definierten "Kalif", ihre Gebetshäuser "Moscheen (masjid)" und ihren Gebetsruf "Azan" zu nennen. Vergehen gegen die beiden Paragrafen können mit bis zu drei Jahren Haft bestraft werden (Pakistan Penal Code 1984).

Die vagen Formulierungen des Abschnitts 295-C betreffen die Mitglieder der Ahmadiya-Gemeinschaft besonders. In einigen Fällen interpretierten Richter die religiöse Überzeugung der Ahmadis als eine Form der Gotteslästerung (ICJ 11.2015). So ist es für Ahmadis auch strafbar, den traditionellen islamischen Gruß "assalaamu alaikum" zu verwenden, öffentlich den Koran zu zitieren, in Moscheen nicht-ahmadischer muslimischer Denominationen zu beten und andere Ausdrücke des muslimischen Glaubens zu zeigen (UKHO 5.2016). Gemäß Paragraf 298-C des Pakistanischen Strafgesetzbuches werden diese Vergehen mit einer Strafandrohung von maximal drei Jahren Freiheitsstrafe sanktioniert (Pakistan Penal Code 1984). Die "Anti-Ahmadi" Gesetze und die Blasphemiegesetze werden regelmäßig gegen Ahmadis aller Gesellschafts- und Altersgruppen angewandt (UKHO 5.2016).

Strafverfahren gegen Ahmadis werden in der Regel von islamistischen Gruppierungen der Khatm-e-Nabuwwat ("Siegel der Prophetenschaft") in Gang gebracht (AA 20.10.2017). Die radikalen (Splitter-)Gruppen werden mit Einschüchterungen, Drohungen und Gewalt gegen Ahmadis in Verbindung gebracht (MBZ NL 4.2017). Sie verbreiten eine extremistisch-religiöse Überzeugung, Mohammed sei der letzte Prophet und kein anderer Prophet käme jemals nach ihm. Jeder, der etwas anderes behauptet, ist in den Augen von Khatm-e-Nabuwwat ein Ketzer. Die meisten sektiererischen Parteien haben ihren eigenen Khatme-Nabuwwat-Flügel (MBZ NL 11.2014).

Ähnlich wie gegenüber Christen wird die Blasphemie-Gesetzgebung dazu benutzt, die Angehörigen dieser Minderheit aus den verschiedensten Motiven unter Druck zu setzen, die nur zum Teil einen religiösen Hintergrund haben. Oft geht es auch um Streitigkeiten zwischen Nachbarn oder Geschäftsleuten und vor allem um Auseinandersetzungen um Grundbesitz (AA 20.10.2017). Wenn die Anklage um den Vorwurf der Blasphemie erweitert wird, kann die Todesstrafe verhängt werden (UKHO 5.2016, vgl. AA 20.10.2017). Sie wurde allerdings wegen Blasphemie noch nie tatsächlich durchgeführt, wobei dennoch die Gefahr einer langen Haftstrafe besteht (UKHO 5.2016). In der Berufungsinstanz erfolgt häufig eine Abänderung des Strafvorwurfs (z. B. Entweihung des Korans, § 295b Pakistan Penal Code - PPC), sodass die für Blasphemie zwingend vorgesehene Todesstrafe in eine lebenslange Freiheitsstrafe (die auf 25 Jahre begrenzt ist) umgewandelt wird (AA 20.10.2017).

Laut Vertretern der Ahmadis wurden im Jahr 2016 14 Ahmadis in Fällen mit religiösem Bezug angeklagt, Stand Ende 2016 sind 14 Ahmadis wegen diesen Fällen inhaftiert, darunter seit 2015 ein 80-jähriger Mann aufgrund des Verkaufs von Literatur der Ahmadiya (USDOS 15.8.2017). Laut Auswärtigem Amt wurden im Jahr 2016 14 Personen wegen Blasphemie festgenommen, darunter zehn Muslime und fünf Mitglieder anderer Religionen (AA 20.10.2017). Von 2012 bis Juni 2015 wurden laut Jinnah Institute mehr als 1070 Ahmadis wegen Verstoß gegen die Anti-Ahmadi-Gesetze und 303 Ahmadis wegen Blasphemie angezeigt (Jinnah Institute 8.3.2016).

Der weitaus größte Teil der Ahmadis lebt friedlich mit den muslimischen Nachbarn zusammen; berichtet wird aber weiterhin über Fälle von Repressionen Dritter gegen Ahmadis (AA 20.10.2017). Es gibt klare Belege, dass die Gesetzgebung durch nicht-staatliche Akteure benutzt wird, um Ahmadis zu schikanieren und zu bedrohen, u.a. durch das Einreichen eines First Information Reports (FIR; entspricht einer Anzeige seitens Dritter und stellt den ersten Schritt in einem Strafverfahren dar), der auch zu Untersuchungshaft führen kann. Auch sind die Ahmadis Ziel von Angriffen durch nicht-staatliche Akteure aus den Bereichen der sunnitischen Mehrheitsbevölkerung (UKHO 5.2016). Die Diskriminierung der religiösen Minderheit der Ahmadis durch das Verhalten der sunnitischen Mehrheitsbevölkerung setzte sich 2016 fort. Vereinzelt kommen auch Maßnahmen staatlicher Stellen vor, wie z. B. die Durchsuchung des Hauptbüros der Ahmadis in Pakistan. Auch wurden Ahmadis Opfer von radikal-sunnitischem Terrorismus. So bekannte sich im März 2017 die Terrorgruppe Lashkar-e-Jhangvi zum Mord an Malik Saleem Latif, einem Ahmadi-Führer im Punjab (AA 20.10.2017).

Erhebungen von Verbrechen gegen Ahmadis sind laut Jinnah Institut wegen Selbstzensur der Medien in der Berichterstattung über Gewalttaten gegen Angehörige der Ahmadis eine Herausforderung. Das Jinnah Institut zählt für den Zeitraum zwischen 2012 und 2014 43 gezielte Angriffe gegen Mitglieder der Ahmadi-Gemeinschaft, 13 Mitglieder wurden wegen Blasphemie angezeigt, fünf Gebetsstätten und sieben Friedhöfe wurden geschändet (Jinnah Institute 8.3.2016). Am 24.5.2018 zerstörte ein ca. 600-köpfiger Mob in der Stadt Sialkot im Punjab die Minarette einer Ahmadi-Gebetsstätte. Bei dem Vorfall wurde niemand verletzt, allerdings wurde seitens der Ahmadiya-Gemeinde die Stadtverwaltung der Beihilfe des Vandalismus bezichtigt. Ein Video zeigt einen angeblichen Anführer einer größeren Partei, wie er der örtlichen Polizei und der Stadtverwaltung für die Mithilfe beim Entfernen islamischer Symbole von der Ahmadiya-Gebetsstätte dankt (Dawn 24.5.2018).

USDOS berichtet von drei Todesopfern durch gezielte Angriffe auf Ahmadis im Jahr 2017 (USDOS 20.4.2018); PIPS berichtet von vier Todesopfern durch gezielte Angriffe auf Ahmadis im Jahr 2017 im Punjab (PIPS 1.2018). Die Polizei ist ineffektiv beim Schutz vor bzw. beim Ermitteln in Fällen von Gewalt gegen Ahmadis und nur wenige Fälle von Gewalt gegen Ahmadis wurden [im Zeitraum 2013-1/2016] verfolgt (IRB 13.1.2016).

Gesellschaftliche Diskriminierung und Anti-Ahmadi Propaganda sind weit verbreitet. Der Einsatz von Hassreden gegen Ahmadis wird von den Medien oftmals unkritisch behandelt. Gegen Ahmadi-Geschäftsleute aller gesellschaftlichen Klassen erfolgen auch Kampagnen zum wirtschaftlichen Ausschluss bis hin zu Morddrohungen (UKHO 5.2016).

Laut Minderheitenvertretern erlaubt die Regierung religiösen Gruppen, Glaubensstätten einzurichten und religiöses Personal auszubilden. Auch bei Ahmadis gibt es keine offiziellen Einschränkungen im Bau von Glaubens- und Kultstätten, jedoch verweigern lokale Behörden regelmäßig notwendige Baubewilligungen (USDOS 15.8.2017).

Die scheckkartenartige "Computerized National Identity Card" (CNIC) identifiziert dessen Besitzer nicht als Ahmadi, da diese Information nicht auf der Karte angegeben ist. Um eine CNIC zu erhalten, ist die eigene Religion bei der NADRA (National Database and Registration Authority) anzugeben. Bei der Beantragung einer National Identity Card müssen alle Personen, die sich als Muslime verzeichnen lassen wollen, eine Deklaration unterschreiben, in der sie den Propheten der Ahmadis verurteilen (UKHO 5.2016), und erklären, dass der Begründer des Glaubens der Ahmadis ein falscher Prophet sowie dessen Anhänger keine Muslime sind. Im Reisepass wird als Religionszugehörigkeit "Ahmadi" angegeben, wenn der Antragsteller sich als solcher deklariert (USDOS 15.8.2017). Bezüglich der Registrierung der Religionszugehörigkeit am Pass berichtete USCIRF für das Jahr 2012, dass es Personen gab, die sich weigerten, die Klausel mit den religiösen Beteuerungen für die Passausstellung zu unterzeichnen und dennoch einen Pass erhielten (USCIRF 30.4.2013).

Die genannte Voraussetzung hält die Gemeinde der Ahmadis effektiv von der Beschaffung von rechtlichen Dokumenten ab und übt Druck auf sie aus, gegen ihren Glauben zu handeln um ihre Bürgerrechte, einschließlich des Wahlrechts, wahrzunehmen; bzw. wenn sie sich als Muslime deklarieren, riskieren sie rechtliche Probleme (UKHO 5.2016, vgl. USDOS 20.4.2018). Laut Berichten von Vertretern der Ahmadi kam es auch zu physischen Einschüchterungen beim Versuch der Stimmabgabe (USDOS 15.8.2017). Als einzige religiöse Minderheit werden Ahmadiyya-Angehörige auf einer gesonderten Wählerliste geführt (AA 20.10.2017). Ahmadis sind derzeit nicht im Parlament vertreten, weil sie sich selbst als Muslime verstehen und deshalb nicht für die Listenplätze der Parteien für nichtmuslimische Minderheiten kandidieren (AA 20.10.2017).

Der Anlass der etwa dreiwöchigen Blockade des Autobahnknotens Fayzabad Interchange in Islamabad im November 2017 [vgl. Abschnitte 2 und 3.9] war die Novelle des Wahlgesetzes. Nach Meinung der Demonstranten wurde der Khatm-i-Nabuwwat-Eid verändert (Dawn 28.11.2017). So wäre es Ahmadis etwas erleichtert worden, aktiv und passiv an Wahlen teilzunehmen (Nation 19.11.2017). Die Änderung am Eid wurde durch einen Parlamentsbeschluss rückgängig gemacht, dennoch wurden die Proteste fortgesetzt und der Rücktritt des Justizministers erwirkt (Dawn 28.11.2017).

Die Ahmadiya-Gemeinde verfügt über finanzielle Mittel, z. B. für rechtlichen Schutz (BAA 6.2013).

Quellen:

- AA - Auswärtiges Amt Deutschland (20.10.2017): Bericht über die asyl- und abschieberelevante Lage in der Islamischen Republik PAKISTAN.

- BAA - Bundesasylamt (6.2013): Bericht zur Fact Finding Mission Pakistan vom 8-16.3.2013 mit den Schwerpunkten Sicherheitslage, Religiöse Minderheiten Landrechte Medizinische und soziale Versorgung, Afghanische Flüchtlinge.

- BFA - Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl, Staatendokumentation (10.2014): Pakistan - Challenges & Perspectives.

- Dawn (28.11.2017): An overview of the crisis that forced the government to capitulate, https://www.dawn.com/news/1373200/an-overview-of-the-crisis-that-forced-the-government-to-capitulate, Zugriff 26.4.2018

- Dawn (24.5.2018): Historic building demolished, Ahmadiyya place of worship vandalised in Sialkot, https://www.dawn.com/news/1409714, Zugriff 4.6.2018

- Gümüs, Burak / Ermagan, Ismail (2016): Pakistan. In Gieler, Wolfgang (Hg.) (2016): Der Nahe und Mittlere Osten - Staaten und Organisationen. Ein Lexikon. Frankfurt am Main. Peter Lang GmbH.

- HRCP - Human Rights Commission of Pakistan (4.2018): State of Human Rights in 2017, http://hrcp-web.org/publication/wp-content/uploads/2018/04/State-of-Human-Rights-in-2017.pdf, Zugriff 20.4.2018

- ICJ - International Commission of Jurists (11.2015): On Trial: The Implementation of Pakistan's Blasphemy Laws, http://icj.wpengine.netdna-cdn.com/wp-content/uploads/2015/12/Pakistan-On-Trial-Blasphemy-Laws-Publications-Thematic-Reports-2015-ENG.pdf, Zugriff 21.3.2018

- IRB - Immigration and Refugee Board of Canada (13.1.2016): Pakistan: Situation of Ahmadis, including treatment by society and authorities; legal status and rights with regards to political participation, education, and employment (2013-January 2016) [PAK105369.E], https://www.ecoi.net/en/document/1200125.html, Zugriff 21.3.2018

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- MBZ NL - Ministerie van Buitenlandse Zaken / Außenministerium der Niederlande (4.2017): Thematisch ambtsbericht over de positie van ahmadi's en christenen in Pakistan 2014-2016, https://www.rijksoverheid.nl/binaries/rijksoverheid/documenten/ambtsberichten/2017/04/24/thematisch-ambtsbericht-over-de-positie-van-ahmadis-en-christenen-in-pakistan-2014-2016/definitief+thematisch+ambtsberichten+religieuze+minderheden+Pakistan.pdf, Zugriff 14.5.2018

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2. Beweiswürdigung:

2.1. Die Identität des BF ist nicht nachgewiesen, zumal er keinerlei Identitätsdokumente im Verfahren vorgelegt hat. Aufgrund der Angaben, seiner Sprache und der Landeskenntnis ist von einer pakistanischen Staatsangehörigkeit auszugehen. Die Angaben zu seinen privaten und wirtschaftlichen Verhältnissen sowie seinen Familienverhältnissen sind weitgehend plausibel und nachvollziehbar.

2.2. In dem aufgrund des nunmehr zweiten Antrags auf internationalen Schutz durchgeführten Ermittlungsverfahren hat der Beschwerdeführer keine asylrelevante Verfolgung oder ein das Refoulementverbot auslösendes Ereignis glaubhaft darlegen können. Seine Ausführungen erschöpfen sich in Verweisen auf die allgemeine Lage der Religionsfreiheit und der Angehörigen der Ahmadiya in Pakistan bzw auch in XXXX wo die Bevölkerung zu 95 % aus Angehörigen der Ahmadiya besteht. Auch seine Eltern sind dorthin übersiedelt und leben dort. Er hat keine Verfolgungshandlungen gegen seine Eltern durch behördliche Organe oder durch Dritte geltend gemacht, sondern lediglich auf die allgemeine Lage verwiesen. Drohungen oder Ankündigungen von Verfolgungshandlungen gegen seine Person, die sich in der Zwischenzeit ereignet hätten, wurden nicht dargelegt. Den Umstand, dass seine Geschwister aus asylrelevanten Gründen Pakistan verlassen hätten, hat der BF lediglich oberflächlich und vage erwähnt. Konkret gegen seine Geschwister geführte Verfolgungshandlungen hat er nicht ausgeführt (sh. dazu folgenden Auszug aus der Verhandlungsschrift: "RI: Was genau und was konkret hat sich für Sie persönlich verschlechtert?

P: Ein Bruder und meine Schwester sind mit ihrer Familie nach Malaysiern gegangen und haben dort Asyl beantragt. Eine Schwester hat auch Pakistan verlassen und sie ist nach Kenia gegangen und hat dort Asyl beantragt. Derzeit leben nur meine Eltern in Pakistan.

RI wiederholt die Frage.

P: Wenn meine Geschwister nicht in Pakistan leben können, dann kann ich es auch nicht. Wenn ich zurück gehe dann habe ich dieselben Probleme wie meine Geschwister.

RI: Von welchen Problemen sprechen Sie?

P: Für mich ist es nichts Neues, ich weiß genau, wenn ich in Pakistan lebe werde ich von den Mullahs und anderen Muslimen ermordet.

RI: Wie kommen Sie darauf?

P: Weil die Mullahs in Pakistan eine Propaganda machen, wenn sie Ahmadis ermorden dann gehen sie direkt in das Paradies.

RI: Wie kommen Sie darauf, haben Sie das gehört?

P: Ich habe es selber gehört.

RI: Wie, wo, wann?

P: Es war Ende 2010, es haben sich viele Mullahs versammelt und sind zu unserer Moschee gekommen. Sie wollten unsere Moschee zerstören und sie haben das auch nebenbei gesagt, wenn jemand einen von uns tötet dann kommt er in das Paradies.

RI: Dies wurde im ersten Verfahren bereits abgehandelt. Wir sprechen jetzt über neue Ereignisse, wenn es solche gibt.

P: Ich habe das im Internet nachgelesen.

RI: Wurden Sie konkret seit der letzten Entscheidung, persönlich, bedroht?

P: Ich bin hier, deswegen bekomme ich keine Drohungen.

RI: Wurde irgendjemand von Ihrer Familie, seit der letzten Entscheidung, persönlich bedroht?

P: Wie gesagt, alle meine Geschwister leben nicht mehr in Pakistan.

RI: Das war nicht die Antwort auf die Frage.

P: Sie leben seit 2 Jahren nicht mehr in Pakistan und haben deswegen keine Drohungen bekommen.")

Etwaige Verfolgungshandlungen gegen seine nach wie vor in Pakistan lebenden Eltern hat der BF überhaupt verneint (sh. VS S 9).

Der BF hat sich auch schon in früherer Zeit (2003 oder 2004) in Europa aufgehalten und laut seinen Angaben bereits in Großbritannien einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt, der - ebenso wie der Erstantrag in Österreich - abgewiesen wurde.

Der Beschwerdeführer brachte im Rahmen seiner Asylverfahren ausschließlich Probleme vor, von welchen alle Ahmadis gleichermaßen betroffen sind. Dass der Beschwerdeführer ins Blickfeld des pakistanischen Staates oder etwa islamistischer Gruppierungen geraten ist, was ihm ein Leben in Pakistan unmöglich machen würde oder er gezielt gegen seine Person gerichteten asylrelevanten Übergriffen ausgesetzt sein sollte, wurde weder vorgebracht noch konnte dies nach Durchführung der mündlichen Verhandlung erkannt werden.

2.3. Aufgrund der oa. Ausführungen ist letztlich im Rahmen einer Gesamtbetrachtung davon auszugehen, dass der BF zwar den Ahmadis angehört, jedoch keinen individuell die Asylrelevanz erreichenden, gegen ihn gerichteten Übergriffen aufgrund seiner Religionszugehörigkeit ausgesetzt war. Zur Lage der Ahmadiyya allgemein ist festzuhalten, dass sich aus den getroffenen Feststellungen zwar ergibt, dass es zu Übergriffen kommen kann, es ergibt sich hieraus jedoch auch, dass die überwiegende Zahl der Ahmadis in Pakistan unbehelligt lebt. Es ist letztlich daher im Rahmen eines Vergleichs der Anzahl der Ahmadis in Relation zu den dokumentierten Übergriffen festzuhalten, dass Übergriffe zwar möglich, aber nicht wegen der bloßen Zugehörigkeit zu dieser Glaubensgemeinschaft maßgeblich wahrscheinlich sind.

2.4. Die Feststellungen zur Situation der Ahmadis und der Rückkehrsituation in Pakistan beruhen auf den in das Verfahren eingeführten Länderberichten. Der BF bezeichnet diese Länderberichte schlichtweg als falsch und "von der Regierung gemacht". Die Länderberichte sind aber mit Quellenangaben versehen, hinreichend aktuell und stammen sowohl aus öffentlichen als auch aus privaten Quellen und sind nicht - wie vom BF behauptet "von der Regierung gemacht". Angesichts der Ausgewogenheit und Seriosität der genannten Quellen sowie der Plausibilität der weitestgehend übereinstimmenden Inhalte besteht für das Bundesverwaltungsgericht kein Grund, an der Richtigkeit der Länderberichte zu zweifeln.

Selbst wenn der BF glaubhaft gemacht hätte, in seiner Heimatregion relevanten Verfolgungen ausgesetzt zu sein, wäre er auf die Inanspruchnahme einer innerstaatlichen Fluchtalternative zu verweisen. Die Frage der Zumutbarkeit ergibt sich aus seinen persönlichen Angaben in der Beschwerdeverhandlung. Für die Annahme, dass es nicht möglich sei, als Angehöriger der Ahmadyyia seinen Wohnsitz in einem anderen Teil Pakistans zu nehmen und einer örtlich begrenzten Bedrohung durch Private zu entgehen, finden sich nicht genügend Anhaltspunkte in den Länderberichten. Das Bundesverwaltungsgericht folgt den Ausführungen des Auswärtigen Amtes in Deutschland, wo es heißt, Ahmadis bietet ein Umzug nach XXXX , ihrem religiösen Zentrum, einen erheblichen Schutz vor Repressionen, weil sie dort weitgehend unter sich sind, auch wenn sie dort für ihre Gegner sichtbar sind. Auch besteht die Möglichkeit, in den Schutz der größeren Städte zu fliehen, falls es sich nicht um Personen handelt, die bereits überregional bekannt geworden sind. Dies wird auch von Vertretern unabhängiger pakistanischer Menschenrechtsorganisationen als Ausweichmöglichkeit gesehen (AA 20.10.2017).

2.5. Im gegenständlichen Fall wurde daher weder eine Verfolgung aus Gründen der Genfer Flüchtlingskonvention noch eine Gefährdung im Lichte der Europäischen Menschenrechtskonvention für den Fall der Rückkehr glaubhaft gemacht.

3. Rechtliche Beurteilung:

Gemäß § 6 BVwGG entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist.

Gegenständlich liegt somit Einzelrichterzuständigkeit vor.

Das Verfahren der Verwaltungsgerichte mit Ausnahme des Bundesfinanzgerichtes ist durch das VwGVG, BGBl. I Nr. 33/2013, geregelt (§ 1 leg.cit.). Gemäß § 58 Abs. 2 VwGVG bleiben entgegenstehende Bestimmun

Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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