Entscheidungsdatum
16.03.2020Norm
AsylG 2005 §3Spruch
W278 2188262-1/9E
Schriftliche Ausfertigung des am 08.01.2020 mündlich verkündeten Erkenntnisses:
IM NAMEN DER REPUBLIK!
Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Mag. HABITZL über die Beschwerde des XXXX , geb. XXXX , alias XXXX , geb. XXXX , StA. Jemen, vertreten durch den MigrantInnenverein St. Marx, gegen Spruchpunkt I. des Bescheides des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom XXXX , Zl. XXXX zu Recht erkannt:
A) Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
B) Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG, nicht zulässig.
Text
ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:
1. Verfahrensgang:
Der Beschwerdeführer (infolge BF), ein männlicher Staatsangehöriger des Jemen, reiste unrechtmäßig und schlepperunterstützt nach Österreich ein und stellte am 05.10.2015 einen Antrag auf internationalen Schutz.
Am 06.11.2015 fand vor Organen des öffentlichen Sicherheitsdienstes die Erstbefragung des BF im Beisein eines Dolmetschers für die arabische Sprache statt. Dabei gab er hinsichtlich seines Fluchtgrundes an, dass im Jemen seit ca. 1 Jahr Bürgerkrieg herrsche und es eine militärische Miliz, die "Hushis", gäbe, die seine Stadt besetze. Sie hätten gegen die Miliz kämpfen müssen. Da er sich dem Kampf nicht anschließen habe wollen, sei er geflohen. Das Leben sei dadurch unmöglich geworden. Viele Häuser seien zerstört worden und Menschen gestorben.
Am 28.03.2017 erfolgte im Beisein eines Dolmetschers für die Sprache Arabisch die niederschriftliche Einvernahme des BF vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (infolge BFA). Dabei gab er im Wesentlichen an, er sei von einer Gang namens "Alhotein" gefragt worden, ob er mitkämpfen wolle. Als er nein gesagt habe, hätten sie gedacht er sei ein Spion, weil er in Saudi-Arabien aufgewachsen sei und aufgrund dessen einen saudi-arabischen Dialekt habe. Er sei 15 Tage von ihnen festgehalten worden. Sie hätten ihn geschlagen und mit Zigaretten verbrannt, jedoch schließlich erkannt, dass er kein Spion sei, weil er ihnen nichts habe sagen können. Daraufhin hätten sie gesagt, wenn er kein Spion sei, solle er für sie kämpfen. Weil er das nicht gewollt habe, habe sein Vater eine Ablöse für seine Freilassung bezahlt, weshalb sie ihn gehen ließen. Sein Vater habe anschließend seine Flucht organisiert und er sei an jenem Abend noch geflüchtet. Die Gang sei jedoch einmal bei seiner Familie aufgetaucht und habe nach ihm gefragt. Sie hätten zu seinem Vater gesagt, er habe 2 Wochen Zeit um ihn (Anm.: den BF) auszuliefern, oder sie würden alle seine Töchter mitnehmen. Daraufhin habe sich die Familie in einem Dorf in den Bergen versteckt.
Mit gegenständlichem Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 15.02.2018 wurde der Antrag des BF auf internationalen Schutz gemäß § 3 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z. 13 AsylG 2005 bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten (Spruchpunkt I.) abgewiesen, ihm gemäß § 8 Abs. 1 AsylG der Status der subsidiär Schutzberechtigten zuerkannt (Spruchpunkt II.) und eine befristete Aufenthaltsberechtigung gemäß § 8 Abs. 4 AsylG bis zum 15.02.2019 erteilt (Spruchpunkt III.).
Bescheidbegründend führte das BFA im Wesentlichen aus, dass der BF eine asylrelevante Verfolgung nicht glaubhaft machen konnte. Insbesondere habe er seine Fluchtgründe äußerst vage und oberflächlich beschrieben und keine konkreten zeitlichen Abläufe dargelegt. Außerdem könne nicht nachvollzogen werden, was für eine Gang mit "Alhotein" gemeint sei, die Huthi Milizen seien darunter nicht subsumierbar.
Gegen diesen Bescheid erhob der BF fristgerecht Beschwerde wegen unrichtiger Feststellungen, Mangelhaftigkeit des Verfahrens sowie unrichtiger rechtlicher Beurteilung und brachte zusammenfassend vor, er habe sowohl mit der Übersetzung "Hushi", als auch "Alhotein" in der Einvernahme beim BFA die Huthi Milizen gemeint. Das BFA habe außerdem verabsäumt, die Befürchtungen des BF zu untersuchen, aufgrund seiner pazifistischen Gesinnung Verfolgung ausgesetzt zu sein, obwohl ihn die Länderberichte darin bestätigen würden und bringt dazu einen BBC Artikel vor. Der BF habe in seiner Einvernahme vor dem BFA ausführlich darüber berichtet, inwieweit er im Jemen politisch aktiv war und sei es unrichtig, dass er keine Details zu seinen Fluchtgründen angegeben habe. Eine Schutzfähigkeit vor den Huthis, gäbe es, wie vor den Islamisten, aus offensichtlichen Gründen nicht mehr. Eine Staatsgewalt gäbe es de facto ebenso wenig und wird dazu ein Bericht des UN Sicherheitsrates zitiert. Es stelle eine Mangelhaftigkeit des Verfahrens dar, dass die Behörde es verabsäumt hat, sich mit der konkreten Situation des BF und der aktuellen Situation im Jemen auseinanderzusetzen.
Mit Bescheid vom 01.02.2019 wurde die Aufenthaltsberechtigung des BF gemäß § 8 Abs. 4 AsylG 2005 bis zum 15.02.2021 verlängert.
Am 08.01.2020 fand vor dem BVwG im Beisein eines Dolmetschers für die arabische Sprache eine öffentliche mündliche Verhandlung statt, in welcher der BF ausführlich zu seinen persönlichen Umständen in Saudi-Arabien sowie dem Herkunftsstaat und seinen Fluchtgründen befragt wurde.
2. Feststellungen:
2.1. Zur Person des BF:
Der BF führt den im Spruch genannten Namen und das Geburtsdatum. Er ist jemenitischer Staatsangehöriger, der Volksgruppe der Araber sowie der sunnitischen Glaubensrichtung des Islam zugehörig und spricht die arabische Sprache. Seine Identität steht fest.
Der BF ist in Saudi-Arabien geboren und hat dort die erste Klasse besucht. Darüber hinaus verfügt er über keine weitere Schulbildung. Während des zweiten Golfkrieges kehrte er für kurze Zeit in den Jemen zurück.
Ab seinem 14. Lebensjahr arbeitete der BF in Saudi-Arabien als Tagelöhner und später, bis zuletzt in einer KFZ-Werkstätte.
Der BF ist arbeitsfähig und leidet an keinen schwerwiegenden oder lebensbedrohlichen Krankheiten. Er ist strafrechtlich unbescholten.
Der BF reiste zu einem nicht mehr genau feststellbaren Zeitpunkt, spätestens jedoch am 05.10.2015 in das österreichische Bundesgebiet ein und stellte gegenwärtigen Antrag auf internationalen Schutz.
1.2. Zu den Fluchtgründen der BF:
Der BF ist im Herkunftsstaat keiner, auf einem Konventionsgrund beruhenden Verfolgung ausgesetzt.
2.3. Zur maßgeblichen Situation im Herkunftsstaat:
Aufgrund der mit der Ladung zur mündlichen Verhandlung übermittelten und mit dem BF in der mündlichen Verhandlung erläuterten Erkenntnisquellen werden folgende Feststellungen zum Herkunftsstaat des BF getroffen:
Länderinformationsblatt der Staatendokumentation Jemen Stand 16.10.2017
Neueste Ereignisse - Integrierte Kurzinformationen
KI vom 5.12.2017, Tod von Ex-Präsident Saleh - Ende der Allianz mit den Huthis (relevant für Abschnitt: 2. Politische Lage).
Ali Abdullah Saleh wurde am 4.12.2017 in der jemenitischen Hauptstadt Sana'a von Huthi-Rebellen getötet. Mit den Huthi, die er einst bekämpfte, war Saleh 2014 eine Allianz eingegangen (Standard 4.12.2017a). Erst am 2.12.2017 hatte Saleh im Fernsehen nach mehr als zweieinhalb Jahren Krieg seine Militärallianz mit den Huthi-Rebellen aufgekündigt und "den Brüdern der benachbarten Staaten" angeboten, eine neue Seite im Verhältnis miteinander aufzuschlagen, wenn die Luftangriffe und die Blockade beendet würden. Huthi-Anführer Abdul-Malik al-Huthi bezeichnete Saleh daraufhin als Hochverräter und Putschisten (Zeit 4.12.2017). Nach anfänglichen Erfolgen in der darauffolgenden bewaffneten Konfrontation zwischen Saleh- und Huthi-Anhängern schien zuerst Saleh zu überwiegen. Am 3.12.2017 wendete sich jedoch das Blatt. Die Huthis begannen ihre Positionen in Sana'a zurückzuerobern, obwohl Saudi-Arabien seine Angriffe aus der Luft intensivierte (Standard 4.12.2017a). Die Gewalt zwischen den Streitkräften der Huthis und Salehs hat nach Angaben des Internationalen Roten Kreuzes in den letzten fünf Tagen bisher zum Tod von mindestens 125 Zivilisten geführt (Guardian 4.12.2017). Der in Saudi-Arabien im Exil lebende international anerkannte Präsident Abed Rabbo Mansur Hadi gab unterdessen seinen Truppen den Befehl, die Hauptstadt zu stürmen und aus der Hand der Huthis zu befreien (Zeit 4.12.2017). Hadi bot allen, die ihre Unterstützung der Huthis aufgeben und sich zurückziehen, eine Amnestie an (Standard 4.12.2017b).
Politische Lage
Die Republik Jemen bezeichnet sich in ihrer am 15./16. Mai 1991 in einer Volksabstimmung angenommenen Verfassung (geändert am 28. September 1994) als unabhängigen, arabischen, islamischen und republikanischen Staat. Jemen ist Teil der arabischen und islamischen Welt. Staatsreligion ist der Islam (LIPortal 9.2017).
Die innere Lage des Landes wird immer noch durch die geteilten historischen Erfahrungen geprägt: einerseits britische Kolonialisierung und anschließende sozialistische Einflüsse im Süden, andererseits muslimische Imam-Herrschaft und Stammesgesellschaft im Norden. Insbesondere seit dem Sezessionskrieg 1994 hat sich Jemen auf den Weg einer allerdings schwierigen und nicht unangefochtenen Demokratisierung begeben. Unterschiede in der wirtschaftlichen Entwicklung zwischen dem ehemaligen Nord- und Südjemen bestehen fort. Diese belasten das politische und gesellschaftliche Klima des Landes (AA 4.2016). 2004 begann in der nordjemenitischen Provinz Sa'ada der Huthi-Aufstand. Der Expräsident Ali Abdullah Saleh bekämpfte während seiner Amtszeit bis 2012 den Aufstand. Nach seinem Rücktritt schloss er sich allerdings der Rebellion an, als diese sich ausbreitete. Im Herbst 2014 nahmen die Huthi die Hauptstadt Sana'a ein (Der Standard 23.8.2016). 2015 besetzten die Huthi-Rebellen den Präsidentenpalast und einige Ministerien in Sana'a, lösten Anfang Februar per Dekret das Parlament auf und setzten einen "Obersten Revolutionsrat" als Exekutivorgan ein (AA 4.2016). Präsident Hadi gab am 22.1.2015 eine Rücktrittserklärung ab, nahm diese jedoch Anfang Februar zurück. Nach einem Zwischenaufenthalt in Aden begab er sich nach Saudi-Arabien ins Exil, hält sich jedoch zwischendurch auch in Aden auf (LIPortal 9.2017). Der Krieg im Jemen eskalierte im März 2015, als eine Koalition unter saudi-arabischer Führung im Namen der international anerkannten Regierung unter Präsident Hadi gegen die Huthi-Rebellen intervenierte. Dies hat im ohnehin armen Land zu einer humanitären Katastrophe geführt (ICG 8.2017). Der Jemen befindet sich derzeit in einer politischen Schwebe. Die Huthi behaupten, das Parlament sei aufgelöst und durch einen Übergangs-Revolutionsrat unter dem Vorsitz von Mohammed Ali al-Huthi ersetzt worden. Die UNO, die USA und der Golf-Kooperationsrat weigern sich jedoch, die Huthi-Herrschaft anzuerkennen (BBC 6.7.2017). Zudem haben Al-Qaida auf der Arabischen Halbinsel (AQAP) und Mitglieder des sogenannten Islamischen Staates (IS) das Chaos ausgenutzt, indem sie Gebiete im Süden eingenommen und ihre Angriffe intensiviert haben (BBC 28.3.2017). Nach einer Zeit des rasanten Vormarschs hat die Allianz aus Huthi und Saleh-Unterstützern im Juli und August 2015 Territorium im Süden eingebüßt. Seitdem bekämpfen sie die Gegenseite, was in einer Pattsituation endete. Die Allianz hat die Kontrolle über das Gebiet des nördlichen Zaidi-Hochlandes [mehrheitlich von den Zaiditen, einem Zweig der Shi'a bewohnt], das die Hauptstadt Sana'a und die Mehrheit der Bevölkerung des Landes umfasst. Dies hat zu einem angespannten Status Quo geführt, von dem mehrere Konfliktparteien profitieren, der jedoch großes Leid unter den JemenitInnen und zusätzliche Instabilität in der gesamten Region hervorgerufen hat (ICG 11.10.2017). Führende Politiker und Militärs haben Mitte Mai 2017 in Aden die Bildung einer neuen "Übergangsregierung" für Südjemen verkündet. Damit gibt es im Jemen jetzt drei Regierungen, eine in Sana'a und zwei in Aden. Und ausgerechnet der international anerkannte Präsident Hadi operiert meist aus dem Exil in Riad. Zubaidi, der Anführer der "Bewegung des Südens", machte seine Deklaration zur neuen Regierung im Fernsehen vor einer Flagge der einstigen Demokratischen Volksrepublik Südjemen, vorerst ohne die Unabhängigkeit auszurufen. Nun droht eine Eskalation des Konfliktes zwischen Anhängern Hadis und südjemenitischen Fraktionen, die mit der Sezession liebäugeln. Über den Gräben im Süden ist auch eine Diskrepanz zwischen der Politik Saudi-Arabiens und derjenigen der Vereinigten Arabischen Emirate deutlich geworden. Die beiden Golfstaaten führen eine multinationale Militärkoalition an, welche die Anti-Huthi-Allianz unterstützt. Während Saudi-Arabien vor allem aus der Luft bombardiert und seine Aktivitäten auf die saudisch-jemenitische Grenze fokussiert, haben sich die Emirate der Hafenstädte im Süden angenommen. Zur Unterstützung der Anti-Huthi-Allianz in Aden schickten sie Bodentruppen. Südjemenitische Anführer wie Al Zubaidi haben enge Beziehungen zu den Emiraten entwickelt, während der heute in Riad lebende Hadi von Saudi-Arabien unterstützt wird (NZZ 13.5.2017). Anlässlich der Gedenkfeiern zum 54. Jahrestages des Aufstandes gegen die Briten am 14.10.2017 verkündete Al Zubaidi die baldige Abhaltung eines Unabhängigkeitsreferendums und die Konstituierung eines Parlamentes mit 303 Abgeordneten, welches alle Regionen des Süden repräsentieren soll (Reuters 14.10.2017, vgl. MEM 15.10.2017). [siehe auch Abschnitt: 3.3. Bewegung des Südens - Al Hirak]. Ex-Präsident Saleh inszenierte am 24.8.2017 eine Groß-Kundgebung in Sana'a anlässlich des 35. Jahrestages der Gründung der "General People's Congress Partei" (GPC). Die Huthi-Führung forderte am Vortag die Einführung des Ausnahmezustandes (ICG 8.2017). In einer Rede stellte Abdulmalik al-Huthi eine "Verschwörung" in den Raum. Saleh antwortet seinerseits mit einer Rede, in der er die Huthi beschuldigte, die 2015 getroffenen Absprachen zur Regierung der kontrollierten Gebiete zu brechen (Der Standard 29.8.2017, vgl. The National 20.8.2017). Hinter der "Verschwörung" stehen die Bemühungen der Vereinigten Arabischen Emirate (VAE), des zweit-wichtigsten Mitglieds in der Saudi-Allianz, um einen Waffenstillstand. Die Huthi befürchteten, Saleh könnte diesen am 24. August verkünden (Der Standard 29.8.2017). Auch Al Huthi sagte, dass er bereit sei, auf ein Friedensabkommen mit der Regierung von Herrn Hadi und der von Saudi-Arabien geführten Koalition hinzuarbeiten, das die VAE einschließt, aber nur ein Abkommen, das im Interesse des Landes sei (The National 20.8.2017). Die Spannungen zwischen den Anhängern der Partei Huthi und Salehs General People's Congress (GPC) blieben nach dem Zusammenstoß vom 25. August in der Hauptstadt Sana'a hoch, obwohl die Führer auf beiden Seiten öffentlich versichert hatten, dass die Allianz fortgeführt wird (ICG 8.2017). Sana'a ist nun zwischen den beiden Lagern aufgeteilt, wobei die Huthi etwa 70% der Hauptstadt und einen Großteil des Nordens halten (AM 3.9.2017). Unter der Oberfläche jedoch schwelen Differenzen. Der GPC versteht sich als Partei des politischen Zentrums, als Dachorganisation, die eine Reihe von politischen Positionen und konfessionellen Gruppen umfasst und landesweit Anklang findet. Sie sieht die Huthi in der gleichen Weise wie die [sunnitische] "Islah-Partei" als intolerante religiös begründete politische Organisationen mit Verbindungen zu ausländischen Akteuren - im Fall der Huthi zum Iran, im Fall der Islah zu Katar und der Muslimbruderschaft. Wie viele JemenitInnen vermutet der GPC, dass die Huthis die einstige Herrschaft der Zaidi-Imame, die vor der republikanischen Revolution von 1962 für ein Jahrtausend im Norden Jemens regiert hatten, zurückbringen wollen. Die Huthi betrachten umgekehrt Saleh und seine engsten Anhänger als gefährliche und unzuverlässige Verbündete. Aus ihrer Perspektive ist Salehs GPC für eine korrupte Vergangenheit verantwortlich, in der die Regierung das Land nicht entwickelt, politisch ausgegrenzt und die Verbreitung der Salafi/Wahhabi-Doktrin, des ideologischen Gegners der Huthi, erleichtert und ihr Land zerstört hat. Die Huthis sind zutiefst misstrauisch gegenüber Salehs früherer Unterstützung und Zusammenarbeit mit den USA und seinen Aktivitäten zur Terrorismusbekämpfung. Einige Huthi wollen Saleh und andere GPC-Führer für vergangene Verbrechen zur Rechenschaft ziehen, einschließlich der Ermordung von Hussein al-Huthi. So wie der GPC das Engagement der Huthi für die Demokratie bezweifelt, zweifeln die Huthi am Engagement des GPC für eine echte Teilung der Macht (ICG 11.10.2017).
Sicherheitslage
Die volatile Sicherheitslage und militärische Operationen wirken sich weiterhin auf die Zivilbevölkerung im Jemen aus. Nach Angaben des Global Protection Cluster hat die Anzahl der gemeldeten Luftangriffe im ersten Halbjahr 2017 den Gesamtwert für 2016 überstiegen, mit einer fast Verdreifachung des Monatsdurchschnitts. Die Zahl der vermeldeten bewaffneten Zusammenstöße liegt um 56 Prozent pro Monat höher als 2016. Ta'izz, Sa'ada, Hajjah, Sana'a, Al Jawf und Ma'rib bleiben die von Militäroperationen, Zusammenstößen und Luftangriffen am stärksten betroffen Gebiete (UN-OCHA 14.8.2017). Das Internationale Komitee vom Roten Kreuz (ICRC) bedauerte zu tiefst den Trend, dass öffentliche Plätze, wie Märkte sowie private Häuser zu Zielen der Konfliktparteien werden. Denn dies steht im Widerspruch zu den grundlegenden Grundsätzen des Kriegsrechts. Das ICRC zeigte sich insbesondere durch das jüngste Muster von Luftangriffen alarmiert, bei denen es wie zuletzt in Ta'izz zu zivilen Opfern gekommen ist (ICRC 8.8.2017). Die Schwächen der Rechtsstaatlichkeit bestehen landesweit, vor allem aber in den Städten und Orten sowie dem Süden des Landes, wo das Fehlen einer wirksamen Kontrolle durch eine zentrale Behörde ein Machtvakuum schafft, in dem mehrere bewaffnete Gruppierungen und Stammesgruppen um die Kontrolle konkurrieren (GPC 9.2017). Die von Saudi Arabien geführte Koalition ist wiederholt für Angriffe auf Zivilisten kritisiert worden. Mehr als 8.000 Menschen wurden seit 2015 getötet, darunter mindestens 1.500 Kinder, begleitet von Millionen Vertriebenen. Das verarmte Land wird durch den Konflikt an den Rand einer Hungersnot gedrängt. Ein Cholera-Ausbruch hat seit April 2017 mehr als 1.800 Menschen das Leben gekostet, und laut Vereinten Nationen und dem Internationalen Komitee vom Roten Kreuz bestehen weitere 400.000 Verdachtsfälle im ganzen Land. Die Vereinten Nationen warnten im Juli 2017 davor, dass 80% der Kinder im Jemen dringend Hilfe brauchten, was die Organisation als "größte humanitäre Krise der Welt" bezeichnete (MEE 17.9.2017). Im August 2017 kam es zur einer markanten Eskalation der Spannungen zwischen Anhängern der Huthis und jenen des ehemaligen Präsidenten Saleh in Sana'a [die bislang als Verbündete galten]. Überdies nahmen die Luftangriffe der von Saudi-Arabien angeführten Koalition zu. Die Kämpfe gingen in der Provinz Ta'izz und entlang der saudischen Grenze weiter. In Ta'izz beispielsweise kämpften Huthi und Saleh-Rebellen gemeinsam gegen die Streitkräfte der Vereinigten Arabischen Emirate (VAE) und deren jemenitische Verbündete um die Kontrolle über den Militärstützpunkt Khaled bin Waleed und die umliegenden Gebiete (ICG 8.2017). Die von Saudi-Arabien und den Vereinigten Arabischen Emiraten geführte Militäroperation im Jemen ist ins Stocken geraten, ohne dass seit Herbst 2015 strategische Erfolge erzielt worden wären, nachdem die saudischen Koalitionstruppen Aden und Teile der Provinz Ta'izz besetzt hatten. Den VAE wird mehr Interesse an der Bekämpfung der zur Muslimbruderschaft zugerechneten Al-Islah Partei (ein saudischer Verbündeter im Jemen) als der Saleh-Houthi-Allianz zugeschrieben. Angesichts der zunehmenden Meinungsverschiedenheiten zwischen den beiden Ländern über den Jemen sehen die Aussichten der Koalition auf einen militärischen Erfolg schwach aus (AM 9.10.2017). Andere bewaffnete Akteure haben weiterhin die Unsicherheit im Jemen ausgenutzt. Im vergangenen Jahr [2016] haben extremistische Gruppen ihre Präsenz aufrechterhalten und angepasst. Zum Beispiel, nachdem die Al Qaida im April 2016 aus Al Mukalla in der südlichen Provinz Hadramaut vertrieben wurde, ist sie nun in Ta'izz-Stadt aktiv (OHCHR 5.9.2017). Die jemenitische Menschenrechtsorganisation "SAM" mit Sitz in Genf liefert für 2016 einen Überblick über die Opferzahlen nach Provinzen (siehe Tabelle unten). Die Todesursachen reichen von Beschuss durch Scharfschützen, Bombenangriffen auf Wohngebiete, Landminen auf öffentlichen Straßen und Plätzen, unkonventionellen Sprengvorrichtungen (IEDs) über Terroranschläge und politische Morde bis zu Tod unter Folter und außergerichtliche Exekutionen. Hinzu kamen Luftangriffe durch die von den Saudis angeführte Koalition sowie US-amerikanische Drohnen-Angriffe. Laut SAM waren von den 2950 Getöteten 77% Männer, 6% Frauen und 17% Kinder. Die meisten Opfer, nämlich die Hälfte, gingen auf das Konto der Huthi-Saleh-Milizen, 27% waren Opfer von Luftangriffen der Arabischen Koalitionsstreitkräfte, 12% von terroristischen Gruppen und 5% von US-amerikanischen Drohnen-Angriffen. Die Rest ging auf das Konto der Regierungstruppen oder war Opfer von sozialen Konflikten bzw. ist die Quelle der Gewalt unbekannt (SAM 15.2.2017).
Gouvernement
Zahl der Tötungen 2016
Prozent
Ta'izz
921
31%
Aden
310
11%
Shabwa
198
7%
Hadramut
192
7%
Sana'a (Stadt)
175
6%
Sana'a
165
6%
Hajjah
151
5%
Ma'rib
130
4%
Lahaj
118
4%
Al-Jouf
115
4%
Hudaydah
109
4%
Al-Baidha
104
4%
Ibb
65
2%
'Addalie
58
2%
Dhamar
55
2%
Abyan
31
1%
Sa'ada
28
1%
-Amran
24
1%
Raima
1
>1%
GESAMT
2.950
Huthi (Harakat Ansar Allah)
Die Huthi - offiziell bekannt als Harakat Ansar Allah (Bewegung der Helfer Gottes) - sind eine vom Iran unterstützte, schi'itisch-muslimische militärische und politische Bewegung. Ihre Mitglieder, die sich der Minderheit der Zaiditen des schi'itischen Islam zugehörig fühlen, setzen sich für die regionale Autonomie der Zaiditen im Nordjemen ein. Die Gruppe hat seit 2004 eine Reihe blutiger Aufstände gegen die jemenitische Regierung ausgeführt, die zu einem Sturz des Regimes Anfang 2015 geführt haben. Die Huthi-Bewegung begann als Versuch, die Autonomie der Stämme im Nordjemen aufrechtzuerhalten und gegen den westlichen Einfluss im Nahen Osten zu protestieren. Heute streben die Huthi eine größere Rolle in der jemenitischen Regierung an und setzen sich weiterhin für die Interessen der zaiditischen Minderheit ein. Die Huthi sind für ihre heftige anti-amerikanische und antisemitische Rhetorik bekannt (CEP 31.1.2017). Die Ziele der Huthi umfassen auch Entschädigungen für die Schäden während der Sa'ada Kriege, die Vertretung innerhalb der Zentralregierung, und die Garantie, dass die Gruppe vor zukünftiger politischer und wirtschaftlicher Marginalisierung geschützt wird. Nicht alle Zaiditen im Jemen identifizieren sich mit der Huthi-Bewegung (CT 2017a). In den extrem armen Bergregionen des Nordens hatte Hussein Badreddin al-Huthi einen Kult der Zaiditen etabliert, welche sich einem eigenständigen Zweig der Schi'a angehörig fühlen. Der Zaidismus befindet sich für gewöhnlich nicht so sehr in einer religiös motivierten Frontstellung zu den SunnitInnen. Hussein Badreddin al-Huthis Absicht ist es vielmehr gewesen, den Zaidismus wieder politisch auszurichten und für die Autonomie Sa'adas einzutreten. Im ohnehin äußerst armen Jemen ist es um die Region Sa'ada besonders schlecht bestellt. Die ökonomische Kluft im Land ist die Wurzel für den später immer sichtbarer werdenden Konflikt gewesen. Aus der anfangs kleinen kultisch-religiösen Bewegung der Huthi hat sich eine robuste Miliz entwickelt. Deren Ideologie beruht auf einem politischen Islam, der stark mit Anti-Amerikanismus verwoben ist. Auf die Separationsbestrebungen der Huthi sind gewaltsame Auseinandersetzungen mit der jemenitischen Regierung gefolgt (VIDC/Al-Ahmad 13.10.2016). Der Sprecher der Huthi und Mitglied des Politbüros der Ansar Allah, Mohammed Al-Bukhaiti definierte die Huthi als nationale Bewegung, die sich den Prinzipien des arabischen Nationalismus und des Pan-Islamismus verpflichtet fühlt. Laut Al-Bukhaiti war der konfessionelle Aspekt nie ein Thema bei der Entscheidung, mit wem man sich verbündet. Es ist zwar ein Teil dessen, so Al-Bukhaiti, wer wir sind, aber es spielt eine untergeordnete Rolle und ist kein entscheidender Faktor. Was wir mit dem Iran oder der Hisbollah oder der Hamas und dem Islamischen Dschihad gemeinsam haben, so Al-Bukhaiti, ist, dass wir eine gemeinsame Haltung gegenüber Israel und den USA haben, und dass wir mit allen politischen Akteuren in der Region zusammenarbeiten werden, die den regionalen Entwürfen der USA entgegenstehen (AJ 2.10.2014). In den nördlichen Gebieten, die traditionell unter zaiditischer Kontrolle standen, gab es Berichte über fortgesetzte Bemühungen der Huthi, ihre religiösen Bräuche auch Nicht-Zaiditen aufzuzwingen, unter anderem durch ein Musikverbot und die Forderung, dass Frauen eine Voll- Verschleierung tragen müssen. Es gab Berichte über Huthi-Rebellen, die Imame in sunnitischen Moscheen dazu drängten, vorgeschriebene Predigten zu halten. Darüber hinaus drängten Huthis angeblich Gläubige in sunnitischen Moscheen dazu, politische Petitionen zu unterzeichnen, um gegen die saudi-arabisch geführte Militärkampagne gegen die Huthi-Saleh-Rebellen zu protestieren. Medien berichteten, dass Huthi-Milizen einige Moscheen, wie die Tawhid-Moschee in Ta'izz, verwüsteten (USDOS 15.8.2017).
Al-Qaida auf der Arabischen Halbinsel (AQAP)
Al-Qaida auf der Arabischen Halbinsel (eng.: AQAP) ist ein Zusammenschluss von Al-Qaida-Kämpfern in Saudi-Arabien und der früheren Al-Qaida im Jemen. Der Jemen ist das wichtigste Operationsgebiet. Hier versucht die AQAP, landesweit durch gezielte Anschläge auf regierungsnahe Einrichtungen und Sicherheitsbehörden sowie im Kampf gegen die schi'itischen Huthi das Land zu destabilisieren und an Einfluss zu gewinnen. Neben regionalen Aktivitäten setzt sie einen weiteren Schwerpunkt bei der Durchführung von internationalen Anschlägen. Seit Jahresbeginn festigt auch der sog. Islamische Staat (IS) mit diversen Ablegern seine Präsenz in Jemen. Dies bedeutet für die AQAP, dass sie ihre Vormachtstellung als dschihadistischer Hauptakteur im Jemen gegenüber dem sog. IS verteidigen muss. Ein Zusammenschluss von AQAP und IS ist wenig wahrscheinlich; aber eine Abwanderung von AQAP-Kräften zum IS ist möglich (BND o.D.). AQAP ist im gesamten Jemen vor allem in den südlichen und zentralen Regionen des Landes tätig. In vielen dieser Provinzen regiert AQAP kleinere Gebiete mit Shari'a-Gerichten und einer schwer bewaffneten Miliz. AQAP versucht, durch die Befriedigung der Grundbedürfnisse der Bevölkerung und die Integration in die lokale Bevölkerung, einschließlich der Anpassung an die lokalen Regierungsstrukturen, eine Anziehungskraft auf die jemenitische Bevölkerung auszuüben. Das Hauptziel der AQAP besteht darin, die Juden und Christen von der arabischen Halbinsel zu vertreiben und das islamische Kalifat und die Shari'a-Herrschaft zu etablieren, welche die abtrünnigen Regierungen zuvor abgeschafft haben. Bei der Verfolgung dieser Ziele setzt sich die AQAP für eine gewaltsame Interpretation des Dschihad ein. Als formaler Bestandteil der al-Qaida stehen die Ideologie und Praktiken der AQAP im Einklang mit den weiter gefassten Zielen der al-Qaida, nämlich auf eine globale islamistische Herrschaft hinzuarbeiten (CEP 4.1.2017). In einem Interview für das eigene Propaganda Medium namens "Al Malahem Media" äußerte sich der Anführer der AQAP, Qasim al Raymi, am 30.4.2017 ausführlich zu den Zielen und zur Politik der Organisation. Für Raymi steht es außer Frage, dass die Huthi und der ehemalige Präsident Saleh Aggressoren sind, die eliminiert und getötet werden müssen. Obwohl die Huthi auf amerikanische Schiffe vor der Küste Jemens gefeuert haben, argumentiert Raymi, dass sie mit den USA, dem Hauptfeindbild, unter einer Decke stecken. Die saudischen und emiratischen Streitkräfte sind hierbei die ausländischen Stellvertreter der USA. Da die AQAP es als ihre Pflicht sieht, im Kampf gegen die Huthi die Kräfte zu vereinigen, ist auch ein Waffenstillstand mit der [sunnitischen] Hadi-Regierung für Raymi denkbar, allerdings unter zwei Bedingungen: das Ende der ausländischen Intervention unter der Führung der USA sowie die Bildung eines Gelehrtengremiums, welches die Gesetzgebung und Politik des Landes im Sinne der Anwendung der Shari'a überprüft. Die Al-Qaida versucht, eine breitere und tiefere Unterstützung für ihre dschihadistische Sache im Jemen und anderswo zu erreichen. AQAP und andere Al-Qaida-Zweige haben dieses Konzept entwickelt und argumentieren, dass nur durch eine angemessene Konsultation mit anerkannten Autoritäten neue islamische Regierungen gebildet werden können. Dieser Bottom-up-Ansatz für den Dschihad ist populistischer als der Top-Down-Autoritarismus des Islamischen Staates. Dem entsprechend sieht Raymi die afghanischen Taliban als Vorbild der praktischen Politik (LWJ 2.5.2017). Al-Qaida nutzte die Wirren von 2015, um weite Teile der Provinzen Abyan, Shabwa und Hadramaut einzunehmen und zu kontrollieren. Gemeinsam mit verbündeten Stämmen eroberte sie Anfang April Mukalla, mit 300.000 Einwohnern fünftgrößte Stadt des Landes und Hauptstadt der südöstlichen Provinz Hadramaut, und erbeutete große Waffenarsenale und viel Geld. Außerdem übernahm al-Qaida dort zusammen mit ihren Alliierten die Verwaltung. Auf die Kritik der USA an dieser Entwicklung reagierte die Koalition, indem Truppen der Vereinigten Arabischen Emirate und deren lokale Verbündete die Stadt im April 2016 zurückeroberten. Doch Al-Qaida schien sich schon vor der Offensive weitgehend zurückgezogen zu haben und erlitt nur geringe Verluste. In den umliegenden Gegenden und Provinzen dagegen blieb die Organisation stark und konnte ungestört von der Koalition operieren. Al-Qaida profitierte davon, dass die jemenitischen Einheiten der Anti-Huthi-Koalition sie nicht als Feind betrachteten, weil sie teils gemeinsam mit ihnen gegen die Huthi vorging (SWP 7.2017). Jemenitische Streitkräfte begannen Anfang August 2017 eine Militäroperation, um die AQAP aus der Provinz Shebwa zu vertreiben. Obschon die jemenitischen Streitkräfte am 4.8.2017 von einem Sieg sprachen, behaupteten Einheimische, dass die AQAP-Kämpfer das Gebiet schon vor der militärischen Operation evakuiert hätten (ICG 8.2017).
Bewegung des Südens - Al Hirak
Diese Bewegung des Südens begann ihre Aktivitäten 2007 auf dem Gebiet der ehemaligen Demokratischen Volksrepublik Jemen. Die Bewegung des Südens, auch bekannt als "al Hirak" oder "al Harakat al Janubiyya", war nie eine einheitliche Gruppierung. Sie begann mit Reparationsforderungen nach der Zerstörung des südlichen Jemen während des Bürgerkriegs 1994. Die Idee der Abspaltung vom Nordjemen wird immer populärer. Die Mitgliedergruppen unterscheiden sich in ihrem Charakter von politisch bis militant. Die Bewegung kämpft derzeit an der Seite der saudisch-geführten Koalitionstruppen, aber sie könnte auf längere Sicht der Hadi-Regierung ihre Unterstützung entziehen (CT 2017b). Nachdem die von Saudi Arabien geführte Koalition im Juli 2015 die Huthi und Saleh aus dem Süden verdrängt hatte, fanden die UN-Friedensgespräche hauptsächlich zwischen zwei Parteien, der Regierung von Präsident Hadi und der Saleh-Huthi-Koalition statt. Vertreter des Südjemens blieben von den Verhandlungen ausgeschlossen, obwohl sie das Gebiet des ehemaligen südjemenitischen Staates kontrollierten. Eine wichtige Tatsache, die viele nicht verstehen, ist laut Ahmed Omer Ben Farid, einem prominenten Vertreter der Hirak, dass die Südjemeniten während des aktuellen Krieges gegen die Pro-Saleh-Truppen und die Houthi-Rebellen unter der Flagge des Südjemen kämpften und nicht um die Hadi-Regierung zu unterstützten (Muftah 29.5.2017). Die Vision der Bewegung des Südens ist es laut eigenen Angaben, das südliche Land von den nordjemenitischen Besatzungskräften zu befreien und die Aufrufe der Bevölkerung Südjemens nach einem freien und unabhängigen Südstaat in ein sinnvolles Vorgehen überzuführen. Dies soll durch einen friedlichen Dialog mit allen relevanten Akteuren erreicht werden, indem eine Vereinbarung getroffen wird, den unabhängigen Staat Südjemen in seinen ursprünglichen Grenzen vor 1990 wiederzubeleben. Diese werden in die Tat umgesetzt, indem das Selbstbestimmungsrecht der Bevölkerung durch ein Referendum mit der Entscheidung für die Unabhängigkeit im Wege einer vereinbarten Sezession ausgeübt wird (Hirak o.D.). Laut Eigenangaben der "Hirak" strömten am 30.11.2016 im Gedenken der Deklaration der Unabhängigkeit des Südjemens von den Briten vor 49 Jahren Zehntausende aus allen Teilen des Südjemens nach Aden, um sich für die Unabhängigkeit von der Einheit mit dem Nordjemen zu versammeln. Die Menschen aus dem Süden hätten sich versammelt, um alle Konfliktparteien im Jemen daran zu erinnern, dass sie erwarten in Friedensgespräche einbezogen zu werden, und ihre Forderung nach der Einbeziehung eines Referendums in ein Friedensabkommen von wesentlicher Bedeutung ist, um einen langfristigen Frieden zu erreichen und aufrechtzuerhalten (Hirak 11.2016). Am 4.5.2017 entließ der im Exil lebende Präsident Hadi den Gouverneur von Aden, den populären Hirak-Führer Aidarus Al-Zubaidi, von seinem Posten, was zu Massenprotesten führte, während Al-Zubaidi gegen seine Absetzung protestierte und zur Sezession aufrief (Muftah 29.5.2017). Stammes-, Militär- und politische Führer haben in Folge dessen im Mai 2017 einen neuen Rat gebildet, der die Sezession des südlichen Jemen weiter treibt. Aidarus al-Zubaidi, machte seine diesbezügliche Ankündigung in einer Fernsehansprache vor der Fahne des ehemaligen Südjemen. Al-Zubaidi sagte, dass eine nationale politische Führung unter seiner Präsidentschaft den Süden verwalten und vertreten würde. Laut Al-Zubaidi wird das neue Gremium auch weiterhin mit der Koalition und ausländischen Mächten zusammenarbeiten, um den iranischen Einfluss und den Terrorismus zu bekämpfen. Saudi-Arabien und die Vereinigten Arabischen Emirate hingegen unterstützen trotz Bewaffnung und Finanzierung der südlichen Truppen die Sezession nicht, und erklären für einen vereinigten Jemen zu kämpfen (DS 12.5.2017).
Rechtsschutz / Justizwesen
Das Justizwesen ist nominell unabhängig, jedoch anfällig für Beeinflussung durch politische Fraktionen. Die Behörden haben eine schlechte Bilanz, was die Durchsetzung von juristischen Urteilen angeht, besonders wenn es sich um Verurteilungen von Stammesführern oder bekannten politischen Personen handelt. Durch das Fehlen eines effektiven Gerichtswesens greift die Bevölkerung häufig auf tribale Formen von Justiz oder Gewohnheitsrecht zurück, besonders seit der Einfluss der Regierung schwächer wird. Der Krieg im Jemen behindert teilweise den Betrieb einiger Kommunal- und richterlicher Ämter, obwohl das Justizministerium auch unter dem Einfluss der Huthi weiterarbeitet (FH 2017).
Nach ihrem Exil im Jahr 2015 und im Laufe des Jahres verlor die von Hadi geführte Regierung die Kontrolle über einen Großteil des Gerichtssystems an die Rebellen der Huthi-Saleh-Allianz, die diese Institutionen weiterführte. Die Verfassung sieht zwar eine unabhängige Justiz vor, diese wird allerdings durch Korruption, politische Einmischung und mangelnde juristische Ausbildung geschwächt. Die gesellschaftlichen und politischen Beziehungen der Richter und gelegentliche Bestechung beeinflussen die Urteile. Vor dem Ausbruch des Konflikts haben die mangelnde Kapazität der Regierung und die teilweise mangelnde Durchsetzungsbereitschaft der Gerichte, insbesondere außerhalb der Städte, die Glaubwürdigkeit der Justiz weiter untergraben. Kriminelle bedrohten und schikanierten Angehörige der Justiz, um den Ausgang der Verfahren zu beeinflussen (USDOS 13.04.2016). Vor dem Gesetz sind Angeklagte unschuldig bis ihre Schuld bewiesen ist. Gerichtsverhandlungen sind im Allgemeinen öffentlich, aber Gerichte können aus Gründen der "öffentlichen Sicherheit oder Moral" geschlossene Verhandlungen abhalten. Richter nehmen aktiv an der Befragung der Zeugen und des Angeklagten teil und urteilen über Kriminalfälle. Angeklagte haben das Recht bei ihrer Gerichtsverhandlung anwesend zu sein und sich mit einem Anwalt zu beraten. Der Angeklagte kann ebenfalls Zeugen, die gegen ihn aussagen, befragen und konfrontieren und außerdem selbst zu seiner Verteidigung Zeugen oder Beweise vorbringen. Die Regierung muss laut Gesetz in schweren Kriminalfällen einen Anwalt für mittellose Angeklagte zur Verfügung stellen, wobei dies in der Vergangenheit nicht immer geschehen ist. Grundsätzlich haben Angeklagte und deren Anwälte Zugang zu relevanten Beweisen und Anwälten wird ermöglicht, Klienten und Zeugen zu befragen sowie Beweise zu prüfen. Angeklagte haben das Recht auf Berufung. Angeklagte können weder zu einer Zeugenaussage noch zu einem Schuldgeständnis gezwungen werden. Es gibt außerdem ein spezielles Staatssicherheitsgericht, welches unter anderen Bedingungen arbeitet und Verhandlungen unter Ausschluss der Öffentlichkeit durchführt. Dieses Gericht garantiert den Angeklagten nicht dieselben Rechte wie die ordentlichen Gerichte. Anwälte bekommen oft nicht ausreichend Zugang zu den Anklagepunkten, Beweismitteln oder Gerichtsakten. Das Fehlen von Geburtsregistern erschwert die Altersfeststellung, woraufhin die Gerichte Jugendliche wie Erwachsene verurteilen, auch zum Tode (USDOS 13.04.2016). Zudem gibt es Stammes-Gerichte, in denen Stammesrichter, meist neutrale und respektierte Scheichs, auf Basis des Stammesrechts Urteile fällen, manchmal auch in Kriminalfällen. Die Behörden beschuldigen unter Stammesrecht Verurteilte meist nicht formell, sondern klagen sie vielmehr öffentlich an. Stammesrechtliche Verhandlungen konzentrieren sich häufig eher auf den sozialen Zusammenhalt der Gemeinschaft als auf Bestrafung. Die Urteile haben dasselbe Gewicht wie Gerichtsurteile, teilweise sogar ein stärkeres, weil die Stammesgerichte oft als glaubwürdiger als die als korrupt und abhängig geltenden Gerichte angesehen werden (USDOS 13.04.2016).
Sicherheitsbehörden
Die primären staatlichen Nachrichtendienste, die Organisation für Politische Sicherheit (Political Security Organisation - PSO) und das Büro für Nationale Sicherheit (National Security Bureau - NSB) unterstehen zuerst dem Innenminister und dann dem Präsidenten. Die Zusammenarbeit dieser beiden Organisationen bleibt unklar, und es gibt keine klaren Definitionen vieler Prioritäten des NSB. Die PSO ist laut Gesetz dafür zuständig, politische Verbrechen und Sabotageakte aufzudecken und zu verhindern (USDOS 3.3.2017; vgl. Global Security 21.1.2015). Die PSO und das NSB gerieten Ende 2014 unter die Kontrolle der Rebellen der Huthi-Saleh-Allianz. Die Hadi-geführte Regierung behielt jedoch ihre eigenen Ernennungen zum PSO und zur NSB in den von der Regierung kontrollierten Gebieten bei, ähnlich anderen dualen oder parallelen Strukturen in den Institutionen des Landes (USDOS 3.3.2017, vgl. FH 2017). Auch die Abteilung für Kriminaldienstliche Ermittlungen (Criminal Investigation Division) untersteht dem Innenministerium und führt die meisten Untersuchungen und Festnahmen in Kriminalfällen durch. Der Innenminister kontrolliert außerdem die paramilitärischen Spezialsicherheitskräfte (Special Security Forces SSF, ehemals Central Security Forces CSF) - oft zur Kontrolle von Menschenansammlungen eingesetzt -, sowie die Anti-Terror-Einheit. Dem Verteidigungsminister unterstehen außerdem Einheiten zum Einsatz gegen interne Unruhen und in internen bewaffneten Konflikten (USDOS 3.3.2017). Die Straflosigkeit von Sicherheitsbeamten blieb ein Problem, zum einen, weil die Hadi-geführte Regierung nur begrenzte Autorität ausübte und zum anderen, weil es keine wirksamen Mechanismen zur Untersuchung und Verfolgung von Missbrauch und Korruption gab. Die SSF, die Sondereinsatzkräfte des Jemen, die Präsidentengarde (ehemals republikanische Garde), die NSB und andere Sicherheitsorgane berichteten angeblich an die zivilen Behörden des Innenministeriums, des Verteidigungsministeriums und des Präsidentenbüros. Die zivile Kontrolle über diese Einrichtungen verschlechterte sich jedoch weiter, da die Rebellenakteure Umstrukturierungsbemühungen rückgängig machten. Durch die Verschärfung des Problems der Straflosigkeit verstärkten Interessensgruppen, darunter auch die Familie des ehemaligen Präsidenten Saleh und andere Stammes- und Parteigruppen, ihren Einfluss auf diese Einrichtungen, oft auf inoffiziellem Wege und nicht durch die formale Befehlsstruktur (USDOS 3.3.2017).
Folter und unmenschliche Behandlung
Die Verfassung verbietet Folter und ähnliche andere Missbräuche. Es gibt Bestimmungen, dass Folter mit bis zu zehn Jahren Haft bestraft werden kann, aber das Gesetz bietet keine genaue Definition von Folter (USDOS 3.3.2017). Sowohl die Houthi-Rebellen als auch die alliierten Streitkräfte haben Menschen verschwinden lassen, Gefangene gefoltert und zahlreiche Aktivisten, Journalisten, Stammesführer und politische Gegner willkürlich festgenommen. Seit August 2014 wurden die willkürliche oder missbräuchliche Festnahme von mindestens 61 Personen durch die in Sanaa ansässigen Behörden dokumentiert (HRW 12.1.2017). Zivilisten, die sich zu Wort meldeten oder sich den Konfliktparteien auf andere Weise widersetzten, waren Schikanen, Einschüchterungen, Inhaftierungen und gelegentlich Folter und Tötungen ausgesetzt. Am 22. Juni 2017 eröffnete die jemenitische Regierung gemäß dem Präsidialerlass Nr. 115 eine Untersuchung mutmaßlicher Folterungen und Verschwinden-Lassens durch Einheiten der Vereinigten Arabischen Emirate und ihrer alliierten jemenitischen Streitkräfte im Süden des Landes. Mit Stand Mitte August 2017 hatte der sechsköpfige Untersuchungsausschuss, der die Untersuchung durchführte, seine Ergebnisse noch nicht veröffentlicht (UN-HRC 13.9.2017). In einer Untersuchung behauptet Associated Press, dass die Vereinigten Arabischen Emirate (VAE) und ihre alliierten jemenitischen Sicherheitskräfte willkürlich Festgenommene inhaftieren und foltern, und dieselben auch von US-Truppen in einem Netzwerk von Geheimgefängnissen im gesamten südlichen Jemen verhört werden. Associated Press dokumentierte mindestens 18 Geheimgefängnisse im südlichen Jemen, die von den Vereinigten Arabischen Emiraten oder von jemenitischen Streitkräften betrieben wurden, und bezog sich dabei auf Berichte ehemaliger Häftlinge, Familien von Gefangenen, Anwälte und jemenitischer Militärbeamte. Die Einrichtungen sind entweder versteckt oder der jemenitischen Regierung nicht zugänglich. Auch US-amerikanische Kräfte seien bei den Verhören anwesend gewesen. In einem der Hauptgefängniskomplexe am Flughafen von Riyan im südlichen Teil der Stadt Mukalla berichteten ehemalige Häftlinge, sie seien wochenlang mit Fäkalien beschmiert und mit verbundenen Augen in Schiffscontainern zusammengepfercht worden. Sie sagten, sie wurden verprügelt, auf dem sogenannten "Grill" gefesselt und sexuell missbraucht (AP 22.6.2017). Die jemenitische Menschenrechtsorganisation "SAM" hat mit Stand Mai 2017 über 200 illegale Haftanstalten und Gefängnisse dokumentiert, die von Huthi-Milizen und Salehs Streitkräften, bewaffneten Gruppen, die mit der legitimen Regierung verbündet sind, oder von der Regierung anerkannten Militärbefehlshabern verwaltet werden. Verschiedene Quellen, darunter Opfer und Augenzeugen, bestätigten, dass Häftlinge körperlicher und seelischer Folter ausgesetzt warn, und dass ihnen die Grundrechte verweigert wurden, wie sie in der jemenitischen Verfassung und den internationalen Gesetzen verankert sind (SAM 5.9.2017).
Korruption
2016 lag der Jemen auf Platz 170 von 176 (Anmerkung: 2015 Platz 154 von 168) des Korruptionsindex von Transparency International (TI 2016). Das Gesetz sieht Strafen für amtliche Korruption vor, die Exilregierung setzt dieses Gesetz jedoch nicht effektiv durch. Kleinere Fälle von Korruption kamen häufig und in fast allen Ämtern vor. Von Bewerbern für einen Beruf wird oft erwartet, dass sie sich ihren Beruf kaufen. Zahlreiche Regierungsbeamte und öffentliche Bedienstete erhielten Bezahlungen für Arbeiten, die sie nicht ausführten, oder mehrere Gehälter für eine Arbeitsstelle. Korruption ist ein ernstes Problem in fast allen Bereichen und auf allen Ebenen der Regierung, besonders im Sicherheitssektor. Bestechungen und Korruption spielen auch eine wichtige Rolle in Gefängnissen. Insassen, die Bestechungsgelder zahlten, bekamen Vergünstigungen (USDOS 3.3.2017).
Die Beobachter glaubten, die Steuerinspektoren würden die Berechnungen zu niedrig ansetzen und den Differenzbetrag einstreichen. Korruption betraf auch regelmäßig das öffentliche Beschaffungswesen. Jüngste Analysen von unparteiischen internationalen und lokalen Beobachtern, einschließlich Transparency International, stimmten darin überein, dass Korruption in allen Regierungsbereichen und -ebenen, insbesondere im Sicherheitssektor, ein ernsthaftes Problem darstelle. Internationale Beobachter vermuteten, dass Regierungsbeamte und Parlamentarier von internen Absprachen, Veruntreuung und Bestechungsgeldern profitierten. Politische Führer und die meisten Regierungsbehörden haben nur unwesentliche Maßnahmen zur Bekämpfung der Korruption ergriffen. Korruption ist in der jemenitischen Polizei vorherrschend, meist in Form von kleineren Bestechungen. Eine Untersuchung des jemenitischen Meinungsforschungszentrum (Yemen Polling Center) über Bestechung ergab, dass 59% der Teilnehmer das Sicherheitspersonal als am meisten korrupt innerhalb des öffentlichen Sektors identifizierten. Die schlechte Bezahlung scheint ein Grund für die hohe Korruptionsrate zu sein. Manche Polizeistationen haben Abteilungen für "interne Angelegenheiten", die Missbräuche untersuchen sollen, und Bürger haben die Möglichkeit Beschwerde beim Staatsanwalt vorzubringen (Global Security 2.9.2017).
Wehrdienst und Rekrutierungen
2001 wurde im Jemen die zweijährige Wehrpflicht abgeschafft. Obwohl Gesetz und Regierungspolitik die Praxis ausdrücklich verbieten, nahmen Kinder unter 18 Jahren direkt an bewaffneten Konflikten für Regierungs-, Stammes- und Militärkräfte teil, vor allem als Wächter und Kuriere (Global Security 2.9.2017, vgl. USDOS 3.3.2017). Das Mindestalter für einen freiwilligen zweijährigen Wehrdienst beträgt 18 Jahre (CIA 27.9.2017). 2014 unterzeichnete die jemenitische Regierung einen Aktionsplan der Vereinten Nationen zur Beendigung des Einsatzes von Kindersoldaten. Mangels einer effektiven Regierung wurde der Aktionsplan jedoch noch nicht umgesetzt. Huthi-Kräfte, die Regierungskräfte und andere bewaffnete Gruppen haben Kindersoldaten eingesetzt (HRW 12.1.2017). Fast ein Drittel der Kämpfer im Land waren nach einigen Schätzungen jünger als 18 Jahre. Das Fehlen eines einheitlichen Systems für die Registrierung der Geburten erschwerte den Nachweis des Alters, was zuweilen zur Rekrutierung von Minderjährigen beitrug. Huthis und andere bewaffnete Gruppen, einschließlich Stammes- und islamistische Milizen sowie die Al-Qa'ida auf der Arabischen Halbinsel (AQAP) haben ihre Rekrutierung, Ausbildung und den Einsatz von Kindern als Teilnehmer am Konflikt verstärkt. Im April 2016 berichteten die Vereinten Nationen von über 762 verifizierten Fällen von Rekrutierung von jugendlichen Soldaten. Laut Berichten internationaler NGOs benutzten Stämme, einschließlich einiger bewaffneter und von der Regierung finanzierter Stämme, die neben der regulären Armee kämpften, minderjährige Rekruten in Kampfzonen. Huthi-Saleh-Rebellen setzten regelmäßig Kinder ein, um Kontrollpunkte zu besetzen und Fahrzeuge zu durchsuchen. Die Kämpfer waren angeblich verheiratete Burschen zwischen 12 und 15 Jahren, eingesetzt während bewaffneter Konflikte in den nördlichen Stammesgebieten. Gemäß der Stammestradition werden verheiratete Burschen als Erwachsene betrachtet, die dem Stamm Loyalität schulden. Infolgedessen war laut NGOs die Hälfte der Stammeskämpfer Jugendliche unter 18 Jahren (USDOS 3.3.2017). Huthi-Milizen an der Seite ihrer republikanischen Garde haben in mehreren Distrikten in Tihamah eine Zwangsrekrutierung vorgeschrieben. Sie bedrohten die Bürger, zwangen sie zu einer militärischen Ausbildung, und bereiteten sie auf die Entsendung zur Front vor. Die Rekrutierung konzentrierte sich hauptsächlich auf die Söhne der südlichen Region von Al Hudaydah. Sie haben auch die von ihnen kontrollierten Gebiete ins Visier genommen und angekündigt, dass alle, die sich der Rekrutierung entziehen und ihre Kriegspflicht nicht erfüllen, mit Gefängnis und Geldstrafen rechnen müssen (ASAA 17.2.2016). Die offizielle Website der Huthis, Ansarollah, berichtet am 28.3.2017, dass der Revolutionsführer Abdul Malik Badreddin Al Huthi dazu aufgefordert habe, die Rekrutierung in die Armee auszuweiten, um die Verräter zu ersetzen, die geflohen seien oder sich dem amerikanisch-saudischen Feind angeschlossen hätten. Jungen Männern solle eine Chance gegeben werden, ihr Land zu verteidigen. Die Fähigkeiten des Militärs müssten ebenfalls weiterentwickelt werden (ACCORD 10.10.2017). Abdul Malik Al Huthi, der Führer der Huthi, verkündete am 14.9.2017, dass die Al-Huthi-Saleh-Allianz die 2001 abgeschaffte wieder Wehrpflicht einführen werde (CT 15.9.2017).
Allgemeine Menschenrechtslage
Die Bevölkerung im Jemen litt weiterhin unter den Auswirkungen von bewaffneten Konflikten und Gewalt sowie anderen schweren Menschenrechtsverletzungen und Missbräuchen. Luftangriffe und Beschuss trafen wiederholt Gebiete, die von Zivilisten besiedelt waren. Die Menschen sahen sich anhaltenden Schwierigkeiten ausgesetzt, weil der Zugang zu Nahrungsmitteln und anderen Grundbedarfsgegenständen, Gesundheitsfürsorge und Bildung eingeschränkt oder gar nicht möglich war. Zwangsumsiedlungen und Bewegungseinschränkungen, verstärkt durch das Vorhandensein von Scharfschützen oder Landminen, betrafen unmittelbar Zivilpersonen und verursachten Todesfälle, Verletzungen, Zerstörung von Eigentum, Verlust der Lebensgrundlagen und die Verhinderung des Zugangs zu lebenswichtigen Dienstleistungen. Zivilisten, die sich kritisch äußerten oder sich den Konfliktparteien auf andere Weise widersetzten, waren Schikanen, Einschüchterungen, Inhaftierungen und gelegentlich Folter und Tötungen ausgesetzt. Frauen, Kinder, religiöse und soziale Minderheiten, Flüchtlinge und Binnenvertriebene waren unverhältnismäßig stark betroffen (UN-HRC 13.9.2017; vgl. SAM 15.2.2017). Die wichtigsten Menschenrechtsprobleme waren die von verschiedenen Gruppen begangene Gewalt, schwache und gescheiterte staatliche Institutionen, was eine weit verbreitete Missachtung der Rechtsstaatlichkeit erlaubte, und die Unmöglichkeit der Bürger, ihre Regierung durch freie und faire Wahlen zu wählen. Andere Menschenrechtsverletzungen betrafen Morde, Verschwindenlassen, Entführungen und Berichte über die Anwendung übermäßiger Gewalt und Folter durch Sicherheitskräfte sowie durch die verschiedenen militanten Gruppen; grausame, unmenschliche oder erniedrigende Behandlung oder Strafe; schlechte Haftbedingungen; willkürliche Festnahmen und Inhaftierungen; langwierige Untersuchungshaftstrafen; Verletzungen der Rechte der Bürger auf Privatsphäre; Beschränkungen der Meinungs-, Presse-, Versammlungs-, Vereinigungs- und Bewegungsfreiheit; Einschränkungen der Religionsfreiheit, insbesondere für Mitglieder der Religionsgemeinschaft der Bahai; mangelnde Transparenz der Regierung; Korruption; Gewalt und Diskriminierung von Frauen, Kindern, Menschen mit Behinderungen und Minderheiten; Einsatz von Kindersoldaten; Einschränkungen der Arbeitnehmerrechte; Menschenhandel, einschließlich Zwangsarbeit (USDOS 3.3.2017). Dutzende von Luftangriffen der Militärkoalition, die gegen das Kriegsrecht verstoßen, haben wahllos oder unverhältnismäßig Tausende Zivilisten getötet und verletzt. Die Koalition setzte auch international verbotene Streumunition ein. Huthi-Einheiten und alliierte Streitkräfte begingen schwere Verstöße gegen das Kriegsrecht, indem sie verbotene Antipersonenminen legten, Häftlinge misshandelten und wahllos Raketen in besiedelte Gebiete schossen und Hunderte von Zivilisten töteten (HRW 12.1.2017). Seit Beginn der Überwachung ziviler Opfer im März 2015 durch das UN-Büro des Hochkommissars für Menschenrechte (OHCHR) sind bis Juni 2017 mindestens 13.520 zivile Opfer verifiziert, davon 4.980 Tote und 8.540 Verletzte. 2017 wurden bis Juni mehr als 1.000 Fälle verzeichnet. Die vom OHCHR erfassten Daten zeigen, dass die am stärksten von den Konflikten betroffenen Provinzen Aden, Al-Hudaydah, Sana'a und Ta'izz waren. Einige der Zwischenfälle unter Involvierung verschiedener Konfliktparteien könnten der Verletzungen des humanitären Völkerrechts gleichkommen. In vielen Fällen deuteten Informationen, die vom OHCHR eingeholt wurden, darauf hin, dass Zivilisten möglicherweise direkt ins Visier genommen wurden, oder dass Operationen ohne Rücksicht auf ihre Auswirkungen auf Zivilpersonen und ohne Berücksichtigung der Grundsätze der Unterscheidung, der Verhältnismäßigkeit und der Vorsichtsmaßnahmen bei Angriffen durchgeführt wurden. In einigen Fällen deuteten Informationen darauf hin, dass keine Maßnahmen ergriffen wurden, um die Auswirkungen der militärischen Operationen auf die Zivilbevölkerung abzumildern. Nach Urteil des OHCHR wurden Zivilpersonen zu keinem Zeitpunkt vorgewarnt, um die Möglichkeit zu erhalten, Einsatzgebiete sicher verlassen zu können. Deren Zugang zu lebensrettender oder lebenserhaltender humanitärer Hilfe war stark eingeschränkt oder in einigen Fällen behindert (UN-HRC 13.9.2017). Im auch 2016 weiterhin andauernden bewaffneten Konflikt verübten alle Parteien Kriegsverbrechen und andere schwere Verstöße gegen das Völkerrecht, ohne dafür zur Rechenschaft gezogen worden zu sein. Die von Saudi-Arabien geführte Militärallianz, welche die international anerkannte Regierung des Jemen unterstützt, bombardierte Krankenhäuser sowie andere zivile Einrichtungen und verübte wahllose Angriffe, bei denen zahlreiche Zivilpersonen getötet oder verwundet wurden. Die bewaffnete Gruppe der Huthi und mit ihr verbündete Einheiten beschossen Wohngebiete in Ta'izz und feuerten Artilleriegeschosse wahllos über die Grenze nach Saudi-Arabien. Dabei gab es Tote und Verletzte unter der Zivilbevölkerung. Die Huthi und ihre Verbündeten schränkten in den von ihnen kontrollierten Gebieten die Rechte auf Meinungs-, Vereinigungs- und Versammlungsfreiheit drastisch ein. Sie zwangen NGOs zur Schließung und inhaftierten willkürlich Kritiker und politische Gegner, darunter Journalisten und Menschenrechtsverteidiger. Einige der Inhaftierten fielen dem Verschwindenlassen zum Opfer, wurden gefoltert oder anderweitig misshandelt. Frauen und Mädchen wurden nach wie vor Opfer von Diskriminierung und anderen Menschenrech