Entscheidungsdatum
20.04.2020Norm
ADV §2Spruch
W208 2224722-1/18E
IM NAMEN DER REPUBLIK!
Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Dr. Ewald SCHWARZINGER über die Beschwerde von XXXX , vertreten durch Rechtsanwalt Mag. Jörg DOSTAL, 5050 SALZBURG, Vogelweidstraße 55, gemäß Art 130 Abs 1 Z 2 B-VG, wegen einer Festnahme durch die Militärpolizei in XXXX am 12.09.2019, nach Durchführung einer Verhandlung zu Recht erkannt:
A)
I. Gemäß § 28 Abs 6 VwGVG wird der Beschwerde stattgegeben und der angefochtene, durch Organe der Militärpolizei der Bundesministerin für Landesverteidigung am 12.09.2019 im Eingangsbereich der XXXX -Kaserne, XXXX , gegenüber der beschwerdeführenden Partei gesetzte Akt der verwaltungsbehördlichen Befehls- und Zwangsgewalt - Einschränkung der körperlichen Bewegungsfreiheit um 09:54 Uhr und vorläufige Festnahme nach § 44 Abs 1 HDG um 11:44 Uhr sowie deren Aufrechterhaltung bis 13:45 Uhr - für rechtswidrig erklärt.
II. Der Bund als Rechtsträger der belangten Behörde hat der beschwerdeführenden Partei gemäß § 35 Abs 4 Z 2 VwGVG die Fahrtkosten von ? 120,96 sowie gemäß § 35 Abs 4 Z 3 VwGVG in Verbindung mit der VwG-Aufwandersatzverordnung den Schriftsatzaufwand von ? 737,60 und den Verhandlungsaufwand von ? 922,00, binnen vier Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen. Das Mehrbegehren wird abgewiesen.
B)
Die Revision ist gemäß Art 133 Abs 4 B-VG nicht zulässig.
Text
ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:
I. Verfahrensgang:
1. Die Beschwerdeführerin (BF) steht in einem öffentlich-rechtlichen Dienstverhältnis als Militärperson auf Zeit (Soldatin) und wurde am 12.09.2019 durch Organe der Militärpolizei (MP) im Eingangsbereich bzw in der XXXX -Kaserne in XXXX gemäß § 44 Abs 1 Z 3 Heeresdisziplinargesetz 2014 (im Folgenden: HDG) unter Anwendung von verwaltungsbehördlichen Befehls- und Zwangsgewalt vorläufig festgenommen.
2. Am 24.10.2019 langte gegen die Festnahme beim BVwG eine Maßnahmenbeschwerde gemäß Art 130 Abs 1 Z 2 B-VG des Rechtsvertreters der BF (im Folgenden: RV) ein (ON 1). Behauptet wurde, diese sei
A) unter Anwendung rechtswidriger Befehls- und Zwangsgewalt,
B) rechtswidriger Nutzung unrechtmäßiger Mittel,
C) rechtswidrigem Waffengebrauch sowie lebensgefährdenden Waffengebrauch
erfolgt. Beantragt wurde eine Verhandlung durchzuführen, die angewendeten Maßnahmen für rechtswidrig zu erklären sowie die Eingabegebühr, die Fahrtkosten und die Pauschalbeträge für den Schriftsatz- und Verhandlungsaufwand gemäß VwG-AufwErsV BGBl II 2013/517 geltend zu machen.
3. Mit Schreiben vom 29.10.2019 (zugestellt am 07.11.2019) wurde der Bundesminister für Landesverteidigung (im Folgenden: BMLV) aufgefordert, binnen 4 Wochen ab Zustellung zu der Beschwerde Stellung zu nehmen (ON 2). Dieser Termin wurde auf Ersuchen des BMLV vom 25.11.2019 erstreckt (ON 3) und am 30.12.2019 langte eine mit 23.12.2019 datierte Stellungnahme des BMLV ein (ON 4).
4. In der Stellungnahme wurde unter anderem auf ein bei der Staatsanwaltschaft (StA) XXXX anhängiges Ermittlungsverfahren zu XXXX (mittlerweile XXXX ) hingewiesen, indem die handelnden Personen vernommen worden seien.
Das BVwG ersuchte die StA um Übermittlung der Niederschriften und damit im Zusammenhang stehender Ermittlungsergebnisse (ON 5, zugestellt 16.01.2020). Diese langten am 29.01.2020 (ON 6) beim BVwG ein.
5. Da darin die Eingaben/Aussagen der BF bei bzw an die StA fehlten, wurde dem RV in der Ladung zur Verhandlung vom 03.02.2020 aufgetragen diese an das BVwG zu übermitteln. Dem BMLV wurde die Unterlagen der StA mit der Ladung übermittelt (ON 7).
6. Mit Schreiben vom 18.02.2020 legte der RV Unterlagen vor und beantragte gleichzeitig eine kontradiktorische Einvernahme der BF, weil verhindert werden müsse, dass diese den Zeugen (den festnehmenden MP-Organe) begegne, da sie unter einer posttraumatischen Belastungsstörung (PTSD, F43.1) leide (ON 11 / Beilage D / Befundbericht vom 06.02.2020 des Facharztes für Psychiatrie Dr. XXXX ).
7. Am 26.02.2020 fand vor dem BVwG eine mündliche Verhandlung statt, bei der die BF im Beisein ihres RV einvernommen wurde sowie die Heerespsychologin Oberstleutnant (Obstlt) Mag. XXXX (KA) - bei der sich die BF am Tag der Festnahme einer Diensttauglichkeitsuntersuchung unterzogen hatte - und zwei Angehörige der MP, Vizeleutnant (Vzlt) XXXX (MH) und Vzlt XXXX (SW) als Zeugen befragt wurden.
Im Zuge der Verhandlung wurden folgende Beweismittel vorgelegt und der VHS beigelegt:
Blg 1: Ladung der BF zur (zweiten) Diensttauglichkeitsuntersuchung am 12.09.2019, durch das Kommando Streitkräfte vom 01.08.2019.
Blg 2: Bescheid des Kommando Streitkräfte vom 30.04.2019, wonach das Kündigungsverfahren gegen die BF vorerst ausgesetzt werde, weil die Ermittlungsergebnisse der StA XXXX wegen des Verdachtes der Brandstiftung (§ 169 StGB) und der falschen Beweisaussage (§ 288 StGB) abgewartet würden. Dieser Bescheid wurde am 30.04.2019 elektronisch dem RV zugestellt, weil die BF diesen mit ihrer Rechtsvertretung beauftragt hatte.
Blg 3: Schreiben des RV vom 27.05.2019 an das Kommando Streitkräfte, indem dieser darauf hinwies, dass sämtliche Vorwürfe gegen die BF von der StA eingestellt worden seien, sie sich nach wie vor im Krankenstand befinde und sich rechtliche Schritte gegen Kameraden beim BMLV vorbehalte. Er begehrte Akteneinsicht in den Kündigungsakt und verlangte die Übermittlung des psychologischen Gutachtens von Mag. KA anlässlich der (ersten) Diensttauglichkeitsuntersuchung beim Heerespsychologischen Dienst (HPD) vom 28.08.2018.
Blg 4: Eine vom Lebensgefährten der BF XXXX (MB) angefertigte Abschrift einer Audioaufzeichnung von der Amtshandlung der MP vom 12.09.2019, die die BF heimlich mit ihrer Smart-Watch und dem Mobiltelefon aufgenommen hatte.
Dazu beantragte der RV noch während der Verhandlung diese von der Akteneinsicht durch die belangte Behörde auszunehmen, weil sie noch als Beweismittel im Strafverfahren verwendet werde und zu verhindern sei, dass das BMLV den Inhalt an die dort zu vernehmenden MP-Organe weitergebe (VHS, 7).
Der RV spielte am Ende der Verhandlung eine Sequenz der Audioaufzeichnung vom Smartphone der BF vor. Sowohl er als auch die BF zitierten während der Verhandlung immer wieder aus der Abschrift, daher wurde dem RV aufgetragen, die gesamte Datei dem BVwG vorzulegen, damit sich der erkennende Richter von der Übereinstimmung der Mitschrift mit der Aufnahme überzeugen kann (VHS 26).
Blg 5: Entbindung von der Amtsverschwiegenheit der Mag. KA vom 18.02.2020.
Blg 6: Ladung im Auftrag des Kommandanten der Feldambulanz des Sanitätszentrums XXXX , vom 12.04.2019 (EINSCHREIBEN), zu einer ärztlichen Untersuchung der BF am 14.05.2019, mit dem Ersuchen sämtliche Befunde, Krankengeschichten, Arztbriefe, Röntgenbilder, etc mitzubringen.
Blg 7: Ladung des Kommandanten der Feldambulanz des Sanitätszentrums XXXX vom 29.05.2019 zu einer ärztlichen Untersuchung der BF am 27.06.2019, mit dem Ersuchen sämtliche Befunde, Krankengeschichten, Arztbriefe, Röntgenbilder, etc mitzubringen.
Blg 8: Fahndungsantrag des Kommandanten Jägerbataillon XXXX (im Folgenden: JgB) an die MP vom 28.08.2019, in dem angeführt ist, dass sich die BF nach ihrem Krankenstand nicht an der Dienststelle gemeldet und den Dienst seit 30.07.2019 nicht angetreten habe. Sie sei schon einmal zwischen 14.05. und 14.07.2019 unerlaubt abwesend gewesen. Als Bedarfsträger wird die 1. Jägerkompanie/JgB angeführt.
Blg 9: Entbindung von der Amtsverschwiegenheit des Zeugen Vzlt SW vom 17.02.2020.
Am Ende der Verhandlung wurde der belangten Behörde aufgetragen, die kurz vor dem Fahndungsantrag vom 28.08.2019 dem Disziplinarvorgesetzten vorliegenden Krankenbestätigungen binnen 3 Wochen dem BVwG vorzulegen. Generell wurde eine Frist von 14 Tagen für allfällige Protokollrügen eingeräumt.
8. Am 06.03.2020 nahm der Vertreter der belangten Behörde Akteneinsicht und wurde ihm diese im Sinne der Waffengleichheit - entgegen dem Antrag des RV - auch in die Blg 4 (Abschrift der Audiodatei) eingeräumt, weil der RV und die BF daraus mehrfach zitiert hatten. Der Behördenvertreter hat sich anlässlich der Akteneinsicht die ON 11 (siehe oben Punkt 6) kopiert (ON 13).
9. Mit Schriftsatz vom 11.03.2020 brachte der RV eine Stellungnahme ein und ergänzte diese durch weitere Urkunden und Anträge (ON 15). Eine Protokollberichtigung wurde nicht verlangt und der Antrag auf Fahrtkostenerstattung der BF konkretisiert (2 x 144 km amtliches Kilometergeld von ? 0,42, in Summe ? 120,96).
Zusammengefasst führte der RV aus, dass der Gesundheitszustand der BF der Dienststelle seit 28.09.2018 bekannt gewesen sei. Sie habe auch fortlaufend Krankenbestätigungen vorgelegt. Der Truppenarzt habe ihr am 15.07.2019 attestiert, dass sie nicht dienstfähig sei, ebenso wie die Heerespsychologin am 12.09.2019. § 10 Abs 2 ADV führe aus, dass die Beurteilung der Dienstfähigkeit aller Soldaten den Militärärzten obliege. Aufgrund der von der BF dem JgB mit Mails vom 16. und 26.07.2019 vorgelegten Krankenbestätigungen (ohne Abschreibungsdatum) sowie der mehrfachen Erklärung der BF, dass sie im Krankenstand sei, sei sowohl die Anregung der Disziplinarkommission beim BMLV, der BF bei der Dienstunfähigkeitsuntersuchung "habhaft" zu werden, als auch der Befehl zur Festnahme über das JgB und die MP-Kompanie rechtswidrig gewesen. § 41 Abs 2 Wehrgesetz stelle ausdrücklich fest, dass Soldaten nur im Rahmen ihrer Dienstfähigkeit verwendet werden dürften. Der Behördenvertreter gehöre der Disziplinarkommission an und werde beantragt diesen als Zeugen zu den anwendbaren Rechtsvorschriften zu befragen, zumal dieser in der Verhandlung auch angeführt habe die BF sei kein unbeschriebenes Blatt. Angeregt werde die Beschränkung der Akteneinsicht, um die strafrechtlichen Ermittlungen und die Interessen der BF nicht zu gefährden.
Die Audioaufzeichnung wurde auf USB-Stick gespeichert beigelegt, mit dem Ersuchen diese solle nach der Anhörung durch den erkennenden Richter an den RV zurückgestellt werden.
Weitere Beilagen waren die oben erwähnte Bestätigung des Truppenarztes vom 15.07.2019 die beiden Mails der BF an Major (Mjr) Mag. XXXX (LM), den stv Bataillonskommandanten vom 16. und 26.07.2019, der Fahndungsantrag vom 28.08.2019 und das Attest des HPD vom 12.09.2019, wonach die BF für "nicht dienstfähig" befundet wurde.
10. Am 12.03.2020 wurden die folgenden Protokollanmerkungen des Behördenvertreters und weitere Urkunden vorgelegt, eine ergänzende Stellungnahme abgegeben und Beweisanträge gestellt (ON 14).
Aufgrund der zu Recht erhobenen Protokollanmerkungen wird die Verhandlungsschrift vom 26.02.2020 wie folgt ergänzt:
"Zu Beginn der Verhandlung bemerkt der RV, dass der Lebensgefährte der BF nicht nur diese begleitet, sondern auch den RV in seiner Kanzlei bei technischen Angelegenheiten unterstützt. Als Beispiel wird das Abspielen der Tonaufnahme gebracht.
Bei der Abklärung der allgemeinen Daten der BF gibt die BF an, dass sie Militärperson auf Zeit ist und damit dem WG 2001 und der ADV unterliegt.
Nach der Vernehmung des Zeugen SW wird eine Sequenz der Tonaufnahme vom Handy der BF über einen portablen Lautsprecher abgespielt. Dabei sollte der behauptete unzulässige Waffeneinsatz bei der Durchsetzung der Festnahme bewiesen werden, weil man angeblich das Wort "Hemmung" von MP-Organ XXXX (GD) hört. Beim Vorspielen dieser Sequenz merkt der erkennende Richter an, dass nicht erkennbar ist, ob das Wort "Hemmung" von GD ist und auch, dass sich dieses Wort völlig anders anhört als der Rest der Sequenz. Der erkennende Richter weist die BF darauf hin, dass dieses Beweismittel in dieser Form Zweifel aufwirft. Der RV gibt an, dass natürlich die Datei im Original übermittelt werden wird und selbstverständlich auch auf Manipulationen geprüft werden kann. Der Behördenvertreter merkt an, dass die Behörde auf eine forensische Überprüfung auf Manipulation besteht."
In der Stellungnahme wurde auf das Wesentliche zusammengefasst und nach Zitierung diverser Rechtsvorschriften, angeführt, dass die Festnahme nach § 44 Abs 1 Z 3 HDG wegen Verharren in der Pflichtverletzung bei Betretung auf frischer Tat erfolgt sei. Die MP-Organe seien mit einer Soldatin konfrontiert gewesen, die mehrere Pflichtverletzungen begangen habe und gegen die von der StA ermittelt werde. Die BF unterliege als Soldatin - anderes als ein Bürger - der Gehorsams- und Meldepflicht. Verletzungen der Gehorsamspflicht seien im Bereich der militärischen Landesverteidigung grundsätzlich nicht als geringfügig zu werten (VwGH 26.06.1997, 95/09/0265). Konkret sei der Verdacht einer Pflichtverletzung durch "Nichtnachkommen der Meldepflicht" gemäß § 9 ADV (Nichtvorweisen der Krankenbestätigung bei der Personenkontrolle trotz Konfrontation mit der unerlaubten Abwesenheit) vorgelegen. Durch die Weigerung, dem Befehl zu einer Einvernahme auf der Dienststelle in dieser Angelegenheit zu folgen, sei die Pflichtverletzung des "Nichtbefolgen von Befehlen" gemäß § 7 ADV hinzugetreten. Trotz Erklärungen und Ermahnungen sei die BF im Ungehorsam verharrt. Die MP-Organe hätten die an sie gerichteten Befehle umzusetzen und zumindest die ersten Ermittlungsmaßnahmen der Disziplinarbehörde zu beginnen gehabt. Den "inneren Zustand" der BF hätten sie nicht berücksichtigen können, da ihnen die Gesundheitsdaten nicht bekannt gewesen seien. Auch im Krankenstand seien Befehle zulässig und zu befolgen.
Als weitere Beweismittel waren beigelegt:
Blg 1-12: Bezugszettel 2019 aus denen hervorgeht, dass der BF mehrmals die Bezüge gekürzt wurden (März, Juni, Juli, September, Oktober)
Blg 13-14: Zwei Führungsblätter betreffend von der BF begangener Pflichtverletzungen im Grenzeinsatz:
1) 30.07.2018: Youtube-Schauen und zu frühes Verlassen des Postens, Geldbuße ? 250,00
2) 20.08.2018: Schlafen im Dienst, Geldbuße ? 500,00;
Blg 15-18: Aktenvermerke des dienstführenden Unteroffiziers der Jägerkompanie/JgB (festgehalten auf Kalenderblättern) über versuchte erfolglose telefonische Kontaktaufnahmen (am 22.10.2018; 28. und 29.01.2019) und eine erfolgreiche (am 16.07.2019), wo die BF zurückgerufen hatte und ihr mitgeteilt wurde, dass die Abklärung über Mjr LM erfolge.
Blg 19: Beschuldigtenvernehmung der BF bei der StA vom 30.10.2018 bei des sie auf eine Stellungnahme ihres RV vom 31.10.2018 verwies. Es ging um einen Brand im Assistenzeinsatz/BURGENLAND am 23.07.2018 (sie hatte dort fahrlässig beim Anfachen eines Feuers im Ofen mit Treibstoff und Grillanzünder, auf einem Posten ein Feuer verursacht). Sie wurde weiters verdächtigt in der Nacht von 21. auf 22.04.2018 in XXXX einen Brand in einem leerstehenden Haus verursacht zu haben, weil sie in der Nähe war. Die BF hat das vehement bestritten. Eingestanden hat sie, dass sie im März 2016, beim Verbrennen von Erinnerungen an ihren Ex-Freund in einem Metall-Müllcontainer, ebenfalls einen Brand verursacht hat. Sie hat ihre Schuld diesbezüglich eingeräumt und Schadenswidergutmachung angeboten.
Diese Einvernahmen würden nach Ansicht der belangten Behörde beweisen, dass nicht alle Verfahren gegen die BF von der StA wegen ihrer Unschuld eingestellt worden seien.
Blg 20 und 21: Zwei psychologische Gutachten des HPD (verfasst von Obstlt Mag. KA) nach den beiden Diensttauglichkeitsuntersuchungen, vom 28.08.2018 und vom 20.09.2019. Der BF werden im ersten Gutachten ua eine Neigung zu ungerechtfertigtem Protest, Reizbarkeit, Streitlust, Verachtung von Autoritätspersonen und ausgeprägte narzisstische sowie passiv-aggressive Wesenszüge diagnostiziert. Im zweiten Gutachten lautet der Befund: F 43.21 Anpassungsstörung mit längerer depressiver Reaktion, bei zugrundliegender deutlich akzentuierter Persönlichkeitskonstellation (ausgeprägte, unreife sowie narzisstische und passiv-aggressive Wesenszüge); sie wird als nicht dienstfähig eingestuft und die dringende Erforderlichkeit einer psychologischen/psychotherapeutischen Behandlung festgestellt.
Zur Feststellung des genauen Ablaufes der Festnahme, wurde die Videoeinvernahme des im Auslandseinsatz befindlichen MP-Organs GD sowie des an der Festnahme ebenfalls beteiligten MP-Organes XXXX (JD) beantragt. Zum Beweis, dass die BF nicht bewusstlos war, wurde die Einvernahme des an der Festnahme unbeteiligten Zeugen Peter XXXX beantragt, der die BF während der Festnahme durchgehend habe brüllen und schreien gehört. Zum Beweis, dass bei der Festnahme kein Kubotan verwendet wurde, wurde die Einvernahme des Majorarztes Dr. XXXX (MA) beantragt, der die BF unmittelbar nach der Festnahme untersucht hatte. Weites zum selben Zweck, die Einvernahme der Polizistin XXXX vom STADPOLIZEIKOMMANDO XXXX , PI XXXX , wo die BF ihre erste Anzeige erstattet und dabei keine Angaben zu einem Kubotan gemacht hatte.
Schließlich wurde die Einholung eines datenforensischen Gutachtens zum Beweis dafür beantragt, dass die Audiodatei der Festnahme nicht manipuliert worden ist.
Ein Kommentar zur "Allgemeinen Dienstvorschrift für Soldaten (ADV)" wurde der Stellungnahme ebenfalls beigelegt.
11. Am 17.03.2020 kam die belangte Behörde dem Auftrag aus der Verhandlung nach (ON 16) und ergänzte im Vorlageschreiben, dass die letzte vorliegende Krankmeldung (bis 29.07.2019) nicht durch die kaum lesbaren Besuchsstempel beim Arzt erweitert worden sei. Es habe auch mehrere erfolglose Kontaktaufnahme- und Klärungsversuche gegeben und sei der Verband bzw die Disziplinarbehörde zu Recht von einer ungerechtfertigten Abwesenheit ab 30.07.2019 ausgegangen. Folgende Dokumente waren beigelegt:
Blg 1: Informationsmail des Kommando Streitkräfte an das JgB vom 15.05.2019, wonach die BF den Untersuchungstermin am 14.05.2019 nicht wahrgenommen und auch nicht auf Telefonanrufe reagiert habe, daher seien die Bezüge einzustellen, bis diese den Untersuchungstermin wahrgenommen habe.
Blg 2: Bestätigung des Truppenarztes des JgB vom 15.07.2019, "NICHT DIENSTFÄHIG", wobei angeführt wurde, dass die BF beim Hausarzt wiederbestellt sei.
Blg 3: Mail der BF an Mjr LM vom 16.07.2019, mit einer beiliegenden Arbeitsunfähigkeitsmeldung des Allgemeinmediziners Dr. XXXX (NM), in der der BF beginnend mit 15.07.2019 eine Arbeitsunfähigkeit bis voraussichtlich 29.07.2019 bescheinigt wurde. Das Feld "Letzter Tag der Arbeitsunfähigkeit" blieb unausgefüllt.
Blg 4: Mail der BF an Major LM vom 26.07.2019 mit zwei Beilagen, welche in der Folge auch postalisch übermittelt wurden.
Die Blg 1 ist eine Stellungnahme, in der die BF moniert, dass ohne vorherigen Kontaktversuch am 15.07.2019 zwei MP sie an ihrer Wohnadresse aufgesucht und sie mit dem unrichtigen Vorwurf einer unerlaubten Abwesenheit konfrontiert hätten. Sie reiche nunmehr ihre aktuellen Arztbestätigungen nach, wonach der Vorwurf der unerlaubten Abwesenheit seit 14.05.2019 widerlegt sei. Sie habe am 03.07.2019 mit dem HPD Kontakt aufgenommen und wolle sich einer Diensttauglichkeitsuntersuchung unterziehen, von den beiden bisherigen Terminen habe sie keine Kenntnis gehabt, erst die jüngste Ladung habe sie erreicht.
Die Blg 2 enthält eine Arbeitsunfähigkeitsbestätigung des Allgemeinmediziners Dr. XXXX (SC), ausgestellt am 02.10.2018, in der der BF eine Arbeitsunfähigkeit ab 28.09.2018 bescheinigt wird. Das voraussichtliche Ende ist nicht ausgefüllt und ist der Bestätigung ein Beiblatt mit 18 Stempeln des Arztes mit Paraphe beigelegt, wobei der letzte Stempel das handschriftliche Datum 19.07.2019 trägt. Auch das Feld "Letzter Tag der Arbeitsunfähigkeit" ist freigeblieben.
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
1. Feststellungen:
Aufgrund der vorgelegten Unterlagen, der Aussagen der genannten Zeugen und der Parteienvernehmung wird folgender Sachverhalt festgestellt:
Die Beschwerdeführerin (BF) ist seit April 2016 Militärperson auf Zeit. Sie ist Angehörige der 1. Jägerkompanie eines Jägerbataillon (1.Kp/JgB). Sie führt den Dienstgrad Zugsführer. Sie ist Soldatin im Dienststand iSd des § 1 Abs 3 Z 2 lit a WG 2001 und unterliegt neben dem WG 2001, dem Heeresdisziplinargesetz 2014 (HDG) sowie der Allgemeinen Dienstvorschrift für das Bundesheer (ADV).
Ihre Vorgesetzten sind ua Oberst (Obst) XXXX (TK) als Kdt/JgB und Disziplinarvorgesetzter, Major LM als S3 und stellvertretender Kdt/JgB bis 21.07.2019, Obstlt XXXX (BR) als weiterer stellvertretender Kdt/JgB; Mjr XXXX (HP) als S1/JgB sowie ihr Einheitskommandant zum Vorfallszeitpunkt, der Kommandant der 1. Kp, Hauptmann (Hptm) XXXX (HS). Davor (zumindest am 15.07.2019) war Oberleutnant (Olt) XXXX (MK) ihr Einheitskommandant, der in dieser Funktion ein Disziplinarverfahren wegen unerlaubter Abwesenheit für den Zeitraum 14.05.2019 bis 15.07.2019 eingeleitet hat (AS 156/Akt StA/ON 6 bzw Ermittlungsbericht der MP vom 18.07.2019, 4).
Die BF ist seit 28.09.2018 durchgehend dienstunfähig. Die ärztlichen Bestätigungen aus denen sich das ergibt (vgl vorne I.11.) wurden ausgestellt:
02.10.2018 - Dr. SC - Beginn der Arbeitsunfähigkeit 28.09.2018, kein letzter Tag angeführt!
15.07.2019 - Truppenarzt des JgB "NICHT DIENSTFÄHIG" (das war der Tag, an dem die BF von der MP aufgrund eines ersten Fahndungsauftrages, an ihrer Wohnadresse aufgesucht wurde, diese in die Kaserne begleitet hatte und Mjr LM vorgeführt wurde!)
16.07.2019 - Dr. NM - Beginn der Arbeitsunfähigkeit 15.07.2019, voraussichtliches Ende 29.07.2019, aber kein letzter Tag der Arbeitsunfähigkeit angeführt!
Diese Bestätigungen lagen dem JgB (Mjr LM), am 26.07.2019 vor, der sie - da seine Stellvertreterfunktion als Bataillonskommandant mit dem 21.07.2019 geendet hat - dem zu diesem Zeitpunkt zuständigen Stellvertreter des Bataillonskommandanten Obstlt BR sowie dem S1/JgB Mjr HP vorlegte.
Die drei Offiziere kamen zur Ansicht, dass die Unterlagen die Abwesenheit nicht rechtfertigen würden (das ergibt sich aus der Aussage des LM vor der StA - AS 209-220/Akt StA/ON 6).
Dies vor dem Hintergrund, dass die BF bereits am 14.05.2019 sowie am 27.06.2019 zu Diensttauglichkeitsuntersuchungen beim HPD geladen war, diesen Ladungen aber nicht nachgekommen war (wobei strittig ist, ob ihr diese Ladungen zugegangen sind). Sie wurde deshalb am 15.07.2019 aufgrund eines Fahndungsauftrages von der MP (konkret Vzlt MH) an ihrer Wohnadresse aufgesucht und ist dem Befehl in die Kaserne mitzukommen widerstandslos gefolgt. Der Einheitskommandant Olt MK leitete ein Disziplinarverfahren gegen sie wegen unerlaubter Abwesenheit von 14.05. bis 14.07.2019 ein. Bei der Einvernahme verweigerte sie eine Aussage und forderte eine Ladung über ihren Rechtsanwalt. Sie wurde dann dem Truppenarzt vorgeführt, der sie als "NICHT DIENSTFÄHIG" befunden hat. Das ist im Bericht der MP vom 18.07.2019, verfasst von Vzlt MH zu lesen (AS 151). Danach wurde Sie Mjr LM vorgeführt, der ihr eine Belehrung/Ermahnung hinsichtlich der Verabsäumung der Vorlage einer ärztlichen Bestätigung seit 14.05.2019 erteilte und ihr einen Befehl ausfolgte, wonach sie eine schriftliche Begründung für ihr Fernbleiben ihrer Dienststelle zu übergeben habe. Weiters habe sie am 16.07.2019 ihren Dienst bei der Einheit anzutreten, oder, falls sie sich dazu aus gesundheitlichen Gründen nicht in der Lage fühle, einen Arzt aufzusuchen und unverzüglich eine Krankenbestätigung auf geeignetem Weg vorzulegen (AS 149).
Die dritte Ladung vom 01.08.2019 für den Untersuchungstermin am 12.09.2019 - die über ihren RV zugestellt wurde - hat sie unstrittig erreicht und ist sie zu dieser Untersuchung erschienen. Den RV hatte die BF beauftragt, weil unter anderem wegen laufender Verfahren der StA (siehe vorne I.10.Blg 19), einem ersten Gutachten des HPD vom 28.08.2018 und wohl auch wegen ihres langen Krankenstandes ein Verfahren zur Kündigung des Dienstverhältnisses eingeleitet worden war. Die Betrauung des RV (mit Zustellvollmacht) war dem vorgesetzten Kommando des JgB - dem Streitkräfteführungskommando - jedenfalls seit 27.05.2019 (Schreiben des RV indem dieser auch auf die Zustellvollmacht verwies, nachdem ihm am 30.04.2019 mitgeteilt wurde, dass das Kündigungsverfahren bis zur Klärung der Vorwürfe durch die StA ausgesetzt würde) bekannt (Blg 2 und 3/VHS BVwG).
Der S2 des JgB Mjr Mag. XXXX (SG) legte am 28.08.2019 im Auftrag des Bataillonskommandanten einen weiteren Fahndungsantrag (ohne Beilagen) an die MP vor. Indem war unrichtig angeführt, dass die Arbeitsunfähigkeitsmeldung der BF am 29.07.2019 "geendet" habe (wie bereits oben angeführt, war dies nur das "voraussichtliche Enddatum" und nicht das tatsächliche Ende der Arbeitsunfähigkeit) und die BF seit 30.07.2019 weder den Dienst angetreten noch die Kompanie über den Grund ihres Fernbleibens informiert habe. Auch die letzte Aussage, erweist sich vor dem Hintergrund der vorgelegten Bestätigungen und dem Begleitschreiben im Mail an Mjr LM vom 26.07.2019 als unrichtig. Dort hat die BF nicht nur auf ihre gleichzeitig vorgelegten Arbeitsunfähigkeitsbestätigungen verwiesen, sondern auch darauf, dass sie selbst am 03.07.2019 mit dem HPA Kontakt aufgenommen habe, um einen Termin für ihre Diensttauglichkeitsuntersuchung zu bekommen, weil sie die vorherigen Aufforderungen nicht erreicht hätten.
Am 11.09.2019 bekam das MP-Organ Vzlt MH von Obst XXXX (TH) - dem stellvertretenden Vorsitzenden der Disziplinarkommission für Soldaten (DKS), bei der ein Disziplinarverfahren betreffend der BF - wegen unerlaubter Abwesenheit von 14.05. bis 14.07.2019 anhängig war, weil das JgB Disziplinaranzeige erstattet hatte - den Hinweis, dass sich die BF am nächsten Tag beim HPA (auf eigenen Antrag) einer Diensttauglichkeitsuntersuchung unterziehen werde. Nach dem Bericht der MP vom 21.10.2019 (Seite 3 bzw AS 83), habe dieser dabei gemeint das wäre eine günstige Gelegenheit um ihrer "habhaft" zu werden.
Vzlt MH - der die BF und ihre psychischen Probleme (wenngleich nicht im Detail) von vorherigen Amtshandlungen, die er für die DKS durchgeführt hatte (VHS 16, 18, 20) sowie von seiner Ausforschung an ihrer Wohnadresse am 15.07.2019 anlässlich der ersten Fahndung wegen unerlaubter Abwesenheit, kannte (VHS 13 und MP-Bericht vom 18.07.2019, AS 152) - vergewisserte sich beim S2/JgB Mjr SG, dass der Fahndungsantrag noch aufrecht war, überprüfte die Information zur geplanten Diensttauglichkeitsuntersuchung und meldete dies seinem Kommandanten Hptm Mag. XXXX (SC).
Der beurteilte die Lage und aufgrund dessen, dass betreffend den Lebensgefährten der BF (MB) ein Kasernenverbot bestand, ordnete er den Einsatz von drei MP-Trupps an. Ein Trupp (unter Führung von Vzlt SW) sollte der BF "habhaft" werden, ein weiterer verhindern, dass der Lebensgefährte die Kaserne betritt und ein dritter (unter Führung von Vzlt MH) mit dem HPA Kontakt halten und die Erhebungen zur BF führen (VHS, 14 und Sachverhaltsdarstellung des Kommando MP vom 21.10.2019 an das Kommando Streitkräfte, Seite 3 bzw AS 83).
Das war der Zeitpunkt, wo aus dem "Fahndungsantrag" de facto ein "Festnahmeauftrag" für die MP-Trupps - wegen unerlaubter Abwesenheit der BF von der Truppe (§ 8 MilStG) - wurde, falls sie sich weigern sollte, sich zu ihrer Dienststelle "überstellen" zu lassen.
Dies deshalb, weil § 2 Z 2 ADV als Vorgesetzten, alle jene Personen definiert, denen " ... auf Grund besonderer Anordnung (Gesetze, Verordnungen, Organisationsvorschriften, Dienstanweisungen und Befehlen, Befehlsgebung gegenüber jenen Soldaten zusteht, die auf Grund dieser Anordnung an [deren] Befehle gebunden sind (Untergebene)."
Der Dienstvorschrift für die Ordnungstruppe (MP) ist wörtlich zu entnehmen (zitiert lt Sachverhaltsdarstellung des Kommando MP vom 21.10.2019 an das Kommando Streitkräfte, Seite 2 bzw AS 82):
"3. Ausforschung
[...]
Ein von der Ordnungstruppe ausgeforschter oder sich freiwillig stellender Soldat ist grundsätzlich unter Anwendung des Befehlsgebungsrechtes zu seiner Truppe oder seiner Dienststelle zu überstellen.
Liegen die Voraussetzungen des § 44 HDG 2014 vor, ist der Soldat festzunehmen und gemäß den gesetzlichen Bestimmungen zu verfahren."
Am 12.09.2019 um 09:54 Uhr wurde die BF durch ihren Freund MB vor die XXXX -Kaserne in XXXX aus dem Auto gelassen. Sie startete die Tonaufzeichnungsfunktion auf ihrem Mobiltelefon (VHS, 6; im Folgenden wird die Aufnahme bzw deren Transkript kurz als "Audio" bezeichnet: Beilage 4 zur VHS) und wurde am Kasernentor schon von zwei MP-Organen erwartet: Vzlt SW und Wachtmeister (Wm) GD.
Vzlt SW unterzog sie einer Personenkontrolle nach § 8 Abs 2 MBG, konfrontierte sie mit der unerlaubten Abwesenheit, teilte ihr mit, dass sie seiner Befehlsgewalt unterliege und sie nun ins bereitgestellte Dienstauto der MP einzusteigen habe das sie zur Untersuchung ins Sanitätszentrum bringen werde (VHS 22). Im Auto wurde noch die Kindersicherung aktiviert, um eine Aussteigen der BF zu verhindern (Audio 2; VHS 6).
Dort angekommen, hat sie Vzlt MH auf die fehlenden Krankenstandsbestätigungen hingewiesen und ihr gesagt, dass nach ihr gefahndet worden sei. Sie hat geantwortet, dass sie sich das nicht vorstellen könne, weil sie alles der Dienststelle, dem Major, vorgelegt habe. (Audio 2, 3; VHS 15).
Vzlt SW hat sie zum Untersuchungsraum begleitet und sie ermahnt, dass sie unter "Gewahrsam" der MP sei und keinen "Fluchtversuch" unternehmen solle (Audio 3; VHS 22). Dann hat ihn Obstlt Mag. KA - die das mitgehört hat - aus dem Untersuchungszimmer gewiesen (VHS 10).
Am Ende des Gespräches der BF mit Mag. KA ging es noch um die Krankenbestätigungen, die der Hausarzt mit "offenen Enddatum" ausgestellt und nach Einschätzung der Mag. KA, das so nicht der Versicherung weiter gemeldet hatte, sodass sie beim Heer als unerlaubt abwesend geführt wurde. Sie solle die Bestätigungen der MP ("denen") geben. Mag. KA teilte ihr schließlich mit, dass sie sie für "nicht dienstfähig" befunden würde und stellte ihr eine Bestätigung für den Hausarzt aus. Sie sagte ihr noch, dass sie diese Bestätigung niemandem geben müsse, weil da die Diagnose ober stehe (Audio 4, VHS 6, VHS 10).
Nach der etwas mehr als einstündigen Untersuchung hat sie das MP-Organ Wm GD am Gang vor dem Untersuchungszimmer übernommen und Vzlt SW teilt ihr mit, dass sie jetzt gemeinsam beim Auto warten würden, bis Vzlt MH von einem Gespräch mit Mag. KA zurückkomme. Er sagte ihr auch, dass sie wahrscheinlich in die XXXX -Kaserne zur Dienststelle fahren würden und sie ins Auto einsteigen solle (Audio 7, VHS 22).
Die BF stieg vorerst ins Auto und informierte über ihr Telefon ihren Lebensgefährten MB. Der sagte ihr, dass sie nicht mitkommen müsse. Der Versuch der BF ihren RV zu kontaktieren scheiterte, weil sich dieser in einer Verhandlung befand (Audio 7).
Die BF stieg daraufhin aus dem Auto, teilte dem Vzlt SW mit, dass sie nicht mehr einsteigen und jetzt gehe werde, weil alles beim Dienstgeber aufliege und sie im Krankenstand sei (Audio 7, VHS 23).
Vzlt MH erfuhr bei seinem Gespräch mit Mag. KA nichts über die Diagnose und auch nicht, ob die BF als "dienstfähig" oder "nicht dienstfähig" befunden wurde. Mag. KA sagte ihm auf seine Frage, ob sie (die MP) mit ihr reden könnten lediglich, dass das der Fall sei (VHS 12).
Vzlt MH gab daraufhin Vzlt SW zu verstehen, dass die BF in die XXXX -Kaserne zur Dienststelle gebracht werden könnte, um sie im Auftrag des Kommandanten JgB zur Abwesenheit einzuvernehmen und ihm diese sodann in der Kaserne in XXXX vorzuführen (VHS 15, 23).
Da sich die BF (die die Krankenbestätigungen die sie Mjr LM übermittelt hatte, im umgehängten Rucksack mitführte, diese aber den Organen nicht vorwies), unter mehrfachen Hinweis auf ihren Krankenstand und ihre vorgelegten Unterlagen, weigerte wieder in das Auto einzusteigen, wurde sie von den MP-Organen Vzlt MH und SW erneut darauf hingewiesen, dass sie "unerlaubt abwesend" sei und sie dem Befehl des Vzlt SW einzusteigen, folgen müsse, weil sie sonst eine Pflichtverletzung gegen die ADV und das MilStG (Ungehorsam) begehen würde (VHS 15, 23).
Vzlt MH führte auch an, dass sie selbst den Auftrag (den Befehl) hätten, sie einzuvernehmen und vorzuführen (VHS 14, 16).
Nachdem, trotz dieser mehrfachen Belehrungen und Ermahnungen, keine Einsicht und "freiwillige" Kooperationsbereitschaft bei der BF erkennbar war, sprach Vzlt SW um 11:44 Uhr formell die Festnahme nach § 44 Abs 1 Z 3 HDG - wegen Verharren im Ungehorsam - aus, weil er keine andere Möglichkeit mehr sah, sie dem Kommandanten des JgB (als Disziplinarbehörde) vorzuführen (VHS 23).
Vzlt SW wies sie daraufhin, dass sie (die MP-Organe), falls sie nicht freiwillig ins Auto einsteige, Zwang anwenden würden (Audio 10, VHS 25). Auch diese Zwangsandrohungen fruchteten jedoch nicht.
Als er versuchte die BF am Oberarm zu fassen und ins Auto zu drängen, wehrte sich diese heftig, indem sie mit den Armen und Beinen um sich schlug und trat. Dem MP-Organ Wm GD gelang es schließlich die BF mit der Einsatztechnik "Halsklammer" zu Boden zu bringen (Abschlussbericht der LPD an die StA vom 04.12.2019, 3 bzw AS 667).
Die "Halsklammer" ist gemäß der Vorschrift "Militärstreife & Militärpolizei - Einsatztechniken" vom 10.02.2016, GZ S92013/7-Vor/2016 RdNr 92, eine Zugriffstechnik, bei der das Gegenüber durch Fixieren des Halses widerstandunfähig gemacht und in der Regel zu Boden gebracht wird. Dabei ist der Arm zum Schutz des Kehlkopfes des Gegenübers abgewinkelt und wird mit der Ellenbeuge der Kehlkopf des Gegenübers umschlossen.
Die BF schrie, fluchte und atmete schwer (Audio 10), trat am Boden liegend aber weiter um sich und fuchtelte mit dem freien Arm herum. Vzlt SW ergriff den rechten Arm und legte ihr Handschellen an. Vzlt MH und OStv JD gelang es die Beine am Boden zu fixieren.
Vzlt SW nahm ihr die Smartwatch ab und legte auch dem zweiten Arm Handschellen an. Die Arme wurden am Rücken geschlossen.
Die Vorschrift "Militärstreife & Militärpolizei - Einsatztechniken" vom 10.02.2016, GZ S92013/7-Vor/2016 RdNr 100 und 101 sieht vor, dass Schließmittel grundsätzlich vor dem Körper anzulegen sind. Bei aktiver oder fortgesetzter Widersetzlichkeit können Schließmittel auch hinter dem Körper angelegt werden. Es ist darauf zu achten, dass diese nicht zu eng angelegt sind, um die Blutzirkulation in den Armen nicht zu hemmen. Bleiben Schließmittel für eine längere Dauer angelegt, sind sie öfter auf korrekten Sitz zu kontrollieren.
Die Vorschrift "Ordnungstruppe (Militärpolizei)" vom 27.03.2019, GZ S92011/12-Vor/2019 RdNr. 553 bis 555 sieht vor, dass Organe der MP ermächtigt sind Personen von denen eine Fremd- oder Eigengefährdung ausgeht oder bei denen Fluchtgefahr besteht oder zur Verhinderung von Sachbeschädigungen durch diese, Schließmittel angelegt werden dürfen. Bei der Anwendung sind die Hände grundsätzlich vor dem Körper zu schließen, sofern nicht besondere Gründe für ein Schließen der Hände hinter dem Körper vorliegen, wie etwa gewaltsamer Widerstand oder Aggressivität.
Während der Festnahme verlor Wm GD ein Magazin. Ob es sich dabei, wie von Vzlt SW behauptet, um das am Gürtel angebrachte Reservemagazin handelte (Audio 11, VHS 25) oder um jenes, dass an der Waffe angesteckt war, steht nicht fest; aus dem gesamten Ablauf der Festnahme ergibt sich jedoch kein Hinweis darauf, dass neben der körperlichen Zwangsausübung eine Dienstpistole P80 gezogen oder sonst eine Waffe eingesetzt worden wäre. Aus der Rückgabe des Magazins um 01:54.17 (Audio 11) durch SW an GD kann jedenfalls nicht abgeleitet werden, dass ein Gebrauch der P80 angedroht oder ihr Gebrauch versucht worden wäre.
Für die Behauptung des RV der BF in der Anzeige an die StA vom 17.01.2020 (ON 11/Beilage C/Seite 7, Audio,11) sowie in der Beschwerde, dass bei der zwangsweisen Durchsetzung der Festnahme ein "KUBOTAN" (Selbstverteidigungsstift in Form eines Kugelschreibers aus Metall) zum Einsatz gekommen wäre - die sich auf die Angabe der BF und deren Verletzungen am Hals stützt - liegen keine Anhaltspunkte vor.
Die im Transkript bei 01:52:14 (Audio 11) angeführte Aussage "Brille, Hemmung", von der vom RV ebenfalls auf einen (versuchten) Waffengebrauch geschlossen wurde, lautete in Wirklichkeit "Brille, Heimo".
Ob die BF unmittelbar nach dieser Aussage für kurze Zeit bewusstlos wurde (wie im Transkript ausgeführt), konnte nicht festgestellt werden. Während der Halsklammer wurde sie mit Sicherheit nicht bewusstlos, weil hier durchgehend ein Keuchen, Fluchen und Schreien auf der Audioaufnahme zu hören ist und hat in der oa Anzeige an die StA, sogar der RV der BF ausführt "... wurde durch den Würgeangriff beinahe bewusstlos ...".
Vzlt MH sammelte die am Boden liegende Sonnenbrille und das Mobiltelefon ein. Die anderen drei MP-Organe (SW, GD, JD) trugen die BF im Anschluss in einen Untersuchungsraum der Sanitätsanstalt, wo sie sie auf einen Untersuchungstisch setzten, um sie vom Militärarzt Dr. MA auf allfällige Verletzungen untersuchen zu lassen.
Vzlt MH holte die Psychologin Mag. KA dazu, um beruhigend auf die BF einzuwirken. Diese klärte ihn erst jetzt darüber auf, dass die BF aus ihrer Sicht nicht dienstfähig sei. Mag. KA führte ein Vier-Augen-Gespräch mit der BF und gelang es ihr, sie zu beruhigen. Mag. KA händigte ihr dabei, dass Mobiltelefon wieder aus, das im Untersuchungsraum außer Reichweite der BF gemeinsam mit der Brille und der Smartwatch abgelegt war. Die BF steckte das Mobiltelefon in ihre Gesäßtasche.
Als Vzlt SW den Raum wieder betrat, bemerkte er, dass die BF hinter ihrem Rücken mit dem Handy hantierte und wollte es ihr, nachdem er sie erfolglos zur Herausgabe aufgefordert hatte, wieder abnehmen, um ein Aufnehmen der Gespräche zu verhindern. Die BF drehte sich weg, schrie, fluchte und trat um sich, bis sie GD und SW am Oberkörper zu fassen bekamen und auf den Boden brachten, wo sich die BF vor SW am Boden sitzend, in seinen rechten Unterarm verbiss, als dieser versuchte ihr das Handy abzunehmen (VHS 11).
Mag. KA und Vzlt MH schafften es neuerlich die BF zu beruhigen und sie wurde wieder auf den Untersuchungstisch gesetzt. Als OStv JD bei ihr vorne vorbeiging, trat sie gegen seinen linken Ellbogen (Abschlussbericht der LPD an die StA vom 04.12.2019, 4 bzw AS 268).
Ihr wurde angeboten eine Vertrauensperson und einen Rechtsbeistand zu verständigen (Audio 17, 18). Sie verlangte ihr Mobiltelefon und dass man ihr die Handschellen aufmachen solle, weil diese so eng seien, was aber von Vzlt SW verweigert wurde (Audio 19). Das Gespräch mit dem RV kam schließlich durch dessen Rückruf zustande, nachdem ihn Vzlt SW davor nicht erreicht hatte. Vzlt SW führte das Gespräch, legte aber auf, nachdem er ihm die Information über die Festnahme gegeben hatte und der RV ihm gegenüber ungehalten wurde (VHS 25).
Mag. KA putzte der BF die Tränen vom Gesicht (Audio 21). Von GD bekam sie etwas zu essen und zu trinken angeboten, was sie aber verweigerte (Audio 24).
Der Militärarzt Mjr Dr. MA stellte bei der Untersuchung oberflächliche nicht blutende Kratzwunden beiderseits des Halses und am linken Ellbogen fest sowie eine oberflächliche nicht blutende Abschürfung am Daumen der linken Hand und nicht mehr blutende oberflächliche Kratz-/Schürfwunden an der rechten Hand sowie über dem Mittelhandknochen/Kleinfingerballen geringen Druckschmerz (AS 113, Audio 24).
Danach wurde die BF von Mag. KA (VHS 11) gefragt, ob sie auf die Toilette müsse, was sie verneinte und sagte sie würde es noch bis zur XXXX -Kaserne aushalten. Daher wurde sie im Beisein von Mag. KA durch die MP in die fünf Fahrminuten entfernte XXXX -Kaserne gebracht, wo ihr die Handschellen von hinten nach vorne gegeben wurden, damit sie im Beisein von Mag. KA auf die Toilette gehen konnte. Die Hände blieben sodann vorne geschlossen.
Sie wurde im Anschluss von Vzlt MH und JD im Beisein der Mag. KA befragt, bekam auch nocheinmal etwas zu trinken und war kooperativ (Audio 29 ff). Dabei wurde ihr sinngemäß erklärt, dass Obst TK durch eine Disziplinaranzeige das Disziplinarverfahren wegen unerlaubter Abwesenheit an die Disziplinarkommission im Ministerium abgetreten habe und der Auftrag erteilt worden sei, sie aufgrund des Fahndungsantrages "anzuhalten".
Sodann wurde nach Rücksprache des Hptm Mag. SC (Kommandant MP-Kp) mit Obst TK - der auf eine Vorführung verzichtete - von Vzlt SW um 13:45 Uhr die Festnahme aufgehoben, die Handfesseln abgenommen und wurde ihr ein schriftlicher Befehl ausgehändigt.
Der Befehl (AS 115) lautete zusammengefasst, dass sie es verabsäumt hätte bis zum 30.07.2019 eine entsprechende ärztliche Bestätigung für ihre Abwesenheit von der Dienststelle vorzulegen und dies sowohl den Tatbestand einer Pflichtverletzung nach der ADV als auch nach § 8 MilStG darstelle. Sie werde aufgefordert dem Obst TK eine schriftliche Begründung ihres unerlaubten Fernbleibens vorzulegen.
Dann wurde Sie zum Kasernentor gebracht, wo ihr Freund MB sie erwartete.
2. Beweiswürdigung:
Zunächst ist auf die in Klammern bei den jeweiligen Feststellungen angeführten Beweismittel im Verfahrensgang und auf die ON des BVwG zu verweisen. Wenn AS angeführt ist, bedeutet dies Aktenseiten in der ON 6 (Akt der StA). Ansonsten werden die Seiten mit der bloßen Nummer bezeichnet und dem Dokument zugeordnet. VHS ist die Verhandlungsschrift des BVwG. Audio verweist auf die Transkription der von der BF (heimlich) aufgenommenen Audiodatei der Amtshandlung.
Die Feststellung, dass die Freiheitsentziehung faktisch bereits um 09:54 Uhr (Audio 2) erfolgt ist, ergibt sich aus der unbestrittenen klaren und unmissverständlichen Aussage, sie stehe nun unter der Befehlsgewalt durch Vzlt SW und der Aufforderung in das Dienstauto einzusteigen. Weiters, der Aktivierung der Kindersicherung im Dienstauto, der Belehrung keinen Fluchtversuch zu machen (VHS, 22) und der anschließenden lückenlosen Bewachung. Damit war der BF eine persönliche Ortsveränderung nach ihrem freien Willen nicht mehr möglich. Die Intention der MP-Organe sie nicht mehr gehen zu lassen, bevor sie ihren Auftrag (Einvernahme zur unerlaubten Abwesenheit) erfüllt hatten, ist damit klar zum Ausdruck gekommen. Die BF hat sich bis zu ihrem Widerspruch vor dem formalen Ausspruch der Festnahme lediglich ins Unvermeidliche gefügt.
Den MP-Organen war zu diesem Zeitpunkt bewusst, dass die der BF vorgeworfene "unerlaubte Abwesenheit" (die Fahndung) mit ihrem Eintreffen in der Kaserne zu der von ihr beantragten Diensttauglichkeitsuntersuchung geendet hat. Eine Abwesenheit bei Anwesenheit in einer Kaserne (mit dem Zweck sich einer angeordneten Diensttauglichkeitsuntersuchung zu unterziehen) ist nicht denkmöglich. Vzlt MH sagte, 09:54 Uhr wäre das offizielle Ende der unerlaubten Abwesenheit (Audio, 05:49). Damit kann aber auch nicht mehr von einem Betreten auf "frischer Tat" hinsichtlich der Dienstpflichtverletzung "unerlaubte Abwesenheit" gesprochen werden.
Wenn die belangte Behörde von einer Meldepflichtverletzung gemäß § 9 ADV hinsichtlich der in der Vergangenheit liegenden Nichtvorlage von notwendigen Krankenstandsbestätigungen spricht, lag auch darin zum Festnahmezeitpunkt keine "frische Tat" mehr vor, weil sich diese ja bereits davor realisiert hatte.
Nach der Aktenlage hat die BF (unstrittig) am 26.07.2019 an den Mjr LM (in seiner damaligen Eigenschaft als stellvertretender Kommandant des JgB) zwei Arztbestätigungen mit offenem Ende vorgelegt hat, die aber von diesem und den von ihm zugezogenen Offizieren falsch interpretiert wurden, weil sie übersehen haben, dass die aktuellere davon (datiert mit von Dr. NM 16.07.2019) kein letzter Tag der Arbeitsunfähigkeit eingetragen war, sondern nur ein voraussichtliches Ende mit 29.07.2019. Auch die Krankenbetätigung des Truppenarztes des JgB, mit dem Befund "DIENSTUNTAUGLICH" lag seit dem 15.07.2019 vor und hatte sich daran nichts geändert. Es kam daher für den Festnahmeantrag vom 28.08.2019 nicht darauf an, dass die BF zu früheren Diensttauglichkeitsuntersuchungsterminen am 12.04.2019 und 27.06.2019 nicht erschienen war (daher ist auch unerheblich, ob sie von den Ladungen dazu gewusst hat oder nicht).
Dass die BF auch bei ihrem Hausarzt Dr. SC in Behandlung stand, ergibt sich schon aus der früheren Bestätigung des Dr. SC vom 02.10.2018 - ebenfalls mit offenem Ende. Dass die Echtheit der Stempel auf der Krankenbestätigung erst mit dem Abschlussbericht der LPD an die StA vom 04.12.2019 (AS 269) klar war, nachdem die Stempel von der LPD auf Übereinstimmung mit der Praxisdokumentation des Hausarztes überprüft wurden, ändert daran nichts.
Der Fahndungsantrag des JgB (VHS Blg 8) wurde daher auf unrichtige Tatsachen gestützt, weil darin lediglich die Information richtig war, dass die BF ihren Dienst am 30.07.2019 nicht angetreten hatte.
Die Feststellung, dass der Fahndungsantrag de facto zu einem Auftrag zur Anhaltung (iS einer Freiheitsentziehung zur Abklärung der Hintergründe der Abwesenheit) wurde, gründet sich auf die Aussagen des Zeugen Vzlt MH, der zwar von einer Festnahme als "ultima ratio" (VHS 15), aber ansonsten durchgehend von einem Befehl bzw Auftrag (VHS 14, 15) sprach, die BF zur Einvernahmen in die XXXX -Kaserne zu bringen, um die Hintergründe der "unerlaubten" Abwesenheit aufzuklären und sie sodann der Disziplinarbehörde vorzuführen, wobei er sich offenbar nicht ganz klar war, wer nun Disziplinarbehörde war, weil er einmal den Kdt des JgB Obst TK (VHS 14), ein anderes Mal den Einheitskommandanten Hptm HS (Audio 17, 02:10:48) und wieder ein anderes Mal die Disziplinarkommission, das Ministerium, Brigadier XXXX (Audio 29, gemeint offensichtlich: XXXX ) genannt hat.
Vor dem Hintergrund der Ausführungen in der MP-Vorschrift ist die Umdeutung in einen Auftrag nicht verwunderlich, weil dort unter der Überschrift "Ausforschung" zu lesen ist, dass ausgeforschte Soldaten unter Anwendung des Befehlsgebungsrechtes zu ihrer Truppe oder Dienststelle zu überstellen sind und bei Vorliegen der Voraussetzungen § 44 HDG anzuwenden ist. Ein Ungehorsam gegen einen entsprechend formulierten Befehl, kann daher potentiell immer zu einer Festnahme führen.
Vor diesem Hintergrund ist die weitere Rechtfertigung der MP-Organe zu sehen, die der BF den Befehl erteilt haben ins Auto einzusteigen und in die XXXX -Kaserne mitzufahren. Sie hat die Befolgung dieses Befehls von Vzlt SW unter Hinweis auf ihre dem JgB vorgelegten Krankenbestätigungen und ihren Krankenstand verweigert, worauf dieser sie abgemahnt und die Festnahme um 11:44 Uhr formal ausgesprochen hat.
Bereits vor diesem Ausspruch der Festnahme, hat die BF unstrittig mehrfach auf ihren Krankenstand und ihre dem JgB vorgelegte Krankenbestätigungen hingewiesen (zB Aussage Vzlt MH/VHS 15: "Sie hat nur gesagt, dass sie krank ist und im Krankenstand, das hat sie aber bereits beim Eintreffen gesagt. Ich habe gesagt: Ich hätte keine diesbezüglichen Informationen und kann das jetzt auch nicht abklären und dass sie mitwirken soll."; Audio 2, 3. BF: "Ich hab eigentlich mit dem Major [...] mit dem S1 alles abgeklärt [...] haben die nicht mal eine E-Mail bekommen [...] Nicht einmal einen Brief! Den ich abgeschickt habe [...] Gut, dass ich alles eingeschrieben hab und die Rechnung hab!"
Damit hat sie Tatsachen vorgebracht und implizit deren Feststellung verlangt.
Die Feststellung, dass den MP-Organen (insbesondere Vzlt MH) bekannt war, dass die BF psychische Probleme hatte und bereits davor mehrere Monate im Krankenstand, gründet sich auch auf die Ausführungen des Zeugen Vzlt MH selbst, der angab gewusst zu haben, dass diese in einer psychiatrischen Anstalt gewesen sei (VHS 20), bereits sie betreffende Ermittlungsaufträge der Disziplinarkommission (Obst TH) iZm deren Beschwerde bei der Parlamentarischen Bundesheerbeschwerdekommission bearbeitet zu haben (VHS 18) und bereits bei einer ersten Fahndung (gemeint war jene vom 15.07.2019, bei der ebenfalls Mjr LM vom JgB einen Fahndungsantrag wegen unerlaubter Abwesenheit gestellt hatte) vor ihrer Tür gewesen zu sein (VHS 13). Dass die BF ab 15.07.2019 dienstunfähig war, wusste er, weil er selbst sie dem Truppenarzt an diesem Tag vorgeführt hat. Aus seinem Bericht vom 18.07.2019 (AS 151) geht ebenso hervor, dass er von den psychischen Problemen wusste, weil der Grund der Vorführung am 15.07.2019, das Versäumen der Termine beim HPA war und er auch die Vorgeschichte (Anstaltsaufenthalt 28.09.-01.10.2018) kannte.
Auch vor der Anhaltung am 12.09.2019 gab es eine Befehlsausgabe (Aussage SW, VHS 22) bei der sogar gesagt wurde, dass der Lebensgefährte der BF, MB und der Rechtsanwalt möglicherweise mitkommt sowie dass die Amtshandlung möglicherweise aufgezeichnet werden und eskaliert werden wird. Es ist davon auszugehen, dass dort auch über die Vorgeschichte - und damit die Krankenstände und dadurch bedingte Abwesenheiten - eine Lageinformation erging.
Die mit der ON 14 vorgelegten Beweise (Beilagen 1 - 21) zielen darauf ab, eine Mitschuld der BF am fehlenden Nachweis der gerechtfertigten Abwesenheit und ihre nichtgegebene disziplinäre Unbescholtenheit und Aggressivität zu belegen, sind aber nicht geeignet die Voraussetzungen für die hier zu prüfende Rechtmäßigkeit der Festnahme am 12.09.2019 zu untermauern (vgl dazu die rechtliche Beurteilung).
Zum in der Verhandlung vorgelegten Transkript der Audioaufnahme, hat sich der erkennende Richter durch das Anhören, des mit ON 15 vorgelegten Datenträgers (USB-Stick) davon überzeugt, dass dieses mit den Aussagen in der Verhandlung und der Aktenlage bis auf wenige Ausnahmen übereinstimmt und authentisch und nahezu lückenlos den Ablauf der Amtshandlung wiedergibt. Bedenken hinsichtlich einer für den Beschwerdefall relevanten Manipulation sind deshalb nicht aufgetaucht. Das Transkript weist jedoch mehrere Auslassungen und Übertagungsfehler (Hörfehler) auf und enthält subjektiv gefärbte Anmerkungen des Verfassers, die aus dem Gehörten nicht ableitbar sind. Es handelt sich bei der vorgelegten Kopie auch nicht um die Originalaufnahme auf dem Originalgerät, weil diese Aufzeichnung mit dem Mobiltelefon der BF bzw mit deren Smart-Watch erfolgte (VHS 6). Die Sequenz die in der Verhandlung zur angeblich gefallenen Aussage "Hemmung" vorgespielt wurde und den Verdacht einer Manipulation erweckte, stammte vom Mobiltelefon der BF und hat sich dort, allenfalls auch durch das Abspielen über Bluetooth-Lautsprecher, anderes angehört, als mit Kopfhörer in einer ruhigen Umgebung. Eine forensische Untersuchung des Originaldatenträgers, war vor dem Hintergrund der Zeugenaussagen, der Ermittlungsergebnisse der StA und der vorgelegten Urkunden zur Entscheidung im Beschwerdefall nicht erforderlich.
Die im Transkript bei 01:52 (Seite 11) angeführte Aussage "Brille, Hemmung" lautet in Wirklichkeit "Brille, XXXX ", davon hat sich der erkennende Richter durch Anhören der Aufzeichnung mit Kopfhörern in ruhiger Umgebung überzeugt. Es passt auch zum vorher Gesagten "Brille, aufpassen" und nicht wie unrichtig übertragen "Brille, auslassen." Es ist auch schlüssig, weil " XXXX " der Vorname des Vzlt MH ist und bei der Festnahme die Brille der BF zu Boden gefallen ist und von ihm aufgehoben wurde. Daraus und aus dem Faktum, dass beim Gerangel bei der Durchsetzung der Festnahme ein Pistolenmagazin verloren gegangen und später von Vzlt SW an Wm GD zurückgeben wurde, kann nicht auf einen (versuchten) Schusswaffengebrauch oder eine diesbezügliche Androhung geschlossen werden. Das untermauern auch die einheitlich geschilderten Abläufe und hörbaren Kampfgeräusche (Audio 10-11 und Einvernahmen der Zeugen/Beschuldigten bei der StA, AS 183, 189, 197, 201, 223 sowie dem Abschlussbericht der LPD an die StA vom 04.12.2019, AS 265). Es ist überdies nicht wahrscheinlich, dass die vier ausgebildeten und körperlich der BF klar überlegenen MP-Organe eine Waffe für die Festnahme einsetzen mussten und eingesetzt haben. Das gleiche gilt für den Einsatz eines Kubotan, einer dienstlich nicht zugelassenen Waffe, die aus der Audioaufnahme nicht ableitbar ist, sondern einen Kommentar darstellt. Die Zeugen Vzlt SW und MH haben einen Waffeneinsatz oder eine diesbezügliche Androhung glaubhaft - nicht nur bei der StA-Einvernahme (AS 199, 206, Bericht an die StA, AS 265), sondern auch beim BVwG (VHS 17, 24) - bestritten und kann bei einer Halsklammer gar kein Kubotan eingesetzt werden, weil sich dabei der Hals zwischen Ober- und Unterarm befindet, sich eine Hand des festnehmenden Organs sich auf dem Oberarm des festnehmenden Organs befindet und die andere gegen den Hinterkopf der Festzunehmenden drückt (Vorschrift Einsatztechnik 67). Die Abschürfungen seitlich am Hals, die der RV durch Fotos belegt und der Militärarzt festgestellt hat, stammen daher viel wahrscheinlicher von den Armen des GD (Klettverschlüsse an den Uniformärmeln, Uhr etc). Keinesfalls war es beim einem derart eingeklemmten Hals, der hörbar nach Atem ringenden BF, möglich den Kopf zu bewegen und die Hände des festnehmenden Organs zu sehen. Eine Einvernahme des Militärarztes sowie der Polizistin die die Ersteinvernahme durchgeführt hatte, konnte vor diesem Hintergrund unterbleiben, weil beide bei der Festnahme nicht anwesend waren und daher zum tatsächlichen Einsatz nichts sagen könnten. Die Anzeige bei der PI, in der kein Kubotan erwähnt ist, ist im Akt (AS 77) und ebenso der Bericht des Militärarztes, der von "Kratzwunden", nicht blutend, beidseits des Halses spricht (AS 113).
3. Rechtliche Beurteilung:
3.1. Zulässigkeit und Verfahren
Die Frist zur Erhebung einer Beschwerde gegen die Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt gemäß Art 130 Abs 1 Z 2 B-VG beträgt sechs Wochen (§ 7 Abs 4 VwGVG) und beginnt in den Fällen des Art 132 Abs 2 B-VG mit dem Zeitpunkt, in dem der Betroffene Kenntnis von der Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt erlangt hat, wenn er aber durch diese gehindert war, von seinem Beschwerderecht Gebrauch zu machen, mit dem Wegfall dieser Behinderung (§ 7 Abs 4 Z 3 VwGVG).
Gemäß § 9 Abs 1 VwGVG hat die Beschwerde die Bezeichnung der angefochtenen Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt (Z 1), die Bezeichnung der belangten Behörde (Z 2) bzw. des Organs, das die Maßnahme gesetzt hat (§ 9 Abs 4 VwGVG), die Gründe, auf die sich die Behauptung der Rechtswidrigkeit stützt (Z 3), das Begehren (Z 4) sowie die Angaben, die erforderlich sind, um zu beurteilen, ob die Beschwerde rechtzeitig eingebracht wurde (Z 5), zu enthalten.
Gemäß § 6 BVwGG entscheidet das BVwG durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist. Da in den maßgeblichen gesetzlichen Bestimmungen eine Senatszuständigkeit nicht vorgesehen ist, obliegt in der gegenständlichen Rechtssache die Entscheidung dem nach der jeweils geltenden Geschäftsverteilung des Bundesverwaltungsgerichtes zuständigen Einzelrichter.
Die in Beschwerde gezogene Festnahme erfolgte am 12.09.2019 und wurde die Beschwerde am 24.10.2019 unter Bezeichnung der ausführenden Organe des BMLV beim BVwG eingebracht. Sie ist daher rechtzeitig. Auch sonst sind keine Gründe für eine Unzulässigkeit der Beschwerde zu erblicken. Dass es sich bei einer Festnahme um die Ausübung einer verwaltungsbehördlichen Befehls- und Zwangsgewalt handelt ist unstrittig.
Zu A)
3.2. Zu den relevanten Rechtsvorschriften (Auszug, Hervorhebungen durch BVwG)
§ 44 Heeresdisziplinargesetz (HDG) lautet:
"Vorläufige Festnahme
Voraussetzungen, Zuständigkeit und Dauer
§ 44.
(1) Ein Soldat, der bei einer Pflichtverletzung auf frischer Tat betreten wird, ist zum Zweck seiner Vorführung vor die zuständige Disziplinarbehörde vorläufig festzunehmen, wenn
----------
1.-er dem anhaltenden Organ unbekannt ist, sich nicht ausweist und seine Identität auch sonst nicht sofort feststellbar ist oder
2.-begründeter Verdacht besteht, dass er sich der disziplinären Verfolgung zu entziehen suchen wird, oder
3.-er trotz Abmahnung in der Fortsetzung der Pflichtverletzung verharrt oder sie zu wiederholen sucht.
Als zuständige Disziplinarbehörde nach diesem Abschnitt gilt die für den Festgenommenen im Kommandantenverfahren zuständige Disziplinarbehörde.
(2) Die Befugnis zur vorläufigen Festnahme steht zu
----------
1.-Offizieren im Präsenzstand mit einem höheren Dienstgrad als Fähnrich,
2.-Leitern von Dienststellen, die auf Grund der militärischen Organisation zumindest einem Einheitskommandanten gleichgestellt sind, auch wenn diese Leiter nicht Soldaten sind,
3.-Soldaten vom Tag,
4.-militärischen Organen im Wachdienst und
5.-Angehörigen der Militärpolizei.
Anderen Soldaten steht die Befugnis zur vorläufigen Festnahme gegenüber den ihrer Befehlsgewalt unterstellten Soldaten zu, sofern das Einschreiten eines Organs nach den Z 1 bis 5 nicht rechtzeitig herbeigeführt werden kann. Wird ein zur vorläufigen Festnahme befugtes Organ selbst vorläufig festgenommen, so ruht dessen Befugnis für den Zeitraum seiner Festnahme.
(3) Wird eine Festnahme mit unmittelbarer Zwangsgewalt durchgesetzt, so sind die §§ 3 bis 5 und 16 bis 19 des Militärbefugnisgesetzes (MBG), BGBl. I Nr. 86/2000, betreffend allgemeine Grundsätze und Maßnahmen zur Befugnisausübung anzuwenden.
(4) Die vorläufige Festnahme ist hinsichtlich eines Verfahrens zur Überprüfung ihrer Rechtmäßigkeit dem Bundesminister für Landesverteidigung zuzurechnen.
(5) Der Festnehmende hat die vorläufige Festnahme auf kürzestem Weg dem Einheitskommandanten des Festgenommenen mitzuteilen. Dieses Organ hat die vorläufige Festnahme unverzüglich dem Disziplinarvorgesetzten des Festgenommenen zu melden.
(6) Der Festgenommene ist unverzüglich, wenn der Grund für die Festnahme nicht schon vorher wegfällt, zur Anhaltung im Haftraum zu übergeben
----------
1.-seinem Einheitskommandanten oder,
2.-sofern dieses Organ abwesend ist, dem Offizier vom Tag oder,
3.-sofern ein solcher Dienst nicht eingeteilt ist, einem mit vergleichbaren Aufgaben betrauten militärischen Organ.
(7) Der Festgenommene ist unverzüglich nach Wegfall des Festnahmegrundes freizulassen
----------
1.-von der zuständigen Disziplinarbehörde oder,
2.-sofern der Festgenommene dieser Behörde noch nicht vorgeführt wurde, von dem nach Abs. 6 für die Anhaltung zuständigen Organ oder,
3.-sofern der Festgenommene diesem Organ noch nicht zur Anhaltung übergeben wurde, vom Festnehmenden oder von dessen Vorgesetzten.
Der Festgenommene darf in keinem Fall länger als 24 Stunden angehalten werden.
(8) Der Festgenommene ist ehestens, wenn möglich bereits bei seiner Festnahme, über die Gründe seiner Festnahme und die gegen ihn erhobenen Anschuldigungen zu unterrichten. Er hat das Recht, dass auf sein Verlangen ohne unnötigen Aufschub und nach seiner Wahl von der Festnahme verständigt werden
----------
1.-ein Angehöriger oder eine sonstige Person seines Vertrauens und
2.-ein Rechtsbeistand.
Über di