Entscheidungsdatum
22.04.2020Norm
AsylG 2005 §10 Abs1 Z5Spruch
W204 2132259-2/4E
IM NAMEN DER REPUBLIK!
Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch die Richterin Dr. Esther Schneider über die Beschwerde des XXXX A XXXX , geb. XXXX1999 , StA. Afghanistan, vertreten durch den MigrantInnenverein St. Marx und dessen Obmann Dr. Lennart Binder, LL.M., Pulverturmgasse 4/2/R01, 1090 Wien, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 19.09.2019, Zl. 1092530300/190950078, zu Recht:
A)
Die Beschwerde wird mit der Maßgabe als unbegründet abgewiesen, dass Spruchpunkt VI. zu lauten hat:
"Gemäß § 55 Abs. 1 bis 5 FPG beträgt die Frist für Ihre freiwillige Ausreise 14 Tage ab dem 01.05.2020 beziehungsweise ab dem vom Bundeskanzler gemäß § 5 Bundesgesetz betreffend Begleitmaßnahmen zu COVID-19 im Verwaltungsverfahren, im Verfahren der Verwaltungsgerichte sowie im Verfahren des Verwaltungsgerichtshofes und des Verfassungsgerichtshofes, BGBl I. Nr. 16/2020, im Verordnungsweg festgelegten abweichenden Datum."
B)
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.
Text
ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:
I. Verfahrensgang:
I.1. Der Beschwerdeführer (im Folgenden: BF), ein Staatsangehöriger Afghanistans, reiste in das Bundesgebiet ein und stellte am 27.10.2015 einen Antrag auf internationalen Schutz, der mit Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl (im Folgenden: BFA) vom 13.07.2019, Zl. 1092530300 - 151640434, hinsichtlich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten abgewiesen wurde (Spruchpunkt I.). Gleichzeitig wurde ihm der Status des subsidiär Schutzberechtigten zuerkannt (Spruchpunkt II.) und ihm eine befristete Aufenthaltsberechtigung erteilt (Spruchpunkt III.)
Soweit verfahrenswesentlich führte das BFA an, es seien zwar keine Umstände amtsbekannt, dass in Afghanistan eine solche Gefährdungslage herrsche, dass jeder, der zurückkehre, einer Situation ausgesetzt wäre, die die Gewährung des Status des subsidiär Schutzberechtigten rechtfertigen würde, allerdings könne festgestellt werden, dass dem BF im Heimatland gänzlich die Lebensgrundlage entzogen wäre, weil er über keinerlei soziale oder familiäre Netzwerke in Afghanistan verfüge. Eine Rückführung nach Afghanistan erscheine daher derzeit nicht zumutbar.
I.2. Die gegen Spruchpunkt I. des genannten Bescheids gerichtete Beschwerde wurde vom Bundesverwaltungsgericht mit Erkenntnis vom 11.05.2017, Zl. W134 2132259-1/8E, als unbegründet abgewiesen.
I.3. Mit Bescheid vom 06.07.2017, Zl. 1092530300 - 151640434, wurde dem BF nach einem entsprechenden Antrag erneut eine befristete Aufenthaltsberechtigung erteilt.
I.4. Am 14.05.2019 stellte der BF einen weiteren Antrag auf Verlängerung der befristeten Aufenthaltsberechtigung und führte aus, die Sicherheitslage habe sich verschlechtert und es bestünden noch immer keine familiären Anknüpfungspunkte in Afghanistan. Es sei somit zu keiner Änderung in den Umständen, die zur Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten geführt hätten, gekommen, sodass seinem Antrag stattzugeben sei.
Dem Antrag waren diverse Integrationsunterlagen des BF beigelegt.
I.5. Am 17.09.2019 wurde der BF von dem zur Entscheidung berufenen Organwalter des BFA im Beisein eines Dolmetschers für die Sprache Dari niederschriftlich einvernommen. Im Rahmen dieser Einvernahme wiederholte der BF im Wesentlichen sein bisheriges Vorbringen und gab an, er könne nicht nach Afghanistan zurück, weil er dort keine Familie und nur wenige Monate gelebt habe.
I.6. Mit Bescheid vom 19.09.2019, dem BF am 23.09.2019 durch Hinterlegung zugestellt, wurde dem BF der Status des subsidiär Schutzberechtigten von Amts wegen aberkannt (Spruchpunkt I.), sein Antrag auf Verlängerung der befristeten Aufenthaltsberechtigung abgewiesen (Spruchpunkt II.), ein Aufenthaltstitel aus besonders berücksichtigungswürdigen Gründen nicht erteilt (Spruchpunkt III.), eine Rückkehrentscheidung erlassen (Spruchpunkt IV.) und festgestellt, dass die Abschiebung nach Afghanistan zulässig sei (Spruchpunkt V.). Die Frist für die freiwillige Ausreise betrage 14 Tage ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung (Spruchpunkt VI.).
Die subjektive Lage des BF habe sich insofern geändert, als das BFA davon ausgehe, dass der BF Kontakt zu seiner Familie habe. Zudem sei er nunmehr volljährig. Er sei gesund und arbeitsfähig und habe seinen Erfahrungsschatz sowie den Bildungsstand massiv erweitern können. Es sei ihm auch im Bundesgebiet möglich gewesen, eine Beschäftigung zu finden, sodass umso mehr davon ausgegangen werden könne, dass ihm das auch in Afghanistan möglich wäre.
I.7. Mit Verfahrensanordnung vom 19.09.2019 wurde dem BF amtswegig ein Rechtsberater zur Seite gestellt.
I.8. Am 16.10.2019 erhob der BF durch seine Vertretung Beschwerde wegen unrichtiger Feststellungen, Mangelhaftigkeit des Verfahrens und unrichtiger rechtlicher Beurteilung. Es wurde beantragt, den Bescheid aufzuheben, festzustellen, dass dem BF der Status des subsidiär Schutzberechtigten weiterhin zukomme, die Verlängerung der befristeten Aufenthaltsberechtigung zu bewilligen, allenfalls das Verfahren zur neuerlichen Beurteilung zurückzuverweisen, eine mündliche Beschwerdeverhandlung anzuberaumen, allenfalls eine Rückkehrentscheidung auf Dauer für unzulässig erklären, allenfalls einen Aufenthaltstitel aus besonders berücksichtigungswürdigen Gründen zu erteilen, allenfalls die Unzulässigkeit der Abschiebung festzustellen, allenfalls eine Karte für Geduldete auszustellen.
Entgegen der Ansicht des BFA ergebe sich aus dem Akteninhalt keine derartige Veränderung der Lage, dass dem BF der Status des subsidiär Schutzberechtigten aberkannt werden könnte.
I.15. Am 22.10.2019 langte die gegenständliche Beschwerde samt dem Verwaltungsakt beim Bundesverwaltungsgericht ein. Das BFA verzichtete darin auf die Durchführung und Teilnahme an einer Verhandlung und beantragte die Abweisung der Beschwerde.
I.16. Am 23.01.2020 nahm der BF zu den ihm zuvor durch das Bundesverwaltungsgericht übermittelten aktuellen Länderinformationen Stellung und führte aus, dass auch die aktualisierten Berichte den BF in seinen Befürchtungen hinsichtlich der katastrophalen Sicherheits- und Wirtschaftslage bestätigten. Insbesondere verwies der BF auf die aktuellen UNHCR-Richtlinien, die eine innerstaatliche Fluchtalternative ausschlössen.
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
Zur Feststellung des maßgeblichen Sachverhaltes wurde im Rahmen des Ermittlungsverfahrens Beweis erhoben durch:
- Einsicht in den dem Bundesverwaltungsgericht vorliegenden Verwaltungsakt des BFA betreffend den BF; insbesondere in die Befragungsprotokolle;
- Einsicht in die in das Verfahren eingeführten Länderberichte zur aktuellen Situation im Herkunftsstaat und in die vom BF vorgelegten Unterlagen / Stellungnahmen;
- Einsicht in das Zentrale Melderegister, das Strafregister und das Grundversorgungssystem.
II.1. Sachverhaltsfeststellungen:
II.1.1. Zum BF und seiner Situation im Falle einer Rückkehr:
Der BF ist Staatsangehöriger Afghanistans, gehört der Volksgruppe der Hazara an und bekennt sich zum schiitischen Islam. Die Muttersprache des BF ist Farsi. Außerdem beherrscht er Dari. Seine Identität kann nicht festgestellt werden.
Der BF wurde im Iran in der Stadt M XXXX geboren und ist dort aufgewachsen. Er hat fünf Jahre eine afghanische Schule besucht und zwei Jahre als Hilfsarbeiter bei einem Zuckerbäcker gearbeitet. Die Familie des BF stammt ursprünglich aus Bamyan. Kurz vor seiner Ausreise nach Europa wurde der BF mit seiner gesamten Familie vom Iran nach Afghanistan abgeschoben, wo der BF für etwa zwei Monate in Herat lebte. Die Familie lebte dort in einem Haus, das von einem Bekannten seines Vaters organisiert worden war.
Bei der Ausreise des BF aus Afghanistan lebten seine Mutter, drei Schwestern - eine davon verheiratet - und sein Bruder sowie seine Tante mütterlicherseits und weitere entfernte Verwandte in Herat. Weiters befanden sich zum Zeitpunkt seiner Ausreise ein Onkel und zwei Tanten väterlicherseits in Afghanistan sowie ein Onkel väterlicherseits und der Mann der Schwester im Iran. Es wird festgestellt, dass Familienangehörige des BF, zu denen er Kontakt hat, im Iran und in Afghanistan leben. Der BF ist mit den Gebräuchen und Gepflogenheiten der afghanischen Kultur vertraut.
Mit Bescheid vom 13.07.2016, Zl. 1092530300 - 151640434, wurde dem damals minderjährigen BF der Status des subsidiär Schutzberechtigten zuerkannt, weil ihm bei einer Rückkehr nach Afghanistan mangels familiärem oder sozialem Anschluss die Lebensgrundlage entzogen gewesen wäre. Mit Bescheid vom 06.07.2017, Zl. 1092530300 - 151640434, wurde ihm zuletzt eine befristete Aufenthaltsberechtigung bis zum 13.07.2019 erteilt.
Der BF hat ein Tattoo am Unterarm, das er bei einer Rückkehr nach Afghanistan durch das Tragen langärmeliger Kleidung verdecken kann.
Es kann zum heutigen Entscheidungszeitpunkt nicht festgestellt werden, dass der mittlerweile volljährige, gesunde und arbeitsfähige BF, der seit Gewährung des subsidiären Schutzstatus an Lebens- und Berufserfahrung gewonnen hat, im Falle der Rückkehr nach Bamyan oder in die Städte Herat oder Mazar-e Sharif Gefahr läuft, grundlegende und notwendige Lebensbedürfnisse wie Nahrung, Kleidung sowie Unterkunft nicht befriedigen zu können und in eine ausweglose beziehungsweise existenzbedrohende Situation zu geraten. Der BF kann bei einer Rückkehr von seiner Familie im Iran oder in Afghanistan finanziell unterstützt werden. Bamyan, Herat und Mazar-e Sharif sind über den Luftweg erreichbar. Der BF kann Teile seines Gehalts für die Wiederansiedlung in Afghanistan nützen.
Von 17.03.2018 bis 21.04.2018 war der BF im Iran, ansonsten war er seit seiner Einreise durchgehend im Bundesgebiet aufhältig. Er besuchte mehrere Deutschkurse bis zum Niveau B1. Er hat die ÖSD Prüfung auf dem Niveau B1 bestanden und verfügt über entsprechend gute Deutschkenntnisse. Der BF hat an einem Werte- und Orientierungskurs teilgenommen. Im Mai 2019 befand er sich in einer Vorbereitungsphase für das Projekt XXXX , das die Teilzeitbeschäftigung des BF zum Ziel hatte. Vom 25.09.2017 bis 12.10.2017 (mit einer zweitägigen Unterbrechung) sowie vom 02.05.2019 bis 27.06.2019 (mit mehreren kurzzeitigen tageweisen Unterbrechungen) bezog der BF Arbeitslosengeld. Seit 08.07.2019 ist der BF Vollzeit als Küchenhilfe beschäftigt und bezieht ein monatliches Bruttogehalt in Höhe von ? 1.540,-, was einem Nettolohn in Höhe von ? 1.246,86 entspricht. Der Freundeskreis des BF besteht aus etwa zehn Personen, die aus Bulgarien, der Türkei und Afghanistan stammen.
Der BF ist gesund und arbeitsfähig, er ist strafrechtlich unbescholten. Ein gegen ihn geführtes Strafverfahren wegen eines Vergehens gegen das SMG wurde wegen Geringfügigkeit eingestellt. In einem weiteren Verfahren wegen Vergehen gegen das SMG wurde gegen ihn im Mai 2018 Anklage erhoben.
II.1.2. Zur Situation in Afghanistan:
Afghanistan ist ein Zentralstaat mit 34 Provinzen, die in Distrikte gegliedert sind. Auf einer Fläche von ca. 632.000 Quadratkilometern leben ca. 32 Millionen Menschen (Länderinformationsblatt für Afghanistan vom 13.11.2019 - LIB 13.11.2019, S. 12).
Sicherheitslage:
Die Sicherheitslage in Afghanistan ist nach wie vor volatil. Diese ist jedoch regional und sogar innerhalb der Provinzen von Distrikt zu Distrikt sehr unterschiedlich (LIB 13.11.2019, S. 18).
Die afghanische Regierung behält die Kontrolle über Kabul, die wichtigsten Bevölkerungszentren und Transitrouten sowie Provinzhauptstädte und die meisten Distriktzentren. Die afghanischen Kräfte sichern die Städte und andere Stützpunkte der Regierung. Die Taliban verstärken groß angelegte Angriffe, wodurch eine Vielzahl afghanischer Kräfte in Verteidigungsmissionen eingebunden ist, sodass Engpässe entstehen. Dadurch können manchmal auch Kräfte fehlen um Territorium zu halten. Die Kämpfe waren auch weiterhin auf konstant hohem Niveau (LIB 13.11.2019, S. 19).
Für das gesamte Jahr 2018 gab es gegenüber 2017 einen Anstieg in der Gesamtzahl ziviler Opfer und ziviler Todesfälle. Für das erste Halbjahr 2019 wurde eine niedrigere Anzahl ziviler Opfer registrierten, im Juli, August und September lag ein hohes Gewaltniveau vor. Zivilisten, die in den Provinzen Kabul, Nangarhar, Helmand, Ghazni, und Faryab wohnten, waren 2018 am stärksten vom Konflikt betroffen (LIB 13.11.2019, S. 24).
Sowohl im gesamten Jahr 2018, als auch in den ersten fünf Monaten 2019 führten Aufständische, Taliban und andere militante Gruppierungen, insbesondere in der Hauptstadtregion, weiterhin Anschläge auf hochrangige Ziele (High Profile Angiffe - HPA) aus, um die Aufmerksamkeit der Medien auf sich zu ziehen, die Legitimität der afghanischen Regierung zu untergraben und die Wahrnehmung einer weit verbreiteten Unsicherheit zu schaffen. Diese Angriffe sind jedoch stetig zurückgegangen. Zwischen 1.6.2018 und 30.11.2018 fanden 59 HPAs in Kabul statt, zwischen 1.12.2018 und 15.5.2019 waren es 6 HPAs (LIB 13.11.2019, S. 25).
Regierungsfeindliche Gruppierungen:
In Afghanistan sind unterschiedliche regierungsfeindliche Gruppierungen aktiv - insbesondere die Grenzregion zu Pakistan bleibt eine Zufluchtsstätte für unterschiedliche Gruppierungen, wie Taliban, Islamischer Staat, al-Qaida, Haqqani-Netzwerk, Lashkar-e Tayyiba, Tehrik-e Taliban Pakistan, sowie Islamic Movement of Uzbekistan (LIB 13.11.2019, S. 26).
Taliban: Zwischen 1.12.2018 und 31.5.2019 haben die Talibanaufständischen mehr Angriffe ausgeführt, als in der Vergangenheit üblich, trotzdem war die Gesamtzahl effektiver feindlicher Angriffe stark rückläufig. Diese Angriffe hatten hauptsächlich militärische Außenposten und Kontrollpunkte sowie andere schlecht verteidigte ANDSF-Posten zum Ziel - die Taliban beschränken ihre Angriffe weitgehend auf Regierungsziele und afghanische und internationale Sicherheitskräfte (LIB 13.11.2019, S. 26; S. 29).
Die Gesamtstärke der Taliban betrug im Jahr 2017 über 200.000 Personen, darunter ca. 150.000 Kämpfer (rund 60.000 Vollzeitkämpfer mobiler Einheiten, der Rest sein Teil der lokalen Milizen). Die Taliban betreiben Trainingslager in Afghanistan (LIB 13.11.2019, S. 27).
Die Mehrheit der Taliban sind immer noch Paschtunen, obwohl es eine wachsende Minderheit an Tadschiken, Usbeken, Belutschen und sogar mehreren hundert Hazara (einschließlich Schiiten) gibt. In einigen nördlichen Gebieten bestehen die Taliban bereits überwiegend aus Nicht-Paschtunen, da sie innerhalb der lokalen Bevölkerung rekrutieren (LIB 13.11.2019, S. 27).
Haqani-Netzwerk: Das seit 2012 bestehende Haqqani-Netzwerk ist eine teilautonome Organisation, Bestandteil der afghanischen Taliban und Verbündeter von al-Qaida. Als gefährlichster Arm der Taliban, hat das Haqqani-Netzwerk seit Jahren Angriffe in den städtischen Bereichen ausgeführt und ist für einige der tödlichsten Angriffe in Afghanistan verantwortlich (LIB 13.11.2019, S. 27).
Islamischer Staat (IS/DaesH) - Islamischer Staat Khorasan Provinz (ISKP): Die Stärke des ISKP variiert zwischen 1.500 und 3.000, bzw. 2.500 und 4.000 Kämpfern bzw. ist ihre Zahl auf 5.000 gestiegen. Der IS ist seit Sommer 2014 in Afghanistan aktiv. Durch Partnerschaften mit militanten Gruppen konnte der IS seine organisatorischen Kapazitäten sowohl in Afghanistan als auch in Pakistan stärken. Er ist vor allem im Osten des Landes in der Provinz Nangarhar präsent (LIB 13.11.2019, S. 27f).
Neben komplexen Angriffen auf Regierungsziele, verübte der ISKP zahlreiche groß angelegte Anschläge gegen Zivilisten, insbesondere auf die schiitische-Minderheit. Die Zahl der zivilen Opfer durch ISKP-Handlungen hat sich dabei 2018 gegenüber 2017 mehr als verdoppelt, nahm im ersten Halbjahr 2019 allerdings wieder ab. Die Taliban und der IS sind verfeindet. Während die Taliban ihre Angriffe überwiegend auf Regierungszeile bzw. Sicherheitskräfte beschränken, zielt der IS darauf ab konfessionelle Gewalt zu fördern und Schiiten anzugreifen (LIB 13.11.2019, S. 29).
Al-Qaida: Al-Qaida sieht Afghanistan auch weiterhin als sichere Zufluchtsstätte für ihre Führung, basierend auf langjährigen und engen Beziehungen zu den Taliban. Al-Qaida will die Präsenz in der Provinz Badakhshan stärken, insbesondere im Distrikt Shighnan, der an der Grenze zu Tadschikistan liegt, aber auch in der Provinz Paktika, Distrikt Barmal, wird versucht die Präsenz auszubauen (LIB 13.11.2019, S. 29).
Balkh:
Die Provinzhauptstadt von Balkh ist Mazar-e Sharif. Die Provinz Balkh liegt im Norden Afghanistan und ist eine ethnisch vielfältige Provinz, welche von Paschtunen, Usbeken, Hazara, Tadschiken, Turkmenen, Aimaq, Belutschen, Arabern und sunnitischen Hazara (Kawshi) bewohnt wird. Es leben 1.475.649 Personen in der Provinz Balkh, davon geschätzte 469.247 in Mazar-e Sharif (LIB 13.11.2019, S. 61).
Balkh zählt zu den relativ stabilen und ruhigen Provinzen Nordafghanistans, in welcher die Taliban in der Vergangenheit keinen Fuß fassen konnten. In den letzten Monaten versuchten Aufständische der Taliban die Provinz Balkh aus benachbarten Regionen zu infiltrieren (LIB 13.11.2019, S. 62). Im Jahr 2018 227 zivile Opfer (85 Tote und 142 Verletzte) in Balkh dokumentiert. Dies entspricht einer Steigerung von 76% gegenüber 2017. Die Hauptursache für die Opfer waren Bodenkämpfe, gefolgt von improvisierten Bomben (IEDS; ohne Selbstmordattentate) und gezielten Tötungen (LIB 13.11.2019, S. 63). Das Niveau an willkürlicher Gewalt ist in der Provinz Balkh sowie in der Stadt Mazar-e Sharif so gering, dass für Zivilisten an sich nicht die Gefahr besteht von erheblichen Eingriffen in die psychische oder physische Unversehrtheit betroffen zu sein (EASO - Country Guidance Afghanistan, Juni 2019, S. 89; S. 92f).
Mazar-e Sharif ist ein Import-/Exportdrehkreuz, ein regionales Handelszentrum sowie ein Industriezentrum mit großen Fertigungsbetrieben und einer Vielzahl von kleinen und mittleren Unternehmen. Mazar-e Sharif ist über die Autobahn sowie über einen Flughafen (mit nationalen und internationalen Anbindungen) zu erreichen (LIB 13.11.2019, S. 61; S. 336).
In der Stadt Mazar-e Sharif gibt es 10 - 15 - teils öffentliche, teils private - Krankenhäuser. In Mazar-e Sharif existieren mehr private als öffentliche Krankenhäuser. Private Krankenhäuser sind sehr teuer, jede Nacht ist kostenpflichtig. Zusätzlich existieren etwa 30-50 medizinische Gesundheitskliniken die zu 80% öffentlich finanziert sind (LIB 13.11.2019, S. 347).
Mazar-e Sharif gilt im Vergleich zu Herat oder Kabul als wirtschaftlich relativ stabiler. Die größte Gruppe von Arbeitern in der Stadt Mazar-e Sharif sind im Dienstleistungsbereich und als Verkäufer tätig (EASO, Kapitel Common Analysis: Afghanistan, V).
Die Unterkunftssituation stellt sich in Mazar-e Sharif, wie in den anderen Städten Afghanistans auch, für Rückkehrer und Binnenflüchtlinge als schwierig dar. Viele Menschen der städtischen Population leben in Slums oder nichtadäquaten Unterkünften. In Mazar-e Sharif besteht grundsätzlich die Möglichkeit, sicheren Wohnraum, wie beispielsweise in Teehäusern, zu mieten. (EASO, Kapitel Common Analysis: Afghanistan, V).
Die meisten Menschen in Mazar-e Sharif haben Zugang zu erschlossener Wasserversorgung (76%), welche in der Regel in Rohrleitungen oder aus Brunnen erfolgt. 92% der Haushalte haben Zugang zu besseren Sanitäreinrichtungen (EASO, Kapitel Common Analysis: Afghanistan, V).
Das Niveau an willkürlicher Gewalt ist in der Stadt Mazar-e Sharif so gering, dass für Zivilisten an sich nicht die Gefahr besteht, von erheblichen Eingriffen in die psychische oder physische Unversehrtheit betroffen zu sein (EASO, Kapitel Common Analysis: Afghanistan, III).
Mazar-e Sharif ist über die Autobahn sowie über einen Flughafen (mit nationalen und internationalen Anbindungen) legal zu erreichen (LIB, Kapitel 21). Der Flughafen von Mazar-e Sharif (MRZ) liegt 9 km östlich der Stadt im Bezirk Marmul. Die Befahrung der Straßen von diesem Flughafen bis zur Stadt Mazar-e Sharif ist zur Tageszeit im Allgemeinen sicher (EASO, Kapitel Common analysis: Afghanistan, V).
Herat:
Die Provinz Herat liegt im Westen Afghanistans und ist eine der größten Provinzen Afghanistans. Die Provinzhauptstadt von Herat ist Herat-Stadt (LIB 13.11.2019, S. 105). Die Provinz verfügt über 2.095.117 Einwohner, 556.205 davon in der Provinzhauptstadt. Die wichtigsten ethnischen Gruppen in der Provinz sind Paschtunen, Tadschiken, Hazara, Turkmenen, Usbeken und Aimaqs, wobei Paschtunen in elf Grenzdistrikten die Mehrheit stellen. Umfangreiche Migrationsströme haben die ethnische Zusammensetzung der Stadt verändert, der Anteil an schiitischen Hazara ist seit 2001 durch Iran-Rückkehrer und Binnenvertriebene besonders gestiegen (LIB 13.11.2019, S. 106).
Herat ist durch die Ring-Road sowie durch einen Flughafen mit nationalen und internationalen Anbindungen erreichbar (LIB 13.11.2019, S. 106).
Herat gehört zu den relativ ruhigen Provinzen im Westen Afghanistans, jedoch sind Taliban-Kämpfer in einigen abgelegenen Distrikten aktiv und versuchen oft terroristische Aktivitäten. Je mehr man sich von Herat-Stadt (die als "sehr sicher" gilt) und den angrenzenden Distrikten Richtung Norden, Westen und Süden entfernt, desto größer wird der Einfluss der Taliban. In der Stadt Herat steigt die Kriminalität und Gesetzlosigkeit (LIB 13.11.2019, S. 106). Im Jahr 2018 gab es mit 259 zivile Opfer (95 Tote und 164 Verletzte) in Herat einen Rückgang von 48% gegenüber 2017. Die Hauptursache für die Opfer waren improvisierten Sprengkörper (improvised explosive devices, IEDs; ohne Selbstmordanschläge), gefolgt von Kämpfen am Boden und gezielten Tötungen. Der volatilste Distrikt von Herat ist Shindand. Dort kommt es zu gewalttätigen Zusammenstößen zwischen rivalisierenden Taliban-Fraktionen, wie auch zwischen den Taliban und regierungsfreundlichen Kräften. Außerdem kommt es in unterschiedlichen Distrikten immer wieder zu bewaffneten Zusammenstößen zwischen Taliban und Sicherheitskräften (LIB 13.11.2019, S. 108f). Das Niveau an willkürlicher Gewalt ist in der Stadt Herat so gering, dass für Zivilisten an sich nicht die Gefahr besteht von erheblichen Eingriffen in die psychische oder physische Unversehrtheit betroffen zu sein (EASO - Country Guidance Afghanistan, Juni 2019, S. 89, S. 99f).
Im Vergleich mit anderen Teilen des Landes weist Herat wirtschaftlich und sicherheitstechnisch relativ gute Bedingungen auf. Es gibt Arbeitsmöglichkeiten im Handel, darunter den Import und Export von Waren mit dem benachbarten Iran, wie auch im Bergbau und Produktion. Die Industrie der kleinen und mittelständischen Unternehmen (KMUs) ist insbesondere im Handwerksbereich und in der Seiden- und Teppichproduktion gut entwickelt und beschäftigt Tagelöhner sowie kleine Unternehmer (LIB 13.11.2019, S. 336).
Die Unterkunftssituation stellt sich in Herat, wie in den anderen Städten Afghanistans auch, für Rückkehrer und Binnenflüchtlinge als schwierig dar. Viele Menschen der städtischen Population leben in Slums oder nichtadäquaten Unterkünften. In Herat besteht grundsätzlich die Möglichkeit, sicheren Wohnraum, wie beispielsweise in Teehäusern, zu mieten (EASO, Kapitel Common Analysis: Afghanistan, V).
Die meisten Menschen in Herat haben Zugang zu Elektrizität (80 %), zu erschlossener Wasserversorgung (70%) und zu Abwasseranlagen (30%). 92,1 % der Haushalte haben Zugang zu besseren Sanitäreinrichtungen und 81,22 % zu besseren Wasserversorgungsanlagen (EASO, Kapitel Common Analysis: Afghanistan, V).
In der Provinz Herat - mit Ausnahme in der Stadt Herat - kommt es zu willkürlicher Gewalt, jedoch nicht auf hohem Niveau. Dementsprechend ist ein höheres Maß an individuellen Risikofaktoren erforderlich ist, um wesentliche Gründe für die Annahme aufzuzeigen, dass ein in dieses Gebiet zurückgekehrter Zivilist einem realen ernsthaften Risiko ausgesetzt wäre, Schaden im Sinne von Artikel 15(c) der Qualifizierungsrichtlinie zu nehmen (EASO, Kapitel Guidance Note: Afghanistan, III.3).
Die Hauptstadt der Provinz ist Herat-Stadt. In dieser Stadt findet willkürliche Gewalt auf einem niedrigen Niveau statt. Im Allgemeinen besteht kein reales Risiko, dass ein Zivilist aufgrund willkürlicher Gewalt im Sinne von Artikel 15(c) der Qualifizierungsrichtlinie persönlich betroffen wird. Es müssen jedoch immer individuelle Risikoelemente berücksichtigt werden (EASO, Kapitel Guidance note: Afghanistan, III.3).
Bamyan:
Die Provinz Bamyan grenzt im Norden an Samangan, im Osten an Baghlan, Parwan und (Maidan) Wardak, im Süden an Ghazni und Daykundi und im Westen an Sar-e Pul und Ghor. Sie ist in sieben Distrikte unterteilt: Bamyan, Kahmard, Panjab, Saighan, Shebar, Waras und Yakawlang. Darüber hinaus existiert noch der "temporäre" Distrikt Yakawlang zwei. Nach Schätzung der zentralen Statistikorganisation Afghanistans (CSO) für den Zeitraum 2019-20 leben 486.928 Personen in Bamyan (CSO 2019). Bamyan gilt als die "inoffizielle Hazara-Hauptstadt" Afghanistans und ist Teil des sogenannten Hazarajat. Nach den Hazara sind Tadschiken und Paschtunen die zweit- und drittgrößte ethnische Gruppe in Bamyan. Etwa 90% der Bewohner von Bamyan sind Schiiten (LIB 13.11.2019, S. 66).
Der Linienverkehr zum und vom Flughafen Bamyan wurde im Januar 2018 eingestellt, nachdem die einzige Fluggesellschaft, die diese Strecke anfliegt, bei einem Angriff auf ein Hotel in Kabul mehrere Mitarbeiter verloren hat. Mit Stand Februar 2019 war der Betrieb wieder aufrecht. Bamyan kann von Kabul aus entweder über die Autobahn Kabul-Bamyan, über die Provinz (Maidan) Wardak oder über Parwan erreicht werden (LIB 13.11.2019, S. 66).
Die Provinz Bamyan zählt zu den relativ friedlichen Provinzen in Zentralafghanistan. Jedoch wurde im Juli 2018 von einem Angriff der Taliban-Aufständische auf mehrere Polizeikontrollstellen im Distrikt Kahmard berichtet. Nichtsdestotrotz, hatten die Taliban mit Stand November 2018 keinen Einfluss in Bamyan. Im Jahr 2018 dokumentierte UNAMA in Bamyan sieben zivile Opfer (ein Todesopfer, sechs Verletzte). Dies entspricht einer Steigerung von 75% gegenüber 2017. Hauptursache waren nicht explodierte Kampfmittel (unexploded ordnances, UXOs) bzw. Landminen, gefolgt von Kämpfen und Drohungen bzw. Einschüchterungen und Belästigungen. UNOCHA meldete für den Zeitraum 1.1.-31.12.2018 acht in der Provinz Bamyan vertriebene Personen, die aus der Provinz selbst stammten. Im Zeitraum 1.1.-30.6.2019 meldete UNOCHA keine durch gewaltsamen Konflikt vertriebene Personen aus oder in die Provinz Bamyan. Im Zeitraum 1.1.-31.12.2018 meldete UNOCHA 3.091 Vertriebene in die Provinz Bamyan, die hauptsächlich aus anderen Provinzen stammten (LIB 13.11.2019, S. 67f).
In der Provinz Bamyan findet willkürliche Gewalt auf einem niedrigen Niveau statt. Im Allgemeinen besteht kein reales Risiko, dass ein Zivilist aufgrund willkürlicher Gewalt im Sinne von Artikel 15(c) der Qualifizierungsrichtlinie persönlich betroffen wird. Es müssen jedoch immer individuelle Risikoelemente berücksichtigt werden (EASO, Kapitel Guidance note: Afghanistan, III.3).
Sicherheitsbehörden:
Die afghanischen nationalen Verteidigungs- und Sicherheitskräfte (ANDSF - Afghan National Defense and Security Forces) umfassen militärische, polizeiliche und andere Sicherheitskräfte. Das Innenministerium ist primär für die interne Ordnung zuständig, dazu zählt auch die ANP (Afghan National Police) und die ALP (Afghan Local Police) (LIB 13.11.2019, S. 249).
Die Afghanische Nationalarmee (ANA) ist für die externe Sicherheit verantwortlich, dennoch besteht ihre Hauptaufgabe darin, den Aufstand im Land zu bekämpfen. Das Verteidigungsministerium hat die Stärke der ANA mit 227.374 autorisiert (LIB 13.11.2019, S. 250). Die Afghan National Police (ANP) gewährleistet die zivile Ordnung und bekämpft Korruption sowie die Produktion und den Schmuggel von Drogen. Der Fokus der ANP liegt derzeit in der Bekämpfung von Aufständischen gemeinsam mit der ANA (LIB 13.11.2019, S. 250). Die Afghan Local Police (ALP) wird durch die USA finanziert und schützt die Bevölkerung in Dörfern und ländlichen Gebieten vor Angriffen durch Aufständische (LIB 13.11.2019, S. 251).
Bewegungsfreiheit:
Das Gesetz garantiert interne Bewegungsfreiheit, Auslandsreisen, Emigration und Rückkehr. Die Regierung schränkt die Bewegung der Bürger gelegentlich aus Sicherheitsgründen ein. Afghanen dürfen sich formell im Land frei bewegen und niederlassen (LIB 13.11.2019, S. 327).
Meldewesen:
Afghanistan hat kein zentrales Bevölkerungsregister, keine Datenbanken mit Adress- oder Telefonnummerneinträgen und auch keine Melde- oder Registrierungspflicht. Die Gemeinschafts- bzw. Bezirksältesten führen kein Personenstandsregister, die Regierung registriert jedoch Rückkehrer. Durch die hohe soziale Kontrolle ist gerade im ländlichen Raum keine, aber auch in den Städten kaum Anonymität zu erwarten (LIB 13.11.2019, S. 328).
Allgemeine Menschenrechtslage:
Im Bereich der Menschenrechte hat Afghanistan unter schwierigen Umständen Fortschritte gemacht. Inzwischen ist eine selbstbewusste neue Generation von Afghaninnen und Afghanen herangewachsen, die sich politisch, kulturell und sozial engagiert und der Zivilgesellschaft eine stärkere Stimme verleiht. Diese Fortschritte erreichen aber nach wie vor nicht alle Landesteile und sind außerhalb der Städte auch gegen willkürliche Entscheidungen von Amtsträgern und Richtern sowie Einflussnahme örtlicher Machteliten nur schwer durchzusetzen. Die afghanische Regierung ist nicht in der Lage, die durch die afghanische Verfassung und einschlägige völkerrechtliche Verträge garantierten Menschenrechte vollumfänglich umzusetzen und zu gewährleisten (LIB 13.11.2019, S. 264).
Medizinische Versorgung:
Der afghanischen Verfassung zufolge hat der Staat kostenlos medizinische Vorsorge, ärztliche Behandlung und medizinische Einrichtungen für alle Bürger zur Verfügung zu stellen. Außerdem fördert der Staat die Errichtung und Ausweitung medizinischer Leistungen und Gesundheitszentren. Eine begrenzte Anzahl staatlicher Krankenhäuser in Afghanistan bietet kostenfreie medizinische Versorgung an. Alle Staatsbürger haben dort Zugang zu medizinischer Versorgung und Medikamenten. Die Verfügbarkeit und Qualität der Grundbehandlung ist durch Mangel an gut ausgebildeten Ärzten, Ärztinnen und Assistenzpersonal (v.a. Hebammen), mangelnde Verfügbarkeit von Medikamenten, schlechtes Management sowie schlechte Infrastruktur begrenzt (LIB 13.11.2019, S. 344).
Die Kosten für Medikamente in staatlichen Krankenhäusern weichen vom lokalen Marktpreis ab. Privatkrankenhäuser gibt es zumeist in größeren Städten wie Kabul, Jalalabad, Mazar-e Sharif, Herat und Kandahar. Die Behandlungskosten in diesen Einrichtungen variieren. 90% der medizinischen Versorgung in Afghanistan werden nicht direkt vom Staat zur Verfügung gestellt, sondern von nationalen und internationalen NGOs, die über ein Vertragssystem beauftragt werden (LIB 13.11.2019, S. 345).
Wirtschaft:
Afghanistan ist nach wie vor eines der ärmsten Länder der Welt und stark von internationalen Hilfsgeldern abhängig (LIB 13.11.2019, S. 333).
Am Arbeitsmarkt müssten jährlich 400.000 neue Arbeitsplätze geschaffen werden, um Neueinsteiger in den Arbeitsmarkt integrieren zu können. Der Zugang zum Arbeitsmarkt ist angespannt und die Arbeitslosigkeit ist hoch. Persönliche Kontakte, Empfehlungen sowie ein Netzwerk sind wichtig um einen Job zu finden. Arbeitgeber bewerten persönliche Beziehungen und Netzwerke höher als formelle Qualifikationen, wobei Fähigkeiten, die sich Rückkehrer im Ausland angeeignet haben, eine wichtige Rolle bei der Arbeitsplatzsuche spielen können. Der afghanische Arbeitsmarkt ist durch eine starke Dominanz des Agrarsektors, eine Unterrepräsentation von Frauen und relativ wenigen Möglichkeiten für junge Menschen gekennzeichnet. Ebenso korreliert ein Mangel an Bildung mit Armut, wobei ein niedriges Bildungsniveau und Analphabetismus immer noch weit verbreitet sind. In Afghanistan existiert keine finanzielle oder sonstige Unterstützung bei Arbeitslosigkeit (LIB 13.11.2019, S. 334f).
In Kabul und im Umland sowie in Städten stehen Häuser und Wohnungen zur Verfügung. Die Kosten in Kabul-City sind jedoch höher als in den Vororten oder in den anderen Provinzen. Die Lebenshaltungskosten sind für den zentral gelegenen Teil der Stadt Kabul höher als In ländlichen Gebieten (LIB 13.11.2019, S. 359).
In den Jahren 2016-2017 lebten 54,5% der Bevölkerung unterhalb der nationalen Armutsgrenze. Immer mehr Menschen greifen auf negative Bewältigungsmechanismen wie Kleinkriminalität, Kinderehen, Kinderarbeit und Betteln zurück, von denen insbesondere Binnenvertriebene betroffen sind. Der Zugang zu einer produktiven oder entgeltlichen Beschäftigung ist begrenzt, 80% der Beschäftigung gelten als anfällig und unsicher in Form von Selbst- oder Eigenbeschäftigung, Tagarbeit oder unbezahlter Arbeit. Der saisonale Effekt ist erheblich. Die Arbeitslosenquote ist in den Frühlings- und Sommermonaten relativ niedrig (rund 20%), während sie im Winter 32,5% erreichen kann (EASO, Kapitel Common Analysis: Afghanistan, V).
Im Zeitraum von 2016 bis 2017 waren 44,6% der afghanischen Bevölkerung sehr stark bis mäßig von Lebensmittelunsicherheit betroffen. In allen Wohnbevölkerungsgruppen war seit 2011 ein Anstieg festzustellen, wobei der höchste Anstieg in den ländlichen Gebieten zu verzeichnen war (EASO, Kapitel Common Analysis: Afghanistan, V).
Afghanistans jährliche Wachstumsrate der städtischen Bevölkerung gehört zu den höchsten der Welt. Kabul war das Zentrum des Wachstums, und der Rest der städtischen Bevölkerung konzentriert sich hauptsächlich auf vier andere Stadtregionen: Herat, Mazar-e Sharif, Kandahar und Jalalabad. Die große Mehrheit (72%, basierend auf ALCS-Zahlen für 2016-2017) der afghanischen Stadtbevölkerung lebt in Slums oder in ungenügenden Wohnungen. 86% der städtischen Häuser in Afghanistan können (gemäß der Definition von UN-Habitat) als Slums eingestuft werden. Der Zugang zu angemessenem Wohnraum stellt für die Mehrheit der Afghanen in den Städten eine große Herausforderung dar (EASO, Kapitel Common Analysis: Afghanistan, V).
In den Städten besteht grundsätzlich die Möglichkeit sicheren Wohnraum zu mieten. Darüber hinaus bieten die Städte die Möglichkeit von "Teehäusern", die mit 30 Afghani (das sind ca. ? 0,35) bis 100 Afghani (das sind ca. ? 1,20) pro Nacht relativ günstig sind. "Teehäuser" werden von Reisenden, Tagesarbeitern, Straßenhändlern, jungen Menschen, alleinstehenden Männern und anderen Personen, die in der Gegend keine ständige Unterkunft haben, als vorübergehende Unterkunft genutzt (EASO, Kapitel Common Analysis: Afghanistan, V).
Der Zugang zu sauberem Trinkwasser sowie angemessenen sanitären Einrichtungen hat sich in den letzten Jahren erheblich verbessert. Der Zugang zu grundlegenden Dienstleistungen, wie Wasserversorgung und Abwasserentsorgung, war in den Städten im Allgemeinen besser als auf dem Land. Der Zugang zu Trinkwasser ist für viele Afghanen jedoch nach wie vor ein Problem, und die sanitären Einrichtungen sind weiterhin schlecht (EASO, Kapitel Common Analysis: Afghanistan, V).
Rückkehrer:
In den ersten vier Monaten des Jahres 2019 sind insgesamt 63.449 Menschen nach Afghanistan zurückgekehrt. Im Jahr 2018 kamen 775.000 aus dem Iran und 46.000 aus Pakistan zurück (LIB 13.11.2019, S. 353).
Personen, die freiwillig oder zwangsweise nach Afghanistan zurückgekehrt sind, können verschiedene Unterstützungsformen in Anspruch nehmen. Für Rückkehrer leisten UNHCR und IOM in der ersten Zeit Unterstützung. Bei der Anschlussunterstützung ist die Transition von humanitärer Hilfe hin zu Entwicklungszusammenarbeit nicht immer lückenlos. Wegen der hohen Fluktuation im Land und der notwendigen Zeit der Hilfsorganisationen, sich darauf einzustellen, ist Hilfe nicht immer sofort dort verfügbar, wo Rückkehrer sich niederlassen. Es befinden sich viele Rückkehrer in Gebieten, die für Hilfsorganisationen aufgrund der Sicherheitslage nicht erreichbar sind (LIB 13.11.2019, S. 354).
Soziale, ethnische und familiäre Netzwerke sind für einen Rückkehrer unentbehrlich. Der Großteil der nach Afghanistan zurückkehrenden Personen verfügt über ein familiäres Netzwerk, auf das in der Regel zurückgegriffen wird. Wegen der schlechten wirtschaftlichen Lage, den ohnehin großen Familienverbänden und individuellen Faktoren ist diese Unterstützung jedoch meistens nur temporär und nicht immer gesichert. Neben der Familie als zentrale Stütze der afghanischen Gesellschaft, kommen noch weitere wichtige Netzwerke zum Tragen, wie z.B. der Stamm, der Clan und die lokale Gemeinschaft. Diese basieren auf Zugehörigkeit zu einer Ethnie, Religion oder anderen beruflichen Netzwerken (Kolleg/innen, Mitstudierende etc.) sowie politische Netzwerke usw. Ein Netzwerk ist für das Überleben in Afghanistan wichtig. So sind manche Rückkehrer auf soziale Netzwerke angewiesen, wenn es ihnen nicht möglich ist, auf das familiäre Netz zurückzugreifen. Ein Mangel an Netzwerken stellt eine der größten Herausforderungen für Rückkehrer dar. Die Rolle sozialer Netzwerke - der Familie, der Freunde und der Bekannten - ist für junge Rückkehrer besonders ausschlaggebend, um sich an das Leben in Afghanistan anzupassen. Sollten diese Netzwerke im Einzelfall schwach ausgeprägt sein, kann die Unterstützung verschiedener Organisationen und Institutionen in Afghanistan in Anspruch genommen werden (LIB 13.11.2019, S. 354).
Rückkehrer aus dem Iran und aus Pakistan, die oft über Jahrzehnte in den Nachbarländern gelebt haben und zum Teil dort geboren wurden, sind in der Regel als solche erkennbar. Offensichtlich sind sprachliche Barrieren, von denen vor allem Rückkehrer aus dem Iran betroffen sind, weil sie Farsi (die iranische Landessprache) oder Dari (die afghanische Landessprache) mit iranischem Akzent sprechen. Zudem können fehlende Vertrautheit mit kulturellen Besonderheiten und sozialen Normen die Integration und Existenzgründung erschweren. Das Bestehen sozialer und familiärer Netzwerke am Ankunftsort nimmt auch hierbei eine zentrale Rolle ein. Über diese können die genannten Integrationshemmnisse abgefedert werden, indem die erforderlichen Fähigkeiten etwa im Umgang mit lokalen Behörden sowie sozial erwünschtes Verhalten vermittelt werden und für die Vertrauenswürdigkeit der Rückkehrer gebürgt wird. Es gibt jedoch nicht viele Fälle von Diskriminierung afghanischer Rückkehrer aus dem Iran und Pakistan aufgrund ihres Status als Rückkehrer. Fast ein Viertel der afghanischen Bevölkerung besteht aus Rückkehrern. Diskriminierung beruht in Afghanistan großteils auf ethnischen und religiösen Faktoren sowie auf dem Konflikt (LIB 13.11.2019, S. 355).
Rückkehrer aus Europa oder dem westlichen Ausland werden von der afghanischen Gesellschaft häufig misstrauisch wahrgenommen. Es sind jedoch keine Fälle bekannt, in denen Rückkehrer nachweislich aufgrund ihres Aufenthalts in Europa Opfer von Gewalttaten wurden. Wenn ein Rückkehrer mit im Ausland erlangten Fähigkeiten und Kenntnissen zurückkommt, stehen ihm mehr Arbeitsmöglichkeiten zur Verfügung als den übrigen Afghanen, was bei der hohen Arbeitslosigkeit zu Spannungen innerhalb der Gemeinschaft führen kann (LIB 13.11.2019, S. 355).
Der Mangel an Arbeitsplätzen stellt für den Großteil der Rückkehrer die größte Schwierigkeit dar. Der Zugang zum Arbeitsmarkt hängt maßgeblich von lokalen Netzwerken ab. Die afghanische Regierung kooperiert mit UNHCR, IOM und anderen humanitären Organisationen, um IDPs, Flüchtlingen, rückkehrenden Flüchtlingen und anderen betroffenen Personen Schutz und Unterstützung zu bieten. Für Afghanen, die im Iran geboren oder aufgewachsen sind und keine Familie in Afghanistan haben, ist die Situation problematisch (LIB 13.11.2019, S. 355).
Viele Rückkehrer leben in informellen Siedlungen, selbstgebauten Unterkünften oder gemieteten Wohnungen. Die meisten Rückkehrer im Osten des Landes leben in überbelegten Unterkünften und sind von fehlenden Möglichkeiten zum Bestreiten des Lebensunterhaltes betroffen (LIB 13.11.2019, S. 356).
Eine Reihe unterschiedlicher Organisationen ist für Rückkehrer und Binnenvertriebene (IDP) in Afghanistan zuständig. Rückkehrer erhalten Unterstützung von der afghanischen Regierung, den Ländern, aus denen sie zurückkehren, und internationalen Organisationen (z.B. IOM) sowie lokalen Nichtregierungsorganisationen (NGOs). Es gibt keine dezidiert staatlichen Unterbringungen für Rückkehrer. Der Großteil der (freiwilligen bzw. zwangsweisen) Rückkehrer aus Europa kehrt direkt zu ihren Familien oder in ihre Gemeinschaften zurück (LIB 13.11.2019, S. 356).
Die "Reception Assistance" umfasst sofortige Unterstützung oder Hilfe bei der Ankunft am Flughafen: IOM trifft die freiwilligen Rückkehrer vor der Einwanderungslinie bzw. im internationalen Bereich des Flughafens, begleitet sie zum Einwanderungsschalter und unterstützt bei den Formalitäten, der Gepäckabholung, der Zollabfertigung, usw. Darüber hinaus arrangiert IOM den Weitertransport zum Endziel der Rückkehrer innerhalb des Herkunftslandes und bietet auch grundlegende medizinische Unterstützung am Flughafen an. 1.279 Rückkehrer erhielten Unterstützung bei der Weiterreise in ihre Heimatprovinz. Für die Provinzen, die über einen Flughafen und Flugverbindungen verfügen, werden Flüge zur Verfügung gestellt. Der Rückkehrer erhält ein Flugticket und Unterstützung bezüglich des Flughafen-Transfers. Der Transport nach Herat findet in der Regel auf dem Luftweg statt (LIB 13.11.2019, S. 358).
Familien in Afghanistan halten in der Regel Kontakt zu ihrem nach Europa ausgewanderten Familienmitglied und wissen genau Bescheid, wo sich dieses aufhält und wie es ihm in Europa ergeht. Dieser Faktor wird in Asylinterviews meist heruntergespielt und viele Migranten, vor allem Minderjährige, sind instruiert zu behaupten, sie hätten keine lebenden Verwandten mehr oder jeglichen Kontakt zu diesen verloren (LIB 13.11.2019, S. 362).
Ethnische Minderheiten:
In Afghanistan leben zwischen 32-35 Millionen Menschen. Es sind ca. 40-42% Pashtunen, rund 27-30% Tadschiken, ca. 9-10% Hazara und 9% Usbeken. Die afghanische Verfassung schützt sämtliche ethnische Minderheiten. Neben den offiziellen Landessprachen Dari und Paschtu wird in der Verfassung sechs weiteren Sprachen ein offizieller Status in jenen Gebieten eingeräumt. Soziale Gruppen werden in Afghanistan nicht ausgeschlossen und kein Gesetz verhindert die Teilnahme von Minderheiten am politischen Leben. Es kommt jedoch im Alltag zu Diskriminierungen und Ausgrenzungen ethnischer Gruppen und Religionen sowie zu Spannungen, Konflikten und Tötungen zwischen unterschiedlichen Gruppen (LIB 13.11.2019, S. 287f).
Hazara
Die schiitische Minderheit der Hazara macht etwa 9-10% der Bevölkerung aus. Wichtige Merkmale der ethnischen Identität der Hazara sind die schiitische Konfession (mehrheitlich Zwölfer-Schiiten) und ihre ethnisch-asiatisches Erscheinungsbild (LIB 13.11.2019, S. 290f).
Ihre Gesellschaft ist traditionell strukturiert und basiert auf der Kernfamilie bzw. dem Klan. Es bestehen keine sozialen oder politischen Stammesstrukturen (LIB 13.11.2019, S. 292).
Die Lage der Hazara, die während der Taliban-Herrschaft besonders verfolgt waren, hat sich grundsätzlich verbessert und Hazara bekleiden inzwischen auch prominente Stellen in der Regierung und im öffentlichen Leben, sind jedoch in der öffentlichen Verwaltung nach wie vor unterrepräsentiert. Hazara werden am Arbeitsmarkt diskriminiert. Soziale Diskriminierung gegen schiitische Hazara, basierend auf Klasse, Ethnie oder religiösen Ansichten, finden ihre Fortsetzung in Erpressung (illegale Steuern), Zwangsrekrutierung, Zwangsarbeit, physischer Misshandlung und Inhaftierung. Nichtsdestotrotz, genießt die traditionell marginalisierte schiitische muslimische Minderheit, zu der die meisten ethnischen Hazara gehören, seit 2001 eine zunehmende politische Repräsentation und Beteiligung an nationalen Institutionen (LIB 13.11.2019, S. 291f).
Hazara neigen sowohl in ihren sozialen, als auch politischen Ansichten dazu, liberal zu sein, dies steht im Gegensatz zu den Ansichten sunnitischer Militanter. Ethnische Spannungen zwischen unterschiedlichen Gruppen führen weiterhin zu Konflikten und Tötungen. Angriffe durch den ISKP und andere aufständische Gruppierungen auf spezifische religiöse und ethno-religiöse Gruppen - inklusive der schiitischen Hazara - halten an (LIB 13.11.2019, S. 292).
Religionen:
Etwa 99% der afghanischen Bevölkerung sind Muslime, davon 80-89,7% Sunniten. Laut Verfassung ist der Islam die Staatsreligion Afghanistans. Anhänger anderer Religionen sind frei, ihren Glauben im Rahmen der gesetzlichen Vorschriften auszuüben (LIB 13.11.2019, S. 277).
Schiiten
Der Anteil schiitischer Muslime an der Bevölkerung wird auf 10-19% geschätzt. Zu der schiitischen Bevölkerung zählen die Ismailiten und die Jafari-Schiiiten (Zwölfer-Schiiten). 90% von ihnen gehören zur ethnischen Gruppe der Hazara. Auseinandersetzungen zwischen Sunniten und Schiiten sind in Afghanistan selten, die Diskriminierung der schiitischen Minderheit durch die sunnitische Mehrheit ist zurückgegangen (LIB 13.11.2019, S. 279).
Die politische Repräsentation und die Beteiligung an den nationalen Institutionen seitens der traditionell marginalisierten schiitischen Minderheit, der hauptsächlich ethnische Hazara angehören, ist seit 2001 gestiegen. Einige schiitische Muslime bekleiden höhere Regierungsposten. Im Ulema-Rat, der nationalen Versammlung von Religionsgelehrten, die u. a. dem Präsidenten in der Festlegung neuer Gesetze und Rechtsprechung beisteht, beträgt die Quote der schiitischen Muslime 25-30%. Des Weiteren tagen rechtliche, konstitutionelle und menschenrechtliche Kommissionen, welche aus Mitgliedern der sunnitischen und schiitischen Gemeinschaften bestehen und von der Regierung unterstützt werden, regelmäßig, um die interkonfessionelle Schlichtung zu fördern (LIB 13.11.2019, S. 280).
Anfragebeantwortung Rückkehrhilfen und Finanzdienstleistungen:
MoU (Memoranums of Understanding)
Der Anfragebeantwortung ist zu entnehmen, dass die sog. "Memorandums of Understanding (MoDs)" zwischen Afghanistan, dem Hochkommissariat der Vereinten Nationen für Flüchtlinge (UNHCR) und den jeweiligen Nationalstaaten, sowie der 2016 getroffenen Vereinbarung zwischen der Europäischen Union und der afghanischen Regierung die freiwillige Rückkehr ebenso, wie eine unfreiwillige Rückführung afghanischer Flüchtlinge in ihr Heimatland regeln.
Das Afghanistan Analysts Network berichtet am 6.10.2016, dass die Europäische Union und Afghanistan eine Rückübernahmevereinbarung getroffen haben, welche regelt, wie die Rückkehr von Afghanen, die nach Europa gereist sind und kein Asyl erhalten haben, erfolgen soll.
Die Vereinbarung besagt, dass Afghanistan seine Bürger, welche in die EU eingereist sind oder sich unregelmäßig auf dem Gebiet der EU aufhalten, nach eingehender Prüfung jedes Einzelfalls durch die Mitgliedstaaten wieder aufzunehmen wird. Sowohl durch freiwillige Rückkehr, als auch durch Abschiebung nach Ausschöpfung der Verwaltungs- und Gerichtsverfahren mit aufschiebender Wirkung.
In der Vereinbarung heißt es, dass besondere Maßnahmen ergriffen werden, um sicherzustellen, dass gefährdete Gruppen (unbegleitete Minderjährige, alleinstehende Frauen und von Frauen geführte Familien, ältere und schwerkranke Menschen) während des gesamten Rückkehr- und Wiedereingliederungsprozesses angemessenen Schutz, Unterstützung und Betreuung erhalten, und dass die Einheit der Familie respektiert wird.
Zu den Mechanismen der Rückkehr sieht das Abkommen vor, dass alle Afghan/innen, welche auf freiwilliger oder nicht freiwilliger Basis nach Afghanistan zurückkehren, im Besitz eines anerkannten gültigen Reisedokuments sein müssen. Durch die afghanischen Behörden muss sicherstellt werden, dass ein Pass oder ein entsprechendes Reisedokument innerhalb von vier Wochen nach Antragstellung eines EU-Mitgliedstaats (oder, wenn der Mitgliedstaat über einen Nachweis der Staatsangehörigkeit verfügt, innerhalb von zwei Wochen) ausgestellt wird. Werden Reisedokumente nicht innerhalb dieser Fristen ausgestellt, können durch die Mitgliedstaaten eigene Reisedokumente (d.h. einen Laissez-Pass) ausstellt werden.
Gemäß dem Abkommen kann die EU Linien- oder Charterflüge zum Flughafen Kabul und zu allen anderen spezifizierten afghanischen Flughäfen, sowie Sammelflüge aus mehreren EU-Staaten, für die Rückbringung der afghanischen Staatsangehörigen nutzen.
Rückkehrprogramme und Wiedereingliederungshilfen werden getrennt und unabhängig von der Entwicklungshilfe für Afghanistan bereitgestellt.
Staatliche Hilfsprogramme und Leistungen für Rückkehrer
Ebenso geht hervor, dass Rückkehrer/innen im Rahmen von verschiedenen Projekten Internationaler Organisationen und Regierungen unterstützt werden. Unterstützungen umfassen: Beratung, Bargeld und Sachleistungen, temporäre Unterkunft, Maßnahmen in den Bereichen der allgemeinen Grundbedürfnisse, wie medizinische und psychologische Versorgung und Weiterbildung, eine Erhebung der familiären Situation, Aufklärung zu Gefahr durch Minen, Rechtsbeistand, Unterstützung bei der Beschaffung von Dokumenten, Aus- und Weiterbildung, wie auch Unterstützung bei der Jobsuche.
Hilfeleistungen für Rückkehrer/innen durch die afghanische Regierung konzentrieren sich auf Rechtsbeistand, Arbeitsplatzvermittlung, Land und in Form einer zweiwöchigen Unterkunft.
Finanzdienstleistungen für Rückkehrer
Bei den Ausführungen zur vierten Frage wird ausgeführt, dass Rückkehrer/innen im Rahmen von Projekten Internationaler Organisationen unter anderem mit Bargeld und Sachleistungen unterstützt werden.
Quelle:
* Anfragebeantwortung der Staatendokumentation vom 12.10.2018 zum Thema "Rückkehrhilfe, Finanzdienstleistungen"
Anfragebeantwortung - Arbeitsmarkt, Balkh, Mazar-e Sharif:
Arbeitslage in der Provinz Balkh
Der Anfragebeantwortung ist zu entnehmen, dass die Arbeitslosenrate in der Provinz Balkh lediglich bei etwa 8,2% liegt. Als bedeutende Wirtschaftssektoren und Arbeitgeber in der Provinz Balkh werden unter anderem der Handel und Dienstleistungssektor, die Land-, Forstwirtschaft und Fischerei sowie das verarbeitende und Baugewerbe genannt. Die Arbeitslosigkeit bei Frauen ist höher als bei Männern. Des Weiteren sind Personen, die des Lesens und Schreibens kundig sind, mit einer höheren Wahrscheinlichkeit wirtschaftlich tätig. Die Wirtschaft der Provinz Balkh basiert auf Handel und Dienstleistungen (43,2%), Landwirtschaft (38,5%) und verarbeitendem Gewerbe (16,2%), wobei hier das Baugewerbe miteinbezogen wird (siehe Tabelle 5.1). In der Provinzhauptstadt Mazar-i Sharif nimmt die wirtschaftliche Bedeutung der Landwirtschaft ab und wird teilweise durch den Handels- und Dienstleistungssektor und in geringerem Maße durch das verarbeitende Gewerbe ersetzt.
Etwa 50% der befragten Personen, Arbeitgeber und Arbeitnehmer, sind im verarbeitenden Gewerbe tätig und stellen somit die größte Gruppe in Mazar-i-Sharif. 32,7% der Befragten sind im Groß- und Einzelhandel tätig. Weitere wichtige Sektoren sind Nachrichtenübermittlung (4,8%), Bergbau und Gewinnung von Steinen und Erden (3,5%), Verkehr (3,5%), Gastgewerbe (3,4%) und Baugewerbe (1,9%).
Quelle:
* Anfragebeantwortung der Staatendokumentation vom 12.10.2018 zum Thema "Arbeitsmarkt, Balkh, Mazar-e-Sharif"
Zur aktuell vorliegenden Pandemie aufgrund des Corona-Virus:
COVID-19 ist eine durch das Corona-Virus SARS-CoV-2 verursachte Viruserkrankung, die erstmals im Jahr 2019 in Wuhan/China festgestellt wurde und sich seither weltweit verbreitet. In Österreich gibt es laut Johns Hopkins University mit Stand 21.04.2020, 12:00 Uhr, 14.873 bestätigte Fälle von mit dem Corona-Virus infizierten Personen mit 491 Todesfällen; in Afghanistan wurden zu diesem Zeitpunkt 1.092 Fälle von mit dem Corona-Virus infizierten Personen nachgewiesen, wobei 36 diesbezügliche Todesfälle bestätigt wurden (coronavirus.jhu.edu).
Die Wahrscheinlichkeit von schweren Erkrankungen und Todesfällen steigt bei Personen über 65 Jahren und bei Personen mit definierten Risikofaktoren wie Bluthochdruck, Diabetes, Herz-Kreislauf-Erkrankungen, chronischen Atemwegserkrankungen, geschwächtem Immunstatus, Krebs und Fettleibigkeit deutlich an. Diese Risikogruppen sind bis heute für die Mehrheit der schweren Erkrankungen und Todesfälle verantwortlich. Nach der Infektion gibt es aktuell (noch) keine spezifische Behandlung für COVID-19, jedoch kann eine frühzeitige unterstützende Therapie, sofern die Gesundheitsfürsorge dazu in der Lage ist, die Ergebnisse verbessern. Zusammenfassend lässt sich sagen, dass der Krankheitsverlauf des COVID-19, sofern es durch das Coronavirus ausgelöst wurde, für die Allgemeinbevölkerung als mild bis moderate Atemwegserkrankung, für ältere Menschen mit definierten Risikofaktoren jedoch als gravierend bis tödlich eingeschätzt wird (s. www.who.int/health topics/coronavirus). Sowohl in Kabul als auch in der nah der iranischen Grenze gelegenen Stadt Herat gelten inzwischen Ausgangssperren, um die Ausbreitung des Virus zu verlangsamen (NZZ 07.04.2020; vgl. BBC 09.04.2020). Zudem erfolgen grosse Rückkehrbewegungen aus Iran und Pakistan, wobei die afghanischen Behörden um das Erlangen der Kontrolle an den seit jeher durchlässigen und oft chaotischen Grenzübergängen (zu den beiden Ländern Pakistan und Iran) bemüht sind (BBC 09.04.2020).
II.2. Diese Feststellungen beruhen auf folgender Beweiswürdigung:
II.2.1. Der oben angeführte Verfahrensgang ergibt sich aus dem unbedenklichen und unzweifelhaften Akteninhalt des vorgelegten Verwaltungsaktes des BFA und dem Verfahrensakt des Bundesverwaltungsgerichts.
II.2.2. Die Feststellungen zur Staatsangehörigkeit, zur Volksgruppen- und Religionszugehörigkeit sowie zu seinen Sprachkenntnissen beruhen auf den glaubhaften Angaben des BF während des gesamten Verfahrens. Diese Umstände wurden nicht nur bereits den Entscheidungen in seinem Verfahren auf internationalen Schutz zugrunde gelegt, sondern auch dem nunmehr angefochtenen Bescheid. In der Beschwerde werden diese Feststellungen nicht bestritten, sodass sie auch der gegenständlichen Entscheidung bedenkenlos zugrunde gelegt werden können. Ebenso verhält es sich mit den Feststellungen zur Geburt im Iran, seinem Schulbesuch, seiner Arbeitserfahrung, der Herkunftsprovinz seiner Familie sowie der Abschiebung und seinem darauffolgenden Aufenthalt in Afghanistan. Alle diese Feststellungen basieren auf den stets gleichbleibenden Angaben des BF selbst während des gesamten Verfahrens.
Dagegen waren die Angaben zu seinen Familienangehörigen nicht gleichbleibend und daher gerade in Bezug auf den fehlenden Kontakt nicht glaubhaft. So gab er in seinem Verfahren auf internationalen Schutz überhaupt noch an, er habe keinen Kontakt zu seiner engeren Familie und wisse von keinen Verwandten in Afghanistan, es gebe nur einen Onkel im Iran (AS 83, 193). Zwar gab der BF in seiner Einvernahme anlässlich des eingeleiteten Verfahrens zur Aberkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten insoweit gleichbleibend an, er habe keinen Kontakt zu seiner näheren Familie und wisse daher nicht, wo diese sei. Im Gegensatz zu seinen bisherigen Angaben räumte er jedoch nun ein, dass er mehrere Tanten und Onkel habe, die in Afghanistan lebten (AS 351). So sollen sich bei seiner Ausreise eine Tante mütterlicherseits, seine Mutter, drei Schwestern - eine davon verheiratet - und ein Bruder in Herat aufgehalten haben (AS 351). Weiters befanden sich zumindest zum Zeitpunkt seiner Ausreise ein Onkel und zwei Tanten väterlicherseits in Afghanistan und der Mann der Schwester im Iran. Seinen Vater habe er beim Grenzübertritt in den Iran verloren (AS 352 bzw. Einreisebefragung). Der BF gab auch seine eigene Rückkehr in den Iran für ca. 5 Wochen im Jahr 2018 an (AS 350, 261).
Daran ist ersichtlich, dass es sich bei den Angaben des BF nur um Schutzbehauptungen handelte, um sich dadurch etwaige Verfahrensvorteile zu verschaffen: So stellte das BFA bereits fest, dass der BF familiäre Anknüpfungspunkte im Iran und im Heimatland habe und er einen fehlenden Kontakt zu seinen Angehörigen nicht glaubhaft machen könne. Dazu führte das BFA überzeugend aus, dass die Schilderungen des BF, was er unternommen habe, um den Kontakt zu seiner Familie wiederaufzunehmen, nicht nachvollziehbar sind. So gab er dazu nämlich nur an, er sei einmal in den Iran geflogen und habe die Familie dort gesucht; derzeit habe er Kontakt nur zu Freunden und Bekannten im Iran, die ihm sagen würden, sobald die Familie wieder zurückkehre (AS 350). Ebenso war der BF nicht in der Lage, anzugeben, wo er in Herat gelebt habe (AS 350), wozu der BF - wie ebenfalls bereits das BFA ausführte - jedoch aufgrund seiner Schulbildung in der Lage sein müsste, zumal er dort drei Monate lang gelebt hat (AS 350). Bereits das BFA führte deshalb richtig aus, dass es sich bei den vagen Angaben zu den weiteren Familienangehörigen des BF in Afghanistan um Schutzbehauptungen handeln muss, weil die Familie nach ihrer Abschiebung nach Afghanistan wohl alle Möglichkeiten erwogen hat, wo sie sich niederlässt und wie sie nunmehr für ihren Lebensunterhalt aufkommen kann. Dazu würden aufgrund des engen familiären Zusammenhalts in Afghanistan jedenfalls auch die Familienangehörigen zumindest kurzfristig beitragen, sodass davon ausgegangen werden kann, dass in der Familie zumindest darüber gesprochen wurde und der BF auch Angaben zu seinen weiteren Familienangehörigen tätigen können müsste. Insbesondere soll ein entfernter Verwandter / Bekannter seines Vaters der Familie überhaupt auch die Unterkunft in Herat besorgt haben.
Dem BFA kann daher nicht entgegengetreten werden, wenn es aufgrund dieser überzeugenden Erwägungen davon ausgeht, dass der BF Kontakt zu seinen Familienangehörigen in Afghanistan und im Iran hat. In der Beschwerde werden diese Ausführungen auch nicht substantiiert bekämpft, sondern nur ein fehlendes familiäres Auffangnetz ohne nähere Begründung und ohne den Feststellungen des BFA damit substantiiert entgegenzutreten, behauptet. Lediglich ergänzend ist daher festzuhalten, dass auch die gut einmonatige Reise des BF in den Iran, der diesen ja bereits als 15jähriger verlassen hatte, dafürspricht, dass er in engem Kontakt zu seinen Familienangehörigen steht. Insbesondere verfügte der BF zu dieser Zeit über kein eigenes Einkommen und wäre daher wohl nicht aus Eigenem in der Lage gewesen, die Kosten für einen derartigen Aufenthalt samt Hin- und Rückflug sowie Unterkunft zu begleichen. Deshalb ist davon auszugehen, dass ihm dieser Aufenthalt von seinen Familienangehörigen finanziell ermöglicht wurde und dazu diente, seine Familie bzw. Teile dieser wiederzusehen. Diese Familienangehörigen würden ihn daher auch bei einer Rückkehr nach Afghanistan finanziell unterstützen und könnten auch den Kontakt zur weiteren Familie in Afghanistan herstellen, so seine engere Familie - zu der der BF Kontakt hält - sich nicht überhaupt noch dort aufhält.
Durch sein Aufwachsen in einer afghanischen Familie und einer afghanischen Umgebung sowie den Besuch einer afghanischen Schule ist der BF auch, wie bereits vom BFA festgestellt und in der Beschwerde ebenfalls nicht bekämpft, mit den Gebräuchen und Gepflogenheiten der afghanischen Kultur vertraut, auch wenn er im Iran geboren und aufgewachsen ist. Das zeigt auch, dass der BF von keinen Anpassungsschwierigkeiten während seines Aufenthalts in Herat berichtet, woraus ebenfalls nur der Schluss gezogen werden kann, dass der BF mit den dortigen Gepflogenheiten bereits vertraut ist beziehungsweise sich diese jedenfalls aneignen kann. Auch im Bundesgebiet ist der BF mit Afghanen befreundet, was ebenso zeigt, dass der BF keine Anpassungsschwierigkeiten an die afghanischen Gepflogenheiten hat. Da sich überdies vor ca. fünf Jahren zum Zeitpunkt der Ausreise des BF aus Afghanistan z