Entscheidungsdatum
04.05.2020Norm
BVergG 2018 §327Spruch
W134 2229948-2/31E
W134 2229948-3/2E
IM NAMEN DER REPUBLIK!
1)
Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Mag. Thomas Gruber als Vorsitzender sowie Mag. Gabriele Lukassen als fachkundige Laienrichterin der Auftraggeberseite und Dr. Manfred Müllner als fachkundiger Laienrichter der Auftragnehmerseite betreffend das Vergabeverfahren "Reinigungsdienstleistungen AGES, BBG-interne GZ: 2691.03300" der Auftraggeberin Österreichische Agentur für Gesundheit und Ernährungssicherheit GmbH vertreten durch die vergebende Stelle Bundesbeschaffung GmbH, Lassallestraße 9b, 1020 Wien, diese vertreten durch die Finanzprokuratur, Singerstraße 17-19, 1011 Wien, aufgrund der Anträge der XXXX vertreten durch THURNHER WITTWER PFEFFERKORN & PARTNER Rechtsanwälte GmbH, Messestraße 11, 6850 Dornbirn, vom 26.03.2020
A)
zu Recht erkannt:
I. Der Antrag, "das Bundesverwaltungsgericht möge die Ausscheidensentscheidung der BBG vom 10.3.2020 (./1) in Bezug auf Los 1 für nichtig erklären" wird gemäß § 334 BVergG 2018 abgewiesen.
II. Der Antrag, "das Bundesverwaltungsgericht möge die Ausscheidensentscheidung der BBG vom 10.3.2020 (./1) in Bezug auf Los 2 für nichtig erklären" wird gemäß § 334 BVergG 2018 abgewiesen.
III. Dem Antrag vom 03.04.2020, "über die konkrete Gebührenhöhe möge im Zuge des weiteren Verfahrens gesondert abgesprochen werden" wird stattgegeben. Im gegenständlichen Nachprüfungsverfahren waren von der Antragstellerin an Pauschalgebühren gemäß § 340 BVergG 2018 insgesamt ? 34.992,-- zu entrichten.
beschlossen:
IV. Der Antrag "das Bundesverwaltungsgericht möge die Auswahlentscheidung der BBG vom 10.3.2020 (./1) in Bezug auf Los 1 für nichtig erklären" wird gemäß § 334 BVergG 2018 zurückgewiesen.
V. Der Antrag "das Bundesverwaltungsgericht möge die Auswahlentscheidung der BBG vom 10.3.2020 (./1) in Bezug auf Los 2 für nichtig erklären" wird gemäß § 334 BVergG 2018 zurückgewiesen.
B)
Die Revision ist gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.
2)
Das Bundesverwaltungsgericht fasst durch den Richter Mag. Thomas Gruber betreffend das Vergabeverfahren "Reinigungsdienstleistungen AGES, BBG-interne GZ: 2691.03300" der Auftraggeberin Österreichische Agentur für Gesundheit und Ernährungssicherheit GmbH vertreten durch die vergebende Stelle Bundesbeschaffung GmbH, Lassallestraße 9b, 1020 Wien, diese vertreten durch die Finanzprokuratur, Singerstraße 17-19, 1011 Wien, aufgrund der Anträge der XXXX vertreten durch THURNHER WITTWER PFEFFERKORN & PARTNER Rechtsanwälte GmbH, Messestraße 11, 6850 Dornbirn, vom 26.03.2020 folgenden Beschluss:
A)
Der Antrag gerichtet auf Ersatz der entrichteten Pauschalgebühren durch die Auftraggeberin wird gemäß § 341 BVergG 2018 abgewiesen.
B)
Die Revision ist gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.
Text
ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:
I. Vorbringen der Parteien:
Mit Schreiben vom 26.03.2020, beim BVwG eingelangt am gleichen Tag, begehrte die Antragstellerin die Nichtigerklärung der Ausscheidens- und Auswahlentscheidungen vom 10.03.2020 hinsichtlich der Lose 1 und 2, die Durchführung einer mündlichen Verhandlung, den Ersatz der entrichteten Pauschalgebühren durch die Auftraggeberin und die Erlassung einer einstweiligen Verfügung.
Zur Rechtswidrigkeit der Ausscheidens- und Auswahlentscheidungen vom 10.03.2020 gab die Antragstellerin zusammengefasst Folgendes an:
Die Antragstellerin habe zu den Losen 1 und 2 fristgerecht jeweils ein Angebot gelegt. Mit Schreiben der Auftraggeberin vom 10.3.2020 habe diese der Antragstellerin bekannt gegeben, dass ihre Angebote für die Lose 1 und 2 jeweils ausgeschieden worden seien und eine Auswahlentscheidung zugunsten anderer Bieter getroffen worden sei. Die Auftraggeberin habe ihre Ausscheidensentscheidungen damit begründet, dass die maximal zulässige praktische Flächenleistung gemäß ÖNORM D 2050 in beiden Losen überschritten worden sei. Diese Begründung der Ausscheidensentscheidung sei jedoch falsch.
Die Antragstellerin hätte ein Interesse am Vertragsabschluss, es drohe ihr ein Schaden und ihre Rechte würden verletzt.
Mit Schreiben der XXXX vom 31.03.2020 erhob diese begründete Einwendungen.
Mit Schreiben der Auftraggeberin vom 01.04.2020 und vom 07.04.2020 gab diese die allgemeinen Daten des gegenständlichen Vergabeverfahrens bekannt.
Mit Schreiben der Antragstellerin vom 03.04.2020 wurde ein Beleg für die Bezahlung einer weiteren Pauschalgebühr in Höhe von ? 15.552,-- vorgelegt. Weiters wurde der Antrag gestellt, dass über die konkrete Gebührenhöhe im Zuge des weiteren Verfahrens gesondert abgesprochen werden möge.
Mit einstweiliger Verfügung des BVwG vom 08.04.2020, W134 2229948-1/7E, wurde der Auftraggeberin für die Dauer des Nachprüfungsverfahrens untersagt, im gegenständlichen Vergabeverfahren die Rahmenvereinbarung für die Lose 1 und 2 abzuschließen.
Mit Schreiben der Auftraggeberin vom 10.04.2020 und vom 16.04.2020 verwies diese darauf, dass die ÖNORM D 2050 im gegenständlichen Vergabeverfahren aufgrund der Ausschreibungsunterlagen und des anzuwendenden Rahmenkollektivvertrages anzuwenden sei. In der ÖNORM D 2050 würden die maximalen m² Leistungen in der Denkmal-, Fassaden-und Gebäudereinigung festgelegt werden, die Arbeitnehmer je nach Tätigkeiten erbringen dürften. Ein Verstoß gegen die ÖNORM D 2050 stelle daher auch einen Verstoß gegen den Kollektivvertrag dar. Der Grund für das Ausscheiden des Angebotes der Antragstellerin für die Lose 1 und 2 wegen des Überschreitens der zulässigen Reinigungsleistung gemäß den Vorgaben der ÖNORM D 2050 stelle sich in Tabellen veranschaulicht wie folgt dar:
Ad Los 1:
Reinigungsbereiche "Gänge, Sport- und Mehrzweckhallen"
Vorgaben Punkt 5.1, Tabelle 1 der Ö-NORM D 2050
Leistungswerte Antragstellerin
Sichtreinigung
700 m²/h
879,561 m²/h
Teilreinigung
500 m²/h
606,897 m²/h
Ad Los 2:
Reinigungsbereiche "Büros, Besprechungszimmer, Klassenzimmer, Unterrichtsräume/Sonderunterrichtsräume und EDV-Räume mit festem Gestühl/Stationsstützpunkt"
Vorgaben Punkt 5.1, Tabelle 1 der Ö-NORM D 2050
Leistungswerte Antragstellerin
Sichtreinigung
450 m²/h
500 m²/h
Teilreinigung
250 m²/h
335,878 m²/h
Die Ausschreibungswidrigkeit des Angebotes der Antragstellerin sei sohin evident und das Ausscheiden des Angebotes gemäß § 141 Abs. 1 Z. 7 BVerG 2018 zwingend erforderlich.
Aus Punkt 4.1.2 der ÖNORM D 2050 gehe hervor, dass im Gegensatz zur Sicht- und zur Vollreinigung die ÖNORM D 2050 im Falle der Teilreinigung gerade nicht konkret definiere, welche Leistungen zu erbringen seien, sondern die spezielle Ausgestaltung der Teilreinigung den Vertragspartnern überlasse. Dies unter der Vorgabe, dass sich die Teilreinigung durch ein "mehr" in Bezug auf die bei der Sichtreinigung zu erbringenden Leistungen und ein "weniger" in Bezug auf die bei der Vollreinigung zu erbringenden Leistungen abgrenze. Bei der Teilreinigung laut Punkt 4.1.2 der ÖNORM D 2050 handle es sich daher um einen Auffangtatbestand für Reinigungsleistungen, welche aufgrund ihres vermehrten Aufwandes nicht unter die Sichtreinigung gemäß Punkt 4.1.3 ÖNORM D 2050 und aufgrund ihres verringerten Aufwandes nicht unter die Vollreinigung gemäß Punkt 4.1.1 Ö NORM D 2050 falle.
Eine solche Ausgestaltung habe die Antragsgegnerin in den Ausschreibungsunterlagen im Leistungsverzeichnis vorgenommen, indem an den Tagen, die mit der Überschrift "Teilreinigung" versehen seien, Leistungen gefordert würden, die über die bloße Sichtreinigung hinausgehen würden. Hier sei konkret definiert worden, wie eine Teilreinigung an entsprechenden Tagen ausgestaltet sei. Da es sich dabei immer um ein "mehr" gegenüber der an anderen Tagen durchzuführenden Sichtreinigung handle, wäre hier schon nach dem ausdrücklichen Wortlaut der Punkte 1 iVm 4.1.2 der ÖNORM D2050 eine Teilreinigung zu kalkulieren gewesen und die entsprechenden maximalen Flächenleistungen laut Punkt 5.1 Tabelle 1 ÖNORM D 2050 zu beachten gewesen wären.
Mit Schreiben der Antragstellerin vom 24.04.2020 brachte diese vor, dass die Bieter aufgrund der Ausschreibungsunterlagen von einer Mischleistung ausgehen könnten und die ÖNORM D 2050 an keiner Stelle vorgebe, dass eine Mischkalkulation bzw. Mischbewertung nicht zulässig sei. Die Arbeiter iSd ÖNORM D 2050 seien, wenn man der Argumentation der Auftraggeberin folge, unterfordert und die auszuführende Sichtreinigung überbezahlt.
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
1. Sachverhalt (schlüssiges Beweismittel)
Die Auftraggeberin Österreichische Agentur für Gesundheit und Ernährungssicherheit GmbH, vertreten durch die vergebende Stelle Bundesbeschaffung GmbH, hat einen Dienstleistungsauftrag unterteilt in zwei Lose im Wege eines Verhandlungsverfahrens nach vorheriger Bekanntmachung im Oberschwellenbereich ausgeschrieben. Es ist nach Angaben der Auftraggeberin der Abschluss einer Rahmenvereinbarung beabsichtigt (in den Allgemeinen Ausschreibungsbedingungen ist allerdings von Abschluss eines Rahmenvertrages die Rede). Die Bekanntmachung in Österreich erfolgte am 15.06.2019 und in der EU am 17.06.2019 (bei der Angabe der Auftraggeberin diese sei am 17.06.2020 erfolgt, handelt es sich offenbar um einen Schreibfehler). Der geschätzte Auftragswert beider Lose beträgt ? 13.000.000,--. (Schreiben der Auftraggeberin vom 01.04.2020).
Die Ausscheidensentscheidung vom 17.03.2020 wurde am gleichen Tag bereitgestellt. Die Entscheidung mit welchem Unternehmer die Rahmenvereinbarung abgeschlossen werden soll vom 17.03.2020 wurde am gleichen Tag bereitgestellt. Diese Entscheidungen erfolgten im Los 1 zugunsten der XXXX und im Los 2 zugunsten der XXXX . (Schreiben der Auftraggeberin vom 01.04.2020).
Punkt A.1.1 der "Leistungsbeschreibung / Pflichtenheft für das Verhandlungsverfahren gem. BVergG 2018 betreffend Reinigungsdienstleistungen AGES, Fassung Letztangebot" lautet auszugsweise:
"A.1.1 Umfang der Festlegungen zur Leistungserfüllung
Die Erbringung und Durchführung der gegenständlichen Reinigungsdienstleistungen (Unterhaltsreinigung, Grundreinigung, Fensterreinigung sowie Sonderreinigung) hat unter Zugrundelegung der Festlegungen in den angeführten Unterlagen zu erfolgen:
* Den kommerziellen Ausschreibungsbedingungen (Rahmenvertrag)
* [...]
* Die ÖNORM D 2050 in der geltenden Fassung
* [...]" (Ausschreibungsunterlagen)
Punkt 3 "Kommerzielle Ausschreibungsbedingungen Rahmenvertrag, Reinigungsdienstleistungen AGES, Fassung Letztangebot" lautet auszugsweise:
"3 Vertragsbestandteile
Der Rahmenvertrag besteht aus dieser Vertragsurkunde und den nachstehenden Beilagen, die einen integrierenden Vertragsbestandteil bilden und nach Maßgabe folgender Reihenfolge gültig sind:
* [...]
* Die ÖNORM D 2050 in der jeweils geltenden Fassung
* [...]" (Ausschreibungsunterlagen)
Die "ÖNORM D 2050, Ausgabe 2017-01-01; Reinigungsleistungen, Quadratmeterleistungen in der Denkmal-, Fassaden- und Gebäudereinigung" lautet auszugsweise:
"1 Anwendungsbereich
Diese ÖNORM regelt Kennzahlen für Reinigungsdienstleistungen in Abhängigkeit von Reinigungsniveaus, Raumflächen und Raumnutzung.
Diese ÖNORM legt die maximalen Quadratmeterleistungen (m2-Leistungen) fest, die Arbeitnehmer je nach Tätigkeiten und Anforderungen ihrer Arbeitgeber zu erbringen haben. Das primäre Ziel ist dabei der Schutz der Arbeitnehmer vor Überforderung.
Diese Quadratmeterleistungen (m²-Leistungen) beziehen sich ausschließlich auf die gesamte Raumfläche inklusive verstellter Bodenflächen.
[...]
4.1.1 Vollreinigung
Diese Reinigungsleistung ist eine laufend wiederkehrende Reinigungsmaßnahme. Die Vollreinigung hat folgende Leistungen zu umfassen:
- Müllentleerung,
- Auffüllen von Bedarfs- oder Verbrauchsartikeln,
- Reinigung der Bodenflächen,
- Reinigung der waagrechten und senkrechten Oberflächen frei geräumter Einrichtungsgegenstände,
- Reinigung der frei geräumter Fensterbänke und Heizkörper,
- Reinigung von Türen, Schaltern, Steckdosen, Handläufen und Geländern von losen und leicht anhaftenden Verschmutzungen sowie die Entfernung von Spinnweben ohne die Verwendung von Steighilfen.
Nicht inkludiert sind Leistungen, die im Leistungsumfang der Generalreinigung gemäß 4.3 enthalten sind.
[...]
4.1.2 Teilreinigung
Diese Reinigungsleistung ist eine laufend wiederkehrende Reinigungsmaßnahme, bei der vertragsmäßig bestimmte Leistungsarten in einer festgesetzten Reinigungshäufigkeit durchgeführt werden. Bei dieser sind, je nach Beauftragung, Teile der Vollreinigung in zu definierenden Intervallen, abwechselnd ohne Verwendung von Steighilfen durchzuführen.
[...]
4.1.3 Sichtreinigung
Diese Reinigungsleistung ist eine laufend wiederkehrende Reinigungsmaßnahme. Die Sichtreinigung hat folgende Leistungen zu umfassen:
- Müllentleerung,
- Auffüllen von Bedarfs- oder Verbrauchsartikeln,
- Entfernung von Griffspuren auf Glastüren sowie
- Entfernung augenscheinlich grober Verschmutzungen im Rahmen einer Sichtkontrolle auf Böden, waagrechten und senkrechten Oberflächen freigeräumter Einrichtungsgegenstände, Fensterbänken und Heizkörpern ohne Verwendung von Steighilfen.
[...]" (ÖNORM D 2050, Ausgabe 2017-01-01)
Das Leistungsverzeichnis lautet auszugsweise:
Bild kann nicht dargestellt werden
Bild 1
Bild kann nicht dargestellt werden
Bild 2
Bild kann nicht dargestellt werden
Bild 3
(Leistungsverzeichnis, Datei "2691.03300_10_LV AGES 26.04.2019_LAFO")
Die Leistungswerte Punkt 5.1, Tabelle 1 der Ö-NORM D 2050 sowie die entsprechenden von der Antragstellerin angebotenen Leistungswerte lauten wie folgt:
Ad Los 1:
Reinigungsbereiche "Gänge, Sport- und Mehrzweckhallen"
Leistungswerte Punkt 5.1, Tabelle 1 der Ö-NORM D 2050
Angebotene Leistungswerte Antragstellerin
Sichtreinigung
700 m²/h
879,561 m²/h
Teilreinigung
500 m²/h
606,897 m²/h
Tabelle 1
Ad Los 2:
Reinigungsbereiche "Büros, Besprechungszimmer, Klassenzimmer, Unterrichtsräume/Sonderunterrichtsräume und EDV-Räume mit festem Gestühl/Stationsstützpunkt"
Leistungswerte Punkt 5.1, Tabelle 1 der Ö-NORM D 2050
Angebotene Leistungswerte Antragstellerin
Sichtreinigung
450 m²/h
500 m²/h
Teilreinigung
250 m²/h
335,878 m²/h
Tabelle 2
(ÖNORM D 2050, Ausgabe 2017-01-01, Tabelle 1; Schreiben der Auftraggeberin vom 10.04.2020, S. 10 und 11; Schreiben der Antragstellerin vom 26.03.2020, Punkte 7.6. und 8.6.).
2. Beweiswürdigung:
Dieser Sachverhalt ergibt sich schlüssig aus den in Klammer genannten Quellen, deren Echtheit und Richtigkeit außer Zweifel steht.
3. Rechtliche Beurteilung:
Die folgenden Ausführungen beziehen sich grundsätzlich auf das Vorbringen beider Lose, da die diesbezüglichen Vorbringen der Antragstellerin im Wesentlichen gleichlautend sind.
Die Ausschreibungsunterlagen, welche mangels rechtzeitiger Anfechtung bestandsfest wurden und an welche daher alle am Vergabeverfahren Beteiligten gebunden sind, sind nach dem objektiven Erklärungswert für einen durchschnittlich fachkundigen Bieter bei Anwendung der üblichen Sorgfalt auszulegen (VwGH 17. 6. 2014, 2013/04/0029; VwGH 14. 4. 2011, 2008/04/0065; VwGH 15. 3. 2017, Ra 2014/04/0052).
Gemäß § 339 Abs 1 Z 1 und 3 BVergG 2018 kann die mündliche Verhandlung ungeachtet eines Parteienantrags entfallen, wenn der verfahrenseinleitende Antrag zurückzuweisen ist oder bereits auf Grund der Aktenlage feststeht, dass dem verfahrenseinleitenden Antrag stattzugeben oder dass er abzuweisen ist, soweit dem weder Art 6 EMRK, noch Art 47 GRC entgegenstehen. Die Parteien wurden mit Schreiben des BVwG vom 17.04.2020 darauf hingewiesen, dass das BVwG derzeit - auch unter Berücksichtigung der besonderen Umstände der COVID-19 Krise - davon ausgeht, dass eine mündliche Verhandlung in der gegenständlichen Sache entfallen kann, da der entscheidungsrelevante Sachverhalt feststeht. Die Parteien hatten die Möglichkeit dazu Stellung zu nehmen, sie haben dies jedoch nicht getan. Das Unterbleiben einer Verhandlung beeinträchtigt die aus Art 6 EMRK und Art 47 GRC erfließenden Rechte in diesem Fall nicht. Die Parteien konnten ihre Standpunkte in den Schriftsätzen ausreichend darlegen. Gemäß § 24 Abs 4 VwGVG iVm § 333 BVergG 2018 kann eine mündliche Verhandlung ungeachtet eines Parteienantrags auch entfallen, wenn eine mündliche Verhandlung eine weitere Klärung der Rechtsfrage nicht erwarten lässt. Dazu muss der entscheidungserhebliche Sachverhalt feststehen, was in der gegenständlichen Sache der Fall ist. Die gegenständliche Entscheidung beruht auf Tatsachen, die unstrittig feststehen und sich ausschließlich aus dem Akteninhalt ergeben. Sie wurden auch von den Verfahrensparteien nicht bestritten. Eine ergänzende Erörterung von Tatsachen war daher nicht erforderlich, um den entscheidungsrelevanten Sachverhalt festzustellen.
3.a) Zu den Spruchpunkten 1) A) I. und II. (Anträge auf Nichtigerklärung der Ausscheidensentscheidungen):
Die Antragstellerin bringt im Wesentlichen vor, dass ihre Angebote in den Losen 1 und 2 nicht wegen der Überschreitung der maximal zulässigen praktischen Flächenleistung gem ÖNORM D 2050 auszuscheiden gewesen wären, da in den Angeboten der Antragstellerin diese Flächenleistungen nach ihrer Berechnung nicht überschritten worden seien. Aufgrund der unterschiedlichen Intervalle der Tätigkeit Boden und der Tätigkeit über Boden (innerhalb eines Tages) würden sich aufgrund der Differenzierung zwischen Sicht- und Teilreinigung Mischleistungen ergeben, welche in Summe höher liegen würden, als wenn die Intervalle einheitlich bzw ident wären.
Die Ausschreibungsunterlagen, konkret Punkt A.1.1 der "Leistungsbeschreibung / Pflichtenheft für das Verhandlungsverfahren gem. BVergG 2018 betreffend Reinigungsdienstleistungen AGES, Fassung Letztangebot" und Punkt 3 "Kommerzielle Ausschreibungsbedingungen Rahmenvertrag, Reinigungsdienstleistungen AGES, Fassung Letztangebot", sehen die verpflichtende Einhaltung der ÖNORM D 2050 vor.
Gemäß Punkt 1 Anwendungsbereich der ÖNORM D 2050 beziehen sich die Quadratmeterleistungen (m²-Leistungen) in dieser ÖNORM ausschließlich auf die gesamte Raumfläche inklusive verstellter Bodenflächen. Diese m² Leistungen beziehen sich somit nicht etwa nur auf die Bodenflächen (Ausnahme Tabelle 3 und 4 der ÖNORM D 2050, welche jedoch im gegenständlichen Fall nicht zur Anwendung kommt, da die Antragstellerin keine Scheuersaugautomaten einsetzt) sondern auf den Raum als Ganzes. Das primäre Ziel ist dabei der Schutz der Arbeitnehmer vor Überforderung. Dies übersieht die Antragstellerin, wenn sie vorbringt, die Arbeiter iSd ÖNORM D 2050 seien, wenn man der Argumentation der Auftraggeberin folge, unterfordert.
Gemäß Punkt 4.1.2 der ÖNORM D 2050 ist eine Teilreinigung eine laufend wiederkehrende Reinigungsmaßnahme, bei der vertragsmäßig bestimmte Leistungsarten in einer festgesetzten Reinigungshäufigkeit durchgeführt werden. Bei dieser sind, je nach Beauftragung, Teile der Vollreinigung in zu definierenden Intervallen, abwechselnd [...] durchzuführen. Aus dieser Bestimmung geht, wie die Auftraggeberin richtigerweise ausführte, hervor, dass im Gegensatz zur Sicht- und zur Vollreinigung die Ö NORM D 2050 im Falle der Teilreinigung gerade nicht konkret definiert, welche Leistungen zu erbringen sind, sondern die spezielle Ausgestaltung der Teilreinigung den Vertragspartnern überlässt. Dies unter der Vorgabe, dass sich die Teilreinigung durch ein "mehr" in Bezug auf die bei der Sichtreinigung zu erbringenden Leistungen und ein "weniger" in Bezug auf die bei der Vollreinigung zu erbringenden Leistungen abgrenzt. Bei der Teilreinigung laut Punkt 4.1.2 der Ö NORM D 2050 handelt es sich daher - bezogen auf die gesamte Raumfläche inklusive verstellter Bodenflächen - um einen Auffangtatbestand für Reinigungsleistungen, welche aufgrund ihres vermehrten Aufwandes nicht unter die Sichtreinigung gemäß Punkt 4.1.3 Ö-NORM D2050 und aufgrund ihres verringerten Aufwandes nicht unter die Vollreinigung gemäß Punkt 4.1.1 ÖNORM D 2050 fallen. Die Auftraggeberin verdeutlicht dies auch in einem im Leistungsverzeichnis (siehe Bild 1) angeführten Beispiel wie folgt: "Beispiel: In Büros ist gem. LV 3x/Woche eine Sichtreinigung, 2x/Woche eine Teilreinigung sowie 1x/Monat eine Vollreinigung durchzuführen." Somit war etwa bei der Kalkulation des "Bereich Raumgruppe Gänge" gemäß dem Leistungsverzeichnis (siehe Bild 2) 3x/Woche eine Sichtreinigung, 2x/Woche eine Teilreinigung sowie 1x/Monat eine Vollreinigung zu kalkulieren.
Dies schließt eine Mischkalkulation bzw. Mischbewertung bzw Mischleistung, bei der in einem Raum an einem Tag beispielsweise zwischen "Leistung Boden m² pro Stunde" und "Leistung über Boden m² pro Stunde" differenziert und teilweise eine Teilreinigung und teilweise eine Sichtreinigung kalkuliert wird, wie dies die Antragstellerin vornehmen will, aus. Da die Antragstellerin offenkundig eine solche ausschreibungswidrige Mischkalkulation vorgenommen hat, hat sie in ihrem Angebot mit den für Los 1 in Tabelle 1 und für Los 2 in Tabelle 2 genannten Leistungswerten die nach der ÖNORM D 2050 und nach den Ausschreibungsunterlagen maximal zulässigen Leistungswerte überschritten, weshalb Ihr Angebot in beiden Losen zu Recht gem. § 141 Abs 1 Z 7 BVergG 2018 ausgeschieden wurde.
3.b) Zu den Spruchpunkten 1) A) IV. und V. (Anträge auf Nichtigerklärung der Auswahlentscheidungen):
Die Antragstellerin hat zu den Losen 1 und 2 lediglich vorgebracht, dass sie im Fall der Nichtigerklärung der Ausscheidensentscheidung als Partnerin der Rahmenvereinbarung vorzusehen gewesen wäre; sie hat insbesondere nicht vorgebracht, dass die Angebote der jeweiligen präsumtiven Zuschlagsempfängerin oder anderer im Vergabeverfahren verbliebener Bieter ausgeschieden hätten werden müssen.
Die Antragstellerin erstattete aber kein plausibles Vorbringen dazu, dass die Auftraggeberinnen im Falle des Ausscheidens der präsumtiven Zuschlagsempfänger gezwungen sein könnten, eine Neuausschreibung durchzuführen. Hinweise darauf ergaben sich auch nicht aus dem Vergabeakt. Ein plausibles Vorbringen zu einem drohenden Schaden in Form der fehlenden Teilnahmemöglichkeit an einem neu auszuschreibenden Vergabeverfahren ist aber nach der Judikatur erforderlich, damit die Antragslegitimation eines ausgeschiedenen Bieters in Bezug auf die Zuschlagsentscheidung überhaupt in Frage kommen kann (vgl. VwGH 29.01.2018, Ra 2016/04/0086 unter Berücksichtigung der Rechtsprechung des EuGH zu Fastweb, C-200/12 und PFE, C-689/13)
Eine Rechtswidrigkeit der Auswahlentscheidungen zu Los 1 und 2, die einen Schaden der ausgeschiedenen Antragstellerin im Sinne einer fehlenden Teilnahmemöglichkeit an einer Neuausschreibung bewirken könnte, ist damit nicht ersichtlich.
Die Ausscheidensentscheidungen der Auftraggeberin sind mit den Spruchpunkten 1) A) I. und II. dieses Erkenntnisses rechtskräftig geworden (VwGH 01.02.2017, Ro 2014/04/0069). Damit steht fest, dass das Angebot der Antragstellerin bei der Zuschlagsentscheidung von den Auftraggeberinnen nicht zu berücksichtigen war. Damit fehlt es der Antragstellerin hinsichtlich der Zuschlagsentscheidung an der Antragsvoraussetzung des 342 Abs. 1 Z 2 BVergG 2018, zumal ihr als ausgeschiedener Bieterin durch die Zuschlagsentscheidung kein Schaden entstanden ist oder zu entstehen droht.
Der Antragstellerin kommt somit hinsichtlich der Auswahlentscheidung keine Antragslegitimation mehr zu (vgl. VwGH 01.02.2017, Ro 2014/04/0069). Der Antrag der Antragstellerin auf Nichtigerklärung der Auswahlentscheidungen vom 10.03.2020 war somit mangels Antragslegitimation zurückzuweisen. Dies erfolgte gemäß §§ 28 Abs. 1, 31 Abs. 1 VwGVW iVm § 334 Abs. 2 Z 2 BVergG 2018 mit Beschluss.
3.c) Zu Spruchpunkt 1) A) III., Gebührenhöhe:
Bei dem gegenständlichen Vergabeverfahren handelt sich um einen Dienstleistungsauftrag mit einem geschätzten Auftragswert beider Lose von ? 13.000.000,--.
Die Antragstellerin hatte für ihre Anträge auf Nichtigerklärung der Ausscheidungsentscheidungen (siehe die Spruchpunkte 1) A) I. und II.) gem. § 340 Abs 1 Z 1 BVergG 2018 eine Pauschalgebühr in Höhe von ? 12.960,--und gem. § 340 Abs 1 Z 4 BVergG 2018 für die diesbezüglichen Anträge auf Erlassung einer einstweiligen Verfügung 50 % dieser festgesetzten Gebühr, nämlich ? 6.480,--zu entrichten.
Die Antragstellerin hatte für ihre Anträge auf Nichtigerklärung der Auswahlentscheidungen (siehe die Spruchpunkte 1) A) IV. und V.) gem. § 340 Abs 1 Z 5 BVergG 2018 eine Pauschalgebühr in Höhe von ? 10.368,--und gem. § 340 Abs 1 Z 4 BVergG 2018 für die diesbezüglichen Anträge auf Erlassung einer einstweiligen Verfügung 50 % dieser festgesetzten Gebühr, nämlich ? 5.184,--zu entrichten.
Die Antragstellerin hatte daher in Summe an Pauschalgebühren ? 34.992,-- zu entrichten.
Die Antragstellerin hat an Pauschalgebühren am 26.03.2020 ? 19.440,-- und am 03.04.2020 (nach entsprechendem mündlichen Verbesserungsauftrag durch den vorsitzenden Richter) ? 15.552,-- , insgesamt somit ? 34.992,-- einbezahlt. Die Antragstellerin hat somit die erforderlichen Pauschalgebühren zur Gänze entrichtet.
Wenn die Antragstellerin vorbringt, sie hätte die Pauschalgebühren nur einmal zu entrichten gehabt, da die Voraussetzungen des § 342 Abs. 2 BVergG 2018 vorliegen würden, ist ihr entgegenzuhalten, dass der Fall des § 342 Abs. 2 BVergG 2018 im gegenständlichen Fall nicht vorliegt, da das Ausscheiden gemeinsam mit der Auswahlentscheidung und nicht gemeinsam mit der Zuschlagsentscheidung angefochten wurde und somit nicht von einem zu vergebührenden Antrag, sondern von zwei zu vergebührenden Anträgen auszugehen ist. Weiters war § 2 Abs. 4 PauschGebVO zu berücksichtigen.
3.d) Zu Spruchpunkt 2.) A) - Gebührenersatz:
Da die Antragstellerin nicht obsiegt hat, hat sie gemäß § 341 BVergG 2018 keinen Anspruch auf Gebührenersatz durch die Auftraggeberin.
4) Zu den Spruchpunkten 1.) B) und 2.) B) - Revision:
Gemäß § 25a Abs 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art 133 Abs 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.
Nach Art 133 Abs 9 iVm Abs 4 B-VG ist gegen einen Beschluss des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn dieser von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil der Beschluss von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird. Ist die Rechtslage eindeutig, liegt keine die Zulässigkeit einer Revision begründende Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung vor (vgl. VwGH 28.02.2018, Ro 2017/04/0120).
Die Revision ist gemäß Art 133 Abs 9 iVm Abs 4 B-VG nicht zulässig, da keiner der vorgenannten Fälle vorliegt. Auch ist die Rechtslage eindeutig und es sind keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage ersichtlich.
Schlagworte
Ausscheidensentscheidung Dienstleistungsauftrag einstweilige Verfügung Nachprüfungsantrag Nachprüfungsverfahren Nichtigerklärung Pauschalgebührenersatz Provisorialverfahren VergabeverfahrenEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:BVWG:2020:W134.2229948.3.00Im RIS seit
15.09.2020Zuletzt aktualisiert am
15.09.2020