Entscheidungsdatum
28.05.2020Norm
AsylG 2005 §10 Abs1 Z3Spruch
W260 2177519-1/17E
IM NAMEN DER REPUBLIK!
Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch den Richter Mag. Markus BELFIN als Einzelrichter über die Beschwerde des XXXX , geboren am XXXX , Staatsangehörigkeit Afghanistan, vertreten durch Mag. Robert BITSCHE, Rechtsanwalt in 1050 Wien, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl, Regionaldirektion Niederösterreich, vom 18.10.2017, Zahl 1076448704-150792538, nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung zu Recht:
A)
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
B)
Die ordentliche Revision ist nicht zulässig.
Text
ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:
I. Verfahrensgang:
1. XXXX (im Folgenden "Beschwerdeführer"), ein afghanischer Staatsangehöriger, reiste illegal in das Bundesgebiet ein und stellte am 04.07.2015 einen Antrag auf internationalen Schutz.
2. Bei der Erstbefragung am selben Tag vor Organen des öffentlichen Sicherheitsdienstes gab der Beschwerdeführer im Beisein eines Dolmetschers für die Sprache Dari an, dass er aus der Provinz Bamyan in Afghanistan stammen würde, der Volksgruppe der Tadschiken angehören würde und sunnitischer Moslem wäre. Er hätte bereits in Ungarn einen Asylantrag gestellt.
Zu seinen Fluchtgründen befragt, gab der Beschwerdeführer an, er hätte seine Heimat verlassen, weil er von den Taliban bedroht worden wäre. Er hätte von den Taliban Drohbriefe mit dem Hinweis erhalten, dass man 100.000 Rupien erhalten würde, wenn man Leute von der Regierung töten würde. Die Arbeitsstelle des Beschwerdeführers wäre drei Mal von Terroranschlägen der Taliban betroffen gewesen.
Der Beschwerdeführer legte Beweismittel in afghanischer Sprache vor.
3. Am 28.08.2015 erfolgte die niederschriftliche Einvernahme im Zulassungsverfahrens vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (in der Folge "belangte Behörde") im Beisein eines Dolmetschers für die Sprache Dari.
4. Nach Zulassung des Verfahrens wurde der Beschwerdeführer am 24.11.2016 von der belangten Behörde im Beisein eines Dolmetschers für die Sprache Dari niederschriftlich einvernommen. Der Beschwerdeführer legte Beweismittel vor.
Er gab zusammengefasst an, er hätte seit frühester Kindheit in Kabul gelebt und dort zehn Jahre lang die Schule besucht und als Installateur, auch für die Staatsanwaltschaft, gearbeitet. Sein Vater wäre vor ungefähr sechs Jahren verstorben. Eine Schwester würde in den USA lebe. Die Mutter und zwei Brüder des Beschwerdeführers würden sich seit ungefähr acht Monaten bei der Schwester in den USA aufhalten. Eine weitere Schwester wäre verheiratet und würde in Afghanistan leben.
Zu seinen Fluchtgründen befragt gab der Beschwerdeführer an, er hätte einen Installateurbetrieb gehabt und sowohl für die Staatsanwaltschaft, als auch für wohlhabende Privatpersonen gearbeitet. Ein Mädchen aus der Nachbarschaft wäre zu ihm nach Hause gekommen und hätte ihn heiraten wollen. Er hätte diese Mädchen aber nicht gekannt. Sie wäre die Nichte vom ehemaligen Leiter für nationale Sicherheit gewesen. Deshalb wären die zwei Brüder des Beschwerdeführers von der Polizei mitgenommen worden, aufgrund ihres jungen Alters aber wieder freigelassen worden. Zwei Brüder des Mädchens hätten den Beschwerdeführer auf seiner Dienststelle aufgesucht. Es hätte Streit gegeben und der Beschwerdeführer wäre im Krankenhaus mit Schnittverletzungen am rechten Arm, am linken Bein und an der linken Schläfe aufgewacht. Er hätte sich aus Angst vor der wohlhabenden Familie des Mädchens nicht mehr nach Haus getraut und wäre zwei Monate auf der Flucht gewesen. Das Mädchen hätte ihn telefonisch kontaktiert und geraten, Afghanistan zu verlassen, ansonsten würde ihr Bruder aus XXXX kommen. Dann wäre der Beschwerdeführer ausgereist. Dies wäre sein einziger Fluchtgrund. Probleme mit den Taliban hätte er nicht.
5. Am 04.10.2017 erfolgte eine weitere niederschriftliche Einvernahme des Beschwerdeführers vor der belangten Behörde im Beisein eines Dolmetschers für die Sprache Dari. Der Beschwerdeführer legte Integrationsunterlagen vor.
6. Mit dem nunmehr angefochtenem Bescheid vom 18.10.2017 wies die belangte Behörde den Antrag des Beschwerdeführers auf internationalen Schutz bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten gemäß § 3 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG 2005 (Spruchpunkt I.) und bezüglich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Afghanistan gemäß § 8 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG 2005 (Spruchpunkt II.) ab. Gemäß § 57 AsylG 2005 erteilte die belangte Behörde dem Beschwerdeführer keinen Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen und erließ gemäß § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG 2005 iVm § 9 BFA-VG gegen den Beschwerdeführer eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 Z 2 FPG. Die belangte Behörde stellte gemäß § 52 Abs. 9 FPG fest, dass die Abschiebung des Beschwerdeführers gemäß § 46 FPG nach Afghanistan zulässig sei (Spruchpunkt III.). Weiters sprach die belangte Behörde aus, dass die Frist für die freiwillige Ausreise des Beschwerdeführers gemäß § 55 Abs. 1 bis 3 FPG zwei Wochen ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung betrage (Spruchpunkt IV).
Zu den Gründen für das Verlassen des Herkunftsstaates bzw. zu der Situation im Falle einer Rückkehr stellte die belangte Behörde insbesondere fest, das Vorbringen des Beschwerdeführers sei widersprüchlich sowie keineswegs schlüssig und plausibel. Er habe seine Fluchtgründe nicht glaubhaft machen können. Es drohe dem Beschwerdeführer auch keine Gefahr, die die Erteilung eines subsidiären Schutzes rechtfertigen würde. Der Beschwerdeführer verfüge in Österreich über kein schützenswertes Privat- und Familienleben, welches einer Rückkehrentscheidung entgegenstehen würde.
7. Gegen den verfahrensgegenständlichen Bescheid brachte der Beschwerdeführer durch seinen rechtsfreundlichen Vertreter fristgerecht Beschwerde ein.
Entgegen der Behauptung der belangten Behörde hätte der Beschwerdeführer sein Fluchtvorbringen sehr wohl detailliert und übereinstimmend geschildert. Die belangte Behörde hätte es hingegen unterlassen, sich mit dem konkreten Fluchtvorbringen des Beschwerdeführers auseinanderzusetzen. Der Beschwerdeführer monierte weiters, dass die Sicherheitslage in ganz Afghanistan äußert instabil wäre. Die Sicherheitsbehörden wären nicht in der Lage, Privatpersonen vor Übergriffen durch die Taliban oder durch private Feinde zu schützen. Die Sicherheits- und Versorgungslage wäre insgesamt volatil und würde der Beschwerdeführer bei einer Rückkehr nach Afghanistan in eine aussichtslose Situation geraten. Er würde in Afghanistan über keine familiären Bindungen mehr verfügen. Außerdem hätte er keinerlei Berufsausbildung absolviert.
8. Die Beschwerde und der Bezug habende Verwaltungsakt langten am 23.11.2017 beim Bundesverwaltungsgericht ein.
9. In seiner Beschwerdeergänzung vom 20.12.2017 stellte der Beschwerdeführer klar, dass er keine Beziehung zur Nachbarstochter gehabt hätte, sondern dieses Mädchen zu ihm gekommen wäre und ihn heiraten hätte wollen, was er abgelehnt hätte. Da sie in sein Haus gekommen wäre, hätten ihre Brüder vermutet, dass es eine Beziehung gegeben hätte und sie hätten gedroht, den Beschwerdeführer zu töten. Ergänzend zur Beschwerde möchte er festhalten, dass er als Mitarbeiter der Regierung bzw. des Ministeriums besonderer Gefahr ausgesetzt gewesen wäre und verwies auf die UNHCR-Richtlinien, wonach Personen, die mit der Regierung verbunden seien, ein potentielles Risikoprofil darstellen würden. Der Beschwerdeführer wäre zum Teil aus Angst vor der Nachbarsfamilie, zum Teil aus Angst vor den Taliban wegen seiner Arbeit geflüchtet.
10. In einer ergänzenden Stellungnahme zur Beschwerde vom 08.02.2018 wiederholte der Beschwerdeführer im Wesentlichen sein Vorbringen und gab zusammengefasst an, er hätte ein Mädchen kennengelernt, das ihn heiraten hätten wollen. Die Beziehung wäre aber von ihren männlichen Angehörigen nicht geduldet worden. Die Familie des Mädchens hätte die Beziehung offenbar als unangemessen erachtet und wäre die Ehre der Familie dadurch offenbar verletzt worden. Nachdem das Mädchen den Beschwerdeführer heiraten hätten wollen, würde er unter dem Verdacht der "zina" stehen. Er wäre deshalb bereits bedroht und angegriffen worden und würde ihm selbiges auch bei einer Rückkehr drohen. Eine außereheliche Beziehung würde in Afghanistan sowohl nach der "Sharia" als auch gemäß der staatlichen Gesetzgebung eine Straftat darstellen und mit langjährigen Freiheitsstrafen geahndet werden. Der Beschwerdeführer monierte, dass Kabul - entgegen der Annahme der belangten Behörde - keine zumutbare Fluchtalternative wäre und zitierte diverse Länderberichte.
11. Das Bundesverwaltungsgericht führte am 28.06.2018 eine öffentliche mündliche Verhandlung durch. Der Beschwerdeführer wurde im Beisein seiner Rechtsvertreterin und eines Dolmetschers für die Sprache Dari zu seinen Fluchtgründen und zu seiner Situation in Österreich befragt.
Die Niederschrift wurde der entschuldigt ferngebliebenen belangten Behörde übermittelt.
Der Beschwerdeführer legte Integrationsunterlagen vor, die als Beilage ./I zum Akt genommen wurden.
12. Der Beschwerdeführer erstattete namens seiner Rechtsvertretung mit Schreiben vom 26.07.2018 eine schriftliche Stellungnahme zu dem vom Bundesverwaltungsgericht in der mündlichen Beschwerdeverhandlung eingebrachten Länderberichtsmaterial.
13. Mit Schreiben vom 30.07.2019 übermittelte der Beschwerdeführer ein Empfehlungsschreiben und gab bekannt, dass er über einen Arbeitsvorvertrag verfüge, welcher zum Beweis der Integration des Beschwerdeführers in Österreich umgehend nachgereicht werde.
14. Das Bundesverwaltungsgericht übermittelte im Rahmen des Parteiengehörs am 18.03.2020 an die Verfahrensparteien aktuelle Länderinformationen zu Afghanistan.
Der Beschwerdeführer und die belangte Behörde gaben keine Stellungnahme ab.
15. Mit Eingabe vom 20.05.2020 übermittelte der Beschwerdeführer namens seiner Rechtsvertretung einen arbeitsrechtlichen Vorvertrag mit der "LS-INNENAUSBAU KG" vom 24.01.2020, wonach der Beschwerdeführer ab Erteilung der Niederlassungsbewilligung/Daueraufenthalt als Bauhilfsarbeiter gemäß dem Kollektivvertrag Bauarbeiter zu einem Bruttogehalt iHv EUR 2.200,- beschäftigt werde.
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
1. Feststellungen:
1.1. Zur Person des Beschwerdeführers:
Der Beschwerdeführer führt den Namen XXXX und das Geburtsdatum XXXX .
Er ist afghanischer Staatsangehöriger und gehört der Volksgruppe der Tadschiken an.
Er ist sunnitischer Moslem. Seine Muttersprache ist Dari.
Er ist ledig und kinderlos.
Der Beschwerdeführer wurde in der Provinz Bamyan, in der Stadt Bamyan, im Dorf XXXX geboren und verbrachte dort gemeinsam mit seinen Eltern und Geschwistern die ersten Lebensjahre. Im Alter von ungefähr zehn Jahren übersiedelte die Familie nach Kabul.
Der Beschwerdeführer besuchte zehn Jahre lang eine Schule in Kabul und absolvierte eine Ausbildung als Installateur. Er arbeitete ebendort viereinhalb Jahre als selbständiger Installateur und gleichzeitig als technischer Mitarbeiter bei der Staatsanwaltschaft.
Der Beschwerdeführer ist mit der afghanischen Kultur und den afghanischen Gepflogenheiten sozialisiert.
Der Beschwerdeführer ist gesund.
1.2. Zu den Fluchtgründen des Beschwerdeführers:
Weder der Beschwerdeführer noch seine Familie wurden in Afghanistan jemals von den Taliban oder von anderen Personen aufgesucht oder von diesen bedroht.
Der Beschwerdeführer hat Afghanistan weder aus Furcht vor Eingriffen in die körperliche Integrität noch wegen Lebensgefahr verlassen.
Der Beschwerdeführer wurde weder von den Taliban entführt noch festgehalten oder von diesen bedroht. Der Beschwerdeführer hatte keinen Kontakt zu den Taliban, er wird von diesen auch nicht gesucht.
Der Beschwerdeführer hat als technischer Mitarbeiter für die afghanische Staatsanwaltschaft gearbeitet. Er wurde deshalb nicht von den Taliban bedroht oder gesucht.
Der Beschwerdeführer hatte keine außereheliche Beziehung in Afghanistan. Der Beschwerdeführer wurde nicht von einem Mädchen bedrängt, sie gegen seinen Willen zu heiraten und wurde nicht von ihren Brüdern bedroht und angegriffen. Der Vorfall, wonach ein Mädchen zum Beschwerdeführer nach Hause gekommen sei und ihn heiraten wollte sowie der Vorfall mit ihren Brüdern, hat sich nicht ereignet. Der Beschwerdeführer wird in Afghanistan auch nicht verdächtigt oder beschuldigt eine außereheliche Beziehung geführt zu haben.
Bei einer Rückkehr nach Afghanistan drohen dem Beschwerdeführer individuell und konkret weder Lebensgefahr noch ein Eingriff in seine körperliche Integrität durch die Brüder dieses Mädchen, durch die Taliban oder durch andere Personen.
1.3. Zum (Privat)Leben des Beschwerdeführers in Österreich:
Der Beschwerdeführer reiste unter Umgehung der Grenzkontrollen nach Österreich ein und hält sich zumindest seit Juli 2015 durchgehend in Österreich auf.
Er ist nach seinem Antrag auf internationalen Schutz vom 04.07.2015 in Österreich aufgrund einer vorübergehenden Aufenthaltsberechtigung nach dem AsylG durchgehend rechtmäßig aufhältig.
Der Beschwerdeführer hat keine Deutschprüfung absolviert. Er verfügt über gute Deutschkenntnisse. Der Beschwerdeführer besuchte Integrationskurse.
Der Beschwerdeführer lebt von der Grundversorgung, er ist am österreichischen Arbeitsmarkt nicht integriert und geht keiner Erwerbstätigkeit nach. Er verfügt über eine verbindliche Arbeitszusage.
Er war im Rahmen einer Remunerantentätigkeit in seinem Wohnort beschäftigt.
Der Beschwerdeführer konnte in Österreich Freundschaften zu anderen Asylwerbern, seinem Unterkunftgeber und Mitgliedern seiner Gemeinde knüpfen. Der Beschwerdeführer verfügt jedoch weder über Verwandte noch über sonstige enge soziale Bindungen, wie Ehefrau oder Kinder in Österreich.
Der Beschwerdeführer wird von Vertrauenspersonen, den Gemeindemitgliedern sowie den Lehrern als höflich, fleißig und ehrgeizig beschrieben.
Der Beschwerdeführer ist in Österreich strafgerichtlich unbescholten.
1.4. Zu einer möglichen Rückkehr des Beschwerdeführers in den Herkunftsstaat:
Es kann nicht mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit ausgeschlossen werden, dass eine Überstellung des Beschwerdeführers in seine Herkunftsprovinz Bamyan aufgrund der schwachen und nicht gesicherten Infrastruktur ausgehend von Kabul bis in die Provinz Bamyan mit ernstzunehmender Gefahr für Leib und Leben verbunden ist, weshalb ihm eine Rückkehr dorthin nicht zugemutet werden kann.
Der Vater des Beschwerdeführers ist vor einigen Jahren verstorben. Die Mutter, eine Schwester und zwei Brüder des Beschwerdeführers leben in den USA. Eine Schwester ist verheiratet und lebt in Kabul. Der Beschwerdeführer hat derzeit keinen Kontakt zu seiner Familie.
Die Familie des Beschwerdeführers besaß im Zeitpunkt seiner Ausreise ins Bundesgebiet in Afghanistan keine Grundstücke und lebte in einer Mietwohnung in Kabul. Die finanzielle Situation der Familie wurde vom Beschwerdeführer in der mündlichen Beschwerdeverhandlung als wohlhabend bezeichnet.
Der Beschwerdeführer unterstützt seine Familie derzeit finanziell nicht. Die Familie des Beschwerdeführers kann ihn bei einer Rückkehr nach Afghanistan nicht finanziell unterstützen.
Der Beschwerdeführer kann Rückkehrhilfe in Anspruch nehmen.
Der Beschwerdeführer hat bereits in der Stadt Kabul gelebt und gearbeitet, ihm sind städtische Strukturen bekannt.
Der Beschwerdeführer ist anpassungsfähig und kann einer regelmäßigen Arbeit nachgehen.
Bei einer Rückkehr nach Afghanistan und einer Ansiedelung in der Stadt Mazar-e Sharif kann der Beschwerdeführer grundlegende und notwendige Lebensbedürfnisse, wie Nahrung, Kleidung sowie Unterkunft, befriedigen, ohne in eine ausweglose bzw. existenzbedrohende Situation zu geraten. Er kann selbst für sein Auskommen und Fortkommen sorgen und in Mazar-e Sharif einer Arbeit nachgehen und sich selbst erhalten.
Es ist dem Beschwerdeführer möglich, nach anfänglichen Schwierigkeiten nach einer Ansiedlung in der Stadt Mazar-e Sharif Fuß zu fassen und dort ein Leben ohne unbillige Härten zu führen, wie es auch andere Landsleute führen können.
1.5. Feststellungen zur Lage im Herkunftsstaat
Die Länderfeststellungen zur Lage in Afghanistan basieren auf nachstehenden Quellen:
- Länderinformationsblatt der Staatendokumentation Afghanistan in der Fassung der Gesamtaktualisierung vom 13.11.2019 (LIB),
- UNHCR Richtlinien zur Feststellung des internationalen Schutzbedarfs afghanischer Asylsuchender vom 30.08.2018 (UNHCR),
- Auszugsweise Übersetzung der EASO Country Guidance Afghanistan von Juni 2018, Seiten 21-25 und 98-109, sowie
- EASO Country Guidance: Afghanistan von Juni 2019 (EASO).
1.5.1. Allgemeine Sicherheitslage
Afghanistan ist ein Zentralstaat mit 34 Provinzen, die in Distrikte gegliedert sind. Auf einer Fläche von ca. 632.000 Quadratkilometern leben ca. 32 Millionen Menschen (LIB, Kapitel 2).
Die Sicherheitslage in Afghanistan bleibt insgesamt volatil und weist starke regionale Unterschiede auf. Provinzen und Distrikten mit aktiven Kampfhandlungen stehen andere gegenüber, in denen die Lage trotz punktueller Sicherheitsvorfälle vergleichsweise stabil ist. Die afghanische Regierung behält die Kontrolle über Kabul, größere Bevölkerungszentren, Transitrouten, Provinzhauptstädte und den Großteil der Distriktzentren (LIB, Kapitel 3). Die Hauptlast einer unsicheren Sicherheitslage in der jeweiligen Region trägt die Zivilbevölkerung (UNHCR, Kapitel II. B).
Für die Sicherheit in Afghanistan sind verschiedene Organisationseinheiten der afghanischen Regierungsbehörden verantwortlich. Die Afghan National Defense and Security Forces (ANDSF) umfassen militärische, polizeiliche und andere Sicherheitskräfte. Das Innenministerium ist primär für die interne Ordnung zuständig, dazu zählt auch die Afghan National Police (ANP) und die Afghan Local Police (ALP). Die Afghan National Army (ANA) ist für die externe Sicherheit verantwortlich, dennoch besteht ihre Hauptaufgabe darin, den Aufstand im Land zu bekämpfen. Die ANP gewährleistet die zivile Ordnung und bekämpft Korruption sowie die Produktion und den Schmuggel von Drogen. Der Fokus der ANP liegt derzeit in der Bekämpfung von Aufständischen gemeinsam mit der ANA. Die ALP wird durch die USA finanziert und schützt die Bevölkerung in Dörfern und ländlichen Gebieten vor Angriffen durch Aufständische (LIB, Kapitel 5).
In Afghanistan sind unterschiedliche regierungsfeindliche Gruppierungen aktiv, welche eine Bedrohung für die gesamte regionale Sicherheit und Stabilität in Afghanistan darstellen. Eine Bedrohung für Zivilisten geht insbesondere von Kampfhandlungen zwischen den Konfliktparteien sowie improvisierten Sprengkörpern, Selbstmordanschlägen und Angriffen auf staatliche Einrichtungen und gegen Gläubige und Kultstätten bzw. religiöse Minderheiten aus (LIB, Kapitel 3).
1.5.2. Allgemeine Wirtschaftslage
Afghanistan ist nach wie vor eines der ärmsten Länder der Welt und stark von internationalen Hilfsgeldern abhängig. Dabei bleibt das Gefälle zwischen urbanen Zentren und ländlichen Gebieten Afghanistans eklatant. Lebensgrundlage für rund 80% der Bevölkerung ist die Landwirtschaft (LIB, Kapitel 21).
Der Zugang zum Arbeitsmarkt ist angespannt und die Arbeitslosigkeit ist hoch. Persönliche Kontakte, Empfehlungen sowie ein Netzwerk sind wichtig um einen Job zu finden. Arbeitgeber bewerten persönliche Beziehungen und Netzwerke höher als formelle Qualifikationen. Fähigkeiten, die sich Rückkehrer im Ausland angeeignet haben, können eine wichtige Rolle bei der Arbeitsplatzsuche spielen. Der afghanische Arbeitsmarkt ist durch eine starke Dominanz des Agrarsektors, eine Unterrepräsentation von Frauen und relativ wenigen Möglichkeiten für junge Menschen gekennzeichnet. Ebenso korreliert ein Mangel an Bildung mit Armut, wobei ein niedriges Bildungsniveau und Analphabetismus immer noch weit verbreitet sind. In Afghanistan existiert keine finanzielle oder sonstige Unterstützung bei Arbeitslosigkeit (LIB, Kapitel 21).
In den Jahren 2016-2017 lebten 54,5% der Bevölkerung unterhalb der nationalen Armutsgrenze. Immer mehr Menschen greifen auf negative Bewältigungsmechanismen wie Kleinkriminalität, Kinderehen, Kinderarbeit und Betteln zurück, von denen insbesondere Binnenvertriebene betroffen sind. Der Zugang zu einer produktiven oder entgeltlichen Beschäftigung ist begrenzt, 80% der Beschäftigung gelten als anfällig und unsicher in Form von Selbst- oder Eigenbeschäftigung, Tagarbeit oder unbezahlter Arbeit. Der saisonale Effekt ist erheblich. Die Arbeitslosenquote ist in den Frühlings- und Sommermonaten relativ niedrig (rund 20%), während sie im Winter 32,5% erreichen kann (EASO, Kapitel Common analysis: Afghanistan, V).
In Afghanistan gibt es neben der Zentralbank auch mehrere kommerzielle Banken. Es ist mittlerweile auch relativ einfach, in Afghanistan ein Bankkonto zu eröffnen. Geld kann auch über das Hawala System (Form des Geldtausches) transferiert werden. Dieses Systemfunktioniert schnell, zuverlässig und günstig. Spezielle Dokumente sind nicht notwendig und der Geldtransfer ist weltweit möglich und wird von verschiedenen Bevölkerungsschichten verwendet (LIB, Kapitel 21).
Im Zeitraum von 2016 bis 2017 waren 44,6% der afghanischen Bevölkerung sehr stark bis mäßig von Lebensmittelunsicherheit betroffen. In allen Wohnbevölkerungsgruppen war seit 2011 ein Anstieg festzustellen, wobei der höchste Anstieg in den ländlichen Gebieten zu verzeichnen war (EASO, Kapitel Common analysis: Afghanistan, V).
Afghanistans jährliche Wachstumsrate der städtischen Bevölkerung gehört zu den höchsten der Welt. Kabul war das Zentrum des Wachstums, und der Rest der städtischen Bevölkerung konzentriert sich hauptsächlich auf vier andere Stadtregionen: Herat, Mazar-e Sharif, Kandahar und Jalalabad. Die große Mehrheit (72%, basierend auf ALCS-Zahlen für 2016-2017) der afghanischen Stadtbevölkerung lebt in Slums oder in ungenügenden Wohnungen. 86% der städtischen Häuser in Afghanistan können (gemäß der Definition von UN-Habitat) als Slums eingestuft werden. Der Zugang zu angemessenem Wohnraum stellt für die Mehrheit der Afghanen in den Städten eine große Herausforderung dar (EASO, Kapitel Common analysis: Afghanistan, V).
In den Städten besteht grundsätzlich die Möglichkeit, sicheren Wohnraum zu mieten. Darüber hinaus bietet die Städte die Möglichkeit von "Teehäusern", die mit 30 Afghani (das sind ca. ? 0,35) bis 100 Afghani (das sind ca. ? 1,20) pro Nacht relativ günstig sind. "Teehäuser" werden von Reisenden, Tagesarbeitern, Straßenhändlern, jungen Menschen, alleinstehenden Männern und anderen Personen, die in der Gegend keine ständige Unterkunft haben, als vorübergehende Unterkunft genutzt (EASO, Kapitel Common analysis: Afghanistan, V). Der Zugang zu sauberem Trinkwasser sowie angemessenen sanitären Einrichtungen hat sich in den letzten Jahren erheblich verbessert. Der Zugang zu grundlegenden Dienstleistungen, wie Wasserversorgung und Abwasserentsorgung, war in den Städten im Allgemeinen besser als auf dem Land. Der Zugang zu Trinkwasser ist für viele Afghanen jedoch nach wie vor ein Problem, und die sanitären Einrichtungen sind weiterhin schlecht (EASO, Kapitel Common analysis: Afghanistan, V).
1.5.3. Medizinische Versorgung
Das afghanische Gesundheitsministerium gab an, dass 60 % der Menschen im April 2018 Zugang zu Gesundheitsdiensten hatten, wobei der Zugang als eine Stunde Fußweg zur nächsten Klinik definiert wurde. Trotz der Tatsache, dass die Gesundheitsversorgung laut afghanischer Verfassung kostenlos sein sollte, müssen die Menschen in vielen öffentlichen Einrichtungen für Medikamente, Arzthonorare, Labortests und stationäre Versorgung bezahlen. Hohe Behandlungskosten sind der Hauptgrund, weswegen die Behandlung vermieden wird (EASO, Kapitel Common Analysis: Afghanistan, V).
90% der medizinischen Versorgung in Afghanistan werden nicht direkt vom Staat zur Verfügung gestellt, sondern von nationalen und internationalen NGOs, die über ein Vertragssystem beauftragt werden. Über dieses Vertragssystem wird sowohl primäre, als auch sekundäre und tertiäre medizinische Versorgung zur Verfügung gestellt. Allerdings mangelt es an Investitionen in medizinische Infrastruktur. Der Bauzustand vieler Kliniken ist schlecht. Während in den Städten ein ausreichendes Netz von Krankenhäusern und Kliniken besteht, ist es in den ländlichen Gebieten für viele Afghanen schwierig, eine Klinik oder ein Krankenhaus zu erreichen (LIB, Kapitel 22).
Psychische Krankheiten wie posttraumatische Belastungsstörung, Depression und Angstzustände - die oft durch den Krieg hervorgerufen wurden - sind in Afghanistan weit verbreitet, es gibt aber nur geringe Kapazitäten zur Behandlung dieser Erkrankungen. Spezifische Medikamente sind grundsätzlich verfügbar (LIB, Kapitel 22.1).
1.5.4. Ethnische Minderheiten
In Afghanistan sind ca. 40 - 42% Paschtunen, rund 27 - 30% Tadschiken, ca. 9 - 10% Hazara und 9% Usbeken. Die afghanische Verfassung schützt sämtliche ethnische Minderheiten. Neben den offiziellen Landessprachen Dari und Paschtu wird in der Verfassung sechs weiteren Sprachen ein offizieller Status in jenen Gebieten eingeräumt. Soziale Gruppen werden in Afghanistan nicht ausgeschlossen und kein Gesetz verhindert die Teilnahme von Minderheiten am politischen Leben. Es kommt jedoch im Alltag zu Diskriminierungen und Ausgrenzungen ethnischer Gruppen und Religionen sowie zu Spannungen, Konflikten und Tötungen zwischen unterschiedlichen Gruppen (LIB, Kapitel 17).
Die Volksgruppe der Tadschiken ist die zweitgrößte Volksgruppe in Afghanistan, sie macht etwa 27-30% der afghanischen Gesellschaft aus und hat deutlichen politischen Einfluss im Land. In der Hauptstadt Kabul ist sie knapp in der Mehrheit. Tadschiken sind in zahlreichen politischen Organisationen und Parteien vertreten, sie sind im nationalen Durchschnitt mit etwa 25% in der Afghan National Army (ANA) und der Afghan National Police (ANP) repräsentiert. Tadschiken sind allein aufgrund ihrer ethnischen Zugehörigkeit in Afghanistan weder psychischen noch physischen Bedrohungen ausgesetzt (LIB, Kapitel 17.2).
1.5.5. Religionen
Etwa 99% der afghanischen Bevölkerung sind Muslime, davon 80 - 89,7% Sunniten. Laut Verfassung ist der Islam die Staatsreligion Afghanistans. Anhänger anderer Religionen sind frei, ihren Glauben im Rahmen der gesetzlichen Vorschriften auszuüben (LIB Kapitel 16).
1.5.6. Allgemeine Menschenrechtslage
Im Bereich der Menschenrechte hat Afghanistan unter schwierigen Umständen Fortschritte gemacht. Inzwischen ist eine selbstbewusste neue Generation von Afghaninnen und Afghanen herangewachsen, die sich politisch, kulturell und sozial engagiert und der Zivilgesellschaft eine stärkere Stimme verleiht. Diese Fortschritte erreichen aber nach wie vor nicht alle Landesteile und sind außerhalb der Städte auch gegen willkürliche Entscheidungen von Amtsträgern und Richtern sowie Einflussnahme örtlicher Machteliten nur schwer durchzusetzen. Die afghanische Regierung ist nicht in der Lage, die durch die afghanische Verfassung und einschlägige völkerrechtliche Verträge garantierten Menschenrechte vollumfänglich umzusetzen und zu gewährleisten (LIB, Kapitel 11).
Menschenrechtsverletzungen an der Zivilbevölkerung finden nach wie vor in allen Teilen des Landes und unabhängig davon statt, wer die betroffenen Gebiete tatsächlich kontrolliert (UNHCR, Kapitel II. C. 1).
Die Fähigkeit der Regierung, Menschenrechte zu schützen, wird durch die Unsicherheit und zahlreiche Angriffe durch regierungsfeindliche Kräfte untergraben. Insbesondere ländliche und instabile Gebiete leiden unter einem allgemein schwachen förmlichen Justizsystem, das unfähig ist, Zivil- und Strafverfahren effektiv und zuverlässig zu entscheiden (UNHCR, Kapitel II. C. 2).
1.5.7. Bewegungsfreiheit und Meldewesen
Das Gesetz garantiert interne Bewegungsfreiheit, Auslandsreisen, Emigration und Rückkehr. Afghanen dürfen sich formell im Land frei bewegen und niederlassen (LIB, Kapitel 19).
Afghanistan hat kein zentrales Bevölkerungsregister, keine Datenbanken mit Adress- oder Telefonnummerneinträgen und auch keine Melde- oder Registrierungspflicht. Die Gemeinschafts- bzw. Bezirksältesten führen kein Personenstandsregister, die Regierung registriert jedoch Rückkehrer. Durch die hohe soziale Kontrolle ist gerade im ländlichen Raum keine, aber auch in den Städten kaum Anonymität zu erwarten (LIB, Kapitel 19.1).
1.5.8. Regierungsfeindliche Gruppierungen
In Afghanistan sind unterschiedliche regierungsfeindliche Gruppierungen aktiv - insbesondere die Grenzregion zu Pakistan bleibt eine Zufluchtsstätte für unterschiedliche Gruppierungen, wie Taliban, Islamischer Staat, al-Qaida, Haqqani-Netzwerk, Lashkar-e Tayyiba, Tehrik-e Taliban Pakistan, sowie Islamic Movement of Uzbekistan (LIB, Kapitel 2).
Taliban:
Die Mehrheit der Taliban sind immer noch Paschtunen, obwohl es eine wachsende Minderheit an Tadschiken, Usbeken, Belutschen und sogar mehreren hundert Hazara (einschließlich Schiiten) gibt. In einigen nördlichen Gebieten bestehen die Taliban bereits überwiegend aus Nicht-Paschtunen, da sie innerhalb der lokalen Bevölkerung rekrutieren (LIB, Kapitel 2).
Die Gesamtstärke der Taliban betrug im Jahr 2017 über 200.000 Personen, darunter ca. 150.000 Kämpfer, davon rund 60.000 Vollzeitkämpfer mobiler Einheiten und der Rest ist Teil der lokalen Milizen. Die Taliban betreiben Trainingslager in Afghanistan (LIB, Kapitel 2).
Zwischen 01.12.2018 und 31.05.2019 haben die Talibanaufständischen mehr Angriffe ausgeführt, als in der Vergangenheit üblich, trotzdem war die Gesamtzahl effektiver feindlicher Angriffe stark rückläufig. Diese Angriffe hatten hauptsächlich militärische Außenposten und Kontrollpunkte sowie andere schlecht verteidigte ANDSF-Posten zum Ziel - die Taliban beschränken ihre Angriffe weitgehend auf Regierungsziele und afghanische und internationale Sicherheitskräfte (LIB, Kapitel 2).
1.5.9. Provinzen und Städte
1.5.9.1. Herkunftsprovinz Bamyan:
Bamyan:
Bamyan gilt als die "inoffizielle Hazara-Hauptstadt" Afghanistans und ist Teil des sogenannten Hazarajat. Nach den Hazara sind Tadschiken und Paschtunen die zweit- und drittgrößte ethnische Gruppe in Bamyan. Etwa 90% der Bewohner von Bamyan sind Schiiten. Die Provinz hat 1.475.649 Einwohner. Die Provinz ist über einen Flughaften erreichbar (LIB, Kapitel 3.6).
Die Provinz Bamyan zählt zu den relativ friedlichen Provinzen in Zentralafghanistan. Im Juli 2018 gab es einen Angriff der Taliban-Aufständische auf mehrere Polizeikontrollstellen im Distrikt Kahmard. Die Taliban hatten im November 2018 keinen Einfluss in Bamyan. Im Jahr 2018 gab es sieben zivile Opfer (ein Todesopfer, sechs Verletzte). Dies entspricht einer Steigerung von 75% gegenüber 2017. Hauptursache waren nicht explodierte Kampfmittel (unexploded ordnances, UXOs) bzw. Landminen, gefolgt von Kämpfen und Drohungen bzw. Einschüchterungen und Belästigungen (LIB, Kapitel 3.6).
In der Provinz Bamyan findet willkürliche Gewalt auf einem niedrigen Niveau statt. Im Allgemeinen besteht kein reales Risiko, dass ein Zivilist aufgrund willkürlicher Gewalt im Sinne von Artikel 15(c) der Qualifizierungsrichtlinie persönlich betroffen wird. Es müssen jedoch immer individuelle Risikoelemente berücksichtigt werden (EASO, Kapitel Guidance note: Afghanistan, III.3).
1.5.9.2. Mazar-e Sharif
Mazar-e Sharif ist die Provinzhauptstadt von Balkh, einer ethnisch vielfältigen Provinz, welche von Paschtunen, Usbeken, Hazara, Tadschiken, Turkmenen, Aimaq, Belutschen, Arabern und sunnitischen Hazara (Kawshi) bewohnt wird. Sie hat 469.247 Einwohner und steht unter Kontrolle der afghanischen Regierung (LIB, Kapitel 3.5).
Das Niveau an willkürlicher Gewalt ist in der Stadt Mazar-e Sharif so gering, dass für Zivilisten an sich nicht die Gefahr besteht, von erheblichen Eingriffen in die psychische oder physische Unversehrtheit betroffen zu sein (EASO, Kapitel Common analysis: Afghanistan, III).
Mazar-e Sharif ist über die Autobahn sowie über einen Flughafen (mit nationalen und internationalen Anbindungen) legal zu erreichen (LIB, Kapitel 21). Der Flughafen von Mazar-e Sharif (MRZ) liegt 9 km östlich der Stadt im Bezirk Marmul. Die Befahrung der Straßen von diesem Flughafen bis zur Stadt Mazar-e Sharif ist zur Tageszeit im Allgemeinen sicher (EASO, Kapitel Common analysis: Afghanistan, V).
Mazar-e Sharif ist ein Import-/Exportdrehkreuz, ein regionales Handelszentrum sowie ein Industriezentrum mit großen Fertigungsbetrieben und einer Vielzahl von kleinen und mittleren Unternehmen (LIB, Kapitel 21). Mazar-e Sharif gilt im Vergleich zu Herat oder Kabul als wirtschaftlich relativ stabiler. Die größte Gruppe von Arbeitern in der Stadt Mazar-e Sharif sind im Dienstleistungsbereich und als Verkäufer tätig (EASO, Kapitel Common analysis: Afghanistan, V).
Die Unterkunftssituation stellt sich in Mazar-e Sharif, wie in den anderen Städten Afghanistans auch, für Rückkehrer und Binnenflüchtlinge als schwierig dar. Viele Menschen der städtischen Population lebt in Slums oder nichtadäquaten Unterkünften. In Mazar-e Sharif besteht grundsätzlich die Möglichkeit, sicheren Wohnraum, wie beispielsweise in Teehäusern, zu mieten. (EASO, Kapitel Common analysis: Afghanistan, V).
Die meisten Menschen in Mazar-e Sharif haben Zugang zu erschlossener Wasserversorgung (76%), welche in der Regel in Rohrleitungen oder aus Brunnen erfolgt. 92% der Haushalte haben Zugang zu besseren Sanitäreinrichtungen (EASO, Kapitel Common analysis: Afghanistan, V).
Während Mazar-e Sharif im Zeitraum Juni 2019 bis September 2019 noch als IPC Stufe 1 "minimal" (IPC - Integrated Phase Classification) klassifiziert wurde, ist Mazar-e Sharif im Zeitraum Oktober 2019 bis Januar 2020 in Phase 2 "stressed" eingestuft. In Phase 1 sind die Haushalte in der Lage, den Bedarf an lebensnotwenigen Nahrungsmitteln und Nicht-Nahrungsmitteln zu decken, ohne atypische und unhaltbare Strategien für den Zugang zu Nahrung und Einkommen zu verfolgen. In Phase 2 weisen Haushalte nur einen gerade noch angemessenen Lebensmittelverbrauch auf und sind nicht in der Lage, sich wesentliche, nicht nahrungsbezogene Güter zu leisten, ohne dabei irreversible Bewältigungsstrategien anzuwenden (ECOI, Kapitel 3.1).
In der Stadt Mazar-e Sharif gibt es 10 - 15 - teils öffentliche, teils private - Krankenhäuser. In Mazar-e Sharif existieren mehr private als öffentliche Krankenhäuser. Private Krankenhäuser sind sehr teuer, jede Nacht ist kostenpflichtig. Zusätzlich existieren etwa 30-50 medizinische Gesundheitskliniken die zu 80% öffentlich finanziert sind (LIB, Kapitel 22).
1.5.10. Situation für Rückkehrer
In den ersten vier Monaten des Jahres 2019 kehrten insgesamt 63.449 Menschen nach Afghanistan zurück. Im Jahr 2018 kamen 775.000 aus dem Iran und 46.000 aus Pakistan zurück (LIB, Kapitel 23).
Soziale, ethnische und familiäre Netzwerke sind für einen Rückkehrer unentbehrlich. Der Großteil der nach Afghanistan zurückkehrenden Personen verfügt über ein familiäres Netzwerk, auf das in der Regel zurückgegriffen wird. Wegen der schlechten wirtschaftlichen Lage, den ohnehin großen Familienverbänden und individuellen Faktoren ist diese Unterstützung jedoch meistens nur temporär und nicht immer gesichert. Neben der Familie als zentrale Stütze der afghanischen Gesellschaft, kommen noch weitere wichtige Netzwerke zum Tragen, wie z.B. der Stamm, der Clan und die lokale Gemeinschaft. Diese basieren auf Zugehörigkeit zu einer Ethnie, Religion oder anderen beruflichen Netzwerken sowie politische Netzwerke usw. Ein Netzwerk ist für das Überleben in Afghanistan wichtig. Ein Mangel an Netzwerken stellt eine der größten Herausforderungen für Rückkehrer dar. Die Rolle sozialer Netzwerke - der Familie, der Freunde und der Bekannten - ist für junge Rückkehrer besonders ausschlaggebend, um sich an das Leben in Afghanistan anzupassen. Sollten diese Netzwerke im Einzelfall schwach ausgeprägt sein, kann die Unterstützung verschiedener Organisationen und Institutionen in Afghanistan in Anspruch genommen werden (LIB, Kapitel 23).
Rückkehrer aus dem Iran und aus Pakistan, die oft über Jahrzehnte in den Nachbarländern gelebt haben und zum Teil dort geboren wurden, sind in der Regel als solche erkennbar. Offensichtlich sind sprachliche Barrieren, von denen vor allem Rückkehrer aus dem Iran betroffen sind, weil sie Farsi (die iranische Landessprache) oder Dari (die afghanische Landessprache) mit iranischem Akzent sprechen. Es gibt jedoch nicht viele Fälle von Diskriminierung afghanischer Rückkehrer aus dem Iran und Pakistan aufgrund ihres Status als Rückkehrer. Fast ein Viertel der afghanischen Bevölkerung besteht aus Rückkehrern. Diskriminierung beruht in Afghanistan großteils auf ethnischen und religiösen Faktoren sowie auf dem Konflikt (LIB, Kapitel 23).
Rückkehrer aus Europa oder dem westlichen Ausland werden von der afghanischen Gesellschaft häufig misstrauisch wahrgenommen. Es sind jedoch keine Fälle bekannt, in denen Rückkehrer nachweislich aufgrund ihres Aufenthalts in Europa Opfer von Gewalttaten wurden. Wenn ein Rückkehrer mit im Ausland erlangten Fähigkeiten und Kenntnissen zurückkommt, stehen ihm mehr Arbeitsmöglichkeiten zur Verfügung als den übrigen Afghanen, was bei der hohen Arbeitslosigkeit zu Spannungen innerhalb der Gemeinschaft führen kann (LIB, Kapitel 23).
Der Mangel an Arbeitsplätzen stellt für den Großteil der Rückkehrer die größte Schwierigkeit dar. Der Zugang zum Arbeitsmarkt hängt maßgeblich von lokalen Netzwerken ab. Die afghanische Regierung kooperiert mit UNHCR, IOM und anderen humanitären Organisationen, um IDPs, Flüchtlingen, rückkehrenden Flüchtlingen und anderen betroffenen Personen Schutz und Unterstützung zu bieten. Für Afghanen, die im Iran geboren oder aufgewachsen sind und keine Familie in Afghanistan haben, ist die Situation problematisch (LIB, Kapitel 23).
Viele Rückkehrer leben in informellen Siedlungen, selbstgebauten Unterkünften oder gemieteten Wohnungen. Die meisten Rückkehrer im Osten des Landes leben in überbelegten Unterkünften und sind von fehlenden Möglichkeiten zum Bestreiten des Lebensunterhaltes betroffen (LIB, Kapitel 23).
Personen, die freiwillig oder zwangsweise nach Afghanistan zurückgekehrt sind, können verschiedene Unterstützungsformen in Anspruch nehmen. Rückkehrer erhalten Unterstützung von der afghanischen Regierung, den Ländern, aus denen sie zurückkehren, und internationalen Organisationen (z.B. IOM) sowie lokalen Nichtregierungsorganisationen (NGOs). Für Rückkehrer leisten UNHCR und IOM in der ersten Zeit Unterstützung. Bei der Anschlussunterstützung ist die Transition von humanitärer Hilfe hin zu Entwicklungszusammenarbeit nicht immer lückenlos. Es gibt keine dezidiert staatlichen Unterbringungen für Rückkehrer. Der Großteil der (freiwilligen bzw. zwangsweisen) Rückkehrer aus Europa kehrt direkt zu ihren Familien oder in ihre Gemeinschaften zurück. Es befinden sich viele Rückkehrer in Gebieten, die für Hilfsorganisationen aufgrund der Sicherheitslage nicht erreichbar sind (LIB, Kapitel 23).
Die "Reception Assistance" umfasst sofortige Unterstützung oder Hilfe bei der Ankunft am Flughafen: IOM trifft die freiwilligen Rückkehrer vor der Einwanderungslinie bzw. im internationalen Bereich des Flughafens, begleitet sie zum Einwanderungsschalter und unterstützt bei den Formalitäten, der Gepäckabholung, der Zollabfertigung, usw. Darüber hinaus arrangiert IOM den Weitertransport zum Endziel der Rückkehrer innerhalb des Herkunftslandes und bietet auch grundlegende medizinische Unterstützung am Flughafen an. 1.279 Rückkehrer erhielten Unterstützung bei der Weiterreise in ihre Heimatprovinz. Für die Provinzen, die über einen Flughafen und Flugverbindungen verfügen, werden Flüge zur Verfügung gestellt. Der Rückkehrer erhält ein Flugticket und Unterstützung bezüglich des Flughafen-Transfers. Der Transport nach Herat findet in der Regel auf dem Luftweg statt (LIB, Kapitel 23).
Familien in Afghanistan halten in der Regel Kontakt zu ihrem nach Europa ausgewanderten Familienmitglied und wissen genau Bescheid, wo sich dieses aufhält und wie es ihm in Europa ergeht. Dieser Faktor wird in Asylinterviews meist heruntergespielt und viele Migranten, vor allem Minderjährige, sind instruiert zu behaupten, sie hätten keine lebenden Verwandten mehr oder jeglichen Kontakt zu diesen verloren (LIB, Kapitel 23).
1.5.11. Blutfehde
Gemäß althergebrachter Verhaltens- und Ehrvorstellungen töten bei einer Blutfehde die Mitglieder einer Familie als Vergeltungsakte die Mitglieder einer anderen Familie. In Afghanistan sind Blutfehden in erster Linie eine Tradition der Paschtunen und im paschtunischen Gewohnheitsrechtssystem Paschtunwali verwurzelt, kommen jedoch Berichten zufolge auch unter anderen ethnischen Gruppen vor. Blutfehden können durch Morde ausgelöst werden, aber auch durch andere Taten wie die Zufügung dauerhafter, ernsthafter Verletzungen, Entführung oder Vergewaltigung verheirateter Frauen oder ungelöster Streitigkeiten um Land, Zugang zu Wasser oder Eigentum. Blutfehden können zu langanhaltenden Kreisläufen aus Gewalt und Vergeltung führen. Nach dem Paschtunwali muss die Rache sich grundsätzlich gegen den Täter selbst richten, unter bestimmten Umständen kann aber auch der Bruder des Täters oder ein anderer Verwandter, der aus der väterlichen Linie stammt, zum Ziel der Rache werden. Im Allgemeinen werden Berichten zufolge Racheakte nicht an Frauen und Kindern verübt, doch soll der Brauch baad, eine stammesübliche Form der Streitbeilegung, in der die Familie des Täters der Familie, der Unrecht geschah, ein Mädchen zur Heirat anbietet, vor allem im ländlichen Raum praktiziert werden, um eine Blutfehde beizulegen. Wenn die Familie, der Unrecht geschah, nicht in der Lage ist, sich zu rächen, dann kann, wie aus Berichten hervorgeht, die Blutfehde erliegen, bis die Familie des Opfers sich für fähig hält, Racheakte auszuüben. Daher kann sich die Rache Jahre oder sogar Generationen nach dem eigentlichen Vergehen ereignen. Die Bestrafung des Täters im Rahmen des formalen Rechtssystems schließt gewaltsame Racheakte durch die Familie des Opfers nicht notwendigerweise aus. Sofern die Blutfehde nicht durch eine Einigung mit Hilfe traditioneller Streitbeilegungsmechanismen beendet wurde, kann Berichten zufolge davon ausgegangen werden, dass die Familie des Opfers auch dann noch Rache gegen den Täter verüben wird, wenn dieser seine offizielle Strafe bereits verbüßt hat. (UNHCR, Kapitel III. A. 14)
1.5.12. Zur aktuellen COVID-19-Pandemie:
COVID-19 ist eine durch das Corona-Virus SARS-CoV-2 verursachte Viruserkrankung, die erstmals im Jahr 2019 in Wuhan/China festgestellt wurde und sich seither weltweit verbreitet. In Österreich gibt es mit Stand 28.05.2020, 08:00 Uhr, 718 bestätigte Fälle von mit dem Corona-Virus infizierten Personen und 638 Todesfälle nach EpiG; in Afghanistan wurden zu diesem Zeitpunkt 12,456 Fälle von mit dem Corona-Virus infizierten Personen nachgewiesen, wobei 227 diesbezügliche Todesfälle bestätigt wurden.
Nach dem aktuellen Stand verläuft die Viruserkrankung bei ca. 80% der Betroffenen leicht und bei ca. 15% der Betroffenen schwerer, wenn auch nicht lebensbedrohlich. Bei ca. 5% der Betroffenen verläuft die Viruserkrankung derart schwer, dass Lebensgefahr gegeben ist und intensivmedizinische Behandlungsmaßnahmen notwendig sind. Diese sehr schweren Krankheitsverläufe treten am häufigsten in den Risikogruppen der älteren Personen und der Personen mit Vorerkrankungen (wie z.B. Diabetes, Herzkrankheiten, Immunschwächen, etc.) auf.
2. Beweiswürdigung:
Beweis wurde erhoben durch Einsicht in den Verwaltungsakt sowie in den Gerichtsakt und durch Einvernahme des Beschwerdeführers in der mündlichen Verhandlung.
2.1. Zu den Feststellungen zur Person des Beschwerdeführers:
Die Feststellungen zur Identität des Beschwerdeführers ergeben sich aus seinen dahingehend übereinstimmenden Angaben vor den Organen des öffentlichen Sicherheitsdienstes, vor dem Bundesamt, in der Beschwerde und vor dem Bundesverwaltungsgericht. Die getroffenen Feststellungen zum Namen und zum Geburtsdatum des Beschwerdeführers gelten ausschließlich zur Identifizierung der Person des Beschwerdeführers im Asylverfahren.
Die Feststellungen zur Staatsangehörigkeit des Beschwerdeführers, zu seiner Volksgruppen- und Religionszugehörigkeit, seiner Muttersprache, seinem Lebenslauf, seinem Aufwachsen sowie seine familiäre Situation in Afghanistan, seiner Schulausbildung, Berufsausbildung und seiner Berufserfahrung gründen sich auf seinen diesbezüglich schlüssigen und stringenten Angaben. Das Bundesverwaltungsgericht hat keine Veranlassung, an diesen im gesamten Verfahren gleich gebliebenen Aussagen des Beschwerdeführers zu zweifeln.
Die Feststellung zur Sozialisierung des Beschwerdeführers nach den afghanischen Gepflogenheiten, ergibt sich daraus, dass er in Afghanistan mit seiner afghanischen Familie aufgewachsen ist, er ist dort zur Schule gegangen, hat eine Berufsausbildung absolviert und hat dort als Installateur gearbeitet.
Die Feststellungen zum Gesundheitszustand gründen auf den diesbezüglich glaubhaften Aussagen des Beschwerdeführers beim Bundesamt und in der mündlichen Verhandlung (AS 171; S. 3 der Niederschrift der Beschwerdeverhandlung vom 28.06.2018) und auf dem Umstand, dass im Verfahren nichts Gegenteiliges hervorgekommen ist.
2.2. Zu den Feststellungen zum Fluchtvorbringen des Beschwerdeführers:
2.2.1. Gemäß § 3 Abs. 1 AsylG 2005, BGBl. I Nr. 100 idF BGBl. I Nr. 145/2017, (in der Folge: AsylG 2005) liegt es auch am Beschwerdeführer, entsprechend glaubhaft zu machen, dass ihm im Herkunftsstaat Verfolgung iSd Art. 1 Abschnitt A Z 2 GFK droht.
Das Asylverfahren bietet, wie der VwGH in seinem Erkenntnis vom 27.05.2019, Ra 2019/14/0143-8, betont, nur beschränkte Möglichkeiten, Sachverhalte, die sich im Herkunftsstaat des Asylwerbers ereignet haben sollen, vor Ort zu verifizieren. Hat der Asylwerber keine anderen Beweismittel, so bleibt ihm lediglich seine Aussage gegenüber den Asylbehörden, um das Schutzbegehren zu rechtfertigen. Diesen Beweisschwierigkeiten trägt das österreichische Asylrecht in der Weise Rechnung, dass es lediglich die Glaubhaftmachung der Verfolgungsgefahr verlangt. Um den Status des Asylberechtigten zu erhalten, muss die Verfolgung nur mit einer maßgeblichen Wahrscheinlichkeit drohen. Die entfernte Möglichkeit einer Verfolgung genügt jedoch nicht. Dabei hat der Asylwerber im Rahmen seiner Mitwirkungspflicht nach § 15 Abs. 1 Z 1 AsylG 2005 alle zur Begründung des Antrags auf internationalen Schutz erforderlichen Anhaltspunkte über Nachfrage wahrheitsgemäß darzulegen.
Mit der Glaubhaftmachung ist demnach die Pflicht der Verfahrenspartei verbunden, initiativ alles darzulegen, was für das Zutreffen der behaupteten Voraussetzungen spricht und diesbezüglich konkrete Umstände anzuführen, die objektive Anhaltspunkte für das Vorliegen dieser Voraussetzung liefern. Insoweit trifft die Partei eine erhöhte Mitwirkungspflicht. Allgemein gehaltene Behauptungen reichen für eine Glaubhaftmachung nicht aus (vgl. VwGH 17.10.2007, 2006/07/0007).
Die Glaubhaftmachung hat das Ziel, die Überzeugung von der Wahrscheinlichkeit bestimmter Tatsachenbehauptungen zu vermitteln. Glaubhaftmachung ist somit der Nachweis einer Wahrscheinlichkeit. Dafür genügt ein geringerer Grad der Wahrscheinlichkeit als der, der die Überzeugung von der Gewissheit rechtfertigt (VwGH 29.05.2006, 2005/17/0252). Im Gegensatz zum strikten Beweis bedeutet Glaubhaftmachung ein reduziertes Beweismaß und lässt durchwegs Raum für gewisse Einwände und Zweifel am Vorbringen des Asylwerbers. Entscheidend ist, ob die Gründe, die für die Richtigkeit der Sachverhaltsdarstellung sprechen, überwiegen oder nicht. Dabei ist eine objektivierte Sichtweise anzustellen.
Unter diesen Maßgaben ist das Vorbringen eines Asylwerbers also auf seine Glaubhaftigkeit hin zu prüfen. Dabei ist vor allem auf folgende Kriterien abzustellen: Das Vorbringen des Asylwerbers muss - unter Berücksichtigung der jeweiligen Fähigkeiten und Möglichkeiten - genügend substantiiert sein; dieses Erfordernis ist insbesondere dann nicht erfüllt, wenn der Asylwerber den Sachverhalt sehr vage schildert oder sich auf Gemeinplätze beschränkt, nicht aber in der Lage ist, konkrete und detaillierte Angaben über seine Erlebnisse zu machen. Das Vorbringen hat zudem plausibel zu sein, muss also mit den Tatsachen oder der allgemeinen Erfahrung übereinstimmen; diese Voraussetzung ist u.a. dann nicht erfüllt, wenn die Darlegungen mit den allgemeinen Verhältnissen im Heimatland nicht zu vereinbaren sind oder sonst unmöglich erscheinen. Schließlich muss das Fluchtvorbringen in sich schlüssig sein; der Asylwerber darf sich demgemäß nicht in wesentlichen Aussagen widersprechen.
Dem hat der Beschwerdeführer nicht entsprochen.
2.2.2. Der Beschwerdeführer gab als Fluchtgrund kurz zusammengefasst an, dass er Installateur wäre und auch für die Staatsanwaltschaft in Kabul gearbeitet hätte. Er hätte Drohbriefe von den Taliban erhalten. Außerdem wäre ein Nachbarmädchen zu ihm nach Hause gekommen und hätte ihn heiraten wollen. Er hätte dies aber nicht gewollt. Trotzdem wäre ihm eine außereheliche Beziehung zu diesem Mädchen und somit ein "zina"-Verbrechen unterstellt worden. Die Brüder des Mädchens hätten den Beschwerdeführer auf seiner Arbeitsstelle aufgesucht, angegriffen und dabei verletzt. Daher hätte er sich zu einer Ausreise aus Afghanistan entschieden.
Die belangte Behörde wertete das Vorbringen des Beschwerdeführers betreffend eine asylrelevante Verfolgungsgefahr als widersprüchlich, nicht detailgenau und nicht nachvollziehbar.
Im Laufe des Rechtsmittelverfahrens verstärkte sich der Eindruck der Unglaubwürdigkeit des Beschwerdeführers noch, da er auch im Rahmen der mündlichen Verhandlung nicht in der Lage war, eine derzeitige, ihn selbst betreffende asylrelevante Verfolgungsgefahr in seinem Herkunftsstaat aufzuzeigen.
2.2.3. Der belangten Behörde ist zuzustimmen, dass das Fluchtvorbringen des Beschwerdeführers in der Erstbefragung und in der Einvernahme bei der belangten Behörde am 24.11.2016 gänzlich unterschiedlich ist bzw. sogar von einem komplett ausgetauschten Vorbringen gesprochen werden muss (vgl. AS 215 und 218).
In der Erstbefragung gab der Beschwerdeführer an, er hätte seine Heimat verlassen, weil er von den Taliban bedroht worden wäre. Er hätte von den Taliban Drohbriefe mit dem Hinweis erhalten, dass man 100.000 Rupien erhalten würden, wenn man Leute von der Regierung töten würde. Die Arbeitsstelle des Beschwerdeführers wäre drei Mal von Terroranschlägen der Taliban betroffen gewesen (vgl. AS 11).
In der Einvernahme bei der belangten Behörde am 24.11.2016 schilderte er allerdings, dass er wegen einer ihm unterstellten Beziehung zu einem Mädchen Probleme bekommen hätte bzw. dieses Mädchen ihn heiraten hätten wollen, er sie aber nicht (vgl. AS 181). Die Frage, ob er Probleme mit den Taliban gehabt hätte, verneinte er ausdrücklich und gab sogar an, dass seine Angaben von der Erstbefragung falsch wären (vgl. AS 183).
Das Bundesverwaltungsgericht verkennt bei der Würdigung der Aussagen des Beschwerdeführers in der Erstbefragung nicht, dass gemäß § 19 Abs. 1 AsylG die Erstbefragung zwar "insbesondere" der Ermittlung der Identität und der Reiseroute eines Fremden dient und sich nicht auf die "näheren" Fluchtgründe zu beziehen hat. Die Beweisergebnisse der Erstbefragung dürfen nicht unreflektiert übernommen werden (vgl. VwGH 13.11.2014, Ra 2014/18/0061).
Ein vollständiges Beweisverwertungsverbot normiert § 19 Abs. 1 AsylG jedoch nicht. Im Rahmen beweiswürdigender Überlegungen können Widersprüche und sonstige Ungereimtheiten in den Angaben in der Erstbefragung zu späteren Angaben - unter Abklärung und in der Begründung vorzunehmender Offenlegung, worauf diese fallbezogen zurückzuführen sind - einbezogen werden (VwGH 26.03.2019, Ra 2018/19/0607 bis 0608-12, VwGH 28.6.2018, Ra 2018/19/0271, mwN).
Im gegenständlichen Fall ist dem Beschwerdeführer jedenfalls zur Last zu legen, dass er in der Erstbefragung und in der Einvernahme bei der belangten Behörde zwei völlig - noch genauer zu bewertende - unterschiedliche Fluchtgründe genannt hat. Der komplette Austausch der Fluchtgründe macht das gesamte Vorbringen des Beschwerdeführers unglaubwürdig und konnte er - wie in weiterer Folge dargestellt - den erkennenden Richter auch nicht vom Gegenteil überzeugen.
2.2.4. Zu den behaupteten Problemen mit den Taliban:
Wie bereits dargelegt, hat der Beschwerdeführer in der Erstbefragung geschildert, dass er seine Heimat verlassen hätte, weil er von den Taliban bedroht worden wäre. Er hätte von den Taliban Drohbriefe mit dem Hinweis erhalten, dass man 100.000 Rupien erhalten würden, wenn man Leute von der Regierung töten würde. Die Arbeitsstelle des Beschwerdeführers wäre drei Mal von Terroranschlägen der Taliban betroffen gewesen. Dagegen verneinte der Beschwerdeführer in der Einvernahme bei der belangten Behörde am 24.11.2016, jemals Probleme mit den Taliban gehabt zu haben. Vielmehr sagte er, dass die Angaben aus der Erstbefragung falsch gewesen wären.
In der Beschwerdeschrift finden sich keine Angaben zu einer Bedrohung durch die Taliban.
In der Beschwerdeergänzung vom 20.12.2017 behauptete der Beschwerdeführer wieder, dass er als Mitarbeiter der Regierung bzw. des Ministeriums besonderer, individualisierter und konkreter Gefahr durch die Taliban ausgesetzt wäre.
In der mündlichen Verhandlung erklärte der Beschwerdeführer auf die Frage, weshalb die Fluchtgründe in der Erstbefragung und bei der belangten Behörde gänzlich unterschiedlich sind, dass er zwei Fluchtgründe hätte. Sein erster Fluchtgrund würde sich darauf beziehen, dass er staatlicher Angestellter gewesen wäre und Kabul nicht verlassen hätte dürfen. Sein zweiter Grund wäre ein privater. Nachgefragt was er damit meine, als staatlicher Angestellter Kabul nicht verlassen zu dürfen, erklärte der Beschwerdeführer, als staatlicher Angestellter hätte man Fingerabdrücke abzugeben. Wenn man die Provinz Kabul in Richtung eine andere Provinz verlasse, werden die Fingerabdrücke überprüft, falls man unterwegs von Taliban angehalten werde. Wenn sie erkennen, dass man aufgrund der Fingerabdrücke ein Mitglied einer staatlichen Organisation sei, dann werde man mitgenommen und der Hals abgehackt (vgl. S 14 der Niederschrift der Beschwerdeverhandlung vom 28.06.2018).
Diese Aussage des Beschwerdeführers ist wiederum neu, beinhaltet aber keine konkret gegen ihn gerichtete Verfolgung, sondern eine allgemeine Behauptung, was Regierungsmitarbeitern drohen könnte, wenn sie von Taliban kontrolliert werden. Weitere Angaben zu einer ihn persönlich betreffenden Verfolgung durch die Taliban tätigte der Beschwerdeführer in der Verhandlung nicht.
Hinsichtlich seiner vorgebrachten Tätigkeit für staatliche Stellen und eine damit einhergehende Verfolgung durch die Taliban ist zu sagen, dass der Beschwerdeführer zwei Dienstausweise der Generalstaatsanwaltschaft mit Lichtbild vorgelegt hat (vgl. AS 53ff) und im Verfahren durchgehend und übereinstimmend angegeben hat, als selbständiger Installateur und als technischer Mitarbeiter für die Staatanwaltschaft in Kabul gearbeitet zu haben. Es bestehen daher keine Zweifel daran, dass er diese Tätigkeit ausgeübt hat.
Eine aus dieser Tätigkeit resultierende Bedrohung und Verfolgung durch die Taliban oder sonstige außerstaatliche Akteure konnte der Beschwerdeführer aber aufgrund seiner - wie bereits dargelegt - widersprüchlichen Angaben im Verfahren nicht glaubhaft machen.
2.2.5. Zu den behaupteten Problemen wegen einer ihm unterstellten außerehelichen Beziehung:
Der Beschwerdeführer gab in der Einvernahme bei der belangten Behörde am 24.11.2016 an, dass ihn ein Mädchen aus der Nachbarschaft hätte heiraten wollen. Er habe dies nicht gewollt. Da das Mädchen zu ihm nach Hause gekommen wäre, wäre ihnen automatisch eine außereheliche Beziehung unterstellt worden und die Brüder des Mädchens hätten ihn aufgesucht, angegriffen und verletzt (vgl. AS 182f).
Wie bereits ausgeführt, hat er dieses Vorbringen im Rahmen der Erstbefragung mit keinem Wort erwähnt.
In der Einvernahme bei der belangten Behörde rechtfertigte er sich damit, dass er dies bei der Erstbefragung nicht gesagt hätte, da er sich damals nicht ausgekannt hätte. Daher hätte er einfach gesagt, dass er mit den Taliban Probleme habe (vgl. AS 182f).
In der Beschwerdeverhandlung befragt, warum er die Beziehung zu der jungen Frau in der Erstbefragung nicht erwähnt hat, sagte der Beschwerdeführer, er wäre damals übermüdet gewesen. Er hätte dort auch angegeben, dass er private Fluchtgründe habe. Dies sei aber nicht protokolliert worden. Den Dolmetscher hätte er aber sowohl in der Erstbefragung als auch in der Einvernahme bei der belangten Behörde gut verstanden (vgl. AS 14f der Niederschrift der Beschwerdeverhandlung vom 28.06.2018).
Die Erklärungen des Beschwerdeführers überzeugen nicht.
Es gibt keine Hinweise auf Übersetzungsfehler der Dolmetscher oder dass Aussagen des Beschwerdeführers nicht protokolliert wurden. Seine Aussage ist daher lediglich als Schutzbehauptung zu werten. Die gänzlich unterschiedlichen Angaben zwischen Erstbefragung und Einvernahme bei der belangten Behörde machen das Vorbringen des Beschwerdeführers - wie bereits erwähnt - unglaubwürdig.
Abgesehen davon konnte der Beschwerdeführer mit seinen Angaben die behauptete (unterstellte) außereheliche Beziehung nicht glaubhaft machen.
Bereits die belangte Behörde bemängelte beispielsweise zu Recht, dass der Beschwerdeführer zunächst behauptet habe, das Mädchen nicht gekannt zu haben, dann aber doch Angaben zu deren Namen, Herkunft und Familienangehörigen machen konnte. Außerdem ist das geschilderte Verhalten, dass das Mädchen bei seiner Familie um seine Hand angehalten hat, völlig unglaubwürdig, da es zur Gänze den afghanischen Traditionen widersprechen würde. Auch der geschilderte Angriff der zwei Brüder des Mädchens auf den Beschwerdeführer wurde weder detailgetreu noch nachvollziehbar geschildert (vgl. AS 216f). Dieser Eindruck der belangten Behörde setzte sich aus Sicht des Gerichtes auch im weiteren Verfahren fort und konnte der Beschwerdeführer eine asylrelevante Verfolgung wegen der ihm unterstellten außerehelichen Verbindung nicht glaubhaft machen.
Dem Beschwerdeführer ist zwar zugute zu halten, dass er das diesbezügliche Vorbringen - lässt man die Erstbefragung außer Acht - im gesamten Verfahren dem Grunde nach gleichbleibend geschildert hat. Dennoch ergeben sich einige Ungereimtheiten, die nicht unerwähnt bleiben können:
Beispielsweise fällt auf, dass der Beschwerdeführer unterschiedliche A