Entscheidungsdatum
28.05.2020Norm
AsylG 2005 §3 Abs1Spruch
W108 2170288-1/19E
IM NAMEN DER REPUBLIK!
Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch die Richterin Mag. BRAUCHART als Einzelrichterin über die Beschwerde von XXXX , geb. XXXX , Staatsangehörigkeit Iran, vertreten durch die Diakonie Flüchtlingsdienst gemeinnützige GmbH, ARGE Rechtsberatung - Diakonie und Volkshilfe, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 28.07.2017, Zl. 1054390903 - 1503000058/BMI-BFA_SZB_RD, nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung zu Recht:
A)
Der Beschwerde wird gemäß § 28 Abs. 2 VwGVG stattgegeben und XXXX gemäß § 3 Abs. 1 AsylG der Status des Asylberechtigten zuerkannt.
Gemäß § 3 Abs. 5 AsylG wird festgestellt, dass XXXX damit kraft Gesetzes die Flüchtlingseigenschaft zukommt.
B)
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.
Text
ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:
I. Verfahrensgang, Sachverhalt und Vorbringen:
1. Der Beschwerdeführer, ein Staatsangehöriger des Iran und Zugehöriger der Volksgruppe der Perser, stellte nach illegaler Einreise in Österreich am 23.03.2015 den Antrag, ihm internationalen Schutz nach dem AsylG 2005 (AsylG) zu gewähren (in der Folge auch Asylantrag).
Der Beschwerdeführer gab im Zuge der Erstbefragung an, er sei Moslem und er habe den Iran am XXXX 2014 legal mit seinem iranischen Reisepass auf dem Luftweg verlassen. Sein Fluchtgrund sei gewesen, dass er ein Verhältnis mit einer Frau gehabt habe, die politisch gegen das Regime gewesen sei. Er hätte Informationen von seiner Freundin auf seinem Computer gehabt und sei deswegen im Gefängnis gewesen. Nach 21 Tagen sei er auf Bewährung entlassen worden. Da er vom Sicherheitsdienst des Regimes verfolgt worden wäre, habe er den Iran verlassen müssen. Andere Fluchtgründe hätte er nicht. Er fürchte um sein Leben, er könne beweisen, dass ihm bei einer Rückkehr harte Sanktionen drohen würden.
In der Folge legte der Beschwerdeführer im Asylverfahren einen Taufschein der (Erz-) Diözese XXXX , römisch-katholische Kirche in Österreich, Pfarre XXXX (in der Folge: M.), vom 15.04.2016 vor, wonach der Beschwerdeführer am 02.04.2016 von Pfarrer Mag. XXXX (in der Folge Mag. G.) getauft wurde und den Taufnamen " XXXX " erhalten hat.
Bei der niederschriftlichen Einvernahme vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (belangte Behörde vor dem Bundesverwaltungsgericht) am 06.09.2016 brachte der Beschwerdeführer u.a. ein vom Pfarrer Mag. G. unterfertigtes Empfehlungsschreiben der Pfarre M. vom 08.08.2016 in Vorlage. Daraus geht hervor: Der Beschwerdeführer habe den Pfarrer Mag. G., dem der Beschwerdeführer seit April 2015 bekannt sei, um die Taufe gebeten. Nach einem Jahr intensiver Vorbereitung im Glauben und in der Sprache sei der Beschwerdeführer am 02.04.2016 in der Pfarre M. getauft worden. Der Beschwerdeführer nehme regelmäßig an den Gottesdiensten teil und suche Kontakt zu den Menschen vor Ort. Er bemühe sich sehr, sich zu integrieren und spreche bereits gut deutsch. Es gebe weiterhin Treffen in der Pfarre, um deutsch zu üben und den Glauben zu vertiefen.
Der Beschwerdeführer sagte im Wesentlichen Folgendes aus:
Er sei mittlerweile Christ, ledig, habe keine Kinder und habe im Iran zuletzt in der Stadt XXXX (Provinz XXXX ) gelebt. Im Iran habe er die Schule besucht, maturiert und danach er in einem XXXX gearbeitet. Im Iran seien Eltern und seine vier Geschwister aufhältig, zu seiner Familie habe er auch jeden Tag Kontakt. In Österreich habe er keine Verwandten oder Familienangehörigen.
Er sei am 02.04.2016 in M. getauft worden. Er sei zum Christentum konvertiert, weil er in einer islamischen Gesellschaft gelebt habe und von ihr enttäuscht gewesen sei und viel Schlimmes erlebt habe. Die wichtigsten Feste im Christentum seien Weihnachten, Pfingsten und Ostern. Weinachten werde 24. Dezember gefeiert und es werde die Geburt Jesu gefeiert. Zu Ostern werde die Auferstehung Christi gefeiert. 50 Tage nach Ostern werde Pfingsten gefeiert. Am Christentum fasziniere ihn, dass die Leute in den christlichen Ländern in Frieden leben, denn im Vergleich zu diesen würden die Leute in den islamischen Ländern im Krieg leben. Er habe viele Bücher über die Religion gelesen und sei so zum Christentum gelangt. Er sei der Meinung, im Leben sollte man an etwas glauben und ohne Religion würde das nicht möglich sein. Er habe seine Religion im Iran wechseln wollen, was dort aber nicht möglich gewesen wäre. Er habe den Iran deshalb verlassen. Wegen seines Religionswechsels würde er im Iran hingerichtet werden. Mittlerweile sei er getauft worden und seine Familie und Freunde würden von seiner Taufe wissen, denn er habe es ihnen erzählt und auch auf Facebook gestellt. Persönliche Probleme mit Behörden und Ämtern seines Herkunftsstaates habe er deswegen bisher allerdings nicht gehabt. Das Gleiche gelte auch für seine Familie. Auf Vorhalt der politischen Fluchtgründe, die er bei der Erstbefragung erwähnt hatte, gab er an, zu diesem Zeitpunkt unter Drogeneinfluss gestanden zu sein und er sich nicht mehr daran erinnern könne, was er gesagt habe.
2. Mit dem vor dem Bundesverwaltungsgericht bekämpften Bescheid wies die belangte Behörde den Antrag auf internationalen Schutz hinsichtlich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten gemäß § 3 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG ab (Spruchpunkt I.), gemäß § 8 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG wies sie den Antrag hinsichtlich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Iran ab (Spruchpunkt II.). Gemäß § 57 AsylG erteilte die belangte Behörde dem Beschwerdeführer keinen Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen, erließ gegen den Beschwerdeführer gemäß § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG iVm § 9 des BFA-Verfahrensgesetzes (BFA-VG) eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 Z 2 Fremdenpolizeigesetz 2005 (FPG) und stellte gemäß § 52 Abs. 9 FPG fest, dass die Abschiebung des Beschwerdeführers in den Iran gemäß 46 FPG zulässig sei (Spruchpunkt III.). Die belangte Behörde bestimmte gemäß § 55 Abs. 1 bis 3 FPG eine 14-tägige Frist für die freiwillige Ausreise (Spruchpunkt IV.).
Die belangte Behörde traf neben Länderfeststellungen Sachverhaltsfeststellungen zur Identität des Beschwerdeführers und zu seinem Vorbringen, wobei sie davon ausging, dass es sich bei der Konversion des Beschwerdeführers um eine Scheinkonversion zum Christentum handle. Es könne nicht festgestellt werden können, dass er sich am 02.04.2016 in der römisch-katholischen Kirche der Pfarre M. einer Taufe unterzogen hätte. Die vom Beschwerdeführer angegebenen Verfolgungsgründe seien nicht glaubhaft nachvollziehbar. Eine Bedrohung des Beschwerdeführers durch die iranischen Behörden und eine Verfolgung des Beschwerdeführers im Iran aus politischen oder aus religiösen Gründen könne nicht festgestellt werden. Es könne auch nicht festgestellt werden, dass der Beschwerdeführer im Iran einer aktuellen, unmittelbaren persönlichen und konkreten Verfolgung, Bedrohung oder sonstigen Gefährdung ausgesetzt gewesen sei oder er im Falle einer Rückkehr dorthin mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit einer solchen ausgesetzt wäre. Insbesondere könne nicht festgestellt werden, dass der Beschwerdeführer aus innerer Überzeugung zum Christentum konvertiert sei. Der Beschwerdeführer sei im Falle einer Rückkehr keiner Gefährdung durch den iranischen Staat ausgesetzt.
Die belangte Behörde ging aus folgenden Gründen von einer Scheinkonversion aus: Der Beschwerdeführer habe sich bezüglich der Angaben zu seiner angeblichen Konversion widersprochen. Er habe angegeben, dass er im Iran die Religion habe wechseln wollen. Dieses Vorbringen sei als unglaubwürdig zu werten. Bei der Erstbefragung vom 24.03.2015 habe er angegeben, Moslem zu sein. Eine Befassung bzw. eine Auseinandersetzung oder gar eine Zuwendung zum Christentum habe er mit keinem einzigen Wort erwähnt. Laut Empfehlungsschreiben vom 08.08.2016 habe er bereits im April 2015, also zirka ein Monat nach seiner Einreise nach Österreich, den Pfarrer der Pfarre M. um eine Taufe gebeten. Die Behörde gehe davon aus, dass es sich beim Fluchtvorbringen des Beschwerdeführers um ein Konstrukt handle, da er sich massiv widersprochen habe, und dass es sich bei seiner Taufe um einen formalen Akt gehandelt habe, um seine Chancen auf einen positiven Asylstatus zu erhöhen. Eine feste innere Überzeugung lasse sich nicht aus dem formalen Akt der Taufe herleiten. Insbesondere sein Vorgehen betreffend seine Taufe zeige, dass es ihm nicht um den christlichen Glauben gehe, sondern dass er zielgerichtet auf ein positives Asylverfahren hinwirken habe wollen. Es sei dem Beschwerdeführer nicht abzusprechen, dass er, aufgrund des ausführlichen Taufunterrichtes der römisch-katholischen Pfarre über ein gutes Grundwissen des christlichen Glaubens verfüge, jedoch lasse Wissen nicht den Schluss auf eine innere Überzeugung zu. Dass er lediglich festgestellt habe, dass in christlichen Ländern die Leute friedlicher seien, zeuge von keiner tieferen Überzeugung vom römisch-katholischen Glauben.
Die Angaben zum Fluchtgrund wertete die belangte Behörde aus folgenden Gründen als unglaubwürdig: Der Beschwerdeführer habe in der Einvernahme vom 06.09.2016 wiederholt angegeben, er habe den Iran verlassen, weil er angeblich seine Religion habe wechseln wollen und ihm dies im Iran nicht möglich gewesen sei. Die Angabe bezüglich seines Fluchtvorbringen widerspreche massiv den Angaben in seiner Erstbefragung vom 24.03.2015, wo er angegeben habe, dass er aufgrund eines angeblichen Verhältnisses zu einer Frau, die politisch gegen das iranische Regime wäre, vom iranischen Sicherheitsdienstes verfolgt worden sei, und dass er daraufhin den Iran verlassen habe müssen. Er habe angegeben, sogar beweisen zu können, dass ihm im Falle einer Rückkehr harte Sanktionen drohen würden, er habe aber die erwähnten Beweismittel nicht vorgelegt. In der Einvernahme vom 06.09.2016 habe er angegeben, dass er angeblich zum Zeitpunkt der Erstbefragung unter Drogen gestanden sei und er nicht mehr wissen würde, was er damals gesagt hätte. Unter Augenscheinnahme der Angaben in seiner niederschriftlichen Erstbefragung im Asylverfahren gehe die Behörde von keinem Drogeneinfluss aus, da er alle anderen Fragen, wie z.B. bezüglich der Fluchtroute oder auch Angaben zu Reisedaten genauestens beantworten hätte können. Es sei von einem Konstrukt auszugehen, dass dazu dienen solle, sich im Nachhinein die Möglichkeit zu verschaffen, die Änderungen in seinem Fluchtvorbringen begründen zu können. Das Fluchtvorbringen des Beschwerdeführers sei als Gesamtes als unglaubwürdig zu bewerten.
3. Gegen diesen Bescheid erhob der Beschwerdeführer innerhalb offener Frist Beschwerde gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 1 B-VG an das Bundesverwaltungsgericht, in der im Wesentlichen vorgebracht wurde, die belangte Behörde habe es unterlassen, den Beschwerdeführer konkret auf seine Situation im Iran, von der langjährigen Beschäftigung mit dem Christentum bis hin zu seiner Flucht, zu befragen. Der Beschwerdeführer hätte im Iran eine intensive Suche nach einer für ihn passende Religion begonnen, da er sich im Laufe der Jahre des Erwachsenenwerdens von seiner Ursprungsreligion, dem Islam, immer mehr entfernt habe, weil er darin nur mehr eine kämpferische, zerstörerische Glaubenslehre wahrgenommen hätte. Dabei sei er auf das Christentum gestoßen, an das er sich immer mehr anlehnen und in dessen Glaubensrichtlinien er ich immer mehr aufgefangen vorgekommen sei. Nur im engsten Freundeskreis habe er sich über seinen neu gewonnenen Glauben austauschen können. Der Beschwerdeführer wolle seinen Glauben einfach ausleben können. Sein bisheriges Verhalten auch in Österreich mit der vollzogenen Taufe, dem engen Kontakt zur katholischen Kirche und der Glaubensgemeinde vor Ort sowie die profunde Begleitung durch den Regens/Pfarrer Mag. G. und Pfarrer Mag. XXXX (in der Folge Mag. D.) seien ausreichend Beweis dafür, dass es dem Beschwerdeführer ernst sei und keine Scheinkonvertierung vorliege. Die genannten Personen würden den Beschwerdeführer auch weiterhin in seinem Bestreben begleiten, seine Religiosität zu intensivieren und auszuleben. Durch sein fleißiges, kirchliches Engagement werde er von zahlreichen einheimischen Gläubigen vor Ort in M. in hohem Maße geschätzt; eine Liste von Unterstützern aus dem kirchlichen Umfeld werde dieser Beschwerde nochmals beigelegt. Der Beschwerdeführer achte die österreichische Rechtsordnung, strafrechtlich sei/werde er zu keiner Zeit in Erscheinung treten/getreten; dies gebiete ihm schon sein ausgeprägter Glaube. Bei einer erzwungenen Rückkehr in den Iran drohe dem Beschwerdeführer die Todesstrafe. Zudem wäre er bei einer Rückkehr aufgrund des Verstoßes seiner Familie, die keinen Christen in der Nähe dulde, weitgehend auf sich allein gestellt und gar des Verrats seiner eigenen Verwandten ausgesetzt.
4. Die belangte Behörde machte von der Möglichkeit der Beschwerdevorentscheidung nicht Gebrauch und legte die Beschwerde samt den bezughabenden Akten des Verwaltungsverfahrens zur Entscheidung vor.
5. Das Bundesverwaltungsgericht führte in der Sache des Beschwerdeführers eine öffentliche mündliche Verhandlung durch, an welcher sich der Beschwerdeführer persönlich beteiligte.
In der Beschwerdeverhandlung wurden u.a. folgende Urkunden erörtert:
* Ein Schreiben des Pfarrers Mag. D. vom 02.06.2019, wonach er den Beschwerdeführer als regelmäßigen Kirchgänger im Pfarrverband M., auch wochentags, der auch bei der Vorbereitung von kirchlichen Festen stets mitgeholfen habe, kenne und der Beschwerdeführer nach Wechsel seines Wohnortes nach XXXX (in der Folge B.) ab und zu, wenn es seine Arbeitszeit zulasse, mit einer befreundeten Familie zu Gottesdiensten in sein Pfarrgebiet zurückkehre.
* Eine Bescheinigung der Bezirkshauptmannschaft XXXX vom 13.10.2017 über den rechtswirksamen Austritt des Beschwerdeführers aus der islamischen Kirche.
* Ein Empfehlungsschreiben des Pfarrers XXXX , Pfarramt B., vom 23.05.2019, wonach dieser Pfarrer den Beschwerdeführer sehr gut kenne, der Beschwerdeführer ein gutmütiger, hilfsbereiter, ehrlicher, freundlicher und gut integrierter Christ in der katholischen Glaubensgemeinschaft sei, er (je nach seiner Arbeitszeit) an jeder heiligen Messe teilnehme, er im Glauben tief verankert sei und auch alle Bibelkurse der dortigen Kirchengemeinschaft besuche, die einheimischen Christen im Beschwerdeführer ein Vorbild für einen echten tiefen Glauben sehen würden und der Beschwerdeführer ein großes Vorbild für Integration in Österreich sei.
* Ein Schreiben des XXXX vom 10.06.2019 samt Unterschriftenliste, wonach der Beschwerdeführer sich ausgezeichnet dem Leben der Österreicher angepasst habe und einen großen Bekannten- und Freundeskreis habe.
* Eine Unterschriftenliste vom 12.06.2019, wonach der Beschwerdeführer ein hilfsbereiter junger Mann sei, der Freude an der Arbeit habe, sehr gut Deutsch spreche und integriert sei.
* Deutschzertifikate, die Beschäftigungsbewilligung des Beschwerdeführers und ein Zeugnis eines Hotels vom 17.06.2019 betreffend Beschäftigung des Beschwerdeführers im XXXX .
Der Beschwerdeführer sagte u.a. aus: Er bekenne sich zum Christentum, er sei katholisch. Er habe zuvor in einer islamischen Gesellschaft gelebt und es sei ihm bewusst gewesen, dass der Islam seine Religion wäre. Jedoch habe er Allah als Gott nicht akzeptieren können. Allah sei ein Gott, der keine Kritik dulde. Jeder, der gegen seine Worte sei, müsse hingerichtet werden. Zudem sei im Islam eine Frau halb so viel wert wie ein Mann. Im Internet habe er viele Berichte betreffend Religion und Bücher gelesen und ihm habe der christliche Glaube besser gefallen. Als er nach Österreich gekommen sei, wäre er in einem Asylheim untergebracht gewesen und er hätte mit der dortigen Chefin gesprochen. Sie seien dann gemeinsam zu einem Pfarrer einer Kirche gegangen. Daraufhin habe er an Vorbereitungskursen teilnehmen können, habe die Sprache gelernt und sei auch unterrichtet worden. Die Vorbereitung habe ca. ein Jahr gedauert und schließlich sei er getauft worden. Seit diesem Zeitpunkt sei er ein richtiger Christ. Er hätte aber bereits im Iran über das Christentum gelesen. Er hätte die gesamte Geschichte der Christen und auch die Bibel gelesen. Er hätte auch über andere Religionen gelesen, aber das Christentum habe ihn am meisten interessiert. Dass er die Bibel lese, hätten im Iran nur sein Bruder und seine Schwester, die mit ihm gewohnt hätten, gewusst. Probleme habe es diesbezüglich nicht gegeben, da es sonst niemand gewusst hätte. Über seine Konversion hätten seine Eltern und weitere Verwandte erst später erfahren, seine Eltern hätten zwar ein Problem damit, würden ihn deshalb aber nicht verfolgen, seine Cousins, die einer Märtyrerfamilie und sehr religiös seien, hätten ihn diesbezüglich jedoch sogar mit dem Tod bedroht. Der bei der Erstbefragung angegebene Fluchtgrund entspreche den Tatsachen, aber er könne nicht darüber sprechen, weil es viele Menschen in Gefahr bringen würde. Zwar habe er bereits in der Erstbefragung darüber gesprochen, aber das bereue er. Er sei ein Abtrünniger, im Iran würde er alleine wegen seines Abfalls vom Islam hingerichtet werden. Für den Austritt aus dem Islam und die Annahme des Christentums sei ausschlaggebend gewesen, dass ein Mensch ohne Gott nicht leben könne. Man müsse an etwas glauben, womit man sich identifizieren könne. Das Christentum sei das, was er glaube. Er habe das Christentum immer sehr gerne gehabt und er sei gerne Christ. Es sei ihm wichtig, nach den christlichen Vorgaben zu leben, anderen Liebe entgegenzubringen, nach den 10 Geboten zu leben, regelmäßig die Kirche zu besuchen und zu beten. Er nehme sehr gerne an Bibelstunden teil und spreche mit seinen Freunden über die Religion. Er bete jeden Tag, er habe ein Gebetsbuch und einen Rosenkranz zu Hause, er besuche regelmäßig die Heilige Messe, sei mit den anderen Menschen der Kirche in Kontakt, helfe bei Feierlichkeiten in der Kirche und biete seine Unterstützung auch anderweitig an. Er habe die Unterschiede zwischen den Religionen bzw. christlichen Kirchen kennengelernt und habe sich für die katholische Kirche entschieden. Deren Glaubensinhalte seien ihm aufgrund seiner Gedanken als das Vernünftigste erschienen, alles was er darüber gelesen habe, sei mit seinem eigenen Glauben identisch. Die iranischen Behörden würden bei ihm im Fall seiner Rückkehr in den Iran nicht davon ausgehen, dass er bloß zum Schein konvertiert sei, weil er ein gläubiger Christ sei und er nach christlichen Vorgaben leben wollen würde. Er würde gerne seine Kirche besuchen dürfen.
In der mündlichen Verhandlung wurde XXXX , ein Bekannter des Beschwerdeführers bzw. des Inhabers des Hotels, in dem der Beschwerdeführer arbeitet, als Zeuge vernommen. Er gab an, er habe den Beschwerdeführer etwa im Jahr 2017 kennengelernt. Sie seien nun Nachbarn und er sehe den Beschwerdeführer regelmäßig, auch in der Kirche. Der Beschwerdeführer besuche regelmäßig die Heilige Messe und sei ein überaus freundlicher und hilfsbereiter Mensch.
Weiters wurde in der mündlichen Verhandlung Mag. G., Regens und Pfarrer, der den Beschwerdeführer getauft hat, als Zeuge vernommen. Er sagte aus, er habe den Beschwerdeführer in M. kennengelernt, wo er damals Pfarrer gewesen sei. Der Beschwerdeführer sei mit dem Anliegen, er möchte Christ werden und sich taufen lassen, zu ihm gekommen. Nach einer langen Vorbereitung sei der Beschwerdeführer im Jahr 2016 auch getauft worden. Der Zeuge habe eine Gewissheit erhalten, dass der Beschwerdeführer dazu bereit gewesen sei, da er am pfarrlichen Leben teilgenommen, regelmäßig die Gottesdienste besucht und bei Bedarf mitgeholfen habe. Dies habe sich auch nach der Taufe nicht geändert. Der Zeuge sei zur moralischen Gewissheit erlangt, dass der Beschwerdeführer es wirklich ernst meinen würde und er habe bei ihm keine Zweifel.
Zu den in der Beschwerdeverhandlung auf Grundlage von Länderberichten erörterten Verhältnissen im Iran gab der Beschwerdeführer eine Stellungnahme dahingehend ab, dass die Konversion des Beschwerdeführers aus innerer Überzeugung geschehen sei. Die Taufe sei durch die katholische Kirche über ausreichend moralische Überzeugung durchgeführt worden. Dies werde durch die Zeugenaussage auch bestätigt. Nach christlichen Vorgaben zu leben könne nicht heimlich erfolgen und sei dies auch nach der europäischen Rechtsprechung vom Betreffenden nicht zu verlangen. Der Beschwerdeführer würde aufgrund seiner nachhaltigen und überzeugenden Konversion im Iran asylrelevant verfolgt werden.
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
1. Feststellungen:
1.1. Hinsichtlich der Lage im Iran:
Religionsfreiheit
In Iran leben ca. 82 Millionen Menschen, von denen ungefähr 99% dem Islam angehören. Etwa 90% der Bevölkerung sind Schiiten, ca. 9% sind Sunniten und der Rest verteilt sich auf Christen, Juden, Zoroastrier, Baha'i, Sufis, Ahl-e Haqq und nicht weiter spezifizierte religiöse Gruppierungen. Der Islam schiitischer Prägung ist in Iran Staatsreligion. Gleichwohl dürfen die in Art. 13 der iranischen Verfassung anerkannten "Buchreligionen" (Christen, Juden, Zoroastrier) ihren Glauben im Land relativ frei ausüben. In Fragen des Ehe- und Familienrechts genießen sie verfassungsrechtlich Autonomie. Jegliche Missionstätigkeit kann jedoch als "mohareb" (Krieg gegen Gott) verfolgt und mit dem Tod bestraft werden. Auch unterliegen Vertreter religiöser Minderheiten Beschränkungen beim Zugang zu höheren Staatsämtern. Nichtmuslime sehen sich darüber hinaus im Familien- und Erbrecht nachteiliger Behandlung ausgesetzt, sobald ein Muslim Teil der relevanten Personengruppe ist.
Das Recht auf Religions- und Glaubensfreiheit wird sowohl durch Gesetze als auch im täglichen Leben systematisch verletzt. Die Behörden zwingen weiterhin Personen aller Glaubensrichtungen einen Kodex für Verhalten in der Öffentlichkeit auf, der auf einer strikten Auslegung des schiitischen Islams gründet. Muslime, die keine Schiiten sind, dürfen weder für das Amt des Präsidenten kandidieren noch andere hochrangige politische Ämter bekleiden. Das Recht, eine Religion zu wechseln oder aufzugeben, wird weiterhin verletzt. Personen, die zum Christentum übertreten, können hohe Gefängnisstrafen erhalten, die in einigen Fällen von zehn bis 15 Jahren reichen. Es gibt weiterhin Razzien in Hauskirchen.
Anerkannten ethnisch christlichen Gemeinden ist es untersagt, konvertierte Christen zu unterstützen. Gottesdienste in der Landessprache sind in Iran verboten, ebenso die Verbreitung christlicher Schriften. Teilweise werden einzelne Gemeindemitglieder vorgeladen und befragt. Unter besonderer Beobachtung stehen insbesondere auch hauskirchliche Vereinigungen, deren Versammlungen regelmäßig aufgelöst und deren Angehörige gelegentlich festgenommen werden.
Laut der in den USA ansässigen NGO "United for Iran" waren 2017 mindestens 102 Mitglieder von religiösen Minderheiten aufgrund ihrer religiösen Aktivitäten inhaftiert, 174 Gefangene wegen "Feindschaft gegen Gott", 23 wegen "Beleidigung des Islam" und 21 wegen "Korruption auf Erden".
Personen, die sich zum Atheismus bekennen, können willkürlich festgenommen, inhaftiert, gefoltert und anderweitig misshandelt werden. Sie laufen Gefahr, wegen "Apostasie" (Abfall vom Glauben) zum Tode verurteilt zu werden (Länderinformationsblatt der Staatendokumentation Iran vom 14.06.2019).
Situation für Konvertiten
Apostasie (d.h. Religionswechsel weg vom Islam) ist im Iran zwar nicht im Strafgesetzbuch aber aufgrund der verfassungsrechtlich verankerten islamischen Jurisprudenz verboten und mit langen Haftstrafen (bis hin zur Todesstrafe) bedroht. Konvertierte werden jedoch zumeist nicht wegen Apostasie bestraft, sondern aufgrund anderer Delikte, wie zum Beispiel "mohareb" ("Waffenaufnahme gegen Gott"), "mofsid-fil-arz/fisad-al-arz" ("Verdorbenheit auf Erden"), oder "Handlungen gegen die nationale Sicherheit". In der Praxis sind Verurteilungen wegen Apostasie selten, bei keiner der Hinrichtungen in den letzten zehn Jahren gibt es Hinweise darauf, dass Apostasie ein bzw. der eigentliche Verurteilungsgrund war. Hingegen gab es mehrere Exekutionen wegen "mohareb". Die Todesstrafe ist bei Fällen, die mit Konversion zusammenhängen keine geläufige Bestrafung. Allein wegen Konversion werden keine Gerichtsverfahren geführt. Schon seit vielen Jahren wurde kein Christ mehr vom Regime getötet, wahrscheinlich aus Angst vor den daraus resultierenden internationalen Folgen. Anklagen lauten meist auf "Organisation von Hauskirchen" und "Beleidigung des Heiligen", wohl um die Anwendung des Scharia-Rechts und damit die Todesstrafe wegen Apostasie zu vermeiden. Konversion wird als politische Aktivität angesehen. Fälle von Konversion gelten daher als Angelegenheiten der nationalen Sicherheit und werden vor den Revolutionsgerichten verhandelt. Nach anderen Quellen wurden im Jahr 2017 gegen mehrere christliche Konvertiten hohe Haftstrafen (10 und mehr Jahre) verhängt [Anmerkung der Staatendokumentation: Verurteilungsgrund unklar]. Laut Weltverfolgungsindex 2019 wurden im Berichtszeitraum viele Christen, besonders solche mit muslimischem Hintergrund, vor Gericht gestellt und zu langen Gefängnisstrafen verurteilt bzw. warten noch auf ihren Prozess. Ihre Familien sind während dieser Zeit öffentlichen Demütigungen ausgesetzt.
Missionstätigkeit unter Muslimen kann eine Anklage wegen Apostasie und Sanktionen bis zur Todesstrafe nach sich ziehen. Muslime dürfen daher nicht an Gottesdiensten anderer Religionen teilnehmen. Trotz des Verbots nimmt die Konversion weiter zu. Unter den Christen in Iran stellen Konvertiten aus dem Islam mit schätzungsweise mehreren Hunderttausend inzwischen die größte Gruppe dar, noch vor den Angehörigen traditioneller Kirchen. Laut der iranischen NGO Article 18 wurden von Jänner bis September 2018 37 Konvertiten zu Haftstrafen wegen "Missionsarbeit" verurteilt. In Iran Konvertierte nehmen von öffentlichen Bezeugungen ihrer Konversion naturgemäß Abstand, behalten ihren muslimischen Namen und treten in Schulen, Universitäten und am Arbeitsplatz als Muslime auf. Wer zum Islam zurückkehrt, tut dies ohne besondere religiöse Zeremonie, um Aufsehen zu vermeiden. Es genügt, wenn die betreffende Person glaubhaft versichert, weiterhin oder wieder dem islamischen Glauben zu folgen. Es gibt hier für den Rückkehrer bestimmte religiöse Formeln, die dem Beitritt zum Islam ähneln bzw. nahezu identisch sind.
Einige Geistliche, die in der Vergangenheit in Iran verfolgt oder ermordet wurden, waren im Ausland zum Christentum konvertiert (Länderinformationsblatt der Staatendokumentation Iran vom 14.06.2019).
Apostasie ist derzeit nicht nach kodifiziertem Recht, aber nach der Scharia strafbar. Letztere ist entsprechend Art. 4 der Verfassung Grundlage des iranischen Rechts. Richter in Iran sind nach Art. 167 der Verfassung gehalten, bei der Rechtsanwendung zuerst auf kodifiziertes Recht zurückzugreifen. Sind solche Gesetze nicht vorhanden, so müssen sie ihren Urteilsspruch auf Grundlage der authentischen islamischen Quellen oder der gültigen Rechtsurteile fällen.
Apostasie ist nach herrschender Meinung ein sog. Hadd-Delikt (Hadd-Strafen sind Strafen, die in der Scharia festgelegt sind). Folgende Prophetenworte werden im islamischen Recht dahingehend ausgelegt, dass Apostasie zu bestrafen ist: "...tötet den, der seine Religion wechselt" und "Das Blut eines Muslims (zu vergießen) ist nicht erlaubt, außer in einem dieser drei (Fälle): der verheiratete Ehebrecher, Leben um Leben und der seinen Glauben Verlassende und von der Gemeinschaft sich Trennende.
Die Scharia bietet dem Richter demzufolge bereits heute eine Rechtsgrundlage, um Apostaten in Iran zum Tode zu verurteilen. Die Apostasie ist der normalen Strafgerichtsbarkeit zugewiesen, Eingangsinstanz sind die allgemeinen Strafgerichte der Provinzen. Ein Todesurteil aufgrund des Vorwurfs der Apostasie erging zuletzt im November 2002 gegen den regimekritischen Hochschulprofessor Aghajari, seine Strafe wurde aber - unter verändertem Strafvorwurf - im Frühjahr 2005 in eine Haftstrafe umgewandelt. Fälle einer Vollstreckung der Todesstrafe wegen Apostasie wurden in den letzten Jahren nicht mehr bekannt. Der ehemalige Chef der iranischen Judikative, Ayatollah Sharoudi, hatte die Staatsanwaltschaften und die Gerichte angewiesen, niemanden wegen Religionswechsel zur Todesstrafe zu verurteilen. Eine derartige Verurteilung ist daher derzeit unwahrscheinlich. Die Direktive des ehemaligen Chefs der Justiz könnte jedoch kurzfristig zurückgenommen werden.
Indes ist zu beachten, dass es trotzdem zur Anklage und Einleitung von gerichtlichen Strafverfahren wegen Konversion kommen kann. Eine Anschuldigung wegen Apostasie kann schwerste Sanktionen nach sich ziehen. Oftmals lautet die Anklage auf "Gefährdung der nationalen Sicherheit", "Organisation von Hauskirchen" und "Beleidigung des Heiligen" wohl um die Anwendung des Scharia-Rechts und damit die Todesstrafe wegen Apostasie zu vermeiden (Bundesamt für Migration und Flüchtlinge: Länderreport 10 Iran, Situation der Christen, Stand 3/2019).
Willkürliche Verhaftungen durch iranische Behörden
Trotz Fehlens einer strafrechtlichen Grundlage kommt es immer wieder zu willkürlichen Verhaftungen von Konvertierten. Die ehemalige UN-Sonderberichterstatterin für die Lage der Menschenrechte in Iran, Asma Jahangir, hat in ihrem Bericht an den UN-Menschenrechtsrat (UNHRC) vom März 2017 betont, dass seitens der iranischen Behörden und vom Klerus gezielt mit strengen Maßnahmen und willkürlichen Verhaftungen gegen christliche Konvertiten mit vormals muslimischen Hintergrund vorgegangen wird. Auch Christians in Parliament APPG und APPG for International Freedom of Religion or Belief weisen auf willkürliche Verhaftungen von christlichen Personen hin. Danach ist es in den letzten zehn Jahren beispielsweise üblich geworden, dass während der Weihnachtszeit in verschiedenen Städten Irans christliche Konvertiten von den Sicherheitskräften festgenommen werden. In einem Interview mit UK Home Office im Juli 2017 wies die Organisation Article 18 darauf hin, dass bei den Verhaftungen von Konvertierten die gesetzlichen Vorschriften nur selten eingehalten werden. In den meisten Fällen würden Betroffene weder vorgeladen, noch werde ihnen bei ihrer Verhaftung ein Haftbefehl vorgelegt. Auch würden sie nicht über die Anklagepunkte informiert.
Konvertierte werden bei Razzien in Hauskirchen, Privathäusern oder an beliebigen anderen Orten festgenommen. Gemäß Zeugenaussagen an Christians in Parliament APPG und APPG for International Freedom of Religion or Belief sind Razzien und Festnahmen in Privathäusern von christlichen Personen in Iran weit verbreitet. Personen, die ihren Glauben in Hauskirchen praktizieren, sind von Razzien betroffen. Voraussetzung sind Informationen aus dem Umfeld der Hauskirchen. BosNewsLife zufolge haben Sicherheitskräfte allein im Monat August 2016 in mindestens vier Hauskirchen Razzien durchgeführt. Die Behörden beabsichtigen mit solchen Aktionen ein Klima der Angst zu schaffen. Gemäß Aussagen von Elam Ministries werden bei Razzien in Hauskirchen alle Anwesenden festgenommen: Sowohl diejenigen, die neu und inaktiv sind, als auch die Kirchenführenden (Bundesamt für Migration und Flüchtlinge: Länderreport 10 Iran, Situation der Christen, Stand 3/2019).
Die Überwachung von Telekommunikation, Social Media und Online-Aktivitäten ist weit verbreitet. Es kann jedoch nicht klargestellt werden, wie hoch die Kapazitäten zur Überwachung sind. Die Behörden können nicht jeden zu jeder Zeit überwachen, haben aber eine Atmosphäre geschaffen, in der die Bürger von einer ständigen Beobachtung ausgehen (Länderinformationsblatt der Staatendokumentation Iran vom 14.06.2019).
Berichten zufolge sollen auch Kautionszahlungen absichtlich sehr hoch angesetzt werden, um den Familien von Konvertiten wirtschaftlich zu schaden. Im Anschluss an die Freilassung wird Konvertiten das Leben erschwert, indem sie oft ihren Job verlieren bzw. es ihnen verwehrt wird, ein Bankkonto zu eröffnen oder ein Haus zu kaufen. Die Regierung nutzt Kautionszahlungen, um verurteilte Christen vorsätzlich verarmen zu lassen, und drängt sie dazu, das Land zu verlassen (Länderinformationsblatt der Staatendokumentation Iran vom 14.06.2019).
Ob ein Mitglied einer Hauskirche im Visier der Behörden ist, hängt auch von seinen durchgeführten Aktivitäten, und ob er/sie auch im Ausland bekannt ist, ab. Normale Mitglieder von Hauskirchen riskieren, zu regelmäßigen Befragungen vorgeladen zu werden, da die Behörden diese Personen schikanieren und einschüchtern wollen. Eine Konversion und ein anonymes Leben als konvertierter Christ allein führen nicht zu einer Verhaftung. Wenn der Konversion aber andere Aktivitäten nachfolgen, wie zum Beispiel Missionierung oder andere Personen im Glauben zu unterrichten, dann kann dies zu einem Problem werden. Wenn ein Konvertit nicht missioniert oder eine Hauskirche bewirbt, werden die Behörden i.d.R. nicht über ihn Bescheid wissen (Länderinformationsblatt der Staatendokumentation Iran vom 14.06.2019).
Ob eine Taufe für die iranischen Behörden Bedeutung hat, kann nicht zweifelsfrei gesagt werden. Während Amnesty International und eine anonyme Quelle vor Ort aussagen, dass eine Taufe keine Bedeutung habe, ist sich ein Ausländer mit Kontakt zu Christen in Iran darüber unsicher; Middle East Concern, eine Organisation, die sich um die Bedürfnisse von Christen im Mittleren Osten und Nordafrika kümmert, ist der Meinung, dass eine dokumentierte Taufe die Behörden alarmieren und problematisch sein könnte (Länderinformationsblatt der Staatendokumentation Iran vom 14.06.2019).
Die Regierung schränkt die Veröffentlichung von religiösem Material ein, und christliche Bibeln werden häufig konfisziert. Auch Publikationen, die sich mit dem Christentum beschäftigen und schon auf dem Markt waren, wurden konfisziert, obwohl es von der Regierung genehmigte Übersetzungen der Bibel gibt. Verlage werden unter Druck gesetzt, Bibeln oder nicht genehmigtes nicht-muslimisches Material nicht zu drucken (Länderinformationsblatt der Staatendokumentation Iran vom 14.06.2019).
Anzahl verhafteter Konvertierter
Christen im Exil haben gemäß dem US Department of State von zahlreichen Festnahmen, insbesondere von evangelikalen und vom Islam konvertierten Christen berichtet. Laut der USCIRF und der in Budapest ansässigen Nachrichtenagentur BosNewsLife haben iranische Sicherheitskräfte zwischen Mai und August 2016 ungefähr 80 Christen verhaftet. Die Mehrheit der Inhaftierten wurde laut USCIRF verhört und nach wenigen Tagen freigelassen, aber ein Teil der Verhafteten wurde über Monate ohne Anklage festgehalten. Mehrere Betroffene seien weiterhin in Haft. Menschenrechtsgruppen gehen allerdings davon aus, dass es eine Dunkelziffer gibt und die Zahl der Christen, welche von den Behörden aufgegriffen werden, viel höher liegen könnte. Im Dezember 2016 waren rund 90 christliche Personen wegen ihren religiösen Tätigkeiten oder ihrem Glauben inhaftiert oder saßen in Untersuchungshaft (Bundesamt für Migration und Flüchtlinge: Länderreport 10 Iran, Situation der Christen, Stand 3/2019).
Familienangehörige Konvertierter
Auch Familienangehörige von konvertierten Personen sind Ziel staatlicher Schikane und Drohungen. Verschiede Quellen geben an, dass Familienmitglieder von christlichen Konvertierten Opfer von Schikanen durch staatliche Akteure werden können. Elam Ministries berichtet von einem 12-jährigen Jungen, der über seinen Glauben befragt und geschlagen wurde und zusammen mit seinen konvertierten Eltern verhaftet wurde. Gemäß Angaben der internationalen Organisation in der Türkei an das DIS riskieren Familienmitglieder von Konvertierten den Verlust der Arbeitsstelle oder eine Verweigerung des Hochschuleintritts. Als weiteres Beispiel werden Eltern fortgeschrittenen Alters erwähnt, die wegen der Konversion ihres Kindes durch staatliche Behörden schikaniert werden. Wenn der Ernährer der Familie verhaftet wird, bringe dies außerdem finanzielle Folgen mit sich mit, zumal große Summen Geld als Kaution für die temporäre Freilassung aufgetrieben werden müsste. Diese Beträge werden so hoch festgesetzt, um der Familie möglichst hohen finanziellen Schaden zuzufügen. Berichte weisen auf Verwandte von einem ins Ausland geflohenen und von Verhaftung bedrohten christlichen Pastors hin, die fast täglich bedroht wurden und in eine andere Stadt ziehen mussten, weil der iranische Geheimdienst MOIS die lokale Gemeinde informierte, dass sie Apostaten seien (Schweizerische Flüchtlingshilfe vom 07.07.2018: Iran: Gefährdung von Konvertiten).
Soziale Folgen einer Konversion
Neben den strafrechtlichen Folgen einer Konversion besteht die Möglichkeit, dass bei Bekanntwerden des Glaubenswechsels der Arbeitsplatz in Gefahr gerät. Insbesondere bei staatlichen Unternehmen, in denen Angehörige des "Herasat" (Aufsichtsgruppe des iranischen Geheimdienstministeriums) regelmäßig vertreten sind und auch in Privatunternehmen ab einer bestimmten Größe, die die Anwesenheit des "Herasat" dulden müssen. Dabei ist es auch möglich, dass Familienangehörige des Konvertiten ebenfalls eine Kündigung erhalten.
Unabhängig von der gesellschaftlichen Umgebung besteht für Konvertiten die Gefahr, dass sie sich, wenn sie sich innerhalb der eigenen Familie erkennbar zum Christentum bekennen, erheblichen Widerständen bis hin zur aktiven Denunziation bei den Sicherheitskräften seitens eines Angehörigen der Familie aussetzen. Darüber hinaus riskieren sie auch den Ausschluss aus der Familie. Dies trifft insbesondere auf Konvertiten zu, deren Familienangehörige innerhalb des Regierungsapparates arbeiten, da diese in der Furcht leben, die Arbeit zu verlieren. Auch das Recht auf die Kindererziehung wird in solchen Fällen möglicherweise von der Familie in Frage gestellt, da die Erziehung eines muslimischen Kindes für Andersgläubige ausgeschlossen ist.
Grundsätzlich kann aber auch davon ausgegangen werden, dass diese Konflikte ausbleiben, wenn die Familie einem eher säkularen Umfeld entspringt, wie es in der iranischen Gesellschaft oftmals oder zunehmend der Fall ist. Daher kann auch davon ausgegangen werden, dass außerhalb des beruflichen Umfelds ein mangelhafter Moschee-Besuch oder die Verweigerung der Teilnahme an muslimischen Ritualen nicht zwingend den Verdacht einer Konversion aufkommen lässt. Dennoch ist es nicht verwunderlich, dass viele Konvertiten den Glaubenswechsel gegenüber ihren Familien verschweigen, um mögliche Konflikte zu umgehen (Bundesamt für Migration und Flüchtlinge: Länderreport 10 Iran, Situation der Christen, Stand 3/2019).
Rückkehr von Konvertiten
Die Rückkehr von Konvertiten in den Iran führt nicht zwingend zu einer Festnahme oder Inhaftierung. In den vergangenen zehn Jahren wurde seitens der in Iran vertretenen westlichen Botschaften, die grundsätzlich Rückführungen iranischer Staatsangehöriger vor Ort kontrollieren, kein Fall der Festnahme eines Konvertiten bei der Einreise gemeldet.
Allgemein wird eine Unterscheidung zwischen dem Konvertiten, der bereits vor einer Ausreise in den Fokus der Sicherheitskräfte geraten ist und demjenigen, der nach der Ausreise einen Glaubenswechsel tätigte, vorgenommen.
Konvertiten, die aus einer Gefährdungs- oder Konfliktsituation heraus die Ausreise betrieben haben, werden als gefährdet betrachtet, da möglicherweise seitens der Behörden eine Akte über sie angelegt wurde und dies bei der Einreise über das Informationssystem angezeigt wird. Auch Konvertiten, die im Ausland in der Öffentlichkeit für ihr christliches neues Leben bekannt wurden, laufen Gefahr, dass die iranischen Sicherheitskräfte eine solche Ermittlungsakte angelegt haben. Dabei genügt es nicht, über die sozialen Medien den Glaubenswechsel zu verbreiten; vielmehr wird angenommen, dass bei entsprechender Aufmerksamkeit für die iranischen Dienste entscheidend ist, ob der Glaubenswechsel nachvollziehbar ist oder lediglich eine "copy/paste"-Entscheidung getroffen wurde, um eine Annäherung zum westlichen Leben zu erreichen (Bundesamt für Migration und Flüchtlinge: Länderreport 10 Iran, Situation der Christen, Stand 3/2019).
Die Tragweite der Konsequenzen für jene Christen, die im Ausland konvertiert sind und nach Iran zurückkehren, hängt von der religiösen und konservativen Einstellung ihres Umfeldes ab. Jedoch wird von familiärer Ausgrenzung berichtet, sowie von Problemen, sich in der islamischen Struktur des Staates zurechtzufinden (z.B. Eheschließung, soziales Leben; Länderinformationsblatt der Staatendokumentation Iran vom 14.06.2019).
Konvertierte Rückkehrer, die keine Aktivitäten in Bezug auf das Christentum setzen, werden für die Behörden nicht von Interesse sein. Wenn ein Konvertit schon vor seiner Ausreise den Behörden bekannt war, könnte dies anders sein. Wenn er den Behörden nicht bekannt war, dann wäre eine Rückkehr nach Iran kein Problem. Konvertiten, die ihre Konversion aber öffentlich machen, können sich Problemen gegenübersehen. Wenn ein zurückgekehrter Konvertit sehr freimütig über seine Konversion in den Social Media-Kanälen, einschließlich Facebook berichtet, können die Behörden auf ihn aufmerksam werden und ihn bei der Rückkehr verhaften und befragen. Der weitere Vorgang würde davon abhängen, was der Konvertit den Behörden erzählt. Wenn der Konvertit kein "high-profile"-Fall ist und nicht missionarisch tätig ist bzw. keine anderen Aktivitäten setzt, die als Bedrohung der nationalen Sicherheit angesehen werden, wird der Konvertit wohl keine harsche Strafe bekommen. Eine Bekanntgabe der Konversion auf Facebook allein, würde nicht zu einer Verfolgung führen, aber es kann durchaus dazu führen, dass man beobachtet wird. Ein gepostetes Foto im Internet kann von den Behörden ausgewertet werden, gemeinsam mit einem Profil und den Aktivitäten der konvertierten Person. Wenn die Person vor dem Verlassen des Landes keine Verbindung mit dem Christentum hatte, würde er/sie nicht verfolgt werden. Wenn eine konvertierte Person die Religion in politischer Weise heranzieht, um zum Beispiel Nachteile des Islam mit Vorteilen des Christentums auf sozialen Netzwerken zu vergleichen, kann das zu einem Problem werden (Länderinformationsblatt der Staatendokumentation Iran vom 14.06.2019).
Menschenrechtslage/Sanktionen
Der Iran zählt zu den Ländern mit einer anhaltend beunruhigenden Lage der Menschenrechte, die jedoch besser ist als in der Mehrzahl der Nachbarländer. Die Menschenrechtsbilanz der Regierung bleibt schlecht und verschlechterte sich in mehreren Schlüsselbereichen. Zu den Menschenrechtsfragen gehören Hinrichtungen für Verbrechen, die nicht dem internationalen Rechtsstandard der "schwersten Verbrechen" entsprechen, zahlreiche Berichte über rechtswidrige oder willkürliche Tötungen, Verschwindenlassen und Folter durch Regierungsbeamte, harte und lebensbedrohliche Haftbedingungen, systematische Inhaftierungen einschließlich Hunderter von politischen Gefangenen. Weiters unrechtmäßige Eingriffe in die Privatsphäre, Beschränkungen der freien Meinungsäußerung, der Presse und des Internets, einschließlich Zensur, Blockieren von Webseiten und Kriminalisierung von Verleumdungen; erhebliche Eingriffe in das Recht auf friedliche Versammlung und Vereinigungsfreiheit, wie z.B. die restriktiven Gesetze für Nichtregierungsorganisationen (NGO); Einschränkungen der Religionsfreiheit, Beschränkungen der politischen Beteiligung, weit verbreitete Korruption auf allen Regierungsebenen, rechtswidrige Rekrutierung von Kindersoldaten durch Regierungsakteure zur Unterstützung des Assad-Regimes in Syrien, Menschenhandel, strenge staatliche Beschränkungen der Rechte von Frauen und Minderheiten, Kriminalisierung von sexuellen Minderheiten, Verbrechen, die Gewalt oder Gewaltdrohungen gegen LGBTI-Personen beinhalten, und schließlich das Verbot unabhängiger Gewerkschaften. Die Regierung unternahm wenige Schritte um verantwortliche Beamte zur Rechenschaft zu ziehen. Viele dieser Missstände sind im Rahmen der Regierungspolitik zu verantworten. Straffreiheit ist auf allen Ebenen der Regierung und der Sicherheitskräfte weit verbreitet.
Besonders schwerwiegend und verbreitet sind staatliche Repressionen gegen jegliche Aktivität, die als Angriff auf das politische System empfunden wird oder die islamischen Grundsätze in Frage stellt. Als rechtliche Grundlage dienen dazu weit gefasste Straftatbestände (vgl. Art. 279 bis 288 iStGB sowie Staatsschutzdelikte insbesondere Art. 1 bis 18 des 5. Buches des iStGB). Personen, deren öffentliche Kritik sich gegen das System der Islamischen Republik Iran als solches richtet und die zugleich intensive Auslandskontakte unterhalten, können der Spionage beschuldigt werden. Besonders unter Druck stehen Mitglieder bzw. Gründer von Menschenrechtsorganisationen (zumeist Strafverteidiger bzw. Menschenrechtsanwälte), wie etwa des "Defenders of Human Rights Center", deren Gründungsmitglieder nahezu allesamt wegen ihrer Tätigkeit hohe Haftstrafen verbüßen. Zum Teil wurden auch Körperstrafen sowie Berufs- und Reiseverbote über sie verhängt. Es ist davon auszugehen, dass sie in Haftanstalten physischer und schwerer psychischer Folter ausgesetzt sind. Oft werden auch Familienmitglieder und Freunde von Strafverteidigern unter Druck gesetzt (verhört oder verhaftet). Die Tätigkeit als Frauen- und Menschenrechtsaktivist wird regelmäßig strafrechtlich verfolgt (Vorwurf der Propaganda gegen das Regime o.ä.) und hat oft die Verurteilung zu Haft- oder auch Körperstrafen zur Folge (Länderinformationsblatt der Staatendokumentation Iran vom 14.06.2019).
Rechtsschutz / Justizwesen
Seit 1979 ist Iran eine Islamische Republik. in welcher versucht wird. demokratische und islamische Elemente miteinander zu verbinden. Die iranische Verfassung besagt. dass alle Gesetze sowie die Verfassung auf islamischen Grundsätzen beruhen müssen. Mit einer demokratischen Verfassung im europäischen Sinne kann sie daher nicht verglichen werden (ÖB Teheran 12.2018). Das in der iranischen Verfassung enthaltene Gebot der Gewaltentrennung ist praktisch stark eingeschränkt. Der Revolutionsführer ernennt für jeweils fünf Jahre den sogenannten Chef der Judikative. Dieser ist laut Art.157 der Verfassung die höchste Autorität in allen Fragen der Justiz; der Justizminister hat demgegenüber vorwiegend Verwaltungskompetenzen. Die Unabhängigkeit der Gerichte ist in der Verfassung festgeschrieben. unterliegt jedoch Begrenzungen. Immer wieder wird deutlich. dass Exekutivorgane. v.a. der Sicherheitsapparat. trotz des formalen Verbots. in Einzelfällen massiven Einfluss auf die Urteilsfindung und die Strafzumessung nehmen. Zudem ist zu beobachten. dass fast alle Entscheidungen der verschiedenen Staatsgewalten bei Bedarf informell durch den Revolutionsführer und seine Mitarbeiter beeinflusst und gesteuert werden können. Auch ist das Justizwesen nicht frei von Korruption. Nach belastbaren Aussagen von Rechtsanwälten ist ca. ein Drittel der Richter bei entsprechender Gegenleistung zu einem Entgegenkommen bereit. In Iran gibt es eine als unabhängige Organisation aufgestellte Rechtsanwaltskammer ("Iranian Bar Association";IBA). Allerdings sind die Anwälte der IBA staatlichem Druck und Einschüchterungsmaßnahmen, insbesondere in politischen Verfahren, ausgesetzt. Die Liste der Verteidiger in politischen Verfahren ist auf 20 Anwälte beschränkt worden, die z. T dem Regime nahe stehen. Das Justizsystem wird als Instrument benutzt, um Regimekritiker und Oppositionelle zum Schweigen zu bringen. Obwohl das Beschwerderecht rechtlich garantiert ist, ist es in der Praxis eingeschränkt, insbesondere bei Fällen, die die nationale Sicherheit oder Drogenvergehen betreffen.
Richter werden nach religiösen Kriterien ernannt. Internationale Beobachter kritisieren weiterhin den Mangel an Unabhängigkeit des Justizsystems und der Richter und, dass die Verfahren internationale Standards der Fairness nicht erfüllen. Iranische Gerichte, insbesondere die Revolutionsgerichte, verletzen immer wieder die Regeln für faire Gerichtsverfahren. Geständnisse, die wahrscheinlich unter Anwendung von Folter erlangt wurden, werden als Beweis vor Gericht verwendet. Die Behörden setzen sich ständig über die Bestimmungen hinweg, welche die Strafprozessordnung von 2015 für ein ordnungsgemäßes Verfahren vorsieht, wie das Recht auf einen Rechtsbeistand unmittelbar nach der Festnahme und während der Untersuchungshaft.
In der Normenhierarchie der Rechtsordnung Irans steht die Scharia an oberster Stelle. Darunter stehen die Verfassung und das übrige kodifizierte Recht. Die Richter sind nach der Verfassung angehalten, bei der Rechtsanwendung zuerst auf Grundlage des kodifizierten Rechts zu entscheiden. Im Zweifelsfall kann jedoch gemäß den Art. 167 und 170 der iranischen Verfassung die Scharia vorrangig angewendet werden.
In der Strafjustiz existieren mehrere voneinander getrennte Gerichtszweige. Die beiden wichtigsten sind die ordentlichen Strafgerichte und die Revolutionsgerichte. Daneben sind die Pressegerichte für Taten von Journalisten, Herausgebern und Verlegern zuständig. Die "Sondergerichte für die Geistlichkeit" sollen abweichende Meinungen unter schiitischen Geistlichen untersuchen und ihre Urheber bestrafen. Sie unterstehen direkt dem Revolutionsführer und sind organisatorisch außerhalb der Judikative angesiedelt.
Die Zuständigkeit der Revolutionsgerichte beschränkt sich auf folgende Delikte:
- Straftaten betreffend die innere und äußere Sicherheit des Landes, bewaffneter Kampf gegen das Regime, Verbrechen unter Einsatz von Waffen, insbesondere "Feindschaft zu Gott" und "Korruption auf Erden";
- Anschläge auf politische Personen oder Einrichtungen;
- Beleidigung des Gründers der Islamischen Republik Iran und des jeweiligen Revolutionsführers;
- Spionage für fremde Mächte;
- Rauschgiftdelikte, Alkoholdelikte und Schmuggel;
- Bestechung, Korruption, Unterschlagung öffentlicher Mittel und Verschwendung von Volksvermögen.
Gerichtsverfahren, vor allem Verhandlungen vor Revolutionsgerichten, finden nach wie vor unter Ausschluss der Öffentlichkeit statt und sind extrem kurz. Manchmal dauert ein Verfahren nur wenige Minuten.
Die iranische Strafrechtspraxis unterscheidet sich stark von jener der europäischen Staaten: Körperstrafen sowie die Todesstrafe werden verhängt. Nach Art. 278 iStGB können in bestimmten Fällen des Diebstahls Amputationen von Gliedmaßen
- auch für Ersttäter - vom Gericht angeordnet werden. Amputation eines beispielsweise Fingers bei Diebstahl fällt unter Vergeltungsstrafen ("Qisas"), ebenso wie die Blendung, die auch noch immer angewendet werden kann. Durch Erhalt eines Abstandsgeldes ("Diya") kann der ursprünglich Verletzte jedoch auf die Anwendung einer Blendung verzichten.
Aussagen hinsichtlich einer einheitlichen Strafverfolgungs- und Strafzumessungspraxis sind nur eingeschränkt möglich, da diese sich durch scheinbare Willkür auszeichnet. Rechtlich möglich wird dies vorrangig durch unbestimmte Formulierungen von Straftatbeständen und Rechtsfolgen sowie eine uneinheitliche Aufsicht der Justiz über die Gerichte. Auch willkürliche Verhaftungen kommen vor und führen dazu, dass Personen ohne ein anhängiges Strafverfahren festgehalten werden. Darüber hinaus ist die Strafverfolgungspraxis auch stark von aktuellen politischen und wirtschaftlichen Entwicklungen bestimmt. Im August 2018 wurde angesichts der kritischen Wirtschaftslage ein Sondergericht für Wirtschaftsstraftaten eingerichtet, das bislang schon sieben Menschen wegen Korruption zum Tode verurteilt hat.
Wohl häufigster Anknüpfungspunkt für Diskriminierung im Bereich der Strafverfolgung ist die politische Überzeugung. Beschuldigten bzw. Angeklagten werden grundlegende Rechte vorenthalten, die auch nach iranischem Recht garantiert sind. Untersuchungshäftlinge werden bei Verdacht eines Verbrechens unbefristet ohne Anklage festgehalten, ihre Familien werden nicht oder sehr spät informiert. Oft erhalten Gefangene während der laufenden Ermittlungen keinen rechtlichen Beistand, weil ihnen dieses Recht verwehrt wird oder ihnen die finanziellen Mittel fehlen. Insbesondere bei politisch motivierten Verfahren gegen Oppositionelle erheben Gerichte oft Anklage aufgrund konstruierter oder vorgeschobener Straftaten. Die Strafen sind in Bezug auf die vorgeworfene Tat zum Teil unverhältnismäßig hoch. Hinsichtlich der Ausübung von Sippenhaft liegen gegensätzliche Informationen vor, sodass eine belastbare Aussage nicht möglich ist.
Hafterlass ist nach Ableistung der Hälfte der Strafe möglich. Amnestien werden unregelmäßig vom Revolutionsführer auf Vorschlag des Chefs der Justiz im Zusammenhang mit hohen religiösen Feiertagen und dem iranischen Neujahrsfest am 21. März ausgesprochen. Bei Vergeltungsstrafen können die Angehörigen der Opfer gegen Zahlung eines Blutgeldes auf den Vollzug der Strafe verzichten. Unter der Präsidentschaft Rohanis hat die Zahl der Aussetzung der hohen Strafen bis hin zur Todesstrafe wegen des Verzichts der Angehörigen auf den Vollzug der Strafe stark zugenommen.
Rechtsschutz ist oft nur eingeschränkt möglich. Anwälte, die politische Fälle übernehmen, werden systematisch eingeschüchtert oder an der Übernahme der Mandate gehindert. Der Zugang von Verteidigern zu staatlichem Beweismaterial wird häufig eingeschränkt oder verwehrt. Die Unschuldsvermutung wird mitunter - insbesondere bei politisch aufgeladenen Verfahren - nicht beachtet. Zeugen werden durch Drohungen zu belastenden Aussagen gezwungen. Es gibt zahlreiche Berichte über durch Folter und psychischen Druck erzwungene Geständnisse.
Insbesondere Isolationshaft wird genutzt, um politische Gefangene und Journalisten psychisch unter Druck zu setzen. Gegen Kautionszahlungen können Familienmitglieder die Isolationshaft in einzelnen Fällen verhindern oder verkürzen (Länderinformationsblatt der Staatendokumentation Iran vom 14.06.2019; Auswärtiges Amt: Bericht über die Lage in der Islamischen Republik Iran vom 12.01.2019).
1.2. Hinsichtlich des Beschwerdeführers:
1.2.1. Der Beschwerdeführer ist ein Staatsangehöriger des Iran, Zugehöriger der Volksgruppe der Perser und stammt aus XXXX (Provinz XXXX ). Er ist im Entscheidungszeitpunkt 35 Jahre alt und gebürtiger Moslem. Der Beschwerdeführer wandte sich bereits im Iran immer mehr vom Islam ab und dem Christentum zu. Er ist nach legaler Ausreise aus dem Iran illegal in das österreichische Bundesgebiet eingereist und seither nicht mehr in den Iran zurückgekehrt. Am 23.03.2015 stellte er in Österreich den verfahrensgegenständlichen Antrag auf internationalen Schutz. Er ist strafrechtlich unbescholten.
1.2.2. Der Beschwerdeführer bekennt sich zum christlichen (römisch-katholischen) Glauben, er ist Mitglied der römisch-katholischen Kirche. Er ist ernsthaft aus innerer Überzeugung vom Islam zum Christentum, konkret zum Katholizismus, übergetreten. Er hat seine christliche Überzeugung (Konversion) öffentlich gemacht und lebt seinen Glauben in Österreich offen aus, wobei er rege kirchliche Aktivität entfaltet und mit anderen Menschen seinen Glauben teilt. Er ist ernstlich gewillt, seine christliche Religion weiterhin (auch im Iran) auszuleben und auszuüben.
In Österreich kam der Beschwerdeführer in der ersten Hälfte des Jahres 2015 mit der römisch-katholischen Pfarre M. in Kontakt. Er ging aus eigener Initiative zum Pfarrer Mag. G. und im Anschluss kam es dazu, dass der Beschwerdeführer an Vorbereitungskursen für die Taufe teilnehmen konnte. Der Beschwerdeführer setzte sich in der Folge mit den Glaubensinhalten dieser Glaubensgemeinschaft auseinander und besuchte im Pfarrverband M. regelmäßig, auch wochentags, die Kirche und half auch bei der Vorbereitung von kirchlichen Festen mit. Die Bekanntschaft und die Beschäftigung mit dieser Kirche gaben dem Leben des Beschwerdeführers eine positive Wendung und Struktur. Weil er vom Christentum überzeugt war, ließ er sich nach einer etwa einjährigen intensiven Vorbereitung am 02.04.2016 in der römisch-katholischen Pfarre M. vom Pfarrer Mag. G. taufen. Seit der Verlegung seines Wohnortes nach B. praktiziert der Beschwerdeführer das Christentum in der dortigen katholischen Glaubensgemeinschaft, kehrt aber ab und zu, wenn es seine Arbeitszeit zulässt, mit einer befreundeten Familie zu Gottesdiensten in das Pfarrgebiet M. zurück. In der Pfarrgemeinde B. nimmt der Beschwerdeführer (je nach seiner Arbeitszeit) an jeder heiligen Messe teil und besucht dort alle Bibelkurse. Der Beschwerdeführer ist ein gut integrierter Christ der katholischen Glaubensgemeinschaft, der sich regelmäßig und aktiv an sonntäglichen Gottesdiensten und Feierlichkeiten beteiligt und bei anfallenden Arbeiten in der Kirchengemeinde mithilft. Der Beschwerdeführer ist im Glauben tief verankert und ist den den Christen der Kirchengemeinde ein Vorbild für einen echten tiefen Glauben. Der Beschwerdeführer liest regelmäßig die Bibel, betet regelmäßig, verfügt über umfangreiches Wissen über seine neue Religion, beschäftigt sich mit Glaubensinhalten und Texten und hat seine Konversion im Internet auf sozialen Netzwerken veröffentlicht. Der Beschwerdeführer beabsichtigt die Fortsetzung seiner kirchlichen/religiösen Aktivitäten, insbesondere auch seine Kirchenbesuche, da dies für seine Glaubensüberzeugung von zentraler Bedeutung ist. Der Beschwerdeführer ist vom Christentum ehrlich überzeugt und ein Widerruf seines nunmehrigen religiösen Bekenntnisses kommt für ihn nicht in Betracht. Am 13.10.2017 trat der Beschwerdeführer aus der islamischen Kirche aus.
Die Taufe/Konversion des Beschwerdeführers ist im Iran bekannt. Die strengreligiösen Cousins des Beschwerdeführers haben gedroht, den Beschwerdeführer deshalb umzubringen, sollte dieser in den Iran zurückkehren.
1.2.3. Der Beschwerdeführer ist gefährdet, wegen seiner Konversion/Religionsausübung im Iran asylrelevant in das Blickfeld der iranischen Behörden/der iranischen muslimischen Gesellschaft (etwa seiner strengreligiösen Cousins) zu geraten und aus politischen/religiösen Gründen Opfer schwerster Menschenrechtsverletzungen zu werden.
2. Beweiswürdigung:
2.1. Die Feststellungen zur Situation im Iran beruhen auf den dort jeweils angeführten Quellen. Die herangezogenen Länderberichte basieren wiederum auf Berichten anerkannter und teilweise vor Ort agierender staatlicher und nichtstaatlicher Institutionen und Personen, die in ihren Aussagen ein übereinstimmendes, schlüssiges Gesamtbild der entscheidungswesentlichen Situation im Iran ergeben. Angesichts der Seriosität der Erkenntnisquellen und der Plausibilität der überwiegend übereinstimmenden Aussagen besteht kein Grund, an der Richtigkeit der Angaben zu zweifeln. Überdies bestehen keine Anhaltspunkte, dass die herangezogenen Berichte bzw. die Situationsdarstellung ihre Aktualität bereits verloren haben bzw. hat. Die Parteien des Verfahrens traten diesen Feststellungen bzw. den Quellen, welche in der Beschwerdeverhandlung erörtert wurden, nicht entgegen. Zudem stehen die Feststellungen auch in Einklang mit den Länderfeststellungen im angefochtenen Bescheid.
2.2. Zu den Feststellungen unter Punkt 1.2.:
Die Feststellungen zum Beschwerdeführer ergeben sich aus den vorgelegten Verwaltungsakten sowie aus den beigeschafften Strafregisterauszügen, insbesondere jedoch aus den glaubwürdigen Angaben des Beschwerdeführers im Verfahren vor der belangten Behörde und in der Beschwerdeverhandlung und den dazu vorgelegten Urkunden/Beweismitteln sowie den Aussagen der in der Beschwerdeverhandlung vernommenen Zeugen, gestützt vom glaubwürdigen persönlichen Eindruck, der im Zuge der durchgeführten Beschwerdeverhandlung vom Beschwerdeführer und von den Zeugen gewonnen werden konnte.
Nach der Überzeugung des Bundesverwaltungsgerichtes machte der Beschwerdeführer jedenfalls im Umfang der Feststellungen wahrheitsgetreue, glaubwürdige Angaben. Seine Aussagen sind im wesentlichen Kern gleichbleibend, substantiiert und sowohl in sich als auch vor dem Hintergrund der Verhältnisse im Iran stimmig. Der Beschwerdeführer legte seinen familiären/religiösen Hintergrund, seinen Glaubenswechsel und seine Glaubensüberzeugung und die ihm im Falle der Rückkehr drohenden Gefahren in der Beschwerdeverhandlung sehr anschaulich und schlüssig dar. Der Beschwerdeführer war in seinen Schilderungen glaubwürdig und authentisch. Seine Angaben sind plausibel und werden auch durch beweiskräftige Urkunden untermauert sowie von den Zeugen bestätigt. Einzelne Unklarheiten und Abweichungen in den Aussagen beziehen sich auf (nicht entscheidungsrelevante) Nebenbereiche bzw. sind sichtlich auf Missverständnisse zurückzuführen; dies wurde in der Beschwerdeverhandlung nachvollziehbar dargetan bzw. erklärt.
Dass sich der Beschwerdeführer bereits im Iran (nach und nach innerlich) vom Islam abgewandt und für das Christentum interessiert hat, erachtet das Bundesverwaltungsgericht anhand Angaben des Beschwerdeführers, insbesondere in der Beschwerdeverhandlung, als glaubwürdig. So legte der Beschwerdeführer etwa überzeugend dar, er habe bereits im Iran Recherchen über das Christentum angestellt, da er von der islamischen Gesellschaft enttäuscht gewesen sei. Für das Bundesverwaltungsgericht sind keine stichhaltigen Umstände erkennbar, warum dieses Vorbringen nicht den Tatsachen entsprechen sollte. Gleiches gilt für das Vorbringen des Beschwerdeführers, dass seine Cousins strenggläubige Moslems sind.
Dem Vorbringen des Beschwerdeführers hinsichtlich