TE Bvwg Erkenntnis 2020/6/4 W183 2210486-1

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 04.06.2020
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Entscheidungsdatum

04.06.2020

Norm

AsylG 2005 §3 Abs1
AsylG 2005 §3 Abs4
AsylG 2005 §3 Abs5
B-VG Art133 Abs4
VwGVG §28 Abs1
VwGVG §28 Abs2

Spruch

W183 2210486-1/10E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch die Richterin MMag. Dr. PIELER über die Beschwerde von XXXX , geb. XXXX , StA. Iran, vertreten durch den Verein Menschenrechte Österreich, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 11.10.2018, Zl. XXXX , zu Recht:

A)

Der Beschwerde wird Folge gegeben und XXXX gemäß § 3 Abs. 1 AsylG 2005 der Status der Asylberechtigten zuerkannt.

Gemäß § 3 Abs. 5 AsylG 2005 wird festgestellt, dass XXXX damit kraft Gesetzes die Flüchtlingseigenschaft zukommt.

Die Spruchpunkte II. bis VI. des angefochtenen Bescheides werden gemäß § 28 Abs. 1 und 2 VwGVG ersatzlos behoben.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang:

1. Die Beschwerdeführerin verließ im Jahr 2016 Iran, stellte am 07.08.2018 in Österreich einen Antrag auf internationalen Schutz und wurde am selben Tag durch Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes erstbefragt. Am 04.10.2018 wurde die Beschwerdeführerin von der nunmehr belangten Behörde, dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (BFA) zu ihren Fluchtgründen niederschriftlich einvernommen.

Im behördlichen Verfahren gab die Beschwerdeführerin als Fluchtgrund im Wesentlichen an, dass sie wegen exilpolitischer Tätigkeiten Verfolgung fürchte.

2. Mit dem angefochtenen Bescheid (zugestellt am 25.10.2018) wurde der Antrag auf internationalen Schutz hinsichtlich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten (Spruchpunkt I.) und hinsichtlich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Iran (Spruchpunkt II.) abgewiesen. Ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen wurde nicht erteilt, sondern gegen die Beschwerdeführerin eine Rückkehrentscheidung erlassen und festgestellt, dass die Abschiebung nach Iran zulässig ist (Spruchpunkte III. bis V.). Unter Spruchpunkt VI. wurde ausgeführt, dass die Frist für die freiwillige Ausreise 14 Tage ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung beträgt.

Das BFA stellte der Beschwerdeführerin amtswegig einen Rechtsberater zur Seite.

3. Mit Schriftsatz vom 09.11.2018 erhob die Beschwerdeführerin durch ihre Rechtsvertretung binnen offener Frist das Rechtsmittel der Beschwerde gegen die Spruchpunkte I. bis V.

4. Mit Schriftsatz vom 28.11.2018 (eingelangt am 30.11.2018) legte die belangte Behörde die Beschwerde samt Bezug habenden Verwaltungsunterlagen dem Bundesverwaltungsgericht vor.

Die belangte Behörde legte am 03.12.2018 den Bescheid vom 27.11.2018 vor, mit dem der Antrag der Beschwerdeführerin auf Verlängerung ihres Aufenthaltstitels für "Studierende" abgewiesen wurde.

Aufgrund der Verfügung des Geschäftsverteilungsausschusses vom 28.03.2019 wurde die gegenständliche Rechtssache der bislang zuständigen Gerichtsabteilung abgenommen und der nun zuständigen Gerichtsabteilung neu zugewiesen (eingelangt am 15.05.2019).

5. Seitens der Beschwerdeführerin wurde dem Bundesverwaltungsgericht am 12.12.2019 eine schriftliche Stellungnahme (inkl. Fotodokumentation) betreffend ihre exilpolitischen Tätigkeiten übermittelt. Diese wurde dem BFA zum Parteiengehör gebracht. Es langten keine weiteren Stellungnahmen ein.

6. Das Bundesverwaltungsgericht führte zuletzt am 27.05.2020 eine Strafregisterabfrage durch.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

1.1. Zur Person der Beschwerdeführerin

Die Beschwerdeführerin ist eine volljährige iranische Staatsangehörige. Sie trägt den im Erkenntniskopf genannten Namen und wurde am dort angeführten Datum geboren. Ihre Identität steht fest.

Die Beschwerdeführerin wurde in Gorgan geboren, wuchs in Bandar-e Gaz auf (beide Städte in der Provinz Golestan) und lebte bis zu ihrer Ausreise auch dort. Sie gehört der Volksgruppe der Perser an, spricht Farsi (Muttersprache), Englisch, Arabisch und Deutsch, ist ohne religiöses Bekenntnis, verfügt über einen Universitätsabschluss und arbeitete in Iran als Dozentin für Geschichte.

Die Beschwerdeführerin ist ledig und hat keine Kinder. In Iran leben ihre Eltern, drei Schwestern und drei Halbgeschwister. Zu ihrer Familie hat die Beschwerdeführerin regelmäßig Kontakt.

Die Beschwerdeführerin reiste legal aus Iran aus, legal nach Österreich ein und stellte am 07.08.2018 in Österreich einen Antrag auf internationalen Schutz. Die Beschwerdeführerin hält sich bereits seit 17.04.2016 in Österreich zu Studienzwecken auf. Sie verfügte von 17.05.2016 bis 18.05.2018 über einen gültigen Aufenthaltstitel für den Zweck "Studierende", der Verlängerungsantrag wurde mit Bescheid der Niederlassungs- und Aufenthaltsbehörde vom 19.07.2018 (rechtskräftig seit 21.08.2018) abgewiesen. Ein nicht auf das Asylgesetz gestütztes Aufenthaltsrecht besteht seitdem nicht. Die Beschwerdeführerin war zuletzt von 11.03.2017 bis 08.04.2017 und von 14.04.2018 bis 21.04.2018 in Iran aufhältig.

Die Beschwerdeführerin leidet an keiner physischen oder psychischen schweren oder lebensbedrohlichen Erkrankung und ist arbeitsfähig.

Die Beschwerdeführerin wurde von der Universität Wien mit Bescheid vom 05.08.2015 - unter der Voraussetzung der positiven Absolvierung der Ergänzungsprüfungen Deutsch (Niveau B2/2) - zum Masterstudium Geschichte zugelassen, weshalb sie sich im Vorstudienlehrgang befand. Wegen akuter Depressionen musste sie im Wintersemester 2017 aussetzen.

Die Beschwerdeführerin bezieht in Österreich keine Leistungen aus der Grundversorgung, sondern wird von ihrem Vater finanziell unterstützt und war in der Vergangenheit in Österreich berufstätig.

Die Beschwerdeführerin verfügt über Deutschkenntnisse auf zumindest Niveau B1+.

Die Beschwerdeführerin ist in Österreich strafgerichtlich unbescholten und hat keinen Asylausschlussgrund gesetzt.

1.2. Zum Fluchtvorbringen

Die Beschwerdeführerin betätigt sich in Österreich exiloppositionell und ist in der regimekritischen Szene öffentlich aktiv.

Zunächst war die Beschwerdeführerin im Nachrichtenaustausch zwischen einer Person in Iran und den Volksmudschaheddin im Exil tätig. Nach ihrer letzten Rückkehr aus Iran am 21.04.2018 nimmt sie auch öffentlich an gegen das iranische Regime gerichteten Veranstaltungen und Demonstrationen teil.

Die Beschwerdeführerin hat in den Jahren 2018 und 2019 in Wien an gegen das iranische Regime gerichteten Demonstrationen oder Veranstaltungen teilgenommen; sie nimmt regelmäßig an Veranstaltungen und Demonstrationen der Volksmudschaheddin und des Menschenrechtszentrums für die Opfer des Fundamentalismus teil.

Die Beschwerdeführerin hat jedenfalls an einer Veranstaltung der Volksmudschaheddin am 25.08.2019, sowie an Demonstrationen der Volksmudschaheddin am 10.11.2018, 12.01.2019, 22.06.2019, 10.11.2019, 17.11.2019 und 19.11.2019 am Stephansplatz in Wien teilgenommen.

Auch der Vater der Beschwerdeführerin betätigte sich in der Vergangenheit als Anhänger der Volksmudschaheddin politisch-oppositionell.

1.3. Zur maßgeblichen Situation im Herkunftsstaat

Aus dem ins Verfahren eingeführten Länderinformationsblatt der Staatendokumentation zu Iran vom 14. Juni 2019 (LIB 2019) ergibt sich wie folgt:

Zur Sicherheitslage

Den komplexen Verhältnissen in der Region muss stets Rechnung getragen werden. Bestimmte Ereignisse und Konflikte in Nachbarländern können sich auf die Sicherheitslage im Iran auswirken.

Latente Spannungen im Land haben wiederholt zu Kundgebungen geführt, besonders im Zusammenhang mit (religiösen) Lokalfeiertagen und Gedenktagen. Dabei ist es in verschiedenen iranischen Städten bisweilen zu gewaltsamen Zusammenstößen zwischen den Sicherheitskräften und Demonstranten gekommen, die Todesopfer und Verletzte gefordert haben, wie beispielsweise Ende Dezember 2017 und im Januar 2018 (EDA 11.6.2019).

Das Risiko von Anschlägen besteht im ganzen Land. Am 22. September 2018 forderte ein Attentat auf eine Militärparade in Ahvaz (Provinz Khuzestan) zahlreiche Todesopfer und Verletzte. Am 7. Juni 2017 wurden in Teheran Attentate auf das Parlament und auf das Mausoleum von Ayatollah Khomeini verübt. Sie haben über zehn Todesopfer und zahlreiche Verletzte gefordert. In den Grenzprovinzen im Osten und Westen werden die Sicherheitskräfte immer wieder Ziel von bewaffneten Überfällen und Anschlägen (EDA 11.6.2019, vgl. AA 11.6.2019b). In Iran kommt es, meistens in Minderheitenregionen, unregelmäßig zu Zwischenfällen mit terroristischem Hintergrund. Seit den Pariser Anschlägen vom November 2015 haben iranische Behörden die allgemeinen Sicherheitsmaßnahmen im Grenzbereich zu Irak und zu Pakistan, aber auch in der Hauptstadt Teheran, erhöht (AA 11.6.2019b). Im ganzen Land, besonders außerhalb von Teheran, kann es immer wieder zu politisch motivierten Kundgebungen mit einem hohen Aufgebot an Sicherheitskräften kommen (BMEIA 11.6.2019).

Verbotene Organisationen:

Die Mitgliedschaft in verbotenen politischen Gruppierungen kann zu staatlichen Zwangsmaßnahmen und Sanktionen fu¿hren. Besonders schwerwiegend und verbreitet sind staatliche Repressionen gegen jegliche Aktivita¿t, die als Angriff auf das politische System empfunden wird oder die islamischen Grundsa¿tze in Frage stellt. Als rechtliche Grundlage dienen dazu weitgefasste Straftatbesta¿nde. Personen, deren o¿ffentliche Kritik sich gegen das System der Islamischen Republik Iran als solches richtet und die zugleich intensive Auslandskontakte unterhalten, ko¿nnen der Spionage beschuldigt werden (AA 12.1.2019).

Zu den militanten separatistischen Gruppen in Iran za¿hlen insbesondere die kurdisch-marxistische Komalah-Partei, die Democratic Party of Iranian Kurdistan (DPIK), die aus Belutschistan stammende Jundallah, und die Party for a Free Life in Kurdistan (PJAK), die eng mit ihrer Schwesterorganisation, der PKK, zusammenarbeitet (AA 12.1.2019). Die politischen Gruppierungen KDPI, Komala und PJAK sind im Untergrund aktiv (DIS/DRC 23.2.2018). Die PJAK gilt in Iran als Terrororganisation (O¿B Teheran 12.2018) und hat einen bewaffneten Flu¿gel (AI 15.6.2018). Auch die Volksmudschahedin (MEK, MKO, PMOI) za¿hlen zu den verbotenen Organisationen (AI 11.2.2019).

Im FFM-Bericht des Danish Immigration Service erkla¿rt eine Quelle, dass sie noch nie davon geho¿rt ha¿tte, dass eine Person nur aufgrund einer einzigen politischen Aktivita¿t auf niedrigem Niveau, wie z.B. dem Verteilen von Flyern, angeklagt wurde. Andererseits ist es aber laut einer anderen Quelle schon mo¿glich, dass man inhaftiert wird, wenn man mit politischem Material, oder beim Anbringen von politischen Slogans an Wa¿nden erwischt wird. Es kommt darauf an, welche Art von Aktivita¿t die Personen setzen. Andauernde politische Aktivita¿ten ko¿nnen in einer Anklage enden (DIS/DRC 23.2.2018).

Volksmudschaheddin (Mudjahedin-e-Khalq - MEK, MKO; People's Mojahedin Organisation of Iran - PMOI; National Council of Resistance of Iran - NCRI):

Die militante iranische Exil-Oppositionsbewegung Mujahedin-e Khalq (MEK, oder auch MKO, "iranische Volksmudschahedin") gilt in Iran als Terror-Organisation, die für die Ermordung von 17.000 IranerInnen verantwortlich gemacht wird (ÖB Teheran 9.2017). Es handelt sich um eine linksgerichtete Gruppierung, die in den 1960er Jahren gegründet wurde, um sich gegen den Schah zu stellen. Nach der Islamischen Revolution 1979 wendete sie sich gegen die klerikalen Führer. Die Führung in Teheran macht die Gruppierung für Tausende Morde an iranischen Zivilisten und Beamten verantwortlich. Während des Iran-Irak-Krieges in den 1980er Jahren verlegten die Volksmudschaheddin ihr Camp in den Irak (Global Security o.D., vgl. ACCORD 7.2015). Experten sind sich einig, dass die Volksmudschaheddin die USA beim Eingreifen in den Irak, bei diversen Aktionen im Nahen Osten und beim Kampf gegen den Terrorismus unterstützt haben. Auch bei der Veröffentlichung des iranischen Atomprogramms sollen sie eine wichtige Rolle gespielt haben (DW 28.3.2016). In Bezug auf die Demonstrationen, die Ende 2017/Anfang 2018 in den großen Städten Irans stattfanden, gab der Oberste Führer Khamenei den Großteil der Schuld an den Demonstrationen der MEK und erkannte somit das Ausmaß des Einflusses dieser Gruppierung an (Iran Focus 18.1.2018, vgl. Arab News 22.1.2018). Weiters kritisierte Präsident Rohani den französischen Präsidenten Macron, dass eine terroristische Gruppierung, die gegen das iranische Volk arbeitet und zu Gewalt aufruft, in Frankreich eine Basis hat [der von Maryam Rajavi geführte Nationale Widerstandsrat hat seinen Sitz in Frankreich] (Iran Focus 18.1.2018)

Die Entwaffnung der Kämpfer der Volksmudschaheddin im Camp Ashraf und an anderen Orten nahe Bagdad bei der US-Invasion im Irak erfolgte durch die Amerikaner. Die MEK-Führung habe sich von Saddam Hussein distanziert und ihre Opposition gegenüber der islamischen Regierung in Teheran betont. Ab diesem Zeitpunkt habe sich die MEK aus Sicht der Amerikaner neu erfunden. Die MEK-Führung stellt sich selbst als demokratische und populäre Alternative zum islamischen Regime dar und behauptet, über Unterstützung der iranischen Bevölkerungsmehrheit zu verfügen. Diese Behauptung wird von AkademikerInnen und anderen Iran-ExpertInnen bestritten. Im Exil hat die MEK-Führung den Nationalen Widerstandsrat [National Council of Resistance of Iran (NCRI)] gegründet (Guardian 21.9.2012, vgl. ACCORD 9.2013). Die Streichung der MEK von der Liste terroristischer Organisation durch die EU und die Vereinigten Staaten 2012 wurde von iranischer Seite scharf verurteilt. Verbindungen zur MEK gelten als moharebeh (Waffenaufnahme gegen Gott), worauf die Todesstrafe steht (ÖB Teheran 9.2017).

Die MEK konzentriert sich auf das Beeinflussen der öffentlichen Meinung und auf das Sammeln von Informationen zur Situation im Land. Iran führt eine Liste mit ca. 100 MEK-Unterstützern (hauptsächlich Anführern), die nicht nach Iran zurückkehren können, da sich das Interesse der Behörden auf sie richten würde. In Bezug auf die Unterstützung der iranischen Bevölkerung für die MEK gibt es widersprüchliche Informationen. Einerseits gibt es Informationen, die besagen, dass die MEK die größte militante iranische Oppositionsgruppe sei, mit dem Ziel die Islamische Republik zu stürzen, und die iranische Regierung und der Sicherheitsapparat die MEK als die am meisten ernstzunehmende regimekritische Organisation betrachten. Andererseits gibt es Berichte, die der MEK wenig bis gar keine Unterstützung der Bevölkerung zusprechen. Die MEK hat keine große Basis in Iran und auch die Untergrundbewegung ist klein. Nur einige MEK-Aktivisten sind in Iran aufhältig (ACCORD 7.2015). (vgl. LIB 2018 S. 16f.)

Rechtsschutz/Justizwesen:

Das Justizsystem wird als Instrument benutzt, um Regimekritiker und Oppositionelle zum Schweigen zu bringen (FH 4.2.2019)

Obwohl das Beschwerderecht rechtlich garantiert ist, ist es in der Praxis eingeschränkt, insbesondere bei Fällen, die die nationale Sicherheit oder Drogenvergehen betreffen (BTI 2018).

Richter werden nach religio¿sen Kriterien ernannt. Internationale Beobachter kritisieren weiterhin den Mangel an Unabha¿ngigkeit des Justizsystems und der Richter und, dass die Verfahren internationale Standards der Fairness nicht erfu¿llen (US DOS 13.3.2019). Iranische Gerichte, insbesondere die Revolutionsgerichte, verletzen immer wieder die Regeln fu¿r faire Gerichtsverfahren. Gesta¿ndnisse, die wahrscheinlich unter Anwendung von Folter erlangt wurden, werden als Beweis vor Gericht verwendet (HRW 17.1.2019). Die Beho¿rden setzen sich sta¿ndig u¿ber die Bestimmungen hinweg, welche die Strafprozessordnung von 2015 fu¿r ein ordnungsgema¿ßes Verfahren vorsieht, wie das Recht auf einen Rechtsbeistand unmittelbar nach der Festnahme und wa¿hrend der Untersuchungshaft (AI 22.2.2018, vgl. HRW 17.1.2019).

In der Normenhierarchie der Rechtsordnung Irans steht die Scharia an oberster Stelle. Darunter stehen die Verfassung und das u¿brige kodifizierte Recht. Die Richter sind nach der Verfassung angehalten, bei der Rechtsanwendung zuerst auf Grundlage des kodifizierten Rechts zu entscheiden. Im Zweifelsfall kann jedoch gema¿ß den Art. 167 und 170 der iranischen Verfassung die Scharia vorrangig angewendet werden (AA 9.12.2015, vgl. US DOS 29.5.2018).

Gerichtsverfahren, vor allem Verhandlungen vor Revolutionsgerichten, finden nach wie vor unter Ausschluss der O¿ffentlichkeit statt und sind extrem kurz. Manchmal dauert ein Verfahren nur wenige Minuten (AI 22.2.2018).

Die iranische Strafrechtspraxis unterscheidet sich stark von jener der europa¿ischen Staaten: Ko¿rperstrafen sowie die Todesstrafe werden verha¿ngt (O¿B Teheran 12.2018, vgl. AA 12.1.2019).

Aussagen hinsichtlich einer einheitlichen Strafverfolgungs- und Strafzumessungspraxis sind nur eingeschra¿nkt mo¿glich, da diese sich durch scheinbare Willku¿r auszeichnet. Rechtlich mo¿glich wird dies vorrangig durch unbestimmte Formulierungen von Straftatbesta¿nden und Rechtsfolgen sowie eine uneinheitliche Aufsicht der Justiz u¿ber die Gerichte. Auch willku¿rliche Verhaftungen kommen vor und fu¿hren dazu, dass Personen ohne ein anha¿ngiges Strafverfahren festgehalten werden. Daru¿ber hinaus ist die Strafverfolgungspraxis auch stark von aktuellen politischen und wirtschaftlichen Entwicklungen bestimmt. Im August 2018 wurde angesichts der kritischen Wirtschaftslage ein Sondergericht fu¿r Wirtschaftsstraftaten eingerichtet, das bislang schon sieben Menschen wegen Korruption zum Tode verurteilt hat (AA 12.1.2019).

Wohl ha¿ufigster Anknu¿pfungspunkt fu¿r Diskriminierung im Bereich der Strafverfolgung ist die politische U¿berzeugung. Beschuldigten bzw. Angeklagten werden grundlegende Rechte vorenthalten, die auch nach iranischem Recht garantiert sind. Untersuchungsha¿ftlinge werden bei Verdacht eines Verbrechens unbefristet ohne Anklage festgehalten, ihre Familien werden nicht oder sehr spa¿t informiert. Oft erhalten Gefangene wa¿hrend der laufenden Ermittlungen keinen rechtlichen Beistand, weil ihnen dieses Recht verwehrt wird oder ihnen die finanziellen Mittel fehlen. Insbesondere bei politisch motivierten Verfahren gegen Oppositionelle erheben Gerichte oft Anklage aufgrund konstruierter oder vorgeschobener Straftaten. Die Strafen sind in Bezug auf die vorgeworfene Tat zum Teil unverha¿ltnisma¿ßig hoch. Hinsichtlich der Ausu¿bung von Sippenhaft liegen gegensa¿tzliche Informationen vor, sodass eine belastbare Aussage nicht mo¿glich ist (AA 12.1.2019).

Rechtsschutz ist oft nur eingeschra¿nkt mo¿glich. Anwa¿lte, die politische Fa¿lle u¿bernehmen, werden systematisch eingeschu¿chtert oder an der U¿bernahme der Mandate gehindert. Der Zugang von Verteidigern zu staatlichem Beweismaterial wird ha¿ufig eingeschra¿nkt oder verwehrt. Die Unschuldsvermutung wird mitunter - insbesondere bei politisch aufgeladenen Verfahren - nicht beachtet. Zeugen werden durch Drohungen zu belastenden Aussagen gezwungen. Es gibt zahlreiche Berichte u¿ber durch Folter und psychischen Druck erzwungene Gesta¿ndnisse. Insbesondere Isolationshaft wird genutzt, um politische Gefangene und Journalisten psychisch unter Druck zu setzen. Gegen Kautionszahlungen ko¿nnen Familienmitglieder die Isolationshaft in einzelnen Fa¿llen verhindern oder verku¿rzen (AA 12.1.2019).

Sicherheitsbehörden:

Diverse Beho¿rden teilen sich die Verantwortung fu¿r die innere Sicherheit; etwa das Informationsministerium, die Ordnungskra¿fte des Innenministeriums, die dem Pra¿sidenten berichten, und die Revolutionsgarden (Sepah-e Pasdaran-e Enghelab-e Islami - IRGC), welche direkt dem Obersten Fu¿hrer Khamenei berichten. Die Basij-Kra¿fte, eine freiwillige paramilita¿rische Gruppierung mit lokalen Niederlassungen in Sta¿dten und Do¿rfern, sind zum Teil als Hilfseinheiten zum Gesetzesvollzug innerhalb der Revolutionsgarden ta¿tig. Basij-Einheiten sind oft bei der Unterdru¿ckung von politischen Oppositionellen oder bei der Einschu¿chterung von Zivilisten, die den strikten Moralkodex nicht befolgen, involviert (US DOS 13.3.2019). Organisatorisch sind die Basij den Pasdaran (Revolutionsgarden) unterstellt und ihnen geho¿ren auch Frauen und Kinder an (AA 12.1.2019). Basijis sind ausschließlich gegenu¿ber dem Obersten Fu¿hrer loyal und haben oft keinerlei regula¿re polizeiliche Ausbildung, die sie mit rechtlichen Grundprinzipien polizeilichen Handelns vertraut gemacht ha¿tten. Basijis haben Stu¿tzpunkte u.a. in Schulen und Universita¿ten, wodurch die permanente Kontrolle der iranischen Jugend gewa¿hrleistet ist. Scha¿tzungen u¿ber die Zahl der Basijis gehen weit auseinander und reichen bis zu mehreren Millionen (O¿B Teheran 12.2018).

Die Polizei unterteilt sich in Kriminalpolizei, Polizei fu¿r Sicherheit und o¿ffentliche Ordnung (Sittenpolizei), Internetpolizei, Drogenpolizei, Grenzschutzpolizei, Ku¿stenwache, Milita¿rpolizei, Luftfahrtpolizei, eine Polizeispezialtruppe zur Terrorbeka¿mpfung und Verkehrspolizei. Die Polizei hat auch einen eigenen Geheimdienst. Eine Sonderrolle nehmen die Revolutionsgarden ein, deren Auftrag formell der Schutz der Islamischen Revolution ist (AA 12.1.2019).

Das Ministerium fu¿r Information ist als Geheimdienst (Vezarat-e Etela'at) mit dem Schutz der nationalen Sicherheit, Gegenspionage und der Beobachtung religio¿ser und illegaler politischer Gruppen beauftragt. Aufgeteilt ist dieser in den Inlandsgeheimdienst, Auslandsgeheimdienst, Technischen Aufkla¿rungsdienst und eine eigene Universita¿t (Imam Ali Universita¿t). Dabei kommt dem Inlandsgeheimdienst die bedeutendste Rolle bei der Beka¿mpfung der politischen Opposition zu. Der Geheimdienst tritt bei seinen Maßnahmen zur Beka¿mpfung der politischen Opposition nicht als solcher auf, sondern bedient sich u¿berwiegend der Basij und der Justiz. Das regula¿re Milita¿r (Artesh) erfu¿llt im Wesentlichen Aufgaben der Landesverteidigung und Geba¿udesicherung. Neben dem "Hohen Rat fu¿r den Cyberspace" bescha¿ftigt sich die iranische Cyberpolice mit Internetkriminalita¿t mit Fokus auf Wirtschaftskriminalita¿t, Betrugsfa¿llen und Verletzungen der Privatspha¿re im Internet sowie der Beobachtung von Aktivita¿ten in sozialen Netzwerken und sonstigen politisch relevanten A¿ußerungen im Internet. Sie steht auf der EU- Menschenrechtssanktionsliste (AA 12.1.2019).

Mit willku¿rlichen Verhaftungen kann und muss jederzeit gerechnet werden, da die Geheimdienste (der Regierung und der Revolutionsgarden) sowie die Basijis nicht einmal nach iranischen rechtsstaatlichen Standards handeln. Auch Verhaltensweisen, die an sich (noch) legal sind, ko¿nnen das Misstrauen der Basijis hervorrufen. Bereits auffa¿lliges Ho¿ren von (insb. westlicher) Musik, ungewo¿hnliche Bekleidung oder Haarschnitt, die A¿ußerung der eigenen Meinung zum Islam, Partys oder gemeinsame Autofahrten junger nicht miteinander verheirateter Ma¿nner und Frauen ko¿nnte den Unwillen zufa¿llig anwesender Basijis bzw. mit diesen sympathisierenden Personen hervorrufen. Willku¿rliche Verhaftungen oder Verpru¿gelungen durch Basijis ko¿nnen in diesem Zusammenhang nicht ausgeschlossen werden (O¿B Teheran 12.2018).

Folter und unmenschliche Behandlung:

Folter ist nach Art. 38 der iranischen Verfassung verboten. Verschiedenen Berichten zufolge schließen Verho¿rmethoden und Haftbedingungen in Iran in einzelnen Fa¿llen seelische und ko¿rperliche Folter sowie unmenschliche Behandlung nicht aus. Dazu kommt es vorrangig in nicht registrierten Gefa¿ngnissen, aber auch aus offiziellen Gefa¿ngnissen wird von derartigen Praktiken berichtet, insbesondere dem beru¿chtigten Trakt 209 im Teheraner Evin-Gefa¿ngnis, welcher unmittelbar dem Geheimdienstministerium untersteht. Foltervorwu¿rfen von Inhaftierten gehen die Beho¿rden grundsa¿tzlich nicht nach (AA 12.1.2019, vgl. US DOS 13.3.2019). Die Justizbeho¿rden verha¿ngen und vollstrecken weiterhin grausame und unmenschliche Strafen, die Folter gleichkommen. In einigen Fa¿llen werden die Strafen o¿ffentlich vollstreckt. Zahlreiche Personen, unter ihnen auch Minderja¿hrige, erhalten Strafen von bis zu 100 Peitschenhieben (AI 22.2.2018, vgl. US DOS 13.3.2019). Sie wurden wegen Diebstahls oder ta¿tlichen Angriffen verurteilt, aber auch wegen Taten, die laut Vo¿lkerrecht nicht strafbar sind, wie z. B. außereheliche Beziehungen, Anwesenheit bei Feiern, an denen sowohl Ma¿nner als auch Frauen teilnehmen, Essen in der O¿ffentlichkeit wa¿hrend des Fastenmonats Ramadan oder Teilnahme an friedlichen Protestkundgebungen. Gerichte verha¿ngten Amputationsstrafen, die vom Obersten Gerichtshof besta¿tigt wurden. Die Beho¿rden vollstrecken auch erniedrigende Strafen (AI 22.2.2018).

Bei Delikten, die im krassen Widerspruch zu islamischen Grundsa¿tzen stehen, ko¿nnen jederzeit Ko¿rperstrafen ausgesprochen und auch exekutiert werden. Bereits der Besitz geringer Mengen von Alkohol kann zur Verurteilung zu Peitschenhieben fu¿hren (eine zweistellige Zahl an Peitschenhieben ist dabei durchaus realistisch). Es kann auch nicht ausgeschlossen werden, dass Personen zu Peitschenhieben verurteilt werden, die selbst Alkohol weder besessen noch konsumiert haben, unter Umsta¿nden ist bereits die bloße Anwesenheit bei einer Veranstaltung, bei der Alkohol konsumiert wird, fu¿r die Betroffenen gefa¿hrlich. Die ha¿ufigsten Fa¿lle, fu¿r welche die Strafe der Auspeitschung durchgefu¿hrt wird, sind illegitime Beziehungen, außerehelicher Geschlechtsverkehr, Teilnahme an gemischtgeschlechtlichen Veranstaltungen, Drogendelikte und Vergehen gegen die o¿ffentliche Sicherheit. Auch werden Auspeitschungen zum Teil o¿ffentlich vollstreckt (O¿B Teheran 12.2018). Daru¿ber hinaus gibt es Berichte, wonach politische Gefangene mit Elektroschocks gefoltert werden. Weitere berichtete Foltermethoden sind Verpru¿geln, Schlagen auf Fußsohlen und andere Ko¿rperteile, manchmal wa¿hrend die Ha¿ftlinge mit dem Kopf nach unten an der Decke aufgeha¿ngt waren, Verbrennungen mit Zigaretten und heißen Metallgegensta¿nden, Scheinhinrichtungen (davon wissen praktisch alle politischen Gefangene aus eigener Erfahrung zu berichten), Vergewaltigungen - teilweise durch Mitgefangene - die Androhung von Vergewaltigung, Einzelhaft, Entzug von Licht, Nahrung und Wasser, und die Verweigerung medizinischer Behandlung (O¿B Teheran 12.2018).

Folter und andere Misshandlungen passieren ha¿ufig in der Ermittlungsphase, um Gesta¿ndnisse zu erzwingen. Dies betrifft vor allem Fa¿lle von ausla¿ndischen und Doppelstaatsbu¿rgern, Minderheiten, Menschenrechtsverteidiger und jugendlichen Strafta¿tern. Obwohl unter Folter erzwungene Gesta¿ndnisse vor Gericht laut Verfassung unzula¿ssig sind, legt das Strafgesetzbuch fest, dass ein Gesta¿ndnis allein dazu verwendet werden kann, eine Verurteilung zu begru¿nden, unabha¿ngig von anderen verfu¿gbaren Beweisen. Es besteht eine starke institutionelle Erwartung, Gesta¿ndnisse zu erzielen. Dies wiederum ist einem fairen Verfahren nicht dienlich (HRC 8.2.2019, vgl. HRW 17.1.2019). Fru¿here Gefangene berichten, dass sie wa¿hrend der Haft geschlagen und gefoltert wurden, bis sie Verbrechen gestanden haben, die von Vernehmungsbeamten diktiert wurden (FH 4.2.2019).

Allgemeine Menschenrechtslage:

Die Menschenrechtsbilanz der Regierung bleibt schlecht und verschlechterte sich in mehreren Schlu¿sselbereichen. Zu den Menschenrechtsfragen geho¿ren Hinrichtungen fu¿r Verbrechen, die nicht dem internationalen Rechtsstandard der "schwersten Verbrechen" entsprechen, zahlreiche Berichte u¿ber rechtswidrige oder willku¿rliche To¿tungen, Verschwindenlassen und Folter durch Regierungsbeamte, harte und lebensbedrohliche Haftbedingungen, systematische Inhaftierungen einschließlich Hunderter von politischen Gefangenen. Weiters unrechtma¿ßige Eingriffe in die Privatspha¿re, Beschra¿nkungen der freien Meinungsa¿ußerung, der Presse und des Internets, einschließlich Zensur, Blockieren von Webseiten und Kriminalisierung von Verleumdungen; erhebliche Eingriffe in das Recht auf friedliche Versammlung und Vereinigungsfreiheit, wie z.B. die restriktiven Gesetze fu¿r Nichtregierungsorganisationen (NGO); Einschra¿nkungen der Religionsfreiheit, Beschra¿nkungen der politischen Beteiligung, weit verbreitete Korruption auf allen Regierungsebenen, rechtswidrige Rekrutierung von Kindersoldaten durch Regierungsakteure zur Unterstu¿tzung des Assad-Regimes in Syrien, Menschenhandel, strenge staatliche Beschra¿nkungen der Rechte von Frauen und Minderheiten, Kriminalisierung von sexuellen Minderheiten, Verbrechen, die Gewalt oder Gewaltdrohungen gegen LGBTI-Personen beinhalten, und schließlich das Verbot unabha¿ngiger Gewerkschaften. Die Regierung unternahm wenige Schritte um verantwortliche Beamte zur Rechenschaft zu ziehen. Viele dieser Misssta¿nde sind im Rahmen der Regierungspolitik zu verantworten. Straffreiheit ist auf allen Ebenen der Regierung und der Sicherheitskra¿fte weit verbreitet (US DOS 13.3.2019).

Besonders schwerwiegend und verbreitet sind staatliche Repressionen gegen jegliche Aktivita¿t, die als Angriff auf das politische System empfunden wird oder die islamischen Grundsa¿tze in Frage stellt. Als rechtliche Grundlage dienen dazu weit gefasste Straftatbesta¿nde (vgl. Art. 279 bis 288 iStGB sowie Staatsschutzdelikte insbesondere Art. 1 bis 18 des 5. Buches des iStGB). Personen, deren o¿ffentliche Kritik sich gegen das System der Islamischen Republik Iran als solches richtet und die zugleich intensive Auslandskontakte unterhalten, ko¿nnen der Spionage beschuldigt werden (AA 12.1.2019). Besonders unter Druck stehen Mitglieder bzw. Gru¿nder von Menschenrechtsorganisationen (zumeist Strafverteidiger bzw. Menschenrechtsanwa¿lte), wie etwa des "Defenders of Human Rights Center", deren Gru¿ndungsmitglieder nahezu allesamt wegen ihrer Ta¿tigkeit hohe Haftstrafen verbu¿ßen. Zum Teil wurden auch Ko¿rperstrafen sowie Berufs- und Reiseverbote u¿ber sie verha¿ngt. Es ist davon auszugehen, dass sie in Haftanstalten physischer und schwerer psychischer Folter ausgesetzt sind. Oft werden auch Familienmitglieder und Freunde von Strafverteidigern unter Druck gesetzt (verho¿rt oder verhaftet). Die Ta¿tigkeit als Frauen- und Menschenrechtsaktivist wird regelma¿ßig strafrechtlich verfolgt (Vorwurf der Propaganda gegen das Regime o.a¿.) und hat oft die Verurteilung zu Haft- oder auch Ko¿rperstrafen zur Folge (O¿B Teheran 12.2018).

Die Rechte auf Meinungs-, Vereinigungs-, Versammlungs- und Religionsfreiheit sind weiterhin stark eingeschra¿nkt. Die Beho¿rden inhaftierten zahlreiche Personen, die friedlich Kritik gea¿ußert hatten. Die Gerichtsverfahren waren in aller Regel unfair. Folter und andere Misshandlungen von Gefangenen sind noch immer an der Tagesordnung und bleiben straflos. Es werden weiterhin Auspeitschungen, Amputationen und andere grausame Ko¿rperstrafen vollstreckt. Die Beho¿rden billigten, dass Menschen wegen ihres Geschlechts, ihres Glaubens, ihrer politischen U¿berzeugung, ethnischen Zugeho¿rigkeit, sexuellen Orientierung, Geschlechtsidentita¿t oder einer Behinderung in starkem Maße diskriminiert und Opfer von Gewalt wurden. Hunderte Menschen wurden hingerichtet, einige von ihnen in der O¿ffentlichkeit. Tausende saßen weiterhin in den Todeszellen, darunter Personen, die zur Tatzeit noch minderja¿hrig waren. Ende Dezember 2017 gingen Tausende Menschen auf die Straße, um gegen Armut, Korruption und politische Unterdru¿ckung zu protestieren. Es waren die gro¿ßten Kundgebungen gegen die iranische Fu¿hrung seit 2009 (AI 22.2.2018). Bei diesen landesweiten Protesten wurden ca. 4.900 Personen verhaftet und mindestens 21 Personen wurden bei Auseinandersetzungen mit den Sicherheitsbeho¿rden wa¿hrend der Demonstrationen geto¿tet (FH 4.2.2019). Human Rights Watch spricht von 30 Geto¿teten, einschließlich Sicherheitskra¿ften. Glaubwu¿rdige Untersuchungen in Bezug auf die geto¿teten Demonstranten oder in Bezug auf die u¿berma¿ßige Gewaltanwendung wurden nicht unternommen. Die Beho¿rden wendeten sich versta¿rkt dem friedlichen Aktivismus zu und nahmen Anwa¿lte und Menschenrechtsverteidiger fest, die nun mit Anklagen konfrontiert sind, die zu langen Gefa¿ngnisstrafen fu¿hren ko¿nnen (HRW 17.1.2019).

Regimegegner sowie religio¿se und ethnische Minderheiten sind nach wie vor regelma¿ßig Opfer staatlicher Repressionen. (AA 15.2.2019a).

Meinungs-und Pressefreiheit:

Die iranische Verfassung garantiert zwar Meinungs- und Pressefreiheit, aber nur insoweit Aussagen nicht "scha¿dlich" fu¿r die grundlegenden Prinzipien des Islams oder die "Rechte der O¿ffentlichkeit" sind (O¿B Teheran 12.2018, vgl. US DOS 13.3.2019). In der Praxis sehen sich Meinungs- und Pressefreiheit mit starken Einschra¿nkungen konfrontiert (AA 12.1.2019, vgl. BTI 2018, AI 22.2.2018, US DOS 13.3.2019) und Beho¿rden nutzen das Gesetz, um Personen, die die Regierung direkt kritisieren oder menschenrechtliche Probleme ansprechen, einzuschu¿chtern und strafrechtlich zu verfolgen (US DOS 13.3.2019). So spiegelt zwar die iranische Presselandschaft eine gewisse Bandbreite unterschiedlicher Positionen innerhalb des politischen Spektrums wider, gepra¿gt wird sie dennoch von einer Vielzahl ho¿chst wandelbarer, da nicht schriftlich fixierter "roter Linien" des Revolutionsfu¿hrers. Bei Abweichungen drohen Verwarnungen, Publikationsverbote, strafrechtliche Sanktionen etwa wegen "Propaganda gegen das System" bis hin zum Verbot von Medien, sowohl von reformorientierten wie auch von konservativen Zeitungen (AA 12.1.2019). "Propaganda gegen den Staat" ist mit einer einja¿hrigen Freiheitsstrafe sanktioniert, wobei "Propaganda" nicht definiert ist. Zeitungen und Medien sind daher stets der Gefahr ausgesetzt, bei regierungskritischer oder fu¿r hohe Regimevertreter unliebsamer Berichterstattung geschlossen zu werden - dies gilt auch fu¿r Regimemedien. Oft werden in diesem Zusammenhang die Zeitungsherausgeber verhaftet (O¿B Teheran 12.2018). Mitarbeiter von ausla¿ndischen Presseagenturen (insbesondere kritische farsisprachige Medien wie BBC, DW oder Voice of America) sowie unabha¿ngige Journalisten sind Berichten zufolge oft mit Verzo¿gerungen bei der Gewa¿hrung der Presselizenz durch die iranischen Beho¿rden, Verhaftungen, ko¿rperlicher Zu¿chtigung sowie Einschu¿chterung ihrer Familienmitglieder konfrontiert (O¿B Teheran 12.2018, vgl. AA 12.1.2019). Insbesondere im Zusammenhang mit politischen Ereignissen, wie z.B. Wahlen, war in den letzten Jahren immer wieder ein versta¿rktes Vorgehen gegen Journalisten zu beobachten. Meist werden dabei unverha¿ltnisma¿ßig hohe Strafen wegen ungenau definierter Anschuldigungen wie etwa "regimefeindliche Propaganda" verha¿ngt (O¿B Teheran 12.2018).

Fu¿r Funk- und Fernsehanstalten besteht ein staatliches Monopol. Der Empfang ausla¿ndischer Satellitenprogramme ist ohne spezielle Genehmigung untersagt, wenngleich weit verbreitet. Die Beho¿rden versuchen, dies durch den Einsatz von Sto¿rsendern (sogenanntes Jamming) zu unterbinden. Ebenso werden oppositionelle Webseiten und eine Vielzahl ausla¿ndischer Nachrichtenseiten sowie soziale Netzwerke durch iranische Beho¿rden geblockt (AA 12.1.2019, vgl. FH 4.2.2019). Ihr Empfang ist jedoch mithilfe von VPN (Virtual Private Networks) mo¿glich, wird aber "gefiltert" bzw. mitgelesen und regelma¿ßig auch gesto¿rt. Das Vorgehen der Beho¿rden gegen reformorientierte Medien erstreckt sich auch auf das Internet. Jeder, der sich regimekritisch im Internet a¿ußert, la¿uft Gefahr, mit dem Vorwurf konfrontiert zu werden, einen "Cyber-Krieg" gegen das Land fu¿hren zu wollen. Die U¿berwachung perso¿nlicher Daten ist grundsa¿tzlich nur mit Gerichtsanordnung mo¿glich, außer die nationale Sicherheit ist betroffen (AA 12.1.2019).

Auch gegen Personen, die ihre Meinung oder Nachrichten online publizieren (Blogger), wurde in den letzten Jahren massiv vorgegangen. Oft wurden sie zu langen Haftstrafen verurteilt, zum Teil sogar zum Tode. Die elektronischen Medien und der Internet-Verkehr sowie Internet-Cafe¿s (obligatorische Personenidentifikationen und U¿berwachungskameras) stehen unter intensiver staatlicher Kontrolle. Millionen Internetseiten sind gesperrt. Regimefeindliche oder "islamfeindliche" A¿ußerungen werden auch geahndet, wenn sie in elektronischen Kommunikationsmedien, etwa auch in sozialen Netzwerken, geta¿tigt werden. Vor allem junge Menschen, welche diese Kommunikationsmittel zum Meinungsaustausch nutzen, laufen Gefahr, wegen ihrer gea¿ußerten regimekritischen Meinung verfolgt zu werden (O¿B Teheran 12.2018).

Ebenso unter Druck stehen Filmemacher und bildende Ku¿nstler, vor allem dann, wenn ihre Kunst als "unislamisch" oder regimekritisch angesehen wird, oder sie ihre Filme an ausla¿ndische Filmproduktionsfirmen verkaufen oder auch nur im Ausland auffu¿hren (dazu wurde ju¿ngst eine Genehmigungspflicht verha¿ngt). U¿ber zahlreiche Ku¿nstler wurden Strafen wegen zumeist "regimefeindlicher Propaganda" und anderen Anschuldigungen verha¿ngt. Viele sind regelma¿ßig in Haft bzw. zu langja¿hrigen Ta¿tigkeits- und Interviewverboten verurteilt (O¿B Teheran 12.2018).

In der aktuellen Rangliste der Pressefreiheit von Reporter ohne Grenzen hat sich Iran um sechs Pla¿tze verschlechtert und liegt nun an Position 170 (2018: 164). Reporter ohne Grenzen bezeichnet Iran als eines der gro¿ßten Gefa¿ngnisse fu¿r Journalisten. Verhaftungen von professionellen Journalisten und nicht professionellen Journalisten, vor allem solche, die in sozialen Netzwerken posten, haben sich im Jahr 2018 gesteigert (ROG 2019).

Versammlungs-und Vereinigungsfreiheit, Opposition:

Die Ausu¿bung der verfassungsrechtlich garantierten Versammlungs- und Vereinigungsfreiheit steht fu¿r o¿ffentliche Versammlungen unter einem Genehmigungsvorbehalt. Entsprechend finden Versammlungen der Opposition nicht statt. Demgegenu¿ber stehen Demonstrationen systemnaher Organisationen wie des Basij-Studentenwerks, zu deren Teilnahme Mitarbeiter der o¿ffentlichen Verwaltung sowie Schu¿ler und Studenten teilweise verpflichtet werden. Ebenfalls ist eine unabha¿ngige gewerkschaftliche Beta¿tigung nicht mo¿glich, denn auch gewerkschaftliche Aktivita¿ten werden zum Teil mit dem Vorwurf der "Propaganda gegen das Regime" und "Handlungen gegen die nationale Sicherheit" verfolgt (AA 12.1.2019). Das Streikrecht hingegen ist prinzipiell gewa¿hrleistet (AA 12.1.2019), jedoch ko¿nnen streikende Arbeiter von Entlassung und Verhaftung bedroht sein (FH 4.2.2019). Nach den Ende Dezember 2017 ausgebrochenen Protestdemonstrationen im ganzen Land nahmen Beho¿rden zahlreiche Menschen fest. Berichten zufolge gingen Sicherheitskra¿fte mit Schusswaffen und anderer exzessiver Gewaltanwendung gegen Protestierende vor und verletzten und to¿teten unbewaffnete Demonstrierende. Zahlreiche friedliche Regierungskritiker (Oppositionelle, Journalisten, Blogger, Studierende etc.) wurden aufgrund von vage formulierten Anklagen, die sich auf die nationale Sicherheit bezogen, inhaftiert (AA 12.1.2019). Seit diesen Protesten im Dezember 2017 haben die Beho¿rden das Recht auf friedliche Versammlung systematisch verletzt (HRW 17.1.2019).

In Iran gibt es keine politischen Parteien mit vergleichbaren Strukturen westlich-demokratischer Pra¿gung (O¿B Teheran 12.2018, vgl. GIZ 3.2019a). Auch im Parlament existiert keine, mit europa¿ischen Demokratien vergleichbare, in festen Fraktionen organisierte parlamentarische Opposition. Die entscheidendn Konfliktlinie im iranischen Parlament liegt aktuell zwischen den Rohani-Loyalen (Reformern und Moderaten) einerseits und den Anha¿ngern der Revolutionstreuen (Parlamentspra¿sident Ali Larijani, Oberster Fu¿hrer Khamenei) andererseits, bisweilen kommen aber auch andere Gegensa¿tze zum Tragen. Der Spielraum fu¿r die außerparlamentarische Opposition wird vor allem durch einen U¿berwachungsstaat eingeschra¿nkt, was die Vernetzung oppositioneller Gruppen extrem riskant macht (Einschra¿nkung des Versammlungsrechts, Telefon- und Internetu¿berwachung, Spitzelwesen, Omnipra¿senz von Basij-Vertretern u.a. in Schulen, Universita¿ten sowie Basij-Sympathisanten im o¿ffentlichen Raum, etc.) (O¿B Teheran 12.2018, vgl. AA 12.1.2019). Viele Anha¿nger der Oppositionsbewegungen wurden verhaftet, haben Iran verlassen oder sind nicht mehr politisch aktiv. Ohne entsprechende Fu¿hrung und angesichts umfassender U¿berwachung der Kommunikationskana¿le spielen die verbleibenden Oppositionellen kaum eine Rolle (AA 12.1.2019). Die Verfassung la¿sst die Gru¿ndung politischer Parteien, von Berufsverba¿nden oder religio¿sen Organisation so lange zu, als sie nicht gegen islamische Prinzipien, die nationale Einheit oder die Souvera¿nita¿t des Staates verstoßen und nicht den Islam als Grundlage des Regierungssystems in Frage stellen. Hinzu kommen immer wieder verha¿ngte drakonische Strafen aufgrund diffuser Strafrechtstatbesta¿nde ("regimefeindliche Propaganda", "Beleidigung des Obersten Fu¿hrers" etc.). Daru¿ber hinaus werden Angeho¿rige der außerparlamentarischen Opposition immer wieder unter anderen Vorwu¿rfen festgenommen. An sich ga¿be es ein breites Spektrum an Ideologien, die die Islamische Republik ablehnen, angefangen von den Nationalisten bis hin zu Monarchisten und Kommunisten. Eine markante Fu¿hrungsperso¿nlichkeit fehlt bei sa¿mtlichen oppositionellen Gruppierungen (O¿B Teheran 12.2018).

Haftbedingungen:

Die Haftbedingungen in iranischen Gefa¿ngnissen sind von massiver U¿berbelegung gepra¿gt. Berichten zufolge kommt es auch vor, dass bei U¿berbelegung der Zellen Ha¿ftlinge im Freien untergebracht werden (O¿B Teheran 12.2018, vgl. US DOS 13.3.2019, FH 4.2.2019), oder sie mu¿ssen auf Ga¿ngen oder am Boden schlafen. Laut der NGO "United for Iran", die sich mit Haftbedingungen bescha¿ftigt, ist die Ha¿ftlingspopulation dreimal gro¿ßer als die Kapazita¿t der Gefa¿ngnisse (US DOS 13.3.2019). Die Haftbedingungen sind sehr oft auch gesundheitsscha¿digend. Berichtet wird u¿ber unzureichende Erna¿hrung und Verweigerung notwendiger medizinischer Behandlung, in Einzelfa¿llen mit to¿dlichen Folgen. Auch ist von mangelnder Hygiene auszugehen (O¿B Teheran 12.2018, vgl. US DOS 13.3.2019, FH 4.2.2019).

In den Gefa¿ngnissen wird auch von physischer und psychischer Folter berichtet. Dies gilt auch und gerade im Zusammenhang mit Ha¿ftlingen, die unter politischem Druck stehen, zu intensive Kontakte mit Ausla¿ndern pflegen, etc. Neben Elektroschocks werden u.a. Schla¿ge, Verbrennungen, Vergewaltigungen, Scheinhinrichtungen, Verhaftung der Familie, Einzelhaft und Schlafentzug verwendet. Dazu kommt vielfach der nicht oder nur ganz selten mo¿gliche Kontakt mit der Außenwelt. Oft ist es Angeho¿rigen wa¿hrend mehrerer Wochen oder Monate nicht mo¿glich, Ha¿ftlinge zu besuchen. Politische Gefangene oder Minderja¿hrige werden teils mit kriminellen Strafta¿tern zusammengelegt, wodurch U¿bergriffe nicht selten sind (O¿B Teheran 12.2018).

Die Haftbedingungen fu¿r politische und sonstige Ha¿ftlinge weichen stark voneinander ab. Fu¿r politische Gefangene sind die Haftbedingungen von Fall zu Fall unterschiedlich und reichen vor allem in der Untersuchungshaft bzw. in irregula¿rer Haft vor einem Gerichtsverfahren von schlechten hygienischen Bedingungen u¿ber unzureichende medizinische Versorgung bis hin zur Verweigerung lebenswichtiger Medikamente (AA 12.1.2019).

Die Grenzen zwischen Freiheit, Hausarrest und Haft sind in Iran manchmal fließend sind. Politisch als unzuverla¿ssig geltende Personen werden manchmal in "sichere Ha¿user" gebracht, die den iranischen Sicherheitsbeho¿rden unterstehen, und wo sie ohne Gerichtsverfahren Monate oder sogar Jahre festgehalten werden. Ein besonders prominentes Beispiel ist Oppositionsfu¿hrer Mehdi Karroubi, der zusammen mit seiner Frau und zwei anderen Oppositionsfu¿hrern seit 2011 unter Hausarrest steht (O¿B Teheran 12.2018). Von Hungerstreiks in iranischen Gefa¿ngnissen wird des O¿fteren berichtet, in der Regel entschließen sich politische Ha¿ftlinge dazu (O¿B Teheran 12.2018, vgl. FH 4.2.2019).

Es ist nach wie vor u¿blich, Inhaftierte zu foltern oder anderweitig zu misshandeln, insbesondere wa¿hrend Verho¿ren. Gefangene, die sich im Gewahrsam des Ministeriums fu¿r Geheimdienste oder der Revolutionsgarden befinden, mu¿ssen routinema¿ßig lange Zeitra¿ume in Einzelhaft verbringen, was den Tatbestand der Folter erfu¿llt (AI 22.2.2018).

Zur Situation von Frauen:

Generell genießt die Familie in Iran, ebenso wie in den meisten anderen islamischen Gesellschaften, einen hohen Stellenwert. Der Unterschied zwischen Stadt und Land macht sich aber auch hier bemerkbar, in Bezug auf das Verhältnis zwischen Mann und Frau sowie auf die Rolle der Frau in der Gesellschaft. Auf dem Land hat das traditionelle islamische Rollenmodell weitgehende Gültigkeit, der Tschador, der Ganzkörperschleier, dominiert hier das Straßenbild. In den großen Städten hat sich dieses Rollenverständnis verschoben, wenn auch nicht in allen Stadtteilen. Während des Iran-Irak-Krieges war, allen eventuellen ideologischen Bedenken zum Trotz, die Arbeitskraft der Frauen schlicht unabdingbar. Nach dem Krieg waren Frauen aus dem öffentlichen Leben nicht mehr wegzudenken oder gar zu entfernen. Die unterschiedliche und sich verändernde Stellung der Frau zeigt sich auch an den Kinderzahlen: Während in vielen ländlichen, gerade den abgelegeneren Gebieten fünf Kinder der Normalfall sind, sind es in Teheran und Isfahan im Durchschnitt unter zwei. Viele junge Frauen begehren heute gegen die nominell sehr strikten Regeln auf, besonders anhand der Kleidungsvorschriften für Frauen wird heute der Kampf zwischen einer eher säkular orientierten Jugend der Städte und dem System in der Öffentlichkeit ausgefochten. Eine Bewegung, die sich in den letzten Jahren zunehmender Beliebtheit erfreut, ist der islamische Feminismus. Dieser will die Rechte der Frau mittels einer islamischen Argumentation durchsetzen. Auch wenn die Stellung der Frau in Iran, entgegen aller Vorurteile gegenüber der Islamischen Republik, in der Praxis sehr viel besser ist als in vielen anderen Ländern der Region, sind Frauen auch hier nicht gleichberechtigt (GIZ 3.2019c). Verschiedene gesetzliche Verbote machen es Frauen unmöglich, im gleichen Maße wie Männer am gesellschaftlichen Leben teilzunehmen (strenge Kleiderordnung, Verbot des Zugangs zu Sportveranstaltungen, Fahrradverbot). Eine Diskussion über den Zugang von Frauen zu Sportveranstaltungen ist im Gange (AA 12.1.2019).

In rechtlicher, wirtschaftlicher und gesellschaftlicher Hinsicht sind iranische Frauen vielfältigen Diskriminierungen unterworfen, die jedoch zum Teil relativ offen diskutiert werden. Von einigen staatlichen Funktionen (u.a. Richteramt, Staatspräsident) sind Frauen gesetzlich oder aufgrund entsprechender Ernennungspraxis ausgeschlossen. Laut offiziellen Angaben liegt die Arbeitslosenrate bei Frauen bei 19,8% (1,07 Millionen gegenüber 10,3% und 2,25 Millionen in absoluten Zahlen bei den Männern). Unter Frauen mit höherer Bildung liegt sie noch deutlich höher. Auch nach der Population Situation Analysis der Universität Teheran vom Sommer 2016 besteht im Bereich der Integration von Frauen in den Arbeitsmarkt erhöhter Nachholbedarf (AA 12.1.2019, vgl. ÖB Teheran 12.2018). Die stagnierende wirtschaftliche Lage Irans hat ein stetiges Wachstum der Arbeitslosenrate in den vergangenen Jahren zur Folge gehabt. Insbesondere hat die hohe Arbeitslosigkeit im Land auch Einfluss auf die wirtschaftliche Situation von alleinstehenden Frauen genommen; u.a. sieht das Gesetz nicht die gleiche Bezahlung von Frauen und Männern vor. Außerdem haben selbst gut qualifizierte Frauen Schwierigkeiten, eine Arbeitsstelle zu finden (ÖB Teheran 12.2018).

In rechtlicher Hinsicht unterliegen Frauen einer Vielzahl diskriminierender Einschränkungen. Prägend ist dabei die Rolle der (Ehe-)frau als dem (Ehe-)mann untergeordnet, wie sich sowohl in Fragen der Selbstbestimmung, des Sorgerechtes, der Ehescheidung als auch des Erbrechts erkennen lässt (AA 12.1.2019, vgl. HRW 17.1.2019, ÖB Teheran 12.2018, AI 26.2.2019). Zum Beispiel legt das Gesetz es Frauen nahe, sich für drei Viertel der regulären Arbeitszeit von Männern zu bewerben und Frauen brauchen das Einverständnis ihres Ehemannes, um eine Erwerbstätigkeit aufzunehmen. Außerdem werden Stellen oft geschlechtsspezifisch ausgeschrieben, sodass es Frauen verwehrt wird, sich - ungeachtet ihrer Qualifikationen - für bestimmte Positionen zu bewerben. Auch von sexuellen Übergriffen am Arbeitsplatz wird berichtet. Die gravierenden Einschränkungen der Versammlungsfreiheit verhindern außerdem den Zusammenschluss erwerbstätiger Frauen in Gewerkschaften, um Frauenrechte effektiver vertreten und einfordern zu können (ÖB Teheran 12.2018).

Laut Gesetz darf eine jungfräuliche Frau nicht ohne Einverständnis ihres Vaters, Großvaters oder eines Richters heiraten (US DOS 13.3.2019). Väter und Großväter können bei Gericht eine Erlaubnis einholen, wenn sie das Mädchen früher verheiraten wollen. Das gesetzliche Heiratsalter für Mädchen liegt bei 13 Jahren (AA 12.1.2019, vgl. AI 22.2.2018). Auch können iranische Frauen ihre iranische Staatsbürgerschaft nicht an ausländische Ehemänner oder ihre Kinder weitergeben (HRW 18.1.2018, vgl. US DOS 13.3.2019, ACCORD 12.2015).

Im Straf- bzw. Strafprozessrecht sind Frauen bereits mit neun Jahren vollumfänglich strafmündig (Männer mit 15 Jahren), ihre Zeugenaussagen werden hingegen nur zur Hälfte gewichtet und bei bestimmten Straftatbeständen ist die Zeugenaussage von männlichen Zeugen Verurteilungsvoraussetzung. Weitere diskriminierende Vorschriften finden sich im Staatsangehörigkeitsrecht, internationalen Privatrecht, Arbeitsrecht sowie im Sozialversicherungsrecht (AA 12.1.2019).

Bei Verstößen gegen gesetzliche Verbote müssen Frauen mit Strafen rechnen. So kann etwa eine Frau, die ihre Haare oder die Konturen ihres Körpers nicht verhüllt, mit Freiheitsstrafe (zehn Tage bis zu zwei Monaten) und/oder Geldstrafe bestraft werden. Grundsätzlich ist auch die Verhängung von bis zu 74 Peitschenhieben wegen Verstoßes gegen die öffentliche Moral möglich; dazu kommt es in der Regel nicht, da die Familien von der Möglichkeit des Freikaufs überwiegend Gebrauch machen (AA 12.1.2019). Ende 2017/Anfang 2018 kam es zu größeren Protesten von Frauen gegen den Kopftuchzwang, bei denen einige Frauen öffentlich ihren Schleier abnahmen. Die Proteste wurden von den Sicherheitskräften rasch eingedämmt, von der Judikative wurden schwere Strafen (z. T. mehrjährige Haft) verhängt. Dennoch wurde dadurch eine öffentliche Debatte angestoßen. Das Forschungszentrum des Parlaments veröffentlichte etwa eine Studie, welche die geringe Zustimmung zum Kopftuchzwang thematisierte und sogar dessen Abschaffung in Erwägung zog. Im Oktober 2018 kam es wieder zu vereinzelten Berichten über Frauen, die ihr Kopftuch abgenommen hatten. Letztlich erlebte auch die Diskussion rund um das Stadionverbot für Frauen wieder frischen Wind, nachdem bei WM-Spielen der Fußballnationalmannschaft im Juni 2018 im Azadi-Stadion auch Frauen zugelassen waren. Zudem wurden im Oktober und November 2018 auf Druck der FIFA - und trotz massiven Widerstands von Teilen des Klerus - zum ersten Mal ausgewählte Frauen zu zwei Livespielen eingelassen (ÖB Teheran 12.2018).

Gesetzliche Regelungen räumen geschiedenen Frauen das Recht auf Alimente ein. Angaben über (finanzielle) Unterstützung vom Staat für alleinerziehende Frauen sind nicht auffindbar. Das Gesetz sieht vor, dass geschiedenen Frauen vorzugsweise das Sorgerecht für ihre Kinder bis zu deren siebentem Lebensjahr gegeben werden soll. Danach soll das Sorgerecht dem Vater übertragen werden, außer dieser ist dazu nicht im Stande. Heiraten geschiedene Frauen erneut, verlieren sie das Sorgerecht für Kinder aus einer früheren Ehe (ÖB Teheran 12.2018).

Alleinstehende, nicht geschiedene Frauen haben Schwierigkeiten, selbstständig eine Wohnung zu mieten und alleine zu wohnen, da gesellschaftliche Normen verlangen, dass eine unverheiratete Frau im Schutze ihrer Familie oder eines männlichen Familienmitglieds lebt. Im Gegensatz dazu dürfte es gesellschaftlich akzeptiert sein, dass geschiedene Frauen alleine wohnen (ÖB Teheran 12.2018).

Aufgrund der Schwierigkeit für Frauen, am Arbeitsmarkt Fuß zu fassen, ist der familiäre Rückhalt für alleinstehende Frauen umso bedeutender. Jedoch erhalten manche Frauen, die außerhalb der gesellschaftlichen Norm leben (wie zum Beispiel lesbische Frauen od. Prostituierte), keine Unterstützung durch die Familie und können Opfer von häuslicher Gewalt und Zwangsheirat werden (ÖB Teheran 12.2018).

Häusliche Gewalt ist in Iran sehr weit verbreitet und die Gesetze dagegen sind schwach. Ein Drittel der Frauen gibt an, Opfer physischer Gewalt geworden zu sein, über die Hälfte gibt an, mit psychischer Gewalt konfrontiert worden zu sein. Krisenzentren und Frauenhäuser nach europäischem Modell existieren in Iran nicht. Angeblich sollen staatlich geführte Einrichtungen für alleinstehende Frauen, Prostituierte, Drogenabhängige oder Mädchen, die von Zuhause davon gelaufen sind, vorhanden sein. Jedoch sind Informationen über diese Einrichtungen der Öffentlichkeit nicht zugänglich. Genauere Informationen über mögliche Unterstützungen des Staates für alleinstehende Frauen sind nicht eruierbar (ÖB Teheran 12.2018).

Der Staat ist verpflichtet, Frauen vor sexueller Gewalt zu schützen. Frauen, die ehelicher oder häuslicher Gewalt ausgesetzt sind, können aber nicht uneingeschränkt darauf vertrauen, dass effektiver staatlicher Schutz gewährt wird. Fälle von Genitalverstümmelung sind nicht bekannt (AA 12.1.2019). Vergewaltigung ist generell mit der Todesstrafe bedroht, bei Ehepartnern wird Vergewaltigung jedoch nicht als Vergehen gesehen (ÖB Teheran 12.2018). Gewalttaten gegen Frauen und Mädchen, wie häusliche Gewalt und Früh- und Zwangsverheiratungen, sind weit verbreitet und werden nicht geahndet. Geschlechtsspezifische Gewalt ist weiterhin nicht strafbar (AI 22.2.2018).

Der Wächterrat ließ keine der 137 Frauen, die bei der Präsidentschaftswahl 2017 antreten wollten, für eine Kandidatur zu. Aufgrund des gesetzlichen Zwangs, ein Kopftuch (Hidschab) zu tragen, stehen Frauen im Visier von Polizei und paramilitärischen Kräften. Sie können schikaniert und festgenommen werden, wenn Haarsträhnen unter ihrem Kopftuch hervorschauen, wenn sie stark geschminkt sind oder eng anliegende Kleidung tragen. Frauen, die sich gegen die Kopftuchpflicht einsetzen, können Opfer staatlich unterstützter Verleumdungskampagnen werden (AI 22.2.2018). Nach anderen Berichten will die Polizei Frauen, die sich auf den Straßen "unislamisch" kleiden oder benehmen, nunmehr belehren statt bestrafen. Frauen, die (in der Öffentlichkeit) die islamischen Vorschriften nicht beachten, würden laut Teherans Polizeichef seit einiger Zeit nicht mehr auf die Wache gebracht. Vielmehr würden sie gebeten, an Lehrklassen teilzunehmen, um ihre Sichtweise und ihr Benehmen zu korrigieren. In Iran müssen alle Frauen und Mädchen ab neun Jahren gemäß den islamischen Vorschriften in der Öffentlichkeit ein Kopftuch und einen langen, weiten Mantel tragen, um Haare und Körperkonturen zu verbergen. "Sünderinnen" droht die Festnahme durch die Sittenpolizei, in manchen Fällen auch ein Strafverfahren und eine saftige Geldstrafe. Die Gesetze - und Strafmaßnahmen - gibt es schon seit fast 40 Jahren, genauso lange haben sie nicht viel gebracht. Die Kopftücher wurden und werden immer kleiner und die Mäntel immer kürzer und enger. Auch strengere Kontrollen der Sittenpolizei auf den Straßen führten nicht zu dem erhofften Sinneswandel der Frauen. Laut Polizeichef Rahimi gab es 2017 bereits mehr als 120 solcher Aufklärungsklassen, an denen fast 8.000 Frauen teilgenommen haben. Bewirkt haben sie anscheinend aber wenig. Nach der Wiederwahl des moderaten Präsidenten Hassan Rohani und der Ausweitung der gesellschaftlichen Freiheiten werden besonders abends immer mehr Frauen ohne Kopftuch in Autos, Cafés und Restaurants der Hauptstadt gesehen (Standard.at 27.12.2017; vgl. Kurier.at 27.12.2017). Seit Ende Dezember 2017 fordern immer mehr iranische Frauen eine Abschaffung der Kopftuchpflicht. Als Protest nehmen sie in der Öffentlichkeit ihre Kopftücher ab und hängen sie als Fahne auf. Auch gläubige Musliminnen, die das Kopftuch freiwillig tragen, ältere Frauen, Männer und angeblich auch einige Kleriker haben sich den landesweiten Protestaktion angeschlossen (Kleine Zeitung 3.2.2018).

Quellen:

* AA - Auswärtiges Amt (11.6.2019b): Iran: Reise- und Sicherheitshinweise, https://www.auswaertiges-amt.de/de/aussenpolitik/laender/iran-node/iransicherheit/202396, Zugriff 11.6.2019

* AA - Auswa¿rtiges Amt (12.1.2019): Bericht u¿ber die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Islamischen Republik Iran, https://www.ecoi.net/en/file/local/1457257/4598_1548938794_auswaertiges-amt-bericht-ueber-die-asyl-und-abschiebungsrelevante-lage-in-der-islamischen-republik-iran-stand-november-2018-12- 01-2019.pdf, Zugriff 11.6.2019

* AA - Auswa¿rtiges Amt (15.2.2019a): Innenpolitik, https://www.auswaertiges-amt.de/de/aussenpolitik/laender/iran-node/-/202450#content_2, Zugriff 28.5.2019

* AA - Auswa¿rtiges Amt (9.12.2015): Bericht u¿ber die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Islamischen Republik Iran, https://www.ecoi.net/en/file/local/1115973/4598_1450445204_deutschland-auswaertiges-amt- bericht-ueber-die-asyl-und-abschiebungsrelevante-lage-in-der-islamischen-republik-iran-stand- november-2015-09-12-2015.pdf, Zugriff 24.5.2019

* ACCORD (12.2015): COI compilation Iran: Women, children, LGBTI persons, persons with disabilities, "moral crimes", http://www.ecoi.net/file_upload/1226_1451977796_568a98324.pdf, Zugriff 5.6.2019

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Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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