Entscheidungsdatum
16.06.2020Norm
AsylG 2005 §3Spruch
W226 1251734-5/10E
IM NAMEN DER REPUBLIK!
Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Mag. WINDHAGER als Einzelrichter über die Beschwerde von XXXX , geb. XXXX , StA: Ukraine, vertreten durch ARGE Rechtsberatung, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 06.09.2018, Zl. 484418500-1373115 nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am 09.06.2020 zu Recht erkannt:
A)
I. Die Beschwerde gegen die Spruchpunkte I., II. und III. des angefochtenen Bescheides wird als unbegründet abgewiesen.
II. Im Übrigen wird der Beschwerde stattgegeben und eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG iVm § 9 Abs. 2 und 3 BFA-VG auf Dauer für unzulässig erklärt. XXXX wird eine "Aufenthaltsberechtigung plus" für die Dauer von zwölf Monaten gemäß § 54 Abs. 1 Z 1 und § 58 Abs. 2 iVm § 55 Abs. 1 Z 2 AsylG erteilt.
B)
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.
Text
ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:
I. Verfahrensgang und Sachverhalt:
1.1. Der Beschwerdeführer, ein ukrainischer Staatsbürger, reiste laut handschriftlicher Angabe am (ersten) Asylantrag am 07.02.2003, laut späteren Angaben jedoch bereits am 08.02.2001 illegal in das österreichische Bundesgebiet ein und stellte am 10.02.2003 einen (ersten) Asylantrag, wobei er angab, XXXX zu heißen, am XXXX geboren und ukrainischer Staatsbürger zu sein. Vorgelegt wurde ein ukrainischer Führerschein im Original, Nr. XXXX , ausgestellt am XXXX von der Verkehrspolizei XXXX . Im handschriftlich ausgefüllten Asylantrag gab er in der Rubrik "Begründung des Asyantrages", zu Beginn welcher Antragsteller in ihrer Muttersprache aufgefordert werden, "möglichst genaue Angaben zu machen" und genaue Daten ("insbesondere: Zeitangaben, Örtlichkeiten und Personen") zu nennen, in einer einzigen Zeile (von 37 zur Verfügung stehenden) an: "Die ?Schutzgelderpresser' (REKET) lassen mich nicht leben." (AS 7).
1.2. Dem Ladungsbescheid vom 31.07.2003 für eine mündliche Einvernahme am 19.09.2003 kam der Beschwerdeführer nicht nach, das Asylverfahren wurde gem. § 30 Abs 1 AsylG 1997 (zunächst) eingestellt, in weiterer Folge jedoch mit einer mündlichen Einvernahme am 11.02.2004 fortgeführt. Bei den Personalien gab der Beschwerdeführer unter anderem den Militärdienst mit den Jahren XXXX und XXXX sowie eine private Anstellung als XXXX in den Jahren 1999 und 2000 an. Er habe am 06./07. Februar 2001 seine Heimat verlassen.
Befragt zu den Fluchtgründen gab der Beschwerdeführer an, er sei von "ihnen" derart unter Druck gesetzt worden, dass er dort nicht mehr leben und arbeiten konnte. Diese Personengruppe konkretisiere er mit Schutzgelderpressern. Diese hätten ihn ungefähr im Jahr 1997 gezwungen, seine Wohnung zu verkaufen, und hätten ihm das Geld abgenommen. Dann sei sein Auto gestohlen und kaputt gefahren worden. Anschließend sei er verprügelt worden, als er ein Visum für eine Fahrt nach Europa erhalten hatte. Sie hätten ihm den Pass samt Visum weggenommen, er wisse nicht, wo sich der Pass nun befinde. Dies sei alles.
Befragt, warum ihm dies die Schutzgelderpresser angetan hätten, gab er an, weil er bei den Truppen des Innenministeriums gedient habe, wobei er ein besonders streng bewachtes Gefängnis bewacht habe. Er glaube, dies sei der Grund. Sinngemäß erklärte er in weiterer Folge, dass die Tätigkeit für das Innenministerium im Rahmen seines Präsenzdienstes erfolgt sei.
Er habe keine Anzeige gegen die Schutzgelderpresser erstattet, da der Chef dieser Organisation illegal mit der Polizei zusammenarbeite. Für Anwälte habe er kein Geld mehr gehabt und an Gerichte könne man sich (nur) im Wege einer schriftlichen Anzeige bei der Polizei wenden. Es falle ihm nunmehr ein, dass er vom SBU (Sicherheitsdienst) vorgeladen worden sei. Man habe ihn direkt von der Arbeit abgeholt, habe ihm Waffenbesitz vorgeworfen und wollte ihn ins Gefängnis bringen. Er habe den Waffenbesitz geleugnet, wurde drei Stunden lang festgehalten, bedroht und schließlich auf die Straße gesetzt. Man habe ihm Handschellen gezeigt und Prügel angedroht für den Fall, dass er nicht gestehe.
Erstmals sei er 1997 von den Schutzgelderpressern unter Druck gesetzt worden. Sie hätten verlangt, dass er die Wohnung verkaufe und ihnen das Geld gebe. Dieser Aufforderung sei er nachgekommen, denn sie hätten sein Leben bedroht. Etwa ein Jahr sei dann ruhig verlaufen, dann habe er auf der Straße sein komplett zerstörtes Auto gefunden, etwa 5 Kilometer außerhalb seines Heimatortes. Er habe diesbezüglich keine Anzeige erstattet.
Er sei im Jahr 2000 zum SBU vorgeladen worden, er habe auf einer Tankstelle gearbeitet. Die "Vorladung" sei wie folgt abgelaufen: Leute in Zivil hätten in von der Tankstelle abgeholt, ihn und das Gelände durchsucht und schließlich dem stellvertretenden Direktor mitgeteilt, er solle einen Ersatztankwart organisieren. Man habe ihn des (illegalen) Waffenbesitzes beschuldigt und aufgefordert, handschriftlich ein Geständnis abzulegen. Er habe den Waffenbesitz abgestritten, worauf man ihm mit Handschellen und Schlägen gedroht habe. Nach drei Stunden habe man ihn freigelassen mit der Drohung, beim nächsten Mal werde er nicht mehr freikommen.
An die Nummer des Gefängnisses, wo er während des Präsenzdienstes gearbeitet habe, könne er sich nicht mehr genau erinnern. Das nächstgelegene Dorf heiße XXXX , im Bezirk XXXX im Gebiet XXXX , etwa 130 Kilometer von XXXX entfernt.
Er habe im Asylantrag zwar den 07.02.2003 als Ausreisetag angegeben, sei aber bereits am 07. oder 08.02.2001 ausgereist, sonst habe er überall die Wahrheit geschrieben. Er habe seinen Asylantrag erst am 10.02.2003 gestellt, weil er nicht gewusst habe, dass er sich irgendwohin um Hilfe wenden könne.
Er glaube, Mitglied der sozialen Gruppe der Gefängniswärter zu sein. Solcherart Gefängnisse hätte es in der Ukraine nur zwei gegeben. Alles sei mit seiner dortigen Tätigkeit begründet. Er fürchte, dass "sie" ihn töten könnten.
Die Frage, ob er noch irgendetwas ergänzend angeben wolle, beantwortete der Beschwerdeführer dahingehend, dass er eine Kopie der Niederschrift wolle.
1.3. Das Bundesasylamt wies den ersten Antrag des Beschwerdeführers mit Bescheid vom 21.06.2004, GZ 03 05.070-BAW gem. § 7 Asylgesetz 1997, BGBl I 1997/76 (AsylG) idgF, ab (Spruchpunkt I) und stellte unter Spruchpunkt II fest, dass die Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung in die Ukraine gem. § 8 Abs 1 AsylG zulässig sei. Der Beschwerdeführer wurde gem. § 8 Abs 2 AsylG aus dem österreichischen Bundesgebiet ausgewiesen.
Der Bescheid wurde sinngemäß im Wesentlichen damit begründet, dass keine asylrelevante Verfolgung glaubhaft gemacht werden könne. Insbesondere sei nicht glaubhaft, dass der Beschwerdeführer zwei Jahre lang nicht gewusst habe, dass er sich an jemand um Hilfe wenden könne. Die Non- Refoulement- Prüfung habe keine stichhaltigen Gründe ergeben, wonach die Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung in die Ukraine zu einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung oder Bestrafung führe. Eine Ausweisung stelle keinen Eingriff in Art 8 EMRK dar.
Gegen diesen Bescheid wurde am 22. Juli 2004 das Rechtsmittel der (nach damaliger Terminologie) Berufung erhoben, sinngemäß wurde das Vorbringen im Kern wiederholt (Tätigkeit als Gefängnisbewacher, Bedrohung durch Personen aus dem Bereich der organisierten Kriminalität).
1.4. Mit Bescheid des Unabhängigen Bundesasylsenates vom 23.01.2006, GZ 251.734/0-IX/27/04, wurde die Berufung abgewiesen. Die seitens des Beschwerdeführers geltend gemachte Verfolgung habe - unabhängig von der Frage der Richtigkeit der Behauptungen - rein kriminelle Gründe. Das Bestehen einer sozialen Gruppe der Gefängniswärter könne nicht festgestellt werden. Die Refoulementprüfung ergebe keine Gefährdung des Beschwerdeführers, die Ausweisungsentscheidung stelle keine Verletzung des Art 8 EMRK dar.
1.5. Mit Beschluss des VwGH vom 7.Oktober 2008, Zl. 2006/19/0707-6, wurde die Behandlung der Beschwerde gegen den Bescheid des UBAS abgelehnt.
1.6. Am 03.04.2009 wurde der Beschwerdeführer von der Fremdenpolizei einvernommen, auf die Rechtskraft des Bescheides des UBAS bzw. auf den Beschluss des VwGH hingewiesen und aufgefordert, ein Formular für die Erstellung eines Heimreisezertifikates auszufüllen, was der Beschwerdeführer jedoch verweigerte, da er nicht in die Ukraine zurückkehren wolle und auch nicht könne.
1.7. Am 24.06.2009 stellte der Beschwerdeführer einen weiteren (zweiten) Antrag auf Internationalen Schutz und gab bei der Erstbefragung am 25.06.2009 zur Frage "Nennen Sie den Grund Ihres neuerlichen Asylantrages. Hat sich an Ihrem alten Asylgrund etwas geändert?" an, er stelle den Asylantrag deshalb, weil in seiner Heimat nach wie vor diese Probleme bestünden. Seine alten Asylgründe seien aufrecht und es komme nichts hinzu. Er werde sich bemühen, dass er in seiner Heimat neue Beweise für seinen Asylgrund besorgen könne.
1.8. Am 27.08.2009 wurde der Beschwerdeführer niederschriftlich vor dem Bundesasylamt einvernommen. Befragt zu etwaigen neuen Fluchtgründen gab der Beschwerdeführer an, dass die Fluchtgründe aus dem Erstverfahren noch immer bestünden. Ergänzend wolle er angeben, dass er nach Ablauf des Militärdienstes für das Innenministerium in seiner Heimatstadt hätte arbeiten sollen, dies aber verweigert hätte und deshalb geflohen sei. Weiters wolle er angeben, homosexuell zu sein. Er sei seit dem Jahre 2003 homosexuell. Auf die Frage, warum er im Erstverfahren nicht angegeben habe, homosexuell zu sein, gab der Beschwerdeführer an, die Polizei habe ihm gesagt, er bekomme noch eine Einvernahme und da könne er alles angeben bzw. vorbringen.
Er habe keine Kinder im EU/EWR-Raum und lebe alleine, er spreche Deutsch, sei kein Mitglied bei einem Verein oder einer Organisation, sei bei der Caritas versichert und bekomme 290 Euro Unterstützung durch die Caritas (sowie 150 Euro/Jahr für Bekleidung und Schuhe). Sonst habe er nichts mehr zu sagen.
1.9. Mit Bescheid des Bundesasylamtes vom 29.08.2009 wurde der Antrag auf internationalen Schutz gem. § 68 Abs 1 AVG wegen entschiedener Sache zurückgewiesen und der Beschwerdeführer gem. § 10 Abs 1 Z 1 AsylG 2005 aus dem österreichischen Bundesgebiet in die Ukraine ausgewiesen. Der Beschwerdeführer habe keinen Sachverhalt vorgebracht, welcher nach rechtskräftigem Abschluss des Erstverfahrens vom 18.01.2006 entstanden wäre. Sowohl das neue Vorbringen, sich nach Abschluss des Militärdienstes geweigert zu haben, für das Innenministerium zu arbeiten, als auch das neue Vorbringen, seit dem Jahre 2003 homosexuell zu sein, könne keinen neuen Sachverhalt begründen. Letzteres hätte (zumindest) im Zuge der eingebrachten Berufung zum Vorverfahren angegeben werden können. Eine maßgebliche Lageänderung im Herkunftsland habe sich nicht ergeben. Ein unzulässiger Eingriff in das Recht auf Achtung des Privat- und Familienlebens liege nicht vor.
Die Zustellung erfolgte am 07.09.2009 durch persönliche Übergabe.
1.10. Gegen diesen Bescheid erhob der Beschwerdeführer fristgerecht das Rechtsmittel der Beschwerde, verbunden mit dem Antrag auf Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung. Der Beschwerdeführer brachte vor, es sei durchaus von einem neuen Sachverhalt auszugehen und seien nunmehr neue Tatsachen bzw. Umstände gegeben. Der Beschwerdeführer lebe nun seine Homosexualität offen aus, was in der Ukraine nicht möglich wäre. Er habe zwar angegeben, seit 2003 homosexuell zu sei, doch sei ein so komplexer Sachverhalt wie Homosexualität nicht mit der Frage "Seit wann sind Sie schwul?" alleine abzuklären, allein aus dieser Form der Fragestellung des BAA gehe eindeutig hervor, dass die einvernehmende Person kein Einfühlungsvermögen und keine sozialpsychologische Kompetenz besessen habe, um dem Phänomen Homosexualität mittels geeigneter Fragetechniken gerecht zu werden. Er habe sich 2003 für sich selbst nur als Möglichkeit vorhandenen Homosexualität auseinandergesetzt, dieses Jahr sei somit nur der Beginn einer ersten Phase des "Coming Out" anzusehen. Erst viel später, 2007, war er nach Jahren der Verdrängung soweit, dass er auch seinem sozialen Umfeld seine Homosexualität mitteilen konnte. Mehrere Berichte belegen, dass nach wie vor eine gravierende Diskriminierung Homosexueller stattfinde, ein gesetzlicher Diskriminierungsschutz existiere nicht.
Diesbezüglich wurde verwiesen auf (a) das Journal von amnesty international (beginnend mit "Die Ukraine war die erste ehemalige Sowjetrepublik, die die Gesetze gegen einvernehmliche homosexuelle Handlungen abschaffte. Trotzdem bestehen nach wie vor starke Vorurteile gegenüber sexuellen Minderheiten (...)", (b) einen Bericht des UN-Hochkommissars für Menschenrechte Thomas Hammarberg vom September 2007 nach einem Besuch der Ukraine im Dezember 2006, wonach die Ukraine zwar die rigiden Sowjetgesetze gegen Homosexualität abgeschafft habe, jedoch kein Mentalitätswandel festgestellt werden könne, da Homosexualität beispielsweise nicht in arbeitsrechtlichen Anti-Diskriminierungsbestimmungen zu finden sei und Homosexuelle in der Arbeitswelt oft unter Diskriminierung leiden", (c) einen Bericht über eine homophobe Demonstration, wonach sich einige Dutzend Frauen und Männer bei der Kiewer Stadtverwaltung mit Plakaten wie zB "Nein zur Homodiktatur", "Verteidigen wir die Zukunft der Ukraine", "Vater+Mutter=Kinder", "Homosexualität = AIDS" versammelt hätten, wobei nicht alle Zuseher diese Aufrufe unterstützt, sondern vielmehr kommentiert hätten: "Was macht es für einen Unterschied, wer mit wem schläft. Wir haben doch Demokratie und vollständige Freiheit", doch hätten die Demonstranten umgekehrt die (Wieder)Einführung der Strafbarkeit für die Propagandierung der Homosexualität gefordert, (d) eine nationale Umfrage der ukrainischen Homosexuellenvereinigung Nash Mir, wonach in fünf Jahren die Anzahl der Personen, die eine Gleichstellung Homosexueller von 42,5 auf 34,1% zurückgegangen sei und 54,4% aller Homosexuellen unter Vorurteilen und Diskriminierungen litten (sogar 76% all jener, die ihre Homosexualität offen ausleben) und (e) die Rechercheergebnisse des kanadischen Einwanderungs- und Asylamtes, wonach 47-60 Prozent aller Ukrainer für eine Einschränkung der Rechte Homosexueller oder Nichtgewährung von solchen Rechten wären (zB keine staatliche Anerkennung von homosexuellen Partnerschaften, kein Obsorgerecht) und Homosexuelle einer eingeschränkten medizinischen Versorgung unterliegen würden; auch gebe es Haßartikel in Medien, welche Homosexualität als Ergebnis einer (persönlichen) Wahl (im Sinne einer freiwilligen Entscheidung) darstellen und nach herrschender Ansicht auf eine ultrahomophobe Organisation zurückgehen. Auch hätten religiöse Gruppierungen Druck ausgeübt, sodass unterschiedliche "Events", etwa im Rahmen des Internationalen Tages gegen Homophobie, abgesagt werden mussten.
Aus diesen fünf Berichten gehe hervor, dass er als homosexuell lebender Mann in der Ukraine Verfolgung ausgesetzt wäre.
Weiters werde kritisiert, dass die Einvernahme am 27.08.2009 ohne Anwesenheit eines Dolmetschers stattgefunden habe, was jedoch aufgrund der Sprachkenntnisse keine Probleme bereitet habe. Wenn im Protokoll behauptet werde, es wäre ein Dolmetscher anwesend gewesen, sei dies wahrheitswidrig, vielmehr habe er vor Gegenzeichnung darauf insistiert, dass nun doch ein Dolmetscher beigestellt werden müsse, was "nach längerer Wartezeit" erfolgt sei. Der Einvernahme sei zu entnehmen, dass der Beschwerdeführer in keiner Weise zu den Begleitumständen seiner Homosexualität oder zur drohenden Diskriminierung in der Ukraine befragt worden wäre. Auch sei seine Homosexualität nicht bereits zum Zeitpunkt des Verlassens der Ukraine gegeben gewesen, wie dies im Bescheid des BAA festgestellt worden wäre.
Es liege weiters ein Abschiebungshindernis vor, da stichhaltige Gründe für die Annahme aufgezeigt worden seien, wonach ein reales Risiko für den Beschwerdeführer bestehe.
Weiters werde auf den achtjährigen Aufenthalt des Beschwerdeführers in Österreich verwiesen; Österreich stelle den Lebensmittelpunkt des Beschwerdeführers dar. Er habe in der Ukraine weder Freunde noch Bekannte. In Österreich habe er stets die Gesetzes geachtet, habe keine strafrechtlichen Verurteilungen und keine Verwaltungsübertretungen begangen. Es liege ihm seit März 2009 eine Arbeitsplatzzusage von Frau XXXX für eine Hausmeisterstelle vor (diese Bestätigung wurde in Kopie beigelegt und beinhaltet eine Beschreibung des Beschwerdeführers als "verlässlichen, tüchtigen Menschen", von dem sie überzeugt sei, "dass er die Voraussetzungen einer guten Integration in die österreichische Gesellschaft mit sich bringt"). Auch spreche er exzellent Deutsch.
1.11. Mit Erkenntnis des Asylgerichtshofes vom 29.09.2009, GZ D11 251734-2/2009/2E, wurde die Beschwerde gem. § 68 Abs 1 AVG iVm § 10 AsylG 2005 idgF als unbegründet abgewiesen. Der Beschwerdeführer habe bei der Erstbefragung zu seinem (zweiten) Antrag auf internationalen Schutz zunächst keine neuen Fluchtgründe geltend gemacht und erst bei der folgenden Einvernahme zum einen auf seine Homosexualität verwiesen, zum anderen auf seine Weigerung, für das ukrainische Innenministerium zu arbeiten. Beide neuen Gründe hätten jedoch bereits im Erstverfahren bestanden und hätten im Erstverfahren vorgebracht werden können bzw. müssen. Die Ausweisung erfolge im überwiegenden öffentlichen Interesse.
1.12. Am 12.07.2011 stellte der Beschwerdeführer gegenständlichen (dritten) Antrag auf internationalen Schutz. Er gab an, etwa um den 17. oder 18. Dezember 2010 das österreichische Bundesgebiet verlassen zu haben und in die Ukraine zurückgekehrt zu sein. Er habe sich bei seiner Mutter im Keller versteckt, ein Foto von ihm und seiner Schwester könne seine Rückkehr in die Ukraine beweisen, dieses könne er sich schicken lassen. Er habe am Flohmarkt schwarz als Träger gearbeitet und sei von der Polizei kontrolliert worden. Diese habe ihn Ende Jänner, Anfang Februar 2011 festgenommen und drei Monate lang bis zum 15. April 2011 im Gefängnis von XXXX inhaftiert. Nach seiner Festnahme habe die Polizei herausgefunden, dass er lange in Österreich gelebt und einen Asylantrag gestellt habe. Daraufhin habe man von ihm 10.000 Euro verlangt und einen Monat Zeit eingeräumt, um das Geld aufzutreiben. Danach habe er sich wieder im Keller bei seiner Mutter versteckt und sei am 07.07.2011 (wieder) nach Österreich geflohen. Man habe ihm bei der Verhaftung angedroht, es werde ihm für den Fall des Nichtbezahlens so ergehen wie seinem (toten) Freund XXXX . Die Polizei glaube, er habe viel Geld, weil er fast 10 Jahre außerhalb der Ukraine gelebt habe.
Dies sei sein neuer Fluchtgrund.
1.13. Am 08.08.2011 wurde der Beschwerdeführer niederschriftlich vor der belangten Behörde einvernommen. Dabei gab er zu seinen Fluchtgründen an, er habe um den 20.12.2010 herum Österreich verlassen und sei am 08.07.2011 wieder in das Österreichische Bundesgebiet eingereist. Er sei etwa am 30.01.2011 auf einem Markt, wo er schwarzgearbeitet habe, angehalten worden und bis zum 15.04.2011 inhaftiert gewesen.
Er werde weiterhin versuchen, eine Bestätigung für seine Rückkehr zu organisieren. Er habe 400 Euro für seine illegale Reise von Österreich in die Ukraine bezahlt.
Auf Vorhalt, er hätte im Zuge einer freiwilligen Rückkehr sogar Rückkehrhilfe in Anspruch nehmen können, sodass die behauptete Rückkehr in die Ukraine nicht glaubhaft sei, gab der Beschwerdeführer an, er müsse Beweismittel beschaffen, wenn man ihm keinen Glauben schenke.
Seine Gründe aus dem Erstverfahren seien noch aufrecht bzw. aktuell.
Er habe jedoch nunmehr erfahren, dass man ihn deswegen verhaftet habe, weil er die Menschen bei der ukrainischen Botschaft habe dazu bringen wollen, bei den letzten Präsidentschaftswahlen für XXXX zu stimmen. Deswegen werde er von den Behörden verfolgt.
Er sei gut integriert, habe 10 Jahre seines Lebens in Österreich verbracht und könne nur in Österreich als Mensch funktionieren. Er habe von Schauspielern des Gloria-Theaters, auch von Herrn XXXX , Deutschunterricht erhalten.
1.14. Mit Bescheid des Bundesasylamtes vom 17.08.2011, Zl. 11 07.076 EAST Ost, wurde der Antrag auf internationalen Schutz gem. § 68 Abs 1 AVG wegen entschiedener Sache zurückgewiesen und der Beschwerdeführer gem. § 10 Abs 1 Z 1 AsylG 2005 aus dem österreichischen Bundesgebiet in die Ukraine ausgewiesen. Es sei nicht glaubhaft, dass der Beschwerdeführer illegal (mit Kosten in Höhe von 400 Euro) in die Ukraine zurückgekehrt sei, da er alternativ unter Gewährung von Rückkehrhilfe nach Hause zurückkehren hätte können.
Der Beschwerdeführer habe keine substantiierten Beweismittel für seine Rückkehr vorlegen können.
Das neue Vorbringen sei darüber hinaus widersprüchlich und weise somit keinen glaubhaften Kern auf.
Die Ausweisung erfolge im überwiegenden öffentlichen Interesse.
1.15. Gegen diesen Bescheid erhob der Beschwerdeführer fristgerecht das Rechtsmittel der Beschwerde und legte in Kopie (unter Ankündigung der Nachreichung des Originals) eine gestempelte Bestätigung der Milizabteilung in XXXX , Abteilung der Stadt XXXX , vor, wonach der Beschwerdeführer am XXXX , 13:30 bis 16:30 Uhr in der Stadt XXXX , angehalten worden sei. In der Beschwerde wurde diesbezüglich ausgeführt, dass die lediglich drei Stunden umfassende Bestätigung darauf zurückzuführen sei, dass die Miliz nicht die (illegale) überlange Inhaftierungsdauer habe einräumen wollen.
Er habe neue Fluchtgründe vorgebracht, konkret die 2009 betriebene Wahlwerbung vor der ukrainischen Botschaft in XXXX zugunsten von XXXX . Bei den Wahlen habe sie jedoch verloren, der siegreiche Kandidat unternehme inzwischen alles, um Timoschenko und ihre Anhänger zu verfolgen.
Es liege ein völlig neuer Sachverhalt vor, eine Qualifikation als "entschiedene Rechtssache" sei ausgeschlossen.
Die Ausweisungsentscheidung wurde in der Beschwerde nicht substantiiert angefochten.
1.16. Mit Erkenntnis des Asylgerichtshofes vom 05.09.2011, D11 251.734-3/2011/2E, wurde der Beschwerde gemäß § 41 Abs 3 Asylgesetz 2005 stattgegeben und der bekämpfte Bescheid behoben. Die Schilderung des Beschwerdeführers zu seiner Heimreise (unter Bezahlung eines Schleppers) sei zwar kaum nachvollziehbar, doch sei die seitens des Beschwerdeführers angekündigte Vorlage von Beweismitteln nicht abgewartet worden bzw. dem Beschwerdeführer diesbezüglich keine Frist eingeräumt worden. Es bedürfe weiterer Erhebungen zur Echtheit und Richtigkeit der mit der Beschwerde (in Kopie) vorgelegten Urkunde.
1.17. Am 14.11.2011 wurde der Beschwerdeführer niederschriftlich vor der belangten Behörde einvernommen. Dabei gab er an, er sei von einem Rechtsanwalt vertreten, er sei jedoch einverstanden, dass die Einvernahme ohne seinen Vertreter durchgeführt werde.
Hinsichtlich seiner Rückkehr wolle er eine Bestätigung der ukrainischen Miliz vorlegen, wonach er an einem bestimmten Tag für drei Stunden angehalten worden sei. Er sei zwar in Wahrheit etwa zweieinhalb Monate angehalten worden (vom 30.01.2011 bis 15.04.2011), doch sei dies illegal erfolgt. Die Miliz wolle diese illegale Handlung nicht bestätigen, er denke, die Anhaltung sei im Zentrum der Stadt gewesen, in der Nähe des Geburtskrankenhauses.
1.18. Mit Bescheid des Bundesasylamtes vom 16.01.2012, Zl. 11 07.076 EAST Ost, wurde der Antrag auf internationalen Schutz gem. § 68 Abs 1 AVG wegen entschiedener Sache zurückgewiesen (Spruchpunkt I.) und der Beschwerdeführer gem. § 10 Abs 1 Z 1 AsylG 2005 aus dem österreichischen Bundesgebiet in die Ukraine ausgewiesen (Spruchpunkt II.). Es sei nicht glaubhaft, dass der Beschwerdeführer illegal (mit Kosten in Höhe von 400 Euro) in die Ukraine zurückgekehrt sei, da er alternativ unter Gewährung von Rückkehrhilfe nach Hause zurückkehren hätte können. Die vorgelegte ukrainische Urkunde weise keine Unterschrift eines entscheidenden Organs auf. Der Beschwerdeführer habe keine sonstigen substantiierten Beweismittel für seine Rückkehr vorlegen können.
Das neue Vorbringen sei darüber hinaus widersprüchlich und weise somit keinen glaubhaften Kern auf.
Die Ausweisung erfolge im überwiegenden öffentlichen Interesse.
Der Bescheid wurde am 18.01.2011 (auch) dem rechtsfreundlichen Vertreter des Beschwerdeführers durch persönliche Übergabe zugestellt.
1.19. Mit Beschwerde vom 20.01.2012 monierte der Beschwerdeführer unter anderem die Unterlassung der Zustellung der Ladung zur Einvernahme am 14.11.2011 an den rechtsfreundlichen Vertreter. Dieser sei jedoch bereits seit der Beschwerde vom 24.08.2011 der ausgewiesene Vertreter des Beschwerdeführers. Darüber hinaus wurde die mangelnde Auseinandersetzung mit der vorgelegten Urkunde gerügt und - zusammengefasst - das bisherige Vorbringen des Beschwerdeführers wiederholt.
1.20. Mit Erkenntnis des AsylGH vom 30.01.2012 wurde der Beschwerde - erneut - gemäß § 41 Abs. 3 AsylG 2005 stattgegeben und der bekämpfte Bescheid behoben. Nebst Fragen der nicht erfolgten Ladung des Rechtsvertreters zur Einvernahme verwies der AsylGH darauf, dass sich die Behörde mit dem Inhalt des neuen Vorbringens nicht ausreichend auseinandergesetzt habe.
1.21. Nach Zurückverweisung der Angelegenheit durch den AsylGH mit Erkenntnis vom 31.01.2012 erfolgte jahrelang kein weiterer Verfahrensschritt durch die nunmehr zuständige Behörde, das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl. Erst am 09.05.2017, somit mehr als fünf Jahre nach Zurückverweisung wurde der BF erneut durch die zuständige Behörde zum Folgeantrag einvernommen, wobei er im Wesentlichen ausführte, dass er sich gar nicht mehr genau erinnern könne, vermutlich zwischen 2009 und 2011 sei er wieder in der Ukraine gewesen. Nach der Rückkehr nach Österreich habe er sofort einen neuen Asylantrag gestellt. Seitdem sei er nicht mehr in der Ukraine gewesen. Er sei bereits in der Ukraine in der Vergangenheit von den Behörden verfolgt und von Polizisten verhaftet worden, dies sei schon einmal im Jahr 2000 gewesen und habe sich bei seinem letzten Besuch in der Ukraine wiederholt. Seine Verwandten hätten den Polizisten Geld gegeben und er sei dann entlassen worden. Nach der Entlassung habe er sich dann entschieden, wieder nach Österreich zu kommen.
Der BF korrigierte sein Vorbringen dahingehend, dass die Verwandten das Geld nicht den Polizisten selbst gegeben hätten, sondern "den Wachleuten, sodass ich aus dem Arrest fliehen konnte".
Dabei führte er erneut aus, dass er in Österreich für eine bereits im ersten Verfahren genannte ukrainische Politikerin Werbung gemacht habe, dies sei im Jahr 2007 gewesen. Auf Vorhalt, dass er ursprünglich in der Erstbefragung angegeben habe, dass die ukrainischen Polizisten 10.000,-- Euro verlangt hätten, vermeinte der BF, dass dies sein könne, aber er habe sowieso kein Geld.
Darüber hinaus verwies der BF darauf, dass er seit dem Jahr 2012 einer legalen Beschäftigung nachgehe, er habe ein Einzelunternehmen gegründet und verdiene ungefähr 1.000,-- Euro monatlich. Deutsch habe er im Laufe seiner Arbeitstätigkeit gelernt und sei er in der Wirtschaftskammer XXXX Mitglied. Nähere Verwandte habe er in Österreich keine und arbeite er primär. Manchmal gehe er mit Freunden zum Fischen oder zum Grillen und manchmal besuche er näher genannte Sehenswürdigkeiten.
Vorgelegt wurde ein ukrainischer Auslandspass, welcher dem BF am XXXX ausgestellt worden ist.
1.22. Wiederum ein Jahr später, am 14.03.2018, wurde der BF durch die belangte Behörde neuerlich einvernommen. Erneut wurden diverse Fragen zu seiner Person, seinen persönlichen Verhältnissen und seinem Vorleben gestellt. Im Wesentlichen führte der BF aus, dass es sein könne, dass seine Verhaftung im Jahr 2011 mit seiner damaligen Unterstützung für die Politikerin XXXX zu tun habe. Das sei ihm bei der Polizei aber nicht erklärt worden, er denke jedoch, dass es mit seiner Unterstützung für diese Politikerin zu tun habe. Der BF führte erneut zu seiner familiären und persönlichen Situation aus, vorgelegt wurde ein Deutschzertifikat und der Nachweis über die Firmengründung durch einen Auszug aus dem Gewerberegister.
1.23. Am 12.07.2018 erfolgte nunmehr die bereits dritte Einvernahme durch die belangte Behörde, bei welcher erneut der BF zu seiner Person, seinem Familienstand und seiner persönlichen Situation befragt wurde.
Zum Fluchtgrund führte der BF im Wesentlichen aus, dass er in der Ukraine nach der Rückkehr aus Österreich etwa vier oder fünf Tage eingesperrt gewesen sei, er habe dann Geld bezahlt, damit er freigelassen werde. Auf die Frage, ob er den Ombudsmann kontaktiert habe, vermeinte der BF, dass es einen solchen in der Ukraine nicht geben würde. Nunmehr meinte der BF, dass er 2009 aus Österreich ausgereist und 2010 oder 2011 zurückgekommen sei, er erinnere sich nicht mehr so genau. Die genannte ukrainische Politikerin würde er auch nicht mehr unterstützen. Wie die Polizei in der Ukraine überhaupt auf ihn gekommen sei, das wisse er nicht.
1.24. Mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid vom 06.09.2018 wurde der Antrag auf internationalen Schutz vom 12.07.2011 unter Spruchteil I. und II. hinsichtlich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten und des Status des subsidiär Schutzberechtigten abgewiesen. Unter Spruchteil III. wurde ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß § 57 AsylG nicht erteilt, die belangte Behörde erließ gegen den BF darüber hinaus unter Spruchteil IV. eine Rückkehrentscheidung, stellte unter Spruchpunkt V. fest, dass die Abschiebung des BF in die Ukraine zulässig sei und legte die Frist für die freiwillige Ausreise unter Spruchpunkt VI. mit 14 Tagen ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung fest.
Nach umfangreichen Feststellungen zur Lage im Herkunftsstaat und nach Wiedergabe des Verfahrensgangs führte die belangte Behörde aus, warum das Vorbringen über die Ereignisse nach angeblicher Rückkehr aus Österreich in die Ukraine nicht glaubhaft sei. Im Wesentlichen vermeinte die belangte Behörde, dass der BF die Heimat nicht aufgrund von Verfolgungshandlungen verlassen habe, sondern aufgrund seines Wunsches, die Lebens- und Arbeitsmöglichkeiten zu verbessern. In rechtlicher Hinsicht führte die belangte Behörde aus, dass der BF weder asylrelevante Gründe noch Gründe für die Zuerkennung von subsidiärem Schutz habe vortragen können. Auch eine Aufenthaltsberechtigung "besonderer Schutz" sei nicht zu erteilen gewesen.
In Bezug auf die Rückkehrentscheidung führte die belangte Behörde im Wesentlichen einzig aus, dass der BF seit dem Jahr 2011 im österreichischen Bundesgebiet aufhältig sei, zuvor sei er illegal eingereist. Der BF sei nicht verheiratet und habe keine Kinder und lebe auch in keiner Lebensgemeinschaft. Eine nähere Begründung, warum das öffentliche Interesse an der Rückkehrentscheidung größer wiegen könnte als die privaten Interessen an einem Verbleib im Bundesgebiet, läßt sich der angefochtenen Entscheidung nicht entnehmen.
1.25. Gegen diesen Bescheid wurde fristgerecht Beschwerde erhoben, wobei im Wesentlichen erneut die angebliche Rückkehr und die angebliche Inhaftierung vorgetragen wurde. Primär richtet sich die vorliegende Beschwerde aber gegen die mangelnde Prüfung der integrativen Aspekte in Bezug auf das Privatleben des BF, habe dieser doch im Laufe des Verfahrens eine Reihe an Belegen für sein reiches Privatleben in Österreich vorgelegt.
Der BF legte in der Beschwerde aktuelle Verdienstbestätigungen, einen Mietvertrag, Empfehlungsschreiben des griechisch-katholischen Zentralpfarramts zu XXXX , diverse Empfehlungsschreiben von Freunden und Bekannten und eine Prüfungsanmeldebestätigung für eine Deutsch-Prüfung auf der Stufe B1 vor.
1.26. Am 09.06.2020 wurde der BF durch das erkennende Gericht zu den Umständen seiner angeblichen Rückkehr in die Ukraine, den angeblichen Ereignissen in der Ukraine mit angeblich erfolgter Inhaftierung sowie zu seinem Privatleben im Bundesgebiet einvernommen. Bereits vorangehend hatte der BF den Nachweis einer erfolgten Integrationsprüfung, bestehend aus Inhalten zur Sprachkompetenz (Niveau: B1) vorgelegt, wonach er die genannte Integrationsprüfung bereits am 13.10.2018 bestanden hat.
Auch im Rahmen der Beschwerdeverhandlung legte der BF zahlreiche Dokumente zu seiner seit dem Jahr 2012 bestehenden Gewerbeberechtigung und dem damit einhergehenden regelmäßigen Einkommen vor.
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat nach Durchführung einer Beschwerdeverhandlung wie folgt erwogen:
Beweis wurde erhoben durch den Inhalt des vorliegenden Verwaltungsaktes des BF, beinhaltend die niederschriftlichen Einvernahmen vor dem BFA, die Beschwerde, die Stellungnahme des BF, durch Einsicht in die vor dem BFA und im Beschwerdeverfahren vorgelegten Unterlagen, durch Einholung von Auszügen aus ZMR, GVS, IZR und Strafregister und schließlich durch Berücksichtigung aktueller Länderinformationen zum Herkunftsstaat.
1. Feststellungen:
Feststellungen zum BF:
Der BF ist Staatsangehöriger der Ukraine, gehört der ukrainischen Volksgruppe an und bekennt sich zum griechisch - katholischen Glauben.
Die Identität des BF steht fest.
Der BF hält sich nach fester Überzeugung des erkennenden Gerichts seit 2001 durchgehend im Bundesgebiet auf.
Der BF konnte nicht glaubwürdig dartun, dass ihm in der Ukraine mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit eine an asylrelevante Merkmale anknüpfende Verfolgung maßgeblicher Intensität gedroht hat oder ihm aktuell droht.
Nicht festgestellt werden kann, dass der BF im Fall der Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung in die Ukraine in seinem Recht auf Leben gefährdet wäre, der Folter oder unmenschlicher oder erniedrigender Strafe oder Behandlung unterworfen würde oder von der Todesstrafe bedroht wäre.
Es konnte ferner nicht festgestellt werden, dass der BF im Fall der Rückkehr in den Herkunftsstaat in eine existenzgefährdende Notlage geraten würde und die notdürftigste Lebensgrundlage entzogen wäre.
Der BF leidet an keinen physischen oder psychischen Krankheiten, welche eine Rückkehr in die Ukraine iSd. Art. 3 EMRK unzulässig machen würden.
Der BF war in der Ukraine in der Lage, sich den Lebensunterhalt zu sichern. In der Ukraine halten sich zudem zahlreiche Verwandte des BF (unter anderem die Mutter und Geschwister) auf.
Der aktuell laut Strafregister unbescholtene BF hält sich seit beinahe 20 Jahren im Bundesgebiet auf. Der BF lebt seit Jahren in Mietwohnungen in XXXX , kommt selbständig für die Wohnungsmiete auf und bezieht seit Jahren keine Leistungen aus der Grundversorgung. Der BF betreibt seit 2012 ein gewerberechtlich registriertes Unternehmen, womit er seit Jahren seinen Unterhalt bestreitet. Der BF verfügt über einen großen Freundeskreis - vor allem polnische und österreichische Staatsbürger, ist in seiner Religionsgemeinschaft aktiv und hat zahlreiche Unterstützungsschreiben vorgelegt.
Länderfeststellungen zum Herkunftsstaat des BF:
Neueste Ereignisse - Integrierte Kurzinformationen
KI vom 24.04.2019, Präsidentschaftswahlen (relevant für Abschnitt 2/Politische Lage)
Der ukrainische Schauspieler, Jurist und Medienunternehmer Wolodymyr Oleksandrowytsch Selenskyj gewann laut vorläufigem Endergebnis am 21. April die Präsidentschaftsstichwahl der Ukraine gegen den Amtsinhaber Petro Poroschenko mit 73,2% zu 24,5% der abgegebenen Stimmen (Wahlbeteiligung: 61,4%) (DS 21.4.2019; ZO 21.4.2019; ZDF 23.4.2019). Beobachtern zufolge verlief die Wahl im Großen und Ganzen frei und fair und entsprach generell den Regeln des demokratischen Wettstreits. Kritisiert wurden unter anderem die unklare Wahlkampffinanzierung und die Medienberichterstattung in der Wahlauseinandersetzung (KP 22.4.2019).
Es ist ziemlich unklar, wofür der designierte Präsident Selenskyj steht, bzw. was man politisch von ihm erwarten darf. Bekannt geworden ist Selenskyj durch die beliebte ukrainische Fernsehserie "Diener des Volkes", in der er einen einfachen Bürger spielt, der eher zufällig Staatspräsident wird und dieses Amt mit Erfolg ausübt. Tatsächlich hat Selenskyj keine nennenswerte politische Erfahrung, ist dadurch jedoch auch unbefleckt von politischen Skandalen. Eigenen Aussagen zufolge will er den Friedensplan für den umkämpften Osten des Landes wiederbeleben und strebt wie Poroschenko einen EU-Beitritt an. Über einen Nato-Beitritt der Ukraine soll jedoch eine Volksabstimmung entscheiden (DS 21.4.2019; ZO 21.4.2019). Selenskyj hat sich vor allem den Kampf gegen die Korruption auf seine Fahnen geschrieben (UA 27.2.2019).
Kritiker sehen Selenskyj als Marionette des Oligarchen Igor Kolomojskyj, dessen weitgehende Macht unter Präsident Poroschenko stark beschnitten wurde, und auf dessen Fernsehsender 1+1 viele von Selenskyjs Sendungen ausgestrahlt werden. Diesen Vorwurf hat Selenskyj stets zurückgewiesen (UA 27.2.2019; CNN 21.4.2019; Stern 23.4.2019).
- Quellen: - CNN - Cable News Network (21.4.2019): Political newcomer Volodymyr Zelensky celebrates victory in Ukraine's presidential elections, https://edition.cnn.com/2019/04/21/europe/ukraine-election-results-intl/index.html, Zugriff 24.4.2019 - DS - Der Standard (21.4.2019): Politikneuling Selenski wird neuer Präsident der Ukraine, https://derstandard.at/2000101828722/Politik-Neuling-Selenski-bei-Praesidenten-Stichwahlin-der-Ukraine-vorn, Zugriff 24.4.2019 - KP - Kyiv Post (22.4.2019): Election watchdog Opora: Presidential election free and fair, https://www.kyivpost.com/ukraine-politics/election-watchdog-opora-presidential-election-freeand-fair.html, Zugriff 24.4.2019
- - Stern (23.4.2019): Ihor Kolomojskyj, der milliardenschwere Strippenzieher hinter der Sensation Selenskyj, https://www.stern.de/politik/ausland/ukraine-ihor-kolomojskyj--derstrippenzieher-hinter-der-sensation-selenskyj-8678850.html, Zugriff 24.4.2019 - UA - Ukraine Analysen (27.2.2019): Präsidentschaftswahlen 2019, per E-Mail - ZDF - Zweites Deutsches Fernsehen (23.4.2019): Ukraine: Vorläufiges Ergebnis. Selenskyj gewinnt Wahl mit 73 Prozent, https://www.zdf.de/nachrichten/heute/nach-der-wahl-in-derukraine-vorlaeufiges-ergebnis-steht-fest-100.html, Zugriff 24.4.2019 - ZO - Zeit Online (21.4.2019): Komiker Wolodymyr Selenskyj gewinnt Präsidentschaftswahl, https://www.zeit.de/politik/ausland/2019-04/ukraine-wahl-komiker-wolodymyr-selenskyj-liegtlaut-prognosen-vorne, Zugriff 24.4.201
KI vom 09.01.2019, Kriegsrecht beendet (relevant für Abschnitt 3/Sicherheitslage)
Der ukrainische Präsident Petro Poroschenko hat wie angekündigt, das für Teile der Ukraine verhängte 30-tägige Kriegsrecht, nicht verlängert. Es lief damit wie geplant am 26.12.2018 um 13 Uhr (MEZ) aus. Der Präsident betonte, das Kriegsrecht habe in keiner Weise den Alltag der Zivilbevölkerung beeinflusst (ZO 26.12.2018; vgl. DW 26.12.2018).
Quellen: - DW - Deutsche Welle (26.12.2018): Poroschenko beendet das Kriegsrecht, https://www.dw.com/de/poroschenko-beendet-das-kriegsrecht/a-46868008, Zugriff 9.1.2019 - ZO - Zeit Online (26.12.2018): Kriegsrecht in der Ukraine ist beendet, https://www.zeit.de/politik/ausland/2018-12/petro-poroschenko-ukraine-kriegsrechtbeendet, Zugriff 9.1.2019
KI vom 28.11.2018, 30 Tage Kriegsrecht für bestimmte Oblaste verhängt (relevant für Abschnitt 3/Sicherheitslage)
Das ukrainische Parlament hat am 26. November dem Antrag von Präsident Poroschenko zugestimmt, in Teilen des Landes für 30 Tage das Kriegsrecht zu verhängen. Betroffen sind die "gegenüber russischer Aggression verwundbarsten Regionen" des Landes (siehe Karte) (RFE/RL 26.11.2018).
...
Das Kriegsrecht ermöglicht in den genannten Oblasten eine teilweise Mobilisierung, eine Stärkung der Luftverteidigung sowie eine nicht näher spezifizierte Stärkung des Konterspionage-, Konterterrorismus- und Kontersabotage-Regimes und der Informationssicherheit. Von den 450 Abgeordneten der Obersten Rada (ukrainisches Parlament) stimmten nach hitziger Debatte 276 für und 30 gegen den Antrag. Zuerst hatte Poroschenko die Maßnahme noch für 60 Tage gefordert, das aber später reduziert (RFE/RL 26.11.2018).
Anlass für diesen in der ukrainischen Geschichte beispiellosen Schritt, war ein Vorfall in der Meerenge von Kertsch (der einzigen Zufahrt zum Asowschen Meer) vom vergangenen Wochenende, bei dem die russische Küstenwache Patrouillenboote der ukrainischen Marine erst beschoss, einen Schlepper rammte und die Boote danach festsetzte und insgesamt 23 ukrainische Seeleute inhaftierte. Russland behauptet, die ukrainischen Seefahrzeuge hätten illegal russische Gewässer befahren. Seit die ukrainische Krimhalbinsel von Russland annektiert worden ist, gibt es gehäuft Probleme beim freien Zugang zum Asowschen Meer und damit zum für die ukrainische Wirtschaft so wichtigen Hafen Mariupol. Mittlerweile hat Russland auch eine Brücke über die Meerenge von Kertsch gebaut (RFE/RL 26.11.2018).
Präsident Poroschenko sagte vor der Debatte im Parlament, die Verhängung des Kriegsrechts sei nötig, damit die Ukraine unverzüglich die Verteidigung stärken kann, um im Falle einer Invasion schnell reagieren zu können. Dies bedeute jedoch nicht, dass die Ukraine offensive Operationen unternehmen wolle; es gehe ausschließlich um den Schutz des Territoriums und die Sicherheit der Bürger. Das Kriegsrecht sieht Dutzende Handlungsoptionen vor, die ergriffen werden können - aber nicht müssen. Diese müssen vor Inkrafttreten von der Regierung festgelegt werden. So gehen die Polizeiaufgaben in Kampfgebieten an die Armee über. Das Militär erhält erweiterte Rechte und ist beispielsweise berechtigt, Ausgangssperren zu verhängen sowie Wohnungsdurchsuchungen und Verkehrs- und Personenkontrollen vorzunehmen. Männer im wehrpflichtigen Alter unterliegen Meldeauflagen. Auch ist es während des Kriegsrechts verboten, Verfassungsänderungen, Parlaments- oder Präsidentenwahlen durchzuführen. Das Kriegsrecht lässt aber keine Folter zu. Bei Rechtsverstößen können nur reguläre Gerichte urteilen. Zusätzlich können weitere Maßnahmen getroffen werden wie Einschränkung der Pressefreiheit, Kontrollen oder Einschränkungen der Kommunikationsmittel usw. Im Gesetz ist festgehalten, dass das Kriegsrecht nach dem festgelegten Zeitraum enden muss. Eine Verlängerung würde dementsprechend einen erneuten Antrag des Präsidenten erfordern. Allerdings kann das Kriegsrecht auch frühzeitig beendet werden. Das derzeit geltende Kriegsrecht gilt für 30 Tage. Es trat am 28. November 2018, 9 Uhr morgens in Kraft und endet am 27. Dezember 2018 (SO 27.11.2018).
Präsidentschaftswahlen in der Ukraine sind für den 21. März 2019 angesetzt und sollen wie geplant stattfinden (RFE/RL 26.11.2018).
- Quellen: - RFE/RL - Radio Free Europe / Radio Liberty (26.11.2018): Ukraine Backs Martial Law After Gunfire At Sea, https://www.rferl.org/a/ukrainian-lawmakers-to-considermartial-law-proposal-after-russia-opens-fire-on-ships-in-black-sea/29620128.html? ltflags=mailer, Zugriff 28.11.2018 - RFE/RL - Radio Free Europe / Radio Liberty (27.11.2018): Ukraine's Martial Law, https://www.rferl.org/a/ukraines-martial-law/29623833.html?ltflags=mailer, Zugriff 28.11.2018 - SO - Spiegel Online (27.11.2018): So weitreichend ist das ukrainische Kriegsrecht, http://www.spiegel.de/politik/ausland/ukraine-was-bedeutet-das-kriegsrecht-a1240658.html, Zugriff 28.11.201
KI vom 19.12.2017, Antikorruption (relevant für Abschnitt 2/Politische Lage, Abschnitt 4/Rechtsschutz/Justizwesen und Abschnitt 7/Korruption)
Die Ukraine hat seit 2014 durchaus Maßnahmen gesetzt, um die Korruption zu bekämpfen, wie die Offenlegung der Beamtenvermögen und die Gründung des Nationalen Antikorruptionsbüros (NABU). Gemeinsam mit dem ebenfalls neu geschaffenen Antikorruptionsstaatsanwalt kann das NABU viele Fälle untersuchen und hat einige aufsehenerregende Anklagen vorbereitet, u.a. wurde der Sohn des ukrainischen Innenministers festgenommen. Doch ohne ein spezialisiertes Antikorruptionsgericht läuft die Arbeit der Ermittler ins Leere, so die Annahme der Kritiker, da an normalen Gerichten die Prozesse erfahrungsgemäß eher verschleppt werden können. Das Antikorruptionsgericht sollte eigentlich bis Ende 2017 seine Arbeit aufnehmen, wurde aber noch immer nicht formell geschaffen. Präsident Poroschenko äußerte unlängst die Idee, eine auf Korruption spezialisierte Kammer am Obersten Gerichtshof sei ausreichend und schneller einzurichten. Diesen Vorschlag lehnte jedoch der Internationale Währungsfonds (IWF) ab. Daher bot Poroschenko eine Doppellösung an: Zuerst solle die Kammer eingerichtet werden, später das unabhängige Gericht. Der Zeitplan dafür ist jedoch offen (NZZ 9.11.2017).
Kritiker sehen darin ein Indiz für eine Einflussnahme auf die Justiz durch den ukrainischen Präsident Poroschenko. Mit Juri Luzenko ist außerdem Poroschenkos Trauzeuge Chef der Generalstaatsanwaltschaft, welche von Transparency International als Behörde für politische Einflussnahme bezeichnet wird. Tatsächlich berichtet die ukrainische Korruptionsstaatsanwaltschaft von Druck und Einflussnahme auf ihre Ermittler (DS 30.10.2017).
Ende November 2017 brachten Abgeordnete der Regierungskoalition zudem einen Gesetzentwurf ein, der eine "parlamentarische Kontrolle" über das NABU vorsah und heftige Kritik der westlichen Partner und der ukrainischen Zivilgesellschaft auslöste (UA 13.12.2017). Daraufhin wurde der Gesetzesentwurf wieder von der Tagesordnung genommen (DS 7.12.2017), dafür aber der Vorsitzende des Komitees der Werchowna Rada zur Korruptionsbekämpfung entlassen, welcher die Ernennung des von der Regierung bevorzugten Kandidaten für das Amt des Auditors im NABU blockiert hatte (UA 13.12.2017).
Im Zentrum der ukrainischen Hauptstadt Kiew haben zuletzt mehrere Tausend Menschen für eine Amtsenthebung von Präsident Petro Poroschenko demonstriert. Die Kundgebung wurde von Micheil Saakaschwili angeführt - Ex-Staatschef Georgiens und Ex-Gouverneur des ukrainischen Odessa, der ursprünglich von Präsident Poroschenko geholt worden war, um gegen die Korruption vorzugehen. Saakaschwili wirft Poroschenko mangelndes Engagement im Kampf gegen die Korruption vor und steht seit einigen Wochen an der Spitze einer Protestbewegung gegen den ukrainischen Präsidenten. Mit seinen Protesten will er vorgezogene Neuwahlen erzwingen. Saakaschwili war Anfang Dezember, nach einer vorläufigen Festnahme, von einem Gericht freigelassen worden. Die Staatsanwaltschaft ermittelt gegen ihn wegen Organisation eines Staatsstreiches (DS 17.12.2017).
Die EU hat jüngst die Auszahlung eines Hilfskredits über 600 Mio. ? an die Ukraine gestoppt, und der Internationale Währungsfonds (IWF) ist ebenfalls nicht zur Gewährung von weiteren Hilfskrediten bereit, solange der Kampf gegen die grassierende Korruption nicht vorankommt (NZZ 18.12.2017). Der IWF hat die Ukraine aufgefordert, die Unabhängigkeit von NABU und Korruptionsstaatsanwaltschaft zu gewährleisten und rasch einen gesetzeskonformen Antikorruptionsgerichtshof im Einklang mit den Empfehlungen der Venediger Kommission des Europarats zu schaffen (UA 13.12.2017).
Quellen:
- DS - Der Standard (17.12.2017): Tausende fordern in Kiew Amtsenthebung von Poroschenko, http://derstandard.at/2000070553927/Tausende-fordern-in-Kiew-Amtsenthebung-von-Poroschenko?ref=rec, Zugriff 19.12.2017
- DS - Der Standard (7.12.2017): Interventionen verhindern Gesetz gegen ukrainisches Antikorruptionsbüro, http://derstandard.at/2000069775196/Ukrainischer-Antikorruptionsbehoerde-droht-Verlust-an-Unabhaengigkeit, Zugriff 19.12.2017
- DS - Der Standard (30.10.2017): Die ukrainische Justizfassade bröckelt noch immer, http://derstandard.at/2000066853489/Die-ukrainische-Justizfassade-broeckelt-noch-immer?ref=rec, Zugriff 19.12.2017
- NZZ - Neue Zürcher Zeitung (18.12.2017): Das politische Risiko in der Ukraine ist zurück, https://www.nzz.ch/finanzen/das-politische-risiko-in-der-ukraine-ist-zurueck-ld.1340458, Zugriff 19.12.2017
- NZZ - Neue Zürcher Zeitung (9.11.2017): Der ukrainische Präsident verschleppt längst überfällige Reformen, https://www.nzz.ch/meinung/ukraine-revolution-im-rueckwaertsgang-ld.1327374, Zugriff 19.12.2017
- UA - Ukraine Analysen (13.12.2017): Ukraine Analysen Nr. 193, http://www.laender-analysen.de/ukraine/pdf/UkraineAnalysen193.pdf?utm_source=newsletter&utm_medium=email&utm_campaign=Ukraine-Analysen+193&newsletter=Ukraine-Analysen+193, Zugriff 19.12.2017
1. Politische Lage
Die Ukraine ist eine parlamentarisch-präsidiale Republik. Ihr Staatsoberhaupt ist seit 7.6.2014 Präsident Petro Poroschenko. Regierungschef ist seit 14.4.2016 Ministerpräsident Wolodymyr Hroisman. Das Parlament (Verkhovna Rada) der Ukraine besteht aus einer Kammer; 225 Sitze werden über ein Verhältniswahlsystem mit Listen vergeben, 225 weitere Sitze werden in Mehrheitswahl an Direktkandidaten in den Wahlkreisen vergeben. 27 Mandate bleiben aufgrund der Krim-Besetzung und des Konflikts in der Ost-Ukraine derzeit unbesetzt. Im Parlament sind folgende Fraktionen und Gruppen vertreten (mit Angabe der Zahl der Sitze):
Block von Petro Poroschenko (Blok Petra Poroschenka)
142
Volksfront (Narodny Front)
81
Oppositionsblock (Oposyzijny Blok)
43
Selbsthilfe (Samopomitsch)
26
Radikale Partei von Oleh Ljaschko (Radykalna Partija Oleha Ljaschka)
20
Vaterlandspartei (Batkiwschtschyna)
20
Gruppe Wolja Narodu
19
Gruppe Widrodshennja
24
Fraktionslose Abgeordnete
48
(AA 2.2017a)
Der nach der "Revolution der Würde" auf dem Kiewer Maidan im Winter 2013/2014 und der Flucht von Wiktor Janukowytsch mit großer Mehrheit bereits im ersten Wahldurchgang zum Präsidenten gewählte Petro Poroschenko verfolgt seither mit unterschiedlichen Koalitionen eine europafreundliche Reformpolitik. Zu den Schwerpunkten des Regierungsprogramms gehören die Bekämpfung der Korruption sowie eine Verfassung- und Justizreform. Die Parteienlandschaft ist pluralistisch und reflektiert alle denkbaren Strömungen von national-konservativ bis links-sozialistisch. Die kommunistische Partei ist verboten. Die Regierung Hrojsman, die seit April 2016 im Amt ist, setzt den euroatlantischen Integrationskurs der Vorgängerregierung unter Arseni Jazenjuk fort und hat trotz zahlreicher koalitionsinterner Querelen und zum Teil großer Widerstände wichtige Reformen erfolgreich durchführen können. Gleichwohl sind die Erwartungen der Öffentlichkeit zu Umfang und Tempo der Reformen bei weitem nicht befriedigt (AA 7.2.2017).
Die Präsidentenwahlen des Jahres 2014 werden von internationalen und nationalen Beobachtern als frei und fair eingestuft (USDOS 3.3.2017a).
Ukrainische Bürger können seit 11. Juni 2017 ohne Visum bis zu 90 Tage in die Europäische Union reisen, wenn sie einen biometrischen Pass mit gespeichertem Fingerabdruck besitzen. Eine Arbeitserlaubnis ist damit nicht verbunden. Die Visabefreiung gilt für alle EU-Staaten mit Ausnahme Großbritanniens und Irlands (DS 11.6.2017).
Quellen:
- AA - Auswärtiges Amt (7.2.2017): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Ukraine, https://www.ecoi.net/file_upload/4598_1488455088_deutschland-auswaertiges-amt-bericht-ueber-die-asyl-und-abschiebungsrelevante-lage-in-der-ukraine-stand-januar-2017-07-02-2017.pdf, Zugriff 31.5.2017
- AA - Auswärtiges Amt (2.2017a): Ukraine, http://www.auswaertiges-amt.de/DE/Aussenpolitik/Laender/Laenderinfos/01-Nodes_Uebersichtsseiten/Ukraine_node.html, Zugriff 31.5.2017
- DS - Der Standard (11.6.2017): Ukrainer feierten Aufhebung der Visapflicht für die EU, http://derstandard.at/2000059097595/Ukrainer-feierten-Aufhebung-der-Visapflicht-fuer-die-EU, Zugriff 19.6.2017
- USDOS - US Department of State (3.3.2017a): Country Report on Human Rights Practices 2016 - Ukraine, https://www.ecoi.net/local_link/337222/480033_de.html, Zugriff 31.5.2017
2. Sicherheitslage
Der nach der "Revolution der Würde" auf dem Kiewer Maidan im Winter 2013/2014 und der Flucht von Wiktor Janukowytsch vom mit großer Mehrheit bereits im ersten Wahlgang am 07.06.2014 direkt zum Präsidenten gewählte Petro Poroschenko verfolgt eine europafreundliche Reformpolitik, die von der internationalen Gemeinschaft maßgeblich unterstützt wird. Diese Politik hat zu einer Stabilisierung der Verhältnisse im Inneren geführt, obwohl Russland im März 2014 die Krim annektierte und seit Frühjahr 2014 separatistische "Volksrepubliken" im Osten der Ukraine unterstützt (AA 7.2.2017).
Die ukrainische Regierung steht für einen klaren Europa-Kurs der Ukraine und ein enges Verhältnis zu den USA. Das 2014 von der Ukraine unterzeichnete und ratifizierte Assoziierungsabkommen mit der EU ist zum Jahresbeginn 2016 in Kraft getreten und bildet die Grundlage der Beziehungen der Ukraine zur EU. Es sieht neben der gegenseitigen Marktöffnung die Übernahme rechtlicher und wirtschaftlicher EU-Standards durch die Ukraine vor. Das Verhältnis zu Russland ist für die Ukraine von zentraler Bedeutung. Im Vorfeld der ursprünglich für November 2013 geplanten Unterzeichnung des EU-Assoziierungsabkommens übte Russland erheblichen Druck auf die damalige ukrainische Regierung aus, um sie von der EU-Assoziierung abzubringen und stattdessen einen Beitritt der Ukraine zur Zollunion/Eurasischen Wirtschaftsgemeinschaft herbeizuführen. Nach dem Scheitern dieses Versuchs und dem Sturz von Präsident Janukowytsch verschlechterte sich das russisch-ukrainische Verhältnis dramatisch. In Verletzung völkerrechtlicher Verpflichtungen und bilateraler Verträge annektierte Russland im März 2014 die Krim und unterstützt bis heute die bewaffneten Separatisten im Osten der Ukraine (AA 2.2017c).
Die sogenannten "Freiwilligen-Bataillone" nehmen offiziell an der "Anti-Terror-Operation" der ukrainischen Streitkräfte teil. Sie sind nunmehr alle in die Nationalgarde eingegliedert und damit dem ukrainischen Innenministerium unterstellt. Offiziell werden sie nicht mehr an der Kontaktlinie eingesetzt, sondern ausschließlich zur Sicherung rückwärtiger Gebiete. Die nicht immer klare hierarchische Einbindung dieser Einheiten hatte zur Folge, dass es auch in den von ihnen kontrollierten Gebieten zu Menschenrechtsverletzungen gekommen ist, namentlich zu Freiheitsberaubung, Erpressung, Diebstahl und Raub, eventuell auch zu extralegalen Tötungen. Diese Menschenrechtsverletzungen sind Gegenstand von allerdings teilweise schleppend verlaufenden Strafverfahren. Der ukrainische Sicherheitsdienst SBU bestreitet, trotz anderslautender Erkenntnisse von UNHCHR, Personen in der Konfliktregion unbekannten Orts festzuhalten und verweist auf seine gesetzlichen Ermittlungszuständigkeiten. In mindestens einem Fall haben die Strafverfolgungsbehörden bisher Ermittlung wegen illegaler Haft gegen Mitarbeiter der Sicherheitsbehörden aufgenommen (AA 7.2.2017).
Seit Ausbruch des Konflikts im Osten der Ukraine in den Regionen Lugansk und Donezk im April 2014 zählte das Büro des Hochkommissars für Menschenrechte der UN (OHCHR) 33.146 Opfer des Konflikts, davon 9.900 getötete und 23.246 verwundete Personen (inkl. Militär, Zivilbevölkerung und bewaffnete Gruppen). Der Konflikt wird von ausländischen Kämpfern und Waffen, die nach verschiedenen Angaben aus der Russischen Föderation in die nicht von der ukrainischen Regierung kontrollierten Gebiete (NGCA) gebracht werden, angeheizt. Zudem gibt es eine massive Zerstörung von zivilem Eigentum und Infrastruktur in den Konfliktgebieten. Auch Schulen und medizinische Einrichtungen sind betroffen. Zuweilen ist vielerorts die Strom- und Wasserversorgung unterbrochen, ohne die im Winter auch nicht geheizt werden kann. Der bewaffnete Konflikt stellt einen Bruch des Internationalen Humanitären Rechts und der Menschenrechte dar. Der Konflikt wirkt sich auf die ganze Ukraine aus, da es viele Kriegsrückkehrern (vor allem Männer) gibt und die Zahl der Binnenflüchtlinge (IDPs) hoch ist. Viele Menschen haben Angehörige, die getötet oder entführt wurden oder weiterhin verschwunden sind. Laut der Special Monitoring Mission der OSZE sind täglich eine hohe Anzahl an Brüchen der Waffenruhe, die in den Minsker Abkommen vereinbart wurde, zu verzeichnen (ÖB 4.2017).
Russland kontrolliert das Gewaltniveau in der Ostukraine und intensiviert den Konflikt, wenn es russischen Interessen dient (USDOS 3.3.2017a).
Quellen:
- AA - Auswärtiges Amt (7.2.2017): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Ukraine, https://www.ecoi.net/file_upload/4598_1488455088_deutschland-auswaertiges-amt-bericht-ueber-die-asyl-und-abschiebungsrelevante-lage-in-der-ukraine-stand-januar-2017-07-02-2017.pdf, Zugriff 31.5.2017
- AA - Auswärtiges Amt (2.2017b): Innenpolitik, http://www.auswaertiges-amt.de/DE/Aussenpolitik/Laender/Laenderinfos/Ukraine/Innenpolitik_node.html, Zugriff 31.5.2017
- AA - Auswärtiges Amt (2.2017c): Außenpolitik, http://www.auswaertiges-amt.de/DE/Aussenpolitik/Laender/Laenderinfos/Ukraine/Aussenpolitik_node.html, Zugriff 31.5.2017
- ÖB - Österreichische Botschaft Kiew (4.2017): Asylländerbericht Ukraine
- USDOS - US Department of State (3.3.2017a): Country Report on Human Rights Practices 2016 - Ukraine, https://www.ecoi.net/local_link/337222/480033_de.html, Zugriff 12.7.2017
2.1. Halbinsel Krim
Die Halbinsel Krim wurde 2014 von der Russischen Föderation besetzt. Das "Referendum" über den Anschluss an Russland, welches auf der Krim durchgeführt wurde, wurde von der Generalversammlung der Vereinten Nati