TE Lvwg Erkenntnis 2020/5/11 VGW-141/015/4066/2020

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Veröffentlicht am 11.05.2020
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Entscheidungsdatum

11.05.2020

Index

L92009 Sozialhilfe Grundsicherung Mindestsicherung Wien

Norm

WMG §10 Abs6 Z5
WMG §21 Abs1

Text

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Verwaltungsgericht Wien hat durch die Richterin Dr. Hrdliczka über die Beschwerde des Herrn A. B. vom 12.03.2020 gegen den Bescheid des Magistrates der Stadt Wien, Magistratsabteilung 40, Fachzentrum Soziale Leistungen, vom 14.02.2020, Zl. MA 40 - Fachzentrum Soziale Leistungen - SH/..., betreffend Mindestsicherung (Rückforderung), zu Recht erkannt:

Der Beschwerde wird stattgegeben und der angefochtene Bescheid ersatzlos aufgehoben.

Gegen dieses Erkenntnis ist eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 B-VG unzulässig.

B E G R Ü N D U N G

Der Beschwerdeführer wurde mit Bescheid der belangten Behörde vom 14.02.2020 (SH/...) gemäß § 21 Wiener Mindestsicherungsgesetz - WMG verpflichtet, ab Rechtskraft dieses Bescheides die für den Zeitraum von 01.01.2019 bis 31.12.2019 zu Unrecht empfangenen Leistungen der Mindestsicherung in der Höhe von EUR 2.394,00 zurückzuzahlen.

Begründend wurde im Wesentlichen ausgeführt, der Beschwerdeführer gehe „seit 01.01.2019“ einer geringfügigen Beschäftigung bei einer näher genannten Institution nach, was er der belangten Behörde „nicht rechtzeitig gemeldet“ habe. Dadurch sei von Jänner 2019 bis Dezember 2019 eine Forderung in der Höhe von EUR 2.394,00 entstanden. Er beziehe therapeutisches Taschengeld gemäß § 10 Abs. 6 Z 5 WMG, welches „den Betrag von EUR 132,82 für 2019 bzw. EUR 137,60 für 2020 überschreite“ und daher zur Gänze als Einkommen angerechnet werden müsse.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die frist- und formgerecht erhobene Beschwerde vom 12.03.2020.

Aus der Aktenlage ergibt sich nachstehender Sachverhalt:

Der Beschwerdeführer stellte im November 2018 einen Antrag auf Verlängerung der (zuletzt bis 31.12.2018 zuerkannten) Mietbeihilfe.

In diesem Antrag wurde zum Einkommen des Beschwerdeführers unter Anschluss von Unterlagen bekanntgegeben, dass er Pensionsleistungen sowie eine Ausgleichszulage beziehe und zusätzlich ein „therapeutisches Taschengeld“ von EUR 4,50 pro Stunde (sic!) erhalte. Laut einer gemeinsam mit dem Antrag vorgelegten Bestätigung der C. Wien vom 14.08.2018 habe der Beschwerdeführer „therapeutisches Taschengeld gemäß § 13/4 Wiener Sozialhilfegesetz“ (sic!) in der Höhe von EUR 4,50 pro Stunde und werde an maximal 16 Tagen pro Monat beschäftigt. Die Bestätigung enthielt jedoch keine Angaben über einen monatlichen Gesamtumfang der Beschäftigungsstunden.

 

In der Folge erkannte die belangte Behörde - ohne zuvor Ermittlungen zu einer konkreten Höhe des monatlich lukrierten „therapeutischen Taschengeldes“ durchgeführt zu haben - dem Beschwerdeführer mit Bescheid vom 20.12.2018 (SH/...) für die Monate Jänner 2019 bis Dezember 2019 eine monatliche Mietbeihilfe in der Höhe von EUR 199,50 zu.

Erst mit Schreiben vom 04.12.2019 (sic!) trug die belangte Behörde dem Beschwerdeführer die Vorlage sämtlicher Einkommensbelege zu seiner diesbezüglichen geringfügigen Beschäftigung ab Jänner 2019 auf. Diesem Auftrag wurde entsprochen. Dazu erfolgte die Vorlage eines mit 12.12.2019 datierten und mit dem Betreff „Arbeitstraining“ versehenen Schreibens der C. Wien, wonach es dem Beschwerdeführer möglich sei, einer fallweisen geringfügigen Beschäftigung nachzugehen, und er diese Möglichkeit „seit 07.08.2018“ nutze. Ein geringfügiges Dienstverhältnis mit Arbeitsvertrag und festen Arbeitszeiten liege nicht vor.

Nachdem sich aufgrund der vorlegten Einkommensbelege herausgestellt hatte, dass der monatliche richtsatzmäßige Höchstbetrag für ein nicht als Einkommen anrechenbares therapeutisches Taschengeld erheblich überschritten worden war, erließ die belangte Behörde den nunmehr mit Beschwerde angefochtene Rückforderungsbescheid vom 14.02.2020.

Gesetzliche Grundlagen:

Die wesentlichen Bestimmungen des Wiener Mindestsicherungsgesetzes (WMG) idF LGBl. für Wien Nr. 49/2018 lauten:

§ 9.

(1) Ein über den Grundbetrag zur Deckung des Wohnbedarfs nach § 8 Abs. 1 hinausgehender Bedarf wird an die anspruchsberechtigten Personen als Bedarfsgemeinschaft in Form einer monatlichen Geldleistung (Mietbeihilfe) zuerkannt, wenn dieser nachweislich weder durch eigene Mittel noch durch Leistungen Dritter gedeckt werden kann. Die Mietbeihilfe gebührt ab dem auf die Antragstellung folgenden Monat.

[…]

§ 10. (1) Auf den Mindeststandard ist das Einkommen der Person, für die der jeweilige Mindeststandard gilt, anzurechnen. …

[…]

(6) Von der Anrechnung ausgenommen sind:

        […]

      5. Einkünfte, die der Hilfe suchenden Person im Rahmen einer Tagesstruktur oder einer sonstigen therapeutischen Betreuungsmaßnahme als Leistungsanreiz zufließen (therapeutisches Taschengeld), es sei denn, diese überschreiten die Höhe des Taschengeldes gemäß § 17 Abs. 3.

§ 17.

[…]

(3) Während eines Aufenthaltes in einer Krankenanstalt, einem Wohn- oder Pflegeheim oder einer Therapieeinrichtung ist zur Deckung kleinerer persönlicher Bedürfnisse darüber hinaus ein angemessener Betrag (Taschengeld) vom Ruhen ausgeschlossen, soweit diese Bedürfnisse nicht anderweitig abgedeckt sind. Dieser Betrag ist durch Verordnung der Landesregierung festzusetzen.

[…]

§ 21.

(1) Hilfe empfangende Personen haben jede Änderung der für die Bemessung der Leistung maßgeblichen Umstände unverzüglich dem Magistrat der Stadt Wien anzuzeigen. Anzuzeigen sind insbesondere folgende Ereignisse oder Änderungen:

1.

Familienverhältnisse;

2.

Einkommens- und Vermögensverhältnisse, Lohn- und Einkommensteuerrückzahlungen;

3.

Staatsangehörigkeit, Aufenthaltsstatus nach dem Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz (Aufenthaltstitel, unionsrechtliches Aufenthaltsrecht), Asylstatus, subsidiärer Schutz;

4.

Schul- und Erwerbsausbildung, Beschäftigungsverhältnis, Schulungsmaßnahme im Auftrag des AMS, Integrationsmaßnahmen im Auftrag des Österreichischen Integrationsfonds;

5.

Wohnverhältnisse;

6.

Aufenthalte in Kranken- oder Kuranstalten, länger als zwei Wochen dauernde Abwesenheiten vom Wohn- oder Aufenthaltsort sowie die Aufgabe des Wohnortes in Wien oder die Beendigung des gewöhnlichen Aufenthalts in Wien.

(2) Leistungen, die auf Grund einer Verletzung der Anzeigepflicht gemäß Abs. 1 zu Unrecht empfangen wurden, sind mit Bescheid zurückzufordern. Die Behörde ist berechtigt, die Aufrechnung gegen Ansprüche auf Leistungen der Wiener Mindestsicherung zu verfügen.

(3) Die Rückforderung kann in Teilbeträgen erfolgen oder unterbleiben, wenn die anzeigepflichtige Person glaubhaft macht, dass die Verletzung der Anzeigepflicht auf einem geringfügigen Verschulden beruht, die Rückforderung eine Notlage herbeiführen würde, der Anspruch voraussichtlich uneinbringlich wäre oder der Betrag unbedeutend ist.

Rechtliche Beurteilung:

Zunächst ist auf Folgendes klarzustellen:

Die Gesetzesmaterialien (BlgNr. 23/2017, LG-02972-2017/0001, S. 9) führen zu § 10 Abs. 6 Z 5 WMG aus (Hervorhebung durch das Verwaltungsgericht):

„Z 5: Einkünfte im Rahmen einer Tagesstruktur oder sonstigen therapeutischen Betreuungsmaßnahme werden nur dann als therapeutisches Taschengeld gewertet, wenn diese die Höhe des Taschengeldes nach § 13 Abs. 3 [richtig: § 17 Abs. 3 - Anmerkung Verwaltungsgericht] nicht übersteigen. Bei Überschreiten dieser Grenze kommt der volle Betrag zur Anrechnung.“

Nach dem Wortlaut des § 10 Abs. 6 Z 5 WMG - der insoweit in den Gesetzesmaterialien seine Bestätigung findet - sind im Rahmen einer Tagesstruktur oder einer sonstigen therapeutischen Betreuungsmaßnahme zufließende Einkünfte nur dann nicht als Einkommen anzurechnen, wenn sie die Höhe des Richtsatzes für das therapeutische Taschengeld nicht überschreiten.

Das bedeutet, dass diese Einkünfte voll anzurechnen sind, wenn diese Grenze überschritten wird. Die diesbezügliche rechtliche Beurteilung wurde von der belangten Behörde richtig getroffen.

Der Beschwerde kommt aber dennoch aus dem folgenden, zwar nicht geltend gemachten, aber im Rahmen des Beschwerdepunktes von Amts wegen aufzugreifenden Grund Berechtigung zu:

Voraussetzung für die Rückforderung gemäß § 21 Abs. 2 WMG ist, dass der Hilfeempfänger seiner Verpflichtung, für die Leistungsbemessung maßgebliche Änderungen (sic!) unverzüglich zu melden, nicht nachgekommen ist und deshalb ("auf Grund der Verletzung der Anzeigepflicht") Leistungen zu Unrecht empfangen wurden (vgl. VwGH 28.2.2013, 2012/10/0126).

Der Beschwerdeführer hat in seinem Antrag vom November 2018 auf Verlängerung der (bis 31.12.2018 zuerkannten) Mietbeihilfe darauf hingewiesen, dass er u.a. ein „therapeutisches Taschengeld“ in der Höhe von EUR 4,50 pro Stunde erhält. Es wäre daher an der belangten Behörde gelegen, den Beschwerdeführer bereits vor Erlassung des Bescheides vom 20.12.2018 über die Zuerkennung von Mietbeihilfe ab 01.01.2019 aufzufordern, die konkrete oder wenigstens eine ungefähr zu erwartende Gesamthöhe des monatlichen therapeutischen Taschengeldes anzugeben bzw. nachzuweisen, was aber nicht geschehen ist. Diese Unterlassung kann nicht zum Nachteil des Beschwerdeführers gereichen.

Da die belangte Behörde erst durch nachträgliche Ermittlungen erkannt hat, dass tatsächlich ein Überbezug von Mietbeihilfe vorgelegen ist, was sie jedoch vermeiden hätte können, wenn sie - wie vorstehend ausgeführt - bereits anlässlich der Antragstellung auf Zuerkennung von Mietbeihilfe vor Erlassung des Zuerkennungsbescheides vom 20.12.2020 entsprechend ermittelt hätte, sind vor dem Hintergrund des Beschwerdefalles die Voraussetzungen für eine Rückforderung von Mindestsicherungsleistungen gemäß § 21 Abs. 1 WMG nicht gegeben. Denn unter den konkret gegebenen Umständen trifft es nicht zu, dass vom Beschwerdeführer eine Änderung (sic!) der für die Bemessung der Leistung maßgeblichen Umstände nicht unverzüglich gemeldet wurde. Die Leistungen wurden zwar objektiv gesehen zu Unrecht empfangen, jedoch nicht wegen einer Verletzung der Anzeigepflicht, weshalb sie auch nicht nach den Bestimmungen des § 21 WMG zurückgefordert werden dürfen.

Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.

Die ordentliche Revision ist unzulässig, da keine Rechtsfrage im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG zu beurteilen war, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Es handelte es sich um eine spezielle und über den konkreten Fall nicht hinausgehende Frage der Beweiswürdigung. Zudem konnte sich das Verwaltungsgericht auf die zitierte Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes berufen.

Schlagworte

Anzeigepflicht; Meldung; Rückforderung

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:LVWGWI:2020:VGW.141.015.4066.2020

Zuletzt aktualisiert am

14.09.2020
Quelle: Landesverwaltungsgericht Wien LVwg Wien, http://www.verwaltungsgericht.wien.gv.at
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