TE Vfgh Erkenntnis 1996/2/26 B221/95

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Veröffentlicht am 26.02.1996
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Index

L6 Land- und Forstwirtschaft
L6845 Forst, Wald

Norm

B-VG Art7 Abs1 / Gesetz
B-VG Art10 Abs2
StGG Art5
Tir WaldO §41
ForstG 1975 §37
ForstG 1975 §96 Abs1

Leitsatz

Abweisung der Beschwerde gegen die Verhängung einer Verwaltungsstrafe wegen Übertretung des Weideverbots in der Tir WaldO; keine Verletzung des Eigentumsrechts durch das Weideverbot und keine Verletzung des Gleichheitsrechts durch Beschränkung desselben auf Ziegen und Schafe

Spruch

Der Beschwerdeführer ist durch den angefochtenen Bescheid weder in einem verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht noch wegen Anwendung einer rechtswidrigen generellen Norm in seinen Rechten verletzt worden.

Die Beschwerde wird abgewiesen und dem Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung darüber abgetreten, ob der Beschwerdeführer durch den bekämpften Bescheid in einem sonstigen Recht verletzt wurde.

Begründung

Entscheidungsgründe:

I. 1. Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid (Berufungserkenntnis) des Unabhängigen Verwaltungssenates in Tirol (UVS Tirol) wurde der Beschwerdeführer schuldig erkannt, eine Verwaltungsübertretung nach §41 Abs2 litc und d iVm §74 Abs2 lita der Tiroler Waldordnung, LGBl. 29/1979 (im folgenden kurz: TWO), begangen zu haben; dies dadurch, daß er in der Zeit vom 13. Mai bis 21. Mai 1991 in Gries im Sellrain auf einem näher bezeichneten Grundstück in Aufforstungsflächen der Wildbach- und Lawinenverbauung sowie in Jungwüchsen des Agrargemeinschaftswaldes und somit auf Schonungsflächen bzw. auf Flächen, auf denen aufgrund eines Gefahrenzonenplanes eine besondere Bewirtschaftung oder andere Schutzmaßnahmen erforderlich sind, die durch das Weiden beeinträchtigt werden könnten, 15 Schafe geweidet habe. Über den Beschwerdeführer wurde eine Geldstrafe und eine Ersatzfreiheitsstrafe verhängt.

2. Gegen diesen Bescheid wendet sich die vorliegende, auf Art144 Abs1 B-VG gestützte Beschwerde, in der die Verletzung der verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechte auf Unversehrtheit des Eigentums und auf Gleichheit aller Staatsbürger vor dem Gesetz sowie die Verletzung in Rechten wegen Anwendung eines verfassungswidrigen Gesetzes (§41 TWO) behauptet und die kostenpflichtige Aufhebung des angefochtenen Bescheides, hilfsweise die Abtretung der Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof beantragt wird.

3. Der UVS Tirol legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor; er sah jedoch davon ab, eine Gegenschrift zu erstatten.

II. Der Verfassungsgerichtshof hat über die - zulässige - Beschwerde erwogen:

1.a) §41 TWO lautet:

"§41

Weideverbot

(1) Das Weiden von Ziegen und Schafen in Wäldern ist - unbeschadet des weitergehenden Verbotes nach Abs2 - jeweils in der Zeit vom 1. November bis zum 31. März verboten.

(2) Das Weiden von Ziegen und Schafen

a)

in Schutz- und Bannwäldern,

b)

in der Kampfzone des Waldes,

c)

auf Schonungsflächen,

d)

auf Waldflächen, auf denen auf Grund eines Gefahrenzonenplanes eine besondere Bewirtschaftung oder andere Schutzmaßnahmen erforderlich sind, die durch das Weiden beeinträchtigt werden könnten,

ist während des ganzen Jahres verboten."

              b)              Diese Bestimmung beruht auf §96 Abs1 litc des Forstgesetzes 1975, BGBl. 440, welcher die Landesgesetzgebung der Länder Tirol und Vorarlberg gemäß Art10 Abs2 B-VG ermächtigt,

"die forstlichen Nebennutzungen (wie Streugewinnung, Weide) näher zu regeln".

Art10 Abs2 B-VG lautet auszugsweise:

" ... in den nach Abs1 Z10 ergehenden Bundesgesetzen (Anm.: dazu zählt u.a. das ForstG) kann die Landesgesetzgebung ermächtigt werden, zu genau zu bezeichnenden einzelnen Bestimmungen Ausführungsbestimmungen zu erlassen. Für diese Landesgesetze sind die Bestimmungen des Art15 Abs6 (Anm.: betrifft Grundsatz- und Ausführungsgesetz) sinngemäß anzuwenden.

..."

              c)              §37 ForstG 1975 regelt die Waldweide. Abs4 dieser Bestimmung lautet:

"Die für Weiderechte in Einforstungswäldern geltenden Bestimmungen der Regulierungsurkunden werden durch die Regelungen der Abs1 und 3 (Anm.: diese Absätze normieren Gebote bzw. Beschränkungen bezüglich der Waldweide) nicht berührt".

2.a)aa) In der Beschwerde wird vorgebracht, der Beschwerdefüherer sei aufgrund des Regulierungsplans für die Agrargemeinschaft Gries im Sellrain vom 6. Februar 1965 als Pächter einer bestimmten Liegenschaft berechtigt, ein Weiderecht unter anderem auch auf jenem Grundstück auszuüben, auf das sich der angefochtene Bescheid bezieht.

Der Haupteinwand der Beschwerde ist ein behaupteter Verstoß des §41 Abs2 TWO gegen §37 Abs4 ForstG 1975. Der Einschreiter führt in diesem Zusammenhang u.a. aus:

"Das Forstgesetz normiert eindeutig in §37 Abs4, daß die Weideverbote für Weiderechte auf Grund von Regulierungsurkunden nicht gelten. §41 Abs2 Tiroler Waldordnung normiert jedoch ein Weideverbot allgemein ohne die im Grundsatzgesetz vorgesehene vorgenannte Einschränkung. Damit widerspricht das Landesgesetz dem Grundsatzgesetz, was einer falschen Ausführung der Grundsatzbestimmung gleichzuhalten ist."

Die belangte Behörde geht im angefochtenen Bescheid hingegen davon aus, die Ermächtigung nach §96 Abs1 litc ForstG 1975 iVm Art10 Abs2 B-VG habe dem Tiroler Landesgesetzgeber "die Möglichkeit geboten, von den Bestimmungen des §37 Abs3 ForstG 1975 abweichende Regelungen zu treffen, da die Ermächtigung diesbezüglich keine Einschränkung enthält". Die Weideverbote nach §41 Abs2 TWO seien berechtigterweise erlassen worden, "da diese den Grundsätzen des Forstgesetzes nicht widersprechen". Eine Einschränkung des §37 Abs4 ForstG 1975 sei "nur aus dem sachgemäßen Grund einer größeren Gefahr für den Wald durch Weiden von Schafen und Ziegen erfolgt".

bb) §96 ForstG 1975 enthält "Sonderbestimmungen für Tirol, Vorarlberg und Oberösterreich": Unter anderem wird die Landesgesetzgebung von Tirol und Vorarlberg gem. Art10 Abs2 B-VG zur näheren Regelung der forstlichen Nebennutzungen (wie Streugewinnung, Weide) ermächtigt (§96 Abs1 litc ForstG 1975 - s. oben, Pkt. 1.b). Offenbar nahm der Forstgesetzgeber an, daß in Ansehung der forstlichen Nebennutzungen in den betreffenden Ländern - wegen der speziellen Gefährdung des Waldes in den Bergregionen und der besonderen Bedeutung des Waldes in seinen "Kampfzonen" - Sonderbestimmungen erforderlich sein können (vgl. weiters die Erläuterungen zu der das ForstG 1975 betreffenden Regierungsvorlage, 1266 BlgNR, 13.GP, S 109, wonach die Ermächtigung "der historischen Entwicklung der behördlichen Forstorganisation in diesen Ländern Rechnung tragen" soll). Aus diesem Zweck des §96 Abs1 ForstG 1975 und dessen systematischer Einordnung ist zu erschließen, daß damit u.a. der Tiroler Landesgesetzgeber ermächtigt wird, auf dem in Rede stehenden Gebiet auch solche Sonderregelungen zu treffen, die von den sonst allgemein geltenden Bestimmungen (etwa §37 ForstG 1975 über die Waldweide im allgemeinen) abweichen.

b) Der Beschwerdeführer bringt weiters vor, daß sein Weiderecht entschädigungslos unterbunden werde.

Diese Beschränkung liegt (soweit überhaupt ein Privatrecht vorliegt) im öffentlichen Interesse. Eine Entschädigungspflicht läßt sich aus Art5 StGG nicht ableiten (VfSlg. 9911/1983, S 673 f.).

c) Schließlich erblickt der Beschwerdeführer eine Gleichheitswidrigkeit des §41 Abs2 TWO darin, daß das Weideverbot nur für Ziegen und Schafe, nicht aber auch für Rinder gelte.

Diesem Einwand ist der rechtspolitische Gestaltungsspielraum des Gesetzgebers entgegenzuhalten, der im Wege einer Durchschnittsbetrachtung offensichtlich davon ausgegangen ist, daß (in Tirol) eine Gefahr für den Wald offenbar primär von den beiden erstgenannten Tierarten ausgeht.

3. Der Verfassungsgerichtshof hat also unter dem Gesichtspunkt des vorliegenden Beschwerdefalles keine Bedenken ob der Verfassungsmäßigkeit der den angefochtenen Bescheid tragenden Rechtsvorschriften.

Dem Vollzug anzulastende, in die Verfassungssphäre reichende Fehler hat das Verfahren nicht ergeben. Auch die Beschwerde bringt in dieser Hinsicht nichts vor.

Der Beschwerdeführer wurde sohin durch den angefochtenen Bescheid weder in einem verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht noch wegen Anwendung einer rechtswidrigen generellen Norm in seinen Rechten verletzt.

Die Beschwerde war infolgedessen abzuweisen.

4. Diese Entscheidung konnte gemäß §19 Abs4 erster Satz VerfGG ohne Durchführung einer mündlichen Verhandlung in nichtöffentlicher Sitzung getroffen werden.

Schlagworte

Kompetenz Bund - Länder Forstrecht, Forstwesen, Waldnutzung, Rechtspolitik, Weideverbot, Entschädigung (Enteignung)

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VFGH:1996:B221.1995

Dokumentnummer

JFT_10039774_95B00221_00
Quelle: Verfassungsgerichtshof VfGH, http://www.vfgh.gv.at
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