TE Lvwg Erkenntnis 2020/6/16 VGW-031/066/6207/2020

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Veröffentlicht am 16.06.2020
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Entscheidungsdatum

16.06.2020

Index

82/02 Gesundheitsrecht allgemein
40/01 Verwaltungsverfahren

Norm

COVID-19-MaßnahmenG §2 Z1
COVID-19-MaßnahmenG §3 Abs3
COVID-19-MaßnahmenG-VO §1
VStG §19 Abs1

Text

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Verwaltungsgericht Wien erkennt durch seinen Richter Mag Fischer über die Beschwerde des Herrn A. B. gegen das Straferkenntnis des Magistrates der Stadt Wien, Magistratisches Bezirksamt …, vom 12.05.2020, …, wegen Übertretung des § 3 Abs 3 und § 2 Z 1 COVID-19-Maßnahmengesetz in Verbindung mit § 1 der Verordnung des BM für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz gemäß § 2 Z 1 des COVID-19-Maßnahmengesetzes, zu Recht:

I.     Der gegen die Höhe der verhängten Strafe gerichteten Beschwerde wird Folge gegeben, die verhängte Geldstrafe wird auf € 250,-- und die für den Fall der Uneinbringlichkeit festgesetzte Ersatzfreiheitsstrafe auf 8 Stunden herabgesetzt. Dementsprechend wird der Beitrag zu den Kosten des Verfahrens bei der belangten Behörde gemäß § 64 Abs 2 VStG mit € 25,-- festgesetzt, das sind 10% der verhängten Geldstrafe. Im Übrigen wird das angefochtene Straferkenntnis bestätigt.

II.    Der Beschwerdeführer hat nach § 52 Abs 8 VwGVG keinen Beitrag zu den Kosten des Beschwerdeverfahrens zu bezahlen.

III.   Die Revision ist nach Art 133 Abs 4 B-VG nicht zulässig.

Entscheidungsgründe

1.     Das angefochtene Straferkenntnis hat folgenden Spruch (MBA-Akt, AS20/34ff):

„Datum/Zeit:       20.04.2020, 16:10 Uhr

Ort:                 Wien, C.-Platz 

Sie haben zum angeführten Zeitpunkt Wien, C.-Platz, einen öffentlichen Ort betreten und gegenüber anderen Personen, nämlich D. E., 1959 geb., F. G., 1960 geb. und H. K., 1960 geb., bei welchen es sich auch nicht um Personen, die mit Ihnen im gemeinsamen Haushalt leben gehandelt hat, dabei den Mindestabstand von einem Meter nicht eingehalten, obwohl zur Verhinderung der Verbreitung von COVID-19 das Betreten öffentlicher Orte durch VO gemäß § 2 Z 1 des COVID-19-Maßnahmengesetzes, BGBl. II Nr. 98/2020 i.d.F. BGBl. II Nr. 148/2020 in der Zeit von 16.03.2020 bis 30.04.2020 verboten ist. Der Aufenthalt am angeführten Ort war auch nicht durch die unter § 2 dieser VO aufgezählten Ausnahmen gerechtfertigt. Sie standen mit Ihren Bekannten D. E., F. G., und H. K. zusammen und unterschritten dabei den Mindestabstand von einem Meter deutlich. Sie gaben an, hier nur etwas Bier mit Ihren Bekannten zu trinken.

Sie haben dadurch folgende Rechtsvorschrift(en) verletzt:
1. § 3 Abs. 3 und § 2 COVID-19-Maßnahmengesetz i.V.m. § 1 der VO gem. § 2 Z 1 des COVID-19-Maßnahmengesetzes, BGBl. II Nr. 98/2020 i.d.F. BGBl. II Nr. 108/2020

Wegen dieser Verwaltungsübertretung(en) wird (werden) über Sie folgende Strafe(n) verhängt:

Geldstrafe von

falls diese uneinbringlich ist, Ersatzfreiheitsstrafe von

Freiheitsstrafe von

Gemäß

1. € 500,00

0 Tage(n) 10 Stunde(n) 0 Minute(n)

 

§ 3 Abs. 3 COVID-19 Gesetz, BGBl. I Nr. 12/2020

Ferner haben Sie gemäß § 64 des Verwaltungsstrafgesetzes (VStG) zu zahlen:
€ 50,00 als Beitrag zu den Kosten des Strafverfahrens, das sind 10 % der Strafe, mindestens jedoch € 10,00 pro Delikt

Der zu zahlende Gesamtbetrag (Strafe/Kosten) beträgt daher  € 550,00.“

2.     Nur gegen die Höhe der mit diesem Straferkenntnis verhängten Strafe richtet sich die frist- und formgerechte Beschwerde des Beschwerdeführers (BF) vom 25.05.2020. Der BF brachte vor, er habe nur ein Einkommen von € 551,-- Notstandshilfe (MBA-Akt, AS30/34).

3.     Der BF hat am 20.04.2020 in Wien, C.-Platz, einen öffentlichen Ort betreten. Er wurde mit drei weiteren Personen, mit denen er nicht im gemeinsamen Haushalt lebte, um 16.10 Uhr nebeneinander stehend und Bier trinkend angetroffen, dabei wurde der Mindestabstand von einem Meter nicht eingehalten. Der BF bezieht derzeit Notstandshilfe von € 551,--/Monat (MBA-Akt, AS30/34). Im Tatzeitpunkt lag zum BF keine verwaltungsstrafrechtliche Vormerkung vor (MBA-Akt, AS23/34).

4.     Die Feststellungen ergeben sich aus den jeweils in Klammer bezeichneten Aktenstücken. Diese Beweismittel sind sowohl jeweils für sich genommen als auch in ihrem Zusammenhang schlüssig und widerspruchsfrei und konnten deshalb den Feststellungen zugrunde gelegt werden.

5.     Die maßgeblichen Bestimmungen des COVID-19-Maßnahmengesetz, BGBl I 12/2020 idF BGBl I 23/2020, lauten (auszugsweise):

„§ 2. Beim Auftreten von COVID-19 kann durch Verordnung das Betreten von bestimmten Orten untersagt werden, soweit dies zur Verhinderung der Verbreitung von COVID-19 erforderlich ist. Die Verordnung ist

vom Bundesminister für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz zu erlassen, wenn sich ihre Anwendung auf das gesamte Bundesgebiet erstreckt,

[…]

Das Betretungsverbot kann sich auf bestimmte Zeiten beschränken. Darüber hinaus kann geregelt werden, unter welchen bestimmten Voraussetzungen oder Auflagen jene bestimmten Orte betreten werden dürfen.

[…]

§ 3. […]

(3) Wer einen Ort betritt, dessen Betreten gemäß § 2 untersagt ist, begeht eine Verwaltungsübertretung und ist mit einer Geldstrafe von bis zu 3 600 Euro zu bestrafen.“

6.     Nach § 1 der Verordnung nach § 2 Z 1 COVID-19-Maßnahmengesetz, BGBl II 98/2020 in der am 20.04.2020 gültigen Fassung BGBl 162/2020 war zur Verhinderung der Verbreitung von COVID-19 das Betreten öffentlicher Orte verboten. § 2 dieser Verordnung sah einige konkret bezeichnete Ausnahmen von diesem Verbot vor; der Aufenthalt an einem öffentlichen Ort zum Zweck des Konsums von Nahrungs- oder Genussmitteln war keine der vorgesehenen Ausnahmen (vgl insb § 2 Z 3a der Verordnung nach § 2 Z 1 COVID-19-Maßnahmengesetz iVm § 1 und § 2 der Verordnung betreffend vorläufige Maßnahmen zur Verhinderung der Verbreitung von COVID-19, BGBl II 96/2020 idF BGBl II 162/2020).

7.     Im Hinblick auf die Beschränkung der Beschwerde (MBA-Akt, AS30/34) steht der im Tatvorwurf des angefochtenen Straferkenntnisses umschriebene Sachverhalt rechtskräftig fest, ebenso ist der Schuldspruch rechtskräftig. Dem Verwaltungsgericht Wien obliegt daher lediglich die Überprüfung der verhängten Geld- und Ersatzfreiheitsstrafen (vgl VwGH 22.02.1990, 89/09/0137; VwGH 14.11.1997, 97/02/0232).

8.     Gemäß § 19 Abs 1 VStG sind Grundlage für die Bemessung der Strafe die Bedeutung des strafrechtlich geschützten Rechtsgutes und die Intensität seiner Beeinträchtigung durch die Tat. Gemäß § 19 Abs 2 VStG sind im ordentlichen Verfahren (§§ 40-46 VStG) überdies die nach dem Zweck der Strafdrohung in Betracht kommenden Erschwerungs- und Milderungsgründe, soweit sie nicht schon die Strafdrohung bestimmen, gegeneinander abzuwägen. Auf das Ausmaß des Verschuldens ist besonders Bedacht zu nehmen. Unter Berücksichtigung der Eigenart des Verwaltungsstrafrechts sind die Bestimmungen der §§ 32 bis 35 des Strafgesetzbuches (StGB) sinngemäß anzuwenden. Die Einkommens- und Vermögensverhältnisse und allfällige Sorgepflichten des Beschuldigten sind bei der Bemessung von Geldstrafen zu berücksichtigen.

9.     Das der Bestrafung zugrunde liegende Verhalten gefährdete in nicht unbeträchtlichem Ausmaß das durch die Strafdrohung geschützte Interesse der Hintanhaltung der Ausbreitung von COVID-19, wodurch mittelbar die Funktionsfähigkeit des Gesundheitssystems sowie Leib und Leben geschützt werden sollten. Der objektive Unrechtsgehalt der Tat war daher nicht unerheblich.

10.    Das Verschulden des Beschwerdeführers konnte ebenfalls nicht als geringfügig angesehen werden. Denn im Verfahren kamen keine Anhaltspunkte dafür vor, dass dem BF nicht bekannt war und nicht bekannt sein musste, dass er sich zum Tatzeitpunkt nicht zum Zweck des Konsums von Nahrungs- oder Genussmitteln mit nicht im gemeinsamen Haushalt lebenden Personen, zu denen nicht mindestens ein Abstand von 1 m eingehalten wurde, an einem öffentlichen Ort aufhalten hätte dürfen. Weil somit das tatbildmäßige Verhalten des BF nicht erheblich hinter dem in der betreffenden Strafdrohung typisierten Unrechts- und Schuldgehalt zurückblieb, war die Anwendung des § 45 Abs 1 Z 4 VStG, nämlich das Absehen von der Strafe allenfalls unter Ausspruch einer Ermahnung, nicht möglich (VwGH 29.11.2007, 2007/09/0229 zur Vorgängerbestimmung § 21 Abs 1 VStG).

11.    Erschwerungsgründe kamen nicht hervor. Mildernd wirkte die verwaltungsstrafrechtliche Unbescholtenheit des BF – diesen Umstand hat die Behörde bereits berücksichtigt – sowie die schuldeinsichtige Verantwortung des BF, die in der Beschränkung der Beschwerde auf die Höhe der Strafe zum Ausdruck kam. Darüber hinaus waren die ungünstigen wirtschaftlichen Verhältnisse des BF zu berücksichtigen, die erst im Beschwerdeverfahren hervorkamen.

12.    Im Hinblick auf den maßgeblichen Strafrahmen, die hervorgekommenen Bemessungsgründe, wobei zu berücksichtigen war, dass im angefochtenen Straferkenntnis noch von durchschnittlichen Einkommens- und Vermögensverhältnissen ausgegangen wurde, war die Strafhöhe trotz des hohen objektiven Unrechtsgehalts der Übertretung spruchgemäß herabzusetzen. Auch die spruchgemäß herabgesetzte Strafe bewirkt für den BF einen spezialpräventiv wirksamen Nachteil.

13.    Die Kostenentscheidung stützt sich auf § 52 Abs 8 VwGVG, wonach dem Beschwerdeführer keine Kosten des Beschwerdeverfahrens aufzuerlegen sind, wenn der Beschwerde auch nur teilweise Folge gegeben wurde. Eine öffentliche Verhandlung konnte nach § 44 Abs 3 Z 2 VwGVG entfallen.

14.    Die ordentliche Revision ist nicht zulässig, weil keine Rechtsfrage iSd Art 133 Abs 4 B-VG zu beurteilen war, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Aufgrund der Beschränkung der Beschwerde war lediglich die Bemessung der Strafe zu prüfen. Von der in diesem Zusammenhang maßgeblichen Rechtsprechung des VwGH wurde nicht abgewichen. Es kamen auch keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfragen hervor.

Schlagworte

Betretungsverbot; öffentlicher Ort; Strafbemessung

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:LVWGWI:2020:VGW.031.066.6207.2020

Zuletzt aktualisiert am

14.09.2020
Quelle: Landesverwaltungsgericht Wien LVwg Wien, http://www.verwaltungsgericht.wien.gv.at
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