TE Bvwg Beschluss 2020/2/10 W161 2185015-3

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 10.02.2020
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Entscheidungsdatum

10.02.2020

Norm

AsylG 2005 §12a Abs2
AsylG 2005 §22 Abs10
BFA-VG §22
B-VG Art133 Abs4

Spruch

W169 2185015-3/2E

BESCHLUSS

Das Bundesverwaltungsgericht fasst durch die Richterin Dr. Monika LASSMANN als Einzelrichterin in dem von Amts wegen eingeleiteten Verfahren über die durch den mündlich verkündeten Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 03.02.2019, Zahl 1114437100-200008381, erfolgte Aufhebung des faktischen Abschiebeschutzes betreffend XXXX , geb. XXXX , Staatsangehörigkeit Afghanistan, folgenden Beschluss:

A)

Die Aufhebung des faktischen Abschiebeschutzes ist gemäß § 12a Abs. 2 und § 22 Abs. 10 AsylG 2005 in Verbindung mit § 22 BFA-VG rechtmäßig.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

BEGRÜNDUNG:

1. Verfahrensgang:

Erstes (vorangegangenes) Asylverfahren:

1.1. Der Antragsteller (im Folgenden: AS) stellte nach unrechtmäßiger Einreise in das österreichische Bundesgebiet am 10.05.2016 einen ersten Antrag auf internationalen Schutz.

1.2. In seiner Erstbefragung durch Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes am 11.05.2016 gab der Beschwerdeführer an, er sei Staatsbürger der Islamische Republik Afghanistan, sei am XXXX geboren und stamme aus der Provinz Laghman. Er sei sunnitischer Moslem und gehöre der Volksgruppe der Paschtunen an. Er sei ledig und kinderlos. Zu seiner Familie gehöre sein Vater, seine Mutter, seine beiden jüngeren Brüder und seien drei Schwestern, wobei eine davon älter ist als er. Er stamme aus dem Dorf XXXX im Distrikt XXXX in der Provinz Laghman.

Aus Afghanistan sei er geflohen, weil sein Vater bei der Nationalarmee Soldat gewesen sei und man hätte ihnen Drohbriefe zugesandt. Außerdem hätten sie Feindschaften aufgrund von Grundstückstreitigkeiten, sie seien bedroht worden und zudem herrsche Krieg in Afghanistan. Er könne nach Afghanistan nicht mehr zurückkehren, weil er den Krieg und die Feinde fürchten würde.

1.3. In seiner Einvernahme vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl am 04.12.2017 führte der Beschwerdeführer aus, dass er nur zwei und nicht drei jüngere Brüder, und fünf Schwestern hätte. Er hätte 6 Onkel und 9 Tanten. Ein Onkel davon lebe in Deutschland, die übrigen Verwandten würden noch in Laghman leben und dort arbeiten. Zu den Schwestern hätte er keinen Kontakt, weil diese verheiratet seien. Sein Vater sei seit vier Jahren vermisst. Er hätte als Offizier bei der Polizei, und nicht beim Militär gearbeitet. Sein Onkel arbeite auch bei der Polizei. Seine Mutter sei nun bei ihrem Vater in Laghman und würde von diesem und dem Onkel, welcher Polizist sei, versorgt werden. Er hätte 8 Jahre die Schule besucht und keine Berufserfahrung. Bis zuletzt hätte er sich auf seinem Geburtsort aufgehalten. Er hätte vor ca. 4 1/2 Jahren seinen Geburtsort verlassen uns sei für 2 Jahren nach Pakistan gezogen. Pakistan hätte er Anfang des Jahre 2016 verlassen und sei im Mai 2016 nach Österreich eingereist. Alle seine Freunde seien Afghanen und ca die Hälfte davon sei vorbestraft. Sein Onkel in Deutschland hätte ihm gesagt, dass er nach Österreich gehen solle.

Vor ca. 5 Jahren seien die Taliban zu ihnen nach Hause gekommen. Sein Vater sei weggelaufen. Er sei zu seiner Mutter und zu seinen Geschwistern gegangen. In weiterer Folge seien die Taliban mit Waffen zu ihnen nach Hause gekommen und hätten ihn gefragt, wo der Vater sei. Er hätte ihnen entgegnet, dass er das nicht wisse. Nach zwei Tagen sei der Vater wieder nach Hause gekommen. Die Taliban hätten seinen Vater einen Drohbrief gesandt, worin gestanden wäre, dass er ihn und den ältesten Sohn, das sei er, umbringen würden. Danach sei der Vater verschwunden. Danach sei die Mutter zu ihren Eltern gegangen und die Geschwister zu dem Großvater väterlicherseits. Er hätte sich drei Tage bei dem Onkel väterlicherseits aufgehalten. Nach drei Tagen seien die Taliban zu dem Onkel gekommen und hätten ihn umgebracht. Dabei hätten die Taliban ihn gefragt, wo sein Vater sei. Wenn er das nicht sagen würde, werde er umgebracht. Er hätte ihnen entgegnet, dass er seitdem sie bei ihnen zuhause gewesen seien, verschwunden sei. Der Onkel mütterlicherseits meinte, dass auch sein Leben in Gefahr wäre und hätte ihn illegal nach Pakistan mitgenommen. In Pakistan hätte die Polizei ihn immer wieder wegen eines Aufenthaltstitels gefragt. Er selbst wäre nie persönlich bedroht worden.

Zudem hätten sie Probleme mit dem Nachbarn wegen Grundstückstreitigkeiten gehabt. Dieser Nachbar hätte ihn zweimal mit dem Messer attackiert. Sie hätten ihn bei der Polizei angezeigt, er sei aber wieder freigekommen. Sie hätten eine Landwirtschaft im Ausmaß von ca 12.000 m² besessen und dieser Nachbar wäre für die Wasserregulierung zuständig gewesen. Er hätte ihnen Wasser weggenommen, woraufhin er ihn zur Rede gestellt hätte. Daraufhin wären 3 Leute gekommen und hätten ihn niedergestochen. Er wäre bewusstlos geworden und als er aufwachte wäre er zur Polizei gegangen. Danach hätte er sich beim Arzt versorgen lassen. Der Vorfall hätte sich ca. im Feb 2013 ereignet.

1.4. Mit Verfahrensanordnung vom 04.12.2017 wurde ihm der Verlust des Aufenthaltsrechtes wegen Straffälligkeit mitgeteilt.

1.5. Die Behörde wies den Antrag des Beschwerdeführers mit Bescheid vom 05.01.2018 hinsichtlich des internationalen Schutzes ab, ebenso wurde der Status des subsidiär Schutzberechtigten nicht zuerkannt. Ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen wurde nicht erteilt, eine Rückkehrentscheidung erlassen und festgestellt, dass die Abschiebung des Beschwerdeführers zulässig sei. Mit Spruchpunkt IV. wurde die aufschiebende Wirkung bei einer allfälligen Beschwerde aberkannt und mit Spruchpunkt V. festgestellt, dass das Recht zum Aufenthalt ab dem 04.12.2017 verloren sei.

Zur Nichtzuerkennung des Asylantrages vermeinte die Behörde, dass der Beschwerdeführer keinen glaubhaften Fluchtgrund vorbringen hätte können. Die Behörde vermeinte zusätzlich, dass keine Gründe hervorgetreten seien oder haben glaubhaft gemacht werden können, welche gegen eine Wiederansiedelung in Afghanistan, insbesondere in der Hauptstadt Kabul, sprechen würden und so keine reale Gefahr einer Verletzung seiner verbrieften Menschenrechte zu erwarten wäre.

1.6. Am 01.01.2018 wurde der Beschwerdeführer volljährig.

1.7. Am 31.01.2018 wurde seitens der Rechtsvertretung, der Diakonie Flüchtlingsdienst GmbH, in Vollmacht des Beschwerdeführers, vollumfänglich Beschwerde gegen den Bescheid und ein Antrag auf Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung erhoben.

1.8. Mit Beschluss des Bundesverwaltungsgerichtes vom 06.03.2018, Zl. W257 2185015-1/6E wurde der angefochtene Bescheid behoben und zur Erlassung eines neuen Bescheides an die Behörde zurückgewiesen.

Das Gericht begründet die Zurückweisung damit, dass zum Zeitpunkt der Einvernahme vor der Behörde (sh Punkt 1.4 bis 1.7) der gesetzliche Vertreter des minderjährigen Beschwerdeführers nicht anwesend war. Dieser Verfahrensfehler führte zur Aufhebung des Bescheides vom 05.01.2018.

1.9. Am 08.06.2018 erfolgte die zweite Einvernahme der Behörde hinsichtlich seines Fluchtvorbringens. Dabei brachte der AS Folgendes vor:

"Es gab Grundstückstreitigkeiten. Ich habe viele Probleme in Afghanistan. Die Taliban haben einen Onkel väterlicherseits getötet. ... Unser Haus wurde angegriffen. Mein Vater ist von zuhause geflüchtet. Aufgrund von Grundstückstreitigkeiten wurde ich 2 Mal mit einem Messer attackiert und verletzt. Nach diesem Vorfall sagte mein Onkel mütterlicherseits, dass ich flüchten müsse. Er hat mich nach Pakistan geschickt. Ich selbst wurde nie bedroht, sondern mein Onkel und mein Vater."

1.10. Mit Bescheid vom 11.06.2018, Zahl 1114437100/1606568936, wies das BFA den Antrag des AS auf internationalen Schutz hinsichtlich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten gemäß § 3 Abs. 1 iVm. § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG 2005 (Spruchpunkt I.) sowie hinsichtlich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf seinen Herkunftsstaat Afghanistan gemäß § 8 Abs. 1 1 iVm. § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG 2005 ab (Spruchpunkt II.) und verband diese Entscheidung gemäß § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG 2005 1 iVm. § 9 BFA-VG mit einer Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 Z 2 FPG. Ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß § 57 AsylG 2005 wurde dem AS nicht erteilt und es wurde festgestellt, dass die Abschiebung des AS nach Afghanistan gemäß § 46 FPG zulässig sei (Spruchpunkt III.). Gemäß § 55 Abs. 1 bis 3 FPG wurde für die freiwillige Ausreise eine Frist von 14 Tagen ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung bestimmt (Spruchpunkt IV.).

1.11. Gegen diesen Bescheid erhob der AS fristgerecht Beschwerde an das Bundesverwaltungsgericht.

1.12. Mit Beschluss des Bundesverwaltungsgerichtes vom 16.07.2018 wurden die Spruchpunkte I. und V. des angefochtenen Bescheides ersatzlos behoben und der Beschwerde die aufschiebende Wirkung zuerkannt.

1.13. Am 07.09.2018 führte das Bundesverwaltungsgericht eine öffentliche mündliche Verhandlung durch, in der der AS zu den Fluchtgründen, zu seinen persönlichen Umständen im Herkunftsstaat sowie zu seiner Integration in Österreich befragt wurde.

1.14. Mit Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 20.09.2018, GZ W2257 2185015-2/9E, wurde die Beschwerde des AS in Bezug auf die Spruchpunkte I., II. abgewiesen und mit der Maßgabe bestätigt, dass die Spruchpunkte I. und II. zu lauten haben wie folgt:

"I. Gemäß § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG 2005, §§ 3 Abs. 1 AsylG 2005, Abs. 3 Z 2 iVm § 6 Abs. 1 Z 4 AsylG 2005 und § 9 Abs. 2 AsylG 2005 wird Ihr Antrag auf internationalen Schutz vom 10.05.2016 hinsichtlich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten abgewiesen.

II. Gemäß §§ 8 Abs. 1 und 8 Abs. 3 a AsylG 2005 wird Ihr Antrag auf internationalen Schutz hinsichtlich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf Ihren Herkunftsstaat Afghanistan abgewiesen."

Die Beschwerde zu Spruchpunkt III. des Bescheides wurde abgewiesen.

Begründend wurde in diesem Erkenntnis u.a. ausgeführt, der Antragsteller weise in Österreich folgende strafgerichtliche Verurteilungen auf:

- Mit Urteil des Landesgerichts für Strafsachen XXXX vom 27.03.2017, Zl XXXX , wurde er wegen Verkauf von Cannabiskraut nach §§ 27 Abs. 1 Z 1 achter Fall, Abs. 2a, Abs. 3 Suchtmittelgesetz, § 15 StGB zu 2 Monaten bedingt mit einer Probezeit auf 3 Jahren, verurteilt.

- Mit Urteil des Landesgerichts für Strafsachen XXXX vom 21.11.2017, Zl XXXX , wurde er wegen des abermaligen Verkaufs von Cannabiskraut, zu 7 Monaten Freiheitsstrafe, 2 Monate davon unbedingt, mit einer Probezeit von 3 Jahren, verurteilt. Zugleich wurde die Probezeit vom ersten Urteil auf 5 Jahre verlängert.

- Mit Urteil des Landesgerichts XXXX vom 25.07.2018, Zl. XXXX , wurde der Beschwerdeführer wegen i) des Verbrechens des schweren sexuellen Missbrauchs von Unmündigen nach § 206 Abs. 1 StGB, ii) wegen des Verbrechens der absichtlich schweren Körperverletzung als Versuch nach §§ 15, 87 Abs. 1 StGB, iii) 1) wegen des Vergehens der gefährlichen Drohung nach § 107 Abs. 1 StGB, und iii) 2) wegen des Vergehens der gefährlichen Drohung nach § 107 Abs. 1 und 2 StGB zu zwei Jahren Freiheitsstrafe verurteilt. Dieser Straftat lag zusammengefasst der Sachverhalt zugrunde, dass er im Mai 2018 mit einer 14-jährigen den sexuellen Beischlaf vornahm, eine weitere Person mit einem Eisenrohr gegen den Kopf schlug und nur durch das Einschreiten weiterer Personen davon abließ, diese Person einmal mit den Worten "Ich komme deine Wohnung picken (gemeint: "ficken") deine Frau" und ein weiteres Mal mit dem Tode gefährlich bedrohte. Als erschwerend galt das Zusammentreffen von zwei Vergehen mit zwei Verbrechen, zwei einschlägige Vorstrafen und der rasche Rückfall. Als mildernd galt das Alter unter 21 Jahren, die teilweise beim Versuch gebliebene Tatbegehung sowie die Tatbegehung zu § 206 StGB im Einvernehmen mit dem Opfer, das nur knapp unter 14 Jahren alt war.

Im Erkenntnis wird festgestellt, dass die vom Beschwerdeführer begangenen Verbrechen besonders schwer seien. Der Beschwerdeführer stelle wegen dieser beiden Verbrechen, dieser beiden Vergehen, die er verübt habe, zusammen mit seinen einschlägigen Vorstrafen im Suchtgiftbereich eine Gefahr für die öffentliche Gemeinschaft dar.

Dem Beschwerdeführer würde bei einer Rückkehr in seine Herkunftsprovinz in Afghanistan Laghman kein Eingriff in seine körperliche Unversehrtheit drohen.

Der Beschwerdeführer sei seit seiner Antragstellung aufgrund einer vorübergehenden Aufenthaltsberechtigung nach dem AsylG 2005 durchgehend rechtmäßig im Bundesgebiet aufhältig. Er beziehe seit seiner Antragstellung Leistungen aus der vorübergehenden Grundversorgung bzw. derzeit im Stande der Strafhaft aus der öffentlichen Versorgung durch die Justiz. Der Beschwerdeführer verfüge in Österreich über keine Verwandten. Er habe eine Freundin, mit der er allerdings keinen eigenen gemeinsamen Haushalt führe und auch vor der Strafhaft nicht geführt habe. Er habe zwar einige Sprachkurse begonnen, aber nicht abgeschlossen. Die Hälfte seiner Freunde seien - ebenso wie er - vorbestraft. Es gäbe keinen Hinweis auf nachhaltige Integrationsbestrebungen.

Das Gericht sehe die bisherigen Verbrechen des Beschwerdeführers in Kombination mit den Vergehen als besonders schwer an, ebenso sei die Gemeingefährlichkeit unzweifelhaft gegeben. Das Interesse an der Aufenthaltsbeendigung wiege schwerer als die Eigeninteressen am Verbleib in Österreich.

Nachdem der Tatbestand eines Asylausschließungsgrundes nach § 9 Abs. 2 AsylG 2005 gesetzt worden wäre, sei die entsprechende Rechtsfolge vorzusehen und wäre daher der Spruchpunkt auf die gesetzliche Grundlage abzuändern.

Nachdem ein Aberkennungsgrund vorliege, sei die Rechtsfolge des § 8 Abs. 3 a AsylG 2005 eingetreten und sei dem Antragsteller daher entsprechend der Bestimmung des § 6 Abs. 2 AsylG 2005 der subsidiäre Schutz ohne weitere Prüfung nicht zuzuerkennen. Der Bescheid sei daher auch in diesem Punkt hinsichtlich der gesetzlichen Grundlage abzuändern.

Die Voraussetzungen für die Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß § 57 AsylG 2005 lägen nicht vor, weil der Ausschließungsgrund des § 57 Abs. 1 Z 1 AsylG 2005 - eine Verurteilung wegen eines Verbrechens nach § 17 StGB - vorläge.

Die Entscheidung sei nach § 10 AsylG 2005 und § 52 Abs. 2 Z 2 FPG mit einer Rückkehrentscheidung nach dem FPG zu verbinden. Diese Rückkehrentscheidung stelle nach einer Interessenabwägung keine Verletzung des Beschwerdeführers in seinem Recht auf Privat- und Familienleben gemäß § 9 Abs. 2 BFA-VG iVm Art. 8 EMRK dar. Die Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß § 55 Abs. 1 AsylG 2005 sei daher ebenfalls nicht geboten.

Die Zulässigkeit der Abschiebung des Beschwerdeführers in den Herkunftsstaat sei gegeben, weil nach den, die Abweisung seines Antrages auf internationalen Schutz hinsichtlich § 3 und 8 AsylG 2005 tragenden Feststellungen der vorliegenden Entscheidung keine Gründe vorlägen, aus denen sich eine Unzulässigkeit der Abschiebung im Sinn des § 50 FPG ergäbe. Es gebe auch keine Empfehlung einer vorläufigen Maßnahme durch den EGMR, die einer Abschiebung entgegenstehen würde.

Das Aufenthaltsrecht sei zu versagen. Die Verbüßung der Strafhaft stehe der Ausreise derzeit entgegen und gehe dieser vor. Ein Duldungsgrund nach § 46 a FPG sei nicht gegeben. Am Tag der Entlassung sei die Ausreise vorzunehmen. Dem Beschwerdeführer sei zuzumuten, dass er sich im Stande der Strafhaft über die Ausreise informiere.

Bei einer Gesamtbetrachtung aller aufgezeigten Umstände und der aufgrund des persönlichen Fehlverhalten des Beschwerdeführers getroffenen Gefährdungsprognose sei ein zehnjähriges Einreiseverbot gerechtfertigt.

Zweites (gegenständliches) Asylverfahren:

2.1. Am 18.12.2019 stellte der AS aus dem Stande der Schubhaft seinen (gegenständlichen) zweiten Antrag auf internationalen Schutz.

Am selben Tag fand vor einem Organ des öffentlichen Sicherheitsdienstes der Landespolizeidirektion Niederösterreich die niederschriftliche Erstbefragung des AS statt. Dabei gab der AS an, dass sich im Hinblick auf seinen ersten Antrag auf internationalen Schutz in Österreich nichts geändert habe. ("Meine Fluchtgründe haben sich eigentlich nicht verändert"). Er habe Afghanistan im Alter von zwölf Jahren verlassen. Er habe Angst, nach Afghanistan zurückzukehren. Er habe Angst vor den Taliban. Er habe alle Fluchtgründe genannt. Andere Fluchtgründe habe er nicht. Neue Fluchtgrunde habe er aber nicht.

2.2. Mit Verfahrensanordnung des BFA gemäß § 29 Abs. 3 AsylG vom 09.01.2020 wurde dem AS mitgeteilt, dass beabsichtigt sei, seinen Antrag auf internationalen Schutz wegen entschiedener Sache zurückzuweisen sowie seinen faktischen Abschiebeschutz aufzuheben.

2.3. Am 03.02.2020 wurde der AS vor dem BFA, einvernommen. Dabei gab er an, er sei psychisch und physisch in der Lage, die gestellten Fragen wahrheitsgemäß zu beantworten. Er bekomme in Österreich alles, was er zum Leben brauche von der Justizanstalt XXXX , er bekomme monatlich 40,-- Euro vom Staat. Er nehme derzeit keine Medikamente. Früher habe er Medikamente genommen. Er habe diese aber seit drei Monaten abgelehnt. Nachgefragt gebe er an, er habe damals Drogen genommen und deshalb Medikamente eingenommen, damit er schlafen könne. Jetzt nehme er keine Drogen mehr und deshalb nehme er keine Medikamente mehr. Er besuche jetzt nur noch einmal in der Woche eine Gesprächstherapie wegen seines damaligen Drogenkonsums. Befragt nach Beschwerden gab er an, er habe im Alter von zehn oder elf Jahren in Afghanistan einen Schlag auf das linke Ohr bekommen. Seit zwei Jahren habe er Beschwerden im Ohr. Er habe jetzt keine Schmerzen mehr bei seinem Ohr, aber er höre mit dem linken Ohr nichts mehr. Er habe in Afghanistan auch einen Schlag auf die Nase bekommen. Er habe keine Schmerzen bei der Nase, aber er bekomme keine Luft durch die Nase, dies sei seit zwei Jahren so. Er gehe unterschiedlich zum Arzt, je nach Bedarf, das letzte Mal wäre er vor einem Monat gewesen. Er fahre dann immer ins Krankenhaus zu einem Arzt. Er wisse seit einem Monat von seinem OP-Termin. Er werde am Ohr aufgeschnitten und operiert. Sonst gehe es ihm gut. Die Probleme mit den Ohren und der Nase habe er seit Juni 2018, im Mai 2018 sei er ins Gefängnis gekommen und ein Monat später wären diese Probleme da gewesen. Er habe in seinem Vorverfahren bereits alle seine Fluchtgründe angegeben. Seine Fluchtgründe aus dem Vorverfahren seien noch aufrecht. Befragt, warum er einen neuen Antrag auf internationalen Schutz stelle, gab der der Antragsteller an:

"Ich habe mit zwölf Jahren Afghanistan verlassen. Ich weiß nicht, wie es in Afghanistan aussieht und ich kenne mich dort nicht aus. Ich habe meine alten Fluchtgründe alle vergessen, deshalb weiß ich nicht, was ich sagen soll. Da ich gehört habe, dass ich nach Afghanistan abgeschoben werden sollte und ich das nicht wollte, habe ich einen Asylantrag gestellt. Ich habe keine neuen Fluchtgründe. Ich habe viele Fehler gemacht, aber ich war jung und es waren Dummheiten. Ich bin im Gefängnis und habe gelernt. Ich werde mich in Zukunft benehmen. Ich mache auch seit 17 Monaten eine Drogentherapie."

Er gab weiters an, seine Mutter und seine Geschwister würden noch in Afghanistan in Laghman wohnen. Es sei ihm vorgeschlagen worden, ein Viertel seiner Strafe in Österreich zu verbüßen und dann zurückzukehren. Er wolle aber gar nicht zurück nach Afghanistan, deshalb habe er seine ganze Strafe hier verbüßt. Befragt, ob er zur Lage in Afghanistan etwas sagen möchte, gab der Antragsteller an, in seinem Ort seien die Taliban an der Macht. Wenn er zurückkehre, dann werden diese ihn fragen, was er bei der Einvernahme in Österreich gesagt habe und sie werden erfahren, dass er gegen die Taliban ausgesagt habe und ihn töten. Vor zwei Monaten seien Flüchtlinge nach Kabul abgeschoben und dort getötet worden. Er habe es im TV gesehen und sei es ein Afghane gewesen, der den Glauben gewechselt habe. Über Vorhalt, dass das Vorbringen nicht geeignet sei, einen neuen asylrelevanten Sachverhalt zu begründen, gab der Antragsteller an, er habe keine neuen Fluchtgründe, was solle er sonst sagen. Er könne doch nicht lügen. Was wahr sei, sei wahr. Er wolle nicht lügen. Er habe alles gesagt und sei alles richtig protokolliert worden.

Vom Beschwerdeführer wurden vorgelegt ein Zertifikat über den Besuch eines Werte- und Orientierungskurses des BFI Niederösterreich vom 09.08.2019 sowie ärztliche Unterlagen aus denen sich Folgendes ergibt:

- Der Antragsteller wurde am 06.03.2019 im Landesklinikum XXXX wegen einer chronischen Mittelohrentzündung ambulant behandelt.

- Am 09.03.2019 suchte er die Ambulanz des Landesklinikums XXXX auf, da er sich beim Fußballspielen im Bereich der rechten großen Zehe verletzt hatte.

- Bei einem weiteren Besuch im Landesklinkum XXXX am 01.10.2019 wurde eine chronische Mittelohrentzündung, eine Nasenscheidewandverkrümmung sowie ein Schnupfen durch langandauernde Anwendung von Nasensprays/Nasentropfen diagnostiziert.

- Am 19.12.2019 wurde der Antragsteller auch im Krankenhaus der XXXX wegen einer Nasenscheidewandverkrümmung und chronischen Schnupfens behandelt.

Das BFA verkündete am 03.02.2010 gemäß § 12a Abs. 2 iVm. § 22 Abs. 10 AsylG mündlich den Bescheid, dass der faktische Abschiebeschutz gemäß § 12 AsylG gemäß § 12a Abs. 2 AsylG aufgehoben werde.

Begründend führte das BFA aus, dass das Bundesverwaltungsgericht rechtskräftig negativ über den ersten Asylantrag (bzw. die Beschwerde gegen den diesbezüglich negativen Bescheid) vom 10.05.2016 entschieden habe.

Der AS habe am 18.12.2019 einen weiteren Antrag auf internationalen Schutz gestellt.

Bei der Erstbefragung am 18.12.2019 habe er angegeben, das seine alten bzw. die damals angegebenen Fluchtgründe aufrecht bleiben. Er hätte niemanden mehr in Afghanistan und hätte Angst vor den Taliban.

Bei der Einvernahme am 03.02.2020 habe er ebenfalls angegeben, dass seine alten Fluchtgründe noch aufrecht seien und er keine weiteren hätte.

Die Identität des AS stehe nicht fest. Der AS sei arbeitsfähig. Er verfüge über keine sonstige Aufenthaltsberechtigung. Schwere psychische Störungen und/oder schwere ansteckende Krankheiten bestünden nicht.

Der AS habe angegeben, seit Juni 2018 Probleme mit den Ohren und der Nase zu haben. Er hätte keine Schmerzen und nehme auch keine Medikamente. Lt. Befunden sei bei ihm eine chronische Mittelohrentzündung, eine Nasenscheidewandverkrümmung und Pivinismus (Schnupfen durch Nasenspray) diagnostiziert worden. Er habe am 08.10.2010 einen OP-Termin. Festgestellt werde, dass eine ausreichende medizinische Versorgung in Afghanistan gewährleistet sei.

Sein Folgeantrag werde voraussichtlich wegen entschiedener Sache zurückzuweisen sein. Es liege kein neuer entscheidungswesentlicher Sachverhalt vor. Aufgrund der Feststellungen zur Lage im Herkunftsland in Verbindung mit dem Vorbringen des AS drohe diesem keine Verletzung wie in § 12a Abs.2 Z.3 AsylG beschrieben.

Dieser Entscheidung wurden aktuelle Länderfeststellungen zu Afghanistan (Länderinformationsblatt der Staatendokumentation des BFA zu Afghanistan mit Stand vom 13.11.2019) zugrunde gelegt.

Unter Berücksichtigung aller bekannten Umstände habe nicht festgestellt werden können, dass die Zurückweisung, Zurück- oder Abschiebung nach Afghanistan eine reale Gefahr einer Verletzung von Art. 2, 3 EMRK oder der Protokolle Nr. 6 oder Nr. 13 zur Konvention bedeuten würde oder für den AS als Zivilperson eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes mit sich bringen würde.

In der Rechtsmittelbelehrung dieses mündlich verkündeten und im Verhandlungsprotokoll schriftlich festgehaltenen Bescheides wurde darauf hingewiesen, dass die Beurkundung als schriftliche Ausfertigung gemäß § 62 Abs. 2 AVG gelte. Die Verwaltungsakten würden unverzüglich von Amts wegen dem Bundesverwaltungsgericht zur Überprüfung übermittelt. Dies gelte als Beschwerde.

2.4. Am 05.02.2020 wurde der Verwaltungsakt dem Bundesverwaltungsgericht übermittelt und der nunmehr zuständigen Gerichtsabteilung W161 zugewiesen.

2.5. Am 07.02.2020 wurde von der ARGE Rechtsberatung eine Stellungnahme für den AS zur Aberkennung des faktischen Abschiebeschutzes eingebracht. Darin wird insbesondere ausgeführt, eine Aberkennung des faktischen Abschiebeschutzes sei im vorliegenden Fall weder zulässig noch gerechtfertigt. Der AS verfüge in Afghanistan über keinerlei familiäres oder soziales Netzwerk. Die Behörde unterlasse es, eine haltbare Prüfung zum Vorliegen einer innerstaatlichen Fluchtalternative durchzuführen und drohe dem AS im Fall einer Abschiebung die ernsthafte Gefahr einer Verletzung seiner durch Art. 2 und 3 EMRK geschützten Rechte.

2. Feststellungen:

Der AS trägt den Namen XXXX und ist in der Provinz Laghman geboren. Zur Identifikation wird das Geburtsdatum mit XXXX festgestellt. Er ist Staatsangehöriger von Afghanistan, Angehöriger der Volksgruppe der Paschtunen und sunnitischer Muslim. Die Muttersprache des BF ist Paschtu.

Der AS wuchs zunächst im Familienverband, bestehend aus seiner Mutter, Vater, seinen beiden jüngeren Brüdern und seinen fünf Schwestern auf. Im Alter von ca. 13 Jahren verließ er Afghanistan und übersiedelte zu einem weitschichtigen Verwandten in Pakistan. Seine Mutter und seine Geschwister übersiedelten innerhalb von Afghanistan in den Distrikt XXXX in der Provinz Laghman. Der AS verließ Anfang 2016 im Alter von 16 Jahren Pakistan und reiste im Mai 2016 illegal nach Österreich, wo er am 10.05.2016 seinen ersten Antrag auf internationalen Schutz stelle. Der AS ist ledig und hat keine Kinder. Er ist gesund und arbeitsfähig. Seine Muttersprache ist Paschtu. Er spricht außerdem Deutsch.

Die Mutter und die Geschwister des AS leben noch in Afghanistan, in Laghman.

Beim AS handelt es sich somit um einen alleinstehenden, kinderlosen, leistungsfähigen Mann im berufsfähigen Alter ohne festgestellten besonderen Schutzbedarf.

Der AS weist in Österreich drei einschlägige rechtskräftige strafgerichtliche Verurteilungen auf:

- Mit Urteil des LG für Strafsachen XXXX vom 27.03.2017 wurde er wegen § 27 Abs. 1 Z 1 8. Fall, Abs. 2 a, Abs. 3 SMG, § 15 StGB zu zwei Monaten Freiheitstrafe, bedingt nachgesehen für die Dauer eine Probezeit von drei Jahren verurteilt.

- Mit Urteil des LG für Strafsachen XXXX vom 21.11.2017 wurde er wegen Verkaufs von Canabis-Kraut zu einer Freiheitsstrafe in der Dauer von sieben Monaten, davon fünf Monate bedingt, nachgesehen für die Dauer einer Probezeit von drei Jahren verurteilt.

- Mit Urteil des Landesgerichts XXXX vom 25.07.2018 wurde er wegen der Verbrechen des schweren sexuellen Missbrauchs von Unmündigen nach § 206 Abs. 1StGB, der versuchten absichtlich schweren Körperverletzung nach §§ 15, 87 Abs. 1 StGB, wegen des Vergehens der gefährlichen Drohung nach § 107 Abs. 1 StGB und wegen des Vergehens der gefährlichen Drohung nach § 107 Abs. 1 und 2 StGB zu einer Freiheitsstrafe in der Dauer von zwei Jahren verurteilt.

Der AS verbüßt derzeit seine Strafhaft in der Justizanstalt XXXX . Das voraussichtliche Strafzeitende ist am 19.02.2021.

Das vom AS mit Antrag vom 10.05.2016 angestrengte und zu Zl. 1114437100/1606568936 (BFA) bzw. W257 2185015-2 (BVwG) geführte (erste) Verfahren auf Gewährung von internationalem Schutz wurde mit dem in Rechtskraft erwachsenen Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 20.09.2018 negativ abgeschlossen. Mit diesem Erkenntnis wurde zugleich eine vom BFA erlassene Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG bestätigt.

Das Bundesverwaltungsgericht ging in seiner Entscheidung über den ersten Asylantrag des nunmehrigen AS davon aus, dass aufgrund der von ihm verübten besonders schweren Straftaten der Asylausschlussgrund des § 6 Abs. 1 Z 4 AsylG vorliege und demzufolge auch die Rechtsfolge des § 8 Abs. 3 a AsylG 2005 eingetreten sei, wonach auch der subsidiäre Schutz ohne weitere Prüfung nicht zuzuerkennen sei.

Der AS stellte aus dem Stande der Strafhaft am 18.12.2019 den (gegenständlichen) zweiten Antrag auf internationalen Schutz.

Sowohl bei der Erstbefragung als auch bei seiner niederschriftlichen Einvernahme vor dem BFA bekräftigte der AS, dass er keine neuen Fluchtgründe habe.

Der Folgeantrag wird voraussichtlich wegen entschiedener Sache zurückgewiesen werden.

Eine entscheidungswesentliche Änderung der Situation im Herkunftsstaat des AS ist zwischenzeitlich nicht eingetreten.

Der AS verfügt über keine Verwandten oder sonstigen engen familienähnlichen Bindungen in Österreich. Er befindet sich aktuell in Strafhaft in der JA XXXX .. Er verfügt über Grundkenntnisse der deutschen Sprache. Er ist nicht Mitglied in einem Verein in Österreich. Der AS hat kein hinreichend schützenswertes Privat- und/oder Familienleben im Bundesgebiet. Er ist in sprachlicher, beruflicher und gesellschaftlicher Hinsicht im Bundesgebiet nicht verfestigt.

Dem AS würde bei einer Überstellung nach Afghanistan kein Eingriff in seine körperliche Unversehrtheit drohen. Bei einer Rückkehr nach Afghanistan liefe er nicht Gefahr, grundlegende und notwendige Lebensbedürfnisse wie Nahrung, Kleidung sowie Unterkunft nicht befriedigen zu können und in eine ausweglose bzw. existenzbedrohende Situation zu geraten.

Es liegen keine Umstände vor, welche seiner Außerlandesbringung aus dem Bundesgebiet der Republik Österreich entgegenstünden.

3. Beweiswürdigung:

Die Feststellungen zur Person des AS, zum Gang des ersten Asylverfahrens sowie des gegenständlichen Verfahrens wurden auf Grundlage des in Rechtskraft erwachsenen oben zitierten Erkenntnisses des Bundesverwaltungsgerichts vom 20.09.2018 sowie der vorgelegten Verwaltungsakte der belangten Behörde getroffen.

Die Feststellungen zur Antragsbegründung des AS im zweiten Verfahren auf Gewährung von internationalem Schutz gründen auf der Erstbefragung durch Organe der Sicherheitspolizei am 18.12.2019 sowie der Einvernahme durch Organe des BFA vom 03.02.2020.

Die Feststellung, dass keine entscheidungswesentliche Änderung der Situation in Afghanistan eingetreten ist, ergibt sich aus dem gegenständlichen Bescheid der belangten Behörde vom 03.02.2020, welche ihrer Entscheidung die in das Verfahren eingeführten aktuellsten Lageinformationen zur Allgemeinsituation in Afghanistan zugrunde legte. Insoweit diesen Feststellungen Berichte älteren Datums zugrunde liegen, ist auszuführen, dass sich seither die darin angeführten Umstände unter Berücksichtigung der dem BVwG von Amts wegen vorliegenden Berichte aktuelleren Datums für die Beurteilung der gegenwärtigen Situation fallrelevant nicht wesentlich geändert haben. Die zugrunde liegenden Länderfeststellungen gründen sich auf Berichte verschiedener anerkannter und teilweise vor Ort agierender staatlicher und nichtstaatlicher Institutionen und Personen, die in ihren Aussagen ein übereinstimmendes, schlüssiges Gesamtbild der Situation in Afghanistan ergeben. Angesichts der Seriosität der angeführten Erkenntnisquellen und der Plausibilität der überwiegend übereinstimmenden Aussagen besteht kein Grund, an der Richtigkeit der Angaben zu zweifeln.

Im Hinblick auf die Gefährdungssituation des AS im Falle einer Überstellung nach Afghanistan, ergeben sich die Feststellungen aus den im Akt enthaltenen Länderfeststellungen betreffend Afghanistan in Zusammenschau mit den persönlichen Umständen des AS. Der AS hat in keiner Weise konkret dargestellt, inwiefern seine Abschiebung nach Afghanistan für ihn eine reale Gefahr bedeuten würde, oder für ihn als Zivilperson eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konflikts mit sich bringen würde.

Der AS hat keine neuen Asylgründe vorgebracht. Den Länderberichten zur Versorgungs- und Sicherheitslage in Afghanistan sind im gegenständlichen Verfahren weder der AS noch dessen Rechtsberater, in dessen Anwesenheit der gegenständliche mündliche Bescheid verkündet wurde, substantiell entgegengetreten. Auch die Ausführungen in der Stellungnahme vom 07.02.2020 sind nicht geeignet, aufzuzeigen, dass die Voraussetzungen für eine Entscheidung nach § 12a AsylG in casu nicht vorliegen würden.

Die Feststellung im Hinblick auf den Gesundheitszustand stützt sich auf Angaben des AS sowie die von ihm vorgelegten ärztlichen Unterlagen. Der BF gab insbesondere an arbeitsfähig zu sein und einer Arbeit nachgehen zu wollen. Aus den von ihm vorgelegten ärztlichen Befunden ergibt sich keine Erkrankung von derartiger Schwere, dass diese einer Überstellung nach Afghanistan entgegenstehen würde. Auch befindet sich der AS in Strafhaft und ist offensichtlich haftfähig.

Die Feststellungen zur Integration des AS stützen sich auf die vom AS getätigten Angaben.

Die Feststellungen zu den Verurteilungen des AS ergeben sich aus den dazu in den vorliegenden Akten erliegenden unterlagen bzw. aus der eingeholten Strafregisterauskunst.

4. Rechtliche Beurteilung:

Gemäß § 7 Abs. 1 Z 1 BFA-Verfahrensgesetz, BGBl. I. Nr. 87/2012 idgF (BFA-VG), entscheidet über Beschwerden gegen Entscheidungen (Bescheide) des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl das Bundesverwaltungsgericht.

Gemäß § 6 Bundesverwaltungsgerichtsgesetz, BGBl. I. Nr. 10/2013 idgF (BVwGG), entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist. Gegenständlich liegt Einzelrichterzuständigkeit vor.

Sofern die Beschwerde nicht zurückzuweisen oder das Verfahren einzustellen ist, hat das Verwaltungsgericht gemäß § 28 Abs. 1 Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz, BGBl. I. Nr. 33/2013 idgF (VwGVG), die Rechtssache durch Erkenntnis zu erledigen. Gemäß § 31 abs. 1 VwGVG erfolgen die Entscheidungen und Anordnungen durch Beschluss, soweit nicht ein Erkenntnis zu fällen ist.

Die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichtes zur Überprüfung der Entscheidung des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl, mit der der faktische Abschiebeschutz eines Fremden gemäß § 12a Abs. 2 AsylG 2005 aufgehoben wurde, hat durch das Bundesverwaltungsgericht mittels Beschluss zu erfolgen (§ 22 Abs. 10 AsylG letzter Satz; siehe auch Filzwieser/Frank/Kloibmüller/Raschhofer, Asyl- und Fremdenrecht 2016, K 7 zu § 22 BFA-VG, S. 283).

Zu Spruchpunkt A):

Der mit "Faktischer Abschiebeschutz bei Folgeanträgen" betitelte § 12a AsylG 2005 idgF lautet:

"(1) Hat der Fremde einen Folgeantrag (§ 2 Abs. 1 Z 23) nach einer zurückweisenden Entscheidung gemäß §§ 4a oder 5 oder nach jeder weiteren, einer zurückweisenden Entscheidung gemäß §§ 4a oder 5 folgenden, zurückweisenden Entscheidung gemäß § 68 Abs. 1 AVG gestellt, kommt ihm ein faktischer Abschiebeschutz nicht zu, wenn

1. gegen ihn eine Anordnung zur Außerlandesbringung gemäß § 61 FPG oder eine Ausweisung gemäß § 66 FPG erlassen wurde,

2. kein Fall des § 19 Abs. 2 BFA-VG vorliegt,

3. im Fall des § 5 eine Zuständigkeit des anderen Staates weiterhin besteht oder dieser die Zuständigkeit weiterhin oder neuerlich anerkennt und sich seit der Entscheidung gemäß § 5 die Umstände im zuständigen anderen Staat im Hinblick auf Art. 3 EMRK nicht mit hinreichender Wahrscheinlichkeit maßgeblich verschlechtert haben und

4. eine Abschiebung unter Berücksichtigung des Art. 8 EMRK (§ 9 Abs. 1 bis 2 BFA-VG) weiterhin zulässig ist.

(2) Hat der Fremde einen Folgeantrag (§ 2 Abs. 1 Z 23) gestellt und liegt kein Fall des Abs. 1 vor, kann das Bundesamt den faktischen Abschiebeschutz des Fremden aufheben, wenn

1. gegen ihn eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG, eine Anordnung zur Außerlandesbringung gemäß § 61 FPG, eine Ausweisung gemäß § 66 FPG oder ein Aufenthaltsverbot gemäß § 67 FPG besteht,

2. der Antrag voraussichtlich zurückzuweisen ist, weil keine entscheidungswesentliche Änderung des maßgeblichen Sachverhalts eingetreten ist, und

3. die Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung keine reale Gefahr einer Verletzung von Art. 2, 3 oder 8 EMRK oder der Protokolle Nr. 6 oder Nr. 13 zur Konvention bedeuten und für ihn als Zivilperson keine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes mit sich bringen würde.

[...]

(4) In den Fällen des Abs. 3 hat das Bundesamt dem Fremden den faktischen Abschiebeschutz in Ausnahmefällen zuzuerkennen, wenn der Folgeantrag nicht zur ungerechtfertigten Verhinderung oder Verzögerung der Abschiebung gestellt wurde. Dies ist dann der Fall, wenn

1. der Fremde anlässlich der Befragung oder Einvernahme (§ 19) glaubhASt macht, dass er den Folgeantrag zu keinem früheren Zeitpunkt stellen konnte oder

2. sich seit der letzten Entscheidung die objektive Situation im Herkunftsstaat entscheidungsrelevant geändert hat.

Über das Vorliegen der Voraussetzungen der Z 1 und 2 ist mit Mandatsbescheid (§ 57 AVG) zu entscheiden. Wurde der Folgeantrag binnen zwei Tagen vor dem bereits festgelegten Abschiebetermin gestellt, hat sich die Prüfung des faktischen Abschiebeschutzes auf das Vorliegen der Voraussetzung der Z 2 zu beschränken. Für die Berechnung der zweitägigen Frist gilt § 33 Abs. 2 AVG nicht. Die Zuerkennung des faktischen Abschiebeschutzes steht einer weiteren Verfahrensführung gemäß Abs. 2 nicht entgegen.

(5) Abweichend von §§ 17 Abs. 4 und 29 Abs. 1 beginnt das Zulassungsverfahren in den Fällen des Abs. 1 und 3 bereits mit der Stellung des Antrags auf internationalen Schutz.

(6) Rückkehrentscheidungen gemäß § 52 FPG bleiben 18 Monate ab der Ausreise des Fremden aufrecht, es sei denn es wurde ein darüber hinausgehender Zeitraum gemäß § 53 Abs. 2 und 3 FPG festgesetzt. Anordnungen zur Außerlandesbringung gemäß § 61 FPG, Ausweisungen gemäß § 66 FPG und Aufenthaltsverbote gemäß § 67 FPG bleiben 18 Monate ab der Ausreise des Fremden aufrecht. Dies gilt nicht für Aufenthaltsverbote gemäß § 67 FPG, die über einen darüber hinausgehenden Zeitraum festgesetzt wurden."

Der mit "Überprüfung der Aufhebung des faktischen Abschiebeschutzes" betitelte § 22 BFA-VG lautet:

"(1) Eine Entscheidung des Bundesamtes, mit der der faktische Abschiebeschutz eines Fremden aufgehoben wurde (§ 12a Abs. 2 AsylG 2005), ist vom Bundesverwaltungsgericht unverzüglich einer Überprüfung zu unterziehen. Das Verfahren ist ohne Abhaltung einer mündlichen Verhandlung zu entscheiden. § 20 gilt sinngemäß. § 28 Abs. 3 2. Satz VwGVG ist nicht anzuwenden.

(2) Die Aufhebung des Abschiebeschutzes gemäß § 12a Abs. 2 AsylG 2005 und eine aufrechte Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG oder eine Ausweisung gemäß § 66 FPG sind mit der Erlassung der Entscheidung gemäß § 12a Abs. 2 AsylG 2005 durchsetzbar. Mit der Durchführung der die Rückkehrentscheidung oder Ausweisung umsetzenden Abschiebung gemäß § 46 FPG ist bis zum Ablauf des dritten Arbeitstages ab Einlangen der gemäß § 22 Abs. 10 AsylG 2005 zu übermittelnden Verwaltungsakten bei der zuständigen Gerichtsabteilung des Bundesverwaltungsgerichtes zuzuwarten. Das Bundesverwaltungsgericht hat das Bundesamt unverzüglich vom Einlangen der Verwaltungsakten bei der zuständigen Gerichtsabteilung und von der im Rahmen der Überprüfung gemäß Abs. 1 getroffenen Entscheidung über die Rechtmäßigkeit der Aufhebung des Abschiebeschutzes zu verständigen.

(3) Über die Rechtmäßigkeit der Aufhebung des Abschiebeschutzes im Rahmen der Überprüfung gemäß Abs. 1 hat das Bundesverwaltungsgericht binnen acht Wochen zu entscheiden."

Da im gegenständlichen Fall die belangte Behörde im Zuge eines Folgeantrages des AS gemäß § 12a Abs. 2 AsylG den faktischen Abschiebeschutz des AS aufgehoben hat, war diese Entscheidung gemäß § 22 BFA-VG vom Bundesverwaltungsgericht zu überprüfen.

Zu den Voraussetzungen des § 12a AsylG im gegenständlichen Fall ist festzustellen, dass gegen den AS mit Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 10.07.2018, zugestellt am 10.07.2018, bereits eine aufrechte und rechtskräftige Rückkehrentscheidung vorliegt. Insofern ist die Z 1 des § 12a AsylG erfüllt.

Im gegenständlichen Verfahren hat der AS erklärt, dass seine Fluchtgründe die gleichen geblieben seien.

Bezüglich der Fluchtgründe des Vorverfahrens liegt eindeutig entschiedene Sache vor und braucht daher hierauf nicht weiter eingegangen zu werden.

Auch an den strafrechtlichen Verurteilungen, die dazu führten, dass das Vorliegen eines Asylausschließungsgrundes festgestellt wurde, hat sich nichts geändert. Der AS befindet sich noch in Strafhaft zur Verbüßung der zuletzt verhängten Freiheitsstrafe.

Die Z. 2 des § 12a Abs.2 AsylG verlangt, dass der Antrag voraussichtlich zurückzuweisen sein wird, weil keine entscheidungswesentliche Änderung des Sachverhaltes eingetreten ist. Aus den erläuternden Bemerkungen zum mit BGBl. 122/2009 eingefügten § 12a AsylG 2005 geht hervor, dass die Z 2 des § 12a eine Grobprüfung in Form einer Prognose über die Zulässigkeit des Folgeantrages verlangt.

Gemäß § 68 Abs. 1 AVG sind Anbringen von Beteiligten, die außer den Fällen der §§ 69 und 71 AVG die Abänderung eines der Berufung nicht oder nicht mehr unterliegenden Bescheides begehren, wegen entschiedener Sache zurückzuweisen, wenn die Behörde nicht Anlass zu einer Verfügung gemäß § 68 Abs. 2 bis 4 AVG findet. Diesem ausdrücklichen Begehren auf Abänderung steht ein Ansuchen gleich, das bezweckt, eine Sache erneut inhaltlich zu behandeln, die bereits rechtskräftig entschieden ist (VwGH 30.09.1994, 94/08/0183; 30.05.1995, 93/08/0207; 09.09.1999, 97/21/0913; 07.06.2000, 99/01/0321).

"Entschiedene Sache" iSd § 68 Abs. 1 AVG liegt vor, wenn sich gegenüber dem Vorbescheid weder die Rechtslage noch der wesentliche Sachverhalt geändert hat und sich das neue Parteibegehren im Wesentlichen mit dem früheren deckt (VwGH 09.09.1999, 97/21/0913; 27.09.2000, 98/12/0057; 25.04.2002, 2000/07/0235). Einem zweiten Asylantrag, der sich auf einen vor Beendigung des Verfahrens über den ersten Asylantrag verwirklichten Sachverhalt stützt, steht die Rechtskraft des Vorbescheides entgegen (VwGH 10.06.1998, 96/20/0266). Es kann aber nur eine solche behauptete Änderung des Sachverhaltes die Behörde zu einer neuen Sachentscheidung - nach etwa notwendigen amtswegigen Ermittlungen - berechtigen und verpflichten, der für sich allein oder in Verbindung mit anderen Tatsachen rechtlich Asylrelevanz zukäme; eine andere rechtliche Beurteilung des Antrages darf nicht von vornherein ausgeschlossen sein (vgl. etwa VwGH 04.11.2004, 2002/20/0391, mwN).

Behauptet die Partei in einem neuen Antrag (zB Asylantrag), dass in den für die Beurteilung ihres Begehrens im Vorbescheid als maßgeblich erachteten tatsächlichen Umständen eine Änderung eingetreten ist, so muss die behauptete Sachverhaltsänderung zumindest einen "glaubhaften Kern" aufweisen, dem Relevanz für das Verfahren zukommt und an den die Prognose anknüpfen kann, dass eine andere Beurteilung des Antrages und ein anderes Verfahrensergebnis nicht von vornherein ausgeschlossen erscheinen (grundlegend VwGH 04.11.2004, 2002/20/0391; vgl. auch VwGH 22.11.2005, 2005/01/0626; 21.03.2006, 2006/01/0028). Die Behörde hat sich insoweit bereits bei der Prüfung, ob der neuerliche Antrag zulässig oder wegen entschiedener Sache gemäß § 68 Abs. 1 AVG zurückzuweisen ist, mit der Glaubwürdigkeit des neuen Vorbringens betreffend die Änderung des Sachverhaltes "beweiswürdigend" auseinander zu setzen (VwGH 22.12.2005, 2005/20/0556; 15.03.2006, 2006/17/0020).

Jedoch berechtigt nicht jeder Folgeantrag, bei dem eine (spätere) Zurückweisung wegen entschiedener Sache gemäß § 68 AVG in Betracht kommen könnte, zur Aberkennung des faktischen Abschiebeschutzes nach § 12a Abs. 2 AsylG 2005. Es muss sich vielmehr um einen Fall handeln, in dem sich dieser Verfahrensausgang von vornherein deutlich abzeichnet. Nur dann kann auch angenommen werden, dass die Antragstellung in Wirklichkeit den Zweck verfolgt, die Durchsetzung einer vorangegangenen und mit einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme verbundenen (rechtskräftigen) Vorentscheidung zu verhindern. Auf einen solchen missbräuchlichen Zweck deutet - unter Bedachtnahme auf Art. 41 Abs. 1 lit. b der Richtlinie 2013/32/EU - etwa auch die mehrfache Folgeantragstellung hin, wenn dieser keine substanziell neuen und eine andere Beurteilung rechtfertigenden Sachverhaltselemente zugrunde liegen. Möglich sind aber auch andere Umstände, die den Schluss zulassen, dass der Fremde mit seinem Folgeantrag eine (bevorstehende) Abschiebung verhindern oder verzögern möchte (VwGH 19.12.2017, Ra 2017/18/0451).

Unter Zugrundelegung der obigen Feststellungen ergibt sich aus dem Vorbringen des AS zu seinem Folgeantrag vom 18.12.2019 im Vergleich zu seinem Vorbringen im Verfahren betreffend seinen Erstantrag vom 17.10.2014 kein entscheidungswesentlicher neuer Sachverhalt. Er bestätigte selbst ausdrücklich, dass er sich auf seine alten Fluchtgründe beziehe.

Nach Anstellung einer Prognose über den voraussichtlichen Ausgang des Folgeantrages vom 18.12.2019 kommt das Bundesverwaltungsgericht sohin zum Ergebnis, dass der gegenständliche Folgeantrag des AS gemäß § 68 Abs. 1 AVG voraussichtlich zurückzuweisen sein wird, weil im Zuge der Grobprüfung durch das Gericht keine entscheidungswesentliche Änderung des maßgeblichen Sachverhaltes im Vergleich zum Vorverfahren hervorgetreten ist.

Die Z. 3 des § 12a Abs.2 AsylG verlangt eine Prüfung der Gefährdungssituation im Hinblick auf die relevanten Bestimmungen der EMRK, da die Aufhebung des faktischen Abschiebeschutzes eine Außerlandesbringung des Asylwerbers zur Folge haben könnte (Grundsatz des Non-Refoulement).

Nach der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes zu § 68 Abs. 1 AVG hat es sich um eine entscheidungswesentliche Änderung des maßgeblichen Sachverhaltes zu handeln, was nur dann anzunehmen sein wird, wenn sich daraus voraussichtlich eine in den Hauptinhalten anderslautende Entscheidung ergeben würde.

Auch die für den AS maßgebliche Ländersituation in seinem Herkunftsstaat Afghanistan ist im Wesentlichen gleich geblieben.

Bereits im ersten Verfahren hat das Bundesasylamt für Fremdenwesen und Asyl (rechtskräftig) ausgesprochen, dass der AS bei einer Rückkehr in seinen Herkunftsstaat keiner realen Gefahr einer Verletzung von Art. 2 EMRK, Art. 3 EMRK oder der Protokolle Nr. 6 oder Nr. 13 zur Konvention ausgesetzt wäre oder für ihn als Zivilperson eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit in Folge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes bestehen würde.

Auch im nunmehr zweiten Asylverfahren vor der belangten Behörde sind keine Risiken für den AS im Sinne von § 12a Abs. 2 Z 3 AsylG hervorgekommen oder substantiiert behauptet worden. Es sind auch keine erheblichen in der Person des AS liegenden neuen Sachverhaltselemente bekannt geworden, wie beispielsweise eine schwere Erkrankung, die eine umfassende Refoulementprüfung für notwendig erscheinen lassen würden. Auch seitens des AS bzw. dessen Rechtsberaterin wurde kein entsprechendes konkretes Vorbringen hierzu getätigt.

Der VwGH hat zu Ra 2016/01/0096, vom 13.9.2016, ausgeführt, dass nach der ständigen Judikatur des EGMR, wonach es - abgesehen von Abschiebungen in Staaten, in denen die allgemeine Situation so schwerwiegend ist, dass die Rückführung eines abgelehnten Asylwerbers dorthin eine Verletzung von Art. 3 EMRK darstellen würde - es grundsätzlich der abschiebungsgefährdeten Person obliegt, mit geeigneten Beweisen gewichtige Gründe für die Annahme eines Risikos nachzuweisen, dass ihr im Falle der Durchführung einer Rückführungsmaßnahme eine dem Art. 3 EMRK widersprechende Behandlung drohen würde (vgl. etwa das Urteil des EGMR vom 5. September 2013, I. gg. Schweden, Nr. 61204/09). Demzufolge müsste die Gefährdung des AS im Sinne des Art. 3 EMRK, sofern diese nicht von vornherein klar ersichtlich ist, von diesem belegt werden.

Dies umso mehr, als im obzitierten Beschluss der VwGH auch auf die Rechtsprechung des EGMR verwiesen hat, die davon ausgeht, dass die allgemeine Situation in Afghanistan nicht so gelagert sei, dass die Ausweisung dorthin automatisch gegen Art. 3 EMRK verstoßen würde (vgl. VwGH vom 23.02.2016, Ra 2015/01/0134, vgl. die Urteile des EGMR jeweils vom 12.01.2016, jeweils gegen Niederlande: S. D. M., Nr. 8161/07; A. G. R., Nr. 13 442/08; A. W. Q. und D. H., Nr. 25 077/06; S. S., Nr. 39 575/06; M. R. A. u.a., Nr. 46 856/07).

Unter realer Gefahr ist eine ausreichend reale, nicht nur auf Spekulationen gegründete Gefahr ("a sufficiently real risk") möglicher Konsequenzen für den Betroffenen im Zielstaat zu verstehen (vgl. etwa VwGH vom 19.02.2004, 99/20/0573). Es müssen stichhaltige Gründe für die Annahme sprechen, dass eine Person einem realen Risiko einer unmenschlichen Behandlung ausgesetzt wäre und es müssen konkrete Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass gerade die betroffene Person einer derartigen Gefahr ausgesetzt sein würde. Die bloße Möglichkeit eines realen Risikos oder Vermutungen, dass der Betroffene ein solches Schicksal erleiden könnte, reichen nicht aus.

Wie der VwGH zu Ra 2016/19/0036 vom 25.5.2016, ausführt, kann die Außerlandesschaffung eines Fremden auch dann gegen Art. 3 EMRK verstoßen, wenn der Betroffene dort keine Lebensgrundlage vorfindet, also die Grundbedürfnisse der menschlichen Existenz (bezogen auf den Einzelfall) nicht gedeckt werden könnten. Nach der auf der Rechtsprechung des EGMR beruhenden höchstgerichtlichen Judikatur ist eine solche Situation jedoch nur unter exzeptionellen Umständen anzunehmen. Die bloße Möglichkeit einer durch die Lebensumstände bedingten Verletzung des Art. 3 EMRK ist nicht ausreichend. Vielmehr ist es zur Begründung einer drohenden Verletzung von Art. 3 EMRK notwendig, konkret darzulegen, warum solche exzeptionellen Umstände vorliegen.

Im Verfahren sind keine Umstände aufgezeigt worden bzw. zu Tage getreten, dass zwischenzeitlich - seit Erlassung der nunmehr rechtskräftigen Rückkehrentscheidung durch Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 10.07.2018 - der AS einer außergewöhnlichen, exzeptionellen Gefährdung bei einer Rückkehr nach Afghanistan bzw. Mazar-e Sharif, Herat oder Kabul ausgesetzt wäre.

Beim AS handelt es sich, wie festgestellt, um einen jungen, arbeitsfähigen Mann, der die Kultur Afghanistans kennt und dort aufgewachsen ist. Er stammt aus einem Kulturkreis, in dem auf familiären Zusammenhalt und gegenseitige Unterstützung im Familienkreis großer Wert gelegt wird. Er hat es auch alleine geschafft, aus Afghanistan nach Österreich zu flüchten und hat sich um neuen kulturellen Umfeld in Europa - wohl mit Hilfe der Grundversorgung - zu Recht gefunden, was dennoch grundsätzlich für seine Selbsterhaltungsfähigkeit spricht. Außerdem kann der AS durch die Inanspruchnahme von Rückkehrhilfe zumindest übergangsweise das Auslangen finden. Deshalb ist auch nicht zu befürchten, dass er bereits unmittelbar nach seiner Rückkehr und noch bevor er in der Lage wäre, selbst für seinen Unterhalt zu sorgen, in eine existenzbedrohende bzw. wirtschaftlich ausweglose Lage geraten könnte. Dem AS ist es aufgrund der dargelegten Umstände auch ohne unmittelbar in den Großstädten Mazar-e Sharif und Herat bestehende soziale bzw. familiäre Anknüpfungspunkte möglich, sich dort - etwa auch durch Hilfs- und Gelegenheitsarbeiten - eine Existenz aufzubauen und diese zu sichern sowie eine (einfache) Unterkunft zu finden. Dafür, dass der AS in Ansehung existentieller Grundbedürfnisse (z.B. Nahrung, Unterkunft) einer lebensbedrohenden Situation ausgesetzt wäre, gibt es keine hinreichenden Anhaltspunkte. Es sind insgesamt keine konkreten Anhaltspunkte dafür aufgekommen, dass der AS bei einer Rückkehr einem realen Risiko einer unmenschlichen Behandlung ausgesetzt wäre. Auch leben seine Mutter und seine Geschwister noch in Afghanistan.

Auch im Hinblick auf die Sicherheits- und Versorgungslage in seinem Herkunftsland Afghanistan, brachte der AS nichts Substantiiertes vor. Insofern wurde den Feststellungen des BFA im gegenständlich zu überprüfenden Bescheid, dahingehend dass sich die Lage im Herkunftsstaat des AS seit dem ersten Verfahren nicht wesentlich geändert habe, nicht substantiiert entgegengetreten.

Entsprechend den obigen Ausführungen, stellt - nach einer Grobprüfung des Aktes - aus Sicht des BVwG die Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des AS in seinen Herkunftsstaat für ihn somit keine reale Gefahr einer Verletzung von Art. 2 und 3 EMRK oder der Protokolle Nr. 6 oder Nr. 13 zur Konvention dar bzw. ist ein Eingriff in allfällig bestehende Rechte nach Art. 8 EMRK gerechtfertigt. Es besteht für ihn als Zivilperson auch keine ernsthafte Bedrohung seines Lebens und seiner Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes.

Im Verfahren zur Aberkennung des Abschiebeschutzes gemäß § 12a Abs. 2 AsylG durch das BFA ist ein Ermittlungsverfahren durchzuführen (vgl. § 18 AsylG), wobei auch der Grundsatz der Einräumung von rechtlichem Gehör (§§ 37, 45 Abs. 3 AVG) zu beachten ist. Ein solches Ermittlungsverfahren wurde ordnungsgemäß durchgeführt. Es wurde dem AS Parteiengehör eingeräumt, er wurde am 03.02.2020 einvernommen.

Das Bundesverwaltungsgericht teilt aufgrund der obigen Feststellungen auch die Ansicht der belangten Behörde, dass beim AS kein (ausreichend) schützenswertes Familien- oder Privatleben in Österreich erkennbar ist. Im Falle des AS besteht kein Familienleben iSd Art 8 EMRK in Österreich, zumal der AS keine Verwandten in Österreich hat. Es ist daher das Privatleben des AS in Österreich zu berücksichtigen. Eine diesbezüglich gemäß Art. 8 Abs. 2 EMRK gebotene Abwägung fällt jedoch zu Lasten des AS aus.

Der AS ist seit Mai 2016 in Österreich aufhältig. Er war somit insgesamt bisher ca. 4 Jahre in Österreich aufhältig. Der AS ist illegal in das österreichische Bundesgebiet eingereist. Der bisherige Aufenthalt des AS in Österreich ist ausschließlich auf seine nunmehr beiden Anträge auf internationalen Schutz gestützt. Der AS war sich von Anfang an seines unsicheren Aufenthaltsstatus bewusst. Der AS verfügt über keine Verwandten in Österreich. Der AS verfügt über geringe Deutschsprachkenntnisse. Er ist nicht Mitglied in einem Verein in Österreich. Er ist bisher noch nie einer Erwerbstätigkeit in Österreich nachgegangen und bestritt seinen Lebensunterhalt zunächst aus dem Handel mit Suchtgift, aktuell erhält er Leistungen als Strafhäftling. Er ist haftfähig. Die beim AS vorliegenden gesundheitlichen Einschränkungen (Verkrümmung der Nasenscheidewand und chronische Mittelohrentzündung) machen ihn weder haftunfähig noch stellen diese Beschwerden ein Überstellungshindernis dar.

Die öffentlichen Interessen an der Aufenthaltsbeendigung, die sich insbesondere im Interesse an der Einhaltung fremdenrechtlicher Vorschriften sowie darin manifestieren, dass das Asylrecht (und die mit der Einbringung eines Asylantrags verbundene vorläufige Aufenthaltsberechtigung) nicht zur Umgehung der allgemeinen Regelungen eines geordneten Zuwanderungswesens dienen darf, wiegen im vorliegenden Fall schwerer als die Interessen des AS am Verbleib in Österreich.

Nach Maßgabe einer Interessenabwägung im Sinne des § 9 BFA-VG ist davon auszugehen, dass das öffentliche Interesse an der Beendigung des unrechtmäßigen Aufenthaltes des Antragstellers im Bundesgebiet das persönliche Interesse des AS am Verbleib im Bundesgebiet - insbesondere aufgrund der verhältnismäßig kurzen Aufenthaltsdauer des Antragstellers in Österreich und mangels intaktem Familienleben in Österreich - überwiegt und daher eine Verletzung des Art. 8 EMRK nicht vorliegt.

Da insgesamt die Voraussetzungen des § 12a Abs. 2 AsylG für die Aufhebung des faktischen Abschiebeschutzes vorliegen, erweist sich der mündlich verkündete Bescheid des BFA vom 03.02.2020 als im Einklang mit dem Gesetz stehend und war gemäß § 22 BFA-VG wie im Spruch ersichtlich zu entscheiden.

Gemäß § 22 Abs. 1 2. Satz BFA-VG war ohne Abhaltung einer mündlichen Verhandlung zu entscheiden.

Zu Spruchpunkt B) Unzulässigkeit der Revision:

Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision gegen die gegenständliche Entscheidung ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer solchen Rechtsprechung, des Weiteren ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Das Bundesverwaltungsgericht konnte sich bei allen erheblichen Rechtsfragen auf eine ständige Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes bzw. auf eine ohnehin klare Rechtslage stützen. Die maßgebliche Rechtsprechung wurde bei den Erwägungen zu den einzelnen Spruchpunkten zu Spruchteil A) wiedergegeben. Insoweit die in der rechtlichen Beurteilung angeführte Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes zu früheren Rechtslagen ergangen ist, ist diese nach Ansicht des Bundesverwaltungsgerichts auf die inhaltlich meist völlig gleichlautenden Bestimmungen der nunmehr geltenden Rechtslage unverändert übertragbar.

Schlagworte

Asylausschlussgrund aufrechte Rückkehrentscheidung entschiedene Sache faktischer Abschiebeschutz - Aufhebung rechtmäßig Folgeantrag non-refoulement Prüfung strafrechtliche Verurteilung Suchtmitteldelikt

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2020:W161.2185015.3.00

Im RIS seit

14.09.2020

Zuletzt aktualisiert am

14.09.2020
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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