TE Bvwg Erkenntnis 2020/4/8 W174 2126211-1

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 08.04.2020
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Entscheidungsdatum

08.04.2020

Norm

AsylG 2005 §10 Abs1 Z3
AsylG 2005 §11
AsylG 2005 §3 Abs1
AsylG 2005 §3 Abs3 Z1
AsylG 2005 §55
AsylG 2005 §57
AsylG 2005 §8 Abs1
AsylG 2005 §8 Abs3
BFA-VG §9
B-VG Art133 Abs4
FPG §50
FPG §52 Abs2 Z2
FPG §52 Abs9
FPG §55 Abs1
FPG §55 Abs2
FPG §55 Abs3

Spruch

W174 2126211-1/17E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch die Richterin Mag. Viktoria MUGLI-MASCHEK, als Einzelrichterin über die Beschwerde des XXXX , geb. XXXX alias XXXX , StA. Afghanistan, vertreten durch die ARGE Rechtsberatung Diakonie und Volkshilfe, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 02.04.2016, Zl. 14-1031917002-140007086, nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung zu Recht:

A)

Die Beschwerde wird abgewiesen.

B)

Die Revision ist gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang:

1. Der Beschwerdeführer stellte am 25.9.2014 einen Antrag auf internationalen Schutz in Österreich. Die Erstbefragung fand am selben Tag statt, die weiteren Einvernahmen vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (in der Folge: belangte Behörde) datieren vom 28.10.2015 und 25.3.2016.

Am 25.9.2014 gab der Beschwerdeführer zunächst an, ledig, in Kandahar geboren, moslemischen Glaubens und Tadschike zu sein sowie in Kandahar sechs Jahre die Schule besucht zu haben. Sein letzter Beruf sei Schüler gewesen. Seinen seitens der afghanischen Behörde ausgestellten Reisepass habe er unterwegs verloren. Die Muttersprache sei Dari, zudem spreche er gut Paschtu.

Zu seinem Fluchtgrund brachte er vor, neben der Schule in einem Fotogeschäft als Fotograf gearbeitet, Soldaten der afghanischen Regierung fotografiert und Dokumente der Regierung kopiert zu haben, welche die Taliban gewollt hätten. Da er nicht kooperieren habe wollen, habe er Afghanistan vor zwei Jahren in Richtung Pakistan verlassen. Er hätte Angst um sein Leben.

2. Am 18.11.2014 wurde ein medizinisches Sachverständigengutachten zum Alter des Beschwerdeführers erstellt, diesem am 9.12.2014 hierzu Parteiengehör gewährt und auf Basis des festgestellten Mindestalters in weiterer Folge sein Geburtsdatum wie im Spruch erstgenannt korrigiert.

3. Im Rahmen seiner Einvernahme vor der belangten Behörde am 28.10.2015 gab der Beschwerdeführer im Beisein eines Dolmetschers für die Sprache Dari an, mit seiner Familie in Kandahar im Elternhaus, einem Eigentumshaus gewohnt zu haben, um das sich nun der Cousin kümmere und in dem jetzt eine andere Familie lebe.

Seine Tazkira samt einem Blatt mit dem Geburtsdatum habe er von seinem Cousin geschickt bekommen, weil sein Vater Kandahar wegen der Probleme des Beschwerdeführers verlassen habe und nicht wolle, dass öffentlich werde, wo er wohne. Der Cousin lebe in der Stadt Kandahar und habe die Tazkira besorgt. Der Beschwerdeführer hätte keinen afghanischen Reisepass gehabt, dafür müsse man 18 Jahre alt sein, sondern einen Reisepass vom Schlepper erhalten und sei legal in den Iran gereist, das Dokument habe er jedoch verloren.

Im Alter von sieben bis ca. 15 Jahren habe er die Schule besucht und angefangen, als Fotograf zu arbeiten, zunächst drei bis vier Monate bei einem Fotografen gelernt und dann 1388/1389 (= 2009/2010) ein eigenes Geschäft eröffnet. Eigentlich habe der Vater das Geschäft aufgebaut und sei dort beim Beschwerdeführer gesessen, der die Arbeit gemacht habe. Halbtags sei er in der Schule gewesen und den weiteren Tag habe er gearbeitet. Das Geschäft sei gemietet gewesen, der Vater habe gezahlt.

Der Beschwerdeführer habe einen Vertrag mit dem afghanischen Staat gehabt, staatliche Dokumente kopiert und Fotos von Soldaten gemacht. Ein für die Aufnahme neuer Soldaten einer Kaserne in Kandahar zuständiger Kommandant sei nur einmal zu ihm gekommen und habe den Vertrag mündlich abgeschlossen. Auch wenn der Beschwerdeführer den Vertrag gekündigt oder den Job aufgegeben hätte, wäre er weiterhin bedroht worden.

Als Beweismittel legte der Beschwerdeführer eine Vorladung der Taliban, wonach er zu deren Amt kommen solle, sowie ein Schreiben, das er 11 Tage nach der Vorladung erhalten habe, beides in der Sprache Paschtu, vor, übersetzte es selbst und eine amtliche Übersetzung wurde veranlasst.

Außer diesen beiden Briefen habe es keine Bedrohung gegeben, die Taliban seien niemals bei ihnen gewesen. Nach dem zweiten Drohbrief habe er den Kommandanten telefonisch informiert, dieser habe ihm gesagt, nichts für ihn tun zu können. Einmal hätte er mit einem Polizeikommandanten gesprochen, der erklärt habe, er könne die Briefe vorbeibringen und die Angelegenheit anzeigen, aber es wäre gut, wenn er Afghanistan verlasse.

Auch habe er sich nach dem zweiten Drohbrief zu Hause versteckt und sei eine Woche danach nach Pakistan zu seiner Tante gegangen. Daraufhin hätten die Taliban Drohbriefe an seinen Vater geschickt und diesen persönlich bedroht, indem sie nach dem Beschwerdeführer gefragt hätten. Diese Briefe habe er nicht, weil sie für seinen Vater gewesen seien.

Aufgefordert, den ersten Kontakt zu den Taliban zu schildern, erklärte der Beschwerdeführer, es sei ca. vier Jahre her, eine genauere Zeit wisse er nicht. In der Früh sei er in das Geschäft gegangen, wo ein unter der Tür durchgeschobener Brief gelegen habe. Nachdem er ihn gelesen habe, habe er Angst bekommen, das Geschäft geschlossen, sei nach Hause gegangen, habe dem Vater den Brief gezeigt und das Geschäft wieder aufgemacht. Einige Tage später hätte er den zweiten Brief erhalten.

Er habe ohne Reisepass Afghanistan illegal Richtung Pakistan verlassen, zur Tante nach Quetta. Nach den beiden Jahren dort (1391 bis 1393) sei der Beschwerdeführer mit dem Pkw versteckt nach Afghanistan zurückgekehrt und habe vom Schlepper in Herat einen Reisepass erhalten. Der Onkel mütterlicherseits habe den Schlepper gefunden, das sei vor vier bzw. drei Jahren gewesen. Der Beschwerdeführer sei zwei Nächte in Herat geblieben, habe den Pass bekommen und sei dann mit dem Pkw zur iranischen Grenze gefahren, die er legal überquert habe. Insgesamt seien sie neun Personen gewesen: er selbst, eine Tante mütterlicherseits mit zwei Söhnen sowie der Onkel mit Frau und drei Söhnen mütterlicherseits in einem zweiten Fahrzeug. Jetzt seien alle in Deutschland.

Vorgelegt wurden diverse (Deutsch-) Kursbesuchsbestätigungen.

4. Anlässlich seiner zweiten Einvernahme am 25.3.2016 legte der Beschwerdeführer weitere Beweismittel vor: Eine von seinem Vater handschriftlich geführte Liste seiner Kinder, in der für den Beschwerdeführer das im Spruch zweitgenannte Geburtsdatum angegeben wurde; zwei Mitteilungen (Drohbriefe); Bestätigungen der Caritas und Diakonie über ehrenamtliche Tätigkeiten sowie eine Teilnahmebestätigung an einem Basisbildungskurs.

Seinen Fluchtgrund ergänzte er allgemein dahingehend, dass, wenn er seine Beschäftigung mit der Regierung aufgegeben hätte, er von dieser verfolgt worden wäre. Nach der ersten schriftlichen Drohung habe er das Geschäft geschlossen. "ich habe es beendet, es war fertig [...] das war eine Woche". Nach dem zweiten Drohbrief habe er das Geschäft nie mehr aufgesperrt.

5. Mit dem angefochtenen Bescheid wies die belangte Behörde den Antrag des Beschwerdeführers auf internationalen Schutz zur Gänze ab (Spruchpunkte I. und II.). Es wurde dem Beschwerdeführer kein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen erteilt, eine Rückkehrentscheidung erlassen und festgestellt, dass seine Abschiebung nach Afghanistan zulässig sei (Spruchpunkt III.). Die Frist für die freiwillige Ausreise wurde mit 14 Tagen ab Rechtskraft der Entscheidung festgesetzt (Spruchpunkt IV.).

Begründend führte die belangte Behörde aus, dass der Beschwerdeführer seine Fluchtgründe, wonach er von den Taliban verfolgt werde, nicht habe glaubhaft machen können. Es drohe dem Beschwerdeführer auch keine Gefahr, die die Erteilung von subsidiären Schutz rechtfertigen würde. Der Beschwerdeführer verfüge in Österreich zudem über kein schützenswertes Privat- und Familienleben, welches einer Rückkehrentscheidung entgegenstehe.

6. Der Beschwerdeführer erhob gegen den Bescheid fristgerecht Beschwerde. Er brachte im Wesentlichen vor, dass seinem sehr plausiblen und lebensnahen Vorbringen ohne weitere Ermittlungstätigkeit die Glaubwürdigkeit in unzulässiger Weise abgesprochen worden sei.

7. Am 8.3.2017, am 7.6.2018 und am 1.8.2019 langten beim Bundesverwaltungsgericht Integrationsunterlagen des Beschwerdeführers ein: ÖSD Zertifikat A1 und A2; Teilnahmebestätigung an einem Grundbildungskurs (69 von 197 Stunden); Vereinbarung über ehrenamtliche Mitarbeit bei der Diakonie (10 Wochenstunden) und die Silberne Verdienstmedaille des ÖRK für seinen Einsatz für Menschen auf der Flucht. Am 1.8.2019 erhielt das Bundesverwaltungsgericht die Dokumente in Originalsprache.

8. Das Bundesverwaltungsgericht führte am 28.11.2019 eine mündliche Verhandlung durch.

Dabei erklärte der Beschwerdeführer zunächst, dass er gesund sei, keine Medikamente nehme und auch sonst keine Gründe vorlägen, die ihn daran hindern würden, der mündlichen Verhandlung zu folgen, woraufhin der Rechtsberater einwandte, der Beschwerdeführer habe eine Hörbeeinträchtigung, wozu er entsprechende Unterlagen vom 15.3.2017 vorlegte. Der Beschwerdeführer fügte hinzu, dass eine Operation nicht stattfinden könne, solange er kein Aufenthaltsrecht habe. Er habe jedoch eine Hörhilfe erhalten, die ihn unterstütze und könne sowohl die Richterin als auch den Dolmetscher gut verstehen. Dieses Hörgerät sei nur zeitlich begrenzt, solche Ärzte gebe es in Afghanistan überhaupt nicht und er könne mit diesem Problem dort gar nicht leben.

Nach Österreich eingereist sei er illegal, weiters sei er im Jahr 1376 nach afghanischer Zeitrechnung geboren ( XXXX ), ledig, afghanischer Staatsbürger, Tadschike und schiitischer Moslem. Er spreche Dari und Paschtu. Geboren sei er in der Stadt Kandahar und habe dort auch bis zur Ausreise nach Pakistan mit den Eltern und Geschwistern gelebt.

Er wäre nur auf Ausflügen in Herat und in Helmand gewesen, in Herat habe er niemanden, aber in Helmand lebe eine Tante mütterlicherseits.

Sein Cousin, der Sohn seines Onkels, habe ihm die vorgelegte Tazkira besorgt und per Post geschickt, es handle sich um ein Duplikat, weil er das Original verloren hätte. Bei der im Akt befindlichen Kopie (Seite 286ff) handle es sich um seine Tazkira und die beiden anderen Seiten zeigten die Adressen von der Post bzw. des EMS-Kuverts mit dem Anschreiben. Die Original-Tazkira habe er auf dem Weg zwischen der Türkei und Griechenland auf dem Meer verloren. Das Duplikat habe sein Vater ausstellen lassen (laut Dolmetscher im Juli/August 2014) und sein Cousin habe es dann per Post geschickt, weil der Vater nicht gewusst habe, wie er es übermitteln solle. Sein Reisepass sei vom Schlepper gefälscht worden, mit einem höheren Alter, damit er über die Grenze komme.

Als er Afghanistan und auch Pakistan verlassen habe, hätten sich Eltern und Geschwister in Afghanistan, in Kandahar aufgehalten. Derzeit wisse er nicht, wo sie sich befänden und ob sie noch lebten oder nicht. Seit dem 8./9. Monat 2017 habe er keinen Kontakt mehr. Bis 2017 hätten sie versucht, versteckt zu leben, auf jeden Fall in Kandahar, aber sie hätten ihm nie gesagt, wo genau.

Von seinem Vater wisse er seit dem ca. 8./9. Monat des Jahres 2017 nichts mehr. Nach dem Vorfall habe der Vater Drohungen bekommen und der Beschwerdeführer habe seitdem nichts mehr von ihm gehört, auch nicht, wo er sich befinde. Sein Onkel und seine Cousins wären auch bei der Polizei gewesen, aber hätten nichts herausgefunden. Damals habe der Vater ihm mitgeteilt, dass sie die Stadt verlassen wollten und danach hätte der Beschwerdeführer den Kontakt verloren. Dass er im Jahr 2015 angegeben habe, regelmäßig mit dem Vater zu telefonieren, aber keine Angaben zu seinem Aufenthaltsort machen zu können, erklärte er damit, dass die Taliban diesem gedroht hätten, wenn er den Beschwerdeführer nicht aushändige, würden sie ihn bzw. einen Sohn von ihm mitnehmen. Deswegen hätte er dem Beschwerdeführer nie seinen Aufenthaltsort mitgeteilt.

Die Großeltern wären verstorben, der Beschwerdeführer habe sechs Onkel und eine Tante väterlicherseits sowie zwei Onkel und zwei Tanten mütterlicherseits. Seine Onkel und die Tante väterlicherseits lebten in Kandahar und eine Tante mütterlicherseits in Helmand. Väterlicherseits gebe es viele weitere Blutsverwandte, nämlich Cousins und Cousinen, bei denen er davon ausgehe, dass sie sich in Kandahar befänden.

Bis zur siebenten Schulstufe habe der Beschwerdeführer die Schule besucht und auch die Ausbildung zum Fotografen gemacht. Bis zum 12./13. Lebensjahr habe sein Vater für ihn gesorgt, danach habe er halbtags zu arbeiten begonnen und halbtags die Schule besucht.

Das Haus, in dem sie gelebt hätten, habe seinem Vater gehört, nun habe es sein Cousin, der ihm gesagt hätte, dass er es jemandem gegeben habe. Der Beschwerdeführer gehe davon aus, dass es vermietet sei. Zu diesem Cousin habe er zuletzt vor ca. zwei Monaten Kontakt gehabt.

Im Jahr 1391 habe der Beschwerdeführer Afghanistan alleine Richtung Pakistan verlassen, weil die Drohbriefe an ihn gerichtet worden wären. Sie hätten ihn persönlich gewollt, und zwar, dass er sich stelle und mit ihnen zusammenarbeite. Danach sei er nie mehr im Heimatland gewesen. Auf Vorhalt erklärte er, vor der Reise nach Europa nicht in Afghanistan, in der Provinz Herat, sondern nur an der Grenze gewesen zu sein.

Von seinem achten bis zum zwölften Lebensjahr habe er neben dem Schulbesuch gemeinsam mit seinem Vater im eigenen Betrieb gearbeitet, danach nachmittags alleine das Fotogeschäft geführt, vormittags der Vater. Vorgehalten, bei der Behörde habe er angegeben, dass es ein eigenes Geschäft ab den Jahren 1388/1389 (2009/2010) gegeben habe und nicht, wenn man die heutige Aussage, dass er damals acht Jahre alt gewesen sei, ab 2005, erwiderte der Beschwerdeführer, der Dolmetscher müsse dies falsch berechnet haben. Ab 2012 habe er das Geschäft komplett selbstständig geführt. Zwischen dem Jahr 2009 und 2012 hätte er nur die Computerarbeiten für seinen Vater gemacht. Sein Vorbringen vor der belangten Behörde vorgehalten, bestritt er, dies so gesagt zu haben. Ab dem zwölften Lebensjahr habe er die Geschäfte alleine geführt, ca. für ein Jahr, und mit 13, fast sogar schon 14, sei er dann nach Pakistan.

Er habe mit der Polizei zusammengearbeitet und einen mündlichen Vertrag abgeschlossen. Sie hätten vereinbart, dass er die Polizisten, die neu in die Polizei eintreten, fotografiere und Dokumente kopiere. Auf Nachfrage erklärte er ausdrücklich, es habe sich um Polizei- und nicht Militärangehörige gehandelt. Sein Vorbringen vor dem Bundesamt vorgehalten, antwortete der Beschwerdeführer, er habe den Vertrag nicht mit einem Militärkommandanten, sondern einem General der Polizei abgeschlossen. In Afghanistan könnten sogar Achtjährige einen Vertrag abschließen. Mit seinem Vater habe er nicht Rücksprache gehalten, sondern ihm nur mitgeteilt, dass "Soldaten der Polizei" kommen würden. Er solle die Fotos machen und auch die Kopien anfertigen und er selbst würde dann die Fotos später drucken. Die Soldaten seien gekommen und fotografiert und die Dokumente kopiert worden. Immer wenn die "Polizeisoldaten" die Fotos abgeholt hätten, sei der Beschwerdeführer im Geschäft gewesen und mit ihnen gesehen worden.

Bei Seite 213 des Verwaltungsaktes handle es sich um den ersten Brief, der im Geschäft abgegeben worden und auf Seite 215 um den zweiten Brief, der nach Hause gekommen sei. Im ersten Drohbrief hätten sie gefordert, dass er sich stellen solle, im zweiten hätten sie gedroht, dass sie ihn töten würden, weil er sich nicht gestellt habe. Auf Vorhalt, diese beiden Schreiben seien bereits von der Behörde ins Deutsche übersetzt worden und richteten sich an das Fotostudio, aber nicht an ihn persönlich, erwiderte der Beschwerdeführer, er hätte den Vertrag abgeschlossen, wäre für die Taliban bekannt und zwischen dem ersten und zweiten Drohbrief wäre er auch angerufen und bedroht worden, mit ihnen zusammenzuarbeiten und - auf Vorhalt - dies hätte er im Jahr 2015 wortwörtlich gesagt.

Die Taliban habe er niemals gesehen. Nach dem ersten Brief habe er das Geschäft geschlossen und ihn seinem Vater gezeigt. Da er nicht mit ihnen zusammengearbeitet habe, würden ihn die Taliban verfolgen.

Weitere Briefe oder Schreiben seien nicht gekommen, sein Vater habe aber Drohanrufe - jedoch keine Schreiben - erhalten. Er habe dem Beschwerdeführer zwei-, dreimal gesagt, dass diese Leute anrufen würden, auch seine Nummer gewechselt und trotzdem hätten diese Personen seine neue Nummer herausgefunden. Von Drohbriefen hätte der Beschwerdeführer bei der belangten Behörde nichts angegeben.

Die nunmehr vorgelegten Briefe in englischer Sprache habe er vor zwei Monaten von seinem Cousin per Post erhalten. Dabei handle es sich um eine Bestätigung eines Polizeigenerals, dass er im Jahr 2012 im Fotogeschäft für die Polizei tätig gewesen sei.

In Österreich habe der Beschwerdeführer zwei Jahre beim Roten Kreuz, im Bereich der Rettung gearbeitet und dort einiges gelernt, ebenso wie das Kochen bei seiner drei Monate dauernden Tätigkeit für die Diakonie in der Küche. Sonntags gehe er zur Uni, von 14:00 bis 17:00 Uhr, das sei speziell für Ausländer und es gebe eine Bestätigung dazu. Er habe sich bei ÖIF auch für den B1-Kurs angemeldet, aber leider noch keine Rückmeldung bekommen. Mittwochs besuche er ein Sprachcafé und sei auch in einem Deutschkurs bei der Caritas gewesen, weiters in einem Kurs vom ÖIF, über die Kultur, Geschichte und Gesetze Österreichs. Auch habe er österreichische Freunde und zudem eine Freundin, deren Familiennamen er nur phonetisch angeben könne. Seitens der Rechtsvertretung wurde die Einvernahme der Freundin als Zeugin beantragt.

Vorgelegt wurden ergänzend zu den bisher übermittelten Unterlagen eine Bestätigung eines Betriebs, wonach dem Beschwerdeführer ein Arbeitsplatz im Bereich Lager gegeben werden könne, sowie diverse Kursbesuchsbestätigungen aus den Jahren 2015 bis 2017 und die Teilnahmebestätigung an einem Basisbildungskurs 2017/18.

Nochmals wurde auf das vorab mit der Ladung zur mündlichen Verhandlung übermittelte Informationsmaterial hingewiesen und ergänzend die gesamtüberarbeitete aktuelle Fassung des Länderinformationsblattes Afghanistan, Fassung 13.11.2019 übergeben. Eine Frist für eine etwaige Stellungnahme zu den neuen Länderberichten bis 13.12.2019 wurde gewährt.

9. In der Stellungnahme vom 12.12.2019 brachte der Beschwerdeführer im Wesentlichen vor, dass die Lebensgemeinschaft mit der beantragten Zeugin nicht mehr aufrecht sei, sodass der Antrag auf deren Einvernahme zurückgezogen werde.

Beim Beschwerdeführer handle es sich um eine Person mit Hörbeeinträchtigung, die zudem über keinerlei Kontakt zu den Eltern oder ein tragfähiges soziales Netz in Afghanistan verfüge, weswegen auch eine innerstaatliche Fluchtalternative nicht gegeben sei.

Beigelegt wurden vier Empfehlungsschreiben sowie ein Schreiben eines Imbisses, wonach dem Beschwerdeführer saisonal als Hilfsarbeiter eine Stelle angeboten werden könne.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

Das Bundesverwaltungsgericht geht aufgrund des durchgeführten Ermittlungsverfahrens von folgendem, für die Entscheidung maßgeblichem Sachverhalt aus:

1.1. Zur Person des Beschwerdeführers:

Der Beschwerdeführer ist afghanischer Staatsangehöriger und gehört der Volksgruppe der Tadschiken an. Er ist schiitischer Moslem. Seine Muttersprache ist Dari. Er spricht auch Paschtu. Er ist ledig und kinderlos.

Der Beschwerdeführer wurde in der Provinz Kandahar, in der gleichnamigen Stadt geboren und wuchs dort gemeinsam mit seinen Eltern und seinen fünf Geschwistern auf. Der Beschwerdeführer besuchte sechs Jahre lang die Schule. Er erlernte den Beruf als Fotograf und arbeitete als solcher in Kandahar.

Der Beschwerdeführer ist nach den afghanischen Gepflogenheiten und der afghanischen Kultur sozialisiert, er ist mit den afghanischen Gepflogenheiten vertraut.

Der Beschwerdeführer leidet an einer Hörschwäche, die mit einer Hörhilfe ausreichend versorgt ist und wie sich die verhandelnde Richterin in der mündlichen Verhandlung vergewissern konnte ausreichend versorgt. Ansonsten ist der Beschwerdeführer gesund.

1.2. Zu den Fluchtgründen des Beschwerdeführers:

1.2.1. Weder der Beschwerdeführer noch seine Familie wurden in Afghanistan jemals von den Taliban oder von anderen Personen persönlich aufgesucht oder von diesen bedroht.

Der Beschwerdeführer hat Afghanistan daher weder aus Furcht vor Eingriffen in die körperliche Integrität noch wegen Lebensgefahr verlassen.

Der Beschwerdeführer hatte keinen persönlichen Kontakt zu den Taliban, er wird von diesen auch nicht gesucht.

Der Beschwerdeführer wurde weder direkt von den Taliban noch über seinen Vater aufgefordert, mit den Taliban zusammen zu arbeiten oder diese zu unterstützen. Der Beschwerdeführer wurde von den Taliban weder angesprochen noch angeworben.

Der Beschwerdeführer hat nicht für die afghanische Regierung gearbeitet. Der Beschwerdeführer sowie sein Vater werden nicht verdächtigt, die Regierung zu unterstützen oder mit dieser zusammen zu arbeiten.

Der Beschwerdeführer war in Afghanistan wegen seiner Volksgruppenzugehörigkeit zu den Tadschiken und wegen seiner Religionszugehörigkeit zu den Schiiten konkret und individuell weder physischer noch psychischer Gewalt ausgesetzt.

Der Beschwerdeführer ist wegen seines Aufenthalts in einem westlichen Land oder wegen seiner Wertehaltung in Afghanistan keinen psychischen oder physischen Eingriffen in seine körperliche Integrität ausgesetzt. Der Beschwerdeführer hat sich in Österreich keine Lebenseinstellung angeeignet, die einen nachhaltigen und deutlichen Bruch mit den allgemein verbreiteten gesellschaftlichen Werten in Afghanistan darstellt. Es liegt keine westliche Lebenseinstellung beim Beschwerdeführer vor, die wesentlicher Bestandteil seiner Persönlichkeit geworden ist, und die ihn in Afghanistan exponieren würde.

1.2.2. Bei einer Rückkehr nach Afghanistan drohen dem Beschwerdeführer individuell und konkret weder Lebensgefahr noch ein Eingriff in seine körperliche Integrität durch Mitglieder der Taliban, die Regierung oder durch andere Personen. Bei einer Rückkehr nach Afghanistan droht dem Beschwerdeführer auch keine Zwangsrekrutierung durch die Taliban oder durch andere Personen.

Dem Beschwerdeführer droht bei einer Rückkehr nach Afghanistan wegen seiner Zugehörigkeit zur Religionsgemeinschaft der Schiiten oder zur Volksgruppe der Tadschiken konkret und individuell weder physische noch psychische Gewalt.

Der Beschwerdeführer ist bei einer Rückkehr nach Afghanistan aufgrund seines in Österreich ausgeübten Lebensstils oder seinem Aufenthalt in einem europäischen Land weder psychischer noch physischer Gewalt ausgesetzt.

1.3. Zum (Privat)Leben des Beschwerdeführers in Österreich:

Der Beschwerdeführer reiste unter Umgehung der Grenzkontrollen nach Österreich ein und hält sich zumindest seit 25.9.2014 durchgehend in Österreich auf. Er ist nach seinem Antrag auf internationalen Schutz vom 25.9.2014 in Österreich aufgrund einer vorübergehenden Aufenthaltsberechtigung nach dem AsylG durchgehend rechtmäßig aufhältig.

Der Beschwerdeführer verfügt über Deutschkenntnisse auf Niveau A2. Er besuchte bis zum Jahr 2018 Basisbildungskurse.

Der Beschwerdeführer lebt von der Grundversorgung, er ist am österreichischen Arbeitsmarkt nicht integriert und geht keiner Erwerbstätigkeit nach. Er verfügt über keine rechtlich verbindliche Arbeitszusage.

Er arbeitete ehrenamtlich von Oktober bis Dezember 2015 bei der Caritas sowie 2016 beim ÖRK bei der Flüchtlingsbetreuung und im Jahr 2018 einen Monat für 10 Wochenstunden bei der Diakonie.

Der Beschwerdeführer konnte in Österreich Freundschaften knüpfen. Er verfügt jedoch weder über Verwandte noch über sonstige enge soziale Bindungen, wie Ehefrau oder Kinder in Österreich. Die Verbindung zu seiner Freundin bzw. Lebensgefährtin wurde mittlerweile aufgelöst.

Der Beschwerdeführer legte Unterstützungserklärungen vor.

1.4. Zu einer möglichen Rückkehr des Beschwerdeführers in den Herkunftsstaat:

Dem Beschwerdeführer könnte bei einer Rückkehr in die Herkunftsprovinz Kandahar aufgrund der dort herrschenden allgemeinen schlechten Sicherheitslage ein Eingriff in seine körperliche Unversehrtheit drohen.

Der Beschwerdeführer hat zumindest grundlegende Ortskenntnisse betreffend Herat. Er hat bereits in der Stadt Kandahar gelebt, ihm sind städtische Strukturen somit grundsätzlich geläufig.

Der Beschwerdeführer ist anpassungsfähig und kann einer regelmäßigen Arbeit nachgehen.

Bei einer Rückkehr nach Afghanistan und einer Ansiedelung in der Städten Herat bzw. Mazar-e Sharif kann der Beschwerdeführer grundlegende und notwendige Lebensbedürfnisse, wie Nahrung, Kleidung sowie Unterkunft, befriedigen, ohne in eine ausweglose bzw. existenzbedrohende Situation zu geraten. Er kann selbst für sein Auskommen und Fortkommen sorgen und in Herat bzw. Mazar-e Sharif einer Arbeit nachgehen und sich selber erhalten.

Zudem hat er noch Eltern und Geschwister sowie Onkel, Tanten und Cousins in Afghanistan, insbesondere in Kandahar. Er konnte nicht glaubhaft machen, zu seiner Familie nicht in Kontakt zu stehen bzw. deren genauen Aufenthaltsort nicht zu kennen.

Es ist dem Beschwerdeführer möglich, nach anfänglichen Schwierigkeiten nach einer Ansiedlung in den Städten Herat bzw. Mazar-e Sharif Fuß zu fassen und dort ein Leben ohne unbillige Härten zu führen, wie es auch andere Landsleute führen können.

1.5. Feststellungen zur Lage im Herkunftsstaat:

Das Länderinformationsblatt der Staatendokumentation Afghanistan, Stand 13.11.2019, die EASO Country Guidance: Afghanistan vom Juni 2019 (EASO) und die UNHCR-Richtlinien zur Feststellung des Internationalen Schutzbedarfs Afghanischer Schutzsuchender vom 30.8.2018 (siehe Anlage) stellen einen integrierten Bestandteil dieses Erkenntnisses dar und werden als Feststellungen zur Lage im Herkunftsstaat herangezogen.

2. Beweiswürdigung:

Die getroffenen Feststellungen ergeben sich aus dem vorliegenden Verwaltungs- und Gerichtsakt und dem vom Bundesverwaltungsgericht durchgeführten Ermittlungsverfahren.

2.1. Zur Person des Beschwerdeführers:

Die Feststellungen zur Staatsangehörigkeit des Beschwerdeführers, zu seiner Volksgruppen- und Religionszugehörigkeit, seiner Muttersprache, seinem Lebenslauf, seinem Aufwachsen sowie seine familiäre Situation in Afghanistan, seiner Schul- und Berufsausbildung und seiner Berufserfahrung gründen sich auf seine diesbezüglich schlüssigen und stringenten Angaben. Das Bundesverwaltungsgericht hat keine Veranlassung, an diesen im gesamten Verfahren gleich gebliebenen Aussagen des Beschwerdeführers zu zweifeln.

Die Feststellung zur Sozialisierung des Beschwerdeführers nach den afghanischen Gepflogenheiten, ergibt sich daraus, dass er in Afghanistan mit seiner afghanischen Familie aufgewachsen ist, dort zur Schule gegangen ist und als Fotograf gearbeitet hat.

Die Feststellungen zum Gesundheitszustand gründen auf den diesbezüglich glaubhaften Aussagen des Beschwerdeführers bei der belangten Behörde und in der mündlichen Verhandlung. Dass er über eine Hörschwäche verfügt, ergibt sich zudem aus den im Rahmen der mündlichen Verhandlung vorgelegten, mit 15.3.2017 datierten, Ergebnissen des Hörtests eines Hörgeräteakustikers.

2.2. Zum Fluchtvorbringen des Beschwerdeführers:

Dieses Vorbringen des Beschwerdeführers war insgesamt widersprüchlich, gesteigert, vage und nicht plausibel.

Ein besonders grober Widerspruch besteht bereits in seinen Angaben, für welche staatliche Institution er als Fotograf seine die Verfolgung durch die Taliban auslösenden Tätigkeiten ausgeführt haben will. Hatte er in der Erstbefragung und vor der belangten Behörde noch angegeben, er hätte Soldaten fotografiert und den Vertrag mit einem für die Aufnahme neuer Soldaten zuständigen Kommandanten abgeschlossen, erklärte er vor dem Bundesverwaltungsgericht ausdrücklich, mit der Polizei zusammengearbeitet und einen Vertrag abgeschlossen sowie neu eingetretene Polizisten fotografiert zu haben. Auf Vorhalt gab er ausdrücklich an, es habe sich um Polizisten und nicht um Militärangehörige gehandelt und er hätte den Vertrag mit einem General der Polizei und nicht mit einem Militärkommandanten errichtet, nur um in weiterer Folge von "Soldaten der Polizei" und "Polizeisoldaten" zu sprechen.

Hatte er bezüglich der angeblichen beiden (Droh-) Briefe der Taliban immer behauptet, diese wären an ihn persönlich gerichtet, ergab die amtliche Übersetzung das Fotostudio, in dem auch sein Vater gearbeitet hat, als Adressaten. Dies seitens der erkennenden Richterin vorgehalten, erwiderte er, er selbst wäre den Taliban bekannt gewesen und (gesteigert) zwischen dem ersten und zweiten Brief auch angerufen und bedroht worden. Dazu ist jedoch festzuhalten, dass der Beschwerdeführer im Jahr 2015 vor der belangten Behörde im Gegensatz dazu ausdrücklich erklärt hatte, außer diesen beiden Briefen habe es keine Bedrohung gegeben und die Taliban seien auch niemals bei ihnen gewesen. Dies vorgehalten, bestritt der Beschwerdeführer seine früheren Aussagen so getätigt zu haben, bestätigte jedoch unter einem, er habe die Taliban niemals gesehen.

Auch erklärte er vor dem Bundesverwaltungsgericht, weitere Schreiben seien nicht gekommen, sein Vater habe aber Drohanrufe erhalten. Dabei widerspricht auch dies seinen Angaben vor dem Bundesamt, die Taliban hätten nach seiner Ausreise nach Pakistan Drohbriefe an seinen Vater geschickt, in welchen sie nach dem Beschwerdeführer gefragt hätten. Diesen Widerspruch vorgehalten, bestritt der Beschwerdeführer sein früheres Vorbringen in diesem Punkt nochmals zur Gänze.

Gesteigert und überdies äußerst vage und unsubstantiiert war das Vorbringen vor dem Bundesamt am 25.3.2016, wo der Beschwerdeführer lediglich allgemein behauptete, dass, wenn er seine Beschäftigung für die Regierung aufgegeben hätte, er von dieser verfolgt worden wäre. Er gab dazu jedoch weder eine konkrete Bedrohung an, noch erwähnte er diese Verfolgung im weiteren Verfahren.

Nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist ein gesteigertes Vorbringen nicht als glaubhaft anzusehen. Vielmehr müsse grundsätzlich den ersten Angaben des Asylwerbers ein erhöhter Wahrheitsgehalt zuerkannt werden. Es entspricht der Lebenserfahrung, dass Angaben, die in zeitlich geringerem Abstand zu den darin enthaltenen Ereignissen gemacht werden, der Wahrheit in der Regel am nächsten kommen (VwGH 11.11.1998, 98/01/0261, mwH). Vor diesem Hintergrund bestehen bereits im Hinblick auf die Steigerung des Vorbringens massive Zweifel an der Glaubhaftigkeit der Aussagen des Beschwerdeführers betreffend die angebliche Bedrohung durch die Regierung.

Nicht plausibel und zudem widersprüchlich ist, dass der Beschwerdeführer seit 2017 von seinem Vater und der engeren Familie nichts mehr wisse bzw. sie Kandahar verlassen hätten und nicht mehr auffindbar wären. Vor dem Bundesverwaltungsgericht gab er dazu an, nach dem Vorfall hätte der Vater Drohungen bekommen und der Beschwerdeführer seitdem nichts mehr von ihm gehört, auch nicht, wo er sich befinde. Damals habe der Vater ihm mitgeteilt, dass sie die Stadt verlassen wollten und danach hätte der Beschwerdeführer den Kontakt verloren. Dass er im Jahr 2015 angegeben habe, regelmäßig mit dem Vater zu telefonieren, aber keine Angaben zu seinem Aufenthaltsort machen zu können, erklärte er auf Vorhalt hin damit, dass die Taliban jenen gedroht hätten, wenn er den Beschwerdeführer nicht aushändige, würden sie diesen bzw. einen anderen Sohn von ihm mitnehmen. Deswegen hätte der Vater dem Beschwerdeführer, seinem Sohn nie seinen Aufenthaltsort mitgeteilt. Abgesehen von dem Widerspruch ist nicht nachvollziehbar, warum der Vater seinem im entfernten Ausland befindlichen Sohn den Aufenthaltsort der Familie verheimlichen sollte, nur damit letzterer - nämlich der Beschwerdeführer, der sich zu dieser Zeit jedenfalls schon in Österreich aufgehalten hat - bzw. ein anderer Sohn nicht von den Taliban entführt wird.

Widersprüchlich waren auch die Angaben des Beschwerdeführers zu seinem (angeblich unterwegs verlorenen) Reisepass. Hatte er im Rahmen seiner Erstbefragung noch vorgebracht, dieser wäre seitens der afghanischen Behörde ausgestellt worden, erklärte er vor der belangten Behörde am 29.10.2015, er hätte keinen afghanischen Reisepass gehabt - dafür müsse man 18 Jahre alt sein (was an sich schon nicht plausibel ist) - sondern er habe den Pass vom Schlepper erhalten.

Das Gericht verkennt bei der Würdigung der Aussagen des Beschwerdeführers in der Erstbefragung nicht, dass gemäß § 19 Abs. 1 AsylG die Erstbefragung zwar "insbesondere" der Ermittlung der Identität und der Reiseroute eines Fremden dient und sich nicht auf die "näheren" Fluchtgründe zu beziehen hat. Die Beweisergebnisse der Erstbefragung dürfen nicht unreflektiert übernommen werden (vgl. VwGH 13.11.2014, Ra 2014/18/0061). Ein vollständiges Beweisverwertungsverbot normiert § 19 Abs. 1 AsylG jedoch nicht. Im Rahmen beweiswürdigender Überlegungen können Widersprüche und sonstige Ungereimtheiten in den Angaben in der Erstbefragung zu späteren Angaben - unter Abklärung und in der Begründung vorzunehmender Offenlegung, worauf diese fallbezogen zurückzuführen sind - einbezogen werden (VwGH 26.03.2019, Ra 2018/19/0607 bis 0608-12, VwGH 28.6.2018, Ra 2018/19/0271, mwN). Es ist davon auszugehen, dass jemand, der ein derartig einschneidendes Erlebnis wie eine Flucht aufgrund einer Verfolgung erlebt, sich daran erinnert, woher er seinen Pass hat.

So widersprach sich der Beschwerdeführer weiters auch darin, wie - und vor allem wo - er den Pass vom Schlepper erhalten hätte. Hatte er vor der belangten Behörde am 28.10.2015 noch ausdrücklich angegeben, er wäre von Pakistan nach Afghanistan zurückgekehrt und habe in Herat das Dokument erhalten, wo er auch zwei Nächte geblieben sei, erklärte er vor dem Bundesverwaltungsgericht zunächst, nach seiner Ausreise nach Pakistan nie wieder in Afghanistan gewesen zu sein und erwiderte auf Vorhalt hin, er hätte sich nur an der Grenze zu Herat aufgehalten.

Festzuhalten ist auch, dass der Beschwerdeführer selbst stets ein Lebensalter nannte, welches eindeutig dem rechtsmedizinischen Sachverständigengutachten vom 18.11.2014 widerspricht und auch das vorgelegte Duplikat der Tazkira ein Geburtsdatum, welches demnach nicht stimmen kann, aufweist. Zudem machte der Beschwerdeführer während des gesamten Verfahrens wiederholt unterschiedliche Zeit- bzw. Altersangaben, wie z.B., dass er vor der belangten Behörde erklärte, bis zum Alter von ca. 15 Jahren in der Heimat die Schule besucht und daneben als Fotograf gearbeitet zu haben, während er vor dem Bundesverwaltungsgericht vorbrachte, mit 13, fast vierzehn Jahren nach Pakistan gegangen zu sein.

Wie aus den Länderberichten hervorgeht, werden in Afghanistan häufig verfahrensangepasste Dokumente oder Dokumente unwahren Inhaltes erstellt, sodass der Tazkira auch aus diesem Grund keine Beweiskraft zukommt und nicht von deren Echtheit bzw. Richtigkeit auszugehen ist. Dies gilt auch für die im Rahmen der mündlichen Verhandlung vorgelegte angebliche Bestätigung eines Polizeigenerals und erst recht für die Schreiben der Taliban und das von seinem Vater ausgestellte Blatt mit den Geburtsdaten des Beschwerdeführers und seiner Geschwister. Auch dass der Beschwerdeführer in der mündlichen Verhandlung einräumte, sein Pass sei vom Schlepper mit einem älteren Geburtsdatum gefälscht worden, damit er über die Grenze komme, zeigt, dass er auch was Alter und vorgelegte Dokumente anlangt nicht glaubwürdig ist.

Anzumerken ist zudem, dass der Beschwerdeführer am 18.11.2015 noch angab, der in Kandahar lebende Cousin habe die Tazkira besorgt und geschickt, weil der Vater des Beschwerdeführers die Stadt verlassen und nicht gewollt hätte, dass offensichtlich werde, wo er wohne. Vor dem Bundesverwaltungsgericht brachte er dazu jedoch vor, der Vater habe das Duplikat ausstellen lassen und der Cousin es per Post geschickt, weil der Vater nicht gewusst hätte, wie er sie übermitteln solle.

Insgesamt ist es dem Beschwerdeführer somit nicht gelungen, glaubhaft zu machen, in der Heimat durch die Taliban oder die Regierung bedroht zu werden.

2.3. Zum (Privat)Leben des Beschwerdeführers in Österreich:

Die Feststellungen zum Leben des Beschwerdeführers in Österreich, insbesondere zur Aufenthaltsdauer, seinen Deutschkenntnissen, seinen fehlenden familiären oder engen sozialen Anknüpfungspunkten in Österreich und seiner Integration in Österreich, stützen sich auf die Aktenlage, auf die Angaben des Beschwerdeführers in der mündlichen Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht sowie auf die von ihm in der mündlichen Verhandlung vorgelegten und übermittelten Unterlagen und die zuletzt erstattete Stellungnahme.

2.4. Zur Rückkehr des Beschwerdeführers in den Herkunftsstaat:

2.4.1. Die Feststellungen zu den Folgen einer Rückkehr des Beschwerdeführers in seine Herkunftsprovinz Kandahar ergeben sich aus den oben angeführten Länderberichten.

Die Feststellung zu den grundlegenden Ortskenntnissen des Beschwerdeführers über Herat ergibt sich aus seiner Aussage, er habe zwar noch nicht dort gelebt, aber sei schon auf Ausflügen in Herat gewesen. Da ihm städtische Strukturen infolge seines jahrelangen Lebens in Kandahar-Stadt zudem gut bekannt sind, ist er in der Lage sich innerhalb kurzer Zeit Ortskenntnisse zu verschaffen.

Die Feststellung zur Anpassungsfähigkeit und Arbeitsfähigkeit des Beschwerdeführers ergibt sich daraus, dass er in Österreich ehrenamtlichen Tätigkeiten nachging, er sich in Österreich an sich zurechtfindet und er angab einer Arbeit nachgehen zu können. Es sind im Verfahren keine Umstände hervorgekommen, die gegen eine grundsätzliche Anpassungsfähigkeit oder gegen eine Arbeitsfähigkeit des Beschwerdeführers sprechen.

2.4.2. Die Feststellungen zu den Folgen einer Ansiedlung des Beschwerdeführers in den Städten Herat bzw. Mazar-e Sharif, ergeben sich - unter Berücksichtigung der von UNHCR und EASO aufgestellten Kriterien für das Bestehen einer internen Schutzalternative für Afghanistan - aus den oben angeführten Länderberichten und aus den Angaben des Beschwerdeführers. Die Feststellung zur Prognose, dass sich der Beschwerdeführer in den Städten Herat bzw. Mazar-e Sharif eine Existenz aufbauen kann, ergibt sich aus folgenden Erwägungen:

Aus den Länderinformationen ergibt sich, dass die Städte Herat und Mazar-e Sharif als relativ sicher gelten und unter der Kontrolle der Regierung stehen. Diese sind auch sicher erreichbar und die Versorgung der Bevölkerung ist in diesen Städten grundlegend gesichert.

Der Beschwerdeführer ist mit der afghanischen Kultur vertraut und nach den afghanischen Gepflogenheiten sozialisiert. Auch deshalb kann er sich in den Städten Herat bzw. Mazar-e Sharif zumindest ausreichend zurechtfinden. Der Beschwerdeführer hat sechs Jahre die Schule besucht und er verfügt über eine mehrjährige Berufserfahrung als Fotograf. Er ist im erwerbsfähigen Alter, grundsätzlich gesund, volljährig, alleinstehend, anpassungsfähig und arbeitsfähig. Der Beschwerdeführer hat keine Sorgepflichten. Er kann auch Rückkehrhilfe in Anspruch nehmen. Zudem hat er nach eigenen Angaben in der mündlichen Verhandlung noch Eltern und Geschwister sowie weitere Verwandte in der Heimat und es ist - wie unter Punkt 2.2. ausgeführt - nicht glaubhaft, dass er keinen Kontakt mehr zu Eltern und Geschwistern hat bzw. deren genauen Aufenthalt nicht kennt.

Das Bundesverwaltungsgericht geht daher auf Grund dieser Umstände davon aus, dass sich der Beschwerdeführer wenn auch nach anfänglichen Schwierigkeiten, in Herat bzw. Mazar-e Sharif niederlassen und sich dort eine Existenz ohne unbillige Härte aufbauen kann.

2.5. Zur Situation im Herkunftsstaat:

Die Feststellungen zur maßgeblichen Situation im Herkunftsstaat stützen sich auf die zitierten Länderberichte. Da diese aktuellen Länderberichte auf einer Vielzahl verschiedener, voneinander unabhängiger Quellen von regierungsoffiziellen und nicht-regierungsoffiziellen Stellen beruhen und dennoch ein in den Kernaussagen übereinstimmendes Gesamtbild ohne wesentliche Widersprüche bieten, besteht im vorliegenden Fall für das Bundesverwaltungsgericht kein Anlass, an der Richtigkeit der herangezogenen Länderinformationen zu zweifeln. Die den Feststellungen zugrundeliegenden Länderberichte sind in Bezug auf die Sicherheits- und Versorgungslage in Afghanistan aktuell. Das Bundesverwaltungsgericht hat sich durch Einsichtnahme in die jeweils verfügbaren Quellen (u.a. laufende Aktualisierung des Länderinformationsblattes der Staatendokumentation) davon versichert, dass zwischen dem Stichtag der herangezogenen Berichte und dem Entscheidungszeitpunkt keine wesentliche Veränderung der Sicherheits- und Versorgungslage in Afghanistan eingetreten ist. Die in der Beschwerde zitierten Länderberichte sind durch die aktuellen, in den Feststellungen zitierten Länderinformationen überholt.

3. Rechtliche Beurteilung:

3.1. Zuständigkeit und verfahrensrechtliche Grundlagen:

Gemäß § 6 Bundesverwaltungsgerichtsgesetz (BVwGG), BGBl. I Nr. 10/2013 in der geltenden Fassung entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist. Da in den maßgeblichen gesetzlichen Bestimmungen eine Senatszuständigkeit nicht vorgesehen ist, liegt gegenständlich die Zuständigkeit der nach der geltenden Geschäftsverteilung des Bundesverwaltungsgerichts zuständigen Einzelrichterin vor.

Das Verfahren der Verwaltungsgerichte ist mit Ausnahme des Bundesfinanzgerichts durch das Verwaltungsgerichtsverfahrens (VwGVG) geregelt. Gemäß § 58 Abs 2 VwGVG idgF bleiben entgegenstehende Bestimmungen, die zum Zweck des Inkrafttretens dieses Bundesgesetzes kundgemacht wurden, in Kraft.

Gemäß § 17 VwGVG idgF sind, soweit in diesem Bundesgesetz nicht anderes bestimmt ist, auf das Verfahren über Beschwerden gemäß Art 130 Abs 1 B-VG die Bestimmungen des AVG mit Ausnahme der §§ 1 bis 5 sowie des IV. Teiles, die Bestimmungen der Bundesabgabenordnung - BAO, BGBl. Nr. 194/1961, des Agrarverfahrensgesetzes - AgrVG, BGBl. Nr. 173/1950, und des Dienstrechtsverfahrensgesetzes 1984 - DVG, BGBl. Nr. 29/1984, und im Übrigen jene verfahrensrechtlichen Bestimmungen in Bundes- oder Landesgesetzen sinngemäß anzuwenden, die die Behörde in dem dem Verfahren vor dem Verwaltungsgericht vorangegangenen Verfahren angewendet hat oder anzuwenden gehabt hätte.

Gemäß § 7 Abs 1 Z 1 des BFA-Verfahrensgesetz - BFA-VG entscheidet über Beschwerden gegen Entscheidungen (Bescheide) des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl (BFA) das Bundesverwaltungsgericht.

Gemäß §§ 16 Abs 6 und 18 Abs 7 BFA-VG idgF sind die §§ 13 Abs. 2 bis 5 und 22 VwGVG nicht anwendbar.

3.2. Zu Spruchpunkt A)

3.2.1. Beschwerde gegen Spruchpunkt I. des angefochtenen Bescheides - Nichtzuerkennung des Status des Asylberechtigten:

3.2.1.1. § 3 Asylgesetz 2005 (AsylG) lautet auszugsweise:

"Status des Asylberechtigten

§ 3. (1) Einem Fremden, der in Österreich einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt hat, ist, soweit dieser Antrag nicht bereits gemäß §§ 4, 4a oder 5 zurückzuweisen ist, der Status des Asylberechtigten zuzuerkennen, wenn glaubhaft ist, dass ihm im Herkunftsstaat Verfolgung im Sinne des Art. 1 Abschnitt A Z 2 Genfer Flüchtlingskonvention droht.

(2) Die Verfolgung kann auch auf Ereignissen beruhen, die eingetreten sind, nachdem der Fremde seinen Herkunftsstaat verlassen hat (objektive Nachfluchtgründe) oder auf Aktivitäten des Fremden beruhen, die dieser seit Verlassen des Herkunftsstaates gesetzt hat, die insbesondere Ausdruck und Fortsetzung einer bereits im Herkunftsstaat bestehenden Überzeugung sind (subjektive Nachfluchtgründe). Einem Fremden, der einen Folgeantrag (§ 2 Abs. 1 Z 23) stellt, wird in der Regel nicht der Status des Asylberechtigten zuerkannt, wenn die Verfolgungsgefahr auf Umständen beruht, die der Fremde nach Verlassen seines Herkunftsstaates selbst geschaffen hat, es sei denn, es handelt sich um in Österreich erlaubte Aktivitäten, die nachweislich Ausdruck und Fortsetzung einer bereits im Herkunftsstaat bestehenden Überzeugung sind.

(3) Der Antrag auf internationalen Schutz ist bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten abzuweisen, wenn

1. dem Fremden eine innerstaatliche Fluchtalternative (§ 11) offen steht oder

2. der Fremde einen Asylausschlussgrund (§ 6) gesetzt hat.

..."

3.2.1.2. Flüchtling im Sinne des Art. 1 Abschnitt A Z 2 Genfer Flüchtlingskonvention (GFK) ist, wer sich aus der begründeten Furcht vor Verfolgung wegen der Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder der politischen Überzeugung, außerhalb seines Heimatlandes befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, sich des Schutzes dieses Landes zu bedienen; oder der staatenlos ist, sich außerhalb des Landes seines gewöhnlichen Aufenthaltes befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, in dieses Land zurückzukehren.

Ein in seiner Intensität asylrelevanter Eingriff in die vom Staat zu schützende Sphäre des Einzelnen führt also dann zur Flüchtlingseigenschaft, wenn er an einem in Art 1 Abschnitt A Z 2 der GFK festgelegten Grund, nämlich die Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder politische Gesinnung anknüpft.

Gemäß § 3 Abs. 1 AsylG liegt es am Beschwerdeführer, entsprechend glaubhaft zu machen, dass ihm im Herkunftsstaat eine Verfolgung im Sinne des Art. 1 Abschnitt A Z 2 GFK droht.

Zentrales Element des Flüchtlingsbegriffs ist nach ständiger Rechtsprechung des VwGH die "begründete Furcht vor Verfolgung" (VwGH 22.12.1999, Zl. 99/01/0334; 21.12.2000, Zl. 2000/01/0131; 25.01.2001, Zl. 2001/20/0011). Eine solche liegt dann vor, wenn sie im Licht der speziellen Situation des Asylwerbers unter Berücksichtigung der Verhältnisse im Verfolgerstaat objektiv nachvollziehbar ist. Es kommt nicht darauf an, ob sich eine bestimmte Person in einer konkreten Situation tatsächlich fürchtet, sondern ob sich eine mit Vernunft begabte Person in dieser Situation aus Konventionsgründen fürchten würde (VwGH 09.03.1999, Zl. 98/01/0370; 21.09.2000, Zl. 2000/20/0286).

Unter Verfolgung ist ein ungerechtfertigter Eingriff von erheblicher Intensität in die zu schützende Sphäre des Einzelnen zu verstehen, welcher geeignet ist, die Unzumutbarkeit der Inanspruchnahme des Schutzes des Heimatstaates bzw. der Rückkehr in das Land des vorigen Aufenthalts zu begründen (VwGH 24.11.1999, Zl. 99/01/0280). Eine Verfolgungsgefahr ist dann anzunehmen, wenn eine Verfolgung mit einer maßgeblichen Wahrscheinlichkeit droht, die entfernte Möglichkeit einer Verfolgung genügt nicht (VwGH 21.12.2000, Zl. 2000/01/0131; 25.01.2001, Zl. 2001/20/0011 ua).

Auch wenn in einem Staat allgemein schlechte Verhältnisse bzw. sogar bürgerkriegsähnliche Zustände herrschen sollten, so liegt in diesem Umstand für sich alleine noch keine Verfolgungsgefahr im Sinne der Flüchtlingskonvention. Um asylrelevante Verfolgung erfolgreich geltend zu machen, bedarf es daher einer zusätzlichen, auf asylrelevante Gründe gestützten Gefährdung des Asylwerbers, die über die gleichermaßen die anderen Staatsbürger des Heimatstaates treffenden Unbilligkeiten hinausgeht (vgl. hiezu VwGH 21.01.1999, 98/18/0394; 19.10.2000, 98/20/0233, mwH).

Eine allgemeine desolate wirtschaftliche und soziale Situation kann nach ständiger Judikatur nicht als hinreichender Grund für eine Asylgewährung herangezogen werden (vgl. VwGH vom 17.06.1993, Zl. 92/01/1081; VwGH vom 14.03.1995, Zl. 94/20/0798).

Nur eine aktuelle Verfolgungsgefahr kann relevant sein, diese muss im Entscheidungszeitpunkt vorliegen. Auf diesen Zeitpunkt hat die der Asylentscheidung immanente Prognose abzustellen, ob der Asylwerber mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit eine Verfolgung aus den in Art. 1 Abschnitt A Z 2 GFK genannten Gründen zu befürchten habe (VwGH 19.10.2000, 98/20/0233).

Die Verfolgungsgefahr muss ihre Ursache in den in der GFK genannten Gründen haben, welche Art 1 Abschnitt A Z 2 nennt, und muss ihrerseits Ursache dafür sein, dass sich die betreffende Person außerhalb ihres Heimatstaates bzw. des Staates ihres vorigen Aufenthaltes befindet. Die Verfolgungsgefahr muss dem Heimatstaat bzw. dem Staat des letzten gewöhnlichen Aufenthaltes zurechenbar sein, wobei Zurechenbarkeit nicht nur ein Verursachen bedeutet, sondern eine Verantwortlichkeit in Bezug auf die bestehende Verfolgungsgefahr bezeichnet (VwGH 16.06.1994, Zl. 94/19/0183).

Eine Verfolgungsgefahr kann nicht ausschließlich aus individuell gegenüber dem Einzelnen gesetzten Einzelverfolgungsmaßnahmen abgeleitet werden, vielmehr kann sie auch darin begründet sein, dass regelmäßig Maßnahmen zielgerichtet gegen Dritte gesetzt werden, und zwar wegen einer Eigenschaft, die der Betreffende mit diesen Personen teilt, sodass die begründete Annahme besteht, (auch) er könnte unabhängig von individuellen Momenten solchen Maßnahmen ausgesetzt sein (VwGH 09.03.1999, Zahl 98/01/0370; 22.10.2002, Zahl 2000/01/0322).

Von einer mangelnden Schutzfähigkeit des Staates kann nicht bereits dann gesprochen werden, wenn der Staat nicht in der Lage ist, seine Bürger gegen jedwede Übergriffe seitens Dritter präventiv zu schützen. Es ist erforderlich, dass der Schutz generell infolge Fehlens einer funktionierenden Staatsgewalt nicht gewährleistet wird (vgl. VwGH 01.06.1994, Zl. 94/18/0263; 01.02.1995, Zl. 94/18/0731). Die mangelnde Schutzfähigkeit hat jedoch nicht zur Voraussetzung, dass überhaupt keine Staatsgewalt besteht - diesfalls wäre fraglich, ob von der Existenz eines Staates gesprochen werden kann -, die ihren Bürgern Schutz bietet. Es kommt vielmehr darauf an, ob in dem relevanten Bereich des Schutzes der Staatsangehörigen vor Übergriffen durch Dritte aus den in der GFK genannten Gründen eine ausreichende Machtausübung durch den Staat möglich ist. Mithin kann eine von dritter Seite ausgehende Verfolgung nur dann zur Asylgewährung führen, wenn sie von staatlichen Stellen infolge nicht ausreichenden Funktionierens der Staatsgewalt nicht abgewendet werden kann (VwGH 22.03.2000, Zl. 99/01/0256). Die Voraussetzungen der GFK sind nur bei jenem Flüchtling gegeben, der im gesamten Staatsgebiet seines Heimatlandes keinen ausreichenden Schutz vor der konkreten Verfolgung findet (VwGH 08.10.1980, VwSlg. 10.255 A). Steht dem Asylwerber die Einreise in Landesteile seines Heimatstaates offen, in denen er frei von Furcht leben kann, und ist ihm dies zumutbar, so bedarf er des asylrechtlichen Schutzes nicht; in diesem Fall liegt eine sog. "inländische Fluchtalternative" vor. Der Begriff "inländische Fluchtalternative" trägt dem Umstand Rechnung, dass sich die wohlbegründete Furcht vor Verfolgung iSd. Art 1 Abschnitt A Z 2 GFK, wenn sie die Flüchtlingseigenschaft begründen soll, auf das gesamte Staatsgebiet des Heimatstaates des Asylwerbers beziehen muss (VwGH 08.09.1999, Zl. 98/01/0503 und Zl. 98/01/0648).

3.2.1.3. Der Beschwerdeführer wird in Afghanistan nicht verfolgt. Da der Beschwerdeführer die von ihn vorgebrachten Vorfälle nicht glaubhaft machen konnte und sich diese demnach nicht ereignet haben, droht dem Beschwerdeführer aus diesem Grund auch keine Gefahr weder durch die Taliban noch durch staatliche Behörden bei seiner Rückkehr nach Afghanistan. Beim Beschwerdeführer liegt somit keine Verfolgungsgefahr aus einem Konventionsgrund vor.

3.2.1.4. Auch eine konkrete individuelle Verfolgung des Beschwerdeführers aufgrund seiner Zugehörigkeit zur Volksgruppe der Tadschiken und der Religionsgemeinschaft der Schiiten wurde nicht festgestellt.

Den oben zitierten Länderberichten ist u.a. zwar zu entnehmen, dass Schiiten Diskriminierungen durch die sunnitische Mehrheit ausgesetzt sind. In einer Gesamtschau der vorliegenden Länderberichte erreicht diese Gefährdung jedoch nicht jenes Ausmaß, welches notwendig wäre, um eine spezifische Gruppenverfolgung von Angehörigen der Religionsgemeinschaft der Schiiten in Afghanistan für gegeben zu erachten. Aus diesen Gründen ist das Vorliegen einer Gruppenverfolgung im Hinblick auf die Volksgruppe der Tadschiken oder von Angehörigen der Religionsgemeinschaft der Schiiten in Afghanistan im Ergebnis zu verneinen und wurde vom Beschwerdeführer im gesamten Verfahren zudem auch nicht behauptet.

3.2.1.5. Wie den Feststellungen zu entnehmen ist, liegt beim Beschwerdeführer keine europäische oder "westliche" Lebenseinstellung seiner Person, die zu einer Gefährdung führen könnte, vor. Auch bewertet die EASO in ihren Leitlinien vom Juni 2019 das Risikopotential von Männern, welche als "verwestlicht" angesehen werden könnten, im Allgemeinen als minimal (EASO Kapitel Common analysis: Afghanistan, II. 13). Es sind nach den zitierten Länderinformationen keine Fälle bekannt, in denen Rückkehrer nachweislich aufgrund ihres Aufenthaltes in Europa Opfer von Gewalttaten wurden.

Eine mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit zu prognostizierende, individuelle und konkret gegen den Beschwerdeführer gerichtete Verfolgung aus einem in der GFK genannten Grund aufgrund seiner Eigenschaft als Rückkehrer aus Europa oder im Zusammenhang mit einer "westlichen Wertehaltung" kann demnach nicht abgleitet werden.

3.2.1.6. Aufgrund der getroffenen Feststellungen zur Lage in der Herkunftsregion des Beschwerdeführers ist im übigen sonst ebenso nicht darauf zu schließen, dass gegenständlich sonstige mögliche Gründe für eine wohlbegründete Furcht vor Verfolgung aus einem der Gründe nach Art. 1 Abschnitt A Z. 2 GFK vorliegen.

3.2.1.7. Im Ergebnis droht dem Beschwerdeführer aus den von ihm ins Treffen geführten Gründen im Herkunftsstaat keine asylrelevante Verfolgung.

3.2.1.8. Die Beschwerde zu diesem Spruchpunkt ist daher als unbegründet abzuweisen.

3.2.2 Beschwerde zu Spruchpunkt II. des angefochtenen Bescheides - Nichtzuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten:

3.2.2.1. § 8 AsylG lautet auszugsweise:

"Status des subsidiär Schutzberechtigten

§ 8. (1) Der Status des subsidiär Schutzberechtigten ist einem Fremden zuzuerkennen,

1. der in Österreich einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt hat, wenn dieser in Bezug auf die Zuerkennung des Status des Asylberechtigten abgewiesen wird oder

2. dem der Status des Asylberechtigten aberkannt worden ist,

wenn eine Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Fremden in seinen Herkunftsstaat eine reale Gefahr einer Verletzung von Art. 2 EMRK, Art. 3 EMRK oder der Protokolle Nr. 6 oder Nr. 13 zur Konvention bedeuten würde oder für ihn als Zivilperson eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes mit sich bringen würde.

(2) Die Entscheidung über die Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten nach Abs. 1 ist mit der abweisenden Entscheidung nach § 3 oder der Aberkennung des Status des Asylberechtigten nach § 7 zu verbinden.

(3) Anträge auf internationalen Schutz sind bezüglich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten abzuweisen, wenn eine innerstaatliche Fluchtalternative (§ 11) offen steht.

..."

3.2.2.2. Gemäß Art. 2 Europäische Menschenrechtskonvention (EMRK) wird das Recht jedes Menschen auf das Leben gesetzlich geschützt. Gemäß Art. 3 EMRK darf niemand der Folter oder unmenschlicher oder erniedrigender Strafe oder Behandlung unterworfen werden. Die Protokolle Nr. 6 und Nr. 13 zur Konvention betreffen die Abschaffung der Todesstrafe.

Der (vormalige) § 8 Abs. 1 AsylG 1997 idF der AsylG-Novelle 2003 verwies auf § 57 Fremdengesetz (FrG), BGBl. I Nr. 75/1997 idF BGBl. I Nr. 126/2002, wonach die Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung Fremder in einen Staat unzulässig ist, wenn dadurch Art. 2 EMRK, Art. 3 EMRK oder das Protokoll Nr. 6 zur Konvention zum Schutz der Menschenrechte und Grundfreiheiten über die Abschaffung verletzt würde. Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zum vormaligen § 57 FrG - welche in wesentlichen Teilen auf § 8 Abs. 1 AsylG 2005 zu übertragen sein wird - ist Voraussetzung für die Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten, dass eine konkrete, den Berufungswerber (nunmehr: Beschwerdeführer) betreffende, aktuelle, durch staatliche Stellen zumindest gebilligte oder (infolge nicht ausreichenden Funktionierens der Staatsgewalt) von diesen nicht abwendbare Gefährdung bzw. Bedrohung vorliege. Die Anforderungen an die Schutzwilligkeit und Schutzfähigkeit des Staates entsprechen jenen, wie sie bei der Frage des Asyls bestehen (VwGH 08.06.2000, Zl. 2000/20/0141). Ereignisse, die bereits längere Zeit zurückliegen, sind daher nicht geeignet, die Feststellung nach dieser Gesetzesstelle zu tragen, wenn nicht besondere Umstände hinzutreten, die ihnen einen aktuellen Stellenwert geben (vgl. VwGH 14.10.1998, Zl. 98/01/0122, VwGH 25.01.2001, Zl. 2001/20/0011). Die Gefahr muss sich auf das gesamte Staatsgebiet beziehen (z.B. VwGH 26.06.1997, Zl. 95/21/0294, VwGH 25.01.2001, Zl. 2000/20/0438, VwGH 30.05.2001, Zl. 97/21/0560). Herrscht in einem Staat eine extreme Gefahrenlage, durch die praktisch jeder, der in diesen Staat abgeschoben wird - auch ohne einer bestimmten Bevölkerungsgruppe oder Bürgerkriegspartei anzugehören -, der konkreten Gefahr einer Verletzung der durch Art. 3 MRK gewährleisteten Rechte ausgesetzt wäre, so kann dies der Abschiebung eines Fremden in diesen Staat entgegenstehen (VwGH 08.06.2000, Zl. 99/20/0203). Die bloße Möglichkeit einer dem Art. 3 MRK widersprechenden Behandlung in jenem Staat, in den ein Fremder abgeschoben wird, genügt nicht, um seine Abschiebung in diesen Staat unter dem Gesichtspunkt des § 57 FrG als unzulässig erscheinen zu lassen; vielmehr müssen konkrete Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass gerade der Betroffene einer derartigen Gefahr ausgesetzt sein würde (VwGH 27.02.2001, Zl. 98/21/0427, VwGH 20.06.2002, Zl. 2002/18/0028).

§ 8 Abs. 1 AsylG 2005 beschränkt den Prüfungsrahmen auf den Herkunftsstaat des Antragsstellers

Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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