TE Bvwg Erkenntnis 2020/4/14 I401 1418569-3

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 14.04.2020
beobachten
merken

Entscheidungsdatum

14.04.2020

Norm

AsylG 2005 §10 Abs1
AsylG 2005 §10 Abs2
AsylG 2005 §57
BFA-VG §18 Abs2 Z1
BFA-VG §9
B-VG Art133 Abs4
FPG §46
FPG §50
FPG §52 Abs1
FPG §52 Abs2
FPG §52 Abs9
FPG §53 Abs1
FPG §53 Abs2
FPG §55 Abs4
VwGVG §24 Abs2
VwGVG §28 Abs1
VwGVG §28 Abs2
VwGVG §28 Abs5

Spruch

I401 1418569-3/8E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Mag. Gerhard AUER über die Beschwerde des XXXX (alias XXXX), geb. XXXX (alias XXXX), StA. Nigeria, vertreten durch die Diakonie Flüchtlingsdienst gemeinnützige GmbH, Wattgasse 48/3. Stock, 1170 Wien, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl, Regionaldirektion Oberösterreich, vom 24.01.2020, IFA-Zahl/Verfahrenszahl: XXXX, zu Recht erkannt:

A)

Der Beschwerde wird Folge gegeben und der angefochtene Bescheid ersatzlos behoben.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang und Sachverhalt:

1.1. Der aus Nigeria stammende Beschwerdeführer reiste zu einem unbekannten Zeitpunkt illegal in das Bundesgebiet ein und stellte am 07.02.2009 unter einer anderen Identität einen Antrag auf internationalen Schutz.

1.2. Mit Bescheid vom 16.03.2011 wies das (damals zuständige) Bundesasylamt diesen Asylantrag ab. Gegen diesen Bescheid erhob der Beschwerdeführer das Rechtsmittel einer Beschwerde.

1.3. Mit Verfahrensanordnung des Asylgerichtshofes vom 09.01.2012 und vom 15.11.2013 wurde das Verfahren gemäß § 24 AsylG 2005 jeweils wegen unbekannten Aufenthaltes des Beschwerdeführers eingestellt.

2.1. Nach einer auf Grund einer anonymen Anzeige am 16.01.2020 durchgeführten Kontrolle des Beschwerdeführers durch Beamte der Polizeiinspektion XXXX wegen des Verdachtes des Suchmittelhandels in einem Wettlokal und der dabei erfolgten Sicherstellung der von ihm mitgeführten Suchtmittel, der Anordnung der (infolge der Unkenntnis der Verurteilungen des Beschwerdeführers unter einer anderen Identität wegen mehrerer Vergehen nach dem Suchtmittelgesetz) Anzeige auf freiem Fuß durch die Staatsanwaltschaft XXXX sowie dessen später erfolgten Festnahme am selben Tag wurde der Beschwerdeführer am folgenden Tag vom Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (in der Folge als Bundesamt bezeichnet) niederschriftlich einvernommen.

2.2. Mit verfahrensgegenständlichem Bescheid vom 24.01.2020 erteilte das Bundesamt dem Beschwerdeführer keinen Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß § 57 AsylG (Spruchpunkt I.), erließ gemäß § 10 Abs. 2 AsylG iVm 9 BFA-VG gegen ihn eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 1 Z 3 FPG 2005 (Spruchpunkt II.), stellte gemäß § 52 Abs. 9 FPG fest, dass seine Abschiebung nach Nigeria gemäß § 46 FPG zulässig ist (Spruchpunkt III.), gewährte gemäß § 55 Abs. 4 FPG keine Frist für die freiwillige Ausreise (Spruchpunkt IV.), erließ gemäß § 53 Abs. 1 iVm Abs. 2 FPG gegen ihn ein auf die Dauer von fünf Jahren befristetes Einreiseverbot (Spruchpunkt V.) und erkannte einer Beschwerde gegen diese Entscheidung gemäß § 18 Abs. 2 Z 1 BFA-VG die aufschiebende Wirkung ab (Spruchpunkt VI.).

2.3. Gegen diesen Bescheid erhob der Beschwerdeführer die verfahrensgegenständliche Beschwerde vom 11.02.2020.

3.1. Am 06.02.2020 hatte der Beschwerdeführer einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt.

3.2. Mit Bescheid vom 27.02.2020 wies das Bundesamt diesen Asylantrag, ohne in die Sache einzutreten, gemäß § 5 Abs. 1 AsylG als unzulässig zurück und sprach aus, dass für die Prüfung des Antrages auf internationalen Schutz Ungarn zuständig ist (Spruchpunkt I.), ordnete die Außerlandesbringung des Beschwerdeführers nach Ungarn an und stellte fest, dass die Abschiebung nach Ungarn zulässig ist (Spruchpunkt II.).

3.3. Der Beschwerdeführer verzichtete am selben Tag nach einem Rechtsberatungsgespräch mit der ARGE Rechtsberatung schriftlich auf die Erhebung eines Rechtsmittels gegen diesen Bescheid.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

Ergänzend zu dem dargelegten Verfahrensgang wird festgesellt, dass der Beschwerdeführer seit 26.09.2019 mit Hauptwohnsitz im Bundesgebiet gemeldet ist und sich in der Zeit vom 17.01. bis 07.03.2020 im Polizeianhaltezentrum V in Schubhaft befand.

Er verfügt über einen vom 13.03.2019 bis 12.03.2029 gültigen ungarischen Aufenthaltstitel.

Nach einem am 12.02.2020 gestellten Aufnahmeersuchen Österreichs erklärte sich Ungarn mit Schreiben vom 20.02.2020 gemäß Art. 12 Abs. 1 der Dublin-III-VO zur Prüfung des vom Beschwerdeführer gestellten Antrages auf internationalen Schutz für zuständig. Der Beschwerdeführer wurde am 09.03.2020 auf dem Landweg durch das Polizeikooperationszentrum Nickelsdorf nach Ungarn überstellt.

2. Beweiswürdigung:

Die Feststellungen ergeben sich zweifelsfrei aus dem Akteninhalt, insbesondere aus dem in Rechtskraft erwachsenen (dem Bundesverwaltungsgericht am 02.03.2020 übermittelten) Bescheid des Bundesamtes vom 27.02.2020 betreffend die Zurückweisung des Antrages des Beschwerdeführers vom 06.02.2020 gemäß § 5 AsylG und der Anordnung seiner Außerlandesbringung nach Ungarn. Der Aufenthalt im Polizeianhaltezentrum und die tatsächliche Abschiebung des Beschwerdeführers fußen auf der Abfrage im Informationsverbundsystem Zentrales Fremdenregister und Zentralen Melderegister jeweils vom 09.04.2020.

3. Rechtliche Beurteilung:

Zu Spruchpunkt A):

Der Verwaltungsgerichtshof vertritt in ständiger Rechtsprechung die Rechtsansicht, dass die Erlassung einer Rückkehrentscheidung nicht zulässig ist, bevor über den Antrag auf internationalen Schutz abgesprochen wurde. Nach § 10 Abs. 1 AsylG 2005 ist die Rückkehrentscheidung mit der negativen Entscheidung über den Antrag auf internationalen Schutz "zu verbinden", nach § 52 Abs. 2 FPG hat sie "unter einem" zu ergehen; sie setzt also die Entscheidung über den Antrag auf internationalen Schutz voraus. Auch dann, wenn ein Rückkehrentscheidungsverfahren - unabhängig vom Verfahren über den Antrag auf internationalen Schutz - bereits anhängig ist, darf die Rückkehrentscheidung (unbeschadet eines allenfalls weiter bestehenden unrechtmäßigen Aufenthalts des Fremden) grundsätzlich nicht vor der Entscheidung über den Antrag auf internationalen Schutz ergehen.

Zugleich mit der Rückkehrentscheidung ist nämlich die Feststellung nach § 52 Abs. 9 FPG zu treffen, dass die Abschiebung des Drittstaatsangehörigen in einen oder mehrere bestimmte Staaten zulässig ist; dies würde aber - jedenfalls in Bezug auf den Herkunftsstaat - bedeuten, das Ergebnis des Verfahrens über den Antrag auf internationalen Schutz, in dem diese Frage erst zu klären ist, vorwegzunehmen (vgl. zum Verhältnis der Feststellung nach § 52 Abs. 9 FPG zu einem Abspruch nach §§ 3 und 8 AsylG 2005 das Erkenntnis des VwGH vom 16.12.2015, Ra 2015/21/0119). Die Erlassung einer Rückkehrentscheidung ohne eine Feststellung nach § 52 Abs. 9 FPG kommt hingegen - außer im Fall, dass die Feststellung aus vom Fremden zu vertretenden Gründen nicht möglich ist - auf Grund des vom Gesetzgeber seit 1. Jänner 2014 geschaffenen Systems nicht in Betracht (vgl. VwGH 04.08.2016, Ra 2016/21/0162; 25.09.2018, Ra 2018/21/0107).

Im vorliegenden Fall erließ das Bundesamt mit Bescheid vom 24.01.2020 gegen den Beschwerdeführer eine Rückkehrentscheidung und weitere damit verbundene Entscheidungen. Während des anhängigen Beschwerdeverfahrens gegen diese Entscheidung stellte der Beschwerdeführer am 06.02.2020 einen Antrag auf internationalen Schutz, über den das Bundesamt mit rechtskräftigem Bescheid vom 27.02.2020 entschied. Nach der durch Ungarn erteilten Zustimmungserklärung zur Prüfung dieses Asylantrages (und der Überstellung des Beschwerdeführers nach Ungarn) steht somit die Zuständigkeit Ungarns zur inhaltlichen und abschließenden Prüfung des vom Beschwerdeführer am 06.02.2020 gestellten Antrages auf internationalen Schutz fest.

Im Sinne der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes, wonach die Erlassung einer Rückkehrentscheidung nicht zulässig ist, bevor über den Antrag auf internationalen Schutz abgesprochen wurde, war die Erlassung der nunmehr bekämpften Rückkehrentscheidung somit nicht zulässig. Daran kann auch die verfahrensgegenständliche Fallkonstellation, dass die belangte Behörde zum Zeitpunkt ihrer Entscheidung noch keine Kenntnis von der Antragstellung auf internationalen Schutz gehabt hat, nichts ändern.

Die vom Bundesamt erlassene Rückkehrentscheidung samt den gemäß § 53 Abs. 1 FPG damit im Zusammenhang stehenden Aussprüchen waren daher ersatzlos zu beheben. Damit wird auch ausgeschlossen, dass zwei Mitgliedstaaten - im konkreten Fall die Rückkehrentscheidung betreffend - Entscheidungen mit einander widersprechenden normativen Inhalten treffen.

4. Zur mündlichen Verhandlung:

Nach § 24 Abs. 2 Z 2 VwGVG kann eine mündliche Beschwerdeverhandlung entfallen, wenn bereits auf Grund der Aktenlage feststeht, dass der mit Beschwerde angefochtene Bescheid aufzuheben ist. Dies ist gegenständlich der Fall.

Zu Spruchpunkt B) - Unzulässigkeit der Revision:

Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder fehlt es an einer Rechtsprechung in Hinblick auf die Unzulässigkeit der Erlassung einer Rückkehrentscheidung bevor über den Antrag auf internationalen Schutz abgesprochen wurde, noch weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.

Im gegenständlichen Fall wurde keine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung aufgeworfen. Die vorliegende Entscheidung basiert auf den oben genannten Entscheidungen des Verwaltungsgerichtshofes.

Schlagworte

Abschiebung Asylantragstellung Aufenthaltsberechtigung besonderer Schutz Aufenthaltstitel aufschiebende Wirkung - Entfall Behebung der Entscheidung berücksichtigungswürdige Gründe Einreiseverbot Entscheidungszeitpunkt ersatzlose Behebung freiwillige Ausreise Frist Kassation Rückkehrentscheidung

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2020:I401.1418569.3.00

Im RIS seit

14.09.2020

Zuletzt aktualisiert am

14.09.2020
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
Zurück Haftungsausschluss Vernetzungsmöglichkeiten

Sofortabfrage ohne Anmeldung!

Jetzt Abfrage starten