TE Bvwg Erkenntnis 2020/4/24 I412 2229949-1

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 24.04.2020
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Entscheidungsdatum

24.04.2020

Norm

AsylG 2005 §10 Abs1 Z3
AsylG 2005 §3
AsylG 2005 §3 Abs1
AsylG 2005 §57
AsylG 2005 §58 Abs1
AsylG 2005 §58 Abs2
AsylG 2005 §58 Abs3
AsylG 2005 §8 Abs1 Z1
AsylG 2005 §8 Abs2
AsylG 2005 §8 Abs3
BFA-VG §21 Abs7
BFA-VG §9
B-VG Art133 Abs4
EMRK Art2
EMRK Art3
EMRK Art8
FPG §46
FPG §50
FPG §52 Abs1 Z1
FPG §52 Abs2 Z2
FPG §52 Abs9
FPG §55 Abs2
VwGVG §24
VwGVG §28 Abs1
VwGVG §28 Abs2

Spruch

I412 2229949-1/5E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Mag. Gabriele ACHLEITNER als Einzelrichterin über die Beschwerde der XXXX, geb. XXXX, StA. Nigeria, vertreten durch Verein Menschenrechte Österreich, gegen den Bescheid des Bundesamts für Fremdenwesen und Asyl, RD Kärnten, Außenstelle Klagenfurt, vom 10.03.2020, Zl. XXXX, zu Recht erkannt:

A)

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang:

1. Die Beschwerdeführerin stellte am 25.11.2019 einen Antrag auf internationalen Schutz, den sie mit Verfolgung aufgrund ihrer Homosexualität begründete. Sie habe eine Freundin geküsst und sei danach von deren Vater mit dem Umbringen bedroht worden. Der Dorfälteste habe sie zur Polizei bringen wollen, es hätte sie eine zehnjährige Strafe erwartet.

2. In der niederschriftlichen Einvernahme am 04.03.2020 gab sie außerdem an, bereits von 2010 bis 2015 eine gleichgeschlechtliche Beziehung in Nigeria geführt zu haben. Sie und ihre Freundin seien im Zimmer inflagranti von einer Gruppe Männern erwischt, geschlagen und vergewaltigt worden. Nach dem erneuten Vorfall mit dem Vater der Freundin sei sie zu einem Pastor geflüchtet, der sie an eine Schlepperin übergeben habe. Diese habe ihre Ausreise organisiert und sei sie bis nach Österreich gebracht worden. Die Beschwerdeführerin müsse der Frau ? 50.000,-- dafür zurückzahlen.

3. Mit Bescheid vom 10.03.2020, Zl. XXXX, wies die belangte Behörde den Antrag des Beschwerdeführers auf internationalen Schutz hinsichtlich der Zuerkennung des Status der Asylberechtigten (Spruchpunkt I.) sowie hinsichtlich des Status der subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Nigeria (Spruchpunkt II.) als unbegründet ab. Zugleich erteilte sie der Beschwerdeführerin keinen Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen (Spruchpunkt III.), erließ gegen sie eine Rückkehrentscheidung (Spruchpunkt IV.) und stellte fest, dass die Abschiebung nach Nigeria zulässig ist (Spruchpunkt V.). Für die freiwillige Ausreise wurde eine Frist von 14 Tagen festgelegt (Spruchpunkt VI.).

4. Gegen diesen Bescheid richtet sich die Beschwerde vom 18.03.2020.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

1.1. Zur Person der Beschwerdeführerin:

Die volljährige Beschwerdeführerin ist ledig, kinderlos, Staatsangehörige von Nigeria und bekennt sich zum christlichen Glauben. Sie gehört der Volksgruppe der Benin an und ist dies gleichzeitig ihre Muttersprache. Außerdem spricht sie Englisch. Ihre Identität steht fest.

Die Beschwerdeführerin ist gesund und arbeitsfähig.

Die Beschwerdeführerin reiste bereits im Jahr 2014 legal nach Österreich und hielt sich auf Grundlage eines Studentenvisums (gültig von 29.09.2014 bis 12.10.2014) im Bundesgebiet auf. Im November 2019 gelangte sie neuerlich, aber ohne gültiges Reisedokument nach Österreich.

In Nigeria lebt zumindest der Bruder der Beschwerdeführerin. In Österreich verfügt die Beschwerdeführerin über keine Verwandten und über keine privaten und familiären Beziehungen.

Die Beschwerdeführerin genoss in Nigeria eine langjährige Schulausbildung und studierte fünf Jahre lang an einer Universität Biologie. Sie und ihr Bruder lebten im Haus der Familie, betrieben eine Landwirtschaft und unterstützten sich gegenseitig, auch finanziell. Aufgrund ihrer Ausbildung und der Arbeitserfahrung in Nigeria hat sie eine Chance, auch hinkünftig am nigerianischen Arbeitsmarkt unterzukommen und sich den Lebensunterhalt durch Erwerbstätigkeit zu sichern.

Die Beschwerdeführerin ist in Österreich nicht vorbestraft.

Sie geht in Österreich keiner Beschäftigung nach und bezieht Leistungen von der staatlichen Grundversorgung in Kärnten.

Die Beschwerdeführerin weist in Österreich keine maßgeblichen Integrationsmerkmale in sprachlicher, beruflicher und kultureller Hinsicht auf.

1.2. Zu den Fluchtmotiven der Beschwerdeführerin:

Der Beschwerdeführerin ist es nicht gelungen, den von ihr geltend gemachten Fluchtgrund, dass sie wegen sexueller Handlungen mit einer Frau von deren Vater bedroht wird und sie eine Strafe von der Regierung erwarte, glaubhaft zu machen.

Es kann nicht festgestellt werden, dass die Beschwerdeführerin in Nigeria aufgrund ihrer Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder politischen Gesinnung verfolgt werden würde. Insbesondere kann nicht festgestellt werden, dass die Beschwerdeführerin aufgrund von Homosexualität in Nigeria der Gefahr einer Verfolgung ausgesetzt ist.

Die Beschwerdeführerin wird im Fall ihrer Rückkehr nach Nigeria mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit keiner asylrelevanten Verfolgung und keiner wie auch immer gearteten existentiellen Bedrohung ausgesetzt sein.

1.3. Zu den Feststellungen zur Lage in Nigeria:

Hinsichtlich der aktuellen Lage im Herkunftsstaat der Beschwerdeführerin sind gegenüber den im angefochtenen Bescheid vom 10.03.2020 getroffenen Feststellungen keine entscheidungsmaßgeblichen Änderungen eingetreten. Im angefochtenen Bescheid wurde das aktuelle "Länderinformationsblatt der Staatendokumentation" zu Nigeria vollständig zitiert. Im Rahmen des Beschwerdeverfahrens ist auch keine Änderung bekannt geworden, sodass das Bundesverwaltungsgericht sich diesen Ausführungen vollinhaltlich anschließt und auch zu den seinen erhebt.

Vor dem Hintergrund des Vorbringens der Beschwerdeführerin werden fallbezogen nachstehende Feststellungen aus dem Länderinformationsblatt hervorgehoben:

Politische Lage

Nigeria ist in 36 Bundesstaaten (ÖB 10.2018; vgl. AA 10.12.2018; AA 9.2018a; GIZ 4.2019a) und einen Bundeshauptstadtbezirk sowie 774 Local Government Areas (LGA/Bezirke) untergliedert. Die Bundesstaaten werden von direkt gewählten Gouverneuren regiert (AA 12.10.2018; vgl. AA 9.2018a; GIZ 4.2019a). Sie verfügen auch über direkt gewählte Parlamente (AA 9.2018a).

Nigeria verfügt über ein Mehrparteiensystem. Die am System der USA orientierte Verfassung enthält alle Attribute eines demokratischen Rechtsstaates (inkl. Grundrechtskatalog, Gewaltenteilung). Dem starken Präsidenten - zugleich Oberbefehlshaber der Streitkräfte - und dem Vizepräsidenten stehen ein aus Senat und Repräsentantenhaus bestehendes Parlament und eine unabhängige Justiz gegenüber (AA 10.12.2018; vgl. AA 9.2018a). Die Verfassungswirklichkeit wird von der Exekutive in Gestalt des direkt gewählten Präsidenten und von den direkt gewählten Gouverneuren dominiert. Der Kampf um politische Ämter wird mit großer Intensität, häufig auch mit undemokratischen, gewaltsamen Mitteln geführt. Die Justiz ist der Einflussnahme von Exekutive und Legislative sowie einzelner politischer Führungspersonen ausgesetzt (AA 10.12.2018).

Die Parteienzugehörigkeit orientiert sich meist an Führungspersonen, ethnischer Zugehörigkeit und vor allem strategischen Gesichtspunkten. Parteien werden primär als Zweckbündnisse zur Erlangung von Macht angesehen. Politische Führungskräfte wechseln die Partei, wenn sie andernorts bessere Erfolgschancen sehen. Entsprechend repräsentiert keine der Parteien eine eindeutige politische Richtung (AA 10.12.2018).

Bei den Präsidentschaftswahlen am 23.2.2019 wurde Amtsinhaber Muhammadu Buhari im Amt bestätigt (GIZ 4.2019a). Er erhielt 15,1 Millionen Stimmen und siegte in 19 Bundesstaaten, vor allem im Norden und Südwesten der Landes. Sein Herausforderer, Atiku Abubakar, erhielt 11,3 Millionen Stimmen und gewann in 17 Bundesstaaten im Südosten, im Middle-Belt sowie in der Hauptstadt Abuja (GIZ 4.2019a; vgl. BBC 26.2.2019). Die Wahlbeteiligung lag mit 36 Prozent deutlich niedriger als 2015. Überschattet wurden die Wahlen von gewaltsamen Zwischenfällen mit mindestens 53 Toten (GIZ 4.2019a).

Die Opposition sprach von Wahlmanipulation. Am 18.3.2019 focht Abubakar das Ergebnis aufgrund von Unregelmäßigkeiten vor dem Obersten Gerichtshof an. Das Verfahren muss gemäß der gesetzlichen Vorgaben innerhalb von 180 Tagen bis spätestens Mitte September abgeschlossen werden. Die Aussichten, dass die Beschwerde Erfolg hat, sind gering. So hatte Präsident Buhari nach den Wahlen von 2003, 2007 und 2011 als Oppositionskandidat ebenfalls vergleichbare Beschwerden eingelegt und diese verloren (GIZ 4.2019a).

Am 9.3.2019 wurden Wahlen für Regionalparlamente und Gouverneure in 29 Bundesstaaten durchgeführt. In den restlichen sieben Bundesstaaten hatten die Gouverneurswahlen bereits in den Monaten zuvor stattgefunden. Auch hier kam es zu Unregelmäßigkeiten und gewaltsamen Ausschreitungen (GIZ 4.2019a). Kandidaten der APC von Präsident Buhari konnten 15 Gouverneursposten gewinnen, jene der oppositionellen PDP 14 (Stears 12.4.2019).

Neben der modernen Staatsgewalt haben auch die traditionellen Führer immer noch einen - wenn auch weitgehend informellen - Einfluss. Sie gelten als Kommunikationszentrum und moralische Instanz und können wichtige Vermittler in kommunalen und in religiös gefärbten Konflikten sein (AA 9.2018a).

Quellen:

- AA - Auswärtiges Amt (10.12.2018): Bericht über die asyl- und abschieberelevante Lage in der Bundesrepublik Nigeria (Stand Oktober 2018)

- AA - Auswärtiges Amt (9.2018a): Nigeria - Innenpolitik, https://www.auswaertiges-amt.de/de/aussenpolitik/laender/nigeria-node/-/205844, Zugriff 7.11.2018

- BBC News (26.2.2019): Nigeria Presidential Elections Results 2019, https://www.bbc.co.uk/news/resources/idt-f0b25208-4a1d-4068-a204-940cbe88d1d3, Zugriff 12.4.2019

- GIZ - Deutsche Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (4.2019a): Nigeria - Geschichte und Staat, http://liportal.giz.de/nigeria/geschichte-staat.html, Zugriff 11.4.2019

- ÖB - Österreichische Botschaft Abuja (10.2018): Asylländerbericht Nigeria

- Stears News (12.4.2019): Governorship Election Results, https://nigeriaelections.stearsng.com/governor/2019, Zugriff 12.4.2019

Sicherheitslage

Es gibt in Nigeria keine klassischen Bürgerkriegsgebiete oder -parteien (AA 10.12.2018). Im Wesentlichen lassen sich mehrere Konfliktherde unterscheiden: Jener von Boko Haram im Nordosten; jener zwischen Hirten und Bauern im Middle-Belt; sowie Spannungen im Nigerdelta (AA 10.12.2018; vgl. EASO 11.2018a) und eskalierende Gewalt im Bundesstaat Zamfara (EASO 11.2018a). Außerdem gibt es im Südosten zwischen der Regierung und Igbo-Gruppen, die für ein unabhängiges Biafra eintreten, (EASO 11.2018a; vgl. AA 10.12.2018), sowie zwischen Armee und dem Islamic Movement in Nigeria (IMN) Spannungen (EASO 11.2018a). Die 2017 deutlich angespannte Lage im Südosten des Landes ("Biafra") hat sich mit dem Eingriff des Militärs und der mutmaßlichen Flucht des Anführers der stärksten separatistischen Gruppe IPOB derzeit wieder beruhigt (AA 10.12.2018).

In den nordöstlichen Bundesstaaten Adamawa, Borno, Gombe und Yobe kommt es häufig zu Selbstmordanschlägen (BMEIA 12.4.2019). Außenministerien warnen vor Reisen dorthin sowie in den Bundesstaat Bauchi (BMEIA 12.4.2019; vgl. AA 12.4.2019; UKFCO 12.4.2019). Vom deutschen Auswärtige Amt wird darüber hinaus von nicht notwendigen Reisen in die übrigen Landesteile Nordnigerias abgeraten (AA 12.4.2019).

Zu Entführungen und Raubüberfällen kommt es im Nigerdelta und einigen nördlichen Bundesstaaten. Betroffen sind: Abia, Akwa Ibom, Anambra, Bauchi, Bayelsa, Cross River, Delta, Ebonyi, Enugu, Imo, Jigawa, Kaduna, Kano, Katsina, Kogi, Nasarawa, Plateau, Rivers und Zamfara. Für die erwähnten nordöstlichen und nördlichen Bundesstaaten sowie jenen im Nigerdelta gelegenen gilt seitens des österreichischen Außenministeriums eine partielle Reisewarnung; Hohes Sicherheitsrisiko (Sicherheitsstufe 3) in den übrigen Landesteilen (BMEIA 12.4.2019).

Das deutsche Auswärtige Amt rät von Reisen in die Bundesstaaten Kaduna (insbesondere Süd-Kaduna), Plateau, Nasarawa, Benue, Delta, Bayelsa, Rivers, Imo (insbesondere die Hauptstadt Owerri), Abia, Anambra, Ebonyi, Edo, Enugu, Delta, Kogi, den südlichen Teil von Cross Rivers, Ogun und Akwa Ibom ab (AA 12.4.2019). Das britische Außenministerium warnt (neben den oben erwähnten nördlichen Staaten) vor Reisen in die am Fluss gelegenen Regionen der Bundesstaaten Delta, Bayelsa, Rivers, Akwa Ibom and Cross River im Nigerdelta. Abgeraten wird außerdem von allen nicht notwendigen Reisen in die Bundesstaaten Bauchi, Zamfara, Kano, Kaduna, Jigawa, Katsina, Kogi, Abia, im 20km Grenzstreifen zum Niger in den Bundesstaaten Sokoto und Kebbi, nicht am Fluss gelegene Gebiete von Delta, Bayelsa und Rivers (UKFCO 29.11.2018).

In Nigeria können in allen Regionen unvorhersehbare lokale Konflikte aufbrechen. Ursachen und Anlässe der Konflikte sind meist politischer, wirtschaftlicher, religiöser oder ethnischer Art. Meist dauern diese Auseinandersetzungen nur wenige Tage und sind auf einzelne Orte bzw. einzelne Stadtteile begrenzt. Insbesondere die Bundesstaaten Zamfara, das Sokoto (Nordteil) und Plateau (Südteil) sind derzeit von bewaffneten Auseinandersetzungen betroffen (AA 12.4.2019).

In der Zeitspanne April 2018 bis April 2019 stechen folgende nigerianische Bundesstaaten mit einer hohen Anzahl an Toten durch Gewaltakte besonders hervor: Borno (2.333), Zamfara (1.116), Kaduna (662), Benue (412), Adamawa (402), Plateau (391). Folgende Bundesstaaten stechen mit einer niedrigen Zahl hervor: Jigawa (2), Gombe (2), Kebbi (3) und Osun (8) (CFR 2019).

Quellen:

- AA - Auswärtiges Amt (10.12.2018): Bericht über die asyl- und abschieberelevante Lage in der Bundesrepublik Nigeria (Stand Oktober 2018)

- AA - Auswärtiges Amt (12.4.2019): Nigeria - Reise- und Sicherheitshinweise, https://www.auswaertiges-amt.de/de/aussenpolitik/laender/nigeria-node/nigeriasicherheit/205788#content_6, Zugriff 12.4.2019

- BMEIA - Österreichisches Außenministerium (12.4.2019): Reiseinformationen - Nigeria, https://www.bmeia.gv.at/reise-aufenthalt/reiseinformation/land/nigeria/, Zugriff 12.4.2019

- CFR - Council on Foreign Relations (2019): Nigeria Security Tracker, https://www.cfr.org/nigeria/nigeria-security-tracker/p29483, Zugriff 12.4.2019

- EASO - European Asylum Support Office (11.2018a): Country of Origin Information Report - Nigeria - Security Situation, https://www.ecoi.net/en/file/local/2001366/2018_EASO_COI_Nigeria_SecuritySituation.pdf, Zugriff 12.4.2019

- UKFCO - United Kingdom Foreign and Commonwealth Office (12.4.2019): Foreign Travel Advice - Nigeria - summary, https://www.gov.uk/foreign-travel-advice/nigeria, Zugriff 12.4.2019

Frauen

Auch wenn die Verfassung Gleichberechtigung vorsieht (USDOS 13.3.2019; vgl. AA 10.12.2018), kommt es zu beachtlicher ökonomischer Diskriminierung von Frauen (USDOS 13.3.2019). Frauen werden in der patriarchalischen und teilweise polygamen Gesellschaft Nigerias in vielen Rechts- und Lebensbereichen benachteiligt, v.a. dort, wo traditionelle Regeln gelten. So sind Frauen in vielen Landesteilen aufgrund von Gewohnheitsrecht von der Erbfolge nach ihrem Ehemann ausgeschlossen. Vor allem im Osten des Landes müssen sie entwürdigende und die persönliche Freiheit einschränkende Witwenzeremonien über sich ergehen lassen (z.B. werden sie gezwungen, sich den Kopf zu rasieren oder das Haus für einen bestimmten Zeitraum nicht zu verlassen oder sind rituellen Vergewaltigungen ausgesetzt). Darüber hinaus können Frauen im Norden zum Teil keiner beruflichen Betätigung nachgehen, weil sie die familiäre Wohnung ohne Begleitung eines männlichen Angehörigen nicht verlassen dürfen (AA 10.12.2018). Die geschlechtsspezifische Diskriminierung im Rechtssystem konnte allerdings reduziert werden (BS 2018).

Auf Bundesstaats- und Bezirksebene (LGA) spielen Frauen kaum eine Rolle. Jene mit Sekundär- und Tertiärbildung haben Zugang zu Arbeitsplätzen in staatlichen und öffentlichen Institutionen. Immer mehr Frauen finden auch Arbeit im expandierenden Privatsektor (z.B. Banken, Versicherungen, Medien). Einige Frauen besetzen prominente Posten in Regierung und Justiz, z.B. eine Richterin beim Obersten Gerichtshof und die Finanzministerin (BS 2018).

Rechtlich ist keine Vorschrift vorhanden, die gleiche Bezahlung für Frauen und Männer für gleichwertige Tätigkeiten festschreibt. Es gibt auch kein Diskriminierungsverbot bei der Einstellung von Angestellten. Im formalen Sektor bleiben Frauen unterrepräsentiert, während sie in der informellen Wirtschaft eine bedeutende Rolle spielen (Landwirtschaft, Nahrungsmittel, Märkte, Handel) (USDOS 13.3.2019).

Das Gesetz Violence Against Persons Prohibition Act (VAPP) befasst sich mit sexueller, körperlicher, psychologischer und sozioökonomischer Gewalt sowie mit schädlichen traditionellen Praktiken. Laut dem VAPP stellen häusliche Gewalt, gewaltsames Hinauswerfen des Ehepartners aus der gemeinsamen Wohnung, erzwungene finanzielle Abhängigkeit, verletzende Witwenzeremonien, Genitalverstümmelung (FGM/C) usw. Straftatbestände dar. Opfer haben Anspruch auf umfassende medizinische, psychologische, soziale und rechtliche Unterstützung. Mit Stand März 2018 ist das Gesetz erst im Federal Capital Territory (FCT) und den Bundesstaaten Anambra, Ebonyi und Oyo gültig, in anderen Bundesstaaten erst, sobald es dort verabschiedet wird (USDOS 13.3.2019).

Häusliche Gewalt ist weit verbreitet und wird sozial akzeptiert, die Polizei schreitet oft nicht ein. In ländlichen Gebieten zögern Polizei und Gerichte, in Fällen aktiv zu werden, in welchen die Gewalt das traditionell akzeptierte Ausmaß des jeweiligen Gebietes nicht übersteigt (USDOS 13.3.2019).

Geschlechtsspezifische Gewalt ist in Nigeria auf nationaler Ebene nicht unter Strafe gestellt. Einige Bundesstaaten, hauptsächlich im Süden gelegene, haben Gesetze, die geschlechtsspezifische Gewalt verbieten oder versuchen bestimmte Rechte zu schützen. Für häusliche Gewalt sieht das VAPP eine Haftstrafe von maximal drei Jahren, eine Geldstrafe von höchstens 200.000 Naira oder eine Kombination von Haft- und Geldstrafe vor (USDOS 20.4.2018).

Vergewaltigung steht unter Strafe. Gemäß dem VAPP beträgt das Strafmaß zwischen zwölf Jahren und lebenslänglicher Haft. Es sieht auch ein öffentliches Register von verurteilten Sexualstraftätern vor. Auf lokaler Ebene sollen Schutzbeamte ernannt werden, die sich mit Gerichten koordinieren und dafür sorgen sollen, dass die Opfer relevante Unterstützung bekommen. Das Gesetz enthält auch eine Bestimmung, welche Gerichte dazu ermächtigt, Vergewaltigungsopfern eine angemessene Entschädigung zuzusprechen. Vergewaltigungen bleiben aber weit verbreitet. Aus einer Studie geht hervor, dass der erste sexuelle Kontakt bei drei von zehn Mädchen im Alter von 10 bis 19 Jahren eine Vergewaltigung war (USDOS 13.3.2019).

Das Bundesgesetz kriminalisiert seit 2015 FGM/C auf nationaler Ebene (USDOS 13.3.2019; vgl. AA 10.12.2018; GIZ 4.2019b), dieses Gesetz ist aber bisher nur in einzelnen Bundesstaaten umgesetzt worden (AA 10.12.2018), nach anderen Angaben gilt es bis dato nur im Federal Capital Territory. 13 andere Bundesstaaten haben ähnliche Gesetze verabschiedet (EASO 11.2018b). Die Regierung unternahm im Jahr 2018 keine Anstrengungen, FGM/C zu unterbinden (USDOS 13.3.2019). Andererseits wird mit unterschiedlichen Aufklärungskampagnen versucht, einen Bewusstseinswandel einzuleiten. Bei der Verbreitung gibt es erhebliche regionale Unterschiede. In einigen - meist ländlichen - Regionen im Südwesten und in der Region Süd-Süd ist die Praxis weit verbreitet, im Norden eher weniger (AA 10.12.2018). Während im Jahr 2013 der Anteil beschnittener Mädchen und Frauen noch bei 24,8 Prozent lag, waren es 2017 nur noch 18,4 Prozent (EASO 11.2018b).

Für Opfer von FGM/C bzw. für Frauen und Mädchen, die von FGM/C bedroht sind, gibt es Schutz und/oder Unterstützung durch staatliche Stellen und NGOs (UKHO 2.2017). Frauen, die von FGM/C bedroht sind und die nicht in der Lage oder nicht willens sind, sich dem Schutz des Staates anzuvertrauen, können auf sichere Weise in einen anderen Teil Nigerias übersiedeln, wo es sehr unwahrscheinlich ist, dass sie von ihren Familienangehörigen aufgespürt werden. Frauen, welche diese Wahl treffen, können sich am neuen Wohnort dem Schutz von Frauen-NGOs anvertrauen (UKHO 12.2013; vgl. UKHO 2.2017).

Die Hauptaufgaben der Bundesbehörde NAPTIP (National Agency for the Prohibition of Trafficking in Person) sind Bekämpfung des Menschenhandels, Verfolgung der Täter im Bereich Menschenhandel und Schutzmaßnahmen für Opfer (temporäre Unterkunft, Beratung, Rehabilitierung, Reintegration und Zugang zur Justiz). Obwohl die Behörde im Jahr 2017 deutlich höhere Geldmittel als im Vorjahr erhielt, verfügt sie über zu geringe Ressourcen (EASO 2.2019). Oba Ewuare, König von Benin (Bundesstaat Edo) hat am 9.3.2018 alle Opfern des Menschenhandels auferlegten Flüche für nichtig erklärt, und im Gegenzug jene, welche die Flüche ausgesprochen haben, ihrerseits mit einem Fluch belegt. Bei der Zeremonie waren Priester und traditionelle Heiler sowie Vertreter von NAPTIP eingeladen (Vanguard 10.3.2018; vgl. Iroko 21.3.2018). Üblicherweise sollen Opfer von Menschenhandel durch die auferlegten Flüche dazu gezwungen werden, die Namen der Täter nicht preiszugeben. NAPTIP geht davon aus, dass nunmehr die Strafverfolgung in solchen Fällen erleichtert wird (Vanguard 10.3.2018).

Quellen:

- AA - Auswärtiges Amt (10.12.2018): Bericht über die asyl- und abschieberelevante Lage in der Bundesrepublik Nigeria (Stand Oktober 2018)

- BS - Bertelsmann Stiftung (2018): BTI 2018 - Nigeria Country Report, https://www.ecoi.net/en/file/local/1427393/488302_en.pdf, Zugriff 19.11.2018

- EASO - European Asylum Support Office (11.2018b): Country of Origin Information Report - Nigeria - Targeting of individuals, https://www.ecoi.net/en/file/local/2001375/2018_EASO_COI_Nigeria_TargetingIndividuals.pdf, Zugriff 11.4.2019, S129ff

- EASO - European Asylum Support Office (2.2019): Country Guidance: Nigeria, https://www.ecoi.net/en/file/local/2004112/Country_Guidance_Nigeria_2019.pdf, Zugriff 12.4.2019

- GIZ - Deutsche Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (4.2019b): Nigeria - Gesellschaft, https://www.liportal.de/nigeria/gesellschaft/, Zugriff 10.4.2019

- Iroko - Assoziazione onlus (21.3.2018): Oba of Benin (Edo State) revokes curses on victims of trafficking, http://www.associazioneiroko.org/slide-en/oba-of-benin-edo-state-revokes-curses-on-victims-of-trafficking/, Zugriff 12.4.2019

- ÖB - Österreichische Botschaft Abuja (10.2018): Asylländerbericht Nigeria

- UKHO - United Kingdom Home Office (12.2013): Operational Guidance Note - Nigeria, http://www.ecoi.net/file_upload/1226_1387367781_nigeria-ogn.pdf, Zugriff 19.11.2018

- UKHO - United Kingdom Home Office (2.2017): Country Policy and Information Note Nigeria: Female Genital Mutilation (FGM), https://www.gov.uk/government/uploads/system/uploads/attachment_data/file/595458/CPIN_-_NGA_-_FGM_-_v_1_0.pdf, Zugriff 19.11.2018

- USDOS - U.S. Department of State (13.3.2019): Country Report on Human Rights Practices 2018 - Nigeria, https://www.ecoi.net/en/document/2004182.html, Zugriff 20.3.2019

- Vanguard (10.3.2019): "Our gods will destroy you"; Oba of Benin curse human traffickers, https://www.vanguardngr.com/2018/03/gods-will-destroy-oba-benin-curse-human-traffickers/, Zugriff 12.4.2019

Homosexuelle

Homosexuelle Handlungen jeglicher Art sind - unabhängig vom Geschlecht der betroffenen Personen - sowohl nach säkularem Recht (AA 10.12.2018; vgl. GIZ 4.2019b) als auch nach Scharia-Recht (Körperstrafen bis hin zum Tod durch Steinigung in besonderen Fällen) strafbar. Allerdings sind kaum Fälle strafrechtlicher Verfolgung einvernehmlicher homosexueller Handlungen bekannt geworden (AA 10.12.2018). § 214 des Strafgesetzbuchs sieht 14 Jahre Haft für gleichgeschlechtliche Beziehungen vor (ÖB 10.2018). Der im Jänner 2014 verabschiedete Same Sex Marriage Prohibition Act (SSMPA) sieht zudem vor, dass homosexuelle Paare, die heiraten oder öffentlich ihre Zuneigung zeigen, mit Haft bestraft werden können. Das Gesetz sieht bis zu 14 Jahre Haft für Eheschließungen und zivilrechtliche Partnerschaften zwischen zwei Frauen oder zwei Männern vor (ÖB 10.2018; vgl. USDOS 13.3.2019, GIZ 4.2019b). Wer seine Liebesbeziehung zu einem Menschen des gleichen Geschlechts direkt oder indirekt öffentlich zeigt, soll dem Gesetz zufolge mit bis zu zehn Jahren Haft bestraft werden können (ÖB 10.2018). Die gleiche Strafe ist für die Gründung und Unterstützung von Clubs, Organisationen oder anderen Einrichtungen für Schwule und Lesben vorgesehen (ÖB 10.2018; vgl. AA 10.12.2018).

In den zwölf nördlichen Bundesstaaten, wo das islamische Recht in Kraft ist, können homosexuelle Handlungen mit Haft, Stockschlägen oder Tod durch Steinigung bestraft werden (USDOS 13.3.2019; vgl. HL1 16.11.2015; DS1 20.11.2015). Aktivisten sind keine Fälle bekannt, bei denen die Todesstrafe umgesetzt wurde (USDOS 13.3.2019; vgl. HL1 16.11.2015; DS1 20.11.2015). Insgesamt kam es auch unter der Scharia nur zu wenigen Verurteilungen (HL1 16.11.2015; vgl. DS1 20.11.2015).

Homosexuelle versuchen auf Grund der gesetzlichen Bestimmungen und weitverbreiteter Vorbehalte in der Bevölkerung, ihre sexuelle Orientierung zu verbergen (AA 10.12.2018). Der SSMPA hat zu einer weiteren Stigmatisierung von Lesben und Schwulen geführt. Diese werden oftmals von der Polizei schikaniert und misshandelt und von der Bevölkerung gemobbt oder mittels Selbstjustiz verfolgt (GIZ 4.2019b). Erpressung und Gewalt treten oft schon beim Verdacht auf, homosexuell zu sein (MSMA 17.11.2015; vgl. LLM 16.11.2015). Die meisten Menschenrechtsverletzungen gegen Homosexuelle gehen von nicht-staatlichen Akteuren aus (LLM 16.11.2015; vgl. MSMK 19.11.2015). Die Verfügbarkeit von staatlichem Schutz ist in Frage zu stellen, manchmal interveniert die Polizei gar nicht oder verhaftet das Opfer (MSMA 17.11.2015; vgl. DS3 18.11.2015; DS1 20.11.2015). Opfer von Menschenrechtsverletzungen haben es extrem schwer, Vergehen bei den Behörden zu melden, denn es herrscht Angst vor Stigmatisierung, weiterer Gewalt und Diskriminierung. Es gibt viele Fälle, in denen Polizeibeamte Personen, von denen angenommen wird, dass sie sexuellen Minderheiten angehören, willkürlich verhaften. In der Folge werden hohe Geldsummen für die Freilassung gefordert. Staatliche Stellen sind häufig selbst die Täter bei Menschenrechtsverletzungen oder handeln in Kooperation mit nichtstaatlichen Akteuren (TIERS 12.2018).

Im Rahmen der Verabschiedung des SSMPA 2014 kam es zu einer Zunahme an Fällen von Belästigung und Drohung. Es wurde von zahlreichen Verhaftungen berichtet. Allerdings wurden die Verhafteten in allen Fällen ohne eine formelle Anklage nach Zahlung einer Geldsumme freigelassen, die oftmals nichts anderes als ein Bestechungsgeld war. Im Jahr 2017 kam es erstmals zu Anklagen unter dem SSMPA. Im November 2017 wurden ein Hotelbesitzer und zwei seiner Mitarbeiter wegen Unterstützung homosexueller Aktivitäten angeklagt. Im Dezember 2017 wurden die drei Angeklagten auf Kaution freigelassen und im August 2018 wurde das Verfahren eingestellt. Ansonsten ist keine strafrechtliche Verfolgung gemäß dem SSMPA feststellbar (USDOS 13.3.2018). Nach anderen Angaben wurden vereinzelt langjährige Haftstrafen verhängt; als Beispiel wird ein Fall aus dem Bundesstaat Kano vom Dezember 2016 genannt (ÖB 10.2018). Eine generelle bzw. systematische "staatliche Verfolgung" ist derzeit nicht gegeben (ÖB 10.2018; vgl. AA 10.12.2018). Die Rechtsänderung hat bisher nicht zu einer flächendeckenden verschärften Strafverfolgung geführt (AA 10.12.2018). Allerdings dient das Gesetz zur Rechtfertigung von Menschenrechtsverletzungen wie Folter, sexueller Gewalt, willkürlicher Haft, Erpressung von Geld sowie Verletzung von Prozessrechten (USDOS 13.3.2019).

Gesellschaftliche Diskriminierung bei offenem Zurschaustellen der sexuellen Orientierung ist vorhanden (ÖB 10.2018; vgl. AA 10.12.2018). Die Community wird nicht überwacht (LLM 16.11.2015; vgl. HL1 16.11.2015; DS2 19.11.2015). Die Polizei wird nicht aus eigenem Antrieb aktiv und sucht gezielt nach Homosexuellen (HL1 16.11.2015; vgl. DS2 19.11.2015). Die Polizei verhaftet Verdächtige in erster Linie mit dem Ziel, Geld zu erpressen. Grundsätzlich kommen Verdächtige nach der Zahlung einer "Kaution" wieder frei (LLM 16.11.2015; vgl. HL1 16.11.2015). Aufgrund der bei der Polizei herrschenden Korruption ist es einfach, sich aus der Haft freizukaufen (VA1 16.11.2015).

Auch für betroffene Homosexuellen-NGOs hatte der SSMPA kaum Auswirkungen, keine der Organisationen musste die Arbeit einstellen (LLM 16.11.2015; vgl. MSMA 17.11.2015; DS2 19.11.2015). Im Gesundheitsbereich tätige NGOs mit Fokus auf Homosexuelle (v.a. HIV/AIDS) stellten zwar Anfang 2014 kurzfristig den Betrieb ein, doch wurde dieser nach wenigen Wochen wieder aufgenommen und läuft seither wie vor Inkrafttreten des SSMPA (IO1 20.11.2015).

Die meisten Homosexuellen-NGOs haben ihre Basis in den Hauptstädten der Bundesstaaten (DS3 18.11.2015; vgl. DS2 19.11.2015; MSMA 17.11.2015). Üblicherweise sind die Homosexuellen-NGOs den Betroffenen bekannt (DS3 18.11.2015; vgl. MSMA 17.11.2015). Es existieren auch eigene HIV/AIDS-Kliniken, die gezielt für homosexuelle Patienten eingerichtet wurden (IO1 20.11.2015; vgl. MSMA 17.11.2015).

Verschiedene NGOs bieten Angehörigen sexueller Minderheiten rechtliche Beratung und Schulungen in Meinungsbildung, Medienarbeit und Bewusstseinsbildung in Bezug auf HIV an (USDOS 13.3.2019). Es existieren Netzwerke von Menschenrechtsanwälten, welche - im Falle der Verhaftung eines Homosexuellen - unmittelbar kontaktiert werden und die Person gegen "Kaution" freizukaufen versuchen (IO1 20.11.2015). Die Anwälte sind organisiert, es gibt unterschiedliche Vereine, z.B. Lawyers League for Minorities, Lawyers Alert oder die Coalition of Human Rights Lawyers (LLM 16.11.2015; vgl. HL1 16.11.2015). Homosexuellen-Netzwerke verschiedener Landesteile bzw. Städte sind miteinander in Kontakt (MSMA 17.11.2015; vgl. LLM 16.11.2015). Die Netzwerke und Organisationen bieten auch Unterstützung und Zufluchtsmöglichkeiten an (USDOS 20.4.2018; vgl. MSMA 17.11.2015; LLM 16.11.2015).

Quellen:

- AA - Auswärtiges Amt (10.12.2018): Bericht über die asyl- und abschieberelevante Lage in der Bundesrepublik Nigeria (Stand Oktober 2018)

- DS1 - Diplomatic Source 1 (20.11.2015): Interview im Rahmen einer Fact Finding Mission

- DS2 - Diplomatic Source 2 (19.11.2015): Interview im Rahmen einer Fact Finding Mission

- DS3 - Diplomatic Source 3 (18.11.2015): Interview im Rahmen einer Fact Finding Mission

- DS4 - Diplomatic Source 4 (20.11.2015): Interview im Rahmen einer Fact Finding Mission

- GIZ - Deutsche Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (4.2019b): Nigeria - Gesellschaft, https://www.liportal.de/nigeria/gesellschaft/, Zugriff 10.4.2019

- HL1 - Human Rights Lawyer 1 (16.11.2015): Interview im Rahmen einer Fact Finding Mission

- LLM - Representative of the Lawyers League for Minorities (16.11.2015): Interview im Rahmen einer Fact Finding Mission

- MSMA - MSM-related NGO, Abuja (17.11.2015): Gruppendiskussion im Rahmen einer Fact Finding Mission

- MSMK - MSM-reltated NGO, Kaduna (19.11.2015): Gruppendiskussion im Rahmen einer Fact Finding Mission

- IO1 - International Health and Development Research Organisation (20.11.2015): Interview im Rahmen einer Fact Finding Mission

- ÖB - Österreichische Botschaft Abuja (10.2018): Asylländerbericht Nigeria

- TIERSs - The Initiative for Equal Rights (12.2018): 2018 Human Rights Violations Report, https://theinitiativeforequalrights.org/wp-content/uploads/2018/12/2018-Human-Rights-Report.pdf, Zugriff 2.4.2019

- USDOS - U.S. Department of State (13.3.2019): Country Report on Human Rights Practices 2018 - Nigeria, https://www.ecoi.net/en/document/2004182.html, Zugriff 20.3.2019

- VA1 - Vertrauensanwalt 1 der Österreichischen Botschaft Abuja (16.11.2015): Interview im Rahmen einer Fact Finding Mission

Grundversorgung

Die nigerianische Wirtschaft hat sich 2017 allmählich aus der schlimmsten Rezession seit 25 Jahren erholt, das BIP ist um 0,55 Prozent gestiegen. Mehrere Faktoren haben dazu beigetragen, dass sich die nigerianische Wirtschaft seit Ende 2017 allmählich wieder erholt, unter anderem eine Steigerung der Erdölförderleistung, die Erholung des Erdölpreises und eine verbesserte Leistung von Landwirtschaft und Dienstleistungssektor (GIZ 4.2019c).

Etwa 80 Prozent der Gesamteinnahmen Nigerias stammen aus der Öl- und Gasförderung (AA 10.12.2018). Neben Erdöl verfügt das Land über z.B. Zinn, Eisen-, Blei-, und Zinkerz, Kohle, Kalk, Gesteine, Phosphat - gesamtwirtschaftlich jedoch von geringer Bedeutung (GIZ 4.2019c). Von Bedeutung sind hingegen der (informelle) Handel und die Landwirtschaft, welche dem größten Teil der Bevölkerung eine Subsistenzmöglichkeit bieten (AA 10.12.2018). Der Industriesektor (Stahl, Zement, Düngemittel) machte 2016 ca. 20 Prozent des BIP aus. Neben der Verarbeitung von Erdölprodukten werden Nahrungs- und Genussmittel, Farben, Reinigungsmittel, Textilien, Brennstoffe, Metalle und Baumaterial produziert. Industrielle Entwicklung wird durch die unzureichende Infrastruktur (Energie und Transport) behindert (GIZ 4.2019c).

Über 60 Prozent der Nigerianer sind in der Landwirtschaft beschäftigt, in ländlichen Gebieten über 90 Prozent (AA 9.2018c). Der Agrarsektor wird durch die Regierung Buhari stark gefördert. Dadurch hat etwa der Anteil an Großfarmen zugenommen (GIZ 4.2019c; vgl. AA 9.2018c). Auch die Mais- und Reisproduktion wurde dadurch kräftig ausgeweitet. Dabei ist das Potenzial der nigerianischen Landwirtschaft bei Weitem nicht ausgeschöpft (AA 9.2018c) und das Land ist nicht autark, sondern auf Importe - v.a. von Reis - angewiesen (ÖB 10.2018; vgl. AA 9.2018c). Über 95 Prozent der landwirtschaftlichen Produktion kommt aus Subsistenzbetrieben (AA 9.2018c). Historisch war Lebensmittelknappheit in fast ganz Nigeria aufgrund des günstigen Klimas und der hohen agrarischen Tätigkeit so gut wie nicht existent. In einzelnen Gebieten im äußersten Norden (Grenzraum zu Niger) gestaltet sich die Landwirtschaft durch die fortschreitende Desertifikation allerdings schwierig. Experten schließen aufgrund der Wetterbedingungen, aber auch wegen der Vertreibungen als Folge der Attacken durch Boko Haram Hungerperioden für die nördlichen, insbesondere die nordöstlichen Bundesstaaten nicht aus. In Ernährungszentren nahe der nördlichen Grenze werden bis zu 25 Prozent der unter fünfjährigen Kinder wegen starker Unterernährung behandelt (ÖB 10.2018).

Die Einkommen sind in Nigeria höchst ungleich verteilt (BS 2018; vgl. GIZ 4.2019b). Mehr als zwei Drittel der Bevölkerung leben in absoluter Armut (BS 2018; vgl. ÖB 10.2018), fast 50 Prozent unter der Armutsgrenze (GIZ 4.2019b).

Die Arbeitslosigkeit ist hoch, bei Jugendlichen wird sie auf über 20 Prozent geschätzt (GIZ 4.2019b). Offizielle Statistiken über Arbeitslosigkeit gibt es aufgrund fehlender sozialer Einrichtungen und Absicherung nicht. Geschätzt wird sie auf 20 bis 45 Prozent - in erster Linie unter 30-jährige - mit großen regionalen Unterschieden (ÖB 10.2018). Der Staat und die Bundesstaaten haben damit begonnen, Programme zur Bekämpfung der Jugendarbeitslosigkeit umzusetzen. Die Resultate sind dürftig (BS 2018). Der Mangel an lohnabhängiger Beschäftigung führt dazu, dass immer mehr Nigerianer in den Großstädten Überlebenschancen im informellen Wirtschaftssektor als "self-employed" suchen. Die Massenverelendung nimmt seit Jahren bedrohliche Ausmaße an (GIZ 4.2019b).

Die Großfamilie unterstützt in der Regel beschäftigungslose Angehörige (ÖB 10.2018). Generell wird die Last für Alter, Krankheit, Arbeitslosigkeit und Unterbeschäftigung vom Netz der Großfamilie und vom informellen Sektor getragen (BS 2018). Allgemein kann festgestellt werden, dass auch eine nach Nigeria zurückgeführte Person, die in keinem privaten Verband soziale Sicherheit findet, keiner lebensbedrohlichen Situation überantwortet wird. Sie kann ihre existenziellen Grundbedürfnisse aus selbstständiger Arbeit sichern, insbesondere dann, wenn Rückkehrhilfe angeboten wird (ÖB 10.2018).

Nur Angestellte des öffentlichen Dienstes, des höheren Bildungswesens sowie von staatlichen, teilstaatlichen oder großen internationalen Firmen genießen ein gewisses Maß an sozialer Sicherheit. Nur eine geringe Anzahl von Nigerianern (2016 ca. fünf Millionen) ist im Pensionssystem (Contributory Pension Scheme) registriert (BS 2018).

Programme zur Armutsbekämpfung gibt es sowohl auf Länderebene als auch auf lokaler Ebene. Zahlreiche NGOs im Land sind in den Bereichen Armutsbekämpfung und Nachhaltige Entwicklung aktiv. Frauenorganisationen, von denen Women In Nigeria (WIN) die bekannteste ist, haben im traditionellen Leben Nigerias immer eine wichtige Rolle gespielt. Auch Nigerianer, die in der Diaspora leben, engagieren sich für die Entwicklung in ihrer Heimat (GIZ 4.2019c).

Die täglichen Lebenshaltungskosten differieren regional zu stark, um Durchschnittswerte zu berichten. Verdienstmöglichkeiten für Rückkehrerinnen: Eine der Berufsmöglichkeiten für Rückkehrerinnen ist die Eröffnung einer mobilen Küche für "peppersoup", "garri" oder "pounded yam", für die man lediglich einen großen Kochtopf und einige Suppenschüsseln benötigt. Die Grundausstattung für eine mobile Küche ist für einen relativ geringen Betrag erhältlich. Hauptsächlich im Norden ist auch der Verkauf von bestimmten Holzstäbchen zur Zahnhygiene eine Möglichkeit, genügend Einkommen zu erlangen. In den Außenbezirken der größeren Städte und im ländlichen Bereich bietet auch "mini-farming" eine Möglichkeit, selbständig erwerbstätig zu sein. Schneckenfarmen sind auf 10 m² Grund einfach zu führen und erfordern lediglich entweder das Sammeln der in Nigeria als "bushmeat" gehandelten Wildschnecken zur Zucht oder den Ankauf einiger Tiere. Ebenso werden nun "grasscutter" (Bisamratten-ähnliche Kleintiere) gewerbsmäßig in Kleinkäfigen als "bushmeat" gezüchtet. Großfarmen bieten Tagesseminare zur Aufzucht dieser anspruchslosen und sich rasch vermehrenden Tiere samt Verkauf von Zuchtpaaren an. Rascher Gewinn und gesicherte Abnahme des gezüchteten Nachwuchses sind gegeben. Schnecken und "grasscutter" finden sich auf jeder Speisekarte einheimischer Lokale. Für handwerklich geschickte Frauen bietet auch das Einflechten von Kunsthaarteilen auf öffentlichen Märkten eine selbständige Erwerbsmöglichkeit. Für den Verkauf von Wertkarten erhält eine Verkäuferin wiederum pro 1.000 Naira Wert eine Provision von 50 Naira. Weiters werden im ländlichen Bereich Mobiltelefone für Gespräche verliehen; pro Gespräch werden 10 Prozent des Gesprächspreises als Gebühr berechnet (ÖB 10.2018).

Quellen:

- AA - Auswärtiges Amt (10.12.2018): Bericht über die asyl- und abschieberelevante Lage in der Bundesrepublik Nigeria (Stand Oktober 2018)

- AA - Auswärtiges Amt (9.2018c): Nigeria - Wirtschaft, https://www.auswaertiges-amt.de/de/aussenpolitik/laender/nigeria-node/-/205790, Zugriff 22.11.2018

- BS - Bertelsmann Stiftung (2018): BTI 2018 - Nigeria Country Report, https://www.ecoi.net/en/file/local/1427393/488302_en.pdf, Zugriff 19.11.2018

- GIZ - Deutsche Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (4.2019b): Nigeria - Gesellschaft, https://www.liportal.de/nigeria/gesellschaft/, Zugriff 10.4.2019

- GIZ - Deutsche Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (4.2019c): Nigeria - Wirtschaft & Entwicklung, https://www.liportal.de/nigeria/wirtschaft-entwicklung/, Zugriff 11.4.2019

- ÖB - Österreichische Botschaft Abuja (10.2018): Asylländerbericht Nigeria

Rückkehr

Generell kann kein ungerechtfertigter Eingriff von erheblicher Intensität in die zu schützende persönliche Sphäre des Einzelnen festgestellt werden, welcher geeignet wäre, die Unzumutbarkeit der Inanspruchnahme des Schutzes des Heimatstaates zu begründen. Der pauschale Hinweis eines Asylwerbers auf die allgemein herrschende Situation in Nigeria reicht nicht aus, um eine Bedrohung i.S.v Art. 2 MRK, 3 MRK oder des Protokolls Nr. 6 oder 13 der EMRK darzustellen. Außerdem kann allgemein festgestellt werden, dass eine nach Nigeria zurückgeführte Person, die in keinem privaten Verband soziale Sicherheit finden kann, keiner lebensbedrohlichen Situation überantwortet wird. Sie kann ihre existenziellen Grundbedürfnisse aus selbstständiger Arbeit sichern, insbesondere dann, wenn Rückkehrhilfe angeboten wird (ÖB 10.2018).

Abschiebungen erfolgen auf dem Luftweg, in Linien- oder Chartermaschinen. Rückführungen aus EU-Staaten erfolgen meist durch Charterflüge, die auch durch FRONTEX durchgeführt werden (AA 10.12.2018). Die österreichische Botschaft in Abuja unterstützt regelmäßig die Vorbereitung und Durchführung von Joint Return Operations im Rahmen von FRONTEX als "lead nation" (ÖB 10.2018). Ohne gültigen nigerianischen Pass oder einen von einer nigerianischen Botschaft ausgestellten vorläufigen Reiseausweis ist eine Einreise aus Europa kommender nigerianischer Staatsangehöriger nicht möglich. Dies gilt auch für zwangsweise Rückführungen (AA 10.12.2018).

Erkenntnisse darüber, ob abgelehnte Asylbewerber bei Rückkehr nach Nigeria allein wegen der Beantragung von Asyl mit staatlichen Repressionen zu rechnen haben, liegen nicht vor. Verhaftung aus politischen Gründen oder andere außergewöhnliche Vorkommnisse bei der Einreise von abgeschobenen oder freiwillig rückkehrenden Asylwerbern sind nicht bekannt (AA 10.12.2018). Die Erfahrungen seit dem Jahre 2005 lassen kaum Probleme erkennen (ÖB 10.2018). Abgeschobene Personen werden im Allgemeinen nach ihrer Ankunft in Lagos von der zuständigen Behörde (Nigerian Immigration Service), manchmal auch von der NDLEA (National Drug Law Enforcement Agency) befragt (AA 10.12.2018) bzw. erkennungsdienstlich behandelt (ÖB 10.2018) und können danach das Flughafengelände unbehelligt verlassen (AA 10.12.2018; vgl. ÖB 10.2018). Meist steigen sie in ein Taxi ein oder werden von ihren Familien abgeholt. Es kann jedoch nicht mit gänzlicher Sicherheit ausgeschlossen werden, dass die abgeschobenen Personen keine weiteren Probleme mit den Behörden haben. Das fehlende Meldesystem in Nigeria lässt allerdings darauf schließen, dass nach Verlassen des Flughafengeländes eine Ausforschung Abgeschobener kaum mehr möglich ist (ÖB 10.2018).

Wegen Drogendelikten im Ausland verurteilte Nigerianer werden nach Rückkehr an die NDLEA überstellt. Ein zweites Strafverfahren in Nigeria wegen derselben Straftat haben diese Personen jedoch trotz anderslautender Vorschriften im "Decree 33" nicht zu befürchten (AA 10.12.2018). Aus menschenrechtlichen Erwägungen wird gegenüber nigerianischen Behörden als Grund für Abschiebungen stets "overstay" angegeben, da dieser kein strafrechtliches Delikt darstellt (ÖB 10.2018).

Staatliche oder sonstige Aufnahmeeinrichtungen für zurückkehrende unbegleitete Minderjährige sind in Lagos und anderen Landesteilen grundsätzlich vorhanden. Sie sind jedoch in schlechtem Zustand, so dass z.B. eine ausreichende Versorgung dort nicht ohne weiteres gewährleistet ist. Internationale Akteure bemühen sich, neue Rückkehrer- bzw. Migrationsberatungszentren aufzubauen. Eine entsprechende Einrichtung von IOM in Benin-City, Edo State, wurde 2018 eröffnet. Gleichermaßen hat im Herbst 2018 in Lagos das Migrationsberatungszentrum der GIZ seinen Betrieb aufgenommen. Gemeinsam mit dem nigerianischen Arbeitsministerium wird dort über berufliche Perspektiven in Nigeria informiert (AA 10.12.2018).

Quellen:

- AA - Auswärtiges Amt (10.12.2018): Bericht über die asyl- und abschieberelevante Lage in der Bundesrepublik Nigeria (Stand Oktober 2018)

- ÖB - Österreichische Botschaft Abuja (10.2018): Asylländerbericht Nigeria

Außerdem wird zur aktuell vorliegenden Pandemie aufgrund des Corona-Virus festgestellt:

COVID-19 ist eine durch das Corona-Virus SARS-CoV-2 verursachte Viruserkrankung, die erstmals im Jahr 2019 in Wuhan/China festgestellt wurde und sich seither weltweit verbreitet. In Nigeria gibt es mit Stand 23.04.2020 873 bestätigte Infektionen und 28 Todesfälle.

Nach dem aktuellen Stand verläuft die Viruserkrankung bei ca. 80% der Betroffenen leicht und bei ca. 15% der Betroffenen schwerer, wenn auch nicht lebensbedrohlich. Bei ca. 5% der Betroffenen verläuft die Viruserkrankung derart schwer, dass Lebensgefahr gegeben ist und intensivmedizinische Behandlungsmaßnahmen notwendig sind. Diese sehr schweren Krankheitsverläufe treten am häufigsten in den Risikogruppen der älteren Personen und der Personen mit Vorerkrankungen (wie z.B. Diabetes, Herzkrankheiten) auf.

Quellen:

https://www.sozialministerium.at/Informationen-zum-Coronavirus.html, Zugriff 02.04.2020 https://www.ages.at/themen/krankheitserreger/coronavirus/, Zugriff 02.04.2020 https://orf.at/corona/stories/3157170/, Zugriff 23.03.2020

https://orf.at/corona/stories/3157533/, Zugriff 23.03.2020

https://www.tagesschau.de/ausland/coronavirus-karte-101.html, Zugriff 23.04.2020

https://coronavirus.jhu.edu/map.html, Zugriff 23.04.2020

Eine nach Nigeria zurückkehrende Person, bei welcher keine berücksichtigungswürdigen Gründe vorliegen, wird durch eine Rückkehr nicht automatisch in eine unmenschliche Lage versetzt.

2. Beweiswürdigung:

2.1. Zum Sachverhalt:

Zur Feststellung des für die Entscheidung maßgebenden Sachverhaltes wurden im Rahmen des Ermittlungsverfahrens Beweise erhoben durch die Einsichtnahme in den Akt der belangten Behörde unter zentraler Berücksichtigung der niederschriftlichen Angaben der Beschwerdeführerin vor dieser und den Organen des öffentlichen Sicherheitsdienstes, in den bekämpften Bescheid und in den Beschwerdeschriftsatz sowie in das aktuelle "Länderinformationsblatt der Staatendokumentation" zu Nigeria.

Die Beschwerdeführerin bestreitet den von der belangten Behörde festgestellten Sachverhalt nicht substantiiert und erstattete in der Beschwerde auch kein konkretes sachverhaltsbezogenes Vorbringen, sodass das Bundesverwaltungsgericht den maßgeblichen Sachverhalt als ausreichend ermittelt ansieht und sich der von der belangten Behörde vorgenommenen, nachvollziehbaren Beweiswürdigung vollumfänglich anschließt.

Die belangte Behörde hat ein ordnungsgemäßes Ermittlungsverfahren durchgeführt und in der Begründung des angefochtenen Bescheides die Ergebnisse dieses Verfahrens, die bei der Beweiswürdigung maßgebenden Erwägungen und die darauf gestützte Beurteilung der Rechtsfrage klar und übersichtlich zusammengefasst. Das Bundesverwaltungsgericht verweist daher zunächst auf diese schlüssigen und nachvollziehbaren beweiswürdigenden Ausführungen der belangten Behörde im angefochtenen Bescheid. Auch der Beschwerde vermag das Bundesverwaltungsgericht keine neuen Sachverhaltselemente zu entnehmen, welche geeignet wären, die von der erstinstanzlichen Behörde getroffenen Entscheidungen in Frage zu stellen.

2.2. Zur Person der Beschwerdeführerin:

Die Feststellungen zu ihren Lebensumständen, ihrem Gesundheitszustand, der Arbeitsfähigkeit, ihrer Herkunft, ihrer Glaubens- und Volkszugehörigkeit sowie der Staatsangehörigkeit gründen sich auf die diesbezüglichen glaubhaften Angaben der Beschwerdeführerin vor der belangten Behörde (Protokoll vom 04.03.2020). Die belangte Behörde hat diese Feststellungen korrekt und nachvollziehbar gewürdigt. Aus dem Beschwerdevorbringen sind keine Zweifel an der Richtigkeit dieser Feststellungen zur Person der Beschwerdeführerin aufgekommen.

Die Feststellungen zu den familiären Anknüpfungspunkten entstammen ebenfalls den Angaben der Beschwerdeführerin im Verfahren, die zudem angab, dass der Vater bereits verstorben sei, Feststellungen zur Mutter können nicht getroffen werden, zumal die Beschwerdeführerin in der Erstbefragung angab, dass diese bereits verstorben sei, vor der belangten Behörde aber zu Protokoll gab, dass die Mutter vor ihrer Ausreise einen Unfall hatte und sie nichts über ihren Verbleib wisse.

Dass die Beschwerdeführerin in Österreich über keine maßgeblichen persönlichen und familiären Beziehungen verfügt, ergibt sich aus ihren eigenen Angaben anlässlich der Einvernahme durch die belangte Behörde (Protokoll vom 04.03.2020) sowie aus dem Umstand ihres erst kurzen Aufenthalts in Österreich von nur knapp einem halben Jahr.

Es wird nicht verkannt, dass sich die Beschwerdeführerin trotz des erst kurzen Aufenthaltes um integrativen Schritte bemüht hat. So hat sie zwar einen Sprachkurs und einen Kurs "Basisbildung" besucht (AS 83ff), aber keine Prüfung abgelegt. Daraus allein kann keine über das übliche Maß hinausgehende Integration abgeleitet werden, alleine schon der sehr kurze Inlandsaufenthalt lässt eine tiefgreifende Verfestigung nicht zu.

Die Identität der Beschwerdeführerin ergibt sich zweifelsfrei aus den Visadaten (AS 15ff), wobei sich auch aus dem Zentralen Fremdenregister ein als authentisch (echt) klassifizierter nigerianischer Reisepass mit der Nr. XXXX, gültig bis 09.06.2019, ergibt.

Die Feststellung über die strafgerichtliche Unbescholtenheit der Beschwerdeführerin ergibt sich aus einer Abfrage des Strafregisters der Republik Österreich vom 31.03.2020.

Die Feststellungen zu ihrem gegenwärtigen Wohnsitz und dem Bezug der Grundversorgung ergeben sich aus den vorliegenden Auszügen aus dem Betreuungsinformationssystem und dem Zentralen Melderegister.

2.3. Zu den Fluchtgründen der Beschwerdeführerin:

2.3.1. Nach der Rechtsprechung des VwGH ist der Begriff der Glaubhaftmachung im AVG oder in den Verwaltungsvorschriften im Sinn der Zivilprozessordnung zu verstehen. Es genügt daher diesfalls, wenn der Beschwerdeführer die Behörde von der (überwiegenden) Wahrscheinlichkeit des Vorliegens der zu bescheinigenden Tatsachen überzeugt. Die Glaubhaftmachung wohlbegründeter Furcht setzt positiv getroffene Feststellungen seitens der Behörde und somit die Glaubwürdigkeit der hierzu geeigneten Beweismittel, insbesondere des diesen Feststellungen zugrundeliegenden Vorbringens des Asylwerbers, voraus (vgl. VwGH 23.09.2014, Ra 2014/01/0058 mwN). Die Frage, ob eine Tatsache als glaubhaft gemacht zu betrachten ist, unterliegt ebenso wie die Beweisführung den Regeln der freien Beweiswürdigung (VwGH 27.05.1998, Zl. 97/13/0051). Bloßes Leugnen oder eine allgemeine Behauptung reicht für eine Glaubhaftmachung nicht aus (VwGH 24.2.1993, Zl. 92/03/0011; 1.10.1997, Zl. 96/09/0007).

Im Falle der Unglaubwürdigkeit der Angaben des Asylwerbers sind positive Feststellungen von der Behörde nicht zu treffen (VwGH 19.03.1997, Zl. 95/01/0466).

Im Hinblick auf die Glaubwürdigkeit von Angaben eines Asylwerbers hat der Verwaltungsgerichtshof als Leitlinien entwickelt, dass es erforderlich ist, dass der Asylwerber die für die ihm drohende Behandlung oder Verfolgung sprechenden Gründe konkret und in sich stimmig schildert (VwGH 26.06.1997, Zl. 95/21/0294) und dass diese Gründe objektivierbar sind (VwGH 05.04.1995, Zl. 93/18/0289). Das Vorbringen des Asylwerbers muss, um eine maßgebliche Wahrscheinlichkeit und nicht nur eine entfernte Möglichkeit einer Verfolgung glaubhaft zu machen, eine entsprechende Konkretisierung aufweisen. Die allgemeine Behauptung von Verfolgungssituationen, wie sie in allgemein zugänglichen Quellen auffindbar sind, genügt zur Dartuung von selbst Erlebtem grundsätzlich nicht. Der Asylwerber hat im Rahmen seiner Mitwirkungspflicht nach § 15 Abs. 1 Z 1 AsylG 2005 alle zur Begründung des Antrags auf internationalen Schutz erforderlichen Anhaltspunkte über Nachfrage und allenfalls durch entsprechende Bescheinigungsmittel untermauert wahrheitsgemäß darzulegen (VwGH 15.03.2016, Ra 2015/01/0069; 30.11.2000, Zl. 2000/01/0356). Die Mitwirkungspflicht des Asylwerbers bezieht sich zumindest auf jene Umstände, die in seiner Sphäre gelegen sind, und deren Kenntnis sich die Behörde nicht von Amts wegen verschaffen kann (VwGH 30.09.1993, Zl. 93/18/0214).

Es entspricht ferner der ständigen Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes, wenn Gründe, die zum Verlassen des Heimatlandes beziehungsweise Herkunftsstaates geführt haben, im Allgemeinen als nicht glaubwürdig angesehen werden, wenn der Asylwerber die nach seiner Meinung einen Asyltatbestand begründenden Tatsachen im Laufe des Verfahrens bzw. der niederschriftlichen Einvernahmen unterschiedlich oder sogar widersprüchlich darstellt, wenn seine Angaben mit den der Erfahrung entsprechenden Geschehnisabläufen oder mit tatsächlichen Verhältnissen bzw. Ereignissen nicht vereinbar und daher unwahrscheinlich erscheinen oder wenn er maßgebliche Tatsachen erst sehr spät im Laufe des Asylverfahrens vorbringt (VwGH 06.03.1996, Zl. 95/20/0650). Die Unkenntnis in wesentlichen Belangen indiziert ebenso mangelnde Glaubwürdigkeit (VwGH 19.03.1997, Zl. 95/01/0466).

2.3.2. Die Beschwerdeführerin bringt als Fluchtgrund vor, eine Freundin geküsst zu haben und dabei gesehen worden zu sein. Es drohe ihr nunmehr der Vater der Freundin mit dem Umbringen und erwarte sie eine staatliche Strafe von zehn Jahren Gefängnis.

Es wird in Zusammenschau mit den Länderfeststellungen nicht verkannt, dass Homosexuelle und LGBTIQ-Personen in Nigeria regelmäßig einer Bedrohung oder Verfolgung durch die Gesellschaft und durch das nigerianische Gesetz Same Sex Marriage Prohibition Act ausgesetzt sind. Genau das bringt sie Beschwerdeführerin vor, allerdings sind ihre Ausführungen als nicht glaubhaft zu qualifizieren.

Zunächst ist festzuhalten, dass die Beschwerdeführerin von einer zehnjährigen Gefängnisstrafe spricht und dabei verkennt, dass das von ihr ins Treffen geführte Gesetz eine 14-jährige Strafhöhe vorsieht und bezieht sich diese Höchststrafe wiederum auf eine Heirat, die von der Beschwerdeführerin nicht vorgebracht wird. Die Beschwerdeführerin konnte insgesamt nur vage Vorbringen erstatten und aus Eigenem keine detaillierten Angaben machen. So mussten Geschehnisabläufe immer wieder hinterfragt werden und wurde im Einvernahmeprotokoll vom 04.03.2020 bei beinahe jeder Antwort der Beschwerdeführerin "auf Nachfrage" vermerkt. Das gesamte Fluchtvorbringen ist geprägt von Steigerungen, die konstruiert wirken und auf die Fragen der Einvernahmeleiterin angepasst wiedergegeben wurden.

Bei ihrer Ersteinvernahme gab die Beschwerdeführerin an, aufgrund des Küssens einer Frau bedroht worden zu sein und Nigeria verlassen zu haben. Vor der belangten Behörde schilderte sie schließlich, bereits seit 2010 homosexuell zu sein und eine fünfjährige Beziehung mit einer Frau geführt zu haben. Zunächst gab sie an: "[...] Auf Nachfrage: Ich wurde auch einmal bedroht als ich in der Schule war, weil ich Lesbe bin." (AS 66). Später steigerte sie auch diese Angaben, indem sie schilderte, bereits 2014 schon einmal bei homosexuellen Handlungen gesehen worden zu sein und sei es sogar zu Misshandlungen und Vergewaltigung durch eine Gruppe von Männern gekommen. Die Beschwerdeführerin konnte aber auch diese Abläufe nicht glaubhaft vorbringen. Auf Nachfrage konnte sie nicht schlüssig darlegen, wie unbekannte Männer wissen konnten, dass sie mit ihrer Freundin in einem versperrten Zimmer Geschlechtsverkehr hatte. Ihre Erklärversuche wirkten spontan und unüberlegt, als sie angab, dass ein Nachbar den Männern den Tipp gegeben haben könnte. Wie ein Nachbar sofort annehmen müsste, dass es sich um ein homosexuelles Paar handelt und diesen Umstand fremden Männern mitteilt, konnte die Beschwerdeführerin nur erklären, indem sie angab, dass er vielleicht Geräusche durch das offene Fenster gehört habe.

Ebenso unglaubwürdig gestalten sich ihre Angaben zur Flucht selbst. Sie gab an, sich einem Pastor anvertraut zu haben und habe er sie schließlich einer Schlepperin übergeben (AS 69). Es erscheint lebensfremd, dass ein Geistlicher eine schutzbedürftige Frau einer Schlepperin anvertraut, die letztlich eine Bezahlung für die Ausreise verlangt. Zu der geforderten Rückzahlung von ? 50.000,-- machte die Beschwerdeführerin nur unbestimmte Angaben. Sie habe einen Eid schwören müssen, der Frau die Aufwendungen zu ersetzen und sei ihr vom Schlepper im LKW auf der Fahrt nach Österreich die Summe mitgeteilt worden. Zu einer Zahlungsaufforderung sei es aber nie gekommen, sie habe den Mann nicht wieder gesehen.

Letztlich ist der belangten Behörde auch beizupflichten, wenn sie der Beschwerdeführerin vorhält, nach Inkrafttreten des Same Sex Marriage Prohibition Acts und nach Ablauf ihres Visums Ende 2014 wieder nach Nigeria zurückgekehrt zu sein, obwohl ihr bereits zuvor eine Verfolgung wegen Homosexualität widerfahren sei.

Es ist nicht glaubhaft, dass die Beschwerdeführerin in den Herkunftsstaat wegen der Schule/Universität zurückgekehrt ist, obwohl ihr aufgrund ihrer sexuellen Neigung eine langjährige Gefängnisstrafe gedroht hätte. Wenn die Beschwerdeführerin tatsächlich wegen homosexueller Handlung in Nigeria bedroht gewesen wäre, hätte sie bereits während des Aufenthaltes in Österreich einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt und hätte nicht eine asylrelevante Verfolgung in Kauf genommen, nur um eine Prüfung abzulegen bzw. die Ausbildung zu beenden.

Es ist für das Bundesverwaltungsgericht schlüssig nachvollziehbar, dass die belangte Behörde dieses Fluchtvorbringen als oberflächlich, vage und daher unglaubwürdig einstuft. Dieser Beurteilung tritt auch die Beschwerde in keiner Weise entgegen, sodass für das Bundesverwaltungsgericht kein Grund besteht, an der Würdigung der belangten Behörde zu zweifeln. Daher schließt sich das Bundesverwaltungsgericht dieser Beweiswürdigung vollinhaltlich an. Die belangte Behörde hält ihn ihrer Beweiswürdigung ausführlich fest, dass die Beschwerdeführerin keine nachvollziehbaren Geschehnisse aus Eigenem darlegen konnte und sie ihre Antworten immer wieder dem Verlauf der Einvernahme anpasste. Aufgrund der obigen Ausführungen kommt auch die erkennende Richterin zum Schluss, dass es sich um ein gedankliches Konstrukt handelt, das einer detaillierten Nachfrage nicht standhalten konnte und die Beschwerdeführerin im Laufe der Einvernahme zwang, erst nach möglichst plausiblen Antworten zu suchen. Damit ist die Beurteilung der Fluchtgründe und die diesbezügliche Beweiswürdigung durch die belangte Behörde nicht zu beanstanden, sodass sich das Bundesverwaltungsgericht dieser anschließt.

Da die Beschwerdeführerin in seiner Beschwerde dem bekämpften Bescheid nicht substantiiert entgegen trat und sich ihre Beschwerdebegründung darin erschöpfte, die Fluchtgründe zu wiederholen bzw. nach wie vor aufrecht zu halten und sie in der Beschwerde geltend zu machen, ergeben sich auch keine Zweifel am Zutreffen der von der belangten Behörde getroffenen Feststellungen und ihrer Beweiswürdigung.

2.4. Zum Herkunftsstaat:

Die Feststellungen zur Lage im Herkunftsstaat beruhen auf dem aktuellen Länderinformationsbericht der Staatendokumentation für Nigeria samt den dort publizierten Quellen und Nachweisen. Dieser Länderinformationsbericht stützt sich auf Berichte verschiedener ausländischer Behörden, etwa die allgemein anerkannten Berichte des Deutschen Auswärtigen Amtes, als auch jene von Nichtregierungsorganisationen, wie bspw. Open Doors, sowie Berichte von allgemein anerkannten unabhängigen Nachrichtenorganisationen.

Angesichts der Seriosität und Plausibilität der angeführten Erkenntnisquellen sowie dem

Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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