TE Bvwg Erkenntnis 2020/4/28 W171 2230440-1

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 28.04.2020
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Entscheidungsdatum

28.04.2020

Norm

BFA-VG §22a Abs1
BFA-VG §22a Abs3
B-VG Art133 Abs4
FPG §76 Abs2 Z2
VwGVG §35 Abs3

Spruch

W171 2230440-1/18E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Mag. Gregor MORAWETZ, MBA, als Einzelrichter über die Beschwerde des XXXX , geb. XXXX , Staatsangehörigkeit Russische Föderation, vertreten durch die ARGE Rechtsberatung - Diakonie und Volkshilfe, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 07.02.2020, Zl: XXXX zu Recht erkannt:

A)

I. Die Beschwerde wird gemäß § 76 Abs. 2 Z. 2 FPG i.V.m. § 22a Abs. 1 BFA-VG als unbegründet abgewiesen.

II. Gemäß § 22a Abs. 3 BFA-VG i.V.m. § 76 Abs. 2 Z. 2 FPG wird festgestellt, dass die für die Fortsetzung der Schubhaft maßgeblichen Voraussetzungen zum Zeitpunkt der Entscheidung vorliegen.

III. Gemäß § 35 Abs. 3 VwGVG i.V.m. § 1 Z. 3 und Z. 4 VwG-AufwErsV hat die beschwerdeführende Partei dem Bund Aufwendungen in Höhe von ? 426,20 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

IV. Der Antrag der beschwerdeführenden Partei auf Kostenersatz wird gemäß § 35 Abs. 3 VwGVG abgewiesen.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang:

* Der Beschwerdeführer (in Folge auch BF genannt) hat am 23.09.2005 einen Asylantrag gestellt, wobei Ihm in II. Instanz am 08.04.2009 der Asylstatus gem. § 7 AsylG erteilt wurde.

* Er wurde von einem Landesgericht am 18.10.2016 (Rk 19.10.2016), gemäß §§ 15, 278a (Kriminelle Organisation), 107 Abs. 1, 107 Abs. 2 (Gefährliche Drohung), 83 Abs. 1, 278b Abs. 2 (Terroristische Vereinigung) StGB, zu einer teilbedingten Freiheitsstrafe von 24 Monate, davon 16 Monate bedingt, unter Setzung einer Probezeit von 3 Jahre, rechtskräftig verurteilt (Jugendstraftat);

* Aufgrund seiner strafrechtlichen Verurteilung wurde am 27.06.2017 gegen den BF ein Aberkennungsverfahren eingeleitet.

* Am 01.12.2017 wurde gegen den BF in I. Instanz eine Rückkehrentscheidung iVm einem Einreiseverbot erlassen.

* Gegen diese Entscheidung hat der BF am 02.01.2018 eine Beschwerde eingebracht.

* Am 14.08.2018 wurde der BF bei Begehung einer neuerlichen Straftat festgenommen und in Untersuchungshaft genommen. Er verblieb sodann in weiterer Folge bis zum 14.02.2020 in Strafhaft.

* Der BF wurden von einem Landesgericht am 07.11.2018 (Rk 13.11.2018), gemäß §§ 15, 105 Abs. 1 (Nötigung), 142 Abs.1 (Raub) StGB, zu einer unbedingten Freiheitsstrafe von 18 Monate, rechtskräftig verurteilt.

* Am 27.09.2019 erfolgte durch das Bundesverwaltungsgericht (BVwG) zur anhängigen Beschwerde eine mündliche Einvernahme, in welcher dem BF (und seinem Vater) das mündliche Parteiengehör gewährt und seine Mutter als Zeugin angehört wurde.

* Im Anschluss an diese Einvernahme erfolgte die Verkündung des Erkenntnisses, wobei die Beschwerde des BF gem. §§ 7 Abs. 1, 8 Abs. 1 Ziffer 2, 57, 10 AsylG 2005, § 9 BFA-VG, §§ 52 Abs. 9, 55 Abs. 1-3 FPG als unbegründet abgewiesen und das erlassene Einreiseverbot auf 7 Jahre verkürzt wurde.

* Die Rückkehrentscheidung iVm dem Einreiseverbot wurde am 27.09.2019 in II. Instanz rechtskräftig, wobei dem BF die Ausreise innerhalb von 14 Tagen nach Verbüßung seiner Haftstrafe zugestanden wurde.

* Der BF wurde am 29.01.2020, noch während der Verbüßung seiner Haftstrafe, in der JA niederschriftlich einvernommen und es wurde dem BF mitgeteilt, dass die Verhängung von Schubhaft vorgesehen sei. Zusätzlich wurden alle notwendigen Fragen und Unterlagen zum Erlangen eines Heimreisezertifikats ausgefüllt.

* Der Antrag auf Erteilung eines Heimreisezertifikats wurde am 31.01.2020 an die zuständige Abteilung weitergeleitet.

* Am 07.02.2020 wurde über den BF ein Bescheid gem. § 76 Abs. 2 Ziffer 2 FPG (regulärer Schubbescheid) erlassen und dieser dem BF in der JA zugestellt. Im angefochtenen Bescheid wurde angemerkt, dass eine freiwillige Ausreise auch im Zuge der Schubhaft in der gewährten Frist möglich sei. Dabei wurde ausgeführt, der BF habe durch sein Vorverhalten die Kriterien für das Bestehen von Sicherungsbedarf nach den gesetzlichen Vorgaben erfüllt und sei daher von Fluchtgefahr auszugehen. Die Prüfung der Verhältnismäßigkeit habe ergeben, dass die privaten Interessen der Schonung der persönlichen Freiheit des BF dem Interesse des Staates am reibungslosen Funktionieren der öffentlichen Verwaltung hintanzustehen haben. Ein gelinderes Mittel sei nach Sicht der Behörde nicht als ausreichende Sicherung anzusehen, um von einer gesicherten Rückführung des BF in seinen Herkunftsstaat ausgehen zu können. Die gegenständliche Schubhaft sei daher notwendig und rechtmäßig.

* Der BF wurde am 14.02.2020 aus der Strafhaft (JA) entlassen und aufgrund des bestehenden Schubhaftbescheides und eines Einlieferungsauftrages festgenommen und in ein Polizeianhaltezentrum (PAZ) überstellt. Der Schubhaftbescheid vom 07.02.2020 wurde in Vollzug gesetzt.

* Am 28.02.2020 wurde durch das PAZ ein Bericht an die Behörde vorgelegt, aus der hervorging, dass der BF eine Ordnungswidrigkeit (Einschmuggeln von Gegenstände - Auffindung eines Mobiltelefons) während des Aufenthalts in Schubhaft begangen habe.

* Am 14.04.2020 wurde die Behörde verständigt, dass der Vater des BF durch die russische Botschaft identifiziert wurde und diesem ein Heimreisezertifikat ausgestellt werde.

* Mit Beschwerdeschrift vom 20.04.2020 (bei Gericht eingelangt am 21.04.2020) wurde im Wesentlichen das Vorliegen von Sicherungsbedarf verneint und die Unverhältnismäßigkeit der laufenden Schubhaft geltend gemacht. Die Erreichbarkeit des Sicherungszwecks der Abschiebung wurde in Zweifel gezogen, da bisher noch kein Heimreisezertifikat für den BF erlangt werden konnte. Darüber hinaus sei die Staatsangehörigkeit des BF nicht klar und gehe dieser daher davon aus, dass für ihn kein Heimreisezertifikat ausgestellt werde, was die gegenständliche Schubhaft jedenfalls unverhältnismäßig mache. Der BF sei überdies stets an einer Adresse gemeldet gewesen und würde er sich an ein allenfalls verhängtes gelinderes Mittel halten. Die gegenständliche Schubhaft sei rechtswidrig, da zum einen kein Sicherungsbedarf bestehe und zum anderen die laufende Haft jedenfalls nicht als verhältnismäßig anzusehen sei. Entgegen der Ansicht der Behörde verfüge der BF über ein familiäres Netz und dadurch auch über einen gesicherten Wohnsitz. Er sei kooperativ, ausreisewillig und habe ein Antigewalttraining absolviert. Straffälligkeit alleine sei nicht geeignet Fluchtgefahr zu begründen. Begehrt wurde die Durchführung einer mündlichen Verhandlung sowie der Ersatz der Aufwendungen gem. VwG-Aufwandersatzverordnung.

* Die Behörde legte dem Gericht den Schubhaftakt am 22.04.2020 vor und erstattete eine Stellungnahme unter Beantragung der Abweisung der Beschwerde sowie des Kostenersatzes für die Aufwendungen. Dabei wurde im Wesentlichen (verkürzt) wie nachstehend ausgeführt:

"Zu Punkt I der Beschwerde wird angeführt:

Aufgrund der gesetzlichen Grundlage COVID-19 ist der angefochtene Bescheid noch nicht in Rechtskraft erwachsen.

Zu Punkt II wird angemerkt:

Es ist richtig, dass der BF seit 14.08.2018 bis 14.02.2020 in Haft war, jedoch übersieht der BF, dass er aufgrund seiner eingebrachten Beschwerde gegen das Aberkennungsverfahren bis zur Entscheidung durch das BVwG am 27.09.2019 den Status eines Asylberechtigten hatte und daher kein Verfahren zum Erlangen eines Heimreisezertifikats (HRZ) gestartet werden konnte.

Der ha. Behörde wurde mitgeteilt, dass der Bruder und der BF zuerst vom Vater als Söhne bestätigt werden müssen und die Identifizierung über die Identifizierung des Vaters möglich ist. Nachdem der Vater erst am 14.04.2020 als identifiziert bestätigt wurde, hätte auch eine Einleitung am 28.09.2019 keine Auswirkungen gehabt.

Am 02.01.2020 wurde der Akt an die RD übermittelt und am 29.01.2020 erfolgte die Einvernahme des BF und die Einleitung des HRZ-Verfahrens.

Der eingebrachte Vorhalt, dass die ha. Behörde schon seit 2018 das HRZ-Verfahren hätte führen können, ist daher nicht korrekt.

Der Ansicht des BF, dass die ha. Behörde kein Heimreisezertifikat erlangen wird, kann nicht beigetreten werden, nachdem der Vater jetzt identifiziert wurde.

Wenn der BF, wie in seiner vorgelegten Beschwerde vorgebracht, bei Erlangung eines HRZ ausreisewillig ist, dann ist es für die ha. Behörde unverständlich, warum der BF seine gewährte freiwillige Ausreisefrist verstreichen ließ und der BF nicht schon längst vor der russischen Botschaft vorgesprochen hat.

Die in der Beschwerde angeführte Aussage wird daher als Schutzbehauptung angesehen.

Das gelindere Mittel konnte aufgrund der beurteilten hohen Fluchtgefahr und der Gefährdung der öffentlichen Ordnung und Sicherheit (Kontakt zum IS, Ausreiseversuch nach Syrien - siehe Verurteilung usw.), der nicht Vertrauenswürdigkeit und der Tatsache, dass auch gegen die restlichen Familienmitglieder Aberkennungsverfahren laufend bzw. bereits rechtskräftig sind, nicht gewährt werden.

Die Meldeadresse der Familie und die Möglichkeit einer Unterkunftnahme wurde im angefochtenen Bescheid berücksichtigt, jedoch wurde beurteilt, dass aufgrund der bereist angeführten Gründe die Sicherungsmaßnahme des gelinderen Mittels nicht ausreichend ist.

Zu Punkt III 1. ist anzumerken:

§ 37 AVG: Das BFA hat dem BF das mündliche Parteiengehör gewährt und eine Einvernahme am 29.01.2020 durchgeführt und sich somit über den maßgeblichen Sachverhalt informiert und dem BF die Geltungsmachung seiner Rechte und rechtlichen Interessen gewährt.

Wo der BF hier eine grobe mangelhafte Ermittlung geltend machen möchte, kann die ha. Behörde nicht nachvollziehen.

§ 39 AVG:

Der Akt wurde am 02.01.2020 an die RD übermittelt und am 29.01.2020 erfolgte die Einvernahme. Eine Verzögerung des Verfahrens kann der ha. Behörde daher nicht angelastet werden, zumal der angefochtene Bescheid noch vor der Entlassung aus der Strafhaft erlassen und zugestellt wurde. Die angeführte Zweckmäßigkeit, Raschheit, Einfachheit und Kostenersparnis wurde daher eingehalten. Hinsichtlich des HRZ- Verfahrens und der in Aussicht gestellten Ausreisewilligkeit des BF wurde bereits Stellung genommen.

Zu erwähnen gilt es, dass grundsätzlich der BF zur Ausreise verpflichtet ist und sich um ein Reisedokument bemühen muss. Die ha. Behörde beantragt ein HRZ und sorgt für die Organisation einer Abschiebung, weil der BF seiner Ausreiseverpflichtung bis dato nicht nachgekommen ist und selbst (zumindest aus derzeitiger Aktenlage) noch keine Maßnahme gesetzt hat, um ein HRZ zu erlangen.

Die ha. Behörde hat im angefochtenen Bescheid auf Seite 6, 12, 15, 20 angeführt, dass der BF gemeldet war und ist.

Wie der BF der belangten Behörde vorhalten kann, dass diese der Ansicht ist, dass der BF vor Strafantritt nicht gemeldet war, entzieht sich der Kenntnis der ha. Behörde. Der Vorwurf ist daher haltlos.

Der BF hat in seiner Einvernahme selbst angeführt, dass er an seiner Meldeadresse Unterkunft nehmen könnte. Es ist daher unverständlich, warum der BF noch zusätzlich befragt werden hätte müssen, wenn der BF dies schon angegeben hat (siehe Seite 8).

Zu Punkt III 2. ist anzumerken:

Der BF ist aufgrund der Ableitung durch den Familienverbund und seines jetzt identifizierten Vaters, Staatsbürger der russischen Föderation.

Daher musste auch der Vater zuerst identifiziert und bestätigt werden, was jetzt erfolgte.

Zu Punkt III 3. ist anzumerken:

Die Rechtsvertretung hat offensichtlich keine Akteneinsicht genommen, so wäre diese in Kenntnis, dass ein HRZ Verfahren ab 27.01.2020 eingeleitet wurde. Im Zuge der Einvernahme am 29.01.2020 wurde dies auch dem BF mitgeteilt. Vielmehr wäre zu hinterfragen, warum der BF nicht seine freiwillige Ausreise mittels VMÖ, welche ihm gewährt wurde, nicht in Anspruch genommen hat. Die ha. Behörde hat bis dato alle möglichen Maßnahmen gesetzt, um ein HRZ zu erlangen.

Zu Punkt III 4. und 5. ist anzumerken:

Auf Seite 19 des angefochtenen Bescheides wurde eingehend auf die Fluchtgründe eingegangen. Außerdem wurden auch im Punkt D Beweiswürdigung ausführlich der Sachverhalt und die Beurteilungen dargelegt. Auch die Gründe, warum die Erlassung eines gelinderen Mittels nicht ausreichend ist, wurden aufgezeigt.

Dies hat das BVwG auch bei seinem Bruder, der ebenso in Schubhaft befindlich ist, gleich beurteilt, da dieser über dieselben familiären Verhältnisse verfügt wie der BF, dieser aber schon seit 06.12.2019 in Schubhaft ist und mit Erkenntnis des BVwG die Verhältnismäßigkeit bestätigt wurde."

* Durch die derzeitige COVID-19 Pandemie konnte bis dato noch kein Vorführtermin bei der russischen Botschaft erlangt werden.

* Mit Beschwerdeergänzung vom 26.04.2020 wurde unter Beilage von Kopien der Aufenthaltstitel ergänzend vorgebracht, dass die Mutter und fünf Geschwister derzeit über eine Daueraufenthaltsbewilligung EU verfügen würden. Gegen diese werden daher auch keine Verfahren zur Erlassung aufenthaltsbeendender Maßnahmen geführt.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

Zur Person:

1.1. Der BF reiste vor vielen Jahren illegal in das Bundesgebiet ein, erhielt im Jahr 2009 in Österreich Asyl und ist Staatsangehöriger der Russischen Föderation. Er ist Fremder i.S.d. Diktion des FPG.

1.2. Der BF leidet an keinen nennenswerten Erkrankungen.

1.3. Er wurde in Österreich bisher zweimal strafgerichtlich verurteilt und befand sich von 28.07.2016 bis 02.01.2017 und von 14.08.2018 bis 14.02.2020 jeweils in Strafhaft. Am 14.02.2020 wurde der BF nach Beendigung der Strafhaft direkt in die gegenständliche Schubhaft überführt.

Zu den allgemeinen Voraussetzungen der Schubhaft:

2.1. Die titelgebende Rückkehrentscheidung vom 01.12.2017 wurde mit mündlicher Verkündung der Beschwerdeentscheidung vom 27.09.2019 rechtskräftig und ist (mittlerweile) auch durchsetzbar.

2.2. Ein Heimreisezertifikat für den BF liegt noch nicht vor. Von einer Ausstellung eines Heimreisezertifikates durch die Russische Botschaft und einer darauffolgenden baldigen Abschiebung des BF ist nach derzeitiger Sicht innerhalb der gesetzlichen Höchstanhaltefrist für Schubhaften auszugehen.

2.3. Der BF ist haftfähig.

2.4. Die Einleitung des Heimreisezertifikatsverfahrens am 31.01.2020 bei der russischen Botschaft erfolgte nicht verzögert.

Zum Sicherungsbedarf/Verhältnismäßigkeit:

3.1. Gegen den BF liegt eine durchsetzbare aufenthaltsbeendende Maßnahme vor.

3.2. Der BF hat im Verfahren zur Aberkennung seines Asylstatus und zur Erlassung einer Rückkehrentscheidung nur bedingt mitgewirkt und seine Rückkehr behindert, indem er keine Schritte zur Beschaffung identitätsbezeugender Dokumente unternommen hat.

3.3. Er ist nicht vertrauenswürdig.

3.4. Er ist nicht rückreisewillig.

3.5. Der BF war in Österreich durchgehend im Zentralen Melderegister erfasst.

3.6. Der BF verfügt mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit nach wie vor über aufrechte Kontakte zu Personen aus salafistisch-terroristischen Kreisen, mit denen vor seiner Inhaftierung eine Ausreise nach Syrien (Anschluss an den IS) geplant gewesen ist.

Zur familiären/sozialen Komponente:

4.1. In Österreich leben seine Eltern und mehrere Geschwister. Sonst bestehen keine nennenswerten sozialen Beziehungen und ist vielmehr von keiner besonderen Integration in der österreichischen Gesellschaft auszugehen. Diese familiären Verhältnisse waren in der Vergangenheit nicht in der Lage dem BF ausreichend Halt zu geben und ihn von wiederholter massiver Straffälligkeit zu bewahren.

4.2. Der BF geht im Inland keiner legalen Erwerbstätigkeit nach, ist nicht selbsterhaltungsfähig und weist auch sonst, mit Ausnahme der Sprachkenntnisse, keine besonderen Integrationsmerkmale auf.

4.3. Er verfügt über ? 650,39 (per 23.04.2020).

4.4. Der BF hat in Österreich einen gesicherten Wohnsitz.

2. Beweiswürdigung:

2.1. Zur Person und zum Verfahrensgang (1.1.-1.3.):

Der Verfahrensgang sowie die Feststellungen zur Person des BF ergeben sich aus den vorgelegten Verwaltungsakten der Behörde sowie dem Gerichtsakt des Bundesverwaltungsgerichtes (1.1.). Die Feststellung zur Staatbürgerschaft des BF ergeben sich daraus, dass sein Vater mittlerweile als Angehöriger der Russischen Föderation identifiziert worden ist, der BF selbst sich in den Verfahren als Staatsbürger der RF bezeichnet hat, er dort geboren ist und seine ersten Lebensjahre auch dort verbracht hat. Die Russische Staatsangehörigkeit des BF wurde zudem im Verfahren zur Aberkennung bereits gerichtlich festgestellt. Bisher sind zudem keine Hinweise aufgetaucht, dass der BF tatsächlich als "staatenlos" anzusehen wäre. Hinsichtlich des BF sind keine nennenswerten Erkrankungen aktenmäßig erfasst (1.2.) und hat der BF auch selbst stets angegeben, gesund zu sein (EV vom 29.01.2020). Aus den Eintragungen in der Anhaltedatei war ebenso nichts Gegenteiliges zu entnehmen. Das Gericht konnte daher davon ausgehen, dass der BF im Wesentlichen gesund ist. Die strafgerichtlichen Verurteilungen und die Haftzeiten waren dem Strafregister zu entnehmen (1.3.).

2.2. Zu den Voraussetzungen der Schubhaft (2.1.-2.4.):

Die Durchsetzbarkeit der Rückkehrentscheidung nach mündlicher Erkenntnisverkündung durch das BVwG am 27.09.2019 ergibt sich aus den vorgelegten Verwaltungsakten und wurde seitens des Beschwerdeführers nicht in Zweifel gezogen (2.1.).

Die Feststellung zu 2.2. ergibt sich daraus, dass bereits am 31.01.2020, daher während der laufenden Strafhaft, ein behördlicher Antrag auf Ausstellung eines Heimreisezertifikates für den BF bei der russischen Botschaft gestellt wurde. Die aktuelle Antragstellung durch die Behörde ist nach derzeitigem Stand der Informationen keinesfalls aussichtslos und ist die Ausstellung eines Heimreisezertifikates als durchaus möglich anzusehen. Das Verfahren hat diesbezüglich nichts Entgegengesetztes ergeben. Da jedoch derartige Verfahren mit Russland durchschnittlich mehrere Monate dauern, ist im vorliegenden Fall erst im Laufe des Sommers mit einer Ausstellung des Zertifikates zu rechnen. Demgegenüber hat die Behörde glaubhaft ausgeführt, dass eine tatsächliche Abschiebung des BF nach Erhalt eines Heimreisezertifikates ohne Verzögerung durchführbar sein wird. Es war daher davon auszugehen, dass eine Abschiebung des BF jedenfalls innerhalb der gesetzlichen Höchstfristen für die Anhaltung in Schubhaft bewerkstelligt werden kann.

Die Feststellung zur Haftfähigkeit (2.3.) ergibt sich aus den Angaben im Akt und liegen diesbezüglich dem Gericht zum Zeitpunkt der gegenständlichen Entscheidung keine anderslautenden Informationen vor. Es war daher von einer bestehenden Haftfähigkeit auszugehen.

2.4. Eine Antragstellung während aufrechtem Asyl war nicht möglich. Als sich abzeichnete, dass der Vater des BF als Staatsbürger der RF identifiziert werden würde, wurde am 31.01.2020 auch das Verfahren für den BF in Gang gesetzt. Für den BF liegen derzeit aufgrund der fehlenden Mitwirkung des BF keine Identitätsurkunden zur Vorlage vor der russischen Botschaft vor, sodass hiefür der Nachweis der Staatsbürgerschaft des Vaters als zielführend angesehen werden durfte. Dieser wurde in weiterer Folge erst am 14.04.2020 als Staatsbürger der Russischen Föderation identifiziert. Das Heimreisezertifikatsverfahren wurde daher bereits frühzeitig, und somit rechtzeitig in Gang gesetzt und kam es bisher zu keinen aktenkundigen Verzögerungen.

2.3. Zum Sicherungsbedarf /Verhältnismäßigkeit (3.1.-3.6.):

Das Vorliegen einer durchsetzbaren und aufenthaltsbeendenden Maßnahme ergibt sich bereits aus dem Akteninhalt (3.1.). Mit schriftlichem Parteiengehör vom 09.08.2019 wurde der BF im Aberkennungsverfahren aufgefordert eine Äußerung abzugeben, weitere Beweismittel vollständig vorzulegen, Unterlagen über seine Identität beizubringen und konkrete Fragen zu diesem Verfahren zu beantworten. Der BF, dem dieses Parteiengehör nachweislich zugekommen ist, hat in der Folge keine Stellungnahme abgegeben, obwohl aus dem Schreiben des BFA klar hervorgeht, dass die Angaben für das Verfahren zur behördlichen Entscheidung von hoher Wichtigkeit seien. Weiters hat der BF im Zuge der Verhandlung vor dem BVwG am 27.09.2019 mehrmals die Beantwortung von verfahrenswesentlichen Fragen ohne hinreichende Begründung verweigert und dadurch gegen seine ihn treffende Mitwirkungspflicht verstoßen. Es finden sich auch keine Hinweise darauf, dass sich der BF bisher auch nur ansatzweise bemüht haben könnte, Dokumente zu beschaffen, um die Erlangung eines Heimreisezertifikates zu ermöglichen, oder zu beschleunigen. Schließlich wurde ihm bereits am 25.01.2018 die freiwillige Heimreise bewilligt. Der diesbezügliche offenbar nicht ernst gemeinte Antrag erfolgte sohin nach Ansicht des Gerichts in grober Verzögerungsabsicht und behinderte in weiterer Folge auch den Fortgang der behördlichen Bemühungen, den BF sodann zur Ausreise zu verhalten. Der BF hat daher durch sein geschildertes Verhalten das laufende Abschiebeverfahren, aber auch seine Rückkehr immer wieder behindert und sich in keiner Weise kooperativ gezeigt. (3.2.).

Aus dem gesamten bisherigen Verhalten des BF ergibt sich, dass dieser nicht vertrauenswürdig ist. Dies zeigte sich konkret durch die mehrmalige Straffälligkeit und das ordnungswidrige Verhalten in der Schubhaft (Benutzen eines Mobiltelefones). Weder das bisherige Verhalten, noch seine widerwillige Art, in der gerichtlichen Verhandlung vom 27.09.2019 Fragen zu beantworten bzw. die Beantwortung zu verweigern waren geeignet, das Gericht von einer Vertrauenswürdigkeit des BF zu überzeugen (3.3.).

Die fehlende Rückreisewilligkeit lässt sich aus dem Gesamtverhalten des BF klar entnehmen und hat er dies auch in seiner Einvernahme am 27.09.2019 verbal bekräftigt. Darüber hinaus hat er zwar einen Antrag auf freiwillige Ausreise gestellt, hat jedoch keine Bemühungen gezeigt, die notwendigen Dokumente zu erlangen und ist auch de facto bisher nicht freiwillig ausgereist. Ganz im Gegensatz zu einer behaupteten Ausreisewilligkeit setzt der BF derzeit sichtlich alles daran, seine Staatsangehörigkeit zur RF, die bisher nie zweifelhaft gewesen ist, zu verschleiern bzw. selbst plötzlich in Frage zu stellen. Ausreisewilligkeit würde sich anders ausdrücken (3.4.).

Aus dem ZMR war zu entnehmen, dass der BF in Österreich stets eine aufrechte Meldeadresse gehabt hat (3.5.).

Die Feststellung zu 3.6. basiert auf der Tatsache, dass der BF im Zuge seiner Schubhaft ordnungswidrig ein Mobiltelefon zur Kontaktaufnahme mit der Außenwelt betrieben hat. Dies indiziert in diesem Sinne aber auch, dass weiterhin aufrechte Kontakte zu terroristischen Kreisen bestehen könnten bzw. wahrscheinlich sind. Es kann daher nicht mit der notwendigen Sicherheit ausgeschlossen werden, dass der BF noch immer Kontakt zu ihm bekannten salafistisch-terroristischen Kreisen hat und im Falle einer Entlassung trotz Meldeadresse untertauchen und eventuelle erneut einen Ausreiseversuch (nach SYRIEN) starten würde. Daran kann auch der in der Beschwerdeschrift erwähnte Besuch einer klinisch-psychologischen Behandlungsgruppe und eines Antigewalttrainings nichts ändern, da der BF ganz offensichtlich dennoch weiterhin nicht dazu bereit ist, sich an gesellschaftliche Regeln (so auch Vorschriften der Anstaltsordnung) zu halten.

2.4. Familiäre/soziale Komponente (4.1.-4.4.):

Aufgrund der Aktenlage (behördlicher und gerichtlicher Schubhaftakt, sowie Akt des gerichtlichen Aberkennungsverfahrens) ergibt sich, dass der BF in Österreich ein familiäres Netz in Form vom Eltern und mehreren Geschwistern, jedoch sonst über keine nennenswerten anderweitigen wesentlichen sozialen Kontakte in Österreich verfügt. Auch die Behörde hat diesbezüglich eindeutige Feststellungen in dieser Weise getroffen, von denen ausgegangen werden konnte. Der BF wurde in Strafhaft periodisch von Familienmitgliedern besucht. Mit einer Ausnahme finden sich jedoch keine weiteren Personen, die über diesen Familienkreis und den Kreis der Haftbetreuung hinausgehen. Die Behauptung in der Beschwerdeschrift, die Behörde habe die familiären Beziehungen nicht gehörig ermittelt bzw. dementsprechend festgestellt, trifft daher nicht zu. Das Vorleben des BF zeigt jedoch klar auf, dass auch die an sich gute familiäre Einbettung in der Vergangenheit gar nicht in der Lage gewesen ist, dem BF den nötigen Halt zu bieten und diesen von der Begehung mehrerer massiver Straftaten erfolgreich abzuhalten (4.1.).

Der BF hat auch bisher keine nachhaltige legale Berufstätigkeit ausgeübt, durch welche sich eine gewisse Kontinuität seines Lebens widerspiegeln würde. Er ist auch derzeit nicht zur Aufnahme einer Erwerbstätigkeit berechtigt. Es kann daher auch nicht von einem periodischen Einkommen ausgegangen werden. Der BF verfügt zwar aktuell über einen höheren Geldbetrag (Feststellung 4.3.), dadurch ist sein Aufenthalt jedoch lediglich für kurze Zeit aus eigener Kraft abgesichert. Es würde daher jedenfalls auf die Versorgungszusage der Eltern zurückgegriffen werden müssen.

Bereits im Rahmen des behördlichen Verfahrens ist eine Wohnmöglichkeit für den BF festgestellt worden und geht das Gericht nun auch von der Möglichkeit des BF, wieder bei seiner Mutter zu wohnen aus (4.4.).

2.5. Weitere Beweise waren wegen Entscheidungsreife nicht mehr aufzunehmen:

Von einer Anberaumung einer mündlichen Verhandlung konnte im Hinblick auf die geklärte Sachlage Abstand genommen werden.

3. Rechtliche Beurteilung

3.1. Zu Spruchpunkt I. - Schubhaftbescheid, Anhaltung in Schubhaft:

3.1.1. Gesetzliche Grundlage:

Der mit "Schubhaft" betitelte § 76 des Fremdenpolizeigesetzes 2005 (FPG), BGBl. I Nr. 100/2005 idgF, lautet:

§ 76. (1) Fremde können festgenommen und angehalten werden (Schubhaft), sofern der Zweck der Schubhaft nicht durch ein gelinderes Mittel (§ 77) erreicht werden kann. Unmündige Minderjährige dürfen nicht in Schubhaft angehalten werden.

(2) Die Schubhaft darf nur angeordnet werden, wenn

1. dies zur Sicherung des Verfahrens über einen Antrag auf internationalen Schutz im Hinblick auf die Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme notwendig ist, sofern der Aufenthalt des Fremden die öffentliche Ordnung oder Sicherheit gemäß § 67 gefährdet, Fluchtgefahr vorliegt und die Schubhaft verhältnismäßig ist,

2. dies zur Sicherung des Verfahrens zur Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme nach dem 8. Hauptstück oder der Abschiebung notwendig ist, sofern jeweils Fluchtgefahr vorliegt und die Schubhaft verhältnismäßig ist, oder

3. die Voraussetzungen des Art. 28 Abs. 1 und 2 Dublin-Verordnung vorliegen.

Bedarf es der Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme deshalb nicht, weil bereits eine aufrechte rechtskräftige Rückkehrentscheidung vorliegt (§ 59 Abs. 5), so steht dies der Anwendung der Z 1 nicht entgegen. In den Fällen des § 40 Abs. 5 BFA-VG gilt Z 1 mit der Maßgabe, dass die Anordnung der Schubhaft eine vom Aufenthalt des Fremden ausgehende Gefährdung der öffentlichen Ordnung oder Sicherheit nicht voraussetzt.

(2a) Im Rahmen der Verhältnismäßigkeitsprüfung (Abs. 2 und Art. 28 Abs. 1 und 2 Dublin-Verordnung) ist auch ein allfälliges strafrechtlich relevantes Fehlverhalten des Fremden in Betracht zu ziehen, insbesondere ob unter Berücksichtigung der Schwere der Straftaten das öffentliche Interesse an einer baldigen Durchsetzung einer Abschiebung den Schutz der persönlichen Freiheit des Fremden überwiegt.

(3) Eine Fluchtgefahr im Sinne des Abs. 2 Z 1 oder 2 oder im Sinne des Art. 2 lit n Dublin-Verordnung liegt vor, wenn bestimmte Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass sich der Fremde dem Verfahren oder der Abschiebung entziehen wird oder dass der Fremde die Abschiebung wesentlich erschweren wird. Dabei ist insbesondere zu berücksichtigen,

1. ob der Fremde an dem Verfahren zur Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme mitwirkt oder die Rückkehr oder Abschiebung umgeht oder behindert;

1a. ob der Fremde eine Verpflichtung gemäß § 46 Abs. 2 oder 2a verletzt hat, insbesondere, wenn ihm diese Verpflichtung mit Bescheid gemäß § 46 Abs. 2b auferlegt worden ist, er diesem Bescheid nicht Folge geleistet hat und deshalb gegen ihn Zwangsstrafen (§ 3 Abs. 3 BFA-VG) angeordnet worden sind;

2. ob der Fremde entgegen einem aufrechten Einreiseverbot, einem aufrechten Aufenthaltsverbot oder während einer aufrechten Anordnung zur Außerlandesbringung neuerlich in das Bundesgebiet eingereist ist;

3. ob eine durchsetzbare aufenthaltsbeendende Maßnahme besteht oder der Fremde sich dem Verfahren zur Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme oder über einen Antrag auf internationalen Schutz bereits entzogen hat;

4. ob der faktische Abschiebeschutz bei einem Folgeantrag (§ 2 Abs. 1 Z 23 AsylG 2005) aufgehoben wurde oder dieser dem Fremden nicht zukommt;

5. ob gegen den Fremden zum Zeitpunkt der Stellung eines Antrages auf internationalen Schutz eine durchsetzbare aufenthaltsbeendende Maßnahme bestand, insbesondere, wenn er sich zu diesem Zeitpunkt bereits in Schubhaft befand oder aufgrund § 34 Abs. 3 Z 1 bis 3 BFA-VG angehalten wurde;

6. ob aufgrund des Ergebnisses der Befragung, der Durchsuchung oder der erkennungsdienstlichen Behandlung anzunehmen ist, dass ein anderer Mitgliedstaat nach der Dublin-Verordnung zuständig ist, insbesondere sofern

a. der Fremde bereits mehrere Anträge auf internationalen Schutz in den Mitgliedstaaten gestellt hat oder der Fremde falsche Angaben hierüber gemacht hat,

b. der Fremde versucht hat, in einen dritten Mitgliedstaat weiterzureisen, oder

c. es aufgrund der Ergebnisse der Befragung, der Durchsuchung, der erkennungsdienstlichen Behandlung oder des bisherigen Verhaltens des Fremden wahrscheinlich ist, dass der Fremde die Weiterreise in einen dritten Mitgliedstaat beabsichtigt;

7. ob der Fremde seiner Verpflichtung aus dem gelinderen Mittel nicht nachkommt;

8. ob Auflagen, Mitwirkungspflichten, Gebietsbeschränkungen, Meldeverpflichtungen oder Anordnungen der Unterkunftnahme gemäß §§ 52a, 56, 57 oder 71 FPG, § 38b SPG, § 13 Abs. 2 BFA-VG oder §§ 15a oder 15b AsylG 2005 verletzt wurden, insbesondere bei Vorliegen einer aktuell oder zum Zeitpunkt der Stellung eines Antrags auf internationalen Schutzes durchsetzbaren aufenthaltsbeendenden Maßnahme;

9. der Grad der sozialen Verankerung in Österreich, insbesondere das Bestehen familiärer Beziehungen, das Ausüben einer legalen Erwerbstätigkeit beziehungsweise das Vorhandensein ausreichender Existenzmittel sowie die Existenz eines gesicherten Wohnsitzes.

(4) Die Schubhaft ist schriftlich mit Bescheid anzuordnen; dieser ist gemäß § 57 AVG zu erlassen, es sei denn, der Fremde befände sich bei Einleitung des Verfahrens zu seiner Erlassung aus anderem Grund nicht bloß kurzfristig in Haft. Nicht vollstreckte Schubhaftbescheide gemäß § 57 AVG gelten 14 Tage nach ihrer Erlassung als widerrufen.

(5) Wird eine aufenthaltsbeendende Maßnahme (Z 1 oder 2) durchsetzbar und erscheint die Überwachung der Ausreise des Fremden notwendig, so gilt die zur Sicherung des Verfahrens angeordnete Schubhaft ab diesem Zeitpunkt als zur Sicherung der Abschiebung verhängt.

(6) Stellt ein Fremder während einer Anhaltung in Schubhaft einen Antrag auf internationalen Schutz, so kann diese aufrechterhalten werden, wenn Gründe zur Annahme bestehen, dass der Antrag zur Verzögerung der Vollstreckung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme gestellt wurde. Das Vorliegen der Voraussetzungen ist mit Aktenvermerk festzuhalten; dieser ist dem Fremden zur Kenntnis zu bringen. § 11 Abs. 8 und § 12 Abs. 1 BFA-VG gelten sinngemäß.

Zur Judikatur:

3.1.2. Die Anhaltung in Schubhaft ist nach Maßgabe der grundrechtlichen Garantien des Art. 2 Abs. 1 Z 7 PersFrBVG und des Art. 5 Abs. 1 lit. f EMRK nur dann zulässig, wenn der Anordnung der Schubhaft ein konkreter Sicherungsbedarf zugrunde liegt und die Schubhaft unter Berücksichtigung der Umstände des jeweiligen Einzelfalls verhältnismäßig ist. Dabei sind das öffentliche Interesse an der Sicherung der Aufenthaltsbeendigung und das Interesse des Betroffenen an der Schonung seiner persönlichen Freiheit abzuwägen. Kann der Sicherungszweck auf eine andere, die Rechte des Betroffenen schonendere Weise, wie etwa durch die Anordnung eines gelinderen Mittels nach § 77 FPG, erreicht werden (§ 76 Abs. 1 FPG), ist die Anordnung der Schubhaft nicht zulässig (VfGH 03.10.2012, VfSlg. 19.675/2012; VwGH 22.01.2009, Zl. 2008/21/0647; 30.08.2007, Zl. 2007/21/0043).

Ein Sicherungsbedarf ist in der Regel dann gegeben, wenn bestimmte Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass sich der Fremde dem Verfahren oder der Abschiebung entziehen oder diese zumindest wesentlich erschweren werde (§ 76 Abs. 3 FPG). Es ist allerdings nicht erforderlich, dass ein Verfahren zur Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme bereits eingeleitet worden ist (VwGH 28.06.2002, Zl. 2002/02/0138).

Die fehlende Ausreisewilligkeit des Fremden, d.h. das bloße Unterbleiben der Ausreise, obwohl keine Berechtigung zum Aufenthalt besteht, vermag für sich genommen die Verhängung der Schubhaft nicht zu rechtfertigen. Vielmehr muss der - aktuelle - Sicherungsbedarf in weiteren Umständen begründet sein, etwa in mangelnder sozialer Verankerung in Österreich. Dafür kommt insbesondere das Fehlen ausreichender familiärer, sozialer oder beruflicher Anknüpfungspunkte im Bundesgebiet in Betracht, was die Befürchtung, es bestehe das Risiko des Untertauchens eines Fremden, rechtfertigen kann. Abgesehen von der damit angesprochenen Integration des Fremden in Österreich ist bei der Prüfung des Sicherungsbedarfes auch sein bisheriges Verhalten in Betracht zu ziehen, wobei frühere Delinquenz das Gewicht des öffentlichen Interesses an einer baldigen Durchsetzung einer Abschiebung maßgeblich vergrößern kann (VwGH 21.12.2010, Zl. 2007/21/0498; weiters VwGH 08.09.2005, Zl. 2005/21/0301; 23.09.2010, Zl. 2009/21/0280).

Schubhaft darf stets nur "ultima ratio" sein (vgl. VwGH 02.08.2013, Zl. 2013/21/0054; VwGH 11.06.2013, Zl. 2012/21/0114, VwGH 24.02.2011, Zl. 2010/21/0502; VwGH 17.03.2009, Zl. 2007/21/0542; VwGH 30.08.2007, 2007/21/0043). Daraus leitete der Verwaltungsgerichtshof in seinem Erkenntnis vom 19.05.2011, Zl. 2008/21/0527, unter Hervorhebung der in § 80 Abs. 1 FPG 2005 ausdrücklich festgehaltenen behördliche Verpflichtung, darauf hinzuwirken, dass die Schubhaft so kurz wie möglich dauert, insbesondere auch ab, "dass die Behörde schon von vornherein angehalten ist, im Fall der beabsichtigten Abschiebung eines Fremden ihre Vorgangsweise nach Möglichkeit so einzurichten, dass Schubhaft überhaupt unterbleiben kann. Unterlässt sie das, so erweist sich die Schubhaft als unverhältnismäßig"(VwGH vom 19.05.2011, Zl. 2008/21/0527). Bereits im Erkenntnis des VwGH vom 27.01.2011, Zl. 2008/21/0595, wurde dazu klargestellt, dass der Schubhaft nicht der Charakter einer Straf- oder Beugehaft zu kommt, "weshalb ohne besondere Anhaltspunkte für eine absehbare Änderung der Einstellung des Fremden die Haft nicht allein im Hinblick darauf aufrechterhalten werden darf, diese 'Einstellungsänderung' durch Haftdauer zu erwirken. (Hier: Der Fremde hatte, nachdem er nach zwei Monaten nicht aus der Schubhaft entlassen worden war, seine vorgetäuschte Mitwirkungsbereitschaft aufgegeben und zu erkennen gegeben, dass er nicht in den Kamerun zurückkehren wolle und auch nicht an einer Identitätsfeststellung mitwirken werde. Die mangelnde Kooperation des Fremden gipfelte schließlich in der Verweigerung jeglicher Angaben. Die belangte Behörde hat in Folge bis zu einem neuerlichen Einvernahmeversuch zugewartet ohne zwischenzeitig auf Basis der vorhandenen Daten zwecks Erstellung eines Heimreisezertifikates an die Botschaft von Kamerun heranzutreten oder sonst erkennbare Schritte in Richtung Bewerkstelligung einer Abschiebung zu setzen. In diesem Verhalten der belangten Behörde ist eine unangemessene Verzögerung zu erblicken)." (VwGH vom 27.01.2011, Zl. 2008/21/0595; vgl. dazu etwa auch VwGH 19.04.2012, 2009/21/0047).

3.1.3. Aufgrund des gerichtlichen Beweisverfahrens sieht das Gericht Sicherungsbedarf für gegeben an, da der BF nicht rechtmäßig im Inland aufhältig ist und gegen ihn eine durchsetzbare Rückkehrentscheidung besteht. Der BF hat in Österreich anfangs Asyl erhalten, dieses wurde ihm jedoch im Zuge eines Aberkennungsverfahrens wieder entzogen und eine Rückkehrentscheidung ausgesprochen. Er war zwar außerhalb seiner Zeiten in Haftanstalten stets aufrecht in Österreich gemeldet und sohin offenbar für die Behörde auch greifbar, kann jedoch nach Ansicht des Gerichtes aufgrund seines Vorverhaltens nicht als kooperativ oder aber als vertrauenswürdig angesehen werden. Seine fehlende Ausreisewilligkeit tat der BF im Rahmen seiner letzten Einvernahmen verbal kund, nutzte eine ihm gebotene Möglichkeit zur freiwilligen Ausreise nicht und unternahm auch keinerlei Anstrengungen, sich selbst Dokumente für die Heimkehr zu besorgen.

Der BF hat in Österreich zwar mehrere Familienangehörige und konnte auch einen gesicherten Wohnsitz darlegen, ist jedoch sonst in der österreichischen Gesellschaft kaum sozial verfestigt, spricht aber gut Deutsch. Auch im Zuge des gerichtlichen Verfahrens wurde eine außerfamiliäre Integration nicht bescheinigt bzw. glaubhaft gemacht und kamen auch keinerlei weitere nennenswerten sozialen Kontakte des BF ans Tageslicht, wiewohl der BF bereits seit vielen Jahren in Österreich aufhältig ist. Der BF ist gesund und haftfähig. Das bestehende familiäre Netz hat dem BF jedoch klar ersichtlich in der Vergangenheit nicht ausreichend Halt geben können und wurde der BF wiederholt massiv straffällig. Die familiäre Umgebung ist daher nach Ansicht des Gerichtes nicht in der Lage, den BF, der mit hoher Wahrscheinlichkeit immer noch Kontakte zu früheren Weggefährten aus salafistisch-terroristischen Kreisen unterhält, mit ausreichender Wahrscheinlichkeit von einem Abtauchen in die Anonymität, oder aber von einem neuerlichen Versuch der Ausreise etwa nach Syrien, wodurch er sich den Behörden ebenso entziehen würde, erfolgreich abzuhalten. Das Gericht geht daher in einer Gesamtsicht des Verhaltens unter den oben angeführten und festgestellten Tatbeständen des § 76 Abs. 3 jedenfalls vom Bestehen erheblichen Sicherungsbedarfes hinsichtlich der Person des BF aus. Die im Bescheid erwähnten Kriterien zur Annahme des Sicherungsbedarfes haben sich im Rahmen des gerichtlichen Verfahrens als weiterhin zutreffend erwiesen. Das Gericht sieht daher ebenso ausreichenden Sicherungsbedarf für gegeben an.

3.1.4. Darüber hinaus ist die Verhältnismäßigkeit der Schubhaftnahme nach Ansicht des erkennenden Gerichtes ebenso gegeben. Betrachtet man die Interessen des BF an den Rechten seiner persönlichen Freiheit in Bezug auf seine familiären bzw. sozialen Verhältnisse im Inland zeigt sich, dass der Beschwerdeführer zwar bisher nicht untergetaucht ist und über mehrere Familienangehörige im Inland verfügt, aber sonst keinerlei nennenswerte soziale Kontakte im Inland hat, die im Rahmen der gerichtlichen und behördlichen Abwägung die Entscheidung zu Gunsten einer Freilassung bzw. eines Belassen in Freiheit zu beeinflussen ausreichend waren. Hinzu kommt, dass gegen den Vater und einen Bruder des BF ebenso aktuell Asylaberkennungsverfahren laufen bzw. bereits abgeschlossen sind und der längerfristige Verbleib dieser Familienmitglieder daher nicht als gesichert bezeichnet werden kann. Der BF hat durch seine wiederholt begangenen massiven Straftaten gegen geltende Gesetze des Landes verstoßen und damit zum Ausdruck gebracht, dass er ganz klar keine Unterordnung unter das im Inland bestehende Rechtssystem beabsichtigt. Da sich der BF seit der Beendigung der letzten Strafhaft nicht auf freiem Fuße befand, kann auch im konkreten Fall nicht erkannt werden, dass sich dieser (seit der Entlassung) über einen maßgeblichen Zeitraum wohlverhalten hätte. Im Rahmen der laufenden Schubhaft ist es jedoch zu einer wesentlichen Ordnungswidrigkeit gekommen (Auffinden eines Mobiltelefones in der Zelle), was tendenziell keine massive Besserung des BF erkennbar macht. Gegen den BF liegt mittlerweile eine durchsetzbare Rückkehrentscheidung und auch ein befristetes Einreiseverbot vor. Die Republik Österreich hat damit nach Ansicht des Gerichts nunmehr ausreichend klar dargestellt, dass ein Verbleib des BF im Inland rechtlich nicht gedeckt ist und auch eine Wiederkehr des BF nicht gewünscht werde. Daraus lässt sich sohin auch ein erhöhtes Interesse der Öffentlichkeit an einer gesicherten Außerlandesbringung des BF klar erkennen zumal der BF aufgrund der Ergebnisse des Aberkennungsverfahrens als Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung bezeichnet werden kann. Dem gegenüber wiegen die persönlichen Interessen des BF weit weniger schwer als das öffentliche Interesse einer baldigen gesicherten Außerlandesbringung des BF. Das Gericht geht daher - wie oben angeführt - von der Verhältnismäßigkeit der Verhängung der Schubhaft aus, zumal die Bemühungen der Behörde trotz der momentan widrigen Umstände ein Heimreisezertifikat für den BF zu erlangen, im Rahmen des Verfahrens deutlich hervorgekommen sind. Dabei sei die manifestierte Unkooperativität des BF herauszuheben, die sich durch das Verhalten im Verfahren zur Abschiebung und zur Schubhaft deutlich gezeigt hat. Es ist daher dem BF nach heutiger Sicht auch zuzumuten, die Zeit bis zur Entscheidung über die Ausstellung eines Heimreisezertifikates bzw. bis zu seiner Rückführung in Schubhaft zuzubringen.

3.1.5. Zur bezweifelten Effektuierbarkeit der Abschiebung:

3.1.5.1. Richtig ist, dass es bisher während der laufenden Strafhaft nicht zur Ausstellung eines Heimreisezertifikats für den BF gekommen ist. Entgegen der Rechtsansicht des BF ist es jedoch ausreichend, dass die Behörde bei Beantragung eines Heimreisezertifikates von einer realistischen Möglichkeit der Ausstellung eines Zertifikates ausgehen durfte, was hier der Fall war. Die Behörde konnte bisher von einer russischen Staatsbürgerschaft des BF ausgehen, musste aber zur näheren Verifizierung zuwarten, bis die Identifizierung des Vaters des BF in greifbare Nähe gerückt ist. Die Behörde hat diesbezüglich jedoch ohnehin die Identifizierung des Vaters nicht gänzlich abgewartet, sondern bereits am 31.1.2020 das Antragsverfahren begonnen, wiewohl die russische Staatsbürgerschaft des Vaters, die für das Verfahren des BF einen versichernden Faktor bedeutet, zu diesem Zeitpunkt noch nicht restlos geklärt gewesen ist. Die nun gegebene Sachlage (Staatsbürgerschaft des Vaters geklärt) ist ausreichend, um gerichtlicherseits davon ausgehen zu können, dass eine Erlangung eines Heimreisezertifikates und eine daran anknüpfende Abschiebung des BF innerhalb der gesetzlichen Fristen trotz der derzeitigen unklaren Situation durch die CoViD-19 Pandemie, durchaus möglich erscheint.

Sich rechtswidrig zu verhalten und seiner Mitwirkungspflicht nur ungenügend nachzukommen, aber im Gegenzug die Dauer der Schubhaft oder die Schubhaft selbst sehr bald als unverhältnismäßig darzustellen bzw. die Erlangung eines Heimreisezertifikates als von vornherein aussichtslos zu qualifizieren, vermag das erkennende Gericht nicht zu überzeugen. Es steht dem BF in jeder Verfahrenslage frei, durch Anforderung von Unterlagen aus seiner Heimat seiner Mitwirkungspflicht nachzukommen und dadurch einer Verkürzung seiner Schubhaft aktiv Vorschub zu leisten. Die laufende Schubhaft ist daher auch aus diesem Gesichtspunkt weiter verhältnismäßig.

3.1.5.2. Das Gericht schließt nicht aus, dass es aufgrund der derzeitigen Pandemie (CoViD-19) in den kommenden Wochen weiterhin zu Verzögerungen oder Annullierungen von Flügen im internationalen Flugverkehr kommen könnte. Die realistische Möglichkeit einer Überstellung des Beschwerdeführers in seinen Herkunftsstaat (innerhalb der gesetzlich normierten Zeitspanne für die Anhaltung in Schubhaft) besteht jedoch aus aktueller Sicht weiterhin. Die absehbare weitere Dauer der Anhaltung in Schubhaft ist nach derzeitigem Stand - kooperatives Verhalten des Beschwerdeführers vorausgesetzt - mit wenigen Monaten einzustufen. Eine Abschiebung im Sommer 2020 ist aus derzeitiger Sicht jedenfalls realistisch. Aus derzeitiger Sicht ist auch damit zu rechnen, dass die gegenwärtigen Restriktionen im Zusammenhang mit CoViD-19 zumindest noch vor dem Sommer weitgehend gelockert und Abschiebungen wieder faktisch durchführbar werden.

Ebenso verhält es sich mit den konsularischen Prüfungsverfahren. Es liegen dem Gericht keine Berichte vor die den Schluss zulassen, dass es seitens der Botschaft, oder der russischen Behörden zur gänzlichen Arbeitseinstellung gekommen ist, oder diese in naher Zukunft zu erwarten wäre. Einschränkungen beim Parteienverkehr bedeutet keinen Stillstand der konsularischen Arbeit im Hintergrund. Das Gericht geht daher diesbezüglich davon aus, dass auch die russische Verwaltung ihre Tätigkeit so lang als möglich weiter aufrechterhalten wird, um die Rechtsstaatlichkeit auf dem bestehenden Niveau halten zu können. Eine Verzögerung der Abschiebung unmittelbar aufgrund dieser Umstände ist zum Entscheidungszeitpunkt nicht ersichtlich. Eine Abschiebung des BF innerhalb der gesetzlichen Höchstfrist ist daher weiterhin möglich.

Nach Ansicht des Gerichtes ist es weiterhin nicht möglich, verlässliche Prognosen über den weiteren Verlauf der Pandemie in Österreich und im Herkunftsstaat des BF abzugeben und kann auch die Wirksamkeit und die Wechselwirkungen der in vielen Ländern gesetzten Maßnahmen zur Eindämmung bzw. Weiterverbreitung des Virus für einen in der Zukunft liegenden Zeitpunkt (mehrere Monate im Voraus) nicht verlässlich beurteilt werden. Derartige Prognosen stellen aus heutiger Sicht lediglich Spekulationen dar, die zur Begründung einer gerichtlichen Entscheidung nicht hinreichen können.

Wie oben unter 3.1.5. angeführt, ist der BF zum mehrfachen Straftäter geworden und hat massiv gegen die österreichische Rechtsordnung verstoßen. Dieses Fehlverhalten des BF kann nicht unbeachtet bleiben. Das massive öffentliche Interesse an einer gesicherten Abschiebung des BF ist im vorliegenden Fall durchaus erkennbar und ist es dem BF daher auch aus diesen Gesichtspunkten der Verhältnismäßigkeit zumutbar, weiter in Haft zu verbleiben.

3.1.6. Die Anordnung eines gelinderen Mittels führt nach Ansicht des Gerichts nicht zu einer ausreichenden Sicherung der Durchführbarkeit einer baldigen Abschiebung. Die Kriterien, die bereits unter dem Punkt "Sicherungsbedarf" erörtert wurden zeigen eindeutig, dass nicht mit der notwendigen Sicherheit davon ausgegangen werden konnte, dass der BF jederzeit für die Behörde greifbar bleiben würde. Aufgrund der durchgeführten Prüfung im Verfahren zeigte sich, dass beim BF erhebliche Fluchtgefahr anzunehmen ist. Das Gericht vermeint daher, dass dem BF jedes Mittel recht wäre, sich dem Zugriff der Behörde zu entziehen, was jedenfalls mit einem Untertauchen verbunden wäre. Auch hat die nahe Vergangenheit bereits gezeigt, dass der BF gerade jetzt, wo eine Abschiebung in den kommenden Monaten real durchführbar sein wird, dieser im Verfahren zur Aberkennung unkooperativ wurde um die nahende Abschiebung zu behindern. Daraus war ersichtlich, dass der BF in Hinkunft mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit alle ihm zur Verfügung stehenden Mittel ergreifen würde, um seine zwangsweise Rückkehr in die Russische Föderation zu verhindern. Es besteht daher für das Gericht kein Grund davon auszugehen, dass ein gelinderes Mittel eine ausreichende Sicherung der Abschiebung des BF bedeuten würde. Auch die im vorliegenden Fall u. U. mögliche finanzielle Sicherheitsleistung wäre nach Ansicht des Gerichts nur ungenügend in der Lage, ein Untertauchen des BF zu unterbinden, zumal die vorhandenen Geldmittel zur Sicherung nach Ansicht des Gerichts als ungenügend zu bezeichnen sind. Unter Berücksichtigung aller Umstände ist die Behörde daher zutreffend davon ausgegangen, dass mit der Anordnung gelinderer Mittel das Auslangen nicht gefunden werden kann.

Parallelen des konkreten Falles zu dem in der Beschwerdeschrift zitieren Erkenntnis der auch in diesem Fall entscheidenden Gerichtsabteilung W171 waren nicht erkennbar.

3.1.7. Die gegenständlich verhängte Schubhaft erweist sich daher auch als "ultima ratio" und wird die Schubhaft auch bis zur erfolgreichen Abschiebung vorerst weiterzuführen sein. Auf Grund des zuvor Ausgeführten ergibt sich, dass sowohl Sicherungsbedarf, als auch Verhältnismäßigkeit gegeben sind und die Anwendung eines gelinderen Mittels nicht als erfolgversprechend zu beurteilen war. In diesem Sinne ist auch das Kriterium der "ultima ratio" im vorliegenden Schubhaftverfahren gegeben.

3.1.8. Die Behörde hat im gegenständlichen bekämpfen Schubhaftbescheid die Beweggründe für die Erforderlichkeit der Verhängung der Haft erkennbar aufgezeigt und sich mit der konkreten Situation des BF auseinandergesetzt. Es muss jedoch festgehalten werden, dass der Aufbau des Bescheides als unübersichtlich bzw. unstrukturiert anzusehen ist, da sich etwa Teile der Feststellungen unter dem Punkt "Beweiswürdigung" finden, und umgekehrt. Auch bei anderen Gliederungspunkten waren Mischvarianten zu erkennen, was die Lesbarkeit des Bescheides zwar erschwerte, diesen jedoch nicht mit Rechtswidrigkeit belastete. Die Behörde trifft Feststellungen zur Familie und dem Wohnsitz, die an sich für den BF sprechen würden, erklärt aber (in der Ausführung etwas holprig), dass dennoch von Fluchtgefahr auszugehen gewesen sei, da der BF nach wie vor Kontakte zu Terroristen haben dürfte. Zumindest sei dies nicht ausgeschlossen. Im Ergebnis überzeugt diese Argumentation, wenngleich die Ausführungen im Bescheid nicht leicht zuordenbar waren.

Über die Möglichkeit eines gelinderen Mittels finden sich etwa auf BS 15 und BS 21 wertende Ausführungen, sodass der Vorwurf, die Behörde habe sich nicht mit der Verhängung eines gelinderen Mittels auseinandergesetzt, nicht als zutreffend angesehen werden konnten.

Wie oben näher ausgeführt wird, gelangt die gerichtliche Überprüfung der laufenden Schubhaft nicht zu einer Unrechtmäßigkeit der bescheidmäßig verhängten Schubhaft.

4. Im vorliegenden Fall konnte von der Abhaltung einer mündlichen Verhandlung Abstand genommen werden, da der Sachverhalt im Rahmen des gerichtlichen Verfahrens hinreichend geklärt werden konnte. Der Sachverhalt konnte aus den Akten (Behördenakt und gerichtlicher Vorakt, sowie dem gerichtlichen Akt zum Aberkennungsverfahren) abschließend ermittelt und beurteilt werden. Gründe für die Abhaltung einer mündlichen Verhandlung liegen nicht vor. Die in der Beschwerdeschrift angeführten behaupteten fehlerhaften Feststellungen aufgrund von Verfahrensfehlern haben sich bei genauer Durchsicht des behördlichen Verfahrens und des Bescheides als nicht zutreffend erwiesen. Bereits die Behörde ging von einem bestehenden familiären Netz und einem Wohnsitz aus, sodass eine Einvernahme der beantragten Zeugen zu diesem Beweisthema unterbleiben konnte. Die fehlende Ausreise- und Kooperationswilligkeit des BF ergibt sich zweifellos aus dem bisherigen Verhalten des BF und bestanden hiezu keine Anhaltspunkte für eine plötzliche Änderung des Verhaltens. Diesbezüglich beinhaltet die Beschwerdeschrift auch keine weiteren Ausführungen. Das Gericht weicht im Übrigen nicht von der Beweiswürdigung der Behörde ab und hat sich bereits aus dem vorliegenden Akteninhalt klar ergeben, dass zur Klärung der Rechtmäßigkeit der vorliegenden Schubhaft die Abhaltung einer mündlichen Verhandlung nicht erforderlich gewesen ist.

5. Von einer Übersetzung des Kopf- u. Spruchteiles des Erkenntnisses konnte aufgrund der guten Deutschkenntnisse des BF Abstand genommen werden.

Zu Spruchpunkt II. - Vorliegen der Voraussetzungen für die Fortsetzung der Schubhaft:

Die getroffenen Feststellungen und ihre rechtliche Würdigung lassen im Hinblick auf ihre Aktualität und ihres Zukunftsbezuges keine, die Frage der Rechtmäßigkeit der weiteren Anhaltung in Schubhaft ändernde Umstände erkennen. Es war daher spruchgemäß festzustellen, dass zum Zeitpunkt dieser Entscheidung die für die Fortsetzung der Schubhaft maßgeblichen Voraussetzungen vorliegen.

Zu Spruchpunkt III. und IV. - Kostenbegehren

Beide Parteien begehrten den Ersatz ihrer Aufwendungen entsprechend den gesetzlichen Bestimmungen. Da die Verwaltungsbehörde vollständig obsiegte, steht ihr nach den angeführten Bestimmungen dem Grunde nach der Ersatz ihrer Aufwendungen zu. Die Höhe der zugesprochenen Verfahrenskosten stützt sich auf die im Spruch des Erkenntnisses genannten gesetzlichen Bestimmungen.

Zu Spruchpunkt B. - Revision

Gemäß § 25a Abs. 1 des Verwaltungsgerichtshofgesetzes 1985 hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig, wenn die Entscheidung von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, wenn die Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, wenn es an einer Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes fehlt oder wenn die Frage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird bzw. sonstige Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vorliegen.

Wie zu Spruchpunkt I. und II. ausgeführt sind keine Auslegungsfragen hinsichtlich der anzuwendenden Normen hervorgekommen, es waren auch keine Rechtsfragen von grundsätzlicher Bedeutung zu lösen. Die Revision war daher in Bezug auf beide Spruchpunkte nicht zuzulassen. Im Hinblick auf die eindeutige Rechtslage in den übrigen Spruchpunkten war die Revision gleichfalls nicht zuzulassen.

Schlagworte

Aberkennung des Status des Asylberechtigten Ausreisewilligkeit Einreiseverbot Fluchtgefahr Fortsetzung der Schubhaft Identität öffentliche Interessen Pandemie Rückkehrentscheidung Schubhaft Sicherungsbedarf strafrechtliche Verurteilung Untertauchen Verhältnismäßigkeit

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2020:W171.2230440.1.00

Im RIS seit

14.09.2020

Zuletzt aktualisiert am

14.09.2020
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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