TE Bvwg Erkenntnis 2020/4/28 W148 2130321-2

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 28.04.2020
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Entscheidungsdatum

28.04.2020

Norm

AsylG 2005 §10
AsylG 2005 §57
AsylG 2005 §8 Abs4
AsylG 2005 §9 Abs1 Z1
BFA-VG §9
B-VG Art133 Abs4
FPG §46
FPG §52
FPG §55
VwGVG §28 Abs1
VwGVG §28 Abs2

Spruch

W148 2130321-2/8E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch den Richter Dr. KEZNICKL als Einzelrichter über die Beschwerde von Herrn XXXX , geboren am XXXX Staatsangehörigkeit Afghanistan, vertreten durch ARGE Rechtsberatung - Diakonie und Flüchtlingshilfe, vom 03.05.2019 gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 10.04.2019, Zl. XXXX :

A)

I. Der Beschwerde wird gemäß § 28 Abs. 1 und Abs. 2 VwGVG stattgegeben. Die Spruchpunkte I., III., IV., V. und VI. des angefochtenen Bescheides werden ersatzlos behoben.

II. Spruchpunkt II. des angefochtenen Bescheides wird dahingehend abgeändert, dass dem Antrag vom 12.03.2019 auf Verlängerung der befristeten Aufenthaltsberechtigung gemäß § 8 Abs. 4 AsylG 2005 stattgegeben und XXXX die befristete Aufenthaltsberechtigung als subsidiär Schutzberechtigter bis zum 31.05.2021 erteilt wird.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang und Sachverhalt:

I.1. Verfahrensgang

1. Der Beschwerdeführer (im Folgenden: BF) hat nach schlepperunterstützter Einreise in das österreichische Bundesgebiet am 26.06.2015 den gegenständlichen Antrag auf internationalen Schutz gemäß § 2 Abs. 1 Z 13 des Asylgesetzes 2005 (AsylG 2005) gestellt.

2. Mit Bescheid vom 31.05.2016 wies das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl, Regionaldirektion Niederösterreich (in Folge: BFA) den Antrag vom 26.06.2015 bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten gemäß § 3 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG 2005, ab (Spruchpunkt I.), erkannte dem BF jedoch gemäß § 8 Abs. 1 AsylG 2005 den Status des subsidiär Schutzberechtigten zu (Spruchpunkt II.) und erteilte ihm gemäß § 8 Abs. 4 AsylG 2005 eine befristete Aufenthaltsberechtigung bis zum 31.05.2017 (Spruchpunkt III.).

Begründend wurde zu Spruchpunkt II. ausgeführt, dass Afghanen, die außerhalb des Familienverbandes oder nach einer langjährigen Abwesenheit im Ausland zurückkehrten, auf große Schwierigkeiten stießen, da ihnen das notwendige soziale und familiäre Netzwerk sowie die erforderlichen Kenntnisse der örtlichen Verhältnisse fehlten. De Mutter des BF habe wieder geheiratet und er sei zurzeit nicht über den genauen Aufenthaltsort informiert. Er habe sonst keine Angehörigen mehr in Afghanistan. Seine Geschwister und seine Großmutter lebten in Teheran, im Iran. Da er in Afghanistan über keine sozialen oder tragfähigen familiären Netzwerke verfüge, könne nicht mit der erforderlichen Sicherheit ausgeschlossen werden, dass er im Falle einer Rückkehr nach Afghanistan einer realen Gefahr im Sinne des Art. 3 EMRK ausgesetzt wäre.

3. Am 28.04.2017 stellte der BF einen Antrag auf Verlängerung seiner befristeten Aufenthaltsberechtigung gemäß § 8 Abs. 4 AsylG, welcher dann auch bis zum 31.05.2019 verlängert wurde.

4. Die Beschwerde gegen Spruchpunkt I. des Bescheides vom 31.05.2016 wurde mit Erkenntnis des BVwG vom 04.12.2017, Zl. W137 2130321-1/10E, als unbegründet abgewiesen.

5. Am 12.03.2019 stellte der BF einen neuerlichen Antrag auf Verlängerung seiner befristeten Aufenthaltsberechtigung.

6. Das BFA hat aus diesem Anlass - nach einer mündlichen Einvernahme am 05.04.2019 - dem BF mit Bescheid vom 10.04.2019, Zl. XXXX , den Status des subsidiär Schutzberechtigten von Amts wegen aberkannt (Spruchpunkt I.), seinen Antrag auf Verlängerung der befristeten Aufenthaltsberechtigung abgewiesen (Spruchpunkt II.), einen Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen nicht erteilt (Spruchpunkt III.), eine Rückkehrentscheidung erlassen (Spruchpunkt IV.) und festgestellt, dass die Abschiebung nach Afghanistan zulässig sei (Spruchpunkt V.). Die Frist für die freiwillige Ausreise betrage zwei Wochen ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung (Spruchpunkt VI.).

Begründend wurde ausgeführt, die subjektive Lage des BF habe sich dahingehend geändert, dass er nun bereits volljährig sei und nicht mehr der vulnerablen Gruppe der Minderjährigen angehöre. Ganz wesentlich habe sich auch das Verhältnis zu seiner Mutter geändert. Es sei nun problemlos möglich, dass er ihren genauen Aufenthaltsort feststellen könne. Er habe nun familiäre Anknüpfungspunkte in der Stadt Mazar-e Sharif, welche ihn bei einer Rückkehr unterstützen könnten.

7. Am 03.05.2019 erhob der BF vollumfänglich Beschwerde. Das BFA stütze die Aberkennung des subsidiären Schutzes auf Argumente die bereits zum Zeitpunkt der Gewährung des subsidiären Schutzes offenkundig gewesen seien und somit keine wesentliche Änderung darstellten.

I.2. Ergebnisse des Ermittlungsverfahrens (Sachverhalt)

Das Bundesverwaltungsgericht geht auf Grund des durchgeführten Ermittlungsverfahrens von folgendem für die Entscheidung maßgebenden Sachverhalt aus:

a) Zur Person des BF und seiner Situation im Falle einer Rückkehr

1. Der Name des BF ist XXXX , er wurde am XXXX im Dorf XXXX , in Kabul geboren. Er ist Staatsangehöriger der Islamischen Republik Afghanistan. Weiters ist er Angehöriger der Volksgruppe der Hazara und bekennt sich zur schiitischen Glaubensrichtung des Islam. Die Muttersprache des BF ist Dari. Er spricht auch Farsi, Englisch und Deutsch. Die Feststellungen zur Identität des BF gelten ausschließlich für die Identifizierung seiner Person im Asylverfahren.

2. Der BF stammt aus der Provinz Baghlan und ist im Alter von ungefähr zwei Jahren mit seiner Familie in den Iran gezogen. Er hat dort sechs Jahre lang eine afghanische Schule besucht und danach zwei Jahre als Schneider gearbeitet.

3. Die verheiratete Schwester und die beiden jüngeren Zwillingsbrüder des BF leben im Iran, zu ihnen besteht Kontakt. Seine Geschwister wären nicht in der Lage ihn bei einer Rückkehr nach Afghanistan finanziell zu unterstützen.

Die Mutter des BF hat 2009 seinen Stiefvater geheiratet und ist mit diesem nach Mazar-e Sharif gezogen. Die genaue Wohnadresse seiner Mutter kennt er nicht. Nach der Heirat blieb er mit seinen Geschwistern, aufgrund einer Vereinbarung zwischen seiner Mutter und seinem Stiefvater, dass die Kinder aus erster Ehe nicht aufgenommen werden, im Iran zurück. Der BF steht zwar in telefonischem Kontakt zu seiner Mutter, allerdings ist sein Stiefvater weiterhin nicht willens den BF bei sich aufzunehmen. Seine Mutter könnte ihm bei einer Rückkehr nach Afghanistan, gegen den Willen seines Stiefvaters, weder eine Unterkunft zur Verfügung stellen noch ihn finanziell unterstützen.

Der BF verfügt in Afghanistan über keine tragfähigen sozialen oder familiären Anknüpfungspunkte.

4. Mit Bescheid des BFA vom 31.05.2016 wurde dem BF der Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Afghanistan zuerkannt und ihm eine befristete Aufenthaltsberechtigung erteilt. Die Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten stützte das BFA auf die fehlenden sozialen oder tragfähigen familiären Netzwerke des BF.

Dem BF wurde auf Grundlage seines Verlängerungsantrags eine befristete Aufenthaltsberechtigung bis zum 31.05.2019 erteilt. Das Vorliegen der Voraussetzungen für die Verlängerung wurde als glaubhaft erachtet, dem Antrag wurde "vollinhaltlich" stattgegeben, eine nähere Begründung konnte entfallen. Daraufhin stellte er am 12.03.2019 einen Antrag auf (weitere) Verlängerung der befristeten Aufenthaltsberechtigung.

Unter Berücksichtigung der individuellen Situation des BF und der Sicherheits- und Versorgungslage in Afghanistan, insbesondere in seiner Herkunftsprovinz Baghlan, sowie in den Städten Herat und Mazar-e Sharif, kann nicht festgestellt werden, dass sich die Umstände, die zur Gewährung des subsidiären Schutzes geführt haben, seit der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten mit Bescheid des BFA vom 31.05.2016 und seit der Verlängerung der befristeten Aufenthaltsberechtigung mit Bescheid des BFA vom 02.06.2017 nicht wesentlich und nachhaltig verändert bzw. verbessert haben.

Der BF verfügt in Afghanistan, insbesondere in den Städten Herat und Mazar-e Sharif, auf die er von der belangten Behörde verwiesen wird, nach wie vor über kein tragfähiges soziales oder familiäres Netzwerk.

5. Der BF hat die Pflichtschulabschluss-Prüfung am 16.12.2016 bestanden. Er hat im Schuljahr 2015/2016 den 1. Jahrgang der HTL- XXXX besucht und hat dann auf die HTL- XXXX gewechselt, wo er im Wintersemester 2016 die Flüchtlingsklasse besucht hat und seit 13.02.2017 als ordentlicher Schüler die höhere Abteilung für Bautechnik-Umwelttechnik besucht. Während seines Aufenthalts im Bundesgebiet hat sich der BF einen Freundes- und Bekanntenkreis aufgebaut. Er hat das ÖSD-Zertifikat B2 am 16.12.2016 gut bestanden und kann sich gut auf Deutsch artikulieren.

Der BF ist gesund und arbeitsfähig.

b) Zur Lage im Herkunftsstaat

In Afghanistan leben laut Schätzungen vom Juli 2017 mehr als 34,1 Millionen Menschen. Schätzungen zufolge sind 40 % Pashtunen, rund 30 % Tadschiken, ca. 10 % Hazara, 9 % Usbeken. Die afghanische Verfassung schützt sämtliche ethnischen Minderheiten. Ethnische Spannungen zwischen unterschiedlichen Gruppen können allerdings weiterhin in Konflikten und Tötungen resultierten.

Die Sicherheitslage in Afghanistan bleibt insgesamt volatil und weist starke regionale Unterschiede auf. Provinzen und Distrikten mit aktiven Kampfhandlungen stehen andere gegenüber, in denen die Lage trotz punktueller Sicherheitsvorfälle vergleichsweise stabil ist. Die afghanische Regierung behält die Kontrolle über Herat und Mazar-e Sharif, größere Bevölkerungszentren, die wichtigsten Verkehrsrouten und den Großteil der Distriktzentren. Die Taliban umkämpften Distriktzentren. Ausländische Streitkräfte und Regierungsvertreter sowie die als ihre Verbündeten angesehenen Angehörigen der afghanischen Sicherheitskräfte und Vertreter der afghanischen Regierung sind prioritäre Ziele der Aufständischen. Eine Bedrohung für Zivilisten geht insbesondere von Kampfhandlungen zwischen den Konfliktparteien sowie improvisierten Sprengkörpern, Selbstmordanschlägen und komplexen Angriffen auf staatliche Einrichtungen aus.

Herat ist eine relativ entwickelte Provinz im Westen des Landes. Des Weiteren wurde Ende Oktober 2017 verlautbart, dass die Provinz Herat zu den relativ ruhigen Provinzen im Westen des Landes zählt, wenngleich sich in den abgelegenen Distrikten die Situation in den letzten Jahren aufgrund der Taliban verschlechtert hat. In einigen Distrikten der Provinz, wie Shindand, Kushk, Chisht-i-Sharif und Gulran, sind Aufständische aktiv.

Im Zeitraum 1.1.2017-30.4.2018 wurden in der Provinz 139 sicherheitsrelevante Vorfälle registriert. Im gesamten Jahr 2017 wurden in der Provinz Herat 495 zivile Opfer (238 getötete Zivilisten und 257 Verletzte) registriert. Hauptursache waren IEDs, gefolgt von Selbstmordanschlägen/komplexen Attacken und gezielten Tötungen. Dies bedeutet eine Steigerung von 37% im Gegensatz zum Vergleichsjahr 2016.

Regierungsfeindliche Aufständische griffen Mitte 2017 heilige Orte, wie schiitische Moscheen, in Hauptstädten wie Kabul und Herat, an. Dennoch erklärten Talibanaufständische ihre Bereitschaft, das TAPI-Projekt zu unterstützen und sich am Friedensprozess zu beteiligen. Es kam zu internen Konflikten zwischen verfeindeten Taliban-Gruppierungen. Anhänger des IS haben sich in Herat zum ersten Mal für Angriffe verantwortlich erklärt, die außerhalb der Provinzen Nangarhar und Kabul verübt wurden. ACLED registrierte für den Zeitraum 1.1.2017-15.7.2017 IS-bezogene Vorfälle (Gewalt gegen die Zivilbevölkerung) in der Provinz Herat.

Mazar-e Sharif ist gleichzeitig ein Wirtschafts- und Verkehrsknotenpunkt in Nordafghanistan. Die Provinz Balkh ist nach wie vor eine der stabilsten Provinzen Afghanistans, sie zählt zu den relativ ruhigen Provinzen in Nordafghanistan. Balkh hat im Vergleich zu anderen Regionen weniger Aktivitäten von Aufständischen zu verzeichnen.

Im Zeitraum 1.1.2017-30.4.2018 wurden in der Provinz 93 sicherheitsrelevante Vorfälle registriert. Im gesamten Jahr 2017 wurden 129 zivile Opfer (52 getötete Zivilisten und 77 Verletzte) registriert. Hauptursache waren IEDs, gefolgt von Bodenoffensiven und Blindgänger/Landminen. Dies bedeutet einen Rückgang von 68% im Gegensatz zum Vergleichsjahr 2016.

Die afghanischen Verteidigungs- und Sicherheitskräfte führen regelmäßig militärische Operationen durch, um regierungsfeindliche Aufständische zu verdrängen und sie davon abzuhalten, Fuß im Norden des Landes zu fassen. Diese militärischen Operationen werden in gewissen Gegenden der Provinz geführt. Dabei werden Taliban getötet und manchmal auch ihre Anführer. Im Zeitraum 1.1.2017 - 15.7.2017 wurden keine IS-bezogenen Vorfälle in der Provinz registriert. Im Zeitraum 16.7.2017 - 31.1.2018 wurden dennoch vom IS verursachten Vorfälle entlang der Grenze von Balkh zu Sar-e Pul registriert.

Baghlan galt im Februar 2017 als eine der am schwersten umkämpften Provinzen des Landes. Die Sicherheitslage hatte sich seit Anfang 2016 verschlechtert, nachdem die Taliban anfingen, koordinierte Angriffe in Schlüsseldistrikten in der Nähe der Hauptstadt auszuführen. Dies führte zu bewaffneten Zusammenstößen zwischen Taliban und afghanischen Sicherheitskräften. Auch zählt Baghlan zu jenen Provinzen, in denen eine hohe Anzahl an Zivilsten aufgrund explosiver Kampfmittelrückstände und indirekter Waffeneinwirkung ums Leben kann.

Im Zeitraum 1.1.2017-30.4.2018 wurden in der Provinz 102 sicherheitsrelevante Vorfälle registriert. Im gesamten Jahr 2017 wurden 222 zivile Opfer (93 getötete Zivilisten und 284 Verletzte) in der Provinz Kunduz registriert. Hauptursache waren Bodenangriffe, gefolgt von Blindgängen/Landminen und gezielten Tötungen. Dies bedeutet einen Rückgang von 38% im Gegensatz zum Vergleichsjahr 2016.

Berichten zufolge waren im August 2017 die Taliban im Nordwesten der Provinz aktiv. Im Zeitraum 1.1.2017 - 15.7.2017 wurden im Süden der Provinz Gewalt gegen die Zivilbevölkerung durch den IS gemeldet, während zwischen 16.7.2017 - 31.1.2018 keine sicherheitsrelevanten Ereignisse mit Bezug auf den IS gemeldet wurden.

Zur Wirtschafts- und Versorgungslage ist festzuhalten, dass Afghanistan weiterhin ein Land mit hoher Armutsrate und Arbeitslosigkeit ist. Aufgrund der schwierigen wirtschaftlichen Bedingungen besteht auch für zurückkehrende Flüchtlinge das Risiko, in die Armut abzurutschen. In den Jahren 2016-2017 stieg die Arbeitslosenrate, die im Zeitraum 2013-2014 bei 22,6 % gelegen hatte, um 1 %. Die Arbeitslosigkeit betrifft hauptsächlich gering qualifizierte bildungsferne Personen; diese sind auch am meisten armutsgefährdet. Über 40 % der erwerbstätigen Bevölkerung gelten als arbeitslos oder unterbeschäftigt. Es müssten jährlich geschätzte 400.000 neue Arbeitsplätze geschaffen werden, um Neueinsteiger in den Arbeitsmarkt integrieren zu können.

Die afghanische Regierung kooperierte mit UNHCR, IOM und anderen humanitären Organisationen, um IDPs, Flüchtlingen, rückkehrenden Flüchtlingen und anderen betroffenen Personen Schutz und Unterstützung zu bieten. Die Fähigkeit der afghanischen Regierung vulnerable Personen zu unterstützen, einschließlich Rückkehrer/innen aus Pakistan und dem Iran, bleibt begrenzt und ist weiterhin auf die Hilfe der internationalen Gemeinschaft angewiesen.

Auch wenn scheinbar kein koordinierter Mechanismus existiert, der garantiert, dass alle Rückkehrer/innen die Unterstützung erhalten, die sie benötigen, und dass eine umfassende Überprüfung stattfindet, können Personen, die freiwillig oder zwangsweise nach Afghanistan zurückgekehrt sind, dennoch verschiedene Unterstützungsformen in Anspruch nehmen. Eine Reihe unterschiedlicher Organisationen ist für Rückkehrer/innen und Binnenvertriebene (IDP) in Afghanistan zuständig. Außerdem erhalten Rückkehrer/innen Unterstützung von der afghanischen Regierung, den Ländern, aus denen sie zurückkehren, und internationalen Organisationen (z.B. IOM) sowie lokalen Nichtregierungsorganisationen (NGO) (z.B. IPSO und AMASO). Nichtsdestotrotz scheint das Sozialkapital die wichtigste Ressource zu sein, die Rückkehrer/innen zur Verfügung steht, da keine dezidiert staatlichen Unterbringungen für Rückkehrer existieren und familiäre Unterbringungsmöglichkeiten für Rückkehrer/innen daher als die zuverlässigste und sicherste Möglichkeit erachtet werden. So kehrt der Großteil der (freiwilligen bzw. zwangsweisen) Rückkehrer/innen direkt zu ihren Familien oder in ihre Gemeinschaften zurück. Für jene, die diese Möglichkeit nicht haben sollten, stellen die Regierung und IOM eine temporäre Unterkunft zur Verfügung. Auch hier können Rückkehrer/innen für maximal zwei Wochen untergebracht werden.

II. Beweiswürdigung:

Beweis wurde erhoben durch:

* Einsichtnahme in den Verwaltungsakt zum Verfahren über den Antrag auf internationalen Schutz und Aberkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten, insbesondere in den Bescheid vom 31.05.2016, den Verlängerungsbescheid vom 02.06.2017, das Protokoll der niederschriftlichen Einvernahmen vom 05.04.2019 sowie in die Beschwerde vom 03.05.2019;

* Einsichtnahme in das Länderinformationsblatt zu Afghanistan vom 13.11.2019;

* Einsichtnahme in die vom BF im gesamten Verfahren vorgelegten Urkunden;

* Einsicht in das Strafregister.

Der Beweiswürdigung liegen folgende maßgebende Erwägungen zugrunde:

II.1. Zum Verfahrensgang

Der oben angeführte Verfahrensgang ergibt sich aus dem unbedenklichen und unzweifelhaften Akteninhalt der vorgelegten Verwaltungsakten des BFA und des vorliegenden Gerichtsakts des Bundesverwaltungsgerichts.

II.2. Zur Person und zum Vorbringen des Beschwerdeführers

1. Die Feststellungen zur Identität (Name, Geburtsdatum und Geburtsort), zur Staatsangehörigkeit, zur Volksgruppen- und Religionszugehörigkeit und zum Herkunftsort beruhen auf den diesbezüglich glaubhaften Angaben des BF im verwaltungsbehördlichen Verfahren sowie auf der Kenntnis und Verwendung der Sprache Dari. Dass die Muttersprache des BF Dari ist und er außerdem noch Farsi, Englisch und Deutsch spricht ergibt sich aus seinen Aussagen in der Einvernahme vor der belangten Behörde vom 05.04.2019 sowie den von ihm vorgelegten Bestätigungen.

2. Die Feststellungen zu den Lebensumständen im Iran, insbesondere zu seinem Schulbesuch und seiner zweijährigen Arbeitstätigkeit als Schneider, stützen sich auf die Angaben des BF vor dem BFA.

3. Die Feststellungen zu den Lebensumständen seiner Familienangehörigen in Afghanistan und im Iran beruhen auf seinen Angaben im Lauf des Verfahrens.

Der BF hat bereits in seiner ersten Einvernahme vor dem BFA am 25.04.2016 gesagt, dass seine verheiratete Schwester und seine beiden Brüder im Iran leben. Seine Mutter habe wieder geheiratet und sei mit ihrem Ehemann in die Stadt Mazar-e Sharif gezogen. Darüber hinaus habe er keine Familienangehörigen mehr in Afghanistan. Er telefoniere regelmäßig mit seinen Geschwistern und seiner Mutter (AS. 30, 31). In seiner Stellungnahme vom 19.05.2016 erklärte der BF, dass er in telefonischem Kontakt zu seiner Mutter in Mazar-e Sharif stehe (AS. 111). In seiner neuerlichen Einvernahme vor dem BFA am 05.04.019 wiederholte der BF seine Aussagen zu dem Kontakt zu seinen Familienangehörigen im Iran und in Afghanistan (Einvernahmeprotokoll S. 5). Daher waren die Ausführungen des BF zu seinen Familienangehörigen im Iran und in Afghanistan sowie dem aufrechten Kontakt zu diesen, während des gesamten Verfahrens im Wesentlichen konsistent.

Die Feststellung, dass der BF in Afghanistan über keine tragfähigen sozialen oder familiären Anknüpfungspunkte verfügt, ergibt sich aus den gleichbleibenden und plausiblen Angaben des BF zu den Lebensumständen seiner Familienangehörigen im Iran und in Afghanistan im Lauf des Verfahrens. Die belangte Behörde ging in dem angefochtenen Bescheid, davon aus, dass seine Mutter und sein Stiefvater ihm im Falle einer Rückkehr anfänglich unterstützend zur Seite stehen würden. Es würde ihm eine Unterkunft und Personen zur Verfügung stehen, welche ihn bei der Suche nach Beschäftigung unterstützen könnten. Dieser Einschätzung stehen jedoch die stringenten Ausführungen des BF zum schlechten Verhältnis zu seinem Stiefvater entgegen. Bei seiner Einvernahme vor dem BFA am 25.04.2016 erklärte er, dass seine Mutter mit seinem Stiefvater ausgemacht habe, dass ihre Kinder, wegen der Kosten, im Iran blieben. Der BF dürfe nicht bei seiner Mutter leben, weil ihr Ehemann dies nicht wolle (AS. 73). In seiner Stellungnahme vom 19.05.2016 sprach der BF davon, dass der neue Ehemann seiner Mutter ihre Kinder nicht anerkannt habe und sie deshalb im Iran zurückbleiben hätten müssen. Bei einer Rückkehr nach Afghanistan wäre er völlig auf sich alleine gestellt, da er außer seine Mutter - zu der er wegen ihres neuen Ehemannes nicht ziehen dürfe - keine familiären Anknüpfungspunkte habe. In seiner neuerlichen Einvernahme vor der belangten Behörde am 05.04.019 erwiderte der BF zu seinen Befürchtungen für den Fall einer Rückkehr speziell nach Mazar-e Sharif, wo seine Mutter lebe, befragt, dass er seinen Stiefvater nicht kennen würde und aus diesem Grund auch nicht bei diesem leben könne (Einvernahmeprotokoll S. 6). Das BFA stützte die Annahme einer Unterstützung durch seinen Stiefvater alleine auf den Umstand, dass er problemlos Kontakt zu seiner Mutter halten könne. Die belangte Behörde argumentierte, dass sein Stiefvater seiner Mutter, bei einem tatsächlichen Problem mit dem BF, den Kontakt zu ihm verbieten würde. Diese Argumentation ist jedoch nicht überzeugend, denn die bloße Duldung des telefonischen Kontakts zwischen dem BF und seiner Mutter lässt nicht schon auf die Bereitschaft schließen, den volljährigen BF bei einer Rückkehr bei sich zu Hause aufzunehmen und ihm bei der Suche nach einer Beschäftigung zu helfen. Der Hinweis in seiner Beschwerde, wonach die Vereinbarung zwischen seiner Mutter und seinem Stiefvater, dass bei Eheschließung die Kinder aus erster Ehe nicht aufgenommen würden, gängig sei, ist - vor dem notorischen Amtswissen zu dem traditionellen patriarchalischen Gesellschaftssystem in Afghanistan - nachvollziehbar.

Das BFA stellte in ihrem Bescheid vom 31.05.2016 selbst fest, dass seine Mutter mit ihrem neuen Ehemann in der Stadt Mazar-e Sharif lebe. Außerdem wurde festgestellt, dass ihm im Heimatland die Lebensgrundlage gänzlich entzogen wäre, zumal er über keinerlei soziale oder tragfähige Netzwerke in Afghanistan verfüge, da seine Mutter wieder geheiratet habe (AS. 142, 143).

Darüber ging die belangte Behörde von einer finanziellen Unterstützung durch seine Geschwister in Afghanistan aus. Konkrete Anhaltspunkte, die eine finanzielle Unterstützung durch seine Geschwister wahrscheinlich erscheinen lassen, ergeben sich aus dem durchgeführten Ermittlungsverfahren jedoch nicht. In seiner behördlichen Einvernahme am 25.04.2016 sagte er, dass es seiner Familie im Iran zuletzt schlecht gegangen sei (AS. 31). Am 05.04.2019 antwortete er bei seiner Einvernahme vor der belangten Behörde dazu befragt, wie es seinen Geschwistern im Iran ginge, dass diese keine Dokumente hätten, sich aber versorgen könnten (Einvernahmeprotokoll S. 5). Demnach schließt die Behörde von der Selbsterhaltungsfähigkeit der Geschwister des BF auf ihre Fähigkeit und Bereitschaft, ihn auch tatsächlich zu unterstützen. Dies ist jedoch nicht mit seiner Darstellung zu den Lebensumständen seiner Geschwister zu vereinbaren. Zuletzt hat er in seiner Beschwerde dargetan, dass sich die finanzielle Situation seiner Geschwister im Iran nicht gebessert habe, sondern nach wie vor als schlecht einzustufen sei.

4. Die Feststellungen über den Zeitpunkt der Asylantragstellung, den Gegenstand des Bescheides vom 31.05.2016, die Verlängerung der befristeten Aufenthaltsberechtigung mit Bescheid vom 02.06.2017 sowie den Gegenstand des angefochtenen Bescheides stützen sich auf den Inhalt des Verwaltungs- und Gerichtsaktes.

Die Feststellung, dass sich die Umstände, die zur Gewährung des subsidiären Schutzes geführt haben, seit der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten mit Bescheid des BFA vom 31.05.2016 sowie auch seit der Verlängerung der befristeten Aufenthaltsberechtigung mit Bescheid des BFA vom 02.06.2017 nicht wesentlich und nachhaltig verändert bzw. verbessert haben, konnte im Lichte eines Vergleichs der individuellen Situation des BF sowie der Sicherheits- und Versorgungslage in (ganz) Afghanistan zum Zeitpunkt der rechtskräftigen Zuerkennung des subsidiären Schutzes und zum Zeitpunkt des angefochtenen Bescheides bzw. der vorliegenden Entscheidung getroffen werden (vgl. dazu näher auch die nachfolgenden rechtlichen Ausführungen). Dabei erfolgte insbesondere eine Gegenüberstellung des Inhalts der dem Bescheid vom 31.05.2016 zugrundeliegenden Begründung mit der, die die belangte Behörde bei Erlassung des angefochtenen Bescheides herangezogen hat, sowie auch mit der zum Zeitpunkt der vorliegenden Entscheidung bestehenden individuellen Situation des BF.

Dass der BF in Afghanistan, insbesondere in den Städten Herat und Mazar-e Sharif, nach wie vor über kein tragfähiges soziales oder familiäres Netzwerk verfügt, ergibt sich aus den unter Punkt II.2.3. dargestellten Aussagen des BF zu seinen Familienangehörigen.

5. Die strafrechtliche Unbescholtenheit des BF in Österreich ergibt sich aus dem eingeholten Auszug aus dem Strafregister.

Die Feststellung zum Gesundheitszustand des BF gründet auf seinen Aussagen in der Einvernahme vor dem BFA vom 05.04.2019.

Die Feststellungen, dass der BF arbeitsfähig ist und zu seinen Lebensumständen in Österreich stützen sich auf seine Angaben dazu in der Einvernahme vor dem BFA vom 05.04.2019 sowie den von ihm im verwaltungsbehördlichen und verwaltungsgerichtlichen Verfahren vorgelegten Integrationsunterlagen (Anlagen 1-7 des Einvernahmeprotokolls vom 05.04.2019, OZ 3).

II.3. Zur Lage im Herkunftsstaat

1. Die Feststellungen zum Herkunftsstaat des BF beruhen auf dem Länderinformationsblatt der Staatendokumentation, das basierend auf einer Vielzahl verschiedener, voneinander unabhängiger unbedenklicher Quellen ein Im Ergebnis ist auch nicht zu erkennen, dass sich seit der Erlassung des bekämpften Bescheides des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl und für den gegenständlichen Fall relevant eine entscheidende Lageveränderung ergeben hätte, wie sich das erkennende Gericht durch ständige Beachtung der aktuellen Quellenlage (u.a. durch Einschau in das Länderinformationsblatt der Staatendokumentation vom 13.11.2019, den EASO-Bericht vom Juni 2019 und den UNHCR-Richtlinien vom 30.08.2018 versichert hat.

2. Zur unveränderten Sicherheits- und Versorgungslage bzw. humanitären Lage im Herkunftsstaat ist auszuführen, dass sich den Feststellungen der belangten Behörde im angefochtenen Bescheid zur Lage im Herkunftsstaat nicht entnehmen lässt, dass es zu einer wesentlichen und nachhaltigen Verbesserung der Lage im Herkunftsstaat gekommen ist. Im Wesentlichen wird von einem unverändert anhaltenden innerstaatlichen Konflikt berichtet, von unveränderten Aktivitäten von Aufständischen, von hohen Armuts- und Arbeitslosenraten etc. Die belangte Behörde hat die Zuerkennung des subsidiären Schutzes darauf gestützt, dass der BF in ganz Afghanistan über keine sozialen oder tragfähigen familiären Netzwerke verfüge. Nunmehr geht das BFA davon aus, dass dem BF eine Fluchtalternative in den Städten Herat und Mazar-e Sharif zur Verfügung stehe, obwohl sie selbst darauf hinweist, dass die Situationen in diesen Städten nach wie vor angespannt ist. Hiezu ist weiters zu ergänzen, dass Herat und Mazar-e Sharif auch im Jahr 2016 bzw. 2017 in den Händen der Regierung lagen und sohin auch diesbezüglich keine Änderung der Lage eingetreten ist. Auch die Sicherheitssituation in Baghlan, der Herkunftsprovinz des BF, hat sich nicht wesentlich und nachhaltig verbessert. Gestützt auf das aktuellste Länderinformationsblatt der Staatendokumentation vom 13.11.2019, die neuesten Berichte des EASO sowie unter Heranziehung der UNHCR-Richtlinien vom August 2018 kann jedenfalls nicht festgestellt werden, dass sich die Lage im Herkunftsstaat Afghanistan im Allgemeinen wesentlich und nachhaltig verändert und verbessert hat.

III. Rechtliche Beurteilung:

Zur Beschwerde:

Mit gegenständlichem Bescheid vom BFA wurde dem BF eine Beschwerdefrist von vier Wochen eingeräumt. Die am 03.05.2019 erhobene und bei der belangten Behörde am selben Tag eingelangte Beschwerde war rechtzeitig, zulässig und begründet.

Zu Spruchteil A)

III.1. Zuständigkeit und anzuwendendes Recht:

Gemäß § 6 Bundesverwaltungsgerichtsgesetz (BVwGG), BGBl. I Nr. 10/2013, entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist. Gegenständlich liegt somit Einzelrichterzuständigkeit vor.

Gemäß § 17 Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz (VwGVG), BGBl. I Nr. 33/2013, sind, soweit in diesem Bundesgesetz nicht anderes bestimmt ist, auf das Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 B-VG die Bestimmungen des AVG mit Ausnahme der §§ 1 bis 5 sowie des IV. Teiles, die Bestimmungen der Bundesabgabenordnung - BAO, BGBl. Nr. 194/1961, des Agrarverfahrensgesetzes - AgrVG, BGBl. Nr. 173/1950, und des Dienstrechtsverfahrensgesetzes 1984 - DVG, BGBl. Nr. 29/1984, und im Übrigen jene verfahrensrechtlichen Bestimmungen in Bundes- oder Landesgesetzen sinngemäß anzuwenden, die die Behörde in dem dem Verfahren vor dem Verwaltungsgericht vorangegangenen Verfahren angewendet hat oder anzuwenden gehabt hätte.

III.2. Zu Stattgabe der Beschwerde und ersatzlosen Behebung der Spruchpunkte I. und III. - VI. des angefochtenen Bescheides:

1. Die Aberkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten ist in § 9 Asylgesetz 2005 (AsylG), BGBl. I Nr. 100/2005 idF BGBl. I Nr. 145/2017, geregelt, der wie folgt lautet:

"§ 9. (1) Einem Fremden ist der Status eines subsidiär Schutzberechtigten von Amts wegen mit Bescheid abzuerkennen, wenn

1. die Voraussetzungen für die Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten (§ 8 Abs. 1) nicht oder nicht mehr vorliegen;

2. er den Mittelpunkt seiner Lebensbeziehungen in einem anderen Staat hat oder

3. er die Staatsangehörigkeit eines anderen Staates erlangt hat und eine Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Fremden in seinen neuen Herkunftsstaat keine reale Gefahr einer Verletzung von Art. 2 EMRK, Art. 3 EMRK oder der Protokolle Nr. 6 oder Nr. 13 zur Konvention oder für ihn als Zivilperson keine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes mit sich bringen würde.

(2) Ist der Status des subsidiär Schutzberechtigten nicht schon aus den Gründen des Abs. 1 abzuerkennen, so hat eine Aberkennung auch dann zu erfolgen, wenn

1. einer der in Art. 1 Abschnitt F der Genfer Flüchtlingskonvention genannten Gründe vorliegt;

2. der Fremde eine Gefahr für die Allgemeinheit oder für die Sicherheit der Republik Österreich darstellt oder

3. der Fremde von einem inländischen Gericht wegen eines Verbrechens (§ 17 StGB) rechtskräftig verurteilt worden ist. Einer Verurteilung durch ein inländisches Gericht ist eine Verurteilung durch ein ausländisches Gericht gleichzuhalten, die den Voraussetzungen des § 73 StGB, BGBl. Nr. 60/1974, entspricht. (...)"

Vorauszuschicken ist, dass sich die belangte Behörde im Spruch des angefochtenen Bescheides auf den Aberkennungstatbestand nach § 9 Abs. 1 Z 1 AsylG 2005 beruft. Aus der Begründung des angefochtenen Bescheides, wonach "die Gründe für die Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten nicht mehr vorliegend sind", ergibt sich, dass die Aberkennung auf den zweiten Fall des § 9 Abs. 1 Z 1 AsylG 2005 gestützt wurde.

Gemäß § 9 Abs. 1 Z 1 zweiter Fall AsylG 2005 ist einem Fremden der Status eines subsidiär Schutzberechtigten von Amts wegen mit Bescheid abzuerkennen, wenn die Voraussetzungen für die Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten gemäß § 8 Abs. 1 leg.cit. nicht mehr vorliegen. Dies entspricht auch Art. 16 der Statusrichtlinie (= Richtlinie 2004/83/EG des Rates vom 29.04.2004 über Mindestnormen für die Anerkennung und den Status von Drittstaatsangehörigen oder Staatenlosen als Flüchtlinge oder als Personen, die anderweitig internationalen Schutz benötigen, und über den Inhalt des zu gewährenden Schutzes, ABl. L 304), wonach ein Drittstaatsangehöriger oder ein Staatenloser nicht mehr subsidiär Schutzberechtigter ist, wenn die Umstände, die zur Zuerkennung des subsidiären Schutzes geführt haben, nicht mehr bestehen oder sich in einem Maße verändert haben, dass ein solcher Schutz nicht mehr erforderlich ist (Abs. 1). Bei Anwendung des Absatzes 1 berücksichtigen die Mitgliedstaaten, ob sich die Umstände so wesentlich und nicht nur vorübergehend verändert haben, dass die Person, die Anspruch auf subsidiären Schutz hat, tatsächlich nicht länger Gefahr läuft, einen ernsthaften Schaden zu erleiden (Abs. 2). Dieses Erforderlichkeitskalkül ist auch bei der Verlängerung der Aufenthaltsberechtigung und bei der Bestimmung ihrer Dauer anzulegen (vgl. VwGH vom 31.03.2010, Zl. 2007/01/1216).

Es ist Aufgabe der Behörde, näher darzulegen, worin sie im konkreten Fall Umstände erblickt, sodass davon auszugehen ist, dass die Voraussetzungen für die Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten nicht mehr vorliegen. Ausgangspunkt dieser Betrachtungen haben daher jene Umstände zu sein, die ursprünglich zur Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten geführt haben (VwGH vom 27.05.2019, Ra 2019/14/0153).

Nach ständiger Rechtsprechung des VwGH ist eine Durchbrechung der Rechtskraftwirkung einer - subsidiären Schutz zuerkennenden - Entscheidung nur dann gerechtfertigt, wenn sich nach Erlassung der Entscheidung der Sachverhalt oder die Rechtsvorschriften wesentlich geändert haben, also eine neue Sache vorliegt, für die die Rechtskraftwirkung der ursprünglichen Entscheidung nicht mehr gilt. Von einer nachträglichen Änderung der Sache ist aber der Fall zu unterscheiden, in dem der Sachverhalt anders rechtlich beurteilt wird oder neue Tatsachen oder Beweismittel bekannt werden, die bereits im Zeitpunkt der Erlassung der Entscheidung vorlagen, aber erst später bekannt wurden ("nova reperta"). Die schon vor Erlassung der Entscheidung bestehende Sachlage ist von der Rechtskraft des Bescheides erfasst und bindet Gerichte und Behörden, solange diese Entscheidung dem Rechtsbestand angehört (vgl. VwGH 23.1.2018, Ra 2017/18/0274, mwN).

Der VwGH hat bereits erkannt, dass es unter Berücksichtigung der Rechtskraftwirkungen von Bescheiden nicht zulässig ist, die Aberkennung (im dort entschiedenen Fall: gemäß § 9 Abs. 2 Z 2 AsylG 2005) auszusprechen, obwohl sich der Sachverhalt seit der Zuerkennung des subsidiären Schutzes bzw. der erfolgten Verlängerung der befristeten Aufenthaltsberechtigung nach § 8 Abs. 4 AsylG 2005 (die nur im Falle des weiteren Vorliegens der Voraussetzungen für die Zuerkennung erteilt werden darf) nicht geändert hat (VwGH 30.8.2017, Ra 2017/18/0155, Rz 25). Diese Überlegungen hat der VwGH in seinem Erkenntnis vom 27. Mai 2019, Ra 2019/14/0153, auch auf Fälle übertragen, in denen die Aberkennung auf § 9 Abs. 1 Z 1 zweiter Fall AsylG 2005 gestützt wird. (VwGH 17.10.2019, Ra 2019/18/0353).

Auch der VfGH hat zu § 9 Abs. 1 Z 1 zweiter Fall AsylG bereits ausgesprochen, dass diese Bestimmung keine Neubewertung eines rechtskräftig entschiedenen Sachverhaltes erlaubt, sondern eine Aberkennung nach § 9 Abs. 1 Z 1 zweiter Fall AsylG lediglich in Frage kommt, wenn sich die Umstände nach der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten maßgeblich geändert haben (VfGH 24.09.2019, E 2330/2019).

Durch die Entscheidung, die befristete Aufenthaltsberechtigung zu verlängern, bringt die Behörde vor dem Hintergrund der dafür nach dem Gesetz vorgesehenen Voraussetzungen zum Ausdruck, dass sie davon ausgeht, es seien im Zeitpunkt ihrer Entscheidung, mit der sie die Verlängerung bewilligt, weiterhin jene Umstände gegeben, die für Zuerkennung von subsidiärem Schutz maßgeblich seien (VwGH vom 27.05.2019, Ra 2019/14/0153).

2. Die belangte Behörde hat im angefochtenen Bescheid entgegen richtlinienkonformer Interpretation der Bestimmung des § 9 Abs. 1 Z 1 zweiter Fall AsylG (vgl. Art. 16 Abs. 2 Status-richtlinie) eine grundlegende und dauerhafte Änderung jener Umstände, die zur Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten geführt haben, nicht dargetan:

Die ursprüngliche Gewährung des subsidiären Schutzes mit Bescheid vom 31.05.2016 begründete die belangte Behörde dahingehend, dass die Mutter des BF wieder geheiratet habe und er zurzeit nicht über ihren genauen Aufenthaltsort informiert sei. Sonst habe er keine Angehörigen mehr in Afghanistan. Seine Geschwister und seine Großmutter lebten in im Iran. Da er in Afghanistan über keine sozialen oder tragfähigen familiären Netzwerke verfüge, könne nicht mit der erforderlichen Sicherheit ausgeschlossen werden, dass er im Falle einer Rückkehr nach Afghanistan einer realen Gefahr im Sinne des Art. 3 EMRK ausgesetzt wäre.

Bei der nunmehr angefochtenen Aberkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten begründete das BFA seine Entscheidung damit, dass sich die subjektive Lage des BF geändert habe, dass er nun bereits volljährig sei und nicht mehr der vulnerablen Gruppe der Minderjährigen angehöre. Ganz wesentlich habe sich auch das Verhältnis zu seiner Mutter geändert. Es sei nun problemlos möglich, dass er ihren genauen Aufenthaltsort feststellen könne. Er habe nun familiäre Anknüpfungspunkte in der Stadt Mazar-e Sharif, auf welche er problemlos zurückgreifen könne. Als volljähriger, gesunder Mann mit überdurchschnittlicher Bildung stelle er auch keine Belastung für die Familie im Heimatland dar. Seine Familie könnte ihn nicht nur bei der Suche nach einer Beschäftigung, sondern auch mit Unterkunft unterstützen. Zudem sei der derzeit gültigen Judikatur auch zu entnehmen, dass nun eine Rückkehr für einen gesunden, jungen Mann mit Berufserfahrung und Schuldbildung als zumutbar einzuschätzen sei. Eine familiäre Unterstützung direkt im Heimatland wäre für eine Rückkehr erst gar nicht mehr notwendig.

Im vorliegenden Fall hat das Ermittlungsverfahren ergeben, dass keine in der Person des BF liegenden subjektiven Umstände im Sinne einer wesentlichen Verbesserung seiner persönlichen Lage seit der Verlängerung seiner befristeten Aufenthaltsberechtigung hervorgekommen sind. Wie sich aus dem rechtskräftigen Verlängerungsbescheid des BFA vom 02.06.2017 ergibt, hielt auch das BFA die Voraussetzungen für die Verlängerung der befristeten Aufenthaltsberechtigung und damit für die Zuerkennung subsidiären Schutzes nach wie vor für gegeben. Da diese Verlängerung rechtskräftig geworden ist, kommt ihr Bindungswirkung zu, und nur nach dieser Entscheidung eintretende Entwicklungen können zu einer Aberkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten führen.

Im Hinblick auf die Ausführung der belangten Behörde, wonach dem BF nun eine IFA in Herat und Mazar-e Sharif zur Verfügung stehe, sind den im angefochtenen Bescheid getroffenen Feststellungen zur Lage in Afghanistan seit Gewährung des subsidiären Schutzes keine grundlegenden Veränderungen - insbesondere bezogen auf die Sicherheitslage - zu entnehmen. Wie bereits in der Beweiswürdigung dargelegt, kann nicht von einer wesentlichen und dauerhaften Verbesserung der allgemeinen Situation in Afghanistan ausgegangen werden, sondern hat sich die Situation sowohl hinsichtlich der Sicherheitslage, als auch hinsichtlich der Versorgungslage tendenziell verschlechtert. Dies gilt insbesondere für die Lage in Baghlan, der Herkunftsprovinz des BF und den Städten Herat und Mazar-e Sharif.

Vermeint das BFA, dass der BF nun auf eine Vielzahl an internationalen Einrichtungen zurückgreifen könne, die Unterstützungsleistungen für Rückkehrer anbieten würden, ist auch darin keine wesentliche Änderung im Vergleich zum Bescheid vom 31.05.2016 zu erkennen. Bereits im damaligen Bescheid wurde die Feststellung getroffen, dass die afghanische Regierung mit UNHCR, IOM und anderen humanitären Organisationen kooperiere, um Rückkehrern Schutz und Unterstützung zur Verfügung zu stellen. Die afghanische Regierung habe mit UNHCR und verschiedenen Staaten Abkommen zur Regelung der freiwilligen Rückkehr von afghanischen Flüchtlingen in ihr Heimatland. Diese Abkommen sehen u.a. die Übernahme von Reisekosten, Wiedereingliederungshilfe und Unterstützungsmaßnahmen vor. Aus den dem angefochtenen Bescheid zugrunde gelegten Länderfeststellungen ergibt sich unverändert eine Unterstützung durch nichtstaatliche Organisationen. Zugleich geht daraus hervor, dass sich Hilfeleistungen für Rückkehrer durch die afghanische Regierung auf Rechtsbeistand, Arbeitsplatzvermittlung und eine vorübergehende Unterkunft konzentrieren. IOM biete psychologische Betreuung, Unterstützung bei Reiseformalitäten, Ankunft in Kabul und Begleitung der Reintegration einschließlich Unterstützung bei der Arbeitsplatzsuche an. Eine wesentliche Veränderung der Lage im Herkunftsstaat im Vergleich zum Bescheid vom 31.05.2016 ist im Hinblick auf - insbesondere - staatliche Unterstützungs- und Versorgungsleistungen somit nicht gegeben. Zudem geht aus der Begründung des Bescheides vom 31.05.2016 hervor, dass die Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten nicht auf unzureichende (staatliche) Unterstützungsleistungen, sondern maßgeblich auf den Umstand eines fehlenden sozialen sowie tragfähigen familiären Netzwerks gestützt wurde.

Soweit das BFA im angefochtenen Bescheid ausführt, dass der BF nun familiäre Anknüpfungspunkte im Iran und direkt in der Stadt Mazar-e Sharif habe, die ihn im Falle einer Rückkehr unterstützen könnten, so ist hier keine Änderung gegenüber der Sachverhaltslage bei Zuerkennung des subsidiären Schutzes erkennbar. Dass seine Geschwister im Iran aufhältig seien, seine Mutter in Mazar-e Sharif lebe und er zu ihnen in Kontakt stehe wurde vom BF, seit seiner ersten Einvernahme vor dem BFA am 25.04.2016, im Wesentlichen gleichbleibend vorgebracht (siehe dazu die Beweiswürdigung unter Punkt II.2.3.). Ebenso konstant war sein Vorbringen, zu der schlechten wirtschaftlichen Situation seiner Geschwister sowie dem schlechten Verhältnis, zu seinem Stiefvater und dessen Weigerung den BF bei sich aufzunehmen oder ihn zu unterstützen. Die belangte Behörde hielt in ihrem Bescheid vom 31.05.2016 ausdrücklich fest, dass seine Geschwister im Iran leben und seine Mutter mit ihrem neuen Ehemann in der Stadt Mazar-e Sharif lebe. Außerdem wurde festgestellt, dass ihm im Heimatland die Lebensgrundlage gänzlich entzogen wäre, zumal er über keinerlei soziale oder tragfähige Netzwerke in Afghanistan verfüge, da seine Mutter wieder geheiratet habe. Nach der rechtskräftigen Zuerkennung des subsidiären Schutzes bzw. der rechtskräftigen Verlängerung der Aufenthaltsberechtigung als subsidiär Schutzberechtigter hat sich also keine Sachverhaltsänderung ergeben. Vielmehr hat das BFA im angefochtenen Bescheid auf Basis eines im Wesentlichen unveränderten Sachverhalts - der schwierigen finanziellen Situation seiner Geschwister im Iran sowie dem Aufenthalt seiner Mutter in Mazar-e Sharif, zu der er zwar telefonischen Kontakt hat, deren neuer Ehemann sich aber weigert den BF im Falle seiner Rückkehr aufzunehmen und zu unterstützen - eine andere Beweiswürdigung vorgenommen bzw. andere (rechtliche) Schlüsse gezogen als noch in den vorigen Bescheiden.

Hinsichtlich des Vorbringens, dass der BF nun bereits volljährig sei und nicht mehr der vulnerablen Gruppe der Minderjährigen angehöre, ist ebenfalls keine entscheidungswesentliche Änderung in seiner subjektiven Lage erkennbar. Denn der BF war bereits im Zeitpunkt der letzten Verlängerung seiner befristeten Aufenthaltsberechtigung mit Bescheid vom 02.06.2017 volljährig, weshalb keine Änderung des Sachverhalts eingetreten ist. Auch wenn der BF bei Zuerkennung des subsidiären Schutzes erst 17 Jahre alt war, während er im Zeitpunkt der Aberkennung drei Jahre später bereits volljährig war, ist der Begründung des angefochtenen Bescheides kein Hinweis zu entnehmen, dass die (damalige) Minderjährigkeit des BF für die Gewährung von subsidiären Schutz von Bedeutung gewesen wäre. Insofern lässt sich auch nicht ohne Weiteres argumentieren, dass das im Zeitpunkt der Aberkennung dieses Status durch das BFA um lediglich drei Jahre fortgeschrittene Alter des BF (und die damit erreichte Volljährigkeit) für sich betrachtet als maßgebliche Änderung der Umstände ins Treffen geführt werden kann (vgl. VwGH vom 29.01.2020, Ra 2019/18/0262).

Die Erläuterungen der belangten Behörde im angefochtenen Bescheid, wonach es in letzter Zeit vermehrt zu einer freiwilligen Rückkehr vor allem von Flüchtlingen aus Pakistan komme, sodass sich kein Grund feststellen ließe, der die Rückkehr des BF nach Afghanistan unmöglich erscheinen ließe, weichen nicht von den, bereits im Bescheid vom 31.05.2016, getroffenen Feststellungen bezüglich Rückkehrern aus Pakistan ab.

Wenn das BFA im angefochtenen Bescheid, bezüglich der Bestreitung des Lebensunterhalts in Herat und Mazar-e Sharif, auf seine Schulbildung, seine Kenntnisse der Sprachen Dari, Farsi, Deutsch und Englisch in Wort und Schrift, seine Berufserfahrung sowie seine Arbeitsfähigkeit verweist, so verabsäumt es darzulegen, welche konkreten Änderungen sich zwischenzeitlich daraus ergeben haben. Bereits im Bescheid vom 31.05.2016 wurde festgestellt, dass der BF Dari, Farsi und ein wenig Deutsch spreche, zwei Jahre als Schneider im Iran gearbeitet habe und sechs Jahre lang die Grundschule besucht habe (AS. 141). Es wurde auch auf die Schulbesuchsbestätigung der HTL- XXXX , deren 1. Jahrgang er im Schuljahr 2015/2016 besucht hat, verwiesen (AS. 105, 141). Darüber hinaus hat der BF bereits im Zeitpunkt der Verlängerung seines subsidiären Schutzes den Pflichtschulabschluss absolviert, war Schüler der HTL- XXXX und hat das ÖSD-Zertifikat B2 gut bestanden. Eine Änderung der für die Zuerkennung des Schutzstatus maßgeblichen Umstände - im Sinne einer Verbesserung der subjektiven Lage des BF - liegt insoweit nicht vor.

Die Bemerkung im angefochtenen Bescheid, wonach die islamische Glaubensgemeinschaft in aller Welt grundsätzlich bestrebt sei, Schutz- und Unterkunftssuchende zu beherbergen, weshalb der BF bei der Neu- oder Wiederansiedlung in Herat und Mazar-e Sharif in Moscheen und anderen islamischen Einrichtungen Unterstützung erfahren würde, ist ebenfalls nicht geeignet, eine nachhaltige Verbesserung seiner individuellen Situation aufzuzeigen. Der afghanische Staat hat sich schon im Zeitpunkt der Zuerkennung des subsidiären Schutzes an den BF "über islamische Traditionen definiert", dass sich daraus nun eine konkrete Unterstützungsleistung ergibt, wurde von der belangten Behörde nicht substantiiert dargelegt.

Auch bezüglich des im angefochtenen Bescheid enthaltenen Verweises auf das "Auffangbecken" der Volksgruppe der Hazara ist nicht ersichtlich, woraus die belangte Behörde diesbezüglich eine nunmehr geänderte subjektive Situation im Falle einer Rückkehr des BF ableitet, zumal auch insoweit seit Zuerkennung des Status eines subsidiär Schutzberechtigten mit Bescheid vom 31.05.2016 und seit der ersten Verlängerung der befristeten Aufenthaltsberechtigung mit Bescheid vom 02.06.2017 keine Änderung des Sachverhalts eingetreten ist.

Keinerlei Begründungswert kommt der kryptischen Formulierung im angefochtenen Bescheid zu, wonach der BF mit seinem Aufenthalt in Österreich bereits unweigerlich von der Möglichkeit Gebrauch gemacht habe, auf bestehende Netzwerke zurückzugreifen, was ihm im Fall einer Rückkehr in Anbetracht des damit gewonnenen Erfahrungsschatzes zugutekommen werde.

Dass die vom BFA verfügte Aberkennung des Schutzstatus nach § 9 Abs. 1 Z 1 zweiter Fall AsylG 2005 tatsächlich nicht das Resultat einer maßgeblichen Änderung des Sachverhalts, vor dem Hintergrund der Lage im Herkunftsstaat oder der Person des BF, ist, erhellt nicht zuletzt der Umstand, dass die belangte Behörde im angefochtenen Bescheid - unter Bezugnahme auf die Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes und des Verfassungsgerichtshofes aus den Jahren 2016/2017 - ihre Rechtsauffassung zum Ausdruck gebracht hat, es sei - im Gegensatz zur Lage im letztmaligen Entscheidungszeitpunkt - nicht mehr davon auszugehen, dass er im Falle einer Rückkehr familiärer Anknüpfungspunkte und Unterstützungsmöglichkeiten bedürfe, weshalb nun keine derartige Gefährdungslage vorlege, welche gegen Art. 3 EMRK verstoßen würde.

Diesbezüglich ist festzuhalten, dass eine andere rechtliche Beurteilung oder Würdigung eines im Wesentlichen unveränderten Sachverhalts nicht mit dem Wegfall oder (zumindest) der maßgeblichen Änderung jener Umstände, die zur rechtskräftigen Zuerkennung subsidiären Schutzes geführt haben, gleichzusetzen ist. Im Ergebnis hat die belangte Behörde im vorliegenden Fall eine neue Begründung formuliert, mit der sie den Antrag auf subsidiären Schutz abgelehnt hätte, wenn sie aktuell darüber zu entscheiden hätte. Dabei hat die belangte Behörde aber übersehen, dass es über diese Frage schon eine rechtskräftige Entscheidung gibt, an die sie gebunden ist, soweit nicht ein Aufhebungsgrund nach § 9 AsylG 2005 vorliegt, was - wie oben dargelegt wurde - zu verneinen ist.

Die Änderung der Rechtsprechung zu einer Norm bietet keine rechtliche Grundlage, den Grundsatz der Rechtskraft zu durchbrechen und die Entscheidungen eines Gerichts oder einer Behörde ohne hinreichenden Grund zu beseitigen und neu zu entscheiden. Jedenfalls lässt sich weder aus § 9 Abs. 1 Z 1 AsylG 2005 noch aus der Statusrichtlinie eine solche Berechtigung ableiten.

Im Übrigen wird seitens des erkennenden Gerichts zwar keineswegs verkannt, dass sich die Rechtsprechung des BVwG zur Frage der Gewährung von subsidiärem Schutz von gesunden, alleinstehenden, erwachsenen, männlichen afghanischen Staatsangehörigen auf Grund der höchstgerichtlichen Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes und des Verfassungsgerichtshofes seit dem Jahr 2016 geändert hat. Dies kann jedoch nach Ansicht des erkennenden Richters nicht dazu führen, dass ohne tatsächlich veränderter (im Sinne einer verbesserten) Länderberichtslage bzw. ohne maßgebliche Änderung der persönlichen Umstände des BF von nicht mehr vorliegenden Vorrausetzungen für die Gewährung von subsidiärem Schutz iSd § 9 Abs. 1 Z 1 AsylG 2005 gesprochen werden kann.

Festzuhalten ist ferner, dass eine bloße unterschiedliche Beweiswürdigung eines im Wesentlichen gleichen Vorbringens ohne maßgebliches neues Sachverhaltssubstrat für sich genommen nicht zu einer Aberkennung berechtigt, da darin keine Änderung des Kenntnisstandes des Aufnahmemitgliedstaates liegt (vgl. VwGH vom 29.01.2020, Ra 2019/18/0262).

Die Ansicht der belangten Behörde, wonach mit Verweis auf das Urteil des EuGH vom 18.12.2014, C-542/13, M'Bodj - dem zufolge der ernsthafte Schaden durch das Verhalten von Dritten (Akteuren) verursacht werden muss und dieser nicht bloß Folge allgemeiner Unzulänglichkeiten im Herkunftsland sei - der subsidiäre Schutz des BF, selbst dann abzuerkennen wäre, wenn sich keine ausreichenden Änderungen seit der Schutzgewährung ergeben hätten, ist nicht mit der Rechtsprechung des VwGH vereinbar. In seinem Erkenntnis vom 21.05.2019 (Ro 2019/19/0006) hat der VwGH klargestellt, dass eine Interpretation, mit der die Voraussetzungen der Zuerkennung subsidiären Schutzes nach § 8 Abs. 1 AsylG 2005 mit dem in der Judikatur des EuGH dargelegten Verständnis des subsidiären Schutzes nach der Statusrichtlinie in Übereinstimmung gebracht würde, die Grenzen der Auslegung nach den innerstaatlichen Auslegungsregeln überschreiten und zu einer - unionsrechtlich nicht geforderten - Auslegung contra legem führen würde. Damit würde der Statusrichtlinie zu Unrecht eine ihr im gegebenen Zusammenhang nicht zukommende unmittelbare Wirkung zugeschrieben. Infolge dessen sei an der bisherigen Rechtsprechung, wonach eine reale Gefahr einer Verletzung von Art. 2 und 3 MRK durch eine Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Fremden in seinen Herkunftsstaat - auch wenn diese Gefahr nicht durch das Verhalten eines Dritten (Akteurs) bzw. die Bedrohungen in einem bewaffneten Konflikt verursacht wird - die Zuerkennung subsidiären Schutzes nach § 8 Abs. 1 AsylG 2005 begründen kann, festzuhalten.

Im Übrigen wird angemerkt, dass auch im aktuellen Länderinformationsblatt der Staatendokumentation des BFA gleich an mehreren Stellen ausdrücklich festgehalten wird, dass soziale, ethnische und familiäre Netzwerke für einen Rückkehrer unentbehrlich sind und sich insofern keine Änderung ergeben hat.

Unter Zugrundelegung der obigen Ausführungen und der Bestimmung des § 9 Abs. 1 Z 1 AsylG, wonach explizit der Wegfall entscheidungsrelevanter Sachverhaltselemente vorausgesetzt wird, erweist sich der angefochtene Bescheid im Hinblick auf die Aberkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten in Zusammenschau mit der Aktenlage und insbesondere der rechtskräftigen Verlängerungsentscheidung des BFA selbst als rechtswidrig.

Die Voraussetzungen für die Aberkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten gemäß § 9 Abs. 1 Z 1 zweiter Fall AsylG 2005 liegen sohin mangels wesentlicher und nachhaltiger Änderung der maßgeblichen Umstände gegenständlich nicht vor.

Der Beschwerde war daher stattzugeben und Spruchpunkt I. des angefochtenen Bescheides ersatzlos zu beheben.

Dem BF kommt aufgrund der Behebung dieses Spruchpunktes weiterhin der Status eines subsidiär Schutzberechtigten in Bezug den Herkunftsstaat Afghanistan zu.

Die Behebung des Bescheides im unter Spruchpunkt A) I. genannten Umfang hatte aufgrund der Untrennbarkeit der Spruchpunkte I. sowie III. bis VI. zu erfolgen, zumal die von der belangten Behörde unter den Punkten III. bis VI. getroffenen Aussprüche schon in Folge der Behebung der amtswegigen Aberkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten ihre rechtliche Grundlage verlieren.

III.3. Zu Verlängerung der befristeten Aufenthaltsberechtigung als subsidiär Schutzberechtigter in Erledigung der Beschwerde gegen Spruchpunkt II.:

Gemäß § 8 Abs. 4 AsylG 2005 ist einem Fremden, dem der Status des subsidiär Schutzberechtigten zuerkannt wird, vom Bundesamt oder vom Bundesverwaltungsgericht gleichzeitig eine befristete Aufenthaltsberechtigung als subsidiär Schutzberechtigter zu erteilen. Die Aufenthaltsberechtigung gilt ein Jahr und wird im Falle des weiteren Vorliegens der Voraussetzungen über Antrag des Fremden vom Bundesamt für jeweils zwei weitere Jahre verlängert. Nach einem Antrag des Fremden besteht die Aufenthaltsberechtigung bis zur rechtskräftigen Entscheidung über die Verlängerung des Aufenthaltsrechts, wenn der Antrag auf Verlängerung vor Ablauf der Aufenthaltsberechtigung gestellt worden ist.

Eine grundlegende Änderung der persönlichen Situation des BF im Falle einer Rückkehr in den Herkunftsstaat oder eine wesentliche Verbesserung der Lage im Herkunftsstaat hat sich im Vergleich mit der dem Bescheid vom 31.05.2016 zugrunde gelegten Situation, die zu er Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten führte, nicht ergeben (vgl. Pkt. III.2.).

Die Voraussetzungen für die Aberkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten gemäß § 9 Abs. 1 Z 1 AsylG 2005 lagen mangels wesentlicher und nachhaltiger Änderung der maßgeblichen Umstände gegenständlich nicht vor.

Der Beschwerde gegen die Aberkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten war daher stattzugeben und kommt dem BF aufgrund der Behebung des Bescheides weiterhin der Status eines subsidiär Schutzberechtigten in Bezug den Herkunftsstaat Afghanistan zu.

Der BF beantragte die verfahrensgegenständliche Verlängerung seiner Aufenthaltsberechtigung als subsidiär Schutzberechtigter vor Ablauf der zuletzt mit Verlängerungsbescheid bis 31.05.2019 befristet erteilten Aufenthaltsberechtigung und sohin fristgerecht im Sinne des § 8 Abs. 4 letzter Satz AsylG. Ihm wurde aufgrund der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten bereits einmal gemäß § 8 Abs. 4 1. Satz AsylG 2005 eine befristete Aufenthaltsberechtigung als subsidiär Schutzberechtigter erteilt.

Aufgrund des weiteren Vorliegens der Voraussetzungen ist in Erledigung der Beschwerde gegen Spruchpunkt II. des angefochtenen Bescheides nunmehr die befristete Aufenthaltsberechtigung als subsidiär Schutzberechtigter gemäß § 8 Abs. 4 2. Satz AsylG 2005 um zwei weitere Jahre zu verlängern.

Zu Spruchteil B):

Gemäß § 25a Abs. 1 des Verwaltungsgerichtshofgesetzes 1985 (VwGG), BGBl. Nr. 10/1985 idgF, hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision gegen die gegenständliche Entscheidung ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor. Konkrete Rechtsfragen grundsätzlicher Bedeutung sind somit weder in der gegenständlichen Beschwerde vorgebracht worden noch im Verfahren vor dem BVwG hervorgekommen, zumal im vorliegenden Fall vornehmlich die Klärung von Sachverhaltsfragen maßgeblich für die zu treffende Entscheidung war.

Die oben in der rechtlichen Beurteilung angeführte Judikatur des VwGH ist zwar zu früheren Rechtslagen ergangen, sie ist jedoch nach Ansicht des erkennenden Gerichts auf die inhaltlich meist völlig gleichlautenden Bestimmungen der nunmehr geltenden Rechtslage unverändert übertragbar.

Schlagworte

Aberkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten Aberkennungstatbestand § 9 Abs. 1 befristete Aufenthaltsberechtigung Behebung der Entscheidung ersatzlose Teilbehebung familiäre Situation individuelle Verhältnisse mangelnder Anknüpfungspunkt Rückkehrentscheidung behoben Sicherheitslage Verlängerung Verschlechterung Versorgungslage wesentliche Änderung

European Case Law Identifier (ECLI)

Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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