Entscheidungsdatum
29.04.2020Norm
AsylG 2005 §3 Abs1Spruch
W109 2202520-1/18E
IM NAMEN DER REPUBLIK!
Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch den Richter Mag. BÜCHELE über die Beschwerde von XXXX , geb. am XXXX , StA. Afghanistan, vertreten durch MigrantInnenverein St. Marx und Dr. Lennart BINDER LL.M., gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl, Regionaldirektion Steiermark, vom 02.07.2018, Zl. XXXX , nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am 28.01.2020 zu Recht:
I. Die Beschwerde wird hinsichtlich Spruchpunkt I. des angefochtenen Bescheides gemäß § 3 Abs. 1 AsylG 2005 als unbegründet abgewiesen.
II. Der Beschwerde wird hinsichtlich der Spruchpunkte II. bis VI. des angefochtenen Bescheides stattgegeben und XXXX gemäß § 8 Abs. 1 AsylG 2005 der Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Afghanistan zuerkannt.
III. Gemäß § 8 Abs. 4 AsylG 2005 wird XXXX eine befristete Aufenthaltsberechtigung als subsidiär Schutzberechtigter für ein Jahr erteilt.
B)
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.
Text
ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:
I. Verfahrensgang:
1. Am 09.09.2016 stellte der Beschwerdeführer, ein afghanischer Staatsangehöriger und Angehöriger der Volksgruppe der Hazara, nach Einreise unter Umgehung der Grenzkontrollen in die Republik Österreich erstmals im Bundesgebiet einen Antrag auf internationalen Schutz.
Am 09.09.2016 gab der Beschwerdeführer im Rahmen der Erstbefragung im Wesentlichen an, er sei afghanischer Staatsangehöriger und im Iran geboren, wo er drei Jahre die Schule besucht habe. Zum Fluchtgrund befragt führte er aus, er habe Probleme mit der Regierung und der Religion gehabt. Weiter habe er Probleme wegen Rassismus im Iran gehabt.
Am 05.06.2018 führte der Beschwerdeführer in der niederschriftlichen Einvernahme vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl zu seinen Fluchtgründen auf das Wesentliche zusammengefasst aus, der Mann seiner Tante habe Drogen und Waffen verkauft und seine Familie und Kinder umbringen wollen. Die Tante des Beschwerdeführers sei 2005 vom Iran nach Afghanistan geflüchtet, daraufhin sei ihr Mann zur Familie des Beschwerdeführers gekommen und hätten sie bedroht, mit dem Großvater des Beschwerdeführers gestritten und diesen schließlich erschossen. Seither hätten sie aus Angst ständig die Wohnung gewechselt. Es sei erst 2015 möglich gewesen, weg zu gehen. Die Familie des Mannes der Tante habe in Afghanistan sehr viel Macht, die Hälfte lebe im Iran, die andere Hälfte in Afghanistan. Der Beschwerdeführer würde auch in Afghanistan von ihnen bedroht werden. Die Regierung in Afghanistan sei gegen Hazara. Die afghanischen Jugendlichen im Bundesgebiet würden den Beschwerdeführer nicht als Afghanen sehen, weil er einen iranischen Akzent habe.
Am 06.06.2018 langte eine Stellungnahme des Beschwerdeführers bei der belangten Behörde ein, in der ausgeführt wird, der Beschwerdeführer sei in Afghanistan für die Aufklärung der Todesursache seines Onkels zuständig und im Rahmen der Blutracheregeln für die Angehörigen des angeheirateten Onkels die nächste Zielperson. Der Beschwerdeführer sei in Afghanistan fremd, habe dort kein soziales Netzwerk, keine Lebensgrundlage und keine Kenntnisse der Landessprache sowie der örtlichen und infrastrukturellen Gegebenheiten. Er gehöre der hazarischen Minderheit und der schiitischen Religion an, die in Afghanistan regelmäßig angegriffen würden. Die den minderjährigen Beschwerdeführer betreffende Situation sei in ihrer Gesamtheit asylrelevant. Wegen seiner Zugehörigkeit zur sozialen Gruppe der verlassenen Kinder sei der Beschwerdeführer als Flüchtling im Sinne der GFK anzusehen. Eine innerstaatliche Fluchtalternative sei nicht zumutbar, Sicherheits- und Versorgungslage seien schlecht.
2. Mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid vom 02.07.2018, zugestellt am 04.07.2018, wies die belangte Behörde den Antrag des Beschwerdeführers hinsichtlich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten gemäß § 3 Abs. 1 AsylG iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG (Spruchpunkt I.) sowie hinsichtlich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten § 8 Abs. 1 AsylG iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG ab (Spruchpunkt II.), erteilte dem Beschwerdeführer keinen Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß § 57 AsylG (Spruchpunkt III.), erließ gemäß § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG iVm § 9 BFA-VG eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 Z 2 FPG (Spruchpunkt IV.) und stellte gemäß § 52 Abs. 9 FPG fest, dass die Abschiebung des Beschwerdeführers gemäß § 46 FPG nach Afghanistan zulässig sei (Spruchpunkt V.). Die Frist für die freiwillige Ausreise gemäß § 55 Abs. 1 bis 3 FPG wurde mit 14 Tagen ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung festgesetzt (Spruchpunkt VI.). Begründend führte die belangte Behörde aus, der Beschwerdeführer habe sein Fluchtvorbringen von Erstbefragung bis Einvernahme gesteigert. Der Beschwerdeführer habe seinen Fluchtgrund spät im Verfahren und in enormem Widerspruch zur Erstbefragung vorgebracht. Seine Schilderung sei detailarm, vage und unsubstantiiert. Die Ermordung des Großvaters solle bereits 2005 stattgefunden haben und sie die fragliche Beweiskraft der in Vorlage gebrachten Dokumente insofern nicht von Relevanz. Ein zeitlicher Zusammenhang liege nicht vor. Die Familie des Beschwerdeführers lebe weiterhin im Iran. Die afghanischen Behörden seien schutzfähig und schutzwillig. Bei einer allfälligen Bedrohung durch die Familie des Mannes der Tante handle es sich um kriminelle Handlungen, die nicht in Zusammenhang mit einem der in der GFK genannten Gründe stünden. Die Behauptung einer Gefahr wegen des Bekenntnisses zur schiitischen Glaubensrichtung finde in den Länderberichten keine Deckung, auch Rückkehrer würden nicht besonders diskriminiert. Der Beschwerdeführer finde soziale Anknüpfungspunkte vor, viele Hazara würden in den großen Städten Afghanistans wohnen, diese würden in ethnischen Enklaven leben. Die Hazara hätten eine ethnische Identität und würden einem anderen Hazara in Not helfen. Die Familie könne den Beschwerdeführer vom Iran aus unterstützen. Der Beschwerdeführer könne sich als arbeitsfähiger, junger und gesunder Mann in Kabul, Mazar-e Sharif oder Herat selbst versorgen.
3. Am 30.07.2018 langte die vollumfängliche Beschwerde des Beschwerdeführers gegen den oben dargestellten Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl bei der belangten Behörde ein in der im Wesentlichen ausgeführt wird, die Minderjährigkeit hätte bei der Beurteilung der Glaubwürdigkeit und der rechtlichen Beurteilung entsprechend einfließen müssen. Aus den Angaben der Erstbefragung lasse sich noch gar kein konkretes Vorbringen erkennen. Eine Beweiswürdigung des Gerichtsprotokolls hätte erfolgen müssen. Fehden würden sich über lange Zeiträume ziehen, bis sie beigelegt würden. Dem Beschwerdeführer drohe Verfolgung wegen der Zugehörigkeit zur sozialen Gruppe der Familie von privater Seite. Von ausreichendem Schutz in Afghanistan sei nicht auszugehen. Hazara würden diskriminiert. Der Beschwerdeführer sei außerhalb Afghanistans aufgewachsen, spreche mit Akzent und kenne die Verhältnisse vor Ort nicht. Er sei minderjährig und besonders vulnerabel. Er gehöre zur sozialen Gruppe der verlassenen Kinder und Jugendlichen. Sicherheits- und Versorgungslage seien schlecht, dem Beschwerdeführer stehe keine innerstaatliche Fluchtalternative zur Verfügung, er habe kein soziales Netzwerk.
Am 25.11.2019 wurde der Beschwerdeführer festgenommen und am 28.11.2019 die Untersuchungshaft über ihn verhängt.
Mit Urteil des Landesgerichts für Strafsachen Graz vom 16.12.2019 wurde der Beschwerdeführer wegen des Vergehens des unerlaubten Umgangs mit Suchtgiften nach § 27 Abs. 2a SMG, 12 StGB und 27 Abs 1 Z 1 zweiter Fall und Abs. 2 SMG unter Anwendung der §§ 36 StGB, 19 Abs. 1 sowie 5 Z 1 und Z 4 JGG zu einer unter Bestimmung einer Probezeit von drei Jahren bedingt nachgesehenen Freiheitsstrafe von drei Monaten verurteilt.
Am 13.01.2019 langte eine Stellungnahme des Beschwerdeführers am Bundesverwaltungsgericht ein, in der zu den mit Ladung vom 18.12.2019 durch das Bundesverwaltungsgericht in das Verfahren eingebrachten Länderberichten stellunggenommen wird.
Am 28.01.2020 führte das Bundesverwaltungsgericht zur Ermittlung des entscheidungswesentlichen Sachverhaltes eine öffentliche mündliche Verhandlung durch, an der der Beschwerdeführer, sein bevollmächtigter Rechtsvertreter, eine im Akt namentlich genannte Zeugin und ein Dolmetscher für die Sprache Dari/Farsi teilnahmen. Die belangte Behörde nahm nicht an der Verhandlung teil.
In der mündlichen Verhandlung wurde der Beschwerdeführer zu seinen Fluchtgründen befragt und hielt sein Vorbringen, er werde im Herkunftsstaat verfolgt von der Familie des Ehemannes seiner Tante verfolgt, aufrecht.
Der Beschwerdeführer legte im Lauf des Verfahrens folgende Dokumente vor:
- ÖSD-Zertifikat A1
- Bestätigung über gemeinnützige Arbeit
- Teilnahmebestätigungen für Kurse und Workshops
- Medizinische Unterlagen
- Iranisches Gerichtsprotokoll
- Integrationsprüfungszeugnis für das Niveau A2
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
1. Feststellungen:
1.1. Zu Person und Lebensumständen Beschwerdeführers:
Der Beschwerdeführer trägt den im Spruch angeführten Namen, wurde im Jahr XXXX geboren und ist Staatsangehöriger der Islamischen Republik Afghanistan und Angehöriger der Volksgruppe der Hazara. Er bekennt sich zur schiitischen Glaubensrichtung des Islam. Die Muttersprache des Beschwerdeführers ist Dari, er spricht mit merklichem iranischem Akzent. Der Beschwerdeführer spricht auch Deutsch zumindest auf dem Niveau A2 des gemeinsamen Referenzrahmens für Sprachen.
Mit Urteil des Landesgerichts für Strafsachen Graz vom 16.12.2019 wurde der Beschwerdeführer wegen des Vergehens des unerlaubten Umgangs mit Suchtgiften nach § 27 Abs. 2a SMG, 12 StGB und 27 Abs 1 Z 1 zweiter Fall und Abs. 2 SMG unter Anwendung der §§ 36 StGB, 19 Abs. 1 sowie 5 Z 1 und Z 4 JGG zu einer unter Bestimmung einer Probezeit von drei Jahren bedingt nachgesehenen Freiheitsstrafe von drei Monaten verurteilt.
Der Beschwerdeführer hatte am 25.11.2019 den Verkauf von rund zwei Gramm Cannabiskraut, während sich in unmittelbarer Nähe mehr als 15 Passanten aufhielten, angebahnt, indem er den Abnehmer ansprach und ihm Cannabiskraut zum Kauf offerierte. Außerdem hat der Beschwerdeführer Cannabiskraut ausschließlich zum persönlichen Gebrauch besessen.
Mildernd wurde das reumütige Geständnis, die Unbescholtenheit und der bis zum Tatzeitpunkt ordentliche Lebenswandel, das Alter unter 21 Jahren, Unbesonnenheit sowie teils Beitragstäterschaft berücksichtigt; erschwerend das Zusammentreffen von zwei Vergehen.
Der Beschwerdeführer litt an einer Beinachsenabweichung ("O-Beine") und damit einhergehend beidseitig an einem "Läuferknie". Im Bundesgebiet hat er sich deshalb in Österreich orthopädisch-chirurgischer Eingriffen unterzogen. Außerdem leidet der Beschwerdeführer bedingt durch einen Nasenbruch an einer "Schiefnase", die seine Nasenatmung behindert. Ansonsten ist der Beschwerdeführer gesund.
Der Beschwerdeführer wurde in XXXX , Iran geboren, wo er auch aufwuchs und vier oder fünf Jahre die Schule besuchte. Ab dem Alter von etwa zwölf Jahren begann der Beschwerdeführer, seinem Vater bei der Arbeit auf Baustellen zu helfen. Der Vater des Beschwerdeführers arbeitet als Maurer.
Die Familie des Beschwerdeführers, bestehend aus seinen Eltern, einem jüngeren Bruder und drei jüngeren Schwestern, lebt unverändert im Iran. Der Beschwerdeführer steht in Kontakt zu seiner Familie.
Der Beschwerdeführer war noch nie in Afghanistan und hat dort weder Verwandte noch Bekannte.
Im Bundesgebiet hat der Beschwerdeführer einige Basisbildungs-Kurse besucht und nimmt aktuell an einem Vorbereitungslehrgang für den Hauptschulabschluss teil.
Der Beschwerdeführer verfügt nicht über einen Schulabschluss und über keine Berufsausbildung.
1.2. Zu den Fluchtgründen des Beschwerdeführers:
Ein unmittelbar die Ausreise des Beschwerdeführers auslösendes Ereignis kann nicht festgestellt werden. Die Ausreiseentscheidung aus dem Iran wurde von seinen Eltern für den Beschwerdeführer getroffen.
Bereits die Eltern des Beschwerdeführers reiste aufgrund der Sicherheitslage mit ihren Eltern im Kindesalter aus Afghanistan aus.
Im Iran trennte sich die Tante väterlicherseits des Beschwerdeführers von ihrem Mann und flüchtete mit ihren Kindern zunächst nach Afghanistan und schließlich nach Österreich.
Der Mann der Tante kam im Jahr 2005 bewaffnet mit einem Freund zur Wohnung der Familie des Beschwerdeführers und es gab eine Auseinandersetzung zwischen dem Mann der Tante und dem Großvater des Beschwerdeführers. Der Mann der Tante erschoss den Großvater und wurde schließlich von Nachbarn an der Flucht gehindert und festgehalten.
Für diese Tat wurde der Mann der Tante zum Tode verurteilt und schließlich hingerichtet.
Vor der Hinrichtung ersuchten die Neffen des Mannes der Tante den Vater des Beschwerdeführers um Vergebung, um die Hinrichtung abzuwenden. Der Vater des Beschwerdeführers verweigerte dies.
Seither haben die Verwandten des Mannes der Tante die Familie weder direkt bedroht, noch angegriffen.
Dass die Ausreise des Beschwerdeführers im Jahr 2015 in einem Zusammenhang mit einer allfälligen Bedrohung von Seiten der Familie des Mannes der Tante stand, wird nicht festgestellt.
Dass dem Beschwerdeführer im Fall der Rückkehr nach Afghanistan Übergriffe von Seiten der Familie des Mannes der Tante drohen, wird nicht festgestellt.
Dem Beschwerdeführer drohen im Fall der Rückkehr in den Herkunftsstaat keine Übergriffe wegen seiner Zugehörigkeit zur Volksgruppe der Hazara und zur schiitischen Glaubensrichtung des Islam. Auch dass der Beschwerdeführer im Fall der Rückkehr in den Herkunftsstaat Übergriffen ausgesetzt wäre, weil er im Iran aufgewachsen ist, wird nicht festgestellt.
1. 3. Zur Rückkehr in den Herkunftsstaat:
Afghanistan ist von einem innerstaatlichen bewaffneten Konflikt zwischen der afghanischen Regierung und Aufständischen betroffen. Die Betroffenheit von Kampfhandlungen sowie deren Auswirkungen für die Zivilbevölkerung sind regional unterschiedlich.
Mazar-e Sharif steht unter Regierungskontrolle, Kampfhandlungen finden im Wesentlichen nicht statt. Die Stadt verfügt über einen internationalen Flughafen, über den die Stadt sicher erreicht werden kann.
Herat (Stadt) steht ebenso unter Regierungskontrolle, Taliban und IS sind allerdings aktiv und verüben Anschläge, die auch Zivilisten betreffen. Die Kriminalität steigt. Die Stadt verfügt über einen internationalen Flughafen, über den sie sicher erreicht werden kann.
Für den Fall der Niederlassung des Beschwerdeführers in Mazar-e Sharif oder Herat (Stadt) kann nicht festgestellt werden, dass ihm die Gefahr droht, im Zuge von Kampfhandlungen oder durch Angriffe Aufständischer zu Tode zu kommen oder misshandelt oder verletzt zu werden.
Gesundheits- und Lebensmittelversorgung, sowie Zugang zu Trinkwasser und Unterkunft sind in Herat (Stadt) und Mazar-e Sharif grundsätzlich sichergestellt.
Der Beschwerdeführer ist nicht mit der afghanischen Kultur und den afghanischen Gepflogenheiten vertraut. Mit finanzieller Unterstützung im Sinne einer längerfristigen Finanzierung seines Lebensunterhaltes durch seine im Iran aufhältigen Familienangehörigen kann der Beschwerdeführer im Fall der Rückkehr nach Afghanistan nicht rechnen. Dass der Beschwerdeführer seinen Lebensunterhalt in Afghanistan aus eigenem Einkommen bestreiten und sein Lebengrundlage erwirtschaften kann, ist nicht zu erwarten.
Finanzielle oder sonstige Unterstützung bei Arbeitslosigkeit existiert in Afghanistan nicht. Sozialleistungen gibt es - abseits von Pensionen in sehr wenigen Fällen, kostenloser Bildung und Gesundheitsversorgung - nicht.
Für Rückkehrer nach Afghanistan ist Rückkehrhilfe verfügbar, diese wird lediglich kurzfristig gewährt.
2. Beweiswürdigung:
2.1. Zu Person und Lebensumständen des Beschwerdeführers:
Die Feststellungen zur Identität des Beschwerdeführers, seiner Staatsangehörigkeit, Volksgruppen- und Religionszugehörigkeit sowie seinen Lebensumständen bis zur Einreise nach Österreich ergeben sich aus seinen gleichbleibenden Angaben vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl sowie in der mündlichen Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht. Auch die belangte Behörde legte diese Angaben des Beschwerdeführers ihrer Entscheidung zugrunde.
Die Angaben des Beschwerdeführers zu seinem Alter bzw. Geburtsjahr sind zudem mit dem von der belangten Behörde in Auftrag gegebenen Sachverständigengutachten zur forensischen Altersschätzung vereinbar, aus dem sich für den Untersuchungszeitpunkt ein Mindestalter von 15 Jahren ergibt (AS 173 ff.).
Die Muttersprache des Beschwerdeführers wurde auf Grundlage seiner Angaben festgestellt, wobei der Dolmetscher in der mündlichen Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht am 28.01.2020 zum Dialekt des Beschwerdeführers angab, dieser würde einen gemischten iranischen und Hazara Dialekt sprechen, sowie, dass der lange Aufenthalt des Beschwerdeführers im Iran an seinem Dialekt erkennbar sei (Verhandlungsprotokoll, OZ 16, S. 12). Die Feststellung zu den Deutschkenntnissen des Beschwerdeführers beruht auf dem in Vorlage gebrachten Zeugnis zur Integrationsprüfung für das Niveau A2 (OZ 2).
Die Feststellung zur strafgerichtlichen Verurteilung des Beschwerdeführers beruht auf dem im Akt einliegenden Protokollsvermerk und gekürzte Urteilsausfertigung des Landesgerichts für Strafsachen Graz vom 16.12.2019, XXXX (OZ 13).
Die Feststellungen zu den gesundheitlichen Beeinträchtigungen des Beschwerdeführers beruhen auf den vorgelegten medizinischen Unterlagen (OZ 2), wobei der Beschwerdeführer zu seinen beiden stationären Aufenthalten die jeweiligen ärztlichen Entlassungsbriefe vorgelegt hat. Unterlagen hinsichtlich allfälliger anschließender Komplikationen hat der Beschwerdeführer nicht in Vorlagegebracht und in der mündlichen Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht am 28.01.2020 bestätigt, dass er gesund ist (Verhandlungsprotokoll, OZ 16, S. 4). Die behinderte Nasenatmung geht aus dem Ambulanzgericht vom 18.05.2017 hervor, wobei weitere Unterlagen hierzu nicht vorgelegt wurden.
Die Feststellungen zu Herkunft und Lebenswandel des Beschwerdeführers im Iran beruhen auf seinen gleichbleibenden und plausiblen Angaben, die auch die Behörde ihrer Entscheidung zugrunde legte.
Die Feststellung zum Verbleib der Angehörigen des Beschwerdeführers beruht auf seinen gleichbleibenden Angaben im Lauf des Verfahrens, wobei der Beschwerdeführer auch in der mündlichen Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht am 28.01.2020 bestätigte, dass seine Familie sich weiterhin im Iran aufhalte und angab, er habe erst vor zwei oder drei Tagen zuletzt Kontakt zu seiner Familie gehabt (Verhandlungsprotokoll, OZ 16, S. 5). Dass der Vater auf Baustellen als Maurer arbeitet, hat der Beschwerdeführer ebenso in der mündlichen Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht angegeben.
Die Feststellung, dass der Beschwerdeführer noch nie in Afghanistan war und dort weder Verwandte noch Bekannte hat, beruht auf den Angaben des Beschwerdeführers, die vor dem Hintergrund der Ausreise seiner Eltern bereits im Kindesalter plausibel sind.
Die Feststellung zu den vom Beschwerdeführer im Bundesgebiet besuchten Kurse beruhen auf den von ihm vorgelegten Teilnahmebestätigungen und Zertifikaten.
Dass der Beschwerdeführer über keinen Schulabschluss und keine Berufsausbildung verfügt, ist vor dem Hintergrund der ebenso festgestellten Schul- und Bildungslaufbahn des Beschwerdeführers evident.
2.2. Zu den Fluchtgründen des Beschwerdeführers:
Die Feststellungen zu den Fluchtgründen des Beschwerdeführers beruhen im Wesentlichen auf den Angaben des Beschwerdeführers, wobei der Beschwerdeführer einen Vorfall, der seine Ausreise unmittelbar ausgelöst hätte, nicht schildert. So gibt er zwar wiederholt an, er sei wegen der Bedrohung durch die Familie des Mannes der Tante ausgereist, diese Schilderung bleibt jedoch abstrakt und wird vom Beschwerdeführer nicht in einem bestimmten Ereignis, dass seiner Ausreise unmittelbar vorangegangen sein sollte, konkretisiert. Allerdings hat der Beschwerdeführer in der mündlichen Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht am 28.01.2020 diesbezüglich befragt angegeben, seine Eltern hätten entschieden, dass er den Iran verlassen müsse (Verhandlungsprotokoll, OZ 16, S. 4), was angesichts des damals jungen Alters des Beschwerdeführers im Jahr 2015 auch plausibel erscheint.
Die Feststellung zur Ausreise der Eltern des Beschwerdeführers bereits im Kindesalter beruht auf den Angaben des Beschwerdeführers in der mündlichen Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht (Verhandlungsprotokoll, OZ 16, S. 5), wobei der Beschwerdeführer hierzu lediglich angibt, sie seien wegen des Krieges ausgereist. Angesichts der notorisch seit Jahrzehnten angespannten Sicherheitslage in Afghanistan erscheinen diese Angaben auch plausibel.
Die Feststellung zur Ermordung des Großvaters des Beschwerdeführers beruhen auf den Angaben des Beschwerdeführers in der niederschriftlichen Einvernahme vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl am 05.06.2018 sowie in der mündlichen Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht am 28.01.2020 in Zusammenschau mit dem vom Beschwerdeführer vorgelegten Verhandlungsprotokoll aus dem Iran.
Zwar führt die belangte Behörde hierzu grundsätzlich zutreffend in ihrer Beweiswürdigung aus, dass der Beschwerdeführer diesen Vorfall in seiner Erstbefragung durch Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes am 09.09.2016 unerwähnt gelassen hat und hier lediglich von Problemen mit der Regierung und der Religion, sowie wegen Rassismus im Iran spricht (Ertbefragungsprotokoll, S. 5, AS 29). Hierin ist nach Ansicht des Bundesveraltungsgerichts jedoch nicht der von der Behörde konstatierte "enorme Widerspruch" zwischen den Angegebenen Fluchtgründen ersichtlich. So hat sich die Erstbefragung nach § 19 Abs. 1 zweiter Satz AsylG gerade nicht auf die näheren Fluchtgründe zu beziehen und dient insbesondere der Ermittlung der Identität und der Reiseroute des Fremden. Deshalb hegt auch der Verwaltungsgerichtshof in ständiger Rechtsprechung Bedenken gegen die unreflektierte Verwertung von Beweisergebnissen der Erstbefragung, wenngleich es nicht generell unzulässig ist, sich auf eine Steigerung des Fluchtvorbringens zwischen der Erstbefragung und der weiteren Einvernahme zu stützen (VwGH 21.11.2019, Ra 2019/14/0429). Was die belangte Behörde in ihrer Beweiswürdigung jedoch völlig unberücksichtigt lässt, ist - wie auch in der Beschwerde ausgeführt wird - das Alter des Beschwerdeführers. So bedarf es nach der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes zur Beurteilung der Glaubwürdigkeit eines Minderjährigen einer besonders sorgfältigen Beweiswürdigung und muss sich aus der Entscheidung erkennen lassen, dass solche Umstände in die Beweiswürdigung Eingang gefunden haben und dass darauf Bedacht genommen wurde, aus welchem Blickwinkel die Schilderung der Fluchtgeschichte erfolgte. Art und Weise sowie die Dichte des Fluchtvorbringens dürfen nicht mit "normalen Maßstäben" gemessen werden (VwGH 06.09.2018, Ra 2018/18/0150). Der damals 15-jährige Beschwerdeführer hat die etwa eine Dreiviertelstunde dauernde Erstbefragung allein bestritten und war von ihm nicht zu erwarten, dass er die mögliche Asylrelevanz allfälliger Vorfälle im Iran selbstständig beurteilen kann und entsprechende Angaben machen konnte. Insbesondere lassen jedoch die beweiswürdigenden Ausführungen der belangten Behörde, die die Angaben des Beschwerdeführers als detailarm, vage und unsubstantiiert abtun - ohne sich im Übrigen mit dem Inhalt des vorgelegten Gerichtsprotokolls zu befassen - keinerlei Berücksichtigung des Umstandes erkennen, dass der Beschwerdeführer in diesem Zeitpunkt etwa vier Jahre alt und auch während der Einvernahme durch die belangte Behörde am 05.06.2018 noch immer minderjährig war.
Das Bundesverwaltungsgericht kommt dagegen zu dem Schluss, dass der Beschwerdeführer, gemessen daran, dass er selbst im Zeitpunkt der Ermordung des Großvaters etwa vier Jahre alt gewesen und folglich kaum eigene Erinnerungen an den Vorfall haben kann, ausreichend detaillierte und substantiierte Angaben gemacht hat. Zudem hat er iranische Gerichtsunterlagen in Vorlage gebracht, aus dessen vom Bundesverwaltungsgericht in Auftrage gegebenen zugsammenfassender Übersetzung sich in etwa das vom Beschwerdeführer lebendig geschilderte Geschehen ergibt.
Allerdings erscheint die vom Beschwerdeführer angegebene Furcht vor Übergriffen der Familie des Mannes seiner Tante als nicht in realen Ereignissen begründet. So ist zwar plausibel, dass aufgrund der Vorfälle eine nachhaltige und tiefgreifende gegenseitige Abneigung zwischen den Angehörigen des Ermordeten und jenen des Hingerichteten entstanden ist. Auch die Angaben des Beschwerdeführers, denen zufolge die Familie des Mannes der Tante "gegen uns [Anm. die Familie des Beschwerdeführers] gesprochen haben und gesagt haben, wenn sie die Möglichkeit bekommen würden, würden sie uns Schaden anrichten" (Verhandlungsprotokoll, OZ 16, S. 6), deutet lediglich auf eine derartige plausible, zweifellos auch starke Abneigung hin. Angesichts der bis zur Ausreise des Beschwerdeführers ereignislos vergangenen zehn Jahre und der seither insgesamt vergangenen 15 Jahre, in denen die Familie des Beschwerdeführers weiterhin in XXXX lebte, ist jedoch mit einer Umsetzung dieser Abneigung in tatsächliche Übergriffe wohl nicht zu rechnen. Insbesondere gab der Beschwerdeführer auch an, seine Familie sei nicht direkt bedroht worden (Verhandlungsprotokoll, OZ 16, S. 6). Auch die vom Beschwerdeführer angegebene Notwendigkeit ständiger Umzüge, um nicht von dieser Familie gefunden zu werden, entbehrt einer Grundlage in den Schilderungen des Beschwerdeführers. So gibt der Beschwerdeführer kein konkretes, einen Umzug motivierendes Ereignis an, sondern verweist formelhaft auf die seine große Angst und die große Bedrohung. Nun stellt das Bundesverwaltungsgericht nicht in Abrede, dass der Beschwerdeführer sich tatsächlich vor dieser Familie fürchtet. Dieser Angst jedoch steht selbst in den Schilderungen des Beschwerdeführers kein aktueller Anlass gegenüber. Insbesondere gibt der Beschwerdeführer kein konkretes Ereignis an, in dem er oder seine Familie bedroht worden wären und schildert auch keinen Angriff, insbesondere auch keinen, der in konkretem zeitlichem Zusammenhang mit seiner Ausreise stünde. Folglich wurde nicht festgestellt, dass zwischen der Ausreise des Beschwerdeführers im Jahr 2015 und einer allfälligen Bedrohung von Seiten der Familie des Mannes der Tante ein Zusammenhang besteht.
Zum in der Beschwerde im Wesentlichen erstatteten Vorbringen, dass dem Beschwerdeführer im Fall der Rückkehr nach Afghanistan wegen der von ihm geschilderten blutigen Fehde Verfolgung droht - dass sich im Übrigen auch in den vom Beschwerdeführer durchgehend geschilderten Rückkehrbefürchtung einer Verfolgung durch in Afghanistan aufhältige Angehörige des Mörders des Großvaters wieder findet - ist den vom Bundesverwaltungsgericht mit Ladung vom 18.12.2019 (OZ 12) in das Verfahren eingebrachten UNHCR-Richtlinien zur Feststellung des internationalen Schutzbedarfs afghanischer Asylsuchender vom 30.08.2018 (in der Folge: UNHCR-Richtlinien) zu entnehmen, dass bei einer Blutfehde gemäß althergebrachten Verhaltens- und Ehrvorstellungen die Mitglieder einer Familie als Vergeltungsakte die Mitglieder einer anderen Familie töten. Dies sei in erster Linie eine Tradition der Paschtunen und im paschtunischen Gewohnheitsrechtssystem "Paschtunwali" verwurzelt, komme jedoch auch unter anderen ethnischen Gruppen vor. Blutfehden könnten durch Morde ausgelöst werden und zu langanhaltenden Kreisläufen aus Gewalt und Vergeltung führen. Rache könne sich Jahre oder sogar Generationen nach dem eigentlichen Vergehen ereignen. Eine Bestrafung des Täters im Rahmen des formalen Rechtssystems schließe gewaltsame Racheakte durch die Familie des Opfers nicht notwendigerweise aus (Abschnitt III. Internationaler Schutzbedarf, Kapitel A. Risikoprofile, Unterkapitel 14. In Blutfehden verwickelte Personen, S. 110-112). Anhaltspunkte dafür, dass zwischen der Familie des Beschwerdeführers und jener des Mörders des Großvaters eine Blutfehde entstanden ist, haben sich jedoch nicht ergeben. So wurde bereits ausgeführt, dass es im Iran im Lauf von 15 Jahren weder zu direkten Bedrohungen noch zu Übergriffen gekommen ist. Auch ist der Vater des Beschwerdeführers - der der Erzählung zufolge eine Unterstützung bei der Abwendung der Todesstrafe verweigert hat und damit eigentlicher "Täter", gegen den sich die Rache den UNHCR-Richtlinien (siehe oben) zufolge zu richten hat - seither durchgehend greifbar in XXXX aufhältig gewesen und ist angesichts der vom Beschwerdeführer behaupteten starken Rachemotivation nicht plausibel, dass Vergeltungsakte nicht bereits umgesetzt wurden. Auch erscheinen die Angaben des Beschwerdeführers dazu, dass die Neffen in Afghanistan informiert würden und ihn finden und umbringen würden (Verhandlungsprotokoll, OZ 16, S. 9), sowie, der Mann der Tante sei reich gewesen, stamme aus einem großen Stamm (Verhandlungsprotokoll, OZ 16, S. 7), sowie die Angaben zu deren Reichtum und Einfluss bei der Polizei (Verhandlungsprotokoll, OZ 16, S. 7) als floskelhaft und wurden vom Beschwerdeführer mehr "aufgesagt" als überzeugend dargelegt. Zudem ist nicht wahrscheinlich, dass die vom Beschwerdeführer genannten Personen überhaupt von seiner Rückkehr und Niederlassung in einer afghanischen Großstadt erfahren würden, wenn nicht er oder seine Familie dies selbst mitteilen.
Folglich wurde nicht festgestellt, dass dem Beschwerdeführer im Fall der Rückkehr nach Afghanistan Übergriffe von Seiten der Familie des Mannes der Tante drohen.
Zur Rückkehrbefürchtung hinsichtlich der Zugehörigkeit des Beschwerdeführers zur Volksgruppe der Hazara bzw. zur Zugehörigkeit zur schiitischen Glaubensrichtung des Islam ist zunächst auszuführen, dass dem Länderinformationsblatt der Staatendokumentation, Gesamtaktualisierung am 13.11.2019 (in der Folge: Länderinformationsblatt) - ebenso mit Ladung vom 18.12.2019 (OZ 12) durch das Bundesverwaltungsgericht in das Verfahren eingebracht - zufolge die schiitische Religionszugehörigkeit wesentlich zum ethnischen Selbstverständnis der Hazara zählt (Länderinformationsblatt, Kapitel 17. Relevante ethnische Minderheiten, insbesondere Unterkapitel 17.3. Hazara). Bedingt durch die nach der Berichtslage untrennbare Verbundenheit von Ethnie und Religionszugehörigkeit kann den UNHCR-Richtlinien oftmals nicht eindeutig zwischen einer Diskriminierung und Misshandlung aufgrund der Religion einerseits oder aufgrund der ethnischen Zugehörigkeit andererseits unterschieden werden (Abschnitt III. Internationaler Schutzbedarf, Kapitel 5. Angehörige religiöser Minderheiten und Personen, die angeblich gegen die Scharia verstoßen, Buchstabe a) Religiöse Minderheiten, Unterabschnitt Schiiten, S. 69-70). Daher scheint in diesem Fall eine gemeinsame Betrachtung der Merkmale der Religions- und der Volksgruppenzugehörigkeit geboten.
Weder aus dem Länderinformationsblatt (Kapitel 16. Religionsfreiheit, insbesondere Unterkapitel 16.1. Schiiten sowie Kapitel 17. Relevante ethnische Minderheiten, insbesondere Unterkapitel 17.3. Hazara) noch aus den UNHCR-Richtlinien (Abschnitt III. Internationaler Schutzbedarf, Kapitel A. Risikoprofile, Unterkapitel 5. Angehörige religiöser Minderheiten und Personen, die angeblich gegen die Scharia verstoßen, Buchstabe a) religiöse Minderheiten [S. 66 ff.], insbesondere Unterabschnitt Schiiten [S 69 f.] und Unterkapitel 13. Angehörige ethnischer (Minderheiten-)Gruppen, Buchstabe b) Hazara [S. 106 f.]), ergibt sich, dass es systematisch und verbreitet zu so intensiven Übergriffen gegen schiitische Hazara kommt, dass gleichsam jeder Angehörige dieser Volksgruppe aufgrund seiner Anwesenheit im afghanischen Staatsgebiet mit Übergriffen rechnen muss. Zwar berichtet das Länderinformationsblatt von sozialen Ausgrenzungen und Diskriminierung ethnischer Gruppen und Religionen im Alltag, die nicht zuverlässig durch staatliche Gegenmaßnahmen verhindert werden und auch, dass ethnische Spannungen weiterhin zu Konflikten und Tötungen führen, gleichzeitig ist aber auch von einer grundsätzlichen Verbesserung der Lage der Hazara seit dem Ende der Taliban-Herrschaft sowie von deren Etablierung in den Bereichen Bildung, öffentliche Verwaltung und Wirtschaft die Rede. Auch berichtet wird von sozialer Diskriminierung, illegaler Besteuerung, Zwangsrekrutierung, physischer Misshandlung und Festnahme. Eine konkrete Betroffenheit des Beschwerdeführers von derartigen einzelnen Übergriffen wurde allerdings nicht substantiiert dargetan, so beschränken sich die diesbezüglichen Angaben des Beschwerdeführers bloß darauf, er wisse, dass die Regierung im Herkunftsstaat gegen Hazara sei (Einvernahmeprotokoll, S. 6, AS 266), sowie auf Ausführungen in der Beschwerde, die einen Auszug aus den UNHCR-Richtlinien von 19.04.2016 widergibt (AS 485). Mit diesen Floskeln vermag der Beschwerdeführer eine konkrete, ihn betreffende Bedrohung allerdings nicht substantiiert darzutun, während sich eine automatische Betroffenheit aller schiitischen Hazara aus dem soeben zitierten Länderinformationsmaterial nicht ergibt. Entsprechend wurde festgestellt, dass dem Beschwerdeführer im Fall der Rückkehr keine Übergriffe drohen, weil er der Volksgruppe der Hazara angehört oder sich zur schiitischen Glaubensrichtung des Islam bekennt.
Zum Vorbringen, dass er als im Iran aufgewachsener Afghane im Herkunftsstaat als Iraner oder Fremder betrachtet würde und deshalb Angst habe, in Afghanistan zu leben, er habe Angst vor den Menschen, der Polizei und Taliban, ist der vom Bundesverwaltungsgericht ebenso mit Ladung vom 18.12.2019 (OZ 12) in das Verfahren eingebrachten EASO, Country Guidance: Afghanistan von Juni 2019 (in der Folge EASO Country Guidance) zu entnehmen, dass Personen, die im Iran aufgewachsen, als "iranisiert" und "unafghanisch" wahrgenommen würden. Es könne insbesondere zu Schwierigkeiten bei der Suche nach Arbeit und Unterkunft führen, mit den afghanischen Normen und Erwartungen nicht vertraut zu sein und kein Unterstützungsnetzwerk zu haben. Insbesondere ein starker Akzent würde ein Hindernis bei der Arbeitssuche darstellen (Abschnitt Common analysis: Afghanistan, Kapitel II. Refugee status Unterkapitel 21. Individuals who were born in Iran or Pakistan and/or who lived there for a longperiod of time, S. 75). Ohne Hinzutreten besonderer Umstände geht EASO allerdings nicht von einer Gefährdung dieser Personen aus, wobei der Beschwerdeführer besondere Umstände nicht konkret dartut. Entsprechend wurde nicht festgestellt, dass der Beschwerdeführer im Fall der Rückkehr in den Herkunftsstaat Übergriffen ausgesetzt wäre, weil er im Iran aufgewachsen ist.
2.3. Zur Rückkehr in den Herkunftsstaat:
Die Feststellung zum innerstaatlichen bewaffneten Konflikt in Afghanistan basiert auf den UNHCR-Richtlinien (siehe insbesondere Kapitel II. Überblick, Unterkapitel A. Die wichtigsten Entwicklungen in Afghanistan, S. 13 f. und Kapitel III. Internationaler Schutzbedarf, Unterkapitel B. Flüchtlingsstatus nach den weitergehenden Kriterien gemäß dem UNHCR-Mandat oder nach regionalen Instrumenten und Schutz nach ergänzenden Schutzformen, Unterkapitel 2. Subsidiärer Schutz nach der Qualifikationsrichtlinie der EU [Richtlinie 2011/95/EU], S. 117 f.) und findet Bestätigung im Länderinformationsblatt, Kapitel 3. Sicherheitslage. Insbesondere die UNHCR-Richtlinien betonen die uneinheitliche Betroffenheit der unterschiedlichen Gebiete vom innerstaatlichen Konflikt. Diese lässt sich auch aus den Erläuterungen des Länderinformationsblattes zu den einzelnen Provinzen gut nachvollziehen.
Die Feststellung, dass Mazar-e Sharif unter Regierungskontrolle steht und von Kampfhandlungen im Wesentlichen nicht betroffen ist, basiert auf dem vom Bundesverwaltungsgericht mit Ladung vom 18.12.2019 (OZ 12) in das Verfahren eingebrachten EASO COI Report: Afghanistan. Security situation von Juni 2019 (Kapitel 2. Regional description of the security situation in Afghanistan, Unterkapitel 2.5. Balkh (S. 96 ff.). Insbesondere führt der Bericht Mazar-e Sharif als unter Regierungskontrolle stehend an und verzeichnet keine offene Präsenz der Taliban (siehe Tabelle S. 99). Auch Vertreibungen aus Mazar-e Sharif sind nicht verzeichnet (Unterkapitel 2.5.3.2. Displacement, S. 100). Das (aktuellere) Länderinformationsblatt zeigt diesbezüglich eine Änderung nicht auf (Kapitel 3. Sicherheitslage, Unterkapitel 3.5. Balkh).
Die Feststellung zum Flughafen von Mazar-e Sharif basiert auf dem Länderinformationsblatt, Kapitel 3. Sicherheitslage, Unterkapitel 3.35. Erreichbarkeit, Abschnitt Inernationaler Flughafen Mazar-e Sharif sowie auf dem vom Bundesverwaltungsgericht ebenso mit Ladung vom 18.12.2019 (OZ 12) eingebrachten EASO COI Report: Afghanistan. Key socio-economic indicators. Focus on Kabul City, Mazar-e Sharif and Herat City von April 2019, Kapitel 2. Internal mobility, Unterkapitel 2.1 Airports and flight connections, S. 18, insbesondere Unterkapitel 2.1.3 Mazar-e Sharif, S. 19). Die EASO Country Guidance bestätigt, dass für den Flughafen von Mazar-e Sharif 9 km von der Stadt entfernt keine Zwischenfälle bekannt sind (Abschnitt Common analysis: Afghanistan, Kapitel V. Internal protection, Unterkapitel Travel and admittance, S. 130). Die sichere Erreichbarkeit der Stadt ist damit gewährleistet.
Die Feststellungen zu Sicherheitslage in Herat (Stadt) beruhen auf der EASO Country Guidance, Abschnitt Common analysis: Afghanistan, Kapitel III. Subsidiary protection, Unterkapitel Article 15(c) QD, Abschnitt Herat, S. 99, insbesondere Focus on the provincial capital: Herat City) in Zusammenschau mit dem Länderinformationsblatt, Kapitel 3. Sicherheitslage, Unterkapitel 3.13. Herat).
Die Feststellung zum Flughafen von Herat (Stadt) basiert auf dem Länderinformationsblatt, Kapitel 3. Sicherheitslage, Unterkapitel 3.35. Erreichbarkeit, Abschnitt Internationaler Flughafen Herat. Die EASO Country Guidance berichtet hinsichtlich des Flughafens Herat, dass der 13 km von der Stadt entfernte Flughafen über eine üblicherweise unter Regierungskontrolle stehende Straße erreicht werden kann, auch wenn von Aktivitäten krimineller Netzwerke, die oft mit Aufständischen verbunden sind, berichtet wird. Die sichere Erreichbarkeit sei jedoch im Allgemeinen gewährleistet (Abschnitt Common analysis: Afghanistan, Kapitel V. Internal protection, Unterkapitel Travel and admittance, S. 130).
Aufgrund der in den oben zitierten Berichten enthaltenen Informationen zur Sicherheitslage in Mazar-e Sharif und Herat (Stadt) kann für den Fall der dortigen Niederlassung des Beschwerdeführers auch nicht festgestellt werden, dass ihm die Gefahr droht, im Zuge von Kampfhandlungen oder durch Angriffe Aufständischer zu Tode zu kommen oder misshandelt oder verletzt zu werden, wobei diese Feststellung mit der Einschätzung von EASO übereinstimmt (EASO Country Guidance, Abschnitt Common analysis: Afghanistan, Kapitel V. Internal protection alternative, Unterkapitel Safety, S. 128).
Die Feststellung, dass Gesundheits- und Lebensmittelversorgung, Zugang zu Trinkwasser und Unterkunft in Herat (Stadt) und Mazar-e Sharif grundsätzlich sichergestellt ist, beruht auf der EASO Country Guidance, Abschnitt Common analysis: Afghanistan, Kapitel V. Internal protection alternative, Unterkapitel Reasonableness to settle, Abschnitt General situation, S. 132-135). Zur Gesundheitsversorgung ist dem Länderinformationsblatt übereinstimmend entnehmen, dass die primäre Gesundheitsversorgung in Afghanistan prinzipiell wenn auch nicht flächendeckend und von variierender Qualität kostenfrei verfügbar ist. Insbesondere wird berichtet, die medizinische Versorgung in großen Städten sei sichergestellt. Zudem besteht die Möglichkeit privater Behandlung (Kapitel 22. Medizinische Versorgung).
Maßgebliche Faktoren für die Frage, ob sich der Beschwerdeführer im Fall einer Rückführung nach Herat (Stadt) oder Mazar-e Sharif eine Lebensgrundlage wird aufbauen können, sind insbesondere Alter, Geschlecht, Gesundheitszustand, Kenntnisse der lokalen Gegebenheiten, sozialer und ökonomischer Hintergrund, Bildungshintergrund, Zugang zu einem sozialen Unterstützungsnetzwerk und Religion (EASO Country Guidance, Abschnitt Common analysis: Afghanistan, Kapitel V. Internal protection alternative, Unterabschnitt Reasonableness to settle, S. 105). Damit übereinstimmend stellen nach den UNHCR-Richtlinien insbesondere Alter, Geschlecht, Gesundheitszustand, Behinderungen, Verwandtschaftsverhältnisse sowie Bildungs- und Berufshintergrund (UNHCR-Richtlinien, Kapitel III. Internationaler Schutzbedarf, Unterkapitel C. Interne Flucht-, Neuansiedlungs- oder Schutzalternative, Unterkapitel 2. Analyse der Zumutbarkeit, Buchstabe a) Die persönlichen Umstände des Antragstellers, S. 122) relevante Faktoren dar, wobei neben der Berücksichtigung dieser spezifischen persönlichen Umstände den UNHCR-Richtlinien zufolge auch darauf Bedacht zu nehmen ist, ob der Betreffende seine grundlegenden Menschenrechte wird ausüben können sowie ob er im für die Neuansiedelung in Betracht gezogenen Gebiet Möglichkeiten für ein wirtschaftliches Überleben (Zugang zu Unterkunft, Verfügbarkeit grundlegender Infrastruktur [Trinkwasser, sanitäre Infrastruktur, Gesundheitsversorgung und Bildung], Lebensgrundlage) unter würdigen Bedingungen vorfindet (UNHCR-Richtlinien, Kapitel III. Internationaler Schutzbedarf, Unterkapitel C. Interne Flucht-, Neuansiedlungs- oder Schutzalternative, Unterkapitel 2. Analyse der Zumutbarkeit, Buchstabe c) Achtung der Menschenrechte und wirtschaftliches Überleben, S. 123 f.).
Zur Feststellung, dass nicht zu erwarten ist, dass der Beschwerdeführer seinen Lebensunterhalt in Afghanistan aus eigenem Einkommen bestreiten und seine Lebensgrundlage erwirtschaften kann, ist zunächst auszuführen, dass die Arbeitslosigkeit im Herkunftsstaat per se bereits hoch und Beschäftigungsmöglichkeiten unzureichend sind. Insbesondere wird allerdings berichtet, dass bei der Arbeitssuche Kontakte eine wichtige Rolle spielen und es ohne Netzwerke nicht möglich ist, einen Job zu finden. Persönliche Beziehungen und Netzwerke würden von Arbeitsgebern höher bewertet, als Qualifikation (Kapitel 21. Grundversorgung, insbesondere Abschnitt Arbeitsmarkt). Zudem verfügt der Beschwerdeführer nicht über Qualifikationen, so hat er weder einen Schulabschluss, noch eine Berufsausbildung und- auch unter Berücksichtigung der Hilfstätigkeiten mit seinem Vater auf Baustellen im Alter von etwa zwölf bis 15 Jahren - keine nennenswerte Berufserfahrung. Damit erweisen sich die Chancen des Beschwerdeführers auf dem ohnehin angespannten afghanischen Arbeitsmarkt als außergewöhnlich schlecht.
Auch hat der Beschwerdeführer weder Verwandte, noch Bekannte in Afghanistan und verfügt damit nicht über ein soziales Netzwerk, das dem Länderinformationsblatt zufolge für das Überleben in Afghanistan wichtig und für Rückkehrer bei der Anpassung an das Leben in Afghanistan besonders ausschlaggebend ist. Insbesondere stelle ein Mangel an Netzwerken eine der größten Herausforderungen für Rückkehrer/innen dar (Kapitel 23. Rückkehr). Auch EASO schätzt ein Unterstützungsnetzwerk als essentiell für die Ansiedelung ein und geht hinsichtlich Personen, die - wie auch der Beschwerdeführer, der noch nie in Afghanistan gewesen ist - für lange Zeit außerhalb des Landes gelebt haben, davon aus, dass diese mangels Verwandten in Mazar-e Sharif, Herat oder Kabul, das soziale Netzwerk fehlt (EASO Country Guidance, Abschnitt Common analysis: Afghanistan, Kapitel V. Internal protection alternative, Abschnitt Reasonableness to settle, Unterabschnitt Individual circumstances, S. 136).
Auch lokale Kenntnisse ("having lived in Afghanistan and/or being familiar with the societal norms") sind der EASO Country Guidance zufolge ein wichtiger Faktor (Abschnitt Common analysis: Afghanistan, Kapitel V. Internal protection alternative, Abschnitt Reasonableness to settle, Unterabschnitt Individual circumstances, S. 136). Der Beschwerdeführer hat in der mündlichen Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht angegeben, er könne sich das Leben in Afghanistan nicht vorstellen und habe nach der iranischen Kultur gelebt (Verhandlungsprotokoll, OZ 16, S. 8). Bereits die Eltern des Beschwerdeführers haben den Herkunftsstaat im Kindesalter verlassen, der Beschwerdeführer selbst wurde im Iran geboren und war nie in Afghanistan aufhältig. Folglich verfügen bereits die Eltern des Beschwerdeführers, die schon im Iran aufgewachsen sind und sozialisiert wurden, über lediglich geringe Kenntnisse der afghanischen Kultur und Gepflogenheiten und konnten dem Beschwerdeführer auch keinen Einblick in die aktuell in Afghanistan gültigen sozialen Normen vermittelt. Vor dem Hintergrund dieser Lebensgeschichte des Beschwerdeführers und seiner Eltern erweist sich damit die vom Beschwerdeführer mit seiner Aussage zu seinem Aufwachsen in der iranischen Kultur konstatierte Unkenntnis afghanischer Kultur und Gepflogenheiten als plausibel und wurde folglich festgestellt, dass der Beschwerdeführer nicht mit der afghanischen Kultur und den afghanischen Gepflogenheiten vertraut ist.
Hinsichtlich Antragstellern, die außerhalb Afghanistans geboren wurden, geht EASO davon aus, dass diese bedingt durch einen Mangel lokaler Kenntnisse und wenn sie nicht über ein soziales Netzwerk verfügen keinen Zugang zu einer Lebensgrundlage (Arbeitsmarktzugang, etc.) und grundlegenden Dienstleistungen erhalten (EASO Country Guidance, Abschnitt Common analysis: Afghanistan, Kapitel V. Internal protection alternative, Abschnitt Reasonableness to settle, Unterabschnitt Conclusions on reasonableness: particular profiles encountered in practice, Profil Applicants who were born and/or lived outside Afghanistan for a very long period of time, S. 139). Auch betont EASO, dass mangelnde Vertrautheit mit afghanischen Normen und Erwartungen und ein fehlendes soziales Netzwerk - wie bereits oben ausgeführt übereinstimmend mit dem Länderinformationsblatt - zu Schwierigkeiten bei der Arbeitssuche und beim Zugang zu einer Unterkunft führen. Insbesondere würde ein Akzent bei Personen, die lange außerhalb Afghansitans gelebt hätte, ein Hindernis bei der Arbeitssuche darstellen. Afghanen, die im Iran aufgewachsen seien, würden - wie auch der Beschwerdeführer in der mündlichen Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht angegeben hat (Verhandlungsprotokoll, OZ 16, S. 8) - als iranisiert und nicht afghanisch wahrgenommen und deshalb verbal angegriffen (EASO Country Guidance, Abschnitt Common analysis: Afghanistan, Kapitel II. Refugee status, Unterkapitel 21. Individuals who were born in Iran or Pakistan and/or who lived there for a longperiod of time, S. 75). Der Beschwerdeführer hat einen hörbaren iranischen Akzent, weswegen dem eben zitierten Bericht von EASO zufolge mit einem nochmals erschwerten Arbeitsmarktzugang zu rechnen ist.
Im Zusammenhang mit der Volksgruppen- und Religionszugehörigkeit des Beschwerdeführers ist zwar der EASO Country Guidance zufolge in Kabul, Herat oder Mazar-e Sharif nicht mit zusätzlichen Erschwernissen zu rechnen, weil in den Städten unterschiedliche Ethnien und Sprachgruppen präsent sind, Kenntnisse der Sprachen Dari oder Paschtu würden grundsätzlich ausreichen und der sprachliche Hintergrund sei kein bestimmender Faktor. Hinsichtlich der Religionszugehörigkeit weist die EASO Country Guidance auf Erschwernisse, die allenfalls aus der Zugehörigkeit zu einer Minderheitsreligion resultieren können, wobei allerdings Beispielhaft Sikhs und Hindus genannt werden, nicht aber Schiiten, obwohl dem Länderinformationsblatt zufolge größte religiöse Minderheit der Herkunftsstaates. Das Länderinformationsblatt berichtet für Schiiten zudem auch nicht von einer spezifischen Häufung der Diskriminierung in Großstädten (Kapitel 16. Religionsfreiheit, Unterkapitel 16.1. Schiiten). Allerdings kann aus der Anwesenheit von anderen Angehörigen der Volksgruppe und Religion des Beschwerdeführers in den afghanischen Städten nicht auf deren Unterstützungsbereitschaft geschlossen werden. So berichten die UNHCR-Richtlinien, dass Unterstützung durch Personen mit demselben ethnischen Hintergrund in der Regel konkrete frühere gesellschaftliche Beziehungen zwischen dem Antragsteller und den Mitgliedern der betreffenden ethnischen Gemeinschaft voraussetzt (Abschnitt III. Internationaler Schutzbedarf, Kapitel C. Interne Flucht-, Neuansiedlungs- oder Schutzalternative, Unterkapitel 2. Analyse der Zumutbarkeit, Buchstabe c) Achtung der Menschenrechte und wirtschaftliches Überleben, S. 124). Der Beschwerdeführer verfügt aber nicht über Bekannte oder Verwandte in Afghanistan und damit auch nicht über frühere gesellschaftliche Beziehungen zu Mitgliedern seiner ethnischen Gemeinschaft in Afghanistan und hat daher von diesen auch nicht mit Unterstützung zu rechnen. UNHCR geht zwar hinsichtlich alleinstehender, leistungsfähiger Männer davon aus, dass diese eine Ausnahme vom Erfordernis der externen Unterstützung darstellen (Abschnitt III. Internationaler Schutzbedarf, Kapitel C. Interne Flucht-, Neuansiedlungs- oder Schutzalternative, Unterkapitel 2. Analyse der Zumutbarkeit, Buchstabe c) Achtung der Menschenrechte und wirtschaftliches Überleben, S. 125), verweist jedoch in diesem Zusammenhang auf die Abwesenheit relevanter Gefährdungsfaktoren, nämlich (unter anderem) einem Zugang zu einer Lebensgrundlage. Dass der Beschwerdeführer über einen solchen bedingt durch seinen Mangel an lokalen Kenntnissen nicht hat, ist von spezifischen Gefährdungsfaktoren im Sinne der UNHCR-Richtlinien auszugehen, weswegen auch nach der Einschätzung von UNHCR ein soziales Netzwerk für die Niederlassung des Beschwerdeführers in Afghanistan unerlässlich ist.
Die Feststellung, dass der Beschwerdeführer mit finanzieller Unterstützung im Sinne einer längerfristigen Finanzierung seines Lebensunterhaltes durch seine im Iran aufhältigen Familienangehörigen im Fall der Rückkehr nach Afghanistan nicht rechnen kann, leitet sich aus den vom Beschwerdeführer plausibel angegebenen schlechten wirtschaftlichen Lebensumstände der Familie im Iran ab (Verhandlungsprotokoll, OZ 16, S. 5). So arbeitet der Vater des Beschwerdeführers auf Baustellen und musste der Beschwerdeführer bereits mit zwölf Jahren dabei mithelfen, was nach Ansicht des Bundesverwaltungsgerichts deutlich auf die finanziell angespannte Lage der Familie hinweist. Sohin ist nicht zu erwarte, dass die Familie des Beschwerdeführers dem Beschwerdeführer in Afghanistan den Lebensunterhalt über die Landesgrenzen hinweg finanzieren könnte. Der Umstand, dass Geldüberweisungen nach Afghanistan dem Länderinformationsblatt zufolge möglich sind, ändert hieran nichts (Kapitel 21. Grundversorgung, Abschnitte Bank- und Finanzwesen und Hawala-System).
Die Feststellung, dass finanzielle oder sonstige Unterstützung bei Arbeitslosigkeit in Afghanistan nicht existiert, beruht auf dem Länderinformationsblatt, Kapitel 21. Grundversorgung, Unterkapitel 21.1. Sozialbeihilfen, wohlfahrtsstaatliche Leistungen und Versicherungen), diesem ist darüber hinaus zu entnehmen, dass abgesehen von kostenfreier Bildung und Gesundheitsleistungen keine Sozialleistungen vorgesehen sind. Lediglich ehemaligen Staatsbediensteten werde eine Pension gewährt, zudem sei ein privates Pensionssystem in Grundzügen im Aufbau. Eine Anspruchsberechtigung des Beschwerdeführers ist jedoch nicht ersichtlich.
Die Feststellung zur Rückkehrhilfe beruht auf dem Länderinformationsblatt, Kapitel 23. Rückkehr, Abschnitte Unterstützung von Rückkehrer/innen durch die afghanische Regierung und Unterstützung durch IOM. Hier wird berichtet, dass etwa IOM bei Ankunft, Reise und Formalitäten unterstützt, bis zu 14 Tage Unterkunft gewährt und eine Einmalzahlung iHv EUR 150 leistet. Auch das Projekt RESTART II bietet eine Einmalzahlung iHv EUR 500, zur Deckung der ersten unmittelbaren Bedürfnisse, Weiterreiseunterstützung und eine temporäre Unterkunft. Damit wird allerdings nur von kurzfristiger Unterstützung berichtet.
Zur Plausibilität und Seriosität der herangezogenen Länderinformationen zur Lage im Herkunftsstaat ist auszuführen, dass die im Länderinformationsblatt zitierten Unterlagen von angesehen Einrichtungen stammen. Es ist auch darauf hinzuweisen, dass die Staatendokumentation des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl nach § 5 Abs. 2 BFA-VG verpflichtet ist, gesammelte Tatsachen nach objektiven Kriterien wissenschaftlich aufzuarbeiten und in allgemeiner Form zu dokumentieren. Auch das European Asylum Support Office (EASO) ist nach Art. 4 lit. a Verordnung (EU) Nr. 439/2010 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 19. Mai 2010 zur Einrichtung eines Europäischen Unterstützungsbüros für Asylfragen bei seiner Berichterstattung über Herkunftsländer zur transparent und unparteiisch erfolgende Sammlung von relevanten, zuverlässigen, genauen und aktuellen Informationen verpflichtet. Damit durchlaufen die länderkundlichen Informationen, die diese Einrichtungen zur Verfügung stellen, einen qualitätssichernden Objektivierungsprozess für die Gewinnung von Informationen zur Lage im Herkunftsstaat. Den UNHCR-Richtlinien ist nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes besondere Beachtung zu schenken ("Indizwirkung"), wobei diese Verpflichtung ihr Fundament auch im einschlägigen Unionsrecht findet (Art. 10 Abs. 3 lit. b der Richtlinie 2013/32/EU [Verfahrensrichtlinie] und Art. 8 Abs. 1 und 2 der Richtlinie 2011/95/EU [Statusrichtlinie]; VwGH 07.06.2019, Ra 2019/14/0114) und der Verwaltungsgerichtshof auch hinsichtlich der Einschätzung von EASO von einer besonderen Bedeutung ausgeht und eine Auseinandersetzung mit den "EASO-Richtlinien" verlangt (VwGH 17.12.2019, Ra 2019/18/0405). Das Bundesverwaltungsgericht stützt sich daher auf die angeführten Länderberichte, wobei eine beweiswürdigende Auseinandersetzung im Detail oben erfolgt ist.
3. Rechtliche Beurteilung:
3.1. Zur Abweisung der Beschwerde gegen Spruchpunkt I. des angefochtenen Bescheides (AsylG):
Gemäß § 3 Abs. 1 Asylgesetz 2005 (in der Folge AsylG) ist einem Fremden, der in Österreich einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt hat der Status des Asylberechtigten zuzuerkennen, wenn glaubhaft ist, dass ihm im Herkunftsstaat Verfolgung im Sinne des Art. 1 Abschnitt A Z 2 Genfer Flüchtlingskonvention droht, dem Fremden keine innerstaatliche Fluchtalternative gemäß § 11 AsylG offen steht und dieser auch keinen Asylausschlussgrund gemäß § 6 AsylG gesetzt hat.
Verfolgung im Sinne des Art. 1 Abschnitt A Z 2 Genfer Flüchtlingskonvention droht einer Person, wenn sie sich aus wohlbegründeter Furcht, aus Gründen der Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder der politischen Gesinnung verfolgt zu werden, außerhalb des Herkunftsstaates befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, sich des Schutzes dieses Landes zu bedienen.
Nach der ständigen Rechtsprechung des VwGH kommt einer von Privatpersonen bzw. privaten Gruppierung ausgehenden, auf einem Konventionsgrund beruhenden Verfolgung Asylrelevanz zu, wenn der Staat nicht gewillt oder nicht in der Lage ist, diese Verfolgungshandlungen hintanzuhalten (VwGH 08.09.2015, Ra 2015/18/0010 mwN).
Von einer mangelnden Schutzfähigkeit des Staates kann nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht bereits dann gesprochen werden, wenn der Staat nicht in der Lage ist, seine Bürger gegen jedwede Übergriffe seitens Dritter präventiv zu schützen. Entscheidend für die Frage, ob eine ausreichend funktionierende Staatsgewalt besteht, ist vielmehr, ob für einen von dritter Seite Verfolgten trotz staatlichen Schutzes der Eintritt eines - asylrelevante Intensität erreichenden - Nachteiles aus dieser Verfolgung mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit zu erwarten ist (VwGH 30.08.2018, Ra 2017/18/0119 mwN).
3.1.1. Zum Fluchtvorbringen einer Verfolgungsgefahr wegen der Zugehörigkeit zur sozialen Gruppe der Familie:
Der Verwaltungsgerichtshof hat in seiner Rechtsprechung den Familienverband als "soziale Gruppe" gemäß Art. 1 Abschnitt A Z 2 GFK anerkannt. Verfolgung kann daher schon dann Asylrelevanz zukommen, wenn ihr Grund in der bloßen Angehörigeneigenschaft des Asylwerbers, somit in seiner Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe iSd Art. 1 Z 2 GFK, etwa jener der Familie liegt (Vgl. VwGH vom 13.11.2014, Ra 2014/18/0011 mwN).
Der Verwaltungsgerichtshof bejaht in seiner ständigen Rechtsprechung grundsätzlich auch die Asylrelevanz einer Verfolgung wegen Blutrache unter dem GFK-Anknüpfungspunkt der Zugehörigkeit zur sozialen Gruppe der "von Blutrache bedrohten Angehörigen der Großfamilie", sofern sich die Verfolgungshandlungen gegen Personen richten, die in die Rache gegen den unmittelbar Betroffenen bloß aufgrund ihrer familiären Verbindungen zu diesem einbezogen werden (Vgl. etwa Ra 2014/18/0011, 13.11.2014).
Wie festgestellt und beweiswürdigend ausgeführt konnte der Beschwerdeführer jedoch nicht glaubhaft machen, dass ihm im Fall der Rückkehr nach Afghanistan Übergriffe von Seiten der Familie des Mannes der Tante drohen. Damit konnte der Beschwerdeführer auch nicht glaubhaft machen, dass ihm im Fall der Rückkehr in den Herkunftsstaat Verfolgung durch Privatpersonen wegen seiner Zugehörigkeit zur sozialen Gruppe der Familie droht. Eine Auseinandersetzung mit der Frage, ob der afghanische Staat hinsichtlich des behaupteten Verfolgungsszenarios schutzfähig und schutzwillig wäre, erübrigt sich sohin.
Zudem ist nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zentraler Aspekt der in Art. 1 Abschnitt A Z 2 GFK definierten Verfolgung im Herkunftsstaat die wohlbegründete Furcht davor. Eine Furcht kann nur dann wohlbegründet sein, wenn sie im Licht der speziellen Situation des Asylwerbers unter Berücksichtigung der Verhältnisse im Verfolgerstaat objektiv nachvollziehbar ist. Es kommt nicht darauf an, ob sich eine bestimmte Person in einer konkreten Situation tatsächlich fürchtet, sondern ob sich eine mit Vernunft begabte Person in dieser Situation aus Konventionsgründen fürchten würde. Die Verfolgungsgefahr steht mit der wohlbegründeten Furcht in engstem Zusammenhang und ist Bezugspunkt der wohlbegründeten Furcht. Eine Verfolgungsgefahr ist dann anzunehmen, wenn eine Verfolgung mit einer maßgeblichen Wahrscheinlichkeit droht; die entfernte Möglichkeit einer Verfolgung genügt nicht (zuletzt VwGH 23.10.2019, Ra 2019/19/0413 m.w.N.).
Der Beschwerdeführer äußert zwar eine Furch vor Verfolgung, die in den Umständen um die festgestellte Ermordung seines Großvaters im Iran begründet liegt. Angesichts dessen, dass der Beschwerdeführer jedoch keine Ereignisse (direkte Drohungen, Übergriffe, etc.) schildert, die seine Furcht rechtfertigen, erscheint diese nach der oben zitierten Judikatur nicht wohlbegründet. Auch ergibt sich aus der vom Beschwerdeführer angegebenen Anwesenheit von Angehörigen des Mannes der Tante im Herkunftsstaat lediglich eine entfernte Möglichkeit einer Verfolgung, Anhaltspunkte, dass dem Beschwerdeführer Verfolgung mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit droht, sind jedoch nicht hervorgekommen.
3.1.2. Zum Fluchtvorbringen einer Verfolgungsgefahr wegen der Volksgruppen- bzw. Religionszugehörigkeit des Beschwerdeführers:
Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes kann Verfolgung im Sinne des § 3 Abs. 1 AsylG iVm Art. 1 Abschnitt A Z 2 Genfer Flüchtlingskonvention auch darin begründet sein, dass regelmäßig Maßnahmen zielgerichtet gegen Dritte gesetzt werden und zwar wegen einer Eigenschaft, die der Betreffende mit diesen Personen teilt, sodass die begründete Annahme besteht, (auch) er könnte unabhängig von individuellen Momenten solchen Maßnahmen ausgesetzt sein. Droht den Angehörigen bestimmter Personengruppen eine über die allgemeine Gefahr eines Bürgerkriegs hinausgehende "Gruppenverfolgung", so hat jedes einzelne Mitglied schon aufgrund seiner Zugehörigkeit zu dieser Gruppe Grund, auch individuell gegen seine Person gerichtete Verfolgung zu befürchten. Diesfalls genügt für die geforderte Individualisierung einer Verfolgungsgefahr die Glaubhaftmachung der Zugehörigkeit zu dieser Gruppe (zuletzt VwGH 07.02.2020, Ra 2019/18/0400 mwN).
Der Beschwerdeführer konnte wie festgestellt seine Zugehörigkeit zur Gruppe der schiitischen Hazara glaubhaft machen.
Der Verwaltungsgerichthof nahm in den letzten Jahren keine Gruppenverfolgung der Hazara irgendwo in Afghanistan an (zuletzt VwGH 07.02.2020, Ra 2019/18/0400). Auch der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte geht davon aus, dass die Zugehörigkeit zur Minderheit der Hazara - unbeschadet der schlechten Situation für diese Minderheit - nicht dazu führt, dass im Fall einer Rückkehr nach Afghanistan eine unmenschliche Behandlung drohen würde (EGMR 05.07.2016, 29.094/09, A.M./Niederlande).
Da eine Gruppenverfolgung - in Hinblick auf die Religions-