Entscheidungsdatum
04.05.2020Norm
BFA-VG §22a Abs1Spruch
W171 2230580-1/6E
IM NAMEN DER REPUBLIK!
Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Mag. Gregor MORAWETZ, MBA, als Einzelrichter über die Beschwerde des XXXX , geb. XXXX , alias XXXX , geb. XXXX , alias XXXX , geb. XXXX , alias XXXX geb. XXXX , alias XXXX , geb. XXXX , alias XXXX , geb. XXXX , Staatsangehörigkeit Pakistan, vertreten durch den Verein Menschenrechte Österreich, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 06.03.2020, Zl: XXXX zu Recht erkannt:
A)
I. Die Beschwerde wird gemäß § 76 Abs. 2 Z. 2 FPG i.V.m. § 22a Abs. 1 BFA-VG als unbegründet abgewiesen.
II. Gemäß § 22a Abs. 3 BFA-VG i.V.m. § 76 Abs. 2 Z. 2 FPG wird festgestellt, dass die für die Fortsetzung der Schubhaft maßgeblichen Voraussetzungen zum Zeitpunkt der Entscheidung vorliegen.
III. Gemäß § 35 Abs. 3 VwGVG i.V.m. § 1 Z. 3 und Z. 4 VwG-AufwErsV hat die beschwerdeführende Partei dem Bund Aufwendungen in Höhe von ? 426,20 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
B)
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.
Text
ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:
I. Verfahrensgang:
Der Beschwerdeführer (in Folge auch BF) stellte am 12.03.2011 einen ersten Antrag auf internationalen Schutz, welchen der Asylgerichtshof im Rechtsmittelweg mit Entscheidung vom 02.02.2012 hinsichtlich der Zuerkennung des Status sowohl eines Asylberechtigten als auch eines subsidiär Schutzberechtigten abwies; zugleich sprach er die Ausweisung des Beschwerdeführers aus dem österreichischen Bundesgebiet nach Pakistan aus.
Am 10.09.2013 stellte der Beschwerdeführer einen weiteren, den zweiten, Antrag auf internationalen Schutz, den das Bundesasylamt mit Bescheid vom 29.10.2013 gemäß § 68 Abs 1 AVG zurückwies. Überdies sprach das Bundesasylamt die Ausweisung des Beschwerdeführers aus dem österreichischen Bundesgebiet nach Pakistan aus.
Am 16.10.2017 stellte die pakistanische Botschaft in Wien ein Heimreisezertifikat für den BF aus. Daraus geht als Identität XXXX , geb. XXXX hervor.
Am 23.10.2017 wurde eine Fluganmeldung für die Charterrückführung für den 08.11.2017 nach Pakistan veranlasst.
Aufgrund eines erfolglosen Festnahmeversuches durch eine PI musste die für den 08.11.2017 terminisierte Charterrückführung storniert werden. Dem negativen Festnahmebericht seitens der PI war zu entnehmen, dass sich der BF lt. Auskunft eines Mitbewohners, einige Tage zuvor nach Italien abgesetzt habe.
Am 02.03.2018 wurden der BF sohin von seinem Wohnsitz im Zentralen Melderegister polizeilich abgemeldet und war unbekannten Aufenthaltes.
Am 13.10.2019 stellte der Beschwerdeführer einen weiteren, den dritten, Antrag auf internationalen Schutz. Am selben Tag fand die Erstbefragung durch ein Organ des öffentlichen Sicherheitsdienstes und am 30.12.2019 und 02.01.2020 Einvernahmen durch das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (in der Folge: BFA oder aber Behörde) statt. Das Verfahren des Beschwerdeführers wurde nicht zugelassen.
Mit Bescheid vom 07.01.2020 wies die Behörde den Antrag des Beschwerdeführers vom 13.10.2019 auf internationalen Schutz hinsichtlich des Status des Asylberechtigten und hinsichtlich des Status des subsidiär Schutzberechtigten gemäß § 68 Abs 1 AVG wegen entschiedener Sache zurück (Spruchpunkte I und II). Die Behörde erteilte keinen Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen (Spruchpunkt III), erließ eine Rückkehrentscheidung (Spruchpunkt IV), ein auf die Dauer von vier Jahren befristetes Einreisverbot (Spruchpunkt VII) und sprach aus, dass die Abschiebung des Beschwerdeführers nach Pakistan zulässig sei (Spruchpunkt V). Unter Spruchpunkt VI sprach die Behörde aus, dass keine Frist für die freiwillige Ausreise bestehe.
Mit Schriftsatz vom 21.01.2020 erhob der Beschwerdeführer dagegen Beschwerde an das Bundesverwaltungsgericht. Am 24.01.2020 meldete sich der BF erneut polizeilich von seinem Wohnsitz in XXXX ab und tauchte unter. Mit Erkenntnis des BVwG vom 30.01.2020 wurde die Beschwerde hinsichtlich Spruchpunkt VII. (befristetes Einreiseverbot gem. § 53 Abs. 1 iVm Abs. 2 Z 6 FPG auf die Dauer von vier Jahren) des angefochtenen Bescheides mit der Maßnahme stattgegeben, dass die Dauer des befristeten Einreiseverbotes von vier Jahren auf drei Jahre herabgesetzt wird. Im Übrigen wurde die Beschwerde als unbegründet abgewiesen. Diese Entscheidung erwuchs am 30.01.2020 in Rechtskraft II. Instanz.
Im Hinblick darauf wurde am 19.02.2020 ein Festnahmeauftrag gem. § 34 Abs. 3 Ziffer 1 BFA-VG erlassen. Zudem erging seitens des BFA ein Erhebungsersuchen an die LPD zu besagtem Wohnobjekt.
Am 06.03.2020 wurden der BF durch eine PI in XXXX an seiner ehemaligen Meldeadresse gesucht und auch angetroffen und gem. § 34 Abs. 3 Ziffer 1 BFA-VG festgenommen. Sein Mitbewohner leugnete zu Beginn der Amtshandlung die Anwesenheit des BF in der Wohnung, doch konnte der BF sodann in der Küche vorgefunden werden.
Am 06.03.2020 wurde der gegenständlich angefochtene Schubhaftbescheid zu Sicherung der Abschiebung erlassen und ausgeführt, der BF habe durch sein Vorverhalten die Tatbestandsmerkmale des § 76 Abs. 3 Zi. 1,3,5 u. 9 FPG erfüllt und sei daher von Fluchtgefahr auszugehen. Die Prüfung der Verhältnismäßigkeit habe ergeben, dass die privaten Interessen der Schonung der persönlichen Freiheit des BF dem Interesse des Staates am reibungslosen Funktionieren der öffentlichen Verwaltung hintanzustehen habe. Ein gelinderes Mittel sei nach Ansicht der Behörde nicht als ausreichende Sicherung anzusehen, um von einer gesicherten Rückführung des BF in seinen Herkunftsstaat ausgehen zu können. Die gegenständliche Schubhaft sei daher notwendig und rechtmäßig.
Mit Beschwerdeschrift vom 28.04.2020 wurde die Rechtswidrigkeit der laufenden Schubhaft vorgebracht. Schubhaft könne niemals als Standardmaßnahme verhängt werden und habe sich der BF dem Verfahren nicht entzogen. Auch reiche schlichte Ausreiseunwilligkeit für die Annahme von Fluchtgefahr nicht aus. Der BF war bis zum 24.01.2020 aufrecht gemeldet und für die Behörde greifbar. Er sein nicht untergetaucht. Das behördliche Verfahren sei insofern mangelhaft, da die bestehenden Anknüpfungspunkte nicht berücksichtigt worden seien. Der BF sei in Österreich integriert und habe Deutschkurse besucht. Schließlich sei der Ausschluss eines gelinderen Mittels nicht nachvollziehbar begründet worden.
Begehrt wurde die Durchführung einer mündlichen Verhandlung zur Klärung des maßgeblichen Sachverhaltes. Kostenersatz wurde nicht beantragt.
Die Behörde legte dem Gericht den Schubhaftakt am 29.04.2020 vor und erstattete eine Stellungnahme unter Beantragung der Abweisung der Beschwerde sowie des Kostenersatzes für die Aufwendungen. Dabei wurde im Wesentlichen wie nachstehend gekürzt ausgeführt:
"Eingangs sowie im Besonderen wird auf den im Schubhaftbescheid vom 06.03.2020 umfassend dokumentierten Sachverhalt verwiesen.
Am 13.10.2019 brachte der Beschwerdeführer (BF) einen dritten Antrag auf int. Schutz ein.
Der BF hielt sich vom 13.10.2019 bis 23.10.2019 in einer Betreuungsstelle auf, ehe dieser nach XXXX verzog.
Am 02.01.2019 langte die Verständigung einer Staatsanwaltschaft ein, wonach gegen den BF eine Anklage wegen § 83 (1) StGB erhoben wurde.
Mit Bescheid vom 07.01.2020 wurde der Antrag auf internationalen Schutz gem. § 68 Abs. 1 AVG wegen entschiedener Sache zurückgewiesen, wurde der Status des subsidiär Schutzberechtigten gem. § 68 Abs. 1 AVG wegen entschiedener Sache zurückgewiesen, gem. § 57 AsylG ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen nicht erteilt, gem. § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG in Verbindung mit § 9 BFA-VG eine Rückkehrentscheidung gem. § 52 Abs. 2 Z 2 FPG erlassen, gem. § 52 Abs. 9 FPG festgestellt, dass die Abschiebung nach Pakistan zulässig sei, gem. § 55 Abs. 1a FPG festgestellt, dass keine Frist für die freiwillige Ausreise besteht und gem. § 53 Abs. 1 in Verbindung mit Abs. 2 Z 6 FPG ein auf die Dauer von vier Jahren befristetes Einreiseverbot erlassen und
Gegen diesen Bescheid brachte der BF fristgerecht das Rechtsmittel der Beschwerde ein.
Mit Erkenntnis des BVwG vom 30.01.2020 wurde die Beschwerde hinsichtlich Spruchpunkt VII. (befristetes Einreiseverbot gem. § 53 Abs. 1 iVm Abs. 2 Z 6 FPG auf die Dauer von vier Jahren) des angefochtenen Bescheides mit der Maßnahme stattgegeben, dass die Dauer des befristeten Einreiseverbotes von vier Jahren auf drei Jahre herabgesetzt wird. Im Übrigen wurde die Beschwerde als unbegründet abgewiesen.
Diese Entscheidung erging am 30.01.2020 in Rechtskraft II. Instanz.
Am 24.01.2020 hat sich der BF erneut polizeilich von seinem Wohnsitz in XXXX abgemeldet und ist nach unbekannt verzogen.
Während des Gastaufenthaltes in Österreich ist der BF mehrmals in der Anonymität untergetaucht und habe sodann wiederholt im gleichen Wohnobjekt in XXXX einen Wohnsitz begründet. Im Hinblick darauf wurde am 19.02.2020 ein Festnahmeauftrag gem. § 34 Abs. 3 Ziffer 1 BFA-VG erlassen, zudem erging seitens BFA ein Erhebungsersuchen an die LPD zu besagtem Wohnobjekt.
Am 06.03.2020 wurde der BF durch eine PI an seiner ehemaligen Meldeadresse in XXXX angetroffen und gem. § 34 Abs. 3 Ziffer 1 BFA-VG festgenommen.
Zu der in der Beschwerdeschrift (BS) beinhalteten Vorhaltung, dass es der Behörde nicht gelang die Fluchtgefahr des BF nachvollziehbar darzulegen, wird seitens der belangten Behörde dahingehend entgegengetreten, dass der BF nach der Entscheidung im ersten sowie im zweiten Asylverfahren durch das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl rechtskräftig in II. Instanz am 06.02.2012, vom 29.10.2013, rechtskräftig in I. Instanz am 08.11.2013, seine Ausreiseverpflichtung nicht Folge geleistet hat. Aufgrund des negativen Festnahmeversuches durch die PI musste in weiterer Folge die für den 08.11.2017 terminisierte Charterrückführung storniert werden. Dem negativen Festnahmebericht seitens der PI ist zu entnehmen, dass sich der BF lt. Auskunft eines Mitbewohners vor ein paar Tagen nach Italien abgesetzt haben soll. Der BF habe sich somit durch untertauchen in die Anonymität der Festnahme und der damit verbundenen Abschiebung nach Pakistan entzogen. Am 02.03.2018 wurde der BF von seinem Wohnsitz im zentralen Melderegister polizeilich abgemeldet. Nach erneuter nunmehr der dritten!!! Asylantragstellung hat der BF nach negativer Entscheidung vom 07.01.2020 durch das BFA erneut seinen Wohnsitz abgemeldet und ist nach unbekannt verzogen. Darüber hinaus darf nochmals auf den im Schubhaftbescheid vom 06.03.2020 umfassend dokumentierten Sachverhalt verwiesen werden, in dem klar hervorgeht das sich die Behörde mit der Fluchtgefahr auseinandergesetzt hat. Der BF tauchte wiederholt nach rechtskräftig negativer Entscheidung im Asylverfahren, irregulären Aufenthaltes in der Anonymität in Österreich unter. Darüber hinaus hat sich der BF durch untertauchen in die Anonymität der Festnahme und der damit verbundenen Abschiebung nach Pakistan erfolgreich entzogen.
Demzufolge liegt - in Anbetracht der Gesamtheit der individuellen Kriterien in diesem Einzelfall, mit welchen sich das BFA bereits im ggst. Schubhaftbescheid sowie auch ergänzend in der ggst. Gegenschrift auseinandergesetzt hat und welche einer entsprechend umfassenden Gesamtbeurteilung zugeführt worden sind sowie der zeitnahen Außerlandesbringung in den Herkunftsstaat - nach Ansicht der belangten Behörde jedenfalls auch weiterhin eine Notwendigkeit und im Hinblick auf die erst relativ kurze Zeit der Anhaltung in Schubhaft und der zeitnahen Überstellung des BF nach Pakistan auch eine Verhältnismäßigkeit zur Sicherung der Abschiebung in den zuständigen Herkunftsstaat vor, um einem mit an Sicherheit angrenzender Wahrscheinlichkeit neuerlichen Abtauchen des BF - irregulären Aufenthaltes - in der Anonymität beziehungsweise einer irregulären Ausreise in einen Mitgliedsstaat der EU Einhalt bieten zu können.
Seitens des BFA wird beantragt die gegenständliche Schubhaftbeschwerde kostenpflichtig abzuweisen und gem. § 35 VwGVG iVm § 1 Z 3 bis 5 VwG-Aufwandersatzverordnung folgende Kosten zuzusprechen:
1. Ersatz des Vorlageaufwandes der Belangten Behörde als obsiegende Partei: ? 57,40
2. Ersatz des Schriftsatzaufwandes der Belangten Behörde als obsiegende Partei: ? 368,80
3. Sowie gegebenenfalls Ersatz des Verhandlungsaufwandes der Belangten Behörde als obsiegende Partei: ? 461,00
und so die Verfahrensicherung und Abschiebung sicherzustellen."
Ein für den 13.05.2020 gebuchter Rücküberstellungsflug musste aufgrund der derzeitigen Pandemie (CoViD-19) und den damit verbundenen Ausfällen von Flugverbindungen storniert werden.
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
1. Feststellungen:
Zur Person:
1.1. Der BF reiste vor vielen Jahren illegal in das Bundesgebiet ein und ist pakistanischer Staatsangehöriger. Er ist Fremder i.S.d. Diktion des FPG.
1.2. Er stellte am 12.03.2011, am 10.09.2013 und am 13.10.2019 je einen Antrag auf internationalen Schutz. Bisher hat der BF keinen gültigen dauerhaften Aufenthaltstitel in Österreich erhalten und wurden Ausweisungen und eine Rückkehrentscheidungen i.V.m. einem Einreiseverbot rechtskräftig erlassen.
1.3. Der BF leidet an keinen nennenswerten Erkrankungen.
1.4. Der BF ist bisher unbescholten. Zum Stichtag 29.04.2020 schein keine Verurteilung zum Namen XXXX , geb. XXXX auf.
Zu den allgemeinen Voraussetzungen der Schubhaft:
2.1. Seit dem 30.01.2020 besteht gegen den BF eine durchsetzbare Rückkehrentscheidung.
2.2. Der BF wurde bereits am 16.10.2017 als pakistanischer Staatsbürger identifiziert und ein Heimreisezertifikat für ihn ausgestellt.
2.3. Der BF ist haftfähig.
Zum Sicherungsbedarf:
3.1. Gegen den BF liegt eine durchsetzbare aufenthaltsbeendende Maßnahme vor.
3.2. Der BF konnte an seiner Meldeadresse von der Behörde nicht angetroffen und festgenommen werden, um ihn einer Charterrückführung am 08.11.2017 zuzuführen. Der BF hatte Tage davor seine Unterkunft verlassen um unterzutauchen. Er hat dadurch eine Abschiebung seiner Person verhindert und wurde polizeilich abgemeldet.
3.3. Am 24.01.2020 meldet sich der BF von seiner Meldeadresse ab und tauchte unter. Er hat sich daher dem laufenden Verfahren zur Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme entzogen.
3.4. Er ist nicht vertrauenswürdig.
3.5. Er ist nicht rückreisewillig und nicht kooperativ.
3.6. Der BF stellte am 10.09.2013 und am 13.10.2019 je einen Folgeantrag auf internationalen Schutz. Zu diesen Zeitpunkten bestanden gegen den BF bereits durchsetzbare aufenthaltsbeendende Maßnahmen.
Zur familiären/sozialen Komponente:
4.1. In Österreich bestehen keine familiären und sonstigen nennenswerten sozialen Beziehungen.
4.2. Der BF geht im Inland keiner legalen Erwerbstätigkeit nach, ist nicht selbsterhaltungsfähig und nicht im Besitz von wesentlichen Barmitteln.
4.3. Er verfügt nicht über einen gesicherten Wohnsitz in Österreich.
2. Beweiswürdigung:
2.1. Zur Person und zum Verfahrensgang (1.1.-1.4.):
Der Verfahrensgang sowie die Feststellungen zur Person des BF ergeben sich aus den vorgelegten Verwaltungsakten der Behörde und dem gerichtlichen Vorakt sowie dem Gerichtsakt des Bundesverwaltungsgerichtes (1.1.). Die Feststellung zu 1.2. hinsichtlich der Asylanträge, des Bestehens der durchsetzbaren Ausweisungen und einer Rückkehrentscheidung ergibt sich aus dem Akteninhalt. Darüber hinaus sind keine nennenswerten Erkrankungen des BF aktenmäßig erfasst (1.3.) und hat das BVwG im Rahmen der Feststellungen im letzten Asylverfahren (Erkenntnis vom 30.01.2020) den guten Gesundheitszustand festgestellt. Änderungen diesbezüglich haben sich im laufenden Schubhaftverfahren nicht ergeben und wurden auch nicht vorgebracht. Das Gericht konnte daher davon ausgehen, dass der BF im Wesentlichen gesund ist. Die strafgerichtliche Unbescholtenheit war dem Strafregister zu entnehmen (1.4.).
2.2. Zu den Voraussetzungen der Schubhaft (2.1.-2.3.):
Die Durchsetzbarkeit der Rückkehrentscheidung ergibt sich aus den vorgelegten Verwaltungsakten und wurde seitens des Beschwerdeführers nicht in Zweifel gezogen (2.1.).
Die Feststellung zu 2.2. ergibt sich aus den Angaben im Akt woraus hervorgeht, dass die Identität des BF seit 16.10.2017 geklärt ist und seinerzeit auch ein Heimreisezertifikat ausgestellt wurde. Die Feststellung zur Haftfähigkeit (2.3.) ergibt sich aus den Angaben im Akt (Auszug aus der Anhaltedatei) und liegen diesbezüglich dem Gericht zum Zeitpunkt der gegenständlichen Entscheidung keine anderslautenden Informationen vor. Es war daher von einer bestehenden Haftfähigkeit auszugehen.
2.3. Zum Sicherungsbedarf (3.1.-3.6.):
Das Vorliegen einer durchsetzbaren und aufenthaltsbeendenden Maßnahme ergibt sich bereits aus dem Akteninhalt (3.1.). Aus einem Bericht im Behördenakt ergibt sich, dass der BF im Zuge einer geplanten Charterabschiebung im November 2017 an seiner Meldeadresse nicht aufgefunden werden konnte und ein Mitbewohner mitteilte, der BF habe sich Tage zuvor nach Italien abgesetzt. Der BF hat daher durch sein Untertauchen eine bereits angesetzte Abschiebung erfolgreich vereitelt (3.2.).
Darüber hinaus meldete sich der BF nach Angaben im Akt, die mit dem ZMR übereinstimmen am 24.01.2020 von seiner Meldeadresse ab und tauchte knapp vor der für ihn negativen Entscheidung des BVwG im dritten Asylverfahren (Erkenntnis vom 30.01.2020) unter. Er tauchte daher während eines offenen Asylverfahrens unter und war der Behörde im fraglichen Zeitpunkt der Aufenthaltsort des BF nicht bekannt (3.3.).
Aus dem gesamten Verhalten des BF ergibt sich, dass dieser nicht vertrauenswürdig ist. Dies zeigt sich auch dadurch, dass der BF bereits insgesamt drei Asylanträge gestellt hat und zweimal untergetaucht ist. Aus dem Verfahrensakt lässt sich zudem entnahmen, dass der BF seit seiner Ankunft in Europa über etliche unterschiedliche Identitäten verfügte und so die Arbeit der Behörden massiv behinderte, was ebenso nicht zu seiner Vertrauenswürdigkeit beitragen konnte (3.4.). Die fehlende Rückreisewilligkeit lässt sich aus dem Gesamtverhalten des BF ebenso klar entnehmen, da der BF bisher bereits drei Asylanträge gestellt hat und trotz aufrechter Ausweisungen und einer Rückkehrentscheidung bisher keinerlei Schritte unternommen hat, von sich aus Schritte zur eigenen Ausreise zu setzen. Es handelt sich dabei nach Ansicht des Gerichtes nicht nur um schlichte Ausreiseunwilligkeit, da sich der BF auch bereits aktiv einer Abschiebung im Jahr 2017 entzogen hat. Er ist, wie oben bereits erörtert vor Beendigung seines dritten Asylverfahrens rechtzeitig untergetaucht und hat seine Mitwirkungspflichten ebenso verletzt. Der BF kann daher auch nicht als kooperativ bezeichnet werden (3.5.).
Aus der Chronologie der Asylverfahren ergibt sich, dass zum Zeitpunkt der ersten Folgeantragstellung am 10.09.2013 bereits seit dem Erkenntnis des AsylGH vom 03.02.2012 eine durchsetzbare Ausweisung und bei seiner zweiten Folgeantragstellung am 13.10.2019 eine weitere dursetzbare Ausweisung durch den rk Bescheid des Bundesasylamtes vom 29.10.2013, sohin aufenthaltsbeendende Maßnahmen vorgelegen sind (3.6.).
2.4. Familiäre/soziale Komponente (4.1.-4.3.):
Das BVwG stellt in seinem Erkenntnis vom 30.01.2020 (drittes Asylverfahren) auf Seite 4 wie folgt fest:
"[...] Der Beschwerdeführer hat weder in Österreich noch in einem anderen Mitgliedstaat der Europäischen Union Verwandte. Auch im Übrigen bestehen keine Abhängigkeitsverhältnisse oder sonstige enge Verhältnisse zwischen dem Beschwerdeführer und in Österreich lebenden Personen. Er bezog, nachdem er am 13.10.2019 seinen Antrag auf internationalen Schutz gestellt hatte, bis 21.10.2019 Leistungen aus der staatlichen Grundversorgung. Seither verzichtet der Beschwerdeführer auf die Grundversorgung und wohnt bei einem Freund. (VA3, AS 79, 171; OZ 2). Er ist in Österreich nicht erwerbstätig.
Der Beschwerdeführer ist in Österreich strafgerichtlich unbescholten (OZ 2). In einem Abschlussbericht der Landespolizeidirektion Oberösterreich vom 12.12.2019 wird er als Verdächtiger, Verdacht auf Raufhandel, geführt (VA3, AS 139 ff) und in der Folge erhob die Staatsanwaltschaft XXXX gegen ihn Anklage wegen § 83 Abs 1 StGB (VA3, AS 201 ff).
Der Beschwerdeführer hat in keinem Mitgliedsstaat der Europäischen Union einen Aufenthaltstitel (VA3, AS 105 ff, 240, 303, 357 ff).
Der Beschwerdeführer verfügt über keine finanziellen Mittel, um seinen Lebensunterhalt in Österreich zu bestreiten (VA3, AS 1 ff, 19, 79, 171, 241, 357 ff)."
Ausgehend von diesen gerichtlichen Feststellungen deren Aktualität noch immer gegeben ist, sind hinsichtlich der Punkte (4.1. u. 4.2.)
- Familiäre und soziale Beziehungen und
- Erwerbstätigkeit und Selbsterhaltungsfähigkeit
keine dem entgegenstehenden Informationen hervorgekommen. In der Beschwerdeschrift wird zwar moniert, dass die Feststellung der BF habe zudem Anknüpfungspunkte in Österreich und sei dies mangelhaft erforscht worden. Näheres wurde dazu jedoch nicht ausgeführt und daher das Vorliegen von nennenswerten sozialen Kontakten lediglich unsubstanziiert behauptet. Um hier eine signifikante Änderung der aktuell diese Punkte betreffenden gerichtlichen Feststellungen erreichen zu können wäre daher das Anbot konkreter Beweise angezeigt gewesen, was jedoch unterblieb.
Das Gericht konnte daher die unter 4.1. u. 4.2. angeführten Feststellungen treffen.
Der BF meldete sich selbst am 24.01.2020 von seiner Meldeadresse ab und gab keine Auskunft über einen neuen Wohnsitz an. Eine neue Anmeldung an einer anderen Adresse ist ebenso nicht aktenkundig. Ein Vorbringen darüber, wo der BF wohnen könnte ist ebenso nicht erstattet worden. Das Gericht konnte daher davon ausgehen, dass der BF bei einer Freilassung nicht über einen gesicherten Wohnsitz verfügen könnte (4.3.).
2.5. Weitere Beweise waren wegen Entscheidungsreife nicht mehr aufzunehmen:
Von einer Anberaumung einer mündlichen Verhandlung konnte im Hinblick auf die geklärte Sachlage Abstand genommen werden.
3. Rechtliche Beurteilung
3.1. Zu Spruchpunkt I. - Schubhaftbescheid, Anhaltung in Schubhaft:
3.1.1. Gesetzliche Grundlage:
Der mit "Schubhaft" betitelte § 76 des Fremdenpolizeigesetzes 2005 (FPG), BGBl. I Nr. 100/2005 idgF, lautet:
§ 76. (1) Fremde können festgenommen und angehalten werden (Schubhaft), sofern der Zweck der Schubhaft nicht durch ein gelinderes Mittel (§ 77) erreicht werden kann. Unmündige Minderjährige dürfen nicht in Schubhaft angehalten werden.
(2) Die Schubhaft darf nur angeordnet werden, wenn
1. dies zur Sicherung des Verfahrens über einen Antrag auf internationalen Schutz im Hinblick auf die Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme notwendig ist, sofern der Aufenthalt des Fremden die öffentliche Ordnung oder Sicherheit gemäß § 67 gefährdet, Fluchtgefahr vorliegt und die Schubhaft verhältnismäßig ist,
2. dies zur Sicherung des Verfahrens zur Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme nach dem 8. Hauptstück oder der Abschiebung notwendig ist, sofern jeweils Fluchtgefahr vorliegt und die Schubhaft verhältnismäßig ist, oder
3. die Voraussetzungen des Art. 28 Abs. 1 und 2 Dublin-Verordnung vorliegen.
Bedarf es der Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme deshalb nicht, weil bereits eine aufrechte rechtskräftige Rückkehrentscheidung vorliegt (§ 59 Abs. 5), so steht dies der Anwendung der Z 1 nicht entgegen. In den Fällen des § 40 Abs. 5 BFA-VG gilt Z 1 mit der Maßgabe, dass die Anordnung der Schubhaft eine vom Aufenthalt des Fremden ausgehende Gefährdung der öffentlichen Ordnung oder Sicherheit nicht voraussetzt.
(2a) Im Rahmen der Verhältnismäßigkeitsprüfung (Abs. 2 und Art. 28 Abs. 1 und 2 Dublin-Verordnung) ist auch ein allfälliges strafrechtlich relevantes Fehlverhalten des Fremden in Betracht zu ziehen, insbesondere ob unter Berücksichtigung der Schwere der Straftaten das öffentliche Interesse an einer baldigen Durchsetzung einer Abschiebung den Schutz der persönlichen Freiheit des Fremden überwiegt.
(3) Eine Fluchtgefahr im Sinne des Abs. 2 Z 1 oder 2 oder im Sinne des Art. 2 lit n Dublin-Verordnung liegt vor, wenn bestimmte Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass sich der Fremde dem Verfahren oder der Abschiebung entziehen wird oder dass der Fremde die Abschiebung wesentlich erschweren wird. Dabei ist insbesondere zu berücksichtigen,
1. ob der Fremde an dem Verfahren zur Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme mitwirkt oder die Rückkehr oder Abschiebung umgeht oder behindert;
1a. ob der Fremde eine Verpflichtung gemäß § 46 Abs. 2 oder 2a verletzt hat, insbesondere, wenn ihm diese Verpflichtung mit Bescheid gemäß § 46 Abs. 2b auferlegt worden ist, er diesem Bescheid nicht Folge geleistet hat und deshalb gegen ihn Zwangsstrafen (§ 3 Abs. 3 BFA-VG) angeordnet worden sind;
2. ob der Fremde entgegen einem aufrechten Einreiseverbot, einem aufrechten Aufenthaltsverbot oder während einer aufrechten Anordnung zur Außerlandesbringung neuerlich in das Bundesgebiet eingereist ist;
3. ob eine durchsetzbare aufenthaltsbeendende Maßnahme besteht oder der Fremde sich dem Verfahren zur Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme oder über einen Antrag auf internationalen Schutz bereits entzogen hat;
4. ob der faktische Abschiebeschutz bei einem Folgeantrag (§ 2 Abs. 1 Z 23 AsylG 2005) aufgehoben wurde oder dieser dem Fremden nicht zukommt;
5. ob gegen den Fremden zum Zeitpunkt der Stellung eines Antrages auf internationalen Schutz eine durchsetzbare aufenthaltsbeendende Maßnahme bestand, insbesondere, wenn er sich zu diesem Zeitpunkt bereits in Schubhaft befand oder aufgrund § 34 Abs. 3 Z 1 bis 3 BFA-VG angehalten wurde;
6. ob aufgrund des Ergebnisses der Befragung, der Durchsuchung oder der erkennungsdienstlichen Behandlung anzunehmen ist, dass ein anderer Mitgliedstaat nach der Dublin-Verordnung zuständig ist, insbesondere sofern
a. der Fremde bereits mehrere Anträge auf internationalen Schutz in den Mitgliedstaaten gestellt hat oder der Fremde falsche Angaben hierüber gemacht hat,
b. der Fremde versucht hat, in einen dritten Mitgliedstaat weiterzureisen, oder
c. es aufgrund der Ergebnisse der Befragung, der Durchsuchung, der erkennungsdienstlichen Behandlung oder des bisherigen Verhaltens des Fremden wahrscheinlich ist, dass der Fremde die Weiterreise in einen dritten Mitgliedstaat beabsichtigt;
7. ob der Fremde seiner Verpflichtung aus dem gelinderen Mittel nicht nachkommt;
8. ob Auflagen, Mitwirkungspflichten, Gebietsbeschränkungen, Meldeverpflichtungen oder Anordnungen der Unterkunftnahme gemäß §§ 52a, 56, 57 oder 71 FPG, § 38b SPG, § 13 Abs. 2 BFA-VG oder §§ 15a oder 15b AsylG 2005 verletzt wurden, insbesondere bei Vorliegen einer aktuell oder zum Zeitpunkt der Stellung eines Antrags auf internationalen Schutzes durchsetzbaren aufenthaltsbeendenden Maßnahme;
9. der Grad der sozialen Verankerung in Österreich, insbesondere das Bestehen familiärer Beziehungen, das Ausüben einer legalen Erwerbstätigkeit beziehungsweise das Vorhandensein ausreichender Existenzmittel sowie die Existenz eines gesicherten Wohnsitzes.
(4) Die Schubhaft ist schriftlich mit Bescheid anzuordnen; dieser ist gemäß § 57 AVG zu erlassen, es sei denn, der Fremde befände sich bei Einleitung des Verfahrens zu seiner Erlassung aus anderem Grund nicht bloß kurzfristig in Haft. Nicht vollstreckte Schubhaftbescheide gemäß § 57 AVG gelten 14 Tage nach ihrer Erlassung als widerrufen.
(5) Wird eine aufenthaltsbeendende Maßnahme (Z 1 oder 2) durchsetzbar und erscheint die Überwachung der Ausreise des Fremden notwendig, so gilt die zur Sicherung des Verfahrens angeordnete Schubhaft ab diesem Zeitpunkt als zur Sicherung der Abschiebung verhängt.
(6) Stellt ein Fremder während einer Anhaltung in Schubhaft einen Antrag auf internationalen Schutz, so kann diese aufrechterhalten werden, wenn Gründe zur Annahme bestehen, dass der Antrag zur Verzögerung der Vollstreckung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme gestellt wurde. Das Vorliegen der Voraussetzungen ist mit Aktenvermerk festzuhalten; dieser ist dem Fremden zur Kenntnis zu bringen. § 11 Abs. 8 und § 12 Abs. 1 BFA-VG gelten sinngemäß.
Zur Judikatur:
3.1.2. Die Anhaltung in Schubhaft ist nach Maßgabe der grundrechtlichen Garantien des Art. 2 Abs. 1 Z 7 PersFrBVG und des Art. 5 Abs. 1 lit. f EMRK nur dann zulässig, wenn der Anordnung der Schubhaft ein konkreter Sicherungsbedarf zugrunde liegt und die Schubhaft unter Berücksichtigung der Umstände des jeweiligen Einzelfalls verhältnismäßig ist. Dabei sind das öffentliche Interesse an der Sicherung der Aufenthaltsbeendigung und das Interesse des Betroffenen an der Schonung seiner persönlichen Freiheit abzuwägen. Kann der Sicherungszweck auf eine andere, die Rechte des Betroffenen schonendere Weise, wie etwa durch die Anordnung eines gelinderen Mittels nach § 77 FPG, erreicht werden (§ 76 Abs. 1 FPG), ist die Anordnung der Schubhaft nicht zulässig (VfGH 03.10.2012, VfSlg. 19.675/2012; VwGH 22.01.2009, Zl. 2008/21/0647; 30.08.2007, Zl. 2007/21/0043).
Ein Sicherungsbedarf ist in der Regel dann gegeben, wenn bestimmte Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass sich der Fremde dem Verfahren oder der Abschiebung entziehen oder diese zumindest wesentlich erschweren werde (§ 76 Abs. 3 FPG). Es ist allerdings nicht erforderlich, dass ein Verfahren zur Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme bereits eingeleitet worden ist (VwGH 28.06.2002, Zl. 2002/02/0138).
Die fehlende Ausreisewilligkeit des Fremden, d.h. das bloße Unterbleiben der Ausreise, obwohl keine Berechtigung zum Aufenthalt besteht, vermag für sich genommen die Verhängung der Schubhaft nicht zu rechtfertigen. Vielmehr muss der - aktuelle - Sicherungsbedarf in weiteren Umständen begründet sein, etwa in mangelnder sozialer Verankerung in Österreich. Dafür kommt insbesondere das Fehlen ausreichender familiärer, sozialer oder beruflicher Anknüpfungspunkte im Bundesgebiet in Betracht, was die Befürchtung, es bestehe das Risiko des Untertauchens eines Fremden, rechtfertigen kann. Abgesehen von der damit angesprochenen Integration des Fremden in Österreich ist bei der Prüfung des Sicherungsbedarfes auch sein bisheriges Verhalten in Betracht zu ziehen, wobei frühere Delinquenz das Gewicht des öffentlichen Interesses an einer baldigen Durchsetzung einer Abschiebung maßgeblich vergrößern kann (VwGH 21.12.2010, Zl. 2007/21/0498; weiters VwGH 08.09.2005, Zl. 2005/21/0301; 23.09.2010, Zl. 2009/21/0280).
Schubhaft darf stets nur "ultima ratio" sein (vgl. VwGH 02.08.2013, Zl. 2013/21/0054; VwGH 11.06.2013, Zl. 2012/21/0114, VwGH 24.02.2011, Zl. 2010/21/0502; VwGH 17.03.2009, Zl. 2007/21/0542; VwGH 30.08.2007, 2007/21/0043). Daraus leitete der Verwaltungsgerichtshof in seinem Erkenntnis vom 19.05.2011, Zl. 2008/21/0527, unter Hervorhebung der in § 80 Abs. 1 FPG 2005 ausdrücklich festgehaltenen behördliche Verpflichtung, darauf hinzuwirken, dass die Schubhaft so kurz wie möglich dauert, insbesondere auch ab, "dass die Behörde schon von vornherein angehalten ist, im Fall der beabsichtigten Abschiebung eines Fremden ihre Vorgangsweise nach Möglichkeit so einzurichten, dass Schubhaft überhaupt unterbleiben kann. Unterlässt sie das, so erweist sich die Schubhaft als unverhältnismäßig"(VwGH vom 19.05.2011, Zl. 2008/21/0527). Bereits im Erkenntnis des VwGH vom 27.01.2011, Zl. 2008/21/0595, wurde dazu klargestellt, dass der Schubhaft nicht der Charakter einer Straf- oder Beugehaft zu kommt, "weshalb ohne besondere Anhaltspunkte für eine absehbare Änderung der Einstellung des Fremden die Haft nicht allein im Hinblick darauf aufrechterhalten werden darf, diese 'Einstellungsänderung' durch Haftdauer zu erwirken. (Hier: Der Fremde hatte, nachdem er nach zwei Monaten nicht aus der Schubhaft entlassen worden war, seine vorgetäuschte Mitwirkungsbereitschaft aufgegeben und zu erkennen gegeben, dass er nicht in den Kamerun zurückkehren wolle und auch nicht an einer Identitätsfeststellung mitwirken werde. Die mangelnde Kooperation des Fremden gipfelte schließlich in der Verweigerung jeglicher Angaben. Die belangte Behörde hat in Folge bis zu einem neuerlichen Einvernahmeversuch zugewartet ohne zwischenzeitig auf Basis der vorhandenen Daten zwecks Erstellung eines Heimreisezertifikates an die Botschaft von Kamerun heranzutreten oder sonst erkennbare Schritte in Richtung Bewerkstelligung einer Abschiebung zu setzen. In diesem Verhalten der belangten Behörde ist eine unangemessene Verzögerung zu erblicken)." (VwGH vom 27.01.2011, Zl. 2008/21/0595; vgl. dazu etwa auch VwGH 19.04.2012, 2009/21/0047).
3.1.3. Aufgrund des gerichtlichen Beweisverfahrens sieht das Gericht Sicherungsbedarf für gegeben an, da der BF nicht rechtmäßig im Inland aufhältig ist und gegen ihn eine durchsetzbare Rückkehrentscheidung besteht. Der BF hat in Österreich insgesamt drei Anträge auf internationalen Schutz gestellt, jedoch keinen dauerhaften Aufenthaltstitel erhalten. Die Behörde konnte den BF in den Tagen vor der für den 08.11.2017 geplanten Abschiebung an seiner aufrechten Meldeadresse nicht auffinden und musste die Abschiebung storniert werden. Der BF hat daher die damalige Abschiebung verhindert und ist vorerst abgetaucht, um danach einen weiteren Antrag auf internationalen Schutz zu stellen. Noch vor Beendigung dieses dritten Verfahrens meldet sich der BF von seiner Meldeadresse wieder ab und tauchte unter. Er hat sich daher dem laufenden Asylantragsverfahren im Jänner 2020 entzogen.
Er kann sohin nach Ansicht des Gerichtes aufgrund seines Vorverhaltens nicht als kooperativ bzw. vertrauenswürdig angesehen werden, zumal er im Rahmen der bisherigen Verfahren mehrere Aliasidentitäten verwendete und auch bisher keinerlei Bemühungen zur freiwilligen Ausreise anstellte. Seine fehlende Ausreisewilligkeit zeigte sich schon durch die wiederholte Antragstellung, durch die Verhinderung der Abschiebung 2017 und das rechtzeitige Untertauchen während des offenen letzten Asylverfahrens. Einen möglichen gesicherten Wohnsitz hat das Beschwerdeverfahren nicht ergeben und wurde dies auch seinerseits nicht behauptet. Darüber hinaus kamen im Zuge des Verfahrens jedoch keinerlei familiäre oder nennenswerten sozialen Kontakte des BF ans Tageslicht, wiewohl der BF bereits seit vielen Jahren in Österreich aufhältig ist. Nach den Ergebnissen des Verfahrens ist der BF weder selbsterhaltungsfähig, noch war er bisher legal erwerbstätig. Der BF ist gesund und haftfähig.
Das Gericht geht daher in einer Gesamtsicht des Verhaltens unter den oben angeführten und festgestellten Tatbeständen des § 76 Abs. 3 jedenfalls vom Bestehen erheblichen Sicherungsbedarfes hinsichtlich der Person des BF aus. Die im Bescheid erwähnten Kriterien zur Annahme des Sicherungsbedarfes haben sich im Rahmen des gerichtlichen Verfahrens als weiterhin zutreffend erwiesen. Das Gericht sieht daher ebenso die Tatbestandsmerkmale der Zif. 1, 3, 5 und 9 als erfüllt an.
Wenn in der Beschwerdeschrift bestritten wird, dass sich der BF dem Verfahren entzogen habe, so wird darauf verwiesen, dass sich der BF noch vor Abschluss des dritten Asylverfahrens am 24.01.2020 von seiner Meldeadresse abmeldete und keinen neuen Wohnsitz eintragen ließ. Daran kann auch die Tatsache nichts ändern, dass der BF schließlich an seiner nicht mehr aufrechten Adresse aufgefunden werden konnte. Der Aufenthalt des BF war für die Behörde nicht gewiss und erwies sich die Festnahme am 06.03.2020 nicht als plangemäß, sondern als Zufallstreffer. Die Behörde unterstellte daher zu Recht, dass der BF untergetaucht war.
3.1.4. Darüber hinaus ist die Verhältnismäßigkeit der Schubhaftnahme nach Ansicht des erkennenden Gerichtes ebenso gegeben. Betrachtet man die Interessen des BF an den Rechten seiner persönlichen Freiheit in Bezug auf seine familiären bzw. sozialen Verhältnisse im Inland zeigt sich, dass der Beschwerdeführer keinerlei nennenswerten familiäre/soziale Kontakte im Inland hat, die im Rahmen der gerichtlichen und behördlichen Abwägung die Entscheidung zu Gunsten einer Freilassung bzw. eines Belassen in Freiheit zu beeinflussen ausreichend waren. Der BF hat durch seine über Jahre gehende Ignoranz seiner Ausreiseverpflichtung und das Stellen von zwei Folgeanträgen einerseits gegen geltende Gesetze des Landes verstoßen und andererseits damit zum Ausdruck gebracht, dass er ganz klar keine Unterordnung unter das im Inland bestehende Rechtssystem beabsichtigt. Er hat in Österreich erfolglos mehrere Anträge auf internationalen Schutz gestellt und wurden über ihn mittlerweile drei Mal aufenthaltsbeendende Entscheidungen getroffen. Die Republik Österreich hat damit nach Ansicht des Gerichts nunmehr ausreichend klar dargestellt, dass ein Verbleib des BF im Inland rechtlich nicht gedeckt ist und sohin auch ein erhöhtes Interesse an einer Außerlandesbringung des BF bekundet. Dem gegenüber wiegen die persönlichen Interessen des BF weit weniger schwer als das öffentliche Interesse einer baldigen gesicherten Außerlandesbringung des BF. Das Gericht geht daher - wie oben angeführt - von der Verhältnismäßigkeit der Verhängung der Schubhaft aus, zumal davon auszugehen ist, dass eine Abschiebung schon bald nach Wiederöffnung der Flugverbindung nach Pakistan aufgrund des vorliegenden Heimreisezertifikats für den BF durchgeführt werden könnte. Dabei sei die manifestierte Unkooperativität des BF herauszuheben, die sich mehrfach im Verfahren deutlich gezeigt hat. Es ist daher dem BF nach heutiger Sicht zuzumuten, die Zeit bis zu seiner Rückführung in Schubhaft zuzubringen.
3.1.5. Das Gericht schließt nicht aus, dass es aufgrund der derzeitigen Pandemie (CoViD-19) in den kommenden Wochen weiterhin zu Verzögerungen oder Annullierungen von Flügen im internationalen Flugverkehr kommen könnte. Die realistische Möglichkeit einer Überstellung des Beschwerdeführers in seinen Herkunftsstaat (innerhalb der gesetzlich normierten Zeitspanne für die Anhaltung in Schubhaft) besteht jedoch aus aktueller Sicht weiterhin, zumal im Verfahren die behördliche Absicht hervorgekommen ist, den BF mit dem nächsten realistisch zustandekommenden Abschiebeflug im Juli 2020 in seinen Herkunftsstaat rückführen zu können. Die absehbare weitere Dauer der Anhaltung in Schubhaft ist nach derzeitigem Stand - kooperatives Verhalten des Beschwerdeführers vorausgesetzt - sohin mit wenigen Monaten einzustufen. Eine Abschiebung im Sommer 2020 ist aus derzeitiger Sicht jedenfalls realistisch.
Wie oben unter 3.1.5. angeführt, hat der BF über viele Jahre die ihn treffende Ausreiseverpflichtung geradezu ignoriert und stellte im Ergebnis unberechtigte Folgeanträge. Dieses Verhalten war vom Gericht in die Beurteilung miteinzubeziehen. Das öffentliche Interesse an einer gesicherten Abschiebung des BF ist daher im vorliegenden Fall durchaus erkennbar und ist es dem BF daher auch aus Gesichtspunkten der Verhältnismäßigkeit zumutbar, weiter in Haft zu verbleiben.
3.1.6. Die Anordnung eines gelinderen Mittels führt nach Ansicht des Gerichts nicht zu einer ausreichenden Sicherung der Durchführbarkeit einer konkreter werdenden Abschiebung. Die Kriterien, die bereits unter dem Punkt "Sicherungsbedarf" erörtert wurden, zeigen eindeutig, dass eine jederzeitige Erreichbarkeit des Beschwerdeführers nicht mit der erforderlichen Sicherheit gewährleistet wäre. Es ist nicht davon auszugehen, dass der Beschwerdeführer, der ganz offenbar ein evidentes Interesse daran hat, dass er im Inland verbleiben kann, nicht abermals für die Behörde unerreichbar sein und nicht wieder erfolgreich untertauchen würde. Auch hat die Vergangenheit bereits gezeigt, dass der BF nicht gewillt war, sich an die österreichische Rechtsordnung zu halten und den behördlichen bzw. gerichtlichen Entscheidungen gemäß das Land zu verlassen. Es besteht daher für das Gericht kein Grund davon auszugehen, dass ein gelinderes Mittel eine ausreichende Sicherung der Abschiebung des BF bedeuten würde. Unter Berücksichtigung aller Umstände ist die Behörde daher zutreffend davon ausgegangen, dass mit der Anordnung gelinderer Mittel das Auslangen nicht gefunden werden kann.
Die Behörde hat sich auf den BS 10 u. 11 eingehend mit der Möglichkeit der Verhängung eines gelinderen Mittels auseinandergesetzt und argumentierte schlüssig die Ablehnung einer derartigen Vorgehensweise.
In der Beschwerdeschrift wurde die Möglichkeit der abermaligen Wohnsitznahme an der bekannten Adresse in XXXX vorgebracht ohne anzugeben, wer ihm an dieser Adresse Unterkunft gewähren könnte. Die Tatsache, dass der BF an dieser Adresse am 24.01.2020 abgemeldet wurde lässt es schlüssig erscheinen, dass der dortige Hauptmieter/Verfügungsberechtigte den weiteren (offiziellen) Verbleib des BF ganz offenbar nicht weiter wünschte, weshalb eine neuerliche Anmeldung bis zu Beweis des Gegenteils (nach einem dementsprechenden Beweisanbot) nicht als ausreichende Sicherheit eines Wohnsitzes angesehen werden konnte.
3.1.7. Die gegenständlich verhängte Schubhaft erweist sich daher auch als "ultima ratio" und wird die Schubhaft auch bis zur erfolgreichen Abschiebung vorerst weiterzuführen sein. Auf Grund des zuvor Ausgeführten ergibt sich, dass sowohl Sicherungsbedarf, als auch Verhältnismäßigkeit gegeben sind und die Anwendung eines gelinderen Mittels nicht als erfolgversprechend zu beurteilen war. In diesem Sinne ist auch das Kriterium der "ultima ratio" im vorliegenden Schubhaftverfahren gegeben.
3.1.8. Die Behörde hat im gegenständlichen bekämpfen Schubhaftbescheid die Beweggründe für die Erforderlichkeit der Verhängung der Haft erkennbar aufgezeigt und sich mit der konkreten Situation des BF auseinandergesetzt. Wie oben näher ausgeführt wird, gelangt die gerichtliche Überprüfung der laufenden Schubhaft nicht zu einer Unrechtmäßigkeit der bescheidmäßig verhängte Schubhaft. Der Vorwurf einer mangelhaften Verfahrensführung hat sich als nicht berechtigt herausgestellt.
3.1.9. Im vorliegenden Fall konnte von der Abhaltung einer mündlichen Verhandlung Abstand genommen werden, da der Sachverhalt im Rahmen des gerichtlichen Verfahrens hinreichend geklärt werden konnte. Der Sachverhalt konnte aus den Akten (Behördenakt und gerichtlicher Vorakt) abschließend ermittelt und beurteilt werden. Gründe für die Abhaltung einer mündlichen Verhandlung liegen daher nicht vor. Das Gericht weicht nicht von der Beweiswürdigung der Behörde ab und hat sich bereits aus dem vorliegenden Akteninhalt klar ergeben, dass zur Klärung der Rechtmäßigkeit der vorliegenden Schubhaft die Abhaltung einer mündlichen Verhandlung nicht erforderlich gewesen ist. Eine Einvernahme des BF oder aber die Abhaltung einer Verhandlung zur Klärung des Sachverhalts bedurfte es nicht, zumal diesbezüglich ein konkretes Vorbringen nicht erstattet wurde.
Zu Spruchpunkt II. - Vorliegen der Voraussetzungen für die Fortsetzung der Schubhaft:
Die getroffenen Feststellungen und ihre rechtliche Würdigung lassen im Hinblick auf ihre Aktualität und ihres Zukunftsbezuges keine, die Frage der Rechtmäßigkeit der weiteren Anhaltung in Schubhaft ändernde Umstände erkennen. Es war daher spruchgemäß festzustellen, dass zum Zeitpunkt dieser Entscheidung die für die Fortsetzung der Schubhaft maßgeblichen Voraussetzungen vorliegen.
Zu Spruchpunkt III. - Kostenbegehren
Die Behörde begehrte den Ersatz ihrer Aufwendungen entsprechend den gesetzlichen Bestimmungen. Da diese vollständig obsiegte, steht ihr nach den angeführten Bestimmungen dem Grunde nach der Ersatz ihrer Aufwendungen zu. Die Höhe der zugesprochenen Verfahrenskosten stützt sich auf die im Spruch des Erkenntnisses genannten gesetzlichen Bestimmungen. Die beschwerdeführende Partei hatte keinen Kostenersatzantrag gestellt.
Zu Spruchpunkt B. - Revision
Gemäß § 25a Abs. 1 des Verwaltungsgerichtshofgesetzes 1985 hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig, wenn die Entscheidung von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, wenn die Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, wenn es an einer Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes fehlt oder wenn die Frage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird bzw. sonstige Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vorliegen.
Wie zu Spruchpunkt I. und II. ausgeführt sind keine Auslegungsfragen hinsichtlich der anzuwendenden Normen hervorgekommen, es waren auch keine Rechtsfragen von grundsätzlicher Bedeutung zu lösen. Die Revision war daher in Bezug auf beide Spruchpunkte nicht zuzulassen. Im Hinblick auf die eindeutige Rechtslage in den übrigen Spruchpunkten war die Revision gleichfalls nicht zuzulassen.
Schlagworte
Abschiebung Ausreisewilligkeit Fluchtgefahr Fortsetzung der Schubhaft Identität öffentliche Interessen Rückkehrentscheidung Schubhaft Sicherungsbedarf Untertauchen Vereitelung Verhältnismäßigkeit VertrauenswürdigkeitEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:BVWG:2020:W171.2230580.1.00Im RIS seit
14.09.2020Zuletzt aktualisiert am
14.09.2020