TE Bvwg Erkenntnis 2020/5/7 W117 2165106-1

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 07.05.2020
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Entscheidungsdatum

07.05.2020

Norm

AsylG 2005 §10 Abs1 Z3
AsylG 2005 §3 Abs1
AsylG 2005 §57
AsylG 2005 §8 Abs1
BFA-VG §18 Abs5
BFA-VG §9
B-VG Art133 Abs4
FPG §46
FPG §52 Abs2 Z2
FPG §52 Abs9
FPG §55

Spruch

W117 2165106-1/8E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Dr. DRUCKENTHANER als Einzelrichter über die Beschwerde von XXXX alias XXXX , geb. XXXX alias XXXX , StA. Georgien, vertreten durch die ARGE Rechtsberatung - Diakonie und Volkshilfe, gegen den Bescheid des Bundsamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 23.06.2017, Zl. 1052310609- 150195831, zu Recht erkannt:

A)

I. Die Beschwerde wird gemäß §§ 3 Abs. 1, 8 Abs. 1, 10 Abs. 1 Z 3 und § 57 Asylgesetz 2005 (AsylG 2005), BGBl. I Nr. 100/2005 idgF, § 9 BFA-Verfahrensgesetz (BFA-VG), BGBl. I Nr. 87/2012 idgF, und § 52 Abs. 2 Z 2, Abs. 9 und § 46 Fremdenpolizeigesetz 2005 (FPG), BGBl. I Nr. 100/2005 idgF, als unbegründet abgewiesen.

II. Der Antrag auf Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung wird zurückgewiesen.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG, BGBl. I Nr. 1/1930 idgF, nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang:

Der ledige und seit 2017 untergetauchte Beschwerdeführer ist Staatsangehöriger von Georgien aus XXXX , gehört der georgischen Volksgruppe an und ist christlich-orthodoxen Glaubens. Er reiste illegal in das österreichische Bundesgebiet ein und stellte am 09.01.2017 unter seiner nicht belegten Alias-Identität den verfahrensgegenständlichen Antrag auf internationalen Schutz im österreichischen Bundesgebiet. Er gab an, nie Dokumente besessen zu haben. Weiters gab er an, regelmäßig Methadon zu nehmen, am Bauch eine Operationsnarbe zu haben sowie an Depressionen und Schlafstörungen zu leiden, jedoch nicht selbstmordgefährdet zu sein. Er sei in Georgien und Frankreich misshandelt worden.

Im Zuge seiner Erstbefragung durch Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes am 09.01.2017 brachte er als Fluchtgrund vor, von Polizisten mit Misshandlung und (sexuellem) Missbrauch bedroht worden zu sein, weil sein Vater Ossete und seine Mutter Georgierin seien. Im Fall der Rückkehr befürchte er, dass diese Drohungen wahrgemacht würden. Die Eltern und sein Bruder seien bereits verstorben, weitere Verwandte habe er nicht. Im Herkunftsland habe er keine Unterkunft. Er habe sich davor 2 Jahre in Frankreich und ca. 3 Monate in Deutschland sowie in Österreich bereits ca. 2 Monate lang aufgehalten sowie Asyl beantragt. Dies wurde durch die Abfrage des entsprechenden elektronischen Registers bestätigt. In Frankreich habe er eine tschetschenische Freundin gehabt, von welcher er sich nach einem Konflikt getrennt habe. Georgien habe er ca. 2013 illegal verlassen.

Zuvor hatte der Beschwerdeführer bereits am 21.02.2015 unter einer anderen, ebenfalls nicht nachgewiesenen Identität in Österreich erstmals Asyl beantragt und als Fluchtgrund angegeben, dass er sich zu Beginn des Krieges im Jahr 2008 in XXXX aufgehalten habe und wegen des großen Besucherandranges anlässlich des Besuchs von Condoliza Rice (ehem. Außenministerin der USA) von dort geflüchtet sei. Die Russen hätten das Dorf annektiert, worauf er sich in XXXX aufgehalten habe. Viele hätten (dort) gedacht, dass er als Ossete gegen die Georgier gekämpft hätte. Jemand, dessen Sohn während des Krieges umgebracht worden sei, habe den Beschwerdeführer verfolgt, sodass er XXXX habe verlassen müssen. Bei seiner Rückkehr nach XXXX sei er von den Osseten beschuldigt worden, mit den Georgiern gekämpft zu haben. In XXXX habe ein Verwandter ihn heimlich operiert und der Beschwerdeführer habe sich 7 Monate lang in dessen Keller versteckt. Danach sei er nach XXXX gezogen und habe sich dort immer an verschiedenen Adressen versteckt. Nach Jahren sei er wieder nach XXXX gefahren und habe gedacht, dass sein Verfolger alles vergessen hätte. Er sei mit seinem Verwandten Essen gewesen, als der Verfolger gekommen sei und ihn mit einem Messer verletzt habe. Danach habe er sich eine Weile bei Mönchen aufgehalten, dann in XXXX und sei danach nach Österreich geflüchtet. Nach dem Abfrageergebnis im entsprechenden Register hatte der Beschwerdeführer am 01.03.2013 bereits in Frankreich Asyl beantragt. Der Beschwerdeführer gab daraufhin an, sich bis Juli 2014 in XXXX aufgehalten zu haben und vor ca. 7 Monaten freiwillig nach Georgien zurückgekehrt zu sein, weil er einen negativen Bescheid und eine Aufforderung zur Ausreise erhalten habe. Er sei aus Frankreich ausgereist, weil der ältere Sohn des Verfolgers den Beschwerdeführer in Frankreich gesucht habe. Nach der am 13.03.2015 vorgelegten Bestätigung war der Beschwerdeführer in Georgien im Dorf XXXX vom 10.02.2014 bis 15.02.2014 Autoreifenmechaniker.

Am 19.10.2015 wurde das Asylverfahren zum ersten Antrag des Beschwerdeführers gemäß § 24 AsylG eingestellt, da der Aufenthaltsort des Beschwerdeführers weder bekannt noch sonst leicht feststellbar war, nachdem er die Betreuungseinrichtung ohne Angabe einer neuen Anschrift verlassen hatte.

Anlässlich seiner niederschriftlichen Einvernahme beim Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl am 01.03.2017 brachte der Beschwerdeführer auf Georgisch vor, dass sich sein Personalausweis in Frankreich befinde, wo er am 01.03.2013 Asyl beantragt habe. Weiters befürchtete er die Weiterleitung seiner Daten, weil er in Georgien Eltern habe. Seine Mutter sei aus Ossetien. Er habe bislang bei vielen Angaben gelogen. Er habe 2006 Verletzungen durch Messerstiche erlitten, sei drei Mal operiert worden und habe sich 7 Monate im Krankenhaus (in XXXX und XXXX ) befunden. Er nehme keine Medikamente. Methadon sei ein Drogenersatzmittel, er leide außerdem an Hepatitis C und seine Leber sei in sehr schlechtem Zustand. Er legte zwei Befunde vor. Er nehme seit 2013 Drogenersatzmittel, in Georgien habe er schon Subotex bekommen. Hepatitis habe er seit vier Jahren und er sei bisher nicht behandelt worden. Möglicherweise bekomme er jetzt eine Therapie in Österreich. Befunde habe er dazu nicht.

In Georgien habe er zuletzt in XXXX im Dorf XXXX mit seinen Eltern und seinem Bruder XXXX gelebt. Sein älterer Bruder XXXX sei 2002 getötet worden. Er selbst heiße in Wirklichkeit XXXX . Außerdem würden noch seine Schwägerin sowie Cousins und Cousinen in Georgien leben. Seine Familie besitze das Haus und landwirtschaftliche Grundstücke. Er selbst befinde sich seit 2013 außerhalb Georgiens und sei nicht mehr zurückgereist. Er habe sich zwei Jahre in Frankreich, danach in Österreich und Deutschland, wo er Asyl beantragt habe, aufgehalten. Er sei dann nach Frankreich gereist sowie von dort nach Italien und Österreich gekommen, weil der nach Deutschland gewollt habe. Er besitze keine identitätsbezeugenden Dokumente. Seinen Reisepass habe er in Frankreich verloren.

In Georgien sei er Mitglied der Nationalen Bewegung von Mikhael Saakashvili gewesen. Er habe ihn 2012 und 2013 bei den Wahlen unterstützt. Er habe immer für die Partei geworben und Stimmen gesammelt, die Passdaten von möglichen Wählern gesammelt und Werbeprospekte verteilt. Er habe einen Parteiausweis besessen. Nach Problemen mit seiner Volksgruppenzugehörigkeit befragt, gab er an, man hätte ihn wegen seiner ossetischen Mutter hätte nicht als Georgier akzeptiert. Er habe 9 Jahre die Schule besucht und in XXXX 2 Jahre Wirtschaft studiert. Seinen Lebensunterhalt habe er durch seine Tätigkeit in einer Autowerkstatt in XXXX bestritten. Sein Vater habe die Autowerkstatt noch. Vor seiner Flucht sei seine finanzielle Situation schlecht gewesen, er habe nicht mehr arbeiten können. Seine Eltern kontaktiere er telefonisch. Im Herkunftsstaat habe er gestohlen, sei aber nicht festgenommen worden. Er werde in Georgien gesucht, weil ihn ein Polizist angezeigt habe, dass er diesen geschlagen hätte. Der Beschwerdeführer sei durch Messerstiche verletzt worden und als er dies habe anzeigen wollen, habe er erfahren, dass er selbst angezeigt worden sei. Seit 2010 sei er drogenabhängig (Subotex, Opium, im Ausland habe er alles inklusive Kokain probiert).

Als Fluchtgrund brachte er schließlich vor, dass sein Bruder 2002 getötet worden sei. Der mutmaßliche Mörder sei einige Tage danach verstorben, weshalb man sie verdächtigt habe, diesen getötet zu haben. Man habe dem Beschwerdeführer die Messerstiche zugefügt. Irgendwann habe man den tatsächlichen Mörder gefunden. Der Beschwerdeführer habe versucht, gegen die Personen, welche ihn verletzt hätten, vorzugehen und sei in den Wald verschleppt und misshandelt worden. Er sei bedroht worden, dass man gegen seine Familie vorgehen werde, wenn er die Anzeige nicht zurückziehe. Der Nachbar sei der Vater des früheren Umweltministers XXXX gewesen und habe ihm bis zum Regierungswechsel geholfen. Der Beschwerdeführer sei ausgereist, um seine Familie zu schützen. Sie hätten gewollt, dass er nach Ossetien fahre. Seine Mutter habe im Dorf XXXX , an der Grenze zwischen Georgien und Ossetien, von seinem Vater getrennt gelebt. Sie habe ihren ossetischen Namen abgelegt und den georgischen Namen seines Vaters beantragt. Dem Beschwerdeführer sei von Polizisten gedroht worden, ihn zu vergewaltigen, wenn er das Land nicht verlasse. Er sei von zwei namentlich genannten Polizisten 2013 geschlagen worden. Einer der beiden habe ihm 2006 die Messerstiche zugefügt (Verletzungen an Stirn und Kopf) und 2013 mit Vergewaltigung bedroht. Im November 2013 sei der Regierungswechsel erfolgt, die Wahlen seien 2012 gewesen, er sei am 13.02.2013 aus Angst um seine Eltern ausgereist. Davor seien diese ständig nach ihm gefragt worden. Eines Tages habe er die Polizeibeamten selbst aufgesucht, diese hätten ihn in den Wald gebracht und ihm mit Vergewaltigung gedroht, weil sie nicht gewollt hätten, dass er gegen den Mörder seines Bruders vorgehe. Er nannte den Namen des Mörders und gab an, dass dieser nicht verhaftet worden sondern gestorben sei. Der Beschwerdeführer habe beweisen wollen, dass er den Mörder nicht getötet habe, was den Polizisten nicht gepasst habe. Später habe man erfahren, dass jemand anderer den Mörder getötet habe. Da seine Mutter Ossetin sei, sei man ständig gegen ihn vorgegangen. Der Beschwerdeführer habe den Polizisten geschlagen, weshalb ein Gerichtsverfahren gegen ihn anhängig sei. Aus welchem Grund er mit dem Messer verletzt worden sei, wisse er nicht. Die beiden Polizisten seien noch in XXXX tätig, er habe einen am 12.02.2013 in Polizeiuniform gesehen, als der den Beschwerdeführer geschlagen habe. Er habe den Beschwerdeführer aufgefordert in den Pkw zu steigen, sei zum Fluss gefahren und habe ihn dort mit einer Pistole bedroht und damit dreimal auf ihn eingeschlagen. Als er wieder zu Bewusstsein gekommen sei, habe der Beschwerdeführer gesehen, dass ihn der Polizist getreten habe. Der Polizist habe auch gesagt, dass ihm der Minister nicht mehr helfen könne. Im Fall der Rückkehr befürchte er dort Probleme, auch sein jüngerer Bruder bekäme dann Probleme. Er könne auch nicht in Ossetien leben. Auf die Möglichkeit zur Stellungnahme zu den ihm zur Kenntnis gebrachten Länderberichten verzichtete der Beschwerdeführer.

In Österreich lebe er von der Grundversorgung, habe hier keine Verwandten, habe einen Deutschkurs besucht, sei jedoch nicht Mitglied in einem Verein oder in einer Organisation. In der Freizeit gehe er spazieren oder halte sich fit. Ferner korrigierte er nach Rückübersetzung, dass er nicht gestohlen habe. Dem labormedizinischen Befundbericht vom 11.01.2017 ist ua. "Hep.C-AK positiv" zu entnehmen. Nach dem Rezept vom 15.02.2017 wurde dem Beschwerdeführer "Methadon" verordnet.

Mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 23.06.2017 wurde der Antrag des Beschwerdeführers vom 23.02.2015 gemäß §§ 3 und 8 AsylG 2005 hinsichtlich Asyl (Spruchpunkt I.) und subsidiärem Schutz (Spruchpunkt II.) abgewiesen, ihm gemäß § 57 AsylG 2005 ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen nicht erteilt und gemäß § 10 AsylG 2005 iVm § 9 BFA-VG eine Rückkehrentscheidung gegen ihn erlassen (Spruchpunkt III.) sowie gemäß § 52 FPG festgestellt, dass seine Abschiebung gemäß § 46 FPG nach Georgien zulässig sei und die Frist für eine freiwillige Ausreise gemäß § 55 Abs. 1 bis 3 FPG mit 14 Tagen ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung festgesetzt (Spruchpunkt IV.).

Begründet wurde dies im Wesentlichen damit, dass er sein Vorbringen zu den Fluchtgründen nicht habe glaubhaft machen können. Seine Angaben seien widersprüchlich gewesen. Außerdem habe er anfänglich die Ermordung seines Bruders überhaupt nicht erwähnt, sondern lediglich angegeben, dass er aus einer gemischtethnischen Familie (Vater bzw. Mutter seien Osseten) stamme und dass seine Eltern noch immer unbehelligt in Georgien leben würden. Sein Vorbringen sei frei erfunden, um Behandlungsmöglichkeiten für seine Drogensucht und Hepatitis C im Bundesgebiet zu erschleichen. Eine ihm drohende Gefährdung aus den geltend gemachten Gründen sei nicht glaubhaft. Die medizinische Grundversorgung einschließlich Substitutionstherapie sei in Georgien vorhanden und er verfüge über soziale und familiäre Anknüpfungspunkte dort.

Rechtlich wurde ausgeführt, dass eine Bedrohung oder Verfolgung des Beschwerdeführers in Georgien nicht glaubhaft sei (Spruchpunkt I.). Es sei nicht die Aufgabe eines Mitgliedsstaates, Ungleichheiten im medizinischen Fortschritt durch kostenlose und unbeschränkte Gesundheitsversorgung für alle Fremden ohne Aufenthaltsrecht auszugleichen. Im Allgemeinen habe kein Fremder das Recht, in einem Aufenthaltsstaat zu verbleiben, bloß um dort medizinisch behandelt zu werden, und zwar selbst dann nicht, wenn er an einer schweren Krankheit leidet oder selbstmordgefährdet ist. Dass die Behandlung im Zielland nicht gleichwertig, schwer zugänglich oder kostenintensiver ist, ist unerheblich, solange es grundsätzliche Behandlungsmöglichkeiten im Zielland bzw. in einem bestimmten Teil des Zielstaates gibt. Nur bei Vorliegen außergewöhnlicher Umstände führt die Abschiebung zu einer Verletzung von Art. 3 EMRK. Solche liegen etwa vor wenn ein lebensbedrohlich Erkrankter durch die Abschiebung einem realen Risiko ausgesetzt würde, unter qualvollen Umständen zu sterben (VfGH 06.03.2008, B 2400/07). Nach den Länderfeststellungen sei eine medizinische Versorgung in Georgien gewährleistet und Substitutionstherapie werde angeboten. Auch aus der allgemeinen Lage in Georgien ergäben sich keine Anhaltspunkte für die Annahme, dass ihm im Fall der Rückkehr eine reale Gefahr einer Verletzung von Art. 2,3 EMRK oder der Protokolle Nr. 6 oder 13 zur GFK drohe. Subsidiärer Schutz sei daher nicht zuzuerkennen gewesen (Spruchpunkt II.). Mangels Vorliegens der Voraussetzungen für die Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß § 57 AsylG 2005 sei ein solcher nicht zu erteilen gewesen. In Österreich habe er keine Verwandten, sämtliche Familienmitglieder und Verwandten würden in Georgien leben. Sein Aufenthalt in Österreich sei nur durch ein Asylverfahren legalisiert, er gehe keiner Arbeit nach und bestreite seinen Unterhalt aus staatlichen Mitteln und konsumiere ein staatliches Suchtmittelprogramm. Er habe einen Deutschkurs besucht, sei jedoch nicht Mitglied eines Vereins oder einer Organisation. Er befinde sich erst seit Jänner 2017 wieder in Österreich, sodass ein Eingriff in sein Privatleben in Österreich durch eine Ausweisung nicht ungerechtfertigt sei. Hinweise auf eine besondere Integration hätten sich angesichts eines unbegründeten Asylantrages nicht ergeben. Mangels Gefährdung im Sinne des § 50 FPG sei seine Abschiebung nach Georgien zulässig (Spruchpunkt III.). Da auch keine Gründe im Sinne von 55 FPG festgestellt werden hätten können, betrage die Frist für die freiwillige Ausreise 14 Tage ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung (Spruchpunkt IV.).

Zur Situation im Herkunftsland wurde im bekämpften Bescheid wie folgt festgestellt:

"Mit 16. Februar 2016 wurde durch das Bundesgesetzblatt - BGBl. II Nr. 47/2016 die Änderung der sicheren Herkunftsstaaten-Verordnung kundgemacht, die mit 17. Februar 2016 in Kraft tritt. Demnach wurde Georgien als "sicherer Herkunftsstaat" im Sinne des Asylgesetzes festgelegt.

Information zu Ihrem Heimatland Georgien (22.03.2017):

1. Politische Lage

In Georgien leben mit Stand 1.1.2016 laut georgischem Statistikamt 3,72 Mio. Menschen. 2014 waren es noch rund 4,49 Mio. Menschen auf 69.700 km² (GeoStat 2017).

Georgien ist eine demokratische Republik. Das politische System hat sich durch die Verfassungsreform 2013 von einer semi-präsidentiellen zu einer parlamentarischen Demokratie gewandelt, (AA 11.2016a). Staatspräsident ist seit 17.11.2013 Giorgi Margvelashvili (RFE/RL 17.11.2013). Regierungschef ist seit dem überraschenden Rücktritt von Irakli Garibaschwili Giorgi Kvirikashvili (seit 29.12.2015) (RFE/RL 29.12.2015). Beide gehören der Partei bzw. dem Parteienbündnis "Georgischer Traum" an.

Georgien besitzt ein Einkammerparlament mit 150 Sitzen, das durch eine Kombination aus Verhältnis- und Mehrheitswahlrecht für vier Jahre gewählt wird. Am 8.10. und 30.10.2016 fanden Parlamentswahlen in Georgien statt. Die bislang regierende Partei, "Georgischer Traum", sicherte sich die Verfassungsmehrheit, indem sie 115 der 150 Sitze im Parlament gewann. Die "Vereinigte Nationale Bewegung" (UNM) des Expräsidenten Mikheil Saakashvili errang 27 und die "Allianz der Patrioten Georgiens" (APG) sechs Sitze (RFE/RL 1.11.2016). Mit der APG, die im ersten Wahlgang am 8.10.2016 knapp die Fünf-Prozent-Hürde schaffte, ist erstmals eine pro-russische Partei im Parlament vertreten. In der notwendigen Stichwahl am 30.10.2016 in 50 Wahlkreisen, die nach dem Mehrheitswahlrecht bestimmt werden, gewann der "Georgische Traum" 48 Wahlkreise (Standard 31.10.2016). Die übrigen zwei Sitze gingen jeweils an einen unabhängigen Kandidaten und einen Vertreter der "Partei der Industriellen" (VK 31.10.2016).

Die Wahlbeobachtungsmission der OSZE bewertete gemeinsam mit anderen internationalen Beobachtern die Stichwahl als kompetitiv und in einer Weise administriert, die die Rechte der Kandidaten und Wähler respektierte. Allerdings wurde das Prinzip der Transparenz sowie das Recht auf angemessene Rechtsmittel bei der Untersuchung und Beurteilung von Disputen durch die Wahlkommissionen und Gerichte oft nicht respektiert (OSCE/ODIHR u.a. 30.10.2016). Transparency International - Georgia beurteilte den Wahlgang als ruhig. Obgleich 70 relativ ernsthafte prozedurale Verstöße festgestellt wurden, hatten diese keinen entscheidenden Einfluss auf den Wahlausgang (TI-G 31.10.2016).

Die Opposition warf dem Regierungslager Wahlmanipulationen vor. Unter anderem sollen Wähler unter Druck gesetzt und Stimmen gekauft worden (Standard 31.10.2016, vgl. CK 31.10.2016).

Bei der Präsidentschaftswahl im Oktober 2013 konnte sich der Kandidat von "Georgischer Traum", Georgi Margwelaschwili, mit klarer Mehrheit bereits im ersten Wahldurchgang gegen den Wunschkandidaten des amtierenden Präsidenten Michail Saakaschwili (Vereinte Nationale Bewegung), durchsetzen. Saakaschwili, zuletzt umstritten, durfte nach zwei Amtszeiten laut Verfassung nicht mehr zur Wahl antreten. Diese Wahl brachte den ersten demokratischen Machtwechsel an der georgischen Staatsspitze seit dem Zerfall der Sowjetunion (FAZ 27.10.2013).

Die Regierungspartei "Georgischer Traum" sicherte sich infolge eines überwältigenden Sieges bei den Gemeinderatswahlen im Sommer 2014 die Kontrolle über die lokalen Selbstverwaltungskörperschaften. Medien und Nichtregierungsorganisationen (NGOs) berichteten, dass es im Vorwahlkampf angeblich Druck auf oppositionelle Kandidaten gab, ihre Kandidatur zurückzuziehen. Überdies sei es zu Störungen von Versammlungen der Opposition und zu etlichen Vorfällen von Gewalt gegen Wahlaktivisten gekommen. Obschon diese den Behörden bekannt waren, blieb eine amtliche Verfolgung aus (HRW 29.1.2015).

Am 27.6.2014 unterzeichneten die EU und Georgien ein Assoziierungsabkommen. Das Abkommen soll Georgien in den Binnenmarkt integrieren, wobei die Prioritäten in der Zusammenarbeit in Bereichen wie Außen- und Sicherheitspolitik sowie Justiz und Sicherheit liegen. Russland sah sich hierdurch veranlasst, seinen Druck auf die Regierung in Tiflis zu erhöhen. Am 24. November 2014 unterzeichneten Russland und das abtrünnige georgische Gebiet Abchasien eine Vereinbarung über eine "strategische Partnerschaft", mit der Moskau seine militärische und wirtschaftliche Kontrolle in Abchasien erheblich ausweitete (EP 5.12.2014).

Die EU würdigte im Juni 2016 im Rahmen ihrer Globalen Strategie zur Europäischen Außen- und Sicherheitspolitik die Rolle Georgiens als friedliche und stabile Demokratie in der Region. Am 1.7.2016 trat das Assoziierungsabkommen zwischen der EU und Georgien in Kraft, wodurch laut der EU die politische Assoziierung und wirtschaftliche Integration zwischen Georgien und der Union merkbar gestärkt werden. Georgien hat seine Demokratie und Rechtsstaatlichkeit konsolidiert und die Respektierung der Menschenrechte, der Grundfreiheiten sowie der Anti-Diskriminierung gestärkt (EC 25.11.2016).

Quellen:

* AA - Auswärtiges Amt (11.2016a): Innenpolitik, http://www.auswaertiges-amt.de/DE/Aussenpolitik/Laender/Laenderinfos/Georgien/Innenpolitik_node.html, Zugriff 20.3.2017

* CK - Caucasian Knot (31.10.2016): In Georgia, "UNM" Party claims mass violations at elections, http://www.eng.kavkaz-uzel.eu/articles/37376/, Zugriff 21.2.2017

* Der Standard (31.10.2016): Regierungspartei kann Georgien im Alleingang regieren, http://derstandard.at/2000046738001/Wahlsieg-von-Regierungspartei-in-Georgien-in-zweiter-Runde-bestaetigt, Zugriff 21.2.2017

* EC - European Commission (25.11.2016): Association Implementation Report on Georgia [SWD (2016) 423 final], https://eeas.europa.eu/sites/eeas/files/1_en_jswd_georgia.pdf, Zugriff 21.2.2017

* EP - Europäisches Parlament (5.12.2014): Assoziierungsabkommen EU-Georgien, http://www.europarl.europa.eu/EPRS/EPRS-AaG-542175-EU-Georgia-Association-Agreement-DE.pdf, Zugriff 21.2.2017

* FAZ - Frankfurter Allgemeine Zeitung (27.10.2013): Georgi Margwelaschwili gewinnt mit klarer Mehrheit, http://www.faz.net/aktuell/politik/ausland/europa/praesidentschaftswahl-in-georgien-georgi-margwelaschwili-gewinnt-mit-klarer-mehrheit-12636443.html, Zugriff 21.2.2017

* GeoStat - National Statistics Office of Georgia (2017): population, http://www.geostat.ge/index.php?action=page&p_id=473&lang=eng, Zugriff 21.2.2017

* HRW - Human Rights Watch (29.1.2015): World Report 2015 - Georgia, http://www.ecoi.net/local_link/295489/430521_de.html, Zugriff 21.2.2017

* IFES - International Foundation for Electoral Systems (9.3.2015a): Election Guide, Democracy Assistance & Elections News - Georgia, http://www.electionguide.org/elections/id/2287/, Zugriff 10.11.2015

* OSCE/ODIHR u.a. - Organization for Security and Co-operation in Europe/Office for Democratic Institutions and Human Rights, European Parliament, OSCE Parliamentary Assembly, Parliamentary Assembly of the Council of Europe (30.10.2016): International Election Observation Mission, Georgia - Parliamentary Elections, Second Round - Statement of Preliminary Findings and Conclusions, Preliminary Conclusions, http://www.osce.org/odihr/elections/georgia/278146?download=true, Zugriff 21.2.2017

* RFE/RL - Radio Free Europe / Radio Liberty (17.11.2013): Margvelashvili Sworn In As Georgia's New President, http://www.rferl.org/content/georgia-president-inauguration/25170650.html, Zugriff 21.2.2017

* RFE/RL - Radio Free Europe / Radio Liberty (29.12.2015): Giorgi Kvirikashvili Confirmed As Georgia's New Premier, http://www.rferl.org/content/georgian-parliament-vote-kvirikashvili-government-december-29/27454801.html, Zugriff 21.2.2017

* RFE/RL - Radio Free Europe/Radio Liberty (1.11.2016): Georgia's Ruling Party Wins Constitutional Majority, http://www.rferl.org/a/georgia-elections-second-round-georgian-dream-super-majority/28085474.html, Zugriff 21.2.2017

* TI-G - Transparency International - Georgia (31.10.2016): Assessment of the 2016 Parliamentary runoff elections, http://www.transparency.ge/en/blog/assessment-2016-parliamentary-runoff-elections, Zugriff 21.2.2017

* Vestnik Kavkaza (31.10.2016): Georgian Dream wins 48 districts out of 50, http://vestnikkavkaza.net/news/Georgian-Dream-wins-48-districts-out-of-50.html, Zugriff 21.2.2017

2. Sicherheitslage

Die Lage in Georgien ist - mit Ausnahme der Konfliktgebiete Abchasien und Südossetien - insgesamt ruhig. Beide genannte Gebiete befinden sich nicht unter der Kontrolle der Regierung in Tiflis. In den Gebieten und an ihren Verwaltungsgrenzen sind russische Truppen stationiert (AA 20.3.2017a).

Im Zuge der Auflösung der UdSSR erhöhten sich die Spannungen innerhalb Georgiens in den Gebieten Abchasien und Südossetien, als der autonome Status der Provinzen von georgischen Nationalisten in Frage gestellt wurde. Nach der georgischen Unabhängigkeit führten heftige Auseinandersetzungen mit der Zentralregierung 1992 zu Unabhängigkeitserklärungen Südossetiens und Abchasiens, die aber von der internationalen Gemeinschaft nicht anerkannt wurden. Der Einfluss des nördlichen Nachbarlandes wuchs kontinuierlich, unter anderem durch Ausgabe russischer Pässe an die abchasische und südossetische Bevölkerung. Nach zahlreichen blutigen Zwischenfällen und Provokationen aller Seiten eskalierte der Konflikt um Südossetien am 7. August 2008 nach einem Vorstoß georgischer Truppen in die südossetische Hauptstadt Tskhinvali zu einem georgisch-russischen Krieg, der nach fünf Tagen durch einen von der EU vermittelten Waffenstillstand beendet wurde. Am 26. August 2008 erkannte Russland Abchasien und Südossetien, einseitig und unter Verletzung des völkerrechtlichen Prinzips der territorialen Integrität Georgiens, als unabhängige Staaten an und schloss wenig später mit diesen Freundschaftsverträge ab, die auch die Stationierung russischer Truppen in den Gebieten vorsehen. Infolge des Krieges wurden nach Schätzungen internationaler Hilfsorganisationen bis zu 138.000 Personen vorübergehend zu Vertriebenen und Flüchtlingen. Etwa 30.000 Georgier aus Südossetien konnten bis heute nicht in ihre Heimat zurückkehren. Die zivile EU-Beobachtermission EUMM nahm Anfang Oktober 2008 in Georgien ihre Arbeit auf. Das OSZE-Mandat lief Ende 2008 aus, UNOMIG endete im Juni 2009. EUMM ist damit die einzige verbliebene internationale Präsenz zur Stabilisierung in Georgien (AA 11.2016b).

Ein wichtiges diplomatisches Instrument zur Deeskalation des Konflikts sind die sogenannten "Geneva International Discussions - GID" (Genfer Internationale Gespräche). Diese finden seit 2008 unter Beteiligung der involvierten Konfliktparteien unter dem gemeinsamen Vorsitz von Vertretern der Vereinten Nationen, der Europäischen Union und der OSZE statt. Aus den Genfer Gesprächen resultierte der "Incident Prevention and Response Mechanism (IPRM)" sowie die Involvierung der EUMM, sodass die lokalen Sicherheitsbehörden der Konfliktparteien vor Ort in Kontakt treten können bzw. ihnen die Möglichkeit zum Dialog eröffnet wird (OSCE 6.11.2014).

Abchasien und Südossetien bleiben außerhalb der Kontrolle der Zentralregierung und werden von mehreren tausend russischen Truppen und Grenzpolizisten unterstützt. Russische Grenzschutzbeamte beschränken die Bewegung der örtlichen Bevölkerung. Die Behörden beschränken die Rechte, vor allem von ethnischen Georgiern, am politischen Prozess teilzuhaben, in Eigentumsfragen oder bei der Registrierung von Unternehmen. Überdies ist die Reisefreiheit eingeschränkt. Die südossetischen Behörden verweigern den meisten ethnischen Georgien, die während und nach dem Krieg von 2008 vertrieben wurden, nach Südossetien zurückzukehren. Die Behörden erlauben den meisten internationalen Organisationen keinen regelmäßigen Zugang zu Südossetien, um humanitäre Hilfe zu leisten. Die Russische "Grenzziehung" der administrativen Grenzen der besetzten Gebiete setzte sich während des Jahres fort, trennte die Bewohner aus ihren Gemeinden und untergrub ihren Lebensunterhalt (USDOS 3.3.2017).

Die Vereinten Nationen zeigten sich Ende Jänner 2017 besorgt darüber, dass die angekündigten Schließungen von Grenzübertrittsstellen seitens der abchasischen Behörden negative Konsequenzen für die Bevölkerung beidseits der administrativen Grenze haben werden. Für die Menschen in Abchasien wird es schwieriger sein, auf grundlegende Dienstleistungen wie Gesundheitswesen und Bildung in Georgien zurückzugreifen und an Wirtschaftsaktivitäten und gesellschaftlichen Veranstaltungen jenseits der Grenze teilzunehmen. Auch wird der Zugang zu Schulbildung für Kinder mit georgischer Muttersprache, die aus Abchasien kommend die Grenze nach Georgien überqueren, behindert (UN 26.1.2017).

Quellen:

* AA - Auswärtiges Amt (20.3.2017a): Georgien, Reise- und Sicherheitshinweise, http://www.auswaertiges-amt.de/sid_8108DEE44ECFAF67827A2F89BA2ACDB3/DE/Laenderinformationen/00-SiHi/Nodes/GeorgienSicherheit_node.html, Zugriff 20.3.2017

* AA - Auswärtiges Amt (11.2016b): Staatsaufbau/Innenpolitik, http://www.auswaertiges-amt.de/DE/Aussenpolitik/Laender/Laenderinfos/Georgien/Innenpolitik_node.html, Zugriff 20.3.2017

* OSCE - Organization for Security and Co-operation in Europe (6.11.2014): Geneva International Discussions remain unique and indispensable forum, Co-chairs tell OSCE Permanent Council, http://www.osce.org/cio/126442, Zugriff 21.2.2017

* UN - United Nations in Georgia (27.1.2017): Statement of Niels Scott, Resident Coordinator, on behalf of the United Nations Country Team regarding announced closure of crossing points along the Inguri River, http://www.ungeorgia.ge/eng/news_center/media_releases?info_id=507, Zugriff 22.2.2017

* USDOS - US Department of State (3.3.2017): Country Report on Human Rights Practices 2016, http://www.ecoi.net/local_link/337143/466903_en.html, 17.3.2017

2.1. Regionale Problemzone: Abchasien

Die Autonome Republik Abchasien in Nordwest-Georgien gehört völkerrechtlich zu Georgien, steht seit 1993 aber nicht mehr unter der Kontrolle der georgischen Regierung. Die Sicherheitslage in diesem Landesteil ist seitdem nicht berechenbar. Es kommt zu Zwischenfällen, auch krimineller Natur. In einigen Teilen der Region liegen teils nicht gekennzeichnete Minenfelder. Abchasien ist für den internationalen Reiseverkehr gesperrt. Eine legale Ein- und Ausreise in bzw. aus dem Gebiet heraus ist gemäß dem georgischen "Gesetz über die besetzten Gebiete" über die russisch-georgische Grenze in Abchasien nicht möglich - außer in besonderen Ausnahmefällen mit vorheriger Zustimmung der georgischen Regierung. Ein ungenehmigter Grenzübertritt wird von den georgischen Behörden als illegaler Grenzübertritt behandelt. Bei anschließender Weiterreise über die Verwaltungsgrenze in benachbarte georgische Landesteile bzw. bei der Ausreise über reguläre georgische Grenzübergänge drohen Festnahme und Strafverfahren (AA 20.3.2017a).

Abchasien erstreckt sich auf einer Fläche von rund 8.600 Quadratkilometern. Nach offiziellen Angaben, wie jenen des abchasischen Außenministeriums, betrug 2011 die Einwohnerzahl 243.000 (MAARA o.D.). Beobachter vor Ort rechnen mit maximal 190.000 Einwohnern (NZZ 31.5.2014).

Das Rote Kreuz schätzt die Opferzahl der kriegerischen Auseinandersetzungen der neunziger Jahre auf 10.000 bis 15.000. Andere Quellen führen bis zu 30.000 Tote an. Von den 200.000 geflüchteten ethnischen Georgiern, sind zwischen 40.000 und 60.000 zurückgekehrt, insbesondere in die Grenzregion Gali. Laut einer Volkszählung aus dem Jahr 2011 machen Georgier rund 19% der Einwohner Abchasiens aus (FP 26.8.2014).

Viele Abchasen besitzen einen russischen Pass. Nur nach Russland und in die Türkei können sie ohne erheblichen administrativen Aufwand reisen (NZZ 31.5.2014). 2015 begannen die Behörden neue abchasische Reisepässe auszugeben (FH 1.2016)

Die Unabhängigkeit von Abchasien wird nur von Russland, Venezuela, Nicaragua und dem Pazifikstaat Nauru anerkannt, nachdem zwei andere pazifische Inselstaaten ihre vormalige Anerkennung zurückgezogen haben (RFE/RL 31.3.2014, vgl. FH 1.2016).

Politische Oppositionsgruppen und NGOS sind in Abchasien aktiv und beeinflussen die Politik. 2014 führten Massenproteste der Opposition zum Rücktritt des damaligen Präsidenten Ankwab und zu vorgezogenen Präsidentschaftswahlen, die Chadschimba gewann. Im Juni 2015 musste sich wiederum Chadschimba mit Forderungen der Opposition und der Kritik, sich zu sehr unter die Kontrolle Moskaus zu begeben, auseinandersetzen. Als Folge der Forderungen verabschiedete das Parlament mehrere Gesetze, die das Justiz-, Medien- und Bankensystem reformieren sollten. Die Möglichkeiten der gewählten Autoritäten die beschlossenen politischen Maßnahmen auch umzusetzen, sind durch den Einfluss Russlands, das einen beträchtlichen Teil des Staatshaushaltes finanziert, begrenzt (FH 1.2016).

Die politische Krise in Abchasien setzte sich 2016 fort. Nach ausgedehnten Massenprotesten am 15.12.2016 machte Defacto-Präsident Chadschimba Konzessionen an die Opposition. Chadschimba hat keine Kontrolle mehr über die Mehrheit im Parlament, welches zunehmend zu einem unabhängigen Akteur wird (EN 20.12.2016).

Das Justizsystem leidet unter chronischen Problemen, einschließlich des beschränkten Zugangs zu qualifizierter Rechtsvertretung, der Verletzung eines ordentlichen Gerichtsverfahrens sowie langer Untersuchungshaft. Die Gefängnisse sind mangelhaft ausgestattet (FH 1.2016).

Mit Beginn des Schuljahres 2015/16 haben die abchasischen Behörden Georgisch als Unterrichtssprache im Bezirk Gali, der von ethnischen Georgiern bewohnt wird, abgeschafft (GT 3.9.2015). Es gibt nunmehr keine Schulen mehr in Gali, wo 97% der Einwohner ethnische Georgier (Mengrelier) sind, die Georgisch als Unterrichtssprache verwenden. Georgische Kinder müssen die Unterrichtsfächer auf Russisch bewältigen, auch wenn sie geringe Kenntnisse des Russischen besitzen. Die abchasischen Behörden verbieten den Lehrern, die russischen Wörter auf Georgisch zu erklären. LehrerInnen wurden strikt gewarnt, den Unterricht auf Russisch abzuhalten, ansonsten drohe die Kündigung. Während die Verwendung des Georgischen unterbunden wird, fördern die abchasischen Behörden die Verwendung des Mengrelischen (ebenso wie Georgisch eine kartvelische Sprache), die eigentliche Muttersprache der meisten ethnischen Georgier in Abchasien. Mengrelisch ist wiederum in Georgien weder Amts- noch Unterrichtssprache, weil man separatistische Strömungen fürchtet. Georgischer Sprachunterricht als solcher findet weiterhin statt. Als separates Sprachfach werden drei Stunden wöchentlich unterrichtet (GINSC 19.4.2016).

Die abchasischen Behörden inhaftieren weiterhin viele Personen, die die "Grenze" illegal überquert haben sollen. Russische Grenzwächter entlang der Verwaltungsgrenze zwischen Abchasien und Georgien setzen normalerweise die Regeln der abchasischen Machthaber um, indem sie Individuen abstrafen und wieder freilassen. Es gab Berichte über willkürliche Verhaftungen von ethnischen Georgiern in den abtrünnigen Gebieten. Ihnen wurden weder die Gründe für die Haft noch für das Vorführen vor den Staatsanwalt mitgeteilt. Das abchasische Gesetz von 2008 macht es Binnenflüchtlingen, die anderswo in Georgien leben, unmöglich ihr Eigentum zu reklamieren, da das während des Krieges 1992-93 verlassene Eigentum als enteignet gilt (USDOS 3.3.2017).

Quellen:

* AA - Auswärtiges Amt (20.3.2017a): Georgien. Reise- und Sicherheitshinweise, http://www.auswaertiges-amt.de/sid_8108DEE44ECFAF67827A2F89BA2ACDB3/DE/Laenderinformationen/00-SiHi/Nodes/GeorgienSicherheit_node.html, Zugriff 20.3.2017

* EN - EurasiaNet: (20.12.2016): Explaining the Crisis in Abkhazia,

http://www.ecoi.net/local_link/334022/462400_en.html, Zugriff 22.2.2017

* FH - Freedom House (1.2016): Freedom in the World 2016 - Abkhazia, https://freedomhouse.org/report/freedom-world/2016/abkhazia, Zugriff 22.2.2017

* FP - Foreign Policy (26.8.2014): You Can't Go Home Again, http://foreignpolicy.com/2014/08/26/you-cant-go-home-again-4/?wp_login_redirect=0, Zugriff 22.2.2017

* GINSC - Gender Information Network of South Caucasus (19.4.2016): Georgian no longer language of instruction in Gali, Abkhazia, http://www.ginsc.net/home.php?option=article&id=34110&lang=en, Zugriff 22.2.2017

* GT - Georgia Today (3.9.2015): Georgian Language Banned from Gali Schools, http://georgiatoday.ge/news/1111/Georgian-Language-Banned-from-Gali-Schools, Zugriff 22.2.2017

* MAARA - Ministerium für Auswärtige Angelegenheiten der Republik Abchasien (o.D.): Allgemeine Informationen, http://mfaapsny.org/de/apsny/overview.php, Zugriff 22.2.2017

* NZZ - Neue Zürcher Zeitung (31.5.2014): Frustration über Misswirtschaft - Politische Pattsituation in Abchasien, http://www.nzz.ch/aktuell/startseite/kritik-an-der-schutzmacht-russlands-politische-pattsituation-in-abchasien-1.18313140, Zugriff 22.2.2017

* RFE/RL - Radio Free Europe/Radio Liberty (31.3.2014): Tuvalu Retracts Recognition Of Abkhazia, South Ossetia, http://www.rferl.org/content/tuvalu-georgia-retracts-abkhazia-ossetia-recognition/25315720.html, Zugriff 22.2.2017

* USDOS - US Department of State (3.3.2017): Country Report on Human Rights Practices 2016, http://www.ecoi.net/local_link/337143/466903_en.html, 17.3.2017

2.2. Regionale Problemzone: Südossetien

Das Gebiet Südossetien gehört völkerrechtlich zu Georgien, steht seit 1993 aber nicht mehr unter dem Einfluss der georgischen Regierung. Die Lage in Südossetien ist weiterhin unsicher. Nach den Waffenstillstandsvereinbarungen seit dem Krieg 2008 ist die Verwaltungsgrenze zu Südossetien Sperrgebiet. Ein Zutritt wird von georgischen Sicherheitskräften verhindert. Es besteht in diesem Gebiet darüber hinaus eine erhöhte Gefahr durch Minen und nicht explodierte Munition. Südossetien ist für den internationalen Reiseverkehr gesperrt. Ein Grenzübertritt von Russland nach Südossetien und umgekehrt (Roki-Tunnel) ist nach georgischen Gesetzen illegal (AA 20.3.2017a).

2008 schuf Russland nach einem Fünf-Tage-Krieg gegen Georgien Fakten, indem es nebst Abchasien auch Südossetien als unabhängigen Staat anerkannte und dessen Existenz bis heute mit einer starken Militärpräsenz sichert. Der 2008 geschlossene Waffenstillstand ist fragil. Immer wieder kommt es an den Verwaltungsgrenzen zu Zwischenfällen. Auch verschob das weltweit überwiegend nicht anerkannte Regime Südossetiens mehrmals seine "Staatsgrenze" weiter in georgisches Gebiet hinein. Unklar ist auch das Schicksal von bis zu 130.000 Georgiern, die aus Südossetien fliehen mussten und denen eine Rückkehr in ihre beschlagnahmten bzw. zerstörten Häuser vom de-facto-Regime in Tskhinvali, der Hauptstadt Südossetiens, verweigert wird. Die meisten dieser Binnenflüchtlinge leben bis heute in Flüchtlingssiedlungen nahe ihrer alten Heimat. Die meisten Südossetier sind mittlerweile russische Staatsbürger und der de-facto-Präsident Südossetiens, Leonid Tibilov, fordert gar eine Aufnahme des Gebietes in den russischen Staatsverband (FNS 8.4.2016).

Südossetiens Außenbeziehungen waren im Laufe des Jahres 2015 ein wichtiges Thema der öffentlichen Diskussion. Im Parlament Südossetiens prallten Gegner und Befürworter einer engeren Bindung an Russland aufeinander. Im März 2015 unterzeichnete Südossetiens De-facto-Präsident, Leonid Tibilov, einen umfassenden bilateralen Vertrag über die Allianz bzw. die Integration Südossetiens in die Russische Föderation. Die russischen Hilfsleistungen machen fast zur Gänze den südossetischen Staatshaushalt aus. Fiskale Prozesse und entsprechende Entscheidungen sind größtenteils intransparent. Die Medien werden fast vollständig von der Regierung kontrolliert. Während vor 2008 es so gut wie keine Demonstrationen gegen die Regierung gab, hat sich die Situation deutlich verändert. Es fanden regelmäßig Proteste gegen den schleppenden Wiederaufbau und die Korruption statt. Anlässlich der Parlamentswahl 2014 konnten sich die Unterstützer der verschiedenen Kandidaten und Plattformen ohne nennenswerte Einschüchterungen versammeln. Südossetiens Justiz ist nicht unabhängig. Die Gerichtsbarkeit wird manipuliert, um die vermeintlichen Gegner der separatistischen Führung zu bestrafen. Regierungsunterstützer können laut Berichten bei Gesetzesbruch mit Straffreiheit rechnen. In den Gefängnissen sind Misshandlungen üblich und die Ausstattung ärmlich (FH 1.2016).

Im Juni 2014 wurden Parlamentswahlen abgehalten, die von Georgien, der EU und den USA nicht anerkannt wurden. Gewinnerin war die prorussische Partei "Geeintes Ossetien" (Jedinaja Ossetija) mit 43% bzw. 20 der 34 Abgeordnetensitze. Nebst "Geeintes Ossetien", das sich für die Vereinigung mit Nordossetien einsetzt und nach dem Vorbild der Krim einen Anschluss an Russland anstrebt, haben noch die Partei "Einheit des Volkes" (Jedinstwo Naroda), die "Volkspartei" (Norodnaja Partija) und die Partei "Nykhas" die Sieben-Prozent-Hürde übersprungen (CK 9.6.2014, vgl. auch Standard 9.6.2014).

Die südossetischen "Behörden" inhaftieren weiterhin viele Personen, die die administrative Grenze zu Georgien illegal überquert haben sollen. Russische Grenzwächter übergaben diese regelmäßig an die de facto-Machthaber. Laut georgischem Sicherheitsdienst werden die Festgenommenen nach zwei bis drei Tagen unter Bezahlung einer Geldstrafe freigelassen (USDOS 3.3.2017).

Quellen:

* AA - Auswärtiges Amt (20.3.2017a): Georgien. Reise- und Sicherheitshinweise, http://www.auswaertiges-amt.de/sid_8108DEE44ECFAF67827A2F89BA2ACDB3/DE/Laenderinformationen/00-SiHi/Nodes/GeorgienSicherheit_node.html, Zugriff 20.3.2017

* CK - Caucasian Knot (9.6.2014): Official of South Ossetian CEC confirms victory of "United Ossetia" at parliamentary elections, http://eng.kavkaz-uzel.ru/articles/28376/, Zugriff 23.2.2017

* Der Standard (9.6.2014): Prorussische Partei gewinnt Wahl in Südossetien, http://derstandard.at/2000001865997/Parlamentswahl-in-Suedossetien-begonnen, Zugriff 23.2.201

* FH - Freedom House (1.2016): Freedom in the World 2016 - Abkhazia, https://freedomhouse.org/report/freedom-world/2016/abkhazia, Zugriff 23.2.2017

* FNS - Friedrich Naumann Stiftung (8.4.2016): Hintergrund Georgien: Der lange Weg Georgiens nach Europa, https://www.google.at/url?sa=t&rct=j&q=&esrc=s&source=web&cd=2&ved=0ahUKEwj0rOSin6bSAhWE0RQKHaSNDpsQFgglMAE&url=https%3A%2F%2Fshop.freiheit.org%2Fdownload%2FP2%40597%2F67536%2FHG%252007-16_Georgien.pdf&usg=AFQjCNEgZxELnXYMm19agimSqTrqrSqMHQ&bvm=bv.147448319,d.d24, Zugriff 23.2.2017

* USDOS - US Department of State (3.3.2017): Country Report on Human Rights Practices 2016, http://www.ecoi.net/local_link/337143/466903_en.html, 17.3.2017

3. Rechtsschutz / Justizwesen

Georgien unternimmt Anstrengungen, sich bei der Rechtsreform und der Wahrung der Menschen- und Minderheitenrechte den Standards des Europarats anzupassen. 1996 wurde ein Verfassungsgericht eingerichtet, 1997 die Todesstrafe abgeschafft und 2007 die Abschaffung der Todesstrafe in der Verfassung verankert. In den Jahren seit der "Rosenrevolution" 2003/2004 hat Georgien anerkennenswerte Fortschritte bei der Polizeireform, dem erfolgreichen Kampf gegen die "Kleine Korruption" (Korruption im alltäglichen Umgang), der Reform der Steuergesetzgebung und der Verbesserung der Investitionsbedingungen erzielt. Im Rahmen der Justizreform wurde der Instanzenzug neu geregelt und eine radikale Verjüngung der Richterschaft durchgesetzt (AA 11.2016b).

Fortschritte sind insbesondere im Justizwesen und Strafvollzug zu erkennen, wo inzwischen eine unmenschliche Behandlung (auch Folter), die in der Vergangenheit durchaus systemisch vorhanden war, in aller Regel nicht mehr festgestellt werden kann. Der Aufbau eines unabhängigen und nach rechtsstaatlichen Grundsätzen handelnden Justizwesens gehört zu den wichtigsten Zielen der aktuellen Regierung. Zwei Reformwellen wurden bereits durchgeführt, die dritte Reformwelle steht seit einiger Zeit bevor. Sie betrifft insbesondere die unparteiische Zuteilung von Rechtsfällen an Richter und die Ernennung von Richtern aufgrund von Qualifikation und Eignung in einem transparenten Verfahren. Sehr aktive NGOs und der unabhängige Ombudsmann beobachten diesen Prozess aufmerksam (AA 10.11.2016).

Das dritte Paket an Gesetzesänderungen, das den anhaltenden Mangel an Transparenz im Justiz-Management bereinigen soll, wozu auch die Rechenschaftspflicht des Hohen Rates der Justiz sowie die zufällige Zuweisung von Fällen gehören, konnte laut Europäischer Kommission zwar Fortschritte verzeichnen, ist jedoch noch nicht vollständig angenommen worden. Die Begründungen für das Abhalten von geschlossenen oder öffentlichen Anhörungen werden nicht immer richtig kommuniziert. Die Transparenz bei der Zuteilung von Fällen, bei der Auswahl der Richteranwärter und der Gerichtsverwalter ist nicht vollständig gewährleistet. Der Umgang mit Disziplinarverfahren erfordert eine Stärkung. Die Mehrheit der Richter hat keine dauerhafte Amtszeit und die umstrittene dreijährige Probezeit für Richter besteht weiterhin. Die Justiz ist immer noch ernsthaft unterbesetzt und der Aktenrückstand steigt (EC 25.11.2016).

Kritisch betrachtet werden muss weiterhin die starke Neigung von Politikern, Richtern bei Gerichtsentscheidungen in brisanten Fällen eine vorrangig politische Motivation zu unterstellen und ggf. gesetzliche Änderungen vorzuschlagen. Politisch motivierte Strafverfolgung war bis 2012 erkennbar und erfolgte in der Regel durch Vorwürfe von Korruption, Amtsmissbrauch oder Steuervergehen. Nach dem Regierungswechsel wurden 190 in Zusammenarbeit mit der Zivilgesellschaft als politische Gefangene erklärte Häftlinge entlassen. Seit 2012 laufende Ermittlungen und teilweise schon mit rechtskräftigen Urteilen abgeschlossene Strafverfahren gegen hochrangige Mitglieder und nachgeordnete Mitarbeiter der ehemaligen Regierung werden aus Sicht des [deutschen] Auswärtigen Amtes nicht als politisch motiviert eingeschätzt, sondern sind Teil der erforderlichen juristischen Aufarbeitung der rechtswidrigen bzw. strafrechtlich relevanten Handlungen der Vorgängerregierung. Die Tatsache, dass Gerichte hierbei nicht immer den Anträgen der Staatsanwaltschaft folgen, zeigt eine wachsende Unabhängigkeit der Justiz und deutliche Grenzen für eine etwaige politische Zielsetzung der Verfahren (AA 10.11.2016).

Freedom House bewertete Anfang 2016 die Einmischung der Regierung und der Legislative in die Justiz weiterhin als erhebliches Problem, obwohl sich die gerichtliche Transparenz und die Rechenschaftspflicht in den letzten Jahren verbessert haben, letztere zum Teil aufgrund des verstärkten Medienzugangs zu den Gerichtssälen. Menschenrechtsorganisationen haben konsequent die Praxis der Staatsanwaltschaft kritisiert, wiederholt neue Anklagen gegen Gefangene einzureichen, um ihre Zeit in der Untersuchungshaft zu verlängern, eine Vorgehensweise, die durch eine Diskrepanz zwischen dem Strafgesetzbuch und der Verfassung möglich gemacht wird. Im September 2015 allerdings befand das Verfassungsgericht im Fall des ehem. Bürgermeisters von Tiflis, Ugulava, diese Praxis der Verlängerung der Untersuchungshaft als verfassungswidrig, weil die verfassungsmäßige Grenze von neun Monaten nicht überschritten werden darf. Ugulava gehörte zu zahlreichen ehemaligen UNM-Vertretern, die seit 2012 mit Strafprozessen konfrontiert wurden, was Fragen über die politischen Einflussnahme auf den Staatsanwalt aufwarf (FH 27.1.2016).

Während viele der Richter bemerkenswerte Anstrengungen unternahmen, ihr Niveau dadurch zu verbessern, indem sie ihren Entscheidungen mehr Substanz verliehen, besonders bei hochkarätigen Fällen, bleibt die Staatsanwaltschaft das schwächste Glied im Justizbereich. Bis 2012 war die Staatsanwaltschaft ein Teil der Exekutive, und die Gerichte waren bis zu einem gewissen Grad von der Exekutive abhängig. Die Staatsanwälte haben sich mittlerweile daran gewöhnt, ihren Vorbringen eine adäquate Qualität zu verleihen. Nur bei wenigen Gelegenheiten scheinen sie zurückhaltend zu sein. Nach der Trennung der Staatsanwaltschaft vom Justizministerium wurde allerdings keine Aufsichtsbehörde für die Staatsanwaltschaft institutionalisiert. Dieser Umstand beschädigt potentiell den Ruf des gesamten Justizsystems. Die Staatsanwaltschaft hat mehr als 4.000 Anträge von Opfern angeblicher Folter, unmenschlicher Behandlung oder Zwang erhalten, sowie von Personen, welche gezwungen wurden, ihr Eigentum während der Herrschaft von Mikheil Saakaschwili aufzugeben. Seit 2012 stellt der Umfang der Strafverfahren gegen die ehemalige Führung eine Herausforderung für die aktuelle Regierung dar. Ihr wird vorgeworfen, politisch motivierte Untersuchungen einzuleiten bzw. Gerichtsprozesse zu führen. Gleichzeitig wird die Staatsanwaltschaft oft kritisiert, weil sie nicht die Fälle von Beamten untersucht hat, die ihre Befugnisse überschritten haben, oder von Polizisten, die gegen das Gesetz verstoßen haben oder von Menschen, die behaupten, im Gefängnis misshandelt worden zu sein. Als Reaktion auf diese Situation hat die Staatsanwaltschaft ihre Absicht bekundet, eine neue Abteilung zu schaffen, die im Rahmen von Gerichtsverfahren begangene Straftaten untersuchen wird (BTI 1.2016).

Das georgische Strafrecht mit dem ursprünglichen Ansatz einer "zero tolerance policy" zeigte eine enorm hohe Verurteilungsrate von 99%, mitunter wegen konstruierter Straftaten, sowie hohe Haftstrafen. Mit dem Regierungswechsel 2012/13 erfolgte eine kontinuierliche Liberalisierung des Strafrechts durch Reduzierung der Strafmaße, aber auch eine erkennbar geringere Verurteilungsrate; diese ist auf eine stärkere Emanzipierung der Richterschaft von den Anträgen der Staatsanwaltschaft zurückzuführen, aber auch auf eine Stärkung der Rechte der Verteidigung im Strafprozess (AA 10.11.2016).

Am 12.1.2016 präsentierte der Menschenrechtskommissar des Europarats, Nils Mui?nieks, seine Beobachtungen zur Menschenrechtslage in Georgien. Mehrere Gesprächspartner wiesen auf die Mängel bei der Auswahl, Ernennung und Versetzung von Richtern hin. Versetzungen und Beförderungen von Richtern scheinen nicht durch spezifische Regeln und Kriterien reguliert zu sein, was die diesbezüglichen Entscheidungen als willkürlich erscheinen lässt und folglich das öffentliche Vertrauen in die Justiz untergräbt. Der Menschenrechtskommissar empfahl die diesbezügliche Umsetzung der Empfehlungen der Venediger Kommission und des Direktorats für Menschenrechte des Europarats (DHR) aus dem Jahr 2014. Überdies empfahl er, dass die Gerichtsfälle nach dem Zufallsprinzip den Richtern zugeteilt werden. Denn es gab Befürchtungen, dass prominente Fälle Richtern zugeteilt wurden, die als loyal zur Regierung gelten. Überdies sah der Menschenrechtskommissar die geltende dreijährige Probezeit für Richter als bedenklich an, weil letztere hierdurch anfälliger gegenüber einer möglichen Druckausübung sind. Auch in diesem Punkt empfahl Mui?nieks die Umsetzung der Empfehlungen der Venediger Kommission und des DHR, welche die Abschaffung der Probezeit für Richter vorsahen. Dem Menschenrechtskommissar wurden Berichte zuteil, wonach es wiederholt zu Drohungen und Einschüchterungen von Verfassungsrichtern kam. So beispielsweise im Fall "Ugulava [ehem. Bürgermeister von Tiflis] gegen das Parlament Georgiens". Richter und deren Familienmitglieder wurden von Bürgern bedrängt, die sich vor den Privathäusern der Richter versammelten und u.a. mit physischer Gewalt drohten (CoE-CommHR 12.1.2016).

Am 21.7.2016 erklärte der Vorsitzende des Verfassungsgerichts, dass einige Richter des Gerichtshofes von den Behörden unter Druck gesetzt worden seien, in mehreren hochkarätigen Fällen Urteile zu verschieben oder zugunsten Angeklagten zu entscheiden. Staatsanwälte haben am 1.8.2016 darauf reagiert und eine Untersuchung zu den Vorwürfen eingeleitet (AI 22.2.2017).

Quellen:

* AA - Auswärtiges Amt (10.11.2016): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in Georgien

* AA - Auswärtiges Amt (11.2016b): Staatsaufbau/Innenpolitik, http://www.auswaertiges-amt.de/DE/Aussenpolitik/Laender/Laenderinfos/Georgien/Innenpolitik_node.html, Zugriff 20.3.2017

* AI - Amnesty International (22.2.2017): Amnesty International Report 2016/17 - The State of the World's Human Rights - Georgia, http://www.ecoi.net/local_link/336488/466107_en.html, Zugriff 27.2.2017

* BTI - Bertelsmann Stiftung (1.2016), BTI 2016 - Georgia Country Report, https://www.bti-project.org/fileadmin/files/BTI/Downloads/Reports/2016/pdf/BTI_2016_Georgia.pdf, Zugriff 24.2.2017

* CoE-CommHR - Commissioner for Human Rights of the Council of Europe (12.1.2016): Observations on the human rights situation in Georgia: An update on justice reforms, tolerance and non-discrimination [CommDH(2016)2], https://rm.coe.int/CoERMPublicCommonSearchServices/DisplayDCTMContent?coeReference=CommDH(2016)2, Zugirff 27.2.2017

* EC - European Commission (25.11.2016): Association Implementation Report on Georgia [SWD (2016) 423 final], https://eeas.europa.eu/sites/eeas/files/1_en_jswd_georgia.pdf, Zugriff 24.2.2017

* FH - Freedom House (27.1.2016): Freedom in the World 2016 - Georgia, http://www.ecoi.net/local_link/327696/454796_en.html, Zugriff 27.2.2017

4. Sicherheitsbehörden

Umfangreicher Personalaustausch insbesondere in den Behördenleitungen, die begonnene juristische Aufarbeitung sowie Reformen in Polizei und erkennbare Verbesserungen im Strafvollzug, inklusive radikaler Veränderungen im Gefängnismanagement, haben Vorfälle von Gewaltanwendung überaus deutlich reduziert, ein systemischer Charakter ist nicht mehr feststellbar. Ombudsmann und zivilgesellschaftliche Organisationen sprechen bekannt werdende Vorfälle von Gewaltanwendung und ggf. unzureichend betriebene Ermittlungen öffentlich an (AA 10.11.2016).

Im Verlaufe des Jahres 2016 gab es keine Berichte, dass Mitglieder der Sicherheitskräfte unter Straflosigkeit Missbrauch begangen haben. Der Ombudsmann dokumentierte Fälle von übermäßigem Einsatz von Gewalt durch die Polizei. Laut Innenministerium wurden zwischen Jänner und Juli 2016 rund 1.300 Disziplinarverfahren eingeleitet. 23 Fälle sind dem Generalstaatsanwalt zu Ermittlungen überreicht worden, wobei zehn Fälle mit einer Verurteilung endeten (USDOS 3.3.2017).

Angesichts der Sorge in Bezug auf Folter, Misshandlungen und andere Missbräuche durch die Strafverfolgungsbeamten hat die Regierung keine Gesetzgebung geschaffen, die einen unabhängigen Untersuchungsmechanismus für Menschenrechtsverletzungen vorsieht, die von Strafverfolgungsbehörden begangen wurden (AI 22.2.2017).

Dem Menschenrechtskommissar des Europarates wurden alarmierende Fälle von Polizeigewalt im Speziellen auf Polizeiposten berichtet. Der Menschenrechtskommissar forderte die Behörden dazu auf, allen Anschuldigungen, besonders auf Grundlage der Informationen des Ombudsmannes, nachzugehen. Überdies sollte ein Untersuchungsmechanismus etabliert werden, der auf der Basis der Vorschläge des georgischen Ombudsmannes und des Europarats angebliche Rechtsverletzungen der Exekutive untersucht (CoE-CommHR 12.1.2016).

Quellen:

* AA - Auswärtiges Amt (10.11.2016): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in Georgien

* AI - Amnesty International (22.2.2017): Amnesty International Report 2016/17 - The State of the World's Human Rights - Georgia, http://www.ecoi.net/local_link/336488/466107_en.html, Zugriff 27.2.2017

* CoE-CommHR - Commissioner for Human Rights of the Council of Europe (12.1.2016): Observations on the human rights situation in Georgia: An update on justice reforms, tolerance and non-discrimination [CommDH(2016)2], https://rm.coe.int/CoERMPublicCommonSearchServices/DisplayDCTMContent?coeReference=CommDH(2016)2, Zugirff 27.2.2017

* USDOS - US Department of State (3.3.2017): Country Report on Human Rights Practices 2016, http://www.ecoi.net/local_link/337143/466903_en.html, 17.3.2017

5. Folter und unmenschliche Behandlung

Obschon die Verfassung und Gesetze derartige Praktiken verbieten, gab es Berichte, dass Regierungsbeamte von diesen Gebrauch machten. Auch wenn die Zahl und die Schwere der Beschuldigungen solcher Missbrauchsfälle durch das Gefängnispersonal laut Ombudsmann abgenommen habe, bleiben Berichte über Misshandlungen von Festgenommenen durch Polizisten ein akutes Problem. Der Ombudsmann betrachtet die betreffenden Ermittlungen in genannten Fällen als nicht effektiv, prompt und unparteiisch. NGOs und Ombudsmann empfehlen weiterhin die Schaffung eines unabhängigen Untersuchungsmechanismus bei Vorwürfen von Fehlverhalten von Amtsträgern (USDOS 3.3.2017).

Die Georgische Vereinigung Junger Anwälte (GYLA) kam, basierend auf 21 Einzelfällen von vermeintlichen Übergriffen der Gesetzesvollzugsorgane zu mehreren Schlussfolgerungen. Untersuchungen bei Beschwerden von Gewaltanwendung durch Exekutivbeamte wurden zwar eingeleitet, ihre Durchführung der meisten Untersuchungen erfolgte jedoch ineffizient, was sich insbesondere in ihrer verspäteten Durchführung äußerte. In einigen Fällen wurde gegen betroffene Personen, die angesichts der Übergriffe seitens der Exekutivorgane Ungehorsam oder Widerstand leisteten, eine Strafverfolgung eingeleitet. Zeugenaussagen durch Polizisten wurde seitens des Gerichts ein hohes Maß an Glaubwürdigkeit geschenkt, ohne dass Zweifel erhoben wurden (GYLA 2016).

Umfangreicher Personalaustausch insbesondere in den Behördenleitungen, die begonnene juristische Aufarbeitung sowie Reformen innerhalb der Polizei und erkennbare Verbesserungen im Strafvollzug, inklusive radikaler Veränderungen im Gefängnismanagement, haben Vorfälle von Gewaltanwendung überaus deutlich reduziert, ein systemischer Charakter ist nicht mehr feststellbar. Ombudsmann und zivilgesellschaftliche Organisationen sprechen bekannt werdende Vorfälle von Gewaltanwendung und ggf. unzureichend betriebene Ermittlungen öffentlich an (AA 10.11.2016)

Quellen:

* AA - Auswärtiges Amt (10.11.2016): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in Georgien

* GYLA - Georgian Young Lawyers' Association (2016): Crimes Allegedly Committed By Law Enforcement Officers And The State's Response To Them, https://www.gyla.ge/files/news/2016%20%E1%83%AC%E1%83%9A%E1%83%98%E1%83%A1%20%E1%83%92%E1%83%90%E1%83%9B%E1%83%9D%E1%83%AA%E1%83%94%E1%83%9B%E1%83%90/%E1%83%A1%E1%83%90%E1%83%9B%E1%83%90%E1%83%A0%E1%83%97%E1%83%90%E1%83%9A%E1%83%93%E1%83%90%E1%83%9B%E1%83%AA%E1%83%90%E1%83%95%E1%83%97%E1%83%90%20%20%E1%83%A1%E1%83%90%E1%83%A5%E1%83%9B%E1%83%94%E1%83%94%E1%83%91%E1%83%98%20-%20ENG.pdf, Zugriff 27.2.2017

* USDOS - US Department of State (3.3.2017): Country Report on Human Rights Practices 2016, http://www.ecoi.net/local_link/337143/466903_en.html, 17.3.2017

6. Korruption

Georgien hat die Zivil- und Strafrechtskonventionen über Korruption des Europarates sowie die UNO-Konvention gegen Korruption (UNCAC) ratifiziert. Die Gesetzgebung befolgt die UNO-Konvention gegen Korruption. Georgiens Strafgesetzgebung sieht Straften wegen versuchter Korruption, aktiver und passiver Bestechung, Bestechung ausländischer Beamter, sowie Geldwäsche vor. Der Strafrahmen reicht bis zu 15 Jahren Gefängnis und dem Entzug des Eigentums. Georgien hat die "Konvention über die Bekämpfung der Bestechung ausländischer Amtsträger im internationalen Geschäftsverkehr" der OECD aus dem Jahr 1999 bislang nicht unterzeichnet. Allerdings hat das Land die Antikorruptions-Konventionen des Europarates ratifiziert (BACP 5.2015).

Basierend auf dem Gesetz über "Interessenskonflikt und Korruption im Öffentlichen Dienst" wurde der Anti-

Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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