Entscheidungsdatum
12.05.2020Norm
AsylG 2005 §10 Abs1 Z3Spruch
W123 2194565-1/35E
IM NAMEN DER REPUBLIK!
Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch den Richter Dr. Michael ETLINGER über die Beschwerde des XXXX , geb. XXXX , StA. Afghanistan, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 16.03.2018, Zl. 830770104-1665833, nach Durchführung einer öffentlich mündlichen Verhandlung zu Recht:
A)
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
B)
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.
Text
ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:
I. Verfahrensgang:
1. Der Beschwerdeführer, ein afghanischer Staatsangehöriger, stellte am 08.06.2013 einen Antrag auf internationalen Schutz.
2. Im Rahmen der am 10.06.2013 durchgeführten Erstbefragung durch ein Organ des öffentlichen Sicherheitsdienstes gab der Beschwerdeführer zu seinem Fluchtgrund an, dass er noch ein Kind gewesen sei, als seine Eltern verstorben seien. Der Beschwerdeführer sei bei seinem Onkel mütterlicherseits aufgewachsen; dieser sei früher ein Mujahedd gewesen. Der Onkel habe wegen seiner Feinde in den Iran flüchten müssen, wobei er den Beschwerdeführer mitgenommen habe. Nun würde der Beschwerdeführer auch von seinen Feinden verfolgt.
3. Am 07.07.2014 fand die erste Einvernahme des Beschwerdeführers vor der belangten Behörde statt. Die Niederschrift lautet auszugsweise:
F: Fühlen Sie sich psychisch und physisch in der Lage, die gestellten Fragen
wahrheitsgemäß zu beantworten?
A: Ja.
F: Leiden Sie an irgendwelchen Krankheiten oder benötigen Sie Medikamente?
A: Chronische Krankheiten habe ich keine. Manchmal habe ich aber Kopfschmerzen und dann nehme ich im Bedarfsfall Medikamente dagegen ein.
[...]
F: Warum haben Sie Ihren Herkunftsstaat verlassen bzw. warum stellen Sie den
gegenständlichen Antrag auf int. Schutz?
A: Mein Onkel mütterlicherseits, der jetzt in Deutschland ist, war bei den Mujaheddin. Er
bekam mit anderen Leuten der Mujaheddin Probleme wegen Waffen. Mein Onkel hatte
viele Waffen zu Hause und hat diese dort versteckt. Irgendwann wollten die Mujaheddin
diese Waffen zurückhaben. Es kam zu einem Streit. Sie kamen ein paar Mal zu uns
nach Hause. Eines Tages kamen sie wieder, aber mein Onkel war nicht zu Hause. Mein
anderer Onkel und meine Oma waren zu Hause. Diese beiden wurden dann
erschossen. Mein Onkel bekam dann Angst. Mein Onkel, seine Frau und ich sind dann
in den Iran geflüchtet. Ca. zwölf bis dreizehn Jahre lebten wir im Iran. Dann bin ich von
der iranischen Polizei nach Afghanistan zurückgeschoben worden. Mein Onkel und
seine Frau haben während des Aufenthalts im Iran zwei Kinder bekommen. Mein Onkel
ist mit seiner Familie dann nach Deutschland gereist.
F: Gibt es noch weitere Gründe für die gegenständliche Antragstellung?
A: Nein, andere Gründe gibt es nicht.
F: Wurden Sie selbst je konkret bedroht?
A: Die Mujaheddin werden mich auch töten, weil ich wie ein Sohn meines Onkels bin.
F: Nochmals: Wurden Sie selbst je konkret bedroht?
A: Nein.
4. Im Rahmen eines am 26.01.2015 erstatteten Gutachtens von Dr. XXXX (Facharzt für Psychiatrie) wurden beim Beschwerdeführer folgende Diagnosen gestellt:
"paranoide Schizophrenie F20.2
Posttraumatische Belastungsstörung F43.1
hochgradige Hinweise für medikamenteninduzierten Kopfschmerz G44.4"
5. In einem Arztbrief von Dr. XXXX vom 14.11.2016 wurden beim Beschwerdeführer folgende Diagnosen festgestellt:
"Posttraumatische Belastungsstörung
Vordiagnose: paranoide Schizophrenie"
6. Am 12.04.2017 gab der Beschwerdeführer bekannt, dass er die Hochleitner Rechtsanwälte GmbH seiner Rechtsvertretung beauftragt und bevollmächtigt habe.
7. Am 20.04.2017 fand die zweite Einvernahme vor der belangten Behörde statt, in der der Beschwerdeführer folgende Beweisanträge stellte:
* zeugenschaftliche Einvernahme des XXXX zum Fluchtvorbringen
* zeugenschaftliche Einvernahme des XXXX zum Fluchtvorbringen
* zeugenschaftliche Einvernahme der Mag. XXXX zu den erlittenen Traumatisierungen
* zeugenschaftliche Einvernahme des Dr. XXXX zu den erlittenen Traumatisierungen sowie zum aktuellen Gesundheitszustand
8. Im Auftrag der belangten Behörde erstellte Prim. Dr. XXXX , LL.M am 21.07.2017 ein neurologisch-psychiatrisches Gutachten beim Beschwerdeführer. Dieses lautet auszugsweise:
"In Zusammenschau mit der Anamnese, der Klinik und dem Status leidet der Betroffene an folgenden neurologisch-psychiatrischen Erkrankungen:
1. Anpassungsstörung mit einer leichtgradigen depressiven Reaktion
2. Anamnestisch paranoide Schizophrenie
Ad 1)
[...]
Typische Symptome einer posttraumatischen Belastungsstörung lassen sich aktuell nicht nachweisen, [...]
Ad 2)
Vordiagnostiziert wurde die Erkrankung einer paranoiden Schizophrenie, entsprechende Arztbriefe liegen vor. Aktuell ist das Krankheitsbild stabil eingestellt, die Symptome weitgehend remittiert. Im Vordergrund steht eine Negativsymptomatik mit Antriebslosigkeit und Lustlosigkeit."
9. Am 06.02.2018 fand die dritten Einvernahme des Beschwerdeführers vor der belangten Behörde statt. Die Niederschrift lautet auszugsweise:
LA: Schildern Sie nochmals die Gründe, warum Sie Ihr Heimatland verlassen und einen
Antrag auf internationalen Schutz gestellt haben, von sich aus vollständig und
wahrheitsgemäß. Sie werden darauf hingewiesen, dass falsche Angaben die
Glaubwürdigkeit Ihres Vorbringens beeinträchtigen können. Soweit Sie auf Ereignisse
Bezug nehmen, werden Sie auch aufgefordert, den Ort und die Zeit zu nennen, wann
diese stattfanden und die Personen, die daran beteiligt waren. Sie haben jetzt auch
Gelegenheit, sich zu den Fragen, die von ihnen mit "Ja" oder "Nein" beantwortet wurden,
zu äußern.
AW: Ich habe in Afghanistan mit einer Firma gearbeitet. Diese Firma hat mit
Amerikanern zusammen gearbeitet. Ich habe in verschiedenen Provinzen gearbeitet,
z.B. in Kandahar am Flughafen. Ich habe auch am Flughafen Jalalabad gearbeitet. In
Provinz Kapisa, Distrikt XXXX und in XXXX , Provinz Paktia. Letzte Zeit habe ich in
Kabul in ISAF gearbeitet, das ist ein Teil von ausländischen Truppen. Ich habe
Probleme in Kabul bekommen. Als ich von meiner Arbeit nach Hause gefahren bin, bin
ich in einen Kleinbus eingestiegen. Ich wollte nach Hause fahren. Unterwegs, als wir zu
einer Kreuzung kamen, sahen wir Polizisten. Die hielten unser Auto an. Dann wurden
wir kontrolliert und er fragte mich, ob ich XXXX bin. Ich bejahte das. Es kam noch ein
Auto neben unser Auto, wo es anhielt. Darin waren 3 Personen. Die Polizisten haben
mich gezwungen, dass ich vom Auto aussteige. Dann haben sie mit Kalaschnikow
zugeschlagen und sagten zu mir, dass ich aussteigen soll. Sie haben mich in ein
anderes Auto einsteigen lassen und schlossen meine Augen mit einem Band. Dann sind
sie weiter gefahren. Sie haben mich nach XXXX , Provinz Kapisa gebracht. Sie haben
mich in ein Haus gebracht. Ich habe dort auch gesehen, dort waren auch ein paar Leute.
Einer von denen war eine Person, der einen langen Bart und lange Haare hatte und saß
gegenüber mir. Dann hat er Fragen gestellt - wie ich heiße, von welchem Dorf ich bin.
Dann sagte ich, von welcher Provinz und von welchem Dorf ich bin. Er sagte dann zu
mir, warum ich mit Amerikanern zusammenarbeite. Dann sagte ich, was soll ich
machen. Ich habe dann erklärt, dass ich 8 Jahre lang im Iran gearbeitet habe. Ich sagte,
ich habe nichts falsches gemacht - ich habe hier für afghanische Soldaten gearbeitet.
Ich sagte nochmal, was soll ich machen - soll ich eine Waffe nehmen oder soll ich mit
den Taliban zusammen arbeiten. Er sagte zu mir, Taliban ist gut. Er sagte zu mir, dass
ich nicht Muslime bin, weil ich mit Amerikanern zusammenarbeite und ob ich nicht weiß,
dass die gegen uns sind. Während unseres Gesprächs kamen andere Personen, die ein
bisschen weit von uns gestanden hatten - sie haben mich geschlagen. Er sagte zu mir,
du arbeitest mit unseren Feinden und trotzdem redest du so mit uns. Ich war
bewusstlos. Später habe ich meine Augen aufgemacht. Ich sah, dass ich in einem Keller
bin. Manchmal haben sie mir Wasser und ein bisschen Essen gegeben. Ich habe immer
im Keller meine Notdurft erledigt. Sie haben mein Handy genommen und ich hatte
manche Nummern darin gespeichert gehabt. Sie haben alle angerufen, bis sie meinen
Onkel mütterlicherseits gefunden haben. Zuerst sprachen sie mit dem Ehemann meiner
Tante, danach der Ehemann meiner Tante sprach mit dem Onkel mütterlicherseits und
fand ihn. Dann kam mein Onkel mütterlicherseits vom Iran nach Afghanistan. Sie haben
mit den Taliban Kontakt aufgenommen. Sie sagten den Taliban, dass ich im Iran war
und dass ich nicht weiß, dass es hier Probleme gibt - sie sollen mich bitte frei lassen.
Dann haben die Taliban gesagt, sie können mich nicht freilassen, sie töten mich. Mein
Onkel mütterlicherseits hat dann mit dem Dorfältersten zusammen gesprochen. Dann
kamen sie alle zu den Taliban nach XXXX - das heißt der Dorfälterste mit meinem
Onkel mütterlicherseits und führten mit den Taliban Gespräche. Mein Onkel
mütterlicherseits hat mir gesagt, dass ich bei den Taliban ca. 3 Monate im Gefängnis
war. Die Taliban haben mich dann vom Keller mitgenommen, brachten mich in ein
Zimmer. Die Taliban haben meinen Onkel mütterlicherseits gesagt, dass sie 2 Mio.
Afghani haben wollen. Mein Onkel mütterlicherseits hat mit den Taliban telefonisch
gesprochen und gesagt, dass er sich das nicht leisten kann. Danach haben die Taliban
gesagt, dass sie 1,5 Mio. Afghani haben wollen, sonst werde ich getötet. Ich habe
500.000 Afghani Ersparnisse von meiner Arbeit gehabt und 1 Mio. Afghani hat die Firma
von meinen Onkel mütterlicherseits ihm gegeben. Dann ist er mit einem Taxi bis XXXX
gefahren und gab persönlich den Taliban das Geld. Danach kam ich frei.
LA: Haben Sie sämtliche Gründe, die Sie veranlasst haben, Ihr Heimatland zu
verlassen, vollständig geschildert?
AW: Ja. Nachdem ich freigelassen wurde, kam ich ins Krankenhaus. Ich war ca. 1
Monat lang im Krankenhaus.
LA: Was das alles?
AW: Nachdem ich vom Krankenhaus entlassen wurde, kam ich zu meinem Chef. Mein
Onkel mütterlicherseits sprach mit meinem Chef und sagte, dass wir kein Geld mehr
haben - was müssen wir tun. Dann sagte mein Chef zu uns, dass ich weiter arbeiten
muss. Ich habe wieder mit meiner Arbeit begonnen. Es war Abend, als ich von meiner
Arbeit nach Hause fahren wollte. Als ich nach Hause gekommen war, hat mein Onkel
mütterlicherseits mir einen Brief gegeben und gezeigt, den ich bereits vorlegte. Er sagte,
dass der Brief in Paschtu ist. Ich konnte den Brief nicht lesen. Ich habe einen
Arbeitskollegen gehabt, er hat den Brief gelesen und gesagt, wenn die Taliban mich
finden, töten sie mich. Es war Abend, genaue Uhrzeit weiß ich nicht mehr. Nachdem
mein Arbeitskollege den Brief gelesen hatte, hatte ich mit meinem Onkel
mütterlicherseits das Haus verlassen und wir fuhren zu meiner Tante. Wir haben dort
alles erzählt. Der Ehemann meiner Tante hat den Schlepper gekannt. Dann ich, mein
Onkel mütterlicherseits fuhren zum Schlepper. Wir haben über unsere Probleme
gesprochen und sagten, dass wir Afghanistan verlassen wollen. Mein Onkel hat dem
Schlepper gesagt, wir haben das Geld nicht in bar, sondern ein Grundstück. Wir haben
pro Person 14.000 USD besprochen. Der Schlepper hat mein Grundstück bekommen.
Wir waren 2 Tage beim Schlepper. In den 2 Tage brachte er ein Auto nach Hause und
wir fuhren weiter nach Kandahar.
LA: Waren das alle Ihre Fluchtgründe?
AW: Ja, das waren alle.
[...]
V: In der EB am 10.06.2013 gaben Sie als Fluchtgrund lediglich die Angst vor den
Feinden Ihres Onkels an. Mehr Fluchtgründe hätten Sie nicht. Auch am 07.07.2014
gaben Sie ausschließlich dies als Fluchtgrund zu Protokoll. Bei der psychologischen
Untersuchung im Juli 2017 berichten Sie plötzlich entgegen allen vorherigen
Ausführungen von Tätigkeiten für eine amerik. Firma in Afghanistan von 2009 bis 2012
und eine Verhaftung durch die Taliban. Ebenso heute. Was sagen Sie dazu?
AW: Damals habe ich gesundheitliche Probleme gehabt. Ich habe das gesagt. Sie
sagten mir aber, nicht viel reden. Ich habe auch erwähnt, dass ich Kopfschmerzen habe.
Ich wollte auch nicht darüber erzählen. Wenn ich über meine Problem erzähle, meine
gesundheitliche Lage wird noch verschlechtert. Als ich beim Arzt war, sagte er, dass er
mir Medikamente verschrieben kann. Deswegen habe ich alles erzählt.
LA: Weshalb kommt in den ersten beiden EVs nicht einmal mit einem einzigen Wort vor,
dass Sie von den Taliban inhaftiert wurden?
AW: Ich war krank, das war eine nicht interessante Geschichte für mich. Ich woltle nicht
darüber erzählen.
V: In der EB gaben Sie zu Protokoll, dass Sie in Afghanistan nicht gearbeitet haben! Sie
haben lediglich ca. 10 Jahre als Maler in der Stadt XXXX , Iran, Gasse XXXX
XXXX (wo Sie auch mit Ihrem Onkel wohnten) gearbeitet. Was sagen Sie dazu?
AW: Ich habe das vergessen.
V: Laut den mehreren psychologischen Gutachten hat sich Ihr psychischer Zustand erst
während Ihres Aufenthaltes in Österreich verschlechtert! Ihnen wird Ihnen bei der
Ankunft in Österreich noch ein weitaus besserer Zustand diagnostiziert!
RV wendet an, dass das Letztgutachten des Dr. XXXX massive Widersprüche aufweist
-dass der Todesgrund der Eltern nicht genannt wird und dass der AW wegen
psychischen Problemen in Afghansitan behandelt worden wäre, was nicht den
Tatsachen entspricht. Er wurde nur wegen körperlichen Problemen behandelt.
AW: Damals war meine Gesundheit auch nicht gut. Aber nachdem mein Onkel
mütterlicherseits mich verlassen haben, verschlechterte sich mein Zustand mehr.
V: Noch am 07.07.2014 führten Sie sogar nach nochmaliger Rückfrage aus, dass Sie
persönlich nie bedroht worden sind! Was sagen Sie dazu?
AW: Ich habe damals über meine Probleme nicht alles geschildert. Damals habe ich
Familienprobleme gesagt. Ich habe gar nichts gesagt.
AW wird die entsprechende Passage aus dem Protokoll vorgelesen.
AW: Sie wollten mich nach Österreich abschieben. Die Deutschen.
LA: Diese Einvernahme fand aber statt, nachdem Sie bereits ca. 1 Jahr in Deutschland
waren.
AW: Meine gesundheitliche Lage war nicht gut. Die haben mich geschlagen. Ich habe
mir gedacht, dass mich die Polizei nun nach Afghanistan abschieben will. Ich bin
weggelaufen. Zuhause war ein Spiegel. Ich habe dagegen getreten, dabei habe ich mich verletzt. Nachgefragt war das in Deutschland.
10. Am 27.02.2018 erstattete der Beschwerdeführer eine Stellungnahme und führte aus, dass das neurologisch-psychiatrische Sachverständigengutachten von Prim. Dr. XXXX , LL.M. vom 21.07.2017 nicht nur aktenwidrig und in sich widersprüchlich sei, sondern auch von einer falschen Wissenschaftsmethode ausgehe.
11. Mit dem angefochtenen Bescheid der belangten Behörde wurde der Antrag des Beschwerdeführers auf internationalen Schutz gemäß § 3 Abs. 1 iVm § 2 Abs .1 Z 13 AsylG 2005 bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten (Spruchpunkt I.) und gemäß § 8 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG 2005 bezüglich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf seinen Herkunftsstaat Afghanistan (Spruchpunkt II.) abgewiesen. Ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen wurde gemäß § 57 AsylG 2005 nicht erteilt (Spruchpunkt III.). Es wurde gegen den Beschwerdeführer gemäß § 52 Abs. 2 Z 2 FPG eine Rückkehrentscheidung erlassen sowie gemäß § 52 Abs. 9 FPG bzw. § 55 Abs. 1 bis 3 FPG festgestellt, dass die Abschiebung gemäß § 46 FPG nach Afghanistan zulässig sei und die Frist für die freiwillige Ausreise 14 Tage ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung betrage (Spruchpunkte IV.-VI.).
12. Gegen den obgenannten Bescheid der belangten Behörde richtet sich die fristgerecht eingebrachte Beschwerde vom 19.04.2018, in welcher der Beschwerdeführer auf die vorweggenommene Beweiswürdigung der belangten Behörde sowie auf die unterbliebenen Zeugeneinvernahmen durch die belangte Behörde hinwies. Zur Sicherheitslage in Afghanistan verwies der Beschwerdeführer auf eine Anfragebeantwortung der deutschen Bundesregierung an den Bundestag vom 05.02.2018, wonach eine Bewertung der Sicherheitslage nicht möglich sei, da die Sicherheitslag weiterhin volatil und starke regionale Unterschiede aufweisen würde. Aus diesem Grund führe die Bundesrepublik Deutschland auch nur Rückführungen bezogen auf Personen durch, die Straftäter seien, Gefährder und solche Personen, die sich hartnäckig an der Mitwirkung der Identitätsfeststellung weigern würden.
13. Am 10.03.2020 fand vor dem Bundesverwaltungsgericht eine öffentliche mündliche Verhandlung statt. Im Zuge dieser verwies das Bundesverwaltungsgericht den Rechtsvertreter des Beschwerdeführers auf Länderinformationen, die der Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichtes zu Grunde gelegt werden (vgl. Seite 20 des Verhandlungsprotokolls).
14. Mit Schriftsatz vom 15.04.2020 brachte der Beschwerdeführer einleitend vor, dass es sich bei einer Verfolgungsgefahr wegen der sexuellen Orientierung um einen Fluchtgrund iSd § 3 Abs. 1 AsylG handle. Ferner verwies der Beschwerdeführer auf die unzureichende medizinische Versorgung in Afghanistan. Für den Beschwerdeführer bestehe keine innerstaatliche Fluchtalternative, da er zu einer sozialen Gruppe zähle, die in Afghanistan verfolgt werde und zudem an einer psychischen Krankheit leide. Zur Sicherheitslage brachte der Beschwerdeführer vor, dass sich aus den EASO-Guideline vom Juni 2019 ergebe, dass die kriminellen Handlungen seit dem Jahr 2018 stark zugenommen hätten. In diesem Zusammenhang verwies der Beschwerdeführer auch auf eine aktuelle Studie von XXXX .
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
1. Feststellungen:
1.1. Zur Person und zu den Fluchtgründen des Beschwerdeführers:
Der Beschwerdeführer ist ein volljähriger und afghanischer Staatsangehöriger; er ist Angehöriger der Volksgruppe der Tadschiken.
Der Beschwerdeführer stammt aus dem Distrikt Guldara, Provinz Kabul, und hat zwei Jahre eine Anfängerschule (Kurs) besucht. Der Beschwerdeführer war in Afghanistan Analphabet. Die Eltern des Beschwerdeführers sind verstorben, als der Beschwerdeführer ca. sieben Jahre alt war. Nach dem Tod der Eltern wuchs der Beschwerdeführer bei seinem Onkel mütterlicherseits auf. Der Beschwerdeführer verließ mit seinem Onkel mütterlicherseits das erste Mal im Alter von ca. 11 Jahren Afghanistan und zog in den Iran. Im Iran hat er ca. 10 Jahre als Maler gearbeitet. Im Jahr 2011 wurde der Beschwerdeführer von den iranischen Behörden aufgegriffen und nach Afghanistan zurückgeschoben. Sein Heimatdorf Guldara verließ der Beschwerdeführer schließlich im Herbst 2012, um nach Europa zu fliehen.
Der Onkel, der den Beschwerdeführer aufzog, lebt mit seiner Frau in Deutschland, Bayern, in guten Verhältnissen und ist in einer Fleischerei tätig. Ein weiterer Onkel mütterlicherseits hält sich mit seiner Familie in Pakistan auf und arbeitet dort als Fahrer.
Der Beschwerdeführer war nie politisch tätig und gehörte nie einer politischen Partei an. Er ist in Afghanistan weder vorbestraft noch war er dort inhaftiert.
Der Beschwerdeführer stellte im Juni 2013 den vorliegenden Antrag auf internationalen Schutz.
Der Beschwerdeführer konnte nicht glaubhaft machen, dass er bei einer allfälligen Rückkehr nach Afghanistan aufgrund seiner Tätigkeit als Maler für eine amerikanische Firma mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit einer wie immer gearteten Verfolgung ausgesetzt wäre bzw. ein besonderes Interesse an seiner Person besteht bzw. bestehen könnte. Der Beschwerdeführer konnte ferner nicht glaubhaft machen, dass er bei einer allfälligen Rückkehr nach Afghanistan aufgrund seiner sexuellen Orientierung mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit einer wie immer gearteten Verfolgung ausgesetzt wäre.
Der Beschwerdeführer konnte nicht glaubhaft machen, dass ihm im Falle der Rückkehr in die Städte Herat und Mazar-e-Sharif ein Eingriff in seine körperliche Unversehrtheit drohen würde. Bei einer Rückkehr kann er mit finanzieller Hilfe seiner Familienangehörigen in Deutschland rechnen und könnte seine Existenz dort auch - zumindest anfänglich - mit Hilfs- und Gelegenheitsarbeiten sichern. Er ist auch in der Lage, in den Städten Herat und Mazar-e-Sharif eine einfache Unterkunft zu finden.
Der Beschwerdeführer kann die Städte Mazar-e-Sharif und Herat von Österreich aus sicher mit dem Flugzeug erreichen.
Aufgrund des aktuellen psychiatrischen Gutachtens kann nicht festgestellt werden, dass der Beschwerdeführer an einer schwerwiegenden psychischen Erkrankung leidet, die ein Rückkehrhindernis nach Afghanistan darstellen würde. Insbesondere ist die vorher diagnostizierte Erkrankung bzw. Störung aus dem schizophrenen Formenkreis als vollständig remittiert zu betrachten (vgl. Gutachten Prim. Dr. XXXX vom 14.11.2019).
Der Beschwerdeführer verfügt über das ÖSD-Zertifikat A2. Ferner verfügte der Beschwerdeführer bis 23.11.2019 über eine Beschäftigungsbewilligung für die berufliche Tätigkeit als Handarbeiter beim Arbeitgeber XXXX und XXXX . Der Beschwerdeführer ist nicht Mitglied eines Vereins.
Im Verfahrensakt liegt eine Meldung der Landespolizeidirektion Oberösterreich vom 29.08.2019 über die Straftat eines Asylwerbers gemäß § 30 Abs. 2 BFA-VG (vgl. OZ 7). Die Staatsanwaltschaft Wels verfügte laut richterlicher Bewilligung am 29.08.2019 die Festnahme des Beschwerdeführers in die Justizanstalt Wels (vgl. OZ 7). Mit Schreiben vom 02.09.2019 teilte die Staatsanwaltschaft Wels der belangten Behörde mit, dass gegen den Beschwerdeführer ein Ermittlungsverfahren wegen des Verdachtes der Verbrechen nach §§ 206 Abs. 1 und 207 Abs. 1 StGB geführt wird und mit Beschluss des Landesgerichtes Wels vom 30.08.2019 die Untersuchungshaft gegen den Beschwerdeführer verhängt wurde (vgl. OZ 8).
Am 06.03.2020 wurde der Beschwerdeführer vom Landesgericht Wels wegen des Verbrechens des sexuellen Missbrauchs von Unmündigen nach § 207 Abs. 1 StGB zu einer Freiheitsstrafe in der Dauer von 4 Jahren verurteilt (vgl. OZ 34). Das Urteil ist nicht rechtskräftig.
Der Beschwerdeführer befindet sich derzeit nach wie vor in Untersuchungshaft in der Justizanstalt Wels.
Der Beschwerdeführer ist ledig und lebt in keiner Ehe oder eheähnlichen Beziehung oder in einer dem gleichkommenden Partnerschaft.
1.2. Zum Herkunftsstaat:
1.2.1. Länderinformationsblatt der Staatendokumentation vom 13.11.2019
3. Sicherheitslage
Die Sicherheitslage in Afghanistan ist nach wie vor volatil (UNGASC 3.9.2019), nachdem im Frühjahr sowohl die Taliban als auch die afghanische Regierung neue Offensiven verlautbart hatten (USDOD 6.2019).
[...]
Die afghanische Regierung behält die Kontrolle über Kabul, die wichtigsten Bevölkerungszentren und Transitrouten sowie Provinzhauptstädte und die meisten Distriktzentren (USDOD 6.2019). Die afghanischen Kräfte sichern die Städte und andere Stützpunkte der Regierung.
[...]
3.5. Balkh
Balkh liegt im Norden Afghanistans und grenzt im Norden an Usbekistan, im Nordosten an Tadschikistan, im Osten an Kunduz und Baghlan, im Südosten an Samangan, im Südwesten an Sar-e Pul, im Westen an Jawzjan und im Nordwesten an Turkmenistan (UNOCHA 13.4.2014; vgl. GADM 2018). Die Provinzhauptstadt ist Mazar-e Sharif. Die Provinz ist in die folgenden Distrikte unterteilt: Balkh, Char Bolak, Char Kent, Chimtal, Dawlat Abad, Dehdadi, Kaldar, Kishindeh, Khulm, Marmul, Mazar-e Sharif, Nahri Shahi, Sholgara, Shortepa und Zari (CSO 2019; vgl. IEC 2018).
Nach Schätzung der zentralen Statistikorganisation Afghanistan (CSO) für den Zeitraum 2019-20 leben 1.475.649 Personen in der Provinz Balkh, davon geschätzte 469.247 in der Provinzhauptstadt Mazar-e Sharif (CSO 2019). Balkh ist eine ethnisch vielfältige Provinz, welche von Paschtunen, Usbeken, Hazara, Tadschiken, Turkmenen, Aimaq, Belutschen, Arabern und sunnitischen Hazara (Kawshi) bewohnt wird (PAJ o.D.; vgl. NPS o.D.).
Balkh bzw. die Hauptstadt Mazar-e Sharif ist ein Import-/Exportdrehkreuz sowie ein regionales Handelszentrum (SH 16.1.2017). Die Autobahn, welche zum usbekischen Grenzübergang Hairatan-Termiz führt, zweigt ca. 40 km östlich von Mazar-e Sharif von der Ringstraße ab. (TD 5.12.2017). In Mazar-e Sharif gibt es einen Flughafen mit Linienverkehr zu nationalen und internationalen Zielen (BFA Staatendokumentation 25.3.2019). Im Januar 2019 wurde ein Luftkorridor für Warentransporte eröffnet, der Mazar-e Sharif und Europa über die Türkei verbindet (PAJ 9.1.2019).
Laut dem Opium Survey von UNODC für das Jahr 2018 belegt Balkh den 7. Platz unter den zehn größten Schlafmohn produzierenden Provinzen Afghanistans. Aufgrund der Dürre sank der Mohnanbau in der Provinz 2018 um 30% gegenüber 2017 (UNODC/MCN 11.2018).
Hintergrundinformationen zum Konflikt und Akteure
Balkh zählt zu den relativ stabilen (TN 1.9.2019) und ruhigen Provinzen Nordafghanistans, in welcher die Taliban in der Vergangenheit keinen Fuß fassen konnten (AN 6.5.2019). Die vergleichsweise ruhige Sicherheitslage war vor allem auf das Machtmonopol des ehemaligen Kriegsherrn und späteren Gouverneurs von Balkh, Atta Mohammed Noor, zurückzuführen (RFE/RL o.D.; RFE/RL 23.3.2018). In den letzten Monaten versuchen Aufständische der Taliban die nördliche Provinz Balkh aus benachbarten Regionen zu infiltrieren. Drei Schlüsseldistrikte, Zari, Sholagara und Chahar Kant, zählen zu jenen Distrikten, die in den letzten Monaten von Sicherheitsbedrohungen betroffen waren. Die Taliban überrannten keines dieser Gebiete (TN 22.8.2019). Einem UN-Bericht zufolge, gibt es eine Gruppe von rund 50 Kämpfern in der Provinz Balkh, welche mit dem Islamischen Staat (IS) sympathisiert (UNSC 1.2.2019). Bei einer Militäroperation im Februar 2019 wurden unter anderem in Balkh IS-Kämpfer getötet (BAMF 11.2.2019).
Das Hauptquartier des 209. ANA Shaheen Corps befindet sich im Distrikt Dehdadi (TN 22.4.2018). Es ist für die Sicherheit in den Provinzen Balkh, Jawzjan, Faryab, Sar-e-Pul und Samangan zuständig und untersteht der NATO-Mission Train, Advise, and Assist Command - North (TAAC-N), welche von deutschen Streitkräften geleitet wird (USDOD 6.2019). Deutsche Bundeswehrsoldaten sind in Camp Marmal in Mazar-e Sharif stationiert (TS 22.9.2018).
Jüngste Entwicklungen und Auswirkungen auf die zivile Bevölkerung
Im Jahr 2018 dokumentierte UNAMA 227 zivile Opfer (85 Tote und 142 Verletzte) in Balkh. Dies entspricht einer Steigerung von 76% gegenüber 2017. Die Hauptursache für die Opfer waren Bodenkämpfe, gefolgt von improvisierten Bomben (IEDS; ohne Selbstmordattentate) und gezielten Tötungen. UNAMA verzeichnete für das Jahr 2018 insgesamt 99 zivile Opfer durch Bodenkämpfe in der Provinz (UNAMA 24.2.2019). Hinsichtlich der nördlichen Region, zu denen UNAMA auch die Provinz Balkh zählt, konnte in den ersten 6 Monaten ein allgemeiner Anstieg ziviler Opfer verzeichnet werden (UNAMA 30.7.2019).
Im Winter 2018/2019 (UNGASC 28.2.2019) und Frühjahr 2019 wurden ANDSF-Operationen in der Provinz Balkh durchgeführt (UNGASC 14.6.2019). Die ANDSF führen auch weiterhin regelmäig Operationen in der Provinz (RFERL 22.9.2019; vgl KP 29.8.2019, KP 31.8.2019, KP 9.9.2019) unter anderem mit Unterstützung der US-amerikanischen Luftwaffe durch (BAMF 14.1.2019; vgl. KP 9.9.2019). Taliban-Kämpfer griffen Einheiten der ALP, Mitglieder regierungsfreundlicher Milizen und Sicherheitsposten beispielsweise in den Distrikten Chahrbulak (TN 9.1.2019; vgl. TN 10.1.2019), Chemtal (TN 11.9.2018; vgl. TN 6.7.2018), Dawlatabad (PAJ 3.9.2018; vgl. RFE/RL 4.9.2018) und Nahri Shahi (ACCORD 30.4.2019) an.
Berichten zufolge, errichten die Taliban auf wichtigen Verbindungsstraßen, die unterschiedliche Provinzen miteinander verbinden, immer wieder Kontrollpunkte. Dadurch wird das Pendeln für Regierungsangestellte erschwert (TN 22.8.2019; vgl. 10.8.2019). Insbesondere der Abschnitt zwischen den Provinzen Balkh und Jawjzan ist von dieser Unsicherheit betroffen (TN 10.8.2019).
[...]
3.13. Herat
Die Provinz Herat liegt im Westen Afghanistans und teilt eine internationale Grenze mit dem Iran im Westen und Turkmenistan im Norden. Weiters grenzt Herat an die Provinzen Badghis im Nordosten, Ghor im Osten und Farah im Süden (UNOCHA 4.2014). Herat ist in 16 Distrikte unterteilt: Adraskan, Chishti Sharif, Fersi, Ghoryan, Gulran, Guzera (Nizam-i-Shahid), Herat, Enjil, Karrukh, Kohsan, Kushk (Rubat-i-Sangi), Kushk-i-Kohna, Obe/Awba/Obah/Obeh (AAN 9.12.2018; vgl. PAJ o.D., PAJ 13.6.2019), Pashtun Zarghun, Shindand, Zendahjan. Zudem bestehen vier weitere "temporäre" Distrikte - Poshtko, Koh-e-Zore (Koh-e Zawar), Zawol und Zerko (CSO 2019; vgl. IEC 2018) -, die zum Zweck einer zielgerichteteren Mittelverteilung aus dem Distrikt Shindand herausgelöst wurden (AAN 3.7.2015; vgl. PAJ 1.3.2015). Die Provinzhauptstadt von Herat ist Herat-Stadt (CSO 2019). Herat ist eine der größten Provinzen Afghanistans (PAJ o.D.).
Die CSO schätzt die Bevölkerung der Provinz für den Zeitraum 2019-20 auf 2.095.117 Einwohner, 556.205 davon in der Provinzhauptstadt (CSO 2019). Die wichtigsten ethnischen Gruppen in der Provinz sind Paschtunen, Tadschiken, Hazara, Turkmenen, Usbeken und Aimaqs, wobei Paschtunen in elf Grenzdistrikten die Mehrheit stellen (PAJ o.D.). Herat-Stadt war historisch gesehen eine tadschikisch dominierte Enklave in einer paschtunischen Mehrheits-Provinz, die beträchtliche Hazara- und Aimaq-Minderheiten umfasst (USIP 2015). Umfangreiche Migrationsströme haben die ethnische Zusammensetzung der Stadt verändert. Der Anteil an schiitischen Hazara ist seit 2001 besonders gestiegen, da viele aus dem Iran rückgeführt oder aus den Provinzen Zentralafghanistans vertrieben wurden (AAN 3.2.2019). Der Grad an ethnischer Segregation ist in Herat heute ausgeprägt (USIP 2015; vgl. BFA Staatendokumentation 13.6.2019).
Die Provinz ist durch die Ring Road mit anderen Großstädten verbunden (TD 5.12.2017). Eine Hauptstraße führt von Herat ostwärts nach Ghor und Bamyan und weiter nach Kabul. Andere Autobahn verbinden die Provinzhauptstadt mit dem afghanisch-turkmenischen Grenzübergang bei Torghundi sowie mit der afghanisch-iranischen Grenzüberquerung bei Islam Qala (iMMAP 19.9.2017). Ein Flughafen mit Linienflugbetrieb zu internationalen und nationalen Destinationen liegt in der unmittelbaren Nachbarschaft von Herat-Stadt (BFA Staatendokumentation 25.3.2019).
Laut UNODC Opium Survey 2018 gehörte Herat 2018 nicht zu den zehn wichtigsten Schlafmohn anbauenden Provinzen Afghanistans. 2018 sank der Schlafmohnanbau in Herat im Vergleich zu 2017 um 46%. Die wichtigsten Anbaugebiete für Schlafmohn waren im Jahr 2018 die Distrikte Kushk und Shindand (UNODC/MCN 11.2018).
Hintergrundinformationen zum Konflikt und Akteure
Herat gehört zu den relativ ruhigen Provinzen im Westen Afghanistans, jedoch sind Taliban-Kämpfer in einigen abgelegenen Distrikten aktiv und versuchen oft terroristische Aktivitäten durchzuführen (KP 19.5.2019; vgl. KP 17.12.2018). Je mehr man sich von Herat-Stadt (die als "sehr sicher" gilt) und den angrenzenden Distrikten Richtung Norden, Westen und Süden entfernt, desto größer wird der Einfluss der Taliban (BFA Staatendokumentation 13.6.2019).
Auch im Vergleich zu Kabul gilt Herat-Stadt einem Mitarbeiter von IOM-Kabul zufolge zwar als sicherere Stadt, doch gleichzeitig wird ein Anstieg der Gesetzlosigkeit und Kriminalität verzeichnet: Raubüberfälle nahmen zu und ein Mitarbeiter der Vereinten Nationen wurde beispielsweise überfallen und ausgeraubt. Entführungen finden gelegentlich statt, wenn auch in Herat nicht in solch einem Ausmaß wie in Kabul (BFA Staatendokumentation 13.6.2019).
Der Distrikt mit den meisten sicherheitsrelevanten Vorfällen ist der an Farah angrenzende Distrikt Shindand, wo die Taliban zahlreiche Gebiete kontrollieren. Wegen der großen US-Basis, die in Shindand noch immer operativ ist, kontrollieren die Taliban jedoch nicht den gesamten Distrikt. Aufgrund der ganz Afghanistan betreffenden territorialen Expansion der Taliban in den vergangenen Jahren sah sich jedoch auch die Provinz Herat zunehmend von Kampfhandlungen betroffen. Dennoch ist das Ausmaß der Gewalt im Vergleich zu einigen Gebieten des Ostens, Südostens, Südens und Nordens Afghanistans deutlich niedriger (BFA Staatendokumentation 13.6.2019).
Innerhalb der Taliban kam es nach der Bekanntmachung des Todes von Taliban-Führer Mullah Omar im Jahr 2015 zu Friktionen (AAN 11.1.2017; vgl. RUSI 16.3.2016; SAS 2.11.2018). Mullah Rasoul, der eine versöhnlichere Haltung gegenüber der Regierung in Kabul einnahm, spaltete sich zusammen mit rund 1.000 Kämpfern von der Taliban-Hauptgruppe ab. Die Regierungstruppen kämpfen in Herat angeblich nicht gegen die Rasoul-Gruppe, die sich für Friedensgespräche und den Schutz eines großen Pipeline-Projekts der Regierung in der Region einsetzt (SAS 2.11.2018). Innerhalb der Taliban-Hauptfraktion wurde der Schattengouverneur von Herat nach dem Waffenstillstand mit den Regierungstruppen zum Eid al-Fitr-Fest im Juni 2018 durch einen als Hardliner bekannten Taliban aus Kandahar ersetzt (UNSC 13.6.2019).
2017 und 2018 hat der IS bzw. ISKP Berichten zufolge drei Selbstmordanschläge in Herat-Stadt durchgeführt (taz 3.8.2017; Reuters 25.3.2018).
Aufseiten der Regierung ist das 207. Zafar-Corps der ANA für die Sicherheit in der Provinz Herat verantwortlich (USDOD 6.2019; vgl. PAJ 2.1.2019), das der NATO-Mission Train, Advise, and Assist Command - West (TAAC-W) untersteht, welche von italienischen Streitkräften geleitet wird (USDOD 6.2019; vgl. KP 16.12.2018).
Jüngste Entwicklungen und Auswirkungen auf die zivile Bevölkerung
Im Jahr 2018 dokumentierte UNAMA 259 zivile Opfer (95 Tote und 164 Verletzte) in Herat. Dies entspricht einem Rückgang von 48% gegenüber 2017. Die Hauptursache für die Opfer waren improvisierten Sprengkörper (improvised explosive devices, IEDs; ohne Selbstmordanschläge), gefolgt von Kämpfen am Boden und gezielten Tötungen (UNAMA 24.2.2019).
In der Provinz Herat kommt es regelmäßig zu militärischen Operationen (KP 16.6.2019; vgl. KP 28.9.2019, KP 29.6.2019, KP 17.6.2019, 21.5.2019). Unter anderem kam es dabei auch zu Luftangriffen durch die afghanischen Sicherheitskräfte (KP 16.6.2019; vgl. AN 23.6.2019). In manchen Fällen wurden bei Drohnenangriffen Talibanaufständische und ihre Führer getötet (AN 23.6.2019; vgl. KP 17.12.2018; KP 25.12.2018). Der volatilste Distrikt von Herat ist Shindand. Dort kommt es zu gewalttätigen Zusammenstößen zwischen rivalisierenden Taliban-Fraktionen, wie auch zwischen den Taliban und regierungsfreundlichen Kräften (NYTM 12.12.2018; AJ 7.12.2018; AN 30.11.2018; KP 28.4.2018; VoA 13.4.2018). Regierungskräfte führten beispielsweise im Dezember 2018 (KP 17.12.2018) und Januar 2019 Operationen in Shindand durch (KP 26.1.2019). Obe ist neben Shindand ein weiterer unsicherer Distrikt in Herat (TN 8.9.2018). Im Dezember 2018 wurde berichtet, dass die Kontrolle über Obe derzeit nicht statisch ist, sondern sich täglich ändert und sich in einer Pattsituation befindet (AAN 9.12.2018). Im Juni 2019 griffen die Aufständischen beispielsweise mehrere Posten der Polizei im Distrikt an (AT 2.6.2019; vgl. PAJ 13.6.2019) und die Sicherheitskräfte führten zum Beispiel Anfang Juli 2019 in Obe Operationen durch (XI 11.7.2019). Außerdem kommt es in unterschiedlichen Distrikten immer wieder zu bewaffneten Zusammenstößen zwischen Taliban und Sicherheitskräften (KP 5.7.2019; vgl. PAJ 30.6.2019) wie z.B in den Distrikten Adraskan, Fersi, Kushk-i-Kohna, Obe, Rabat Sangi, Shindand und Zawol (PAJ 30.6.2019).
Auf der Autobahn zwischen Kabul und Herat sowie Herat und Farah werden Reisende immer wieder von Taliban angehalten; diese fordern von Händlern und anderen Reisenden Schutzgelder (ST 14.12.2018).
IDPs - Binnenvertriebene
UNOCHA meldete für den Zeitraum 1.1.-31.12.2018 609 konfliktbedingt aus der Provinz Herat vertriebene Personen, von denen die meisten in der Provinz selbst Zuflucht fanden (UNOCHA 28.1.2019). Im Zeitraum vom 1.1.-30.6.2019 meldete UNOCHA 586 aus der Provinz Herat vertriebene Personen (UNOCHA 18.8.2019). Im Zeitraum vom 1.1.-31.12.2018 meldete UNOCHA 5.482 Vertriebene in die Provinz Herat, von denen die meisten (2.755) aus Ghor stammten (UNOCHA 28.1.2019). Im Zeitraum 1.1.-30.6.2019 meldete UNOCHA 6.459 konfliktbedingt Vertriebene in die Provinz Herat, von denen die meisten (4.769) aus Badghis stammten (UNOCHA 18.8.2019).
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3.35. Erreichbarkeit
Internationale Flughäfen in Afghanistan
In Afghanistan gibt es insgesamt vier internationale Flughäfen; alle vier werden für militärische und zivile Flugdienste genutzt (Migrationsverket 23.1.2018). Trotz jahrelanger Konflikte verzeichnet die afghanische Luftfahrtindustrie einen Anstieg in der Zahl ihrer wettbewerbsfähigen Flugrouten. Daraus folgt ein erleichterter Zugang zu Flügen für die afghanische Bevölkerung. Die heimischen Flugdienste sehen sich mit einer wachsenden Konkurrenz durch verschiedene Flugunternehmen konfrontiert. Flugrouten wie Kabul - Herat und Kabul - Kandahar, die früher ausschließlich von Ariana Afghan Airlines angeboten wurden, werden nun auch von internationalen Fluggesellschaften abgedeckt (AG 3.11.2017).
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Internationaler Flughafen Mazar-e Sharif
Im Jahr 2013 wurde der internationale Maulana Jalaluddin Balkhi Flughafen in Mazar-e Sharif, der Hauptstadt der Provinz Balkh, eröffnet (PAJ 9.6.2013). Nachdem der Flughafen Mazar-e Sharif derzeit die Anforderungen eines erhöhten Personen- und Frachtverkehrsaufkommens nicht erfüllt, ist es notwendig, den Flughafen nach internationalen Standards auszubauen, inklusive entsprechender Einrichtungen der Luftraumüberwachung und der Flugverkehrskontrolle. Die afghanische Regierung will dieses Projekt gemeinsam mit der deutschen Bundesregierung und finanzieller Unterstützung des ADFD (Abu Dhabi Fund for Development) angehen. Langfristig soll der Flughafen als internationaler Verkehrsknotenpunkt zwischen Europa und Asien die wirtschaftliche Entwicklung der Region entscheidend verbessern (BFA Staatendokumentation 4.2018).
Folgende internationale Airline fliegt nach Maza-e Sharif: Turkish Airlines aus Istanbul (Flightradar 4.11.10.2019).
Nationale Airlines (Kam Air und Ariana Afghan Airlines) fliegen Mazar-e Sharif international aus Moskau, Jeddah und Medina an (Flightradar 4.11.10.2019).
Innerstaatlich gehen Flüge von und nach Mazar-e Sharif (durch Kam Air bzw. Ariana Afghan Airlines) zu den Flughäfen von Kabul und Maimana (Flightradar 4.11.10.2019).
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Internationaler Flughafen Herat
Der internationale Flughafen Herat befindet sich 10 km von der Provinzhauptstadt Herat entfernt. Der Flughafen wird u.a. von den Sicherheitskräften der ISAF benutzt, die einen Stützpunkt neben dem Flughafen haben. 2011 wurde ein neues Terminal mit Finanzierung der italienischen Regierung errichtet (HIA o.D.; ACAA o.D).
Nationale Airlines (Kam Air und Ariana Afghan Airlines) fliegen Herat international aus Medina und Delhi an (Flightradar 4.11.10.2019).
Innerstaatlich gehen Flüge von und nach Herat (durch Kam Air bzw. Ariana Afghan Airlines) zu den Flughäfen nach Kabul, Farah und Chighcheran (Flightradar 4.11.10.2019).
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19.1. Meldewesen
Afghanistan hat kein zentrales Bevölkerungsregister, ebenso wenig "gelbe Seiten" oder Datenbanken mit Telefonnummerneinträgen (EASO 2.2018; vgl. BFA 13.6.2019). Auch muss sich ein Neuankömmling bei Ankunft nicht in dem neuen Ort registrieren. Die Gemeinschafts- bzw. Bezirksältesten führen kein Personenstandsregister, die Regierung registriert jedoch Rückkehrer (BFA 13.6.2019). Durch die hohe soziale Kontrolle ist gerade im ländlichen Raum keine, aber auch in den Städten kaum Anonymität zu erwarten (AA 2.9.2019).
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21. Grundversorgung
Afghanistan ist nach wie vor eines der ärmsten Länder der Welt (AA 2.9.2019; AF 2018). Trotz Unterstützung der internationalen Gemeinschaft, erheblicher Anstrengungen der afghanischen Regierung und kontinuierlicher Fortschritte belegte Afghanistan 2018 lediglich Platz 168 von 189 des Human Development Index. Die Armutsrate hat sich laut Weltbank von 38% (2011) auf 55% (2016) verschlechtert. Dabei bleibt das Gefälle zwischen urbanen Zentren und ländlichen Gebieten Afghanistans eklatant: Außerhalb der Hauptstadt Kabul und der Provinzhauptstädte gibt es vielerorts nur unzureichende Infrastruktur für Energie, Trinkwasser und Transport (AA 2.9.2019).
Die afghanische Wirtschaft ist stark von internationalen Hilfsgeldern abhängig. Das Budget zur Entwicklungshilfe und Teile des operativen Budgets stammen aus internationalen Hilfsgeldern (AF 2018; vgl. WB 7.2019). Jedoch konnte die afghanische Regierung seit der Fiskalkrise des Jahres 2014 ihre Einnahmen deutlich steigern (USIP 15.8.2019; vgl. WB 7.2019).
Die afghanische Wirtschaft stützt sich hauptsächlich auf den informellen Sektor (einschließlich illegaler Aktivitäten), der 80 bis 90 % der gesamten Wirtschaftstätigkeit ausmacht und weitgehend das tatsächliche Einkommen der afghanischen Haushalte bestimmt (ILO 5.2012; vgl. ACCORD 7.12.2018). Lebensgrundlage für rund 80% der Bevölkerung ist die Landwirtschaft (FAO 2018; vgl. Haider/Kumar 2018), wobei der landwirtschaftliche Sektor gemäß Prognosen der Weltbank im Jahr 2019 einen Anteil von 18,7% am Bruttoinlandsprodukt (BIP) hat (Industrie: 24,1%, tertiärer Sektor: 53,1%; WB 7.2019). Das BIP Afghanistans betrug im Jahr 2018 19,36 Mrd. US-Dollar (WB o.D.). Die Inflation lag im Jahr 2018 durchschnittlich bei 0,6% und wird für 2019 auf 3,1% prognostiziert (WB 7.2019).
Afghanistan erlebte von 2007 bis 2012 ein beispielloses Wirtschaftswachstum. Während die Gewinne dieses Wachstums stark konzentriert waren, kam es in diesem Zeitraum zu Fortschritten in den Bereichen Gesundheit und Bildung. Seit 2014 verzeichnet die afghanische Wirtschaft ein langsames Wachstum (im Zeitraum 2014-2017 durchschnittlich 2,3%, 2003-2013: 9%) was mit dem Rückzug der internationalen Sicherheitskräfte, der damit einhergehenden Kürzung der internationalen Zuschüsse und einer sich verschlechternden Sicherheitslage in Verbindung gebracht wird (WB 8.2018). Im Jahr 2018 betrug die Wachstumsrate 1,8%. Das langsame Wachstum wird auf zwei Faktoren zurückgeführt: einerseits hatte die schwere Dürre im Jahr 2018 negative Auswirkungen auf die Landwirtschaft, andererseits verringerte sich das Vertrauen der Unternehmer und Investoren. Es wird erwartet, dass sich das Real-BIP in der ersten Hälfte des Jahres 2019 vor allem aufgrund der sich entspannenden Situation hinsichtlich der Dürre und einer sich verbessernden landwirtschaftlichen Produktion erhöht (WB 7.2019).
Arbeitsmarkt
Schätzungen zufolge sind 44% der Bevölkerung unter 15 Jahren und 54% zwischen 15 und 64 Jahren alt (ILO 2.4.2018). Am Arbeitsmarkt müssten jährlich geschätzte 400.000 neue Arbeitsplätze geschaffen werden, um Neuankömmlinge in den Arbeitsmarkt integrieren zu können (BFA 4.2018). Somit treten jedes Jahr sehr viele junge Afghanen in den Arbeitsmarkt ein, während die Beschäftigungsmöglichkeiten aufgrund unzureichender Entwicklungsressourcen und mangelnder Sicherheit nicht mit dem Bevölkerungswachstum Schritt halten können (WB 8.2018). In Anbetracht von fehlendem Wirtschaftswachstum und eingeschränktem Budget für öffentliche Ausgaben, stellt dies eine gewaltige Herausforderung dar. Letzten Schätzungen zufolge sind 1,9 Millionen Afghan/innen arbeitslos - Frauen und Jugendliche haben am meisten mit dieser Jobkrise zu kämpfen. Jugendarbeitslosigkeit ist ein komplexes Phänomen mit starken Unterschieden im städtischen und ländlichen Bereich. Schätzungen zufolge sind 877.000 Jugendliche arbeitslos; zwei Drittel von ihnen sind junge Männer (ca. 500.000) (BFA 4.2018; vgl. CSO 2018).
Der afghanische Arbeitsmarkt ist durch eine starke Dominanz des Agrarsektors, eine Unterrepräsentation von Frauen und relativ wenigen Möglichkeiten für junge Menschen gekennzeichnet. Es gibt einen großen Anteil an Selbständigen und mithelfenden Familienangehörigen, was auf das hohe Maß an Informalität des Arbeitsmarktes hinweist, welches mit der Bedeutung des Agrarsektors in der Wirtschaft einhergeht (CSO 8.6.2017). Im Rahmen einer Befragung an 15.012 Personen, gaben rund 36% der befragten Erwerbstätigen gaben an, in der Landwirtschaft tätig zu sein (AF 2018).
Fähigkeiten, die sich Rückkehrer/innen im Ausland angeeignet haben, können eine wichtige Rolle bei der Arbeitsplatzsuche spielen. Bei der Arbeitssuche spielen persönliche Kontakte eine wichtige Rolle. Eine Quelle betont jedoch die Wichtigkeit von Netzwerken, ohne die es nicht möglich sei, einen Job zu finden. (BFA 4.2018). Bei Ausschreibung einer Stelle in einem Unternehmen gibt es in der Regel eine sehr hohe Anzahl an Bewerbungen und durch persönliche Kontakte und Empfehlungen wird mitunter Einfluss und Druck auf den Arbeitgeber ausgeübt (BFA 13.6.2019). Eine im Jahr 2012 von der ILO durchgeführte Studie über die Beschäftigungsverhältnisse in Afghanistan bestätigt, dass Arbeitgeber persönliche Beziehungen und Netzwerke höher bewerten als formelle Qualifikationen. Analysen der norwegischen COI-Einheit Landinfo zufolge, gibt es keine Hinweise darüber, dass sich die Situation seit 2012 geändert hätte (BFA 4.2018).
In Afghanistan existiert keine finanzielle oder sonstige Unterstützung bei Arbeitslosigkeit. Lediglich beratende Unterstützung wird vom Ministerium für Arbeit und Soziale Belange (MoLSAMD) und der NGO ACBAR angeboten; dabei soll der persönliche Lebenslauf zur Beratung mitgebracht werden. Auch Rückkehrende haben dazu Zugang - als Voraussetzung gilt hierfür die afghanische Staatsbürgerschaft. Für das Anmeldeverfahren sind das Ministerium für Arbeit und Soziale Belange und die NGO ACBAR zuständig; Rückkehrende sollten auch hier ihren Lebenslauf an eine der Organisationen weiterleiten, woraufhin sie informiert werden, inwiefern Arbeitsmöglichkeiten zum Bewerbungszeitpunkt zur Verfügung stehen. Unter Leitung des Bildungsministeriums bieten staatliche Schulen und private Berufsschulen Ausbildungen an (BFA 4.2018).
Neben einer mangelnden Arbeitsplatzqualität ist auch die große Anzahl an Personen im wirtschaftlich abhängigen Alter (insbes. Kinder) ein wesentlicher Armutsfaktor (CSO 2018; vgl. Haider/Kumar 2018): Die Notwendigkeit, das Einkommen von Erwerbstätigen mit einer großen Anzahl von Haushaltsmitgliedern zu teilen, führt oft dazu, dass die Armutsgrenze unterschritten wird, selbst wenn Arbeitsplätze eine angemessene Bezahlung bieten würden. Ebenso korreliert ein Mangel an Bildung mit Armut, wobei ein niedriges Bildungsniveau und Analphabetismus immer noch weit verbreitet sind (CSO 2018).
Wirtschaft und Versorgungslage in den Städten Herat, Kabul und Mazar-e Sharif
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Herat
Der Einschätzung einer in Afghanistan tätigen internationalen NGO zufolge gehört Herat zu den "bessergestellten" und "sichereren Provinzen" Afghanistans und weist historisch im Vergleich mit anderen Teilen des Landes wirtschaftlich und sicherheitstechnisch relativ gute Bedingungen auf (BFA 13.6.2019). Aufgrund der sehr jungen Bevölkerung ist der Anteil der Personen im erwerbsfähigen Alter in Herat - wie auch in anderen afghanischen Städten - vergleichsweise klein. Erwerbstätige müssen also eine große Anzahl an von ihnen abhängigen Personen versorgen. Hinzu kommt, dass die Hälfte der arbeitstätigen Bevölkerung in Herat Tagelöhner sind, welche Schwankungen auf dem Arbeitsmarkt in besonderem Ausmaß ausgesetzt sind (USIP 2.4.2015).
Die Herater Wirtschaft bietet seit langem Arbeitsmöglichkeiten im Handel, darunter den Import und Export von Waren mit dem benachbarten Iran (GOIRA 2015; vgl. EASO 4.2019, WB/NSIA 9.2018), wie auch Bergbau und Produktion (EASO 4.2019). Die Industrie der kleinen und mittelständischen Unternehmen (KMUs) ist insbesondere im Handwerksbereich und in der Seiden- und Teppichproduktion gut entwickelt (GOIRA 2015; vgl. EASO 4.2019). Manche alten Handwerksberufe (Teppichknüpfereien, Glasbläsereien, die Herstellung von Stickereien) haben es geschafft zu überleben, während sich auch bestimmte moderne Industrien entwickelt haben (z.B. Lebensmittelverarbeitung und Verpackung) (EASO 4.2019). Die meisten der in KMUs Beschäftigten sind entweder Tagelöhner oder kleine Unternehmer (GOIRA 2015). Die Arbeitsplätze sind allerdings von der volatilen Sicherheitslage bedroht (insbesondere Entführungen von Geschäftsleuten oder deren Angehörigen durch kriminelle Netzwerke, im stillen Einverständnis mit der Polizei). Als weitere Probleme werden Stromknappheit, bzw. -ausfälle, Schwierigkeiten, mit iranischen oder anderen ausländischen Importen zu konkurrieren und eine steigende Arbeitslosigkeit genannt (EASO 4.2019).
Mazar-e Sharif
Mazar-e Sharif ist ein regionales Handelszentrum für Nordafghanistan, wie auch ein Industriezentrum mit großen Fertigungsbetrieben und einer Vielzahl von kleinen und mittleren Unternehmen, welche Kunsthandwerk und Teppiche anbieten (GOIRA 2015).
Dürre und Überschwemmungen
Während der Wintersaat von Dezember 2017 bis Februar 2018 gab es in Afghanistan eine ausgedehnte Zeit der Trockenheit. Dies verschlechterte die Situation für die von Lebensmittelunsicherheit geprägte Bevölkerung weiter und hatte zerstörerische Auswirkungen auf die wirtschaftlichen Existenzgrundlagen, was wiederum zu Binnenflucht führte und es den Binnenvertriebenen mittelfristig erschwert, sich wirtschaftlich zu erholen sowie die Grundbedürfnisse selbständig zu decken (FAO 23.11.2018; vgl. AJ 12.8.2018).
Günstige Regenfälle im Frühling und beinahe normale Temperaturen haben 2019 die Weidebedingungen wieder verbessert. Da sich viele Haushalte noch von der Dürre des Jahres 2018 erholen müssen, gilt die Ernährungslage für viele Haushalte im Zeitraum 10.2019-1.2020, weiterhin als "angespannt" bis "krisenhaft". Es wird erwartet, dass viele Haushalte vor allem in den höher gelegenen Regionen ihre Vorräte vor dem Winter aufbrauchen werden und bei begrenztem Einkommen und Zugang auf Märkte angewiesen sein werden (FEWS NET 8.2019).
Im März 2019 fanden in Afghanistan Überschwemmungen statt, welche Schätzungen zufolge, Auswirkungen auf mehr als 120.000 Personen in 14 Provinzen hatten. Sturzfluten Ende März 2019 hatten insbesondere für die Bevölkerung in den Provinzen Balkh und Herat schlimme Auswirkungen (WHO 3.2019). Unter anderem waren von den Überschwemmungen auch Menschen betroffen, die zuvor von der Dürre vertrieben wurden (GN 6.3.2019).
Armut und Lebensmittelsicherheit
Einer Befragung aus dem Jahr 2016/2017 an rund 155.000 Personen zufolge (Afghan Living Condition Survey - ALCS), sind rund 45% oder 13 Millionen Menschen in Afghanistan von anhaltender oder vorübergehender Lebensmittelunsicherheit betroffen (CSO 2018; vgl. USAID 11.4.2019), wobei der Anteil der Betroffenen im Osten, Norden und Nordosten am höchsten ist (CSO 2018). Gegenüber dem Zeitraum 2011-12 ist ihr Anteil bei einem Ausgangsniveau von 30% um 15 Prozentpunkte gestiegen (CSO 2018).
Im Zeitraum 2016-17 lebten dem ALCS zufolge 54,5% der Afghanen unter der Armutsgrenze. Gegenüber früheren Erhebungen ist der Anteil an armen Menschen in Afghanistan somit gestiegen (2007-08: 33,7%, 2011-12: 38,3%). Im ländlichen Raum war der Anteil an Bewohnern unter der Armutsgrenze mit 58,6% höher als im städtischen Bereich (41,6%) (CSO 2018). Es bestehen regionale Unterschiede: In den Provinzen Badghis, Nuristan, Kundus, Zabul, Helmand, Samangan, Uruzgan und Ghor betrug der Anteil an Menschen unter der Armutsgrenze gemäß offizieller Statistik 70% oder mehr, während er in einer Provinz - Kabul - unter 20% lag (NSIA 2019). Schätzungen zufolge, ist beispielsweise der Anteil der Bewohner unter der Armutsgrenze in Kabul-Stadt und Herat-Stadt bei rund 34-35%. Damit ist der Anteil an armen Menschen in den beiden urbanen Zentren zwar geringer als in den ländlichen Distrikten der jeweiligen Provinzen, jedoch ist ihre Anzahl aufgrund der Bevölkerungsdichte der Städte dennoch vergleichsweise hoch. Rund 1,1 Millionen Bewohner von Kabul-Stadt leben unter der Armutsgrenze. In Herat-Stadt beträgt ihre Anzahl rund 327.000 (WB/NSIA 9.2018).
2018 gaben rund 30% der 15.012 Befragten an, dass sich die Qualität ihrer Ernährung verschlechtert hat, während rund 17% von einer Verbesserung sprachen und die Situation für rund 53% gleich blieb. Im Jahr 2018 lag der Anteil der Personen, welche angaben, dass sich ihre Ernährungssituation verschlechtert habe, im Westen des Landes über dem Anteil in ganz Afghanistan. Beispielsweise die Provinz Badghis war hier von einer Dürre betroffen (AF 2018).
Bank- und Finanzwesen
Nach einer Zeit mit begrenzten Bankdienstleistungen, entstehen im Finanzsektor in Afghanistan schnell mehr und mehr kommerzielle Banken und Leistungen. Die kommerziellen Angebote der Zentralbank gehen mit steigender Kapazität des Finanzsektors zurück. Es ist mittlerweile auch relativ einfach, in Afghanistan ein Bankkonto zu eröffnen. Die Bank wird dabei nach folgendem fragen: Ausweisdokument (Tazkira), 2 Passfotos und 1.000 bis 5.000 AFN als Mindestkapital für das Bankkonto. Bis heute sind mehr als ein Dutzend Banken im Land aktiv: unter anderem die Afghanistan International Bank, Azizi Bank, Arian Bank, oder The First Microfinance Bank, Ghazanfar Bank, Maiwand Bank, Bakhtar Bank (IOM 2018).
Hawala-System
Über Jahrhunderte hat sich eine Form des Geldaustausches entwickelt, welche Hawala genannt wird. Dieses System, welches auf gegenseitigem Vertrauen basiert, funktioniert schnell, zuverlässig und günstig. Spezielle Dokumente sind nicht notwendig und der Geldtransfer ist weltweit möglich. Hawala wird von den unterschiedlichsten Kundengruppen in Anspruch genommen: Gastarbeiter, die ihren Lohn in die Heimat transferieren wollen, große Unternehmen und Hilfsorganisationen bzw. NGOs, aber auch Terrororganisationen (WKO 2.2017; vgl. WB 2003; FA 7.9.2016).
Das System funktioniert folgendermaßen: Person A übergibt ihrem Hawaladar (X) das Geld, z.B. 10.000 Euro und nennt ihm ein Passwort. Daraufhin teilt die Person A der Person B, die das Geld bekommen soll, das Passwort mit. Der Hawaladar (X) teilt das Passwort ebenfalls seinem Empfänger-Hawaladar (M) mit. Jetzt kann die Person B einfach zu ihrem Hawaladar (M) gehen. Wenn sie ihm das Passwort nennt, bekommt sie das Geld, z.B. in Afghani, ausbezahlt (WKO 2.2017; vgl. WB 2003).
So ist es möglich, auch größere Geldsummen sicher und schnell zu überweisen. Um etwa eine Summe von Peshawar, Dubai oder London nach Kabul zu überweisen, benötigt man sechs bis zwölf Stunden. Sind Sender und Empfänger bei ihren Hawaladaren anwesend, kann die Transaktion binnen Minuten abgewickelt werden. Kosten dafür belaufen sich auf ca. 1-2%, hängen aber sehr stark vom Verhandlungsgeschick, den Währungen, der Transaktionssumme, der Vertrauensposition zwischen Kunde und Hawaladar und nicht zuletzt von der Sicherheitssituation in Kabul ab. Die meisten Transaktionen gehen in Afghanistan von der Hauptstadt Kabul aus, weil es dort auch am meisten Hawaladare gibt. Hawaladare bieten aber nicht nur Überweisungen an, sondern eine ganze Auswahl an finanziellen und nicht-finanziellen Leistungen in lokalen, regionalen und internationalen Märkten. Beispiele für das finanzielle Angebot sind Geldwechsel, Spendentransfer, Mikro-Kredite, Tradefinance oder die Möglichkeit, Geld anzusparen. Als nichtmonetäre Leistungen können Hawaladare Fax- oder Telefondienste oder eine Internetverbindung anbieten (WKO 2.2017; vgl. WB 2003).
22. Medizinische Versorgung
Seit 2002 hat sich die medizinische Versorgung in Afghanistan stark verbessert, dennoch bleibt sie im regionalen Vergleich zurück (AA 2.9.2019). Die Lebenserwartung ist in Afghanistan von 50 Jahren i