TE Vwgh Erkenntnis 1997/12/10 97/03/0245

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Veröffentlicht am 10.12.1997
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Index

90/01 Straßenverkehrsordnung;

Norm

StVO 1960 §32 Abs1;
StVO 1960 §43;
StVO 1960 §44;
StVO 1960 §96 Abs1;
StVO 1960 §98 Abs3;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Dorner und die Hofräte Dr. Sauberer, Dr. Gruber, Dr. Gall und Dr. Handstanger als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Ungersböck, über die Beschwerde der Alpenstraßen AG in Innsbruck, vertreten durch Dr. Georg Santer, Rechtsanwalt in Innsbruck, Anichstraße 29, gegen den Bescheid der Tiroler Landesregierung vom 14. Juli 1997, Zl. IIb2-2-1-7-1/9, betreffend Vorschreibung verkehrspolizeilicher Maßnahmen, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.

Das Land Tirol hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von S 15.000,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen. Das Mehrbegehren wird abgewiesen.

Begründung

An die Beschwerdeführerin erging der Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Innsbruck vom 22. November 1994, dessen Spruch wie folgt lautet:

"Die Bezirkshauptmannschaft Innsbruck als Straßenpolizeibehörde gemäß § 94b StVO beauftragt die Alpenstraßen AG zur Entschärfung eines Unfallhäufigkeitspunktes im Bereich der A 13, Brennerautobahn, Ausfahrt Esso-Tankstelle Gries a. Br. folgende Maßnahmen durchzuführen:

1.

Die Trenninselspitze (Sperrfläche) bei der Tankstelleneinfahrt ist von km 29.407 bis km 29.500 zu verhängen.

2.

Bei der Tankstellenausfahrt von km 29.068 bis km 29.051 ist ebenfalls eine Trenninsel (Sperrfläche) farblich anzubringen.

3.

Von km 29.407 bis km 29.051 ist ein 2,5 m breiter Pannenstreifen farblich zu markieren.

4.

Anstelle der bestehenden drei Fahrspuren sind zwei Fahrspuren auszuführen.

5.

Im Bereich der Tankstellenausfahrt ist die "STOP"-Tafel durch das Verkehrszeichen "Vorrang geben" zu ersetzen.

6.

Bei km 29.050 ist ein Hinweiszeichen anzubringen (Voranzeiger für Fahrstreifenverlauf).

7.

Von km 29.051 ist auf die Länge von 100 m eine Beschleunigungsspur anzubringen, die nachfolgend als dritter Fahrstreifen fortgeführt wird."

In der Begründung dieses Bescheides heißt es u.a., es seien "gemäß § 96 StVO ... dem Straßenerhalter, in diesem Fall der Alpenstraßen AG, unfallverhütende Maßnahmen unverzüglich vorzuschreiben, wenn sich an bestimmten Stellen wiederholt Unfälle mit Personen- oder Sachschaden ereignen".

Der gegen diesen Bescheid von der Beschwerdeführerin erhobenen Berufung wurde mit dem vor dem Verwaltungsgerichtshof angefochtenen Bescheid mit der Maßgabe keine Folge gegeben, daß Punkt 1 der im bekämpften Bescheid verlangten Maßnahmen richtig zu lauten habe: "Die Trenninselspitze (Sperrfläche) bei der Tankstellen-Einfahrt ist von km 29.407 bis km 29.500 zu verlängern."

In der Begründung dieses Bescheides gelangt die belangte Behörde - unter Bezugnahme auf Äußerungen der Gendarmerie sowie der sowohl im erstinstanzlichen, als auch im zweitinstanzlichen Ermittlungsverfahren beigezogenen Verkehrssachverständigen - zum Ergebnis, daß die farbliche Markierung eines 2,5 m breiten Pannenstreifens und damit der Verzicht auf eine dritte Fahrspur bei Straßen-km 29.051 sowie die Anlage einer 100 m langen Beschleunigungsspur aus Gründen der Verkehrssicherheit als Sofortmaßnahmen unerläßlich sei. Konsequenterweise ergebe sich daraus auch die erforderliche Änderung der als Punkt 1 und 2 verlangten Änderung der Sperrflächen bei der Tankstellenzufahrt bzw. Tankstellenausfahrt. Die laut Punkt 5 und 6 vorgeschriebene Änderung der Verkehrszeichen stütze sich auf das Verhandlungsergebnis vom 10. August 1993.

Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift mit dem Antrag auf kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Nach § 60 AVG sind in der Begründung die Ergebnisse des Ermittlungsverfahrens, die bei der Beweiswürdigung maßgebenden Erwägungen und die darauf gestützte Beurteilung der Rechtsfrage klar und übersichtlich zusammenzufassen.

Der angefochtene Bescheid läßt die Rechtsgrundlagen der mit ihm getroffenen Entscheidung nicht erkennen und enthält schon insofern keine Beurteilung der Rechtsfrage im Sinne des § 60 AVG, als der angefochtene Bescheid auch keine Verweisung auf die Gründe im Bescheid der Vorinstanz enthält, und zwar in dem Sinne, daß die belangte Behörde als Berufungsbehörde in der Frage der rechtlichen Beurteilung mit der ersten Instanz einer Meinung sei.

Im übrigen ist in diesem Zusammenhang anzumerken, daß die Behörde erster Instanz bei ihrer rechtlichen Beurteilung irrte. Die Behörde bezieht sich hier offenbar auf den Abs. 1 des § 96 StVO 1960, der folgenden Wortlaut hat:

"(1) Ereignen sich an einer Straßenstelle oder -strecke wiederholt Unfälle mit Personen- oder Sachschaden, so hat die Behörde unverzüglich, insbesondere aufgrund von Berichten der Dienststellen von Organen der Straßenaufsicht oder sonstiger geeigneter Stellen, unter Durchführung eines Lokalaugenscheines, Einholung von Sachverständigengutachten, Auswertung von Unfallverzeichnissen u.dgl. - festzustellen, welche Maßnahmen zur Verhütung weiterer Unfälle ergriffen werden können; hiebei ist auf den jeweiligen Stand der Wissenschaft und Forschung Bedacht zu nehmen. Das Ergebnis dieser Feststellung ist demjenigen, der für die Ergreifung der jeweiligen Maßnahme zuständig ist, und der Landesregierung mitzuteilen."

Nach dem diesbezüglich klaren Wortlaut dieser Bestimmung erschöpft sich die Ermächtigung der Behörde darin, festzustellen, welche Maßnahmen zur Verhütung weiterer Unfälle ergriffen werden können. Eine Befugnis der Behörde, dem Straßenerhalter die Erfüllung bestimmter Maßnahmen vorzuschreiben (wie etwa nach § 98 Abs. 3 StVO 1960), enthält § 96 Abs. 1 StVO nicht. Dies zeigt auch § 96 Abs. 1a StVO 1960, wenn darin bestimmt wird, daß als unfallsverhütend festgestellte Maßnahmen unverzüglich zu verwirklichen sind; ist das nicht möglich, so hat die Stelle, die für die Ergreifung der Maßnahme zuständig ist, der feststellenden Behörde und der Landesregierung die Umstände mitzuteilen, die diesen Maßnahmen entgegenstehen.

Aber auch § 98 Abs. 3 StVO 1960, worauf der Bundesminister für öffentliche Wirtschaft und Verkehr im Antrag vom 7. Oktober 1994 Bezug nimmt, böte keine Rechtsgrundlage für die hier vorgeschriebenen bzw. jedenfalls nicht für sämtliche Maßnahmen.

§ 98 Abs. 3 StVO 1960 hat folgenden Wortlaut:

"Der Straßenerhalter darf auch ohne behördlichen Auftrag Einrichtungen zur Regelung und Sicherung des Verkehrs (§ 31 Abs. 1) anbringen; dies gilt unbeschadet der Bestimmungen über unaufschiebbare Verkehrsbeschränkungen (§ 44b), jedoch nicht für die in § 44 Abs. 1 genannten Straßenverkehrszeichen und Bodenmarkierungen. Die Behörde kann ihm jedoch, wenn es die Sicherheit, Leichtigkeit oder Flüssigkeit des Verkehrs erfordert, vorschreiben, Einrichtungen zur Regelung und Sicherung des Verkehrs zu entfernen oder an den von ihr zu bestimmenden Stellen anzubringen. Die Entfernung der genannten Einrichtungen kann die Behörde insbesondere verlangen, wenn ihre Anbringung gesetzwidrig oder sachlich unrichtig ist."

Wie der Verwaltungsgerichtshof schon im Erkenntnis vom 10. Februar 1982, Slg. Nr. 10.649/A, ausgeführt hat, ist § 98 Abs. 3 erster Satz StVO 1960 dahin zu verstehen, daß der Straßenerhalter nur jene Einrichtungen zur Regelung und Sicherung des Verkehrs ohne behördlichen Auftrag anbringen darf, für die es keiner Verordnung gemäß der Bestimmungen des § 43 StVO 1960 bedarf, und zwar ohne Unterschied, ob es sich um Straßenverkehrszeichen oder Bodenmarkierungen handelt.

Aus der Verknüpfung des ersten Satzes dieser Gesetzesstelle mit dem zweiten Satz (und auch dem dritten Satz), die inhaltlich darin besteht, daß der erste Satz eine allgemeine Ermächtigung des Straßenerhalters darstellt, in die wiederum regelnd einzugreifen die Straßenaufsichtsbehörde durch die Bestimmung des zweiten Satzes (und des dritten Satzes) ermächtigt wird, und auch sprachlich durch die Verwendung des Wortes "jedoch" zum Ausdruck gebracht wird, folgt, daß unter den im zweiten Satz genannten "Einrichtungen zur Regelung und Sicherung des Verkehrs" jene des ersten Satzes zu verstehen sind, also solche, für die es keiner Verordnung gemäß § 43 StVO 1960 bedarf. Damit erübrigt sich auch ein Eingehen auf die Frage, inwiefern eine individuelle Vorschreibung der Straßenaufsichtsbehörde an den Straßenerhalter (nach dem zweiten Satz dieser Gesetzesstelle) mit der Verfassungsvorschrift des Art. 18 Abs. 2 B-VG in Einklang gebracht werden kann, wonach Verwaltungsbehörden die von ihnen erzeugten, an die Allgemeinheit gerichteten Gebote und Verbote als Verordnungen zu erlassen haben (vgl. VfSlg. 12157/1989).

Schließlich ist noch anzumerken, daß auch § 32 Abs. 1 StVO 1960 - auf dem Boden der Aktenlage - keine Grundlage für die vorgeschriebenen Maßnahmen (jedenfalls nicht zur Gänze) bilden kann. Mag auch § 32 Abs. 1 StVO 1960 unter anderem dazu dienen, die Kundmachung einer Verordnung durch Anbringung der Straßenverkehrszeichen (wie hier das Ersetzen der "Stop"-Tafel durch das Verkehrszeichen "Vorrang geben") im Falle der Weigerung des Straßenerhalters mittels bescheidmäßigem Auftrag zu bewerkstelligen (vgl. das hg. Erkenntnis vom 18. April 1994, Zl. 92/03/0078), so ändert dies nichts daran, daß die Anordnung eines Verkehrsverbotes bzw. einer -beschränkung eines Verordnungsgebungsaktes der Behörde bedarf. Ein solcher Verordnungsgebungsakt ist aber der Aktenlage nicht zu entnehmen.

Damit erweist sich der oben dargestellte Begründungsmangel als eine wesentliche Verletzung von Verfahrensvorschriften, bei deren Einhaltung die belangte Behörde zu einem anderen Bescheid hätte kommen können. Der angefochtene Bescheid war schon aus diesem Grund gemäß § 42 Abs. 2 Z. 3 lit. c VwGG aufzuheben.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994. Das Mehrbegehren war abzuweisen, weil neben dem pauschalierten Schriftsatzaufwand ein Anspruch auf Ersatz der Umsatzsteuer nicht zuerkannt werden kann.

Im Hinblick auf die Beendigung des Beschwerdeverfahrens erübrigt sich ein Abspruch des Berichters über den Antrag, der Beschwerde aufschiebende Wirkung zuzuerkennen.

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1997:1997030245.X00

Im RIS seit

12.06.2001
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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