Entscheidungsdatum
16.05.2020Norm
AsylG 2005 §10 Abs1 Z3Spruch
W167 2180169-1/17E
IM NAMEN DER REPUBLIK!
Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Mag. Daria MACA-DAASE als Einzelrichterin über die Beschwerde von XXXX , StA. Afghanistan, vertreten durch den XXXX , gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl (BFA) vom XXXX XXXX , nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung zu Recht erkannt:
A)
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
B)
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.
Text
ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:
I. Verfahrensgang:
1. Der Beschwerdeführer reiste XXXX unter Umgehung der Grenzkontrolle in das österreichische Bundesgebiet ein und stellte am selben Tag einen Antrag auf internationalen Schutz. Bei der Erstbefragung XXXX vor Organen des öffentlichen Sicherheitsdienstes gab der Beschwerdeführer im Beisein eines Dolmetschers an, dass er seine Heimat verlassen musste, weil er von den Taliban bedroht worden sei. In seiner Region würden die Taliban herrschen. Diese hätten ihn zur Mitwirkung an ihrem Kampf gezwungen, was er jedoch verweigert habe. Deshalb sei er mit dem Tod bedroht worden.
Weiters gab der Beschwerdeführer an, dass er sein Heimatland vor ca. 2 Monaten Richtung Iran verlassen habe und über die Länder Türkei, Griechenland, Mazedonien, Serbien und Ungarn bis nach Österreich gereist sei. Während seiner Reise sei er in Griechenland und Ungarn von den Behörden aufgegriffen und erkennungsdienstlich behandelt worden. Einen Asylantrag habe er in keinem der genannten Länder gestellt. Er bestreite den Vorhalt, in Ungarn einen Asylantrag gestellt zu haben.
2. Am XXXX leitete das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl ein Konsultationsverfahren gemäß Art. 18 (1) b Dublin III VO (EU) Nr. 604/2013 mit Ungarn ein. Die ungarische Behörde "Office of Immigration and Nationality" erklärte mit dem Schreiben vom XXXX Ihre Zuständigkeit gemäß Art. 18 (1) b Dublin III VO (EU) Nr. 604/2013.
3. XXXX erfolgte die niederschriftliche Ersteinvernahme des Beschwerdeführers vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl im Beisein eines Dolmetschers für die Sprache Dari. Der Beschwerdeführer brachte vor, dass er auf seiner Fluchtroute von Serbien nach Ungarn mit dem Bus und weiter nach Österreich mit dem Zug gefahren sei. Er habe gesundheitliche Probleme mit XXXX und mit seinen Augen. Er habe keinen Asylantrag in Ungarn gestellt, ihm seien in Ungarn zwangsweise Fingerabdrücke genommen worden. Er habe von Anfang an nach Österreich wegen der medizinischen Versorgung für XXXX gewollt.
4. Mit Bescheid vom XXXX des Bundesamts für Fremdenwesen und Asyl wurde der Antrag des Beschwerdeführers auf internationalen Schutz als unzulässig zurückgewiesen und ausgesprochen, dass Ungarn für die Prüfung des Antrages auf internationalen Schutz gemäß Dublin III VO zuständig sei (Spruchpunkt I.). Weiters sprach das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl aus, dass gegen den Beschwerdeführer die Außerlandesbringung angeordnet werde. Demzufolge sei eine Abschiebung nach Ungarn zulässig (Spruchpunkt II.).
Dem Beschwerdeführer wurde ein Rechtsberater beigegeben.
5. Der Beschwerdeführer erhob fristgerecht gegen diesen Bescheid Beschwerde, hielt sein Fluchtvorbringen aufrecht und führte ergänzend aus, dass die Lage in Ungarn derart angespannt sei, dass es dort für Asylwerber nicht sicher sei. Er stelle daher die Anträge, sein Asylverfahren in Österreich zuzulassen und die ausgesprochene Außerlandesbringung aufzuheben.
6. Das Bundesverwaltungsgericht hat mit seinem Erkenntnis vom XXXX der Beschwerde stattgegeben und den bekämpften Bescheid behoben.
7. Am XXXX erfolgte eine niederschriftliche Einvernahme des Beschwerdeführers vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (in der Folge "belangte Behörde) im Beisein eines Dolmetschers für die Sprache Dari. Der Beschwerdeführer brachte vor, dass er in Afghanistan geboren worden sei. Seine Muttersprache sei Dari, er gehöre der Volksgruppe Hazara an und er sei Schiitischen Glaubens. Sein Vater sei verstorben, seine Mutter und Geschwister ( XXXX ) würden in Afghanistan bzw. Pakistan und Iran leben. Gefragt nach seinen Fluchtgründen gab der Beschwerdeführer an, dass die Taliban in seinem Ort gewesen seien und versucht hätten, Personen gegen Bezahlung in ihre Organisation aufzunehmen. Der Beschwerdeführer habe sich jedoch nicht den Taliban anschließen wollen. Ein weiterer Grund sei XXXX in Afghanistan nicht behandelt werden könne. XXXX Weiters gebe es immer wieder Probleme zwischen Sunniten und Schiiten, er sei Schiite. Auch habe er als Angehöriger der Hazara Probleme mit den Paschtunen.
8. Mit nunmehr angefochtenem Bescheid wies die belangte Behörde der Antrag des Beschwerdeführers auf internationalen Schutz bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten (Spruchpunkt I.) und bezüglich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Afghanistan (Spruchpunkt II.) ab. Die belangte Behörde erteilte dem Beschwerdeführer keinen Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen (Spruchpunkt III.), erließ gegen den Beschwerdeführer eine Rückkehrentscheidung (Spruchpunkt IV.) und stellte fest, dass die Abschiebung des Beschwerdeführers nach Afghanistan zulässig sei (Spruchpunkt V.). Weiters sprach die belangte Behörde eine Frist für die freiwillige Ausreise des Beschwerdeführers ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung aus (Spruchpunkt VI.).
Begründend wurde im Wesentlichen ausgeführt, dass der Beschwerdeführer seine Fluchtgründe nicht habe glaubhaft machen können bzw. diesbezüglich keine Feststellungen getroffen werden konnten. Es konnte auch nicht festgestellt werden, dass dem Beschwerdeführer eine Gefahr drohe, welche die Erteilung eines subsidiären Schutzes rechtfertigen würde. Der Beschwerdeführer sei ein junger, arbeitsfähiger Mann, der von seiner Familie unterstützt werden könne. Der Beschwerdeführer verfüge über Berufserfahrungen in der Landwirtschaft, sei wirtschaftlich genügend abgesichert und könne für seinen Unterhalt grundsätzlich sorgen. Er würde bei einer Rückkehr nach Afghanistan somit nicht in eine ausweglose Situation geraten. Eine Rückkehr in seine Herkunftsprovinz sei möglich. Der Beschwerdeführer verfüge in Österreich zudem über kein schützenswertes Privat- und Familienleben, das einer Rückkehrentscheidung entgegenstehe.
Dem Beschwerdeführer wurde ein Rechtsberater beigegeben.
9. Der Beschwerdeführer erhob fristgerecht gegen diesen Bescheid Beschwerde, hielt sein Fluchtvorbringen aufrecht und beantragte eine öffentliche, mündliche Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht, um seine Fluchtgründe noch einmal vor unabhängigen RichterInnen vorbringen zu können.
10. Die belangte Behörde legte die Beschwerde samt dem Verwaltungsakt dem Bundesverwaltungsgericht vor.
11. Mit Schreiben vom XXXX erfolgte ein ergänzendes Vorbringen des Beschwerdeführers an das Bundesverwaltungsgericht. Der Beschwerdeführer brachte vor, dass er außerhalb seiner Herkunftsprovinz über keine familiären Anknüpfungspunkte in Afghanistan verfüge und die Versorgungssituation in Städten wie Mazar-e Sharif oder Herat nicht ausreichend vorhanden sei. Es wäre für den Beschwerdeführer - angesichts der schlechten Versorgungs- und Sicherheitslage sowie XXXX - nirgends in Afghanistan möglich, ein normales Leben ohne besondere Härten zu führen.
12. Das Bundesverwaltungsgericht führte XXXX eine öffentliche mündliche Beschwerdeverhandlung durch. Der Beschwerdeführer wurde im Beisein seines Vertreters und eines Dolmetschers für die Sprache Dari u.a. eingehend zu seinen Fluchtgründen und zu seiner Situation in Österreich befragt. Die belangte Behörde nahm an der Verhandlung durch einen Vertreter teil.
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
1. Feststellungen:
1.1. Feststellungen zur Person des Beschwerdeführers
Der Beschwerdeführer wurde in Afghanistan geboren. Er stammt aus XXXX in der Provinz Daikundi. Er ist afghanischer Staatsangehöriger, gehört der Volksgruppe der Hazara an und wurde als schiitischer Moslem geboren. Der Beschwerdeführer ist in Österreich aus der islamischen Glaubensgemeinschaft ausgetreten. Er war bereits zum Zeitpunkt der Einreise volljährig, ist ledig und kinderlos.
Der Beschwerdeführer hat eine Verletzung XXXX . Eine akute medizinische Behandlung oder Therapie ist nicht nötig. Weiters bekommt er bei Kälte einen Hautausschlag. Ansonsten ist der Beschwerdeführer gesund.
Der Beschwerdeführer ist arbeitsfähig.
Die Muttersprache des Beschwerdeführers ist Dari.
Der Beschwerdeführer wuchs im oben angegebenen Heimatort, in dem nur Hazara leben, im Familienverband auf. Der Beschwerdeführer hat keine Schule besucht, er hat lediglich im Alter von ca. 10 Jahren für ca. ein Jahr an einem Korankurs teilgenommen.
Der Vater des Beschwerdeführers ist verstorben, seine Mutter lebt im angegebenen Heimatort und ist Hausfrau. XXXX Brüder des Beschwerdeführers leben ebenfalls im Heimatort. XXXX Schwestern des Beschwerdeführers leben in Afghanistan bzw. Pakistan und Iran. Bis zu seiner Ausreise lebte der Beschwerdeführer in seinem Heimatort an einer gemeinsamen Adresse mit seiner Mutter und einem seiner Brüder. Dort haben sie gemeinsam eine Landwirtschaft geführt, wodurch auch der Lebensunterhalt bestritten wurde.
Der Beschwerdeführer reiste im Jahr XXXX aus Afghanistan aus, gelangte unter Umgehung der Grenzvorschriften ins österreichische Bundesgebiet und stellte am XXXX den verfahrensgegenständlichen Antrag auf internationalen Schutz.
1.2. Zum Fluchtvorbringen des Beschwerdeführers
Der Beschwerdeführer war in seinem Herkunftsstaat Afghanistan keiner psychischen oder physischen Gewalt aus Gründen seiner Volksgruppenzugehörigkeit, Religion, politischen Überzeugung oder Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe ausgesetzt, noch hat er eine solche, im Falle seiner Rückkehr, zu befürchten.
Der Beschwerdeführer wurde in Afghanistan nie persönlich bedroht oder angegriffen, es droht ihm auch künftig keine psychische und/oder physische Gewalt von staatlicher Seite, und/oder von Aufständischen, und/oder von sonstigen privaten Verfolgern in seinem Herkunftsstaat.
Ebenso wenig droht dem Beschwerdeführer die konkrete und individuelle Gefahr einer zwangsweisen Rekrutierung durch die Taliban in Afghanistan.
Es konnte nicht festgestellt werden, dass die Taliban den Beschwerdeführer in seinem Heimatort gegen Bezahlung in deren Organisation aufnehmen wollten. Doch wäre dieser Umstand für sich alleine noch nicht als eine den Beschwerdeführer persönlich betreffende Bedrohung anzusehen, zumal unstrittig keine Übergriffe auf den Beschwerdeführer während des Jahres nach der angeblichen Kontaktaufnahme und bis zur Ausreise erfolgten.
Dem Beschwerdeführer droht wegen der Zugehörigkeit zur Volksgruppe der Hazara und/oder zur schiitischen Religion konkret und individuell keine physische und/oder psychische Gewalt in Afghanistan. Nicht jeder Angehörige der Volksgruppe der Hazara oder der schiitischen Religion ist in Afghanistan physischer und/oder psychischer Gewalt ausgesetzt.
Der Beschwerdeführer tritt nicht gegen den Islam auf und sein Austritt aus der islamischen Religionsgemeinschaft in Österreich wird vertraulich behandelt. Somit ist kein diesbezüglicher Grund für eine Verfolgung ersichtlich.
Auch sonst haben sich im gesamten Verfahren keine Hinweise für eine dem Beschwerdeführer in Afghanistan individuell drohende Verfolgung ergeben.
1.3. Zum (Privat-)Leben des Beschwerdeführers in Österreich:
Der Beschwerdeführer gelangte unter Umgehung der Grenzvorschriften ins Bundesgebiet und stellte den verfahrensgegenständlichen Antrag auf internationalen Schutz. Der Beschwerdeführer befindet sich seit seiner Antragstellung aufgrund einer vorübergehenden Aufenthaltsberechtigung nach dem AsylG 2005 durchgehend rechtmäßig im Bundesgebiet.
Der Beschwerdeführer bezieht seit seiner Einreise Leistungen aus der vorübergehenden Grundversorgung, ist nicht selbsterhaltungsfähig und geht auch keiner Beschäftigung nach.
Der Beschwerdeführer besuchte zahlreiche Integrationskurse, Deutschkurse sowie Lehrgänge ( XXXX Er hat die Pflichtschulabschlussprüfung bestanden.
Der Beschwerdeführer hat in Österreich keine Familienangehörigen.
Der Beschwerdeführer nimmt am gesellschaftlichen Leben teil und hat Freundschaften in Österreich geknüpft. In seiner Freizeit engagiert er sich ehrenamtlich bei verschiedenen Projekten, was durch entsprechende Referenzschreiben belegt wurde.
Der Beschwerdeführer ist strafrechtlich unbescholten.
1.4. Zu einer möglichen Rückkehr des Beschwerdeführers in den Herkunftsstaat:
Es kann nicht davon ausgegangen werden, dass dem Beschwerdeführer bei einer Überstellung in seine Herkunftsprovinz aufgrund der aktuellen Sicherheitslage in dieser Provinz ein Eingriff in seine körperliche Unversehrtheit drohen würde. Die Situation in der Herkunftsprovinz gilt laut Länderinformationsblatt der Staatendokumentation und EASO als relativ sicher. Die Provinz Daikundi ist mit dem Fahrzeug von Kabul aus über die Provinzen Kabul, Parwan und Bamiyan sicher erreichbar.
Der Beschwerdeführer ist jung. Er war und ist trotz seiner körperlichen Einschränkung arbeitsfähig. Der Beschwerdeführer verfügt zudem über Angehörige (Mutter, Brüder) in der Herkunftsprovinz und kann daher Unterstützung bekommen. Aber selbst für den Fall, dass der Beschwerdeführer bei einer Rückkehr auf sich allein gestellt wäre, ist nicht davon auszugehen, dass er im Falle einer Rückkehr in eine die Existenz bedrohende Notlage geraten würde, zumal er bereits Berufserfahrung in der Landwirtschaft hat. Er hat keine Unterhaltsverpflichtungen und kann selbst für sein Aus- und Fortkommen sorgen.
Der Beschwerdeführer läuft im Falle der Rückkehr in seine Heimatprovinz nicht Gefahr, aufgrund seines derzeitigen Gesundheitszustandes in einen unmittelbar lebensbedrohlichen Zustand zu geraten oder dass sich sein Gesundheitszustand in einem lebensbedrohlichen Ausmaß verschlechtern wird. Es sind auch sonst keine objektivierten Hinweise hervorgekommen, dass allenfalls andere schwerwiegende körperliche oder psychische Erkrankungen einer Rückführung des Beschwerdeführers in den Herkunftsstaat entgegenstehen würden.
Auch die aktuell vorherrschende COVID-19-Pandemie bildet kein Rückkehrhindernis. Der Beschwerdeführer ist gesund und gehört mit Blick auf sein Alter und das Fehlen physischer (chronischer) Vorerkrankungen keiner spezifischen Risikogruppe betreffend COVID-19 an. Es besteht keine hinreichende Wahrscheinlichkeit, dass der Beschwerdeführer bei einer Rückkehr nach Afghanistan eine COVID-19-Erkrankung mit schwerwiegendem oder tödlichem Verlauf bzw. mit dem Bedarf einer intensivmedizinischen Behandlung bzw. einer Behandlung in einem Krankenhaus erleiden würde. COVID-19 ist eine durch das Corona-Virus SARS-CoV-2 verursachte Viruserkrankung, die erstmals im Jahr 2019 in Wuhan/China festgestellt wurde und sich seither weltweit verbreitet. Nach dem aktuellen Stand verläuft die Viruserkrankung bei ca. 80% der Betroffenen leicht und bei ca. 15% der Betroffenen schwerer, wenn auch nicht lebensbedrohlich. Bei ca. 5% der Betroffenen verläuft die Viruserkrankung derart schwer, dass Lebensgefahr gegeben ist und intensivmedizinische Behandlungsmaßnahmen notwendig sind. Diese sehr schweren Krankheitsverläufe treten am häufigsten in den Risikogruppen der älteren Personen und der Personen mit Vorerkrankungen (z.B. Diabetes, Herzkrankheiten und Bluthochdruck) auf.
Es ist dem Beschwerdeführer daher möglich, in seiner Herkunftsprovinz seine Existenz zu sichern und ein Leben ohne unbillige Härten zu führen, wie es auch andere Landsleute führen können.
1.5. Feststellungen zur Lage in Afghanistan
Zur Lage in Afghanistan werden die im Länderinformationsblatt der Staatendokumentation in der Gesamtaktualisierung vom 29.06.2018 mit Stand vom 04.06.2019, in den UNHCR Richtlinien vom 30.08.2018 und den EASO Leitlinien zu Afghanistan vom Juni 2018 und Juni 2019, EASO Afghanistan Netzwerke aus Jänner 2018, sowie in der Anfragebeantwortung der Staatendokumentation zur Lage in der Stadt Herat und Mazar-e Sharif aufgrund anhaltender Dürre vom 13.09.2108 und in der ACCORD-Anfragebeantwortung Folgen der Dürre in den Städten Herat und Mazar-e Sharif vom 12.10.2018 sowie Anfragebeantwortung der Staatendokumentation: Sozialleistungen für Rückkehrer vom 01.02.2018 enthaltenen folgenden Informationen als entscheidungsrelevant festgestellt:
1.5.1. Sicherheitslage
Die Sicherheitslage in Afghanistan bleibt insgesamt volatil und weist starke regionale Unterschiede auf. Provinzen und Distrikten mit aktiven Kampfhandlungen stehen andere gegenüber, in denen die Lage trotz punktueller Sicherheitsvorfälle vergleichsweise stabil ist. Die afghanische Regierung behält die Kontrolle über Kabul, größere Bevölkerungszentren, Transitrouten, Provinzhauptstädte und den Großteil der Distriktzentren. Ausländische Streitkräfte und Regierungsvertreter sowie die als ihre Verbündeten angesehenen Angehörigen der afghanischen Sicherheitskräfte und Vertreter der afghanischen Regierung sind prioritäre Ziele der Aufständischen. Eine Bedrohung für Zivilisten geht insbesondere von Kampfhandlungen zwischen den Konfliktparteien sowie improvisierten Sprengkörpern, Selbstmordanschlägen und komplexen Angriffen auf staatliche Einrichtungen aus. In einigen Teilen des Landes ist fehlende Sicherheit die größte Bewegungseinschränkung. In bestimmten Gebieten machen Gewalt durch Aufständische, Landminen und improvisierte Sprengfallen (IEDs) das Reisen besonders gefährlich, speziell in der Nacht. Bewaffnete Aufständischengruppen betreiben illegale Checkpoints und erpressen Geld und Waren.
Herkunftsprovinz Daikundi/Dai Kundi/Daykundi
In der Provinz Daikundi findet willkürliche Gewalt auf einem niedrigen Niveau statt. Im Allgemeinen besteht kein reales Risiko, dass ein Zivilist aufgrund willkürlicher Gewalt im Sinne von Artikel 15(c) der Qualifizierungsrichtlinie persönlich betroffen wird. Es müssen jedoch immer individuelle Risikoelemente berücksichtigt werden, da sie den Antragsteller in risikoreichere Situationen bringen könnten.
Die Provinz Daikundi ist seit dem Jahr 2014 autonom; davor war sie ein Distrikt der Provinz Uruzgan. Daikundi liegt 460 km vom Westen Kabuls entfernt und grenzt an die Provinzen Uruzgan im Südwesten, Bamyan im Osten, Ghor im Norden, Ghazni im Süden und Helmand im Nordosten. Die Provinz besteht aus den folgenden Distrikten: der Provinzhauptstadt Nieli/Nili, Ashtarly, Khijran/Kajran, Khedir/Khadir, Kitti/Kiti, Miramor, Sang Takh/Sang-e Takht, Shahristan/Shahrestan: Der Distrikt Gizab, früher Teil von Daikundi, unterliegt der Administration von Uruzgan. Mit 86% der Bevölkerung bestehend aus Hazara gilt die Provinz Daikundi als die zweitgrößte Region, in der Mitglieder dieser ethnischen Gruppe leben. Die Bevölkerungszahl der Provinz wird auf 475.848 geschätzt.
Daikundi ist eine gebirgige Provinz mit kleinen Dörfern, die über unasphaltierte Straßen verbunden werden.In den letzten 17 Jahren wurden Quellen zufolge in der Provinz nur zehn Kilometer an Straßen gebaut. Dennoch sind laut Regierung Projekte für die Implementierung des Straßenbaus im Gange.
Allgemeine Informationen zur Sicherheitslage
Einer Quelle zufolge ist Daikundi eine sichere Provinz (Tolonews 10.3.2018). Im September wurde von einer Zunahme afghanischer Binnenvertriebener (IDP) berichtet, die in Daikundi Zuflucht gesucht hatten.
Im Zeitraum 1.1.2017-30.4.2018 wurden in der Provinz 3 sicherheitsrelevante Vorfälle registriert. Im gesamten Jahr 2017 wurden 43 zivile Opfer (16 getötete Zivilisten und 27 Verletzte) registriert. Hauptursache waren Blindgänger/Landminen, gefolgt von Bodenoffensiven und gezielten Tötungen. Dies bedeutet einen Rückgang von 59% im Gegensatz zum Vergleichsjahr 2016. Eine weitere Quelle berichtete allerdings von keinen Opfern im Jahr 2017 in der Provinz Daikundi.
Militärische Operationen in Daikundi
Im März 2017 wurden in Daikundi 31 Aufständische durch die ANSF getötet. In den letzten 17 Jahren sind in Daikundi keine ausländischen Streitkräfte ums Leben gekommen. Ende Dezember 2017 wurde Daikundi einer Quelle zufolge als ruhige Provinz beschrieben.
Regierungsfeindliche Gruppierungen in Daikundi
Daikundi zählt zu den Provinzen, in denen die Anzahl der Taliban gering ist. Der Zusammenhalt zwischen den Bewohnern ethnisch homogenerer Gesellschaften wie in Panjsher, Bamyan und Daikundi wird als Grund für die geringe Anzahl an Anschlägen betrachtet: Da die Bewohner dieser Provinzen mehrheitlich einer Ethnie zugehören, würden diese keine aufständischen Aktivitäten erlauben. Des Weiteren wurde für den Zeitraum 1.1.2017 - 31.1.2018 keine IS-bezogenen Sicherheitsvorfälle in der Provinz Daikundi gemeldet.
Provinz Balkh mit der Hauptstadt Mazar-e Sharif
Bei der Provinz Balkh, mit deren Hauptstadt Mazar-e Sharif, handelt es sich laut EASO um einen jener Landesteile, wo willkürliche Gewalt ein derart niedriges Ausmaß erreicht, dass für Zivilisten im Allgemeinen keine reelle Gefahr besteht, von willkürlicher Gewalt im Sinne von Art 15 (c) der Qualifizierungsrichtlinie persönlich betroffen zu sein.
Die Provinz Balkh ist nach wie vor eine der stabilsten Provinzen Afghanistans, sie zählt zu den relativ ruhigen Provinzen in Nordafghanistan. Balkh hat im Vergleich zu anderen Regionen weniger Aktivitäten von Aufständischen zu verzeichnen. Manchmal kommt es zu Zusammenstößen zwischen Aufständischen und den afghanischen Sicherheitskräften, oder auch zu Angriffen auf Einrichtungen der Sicherheitskräfte. Im Zeitraum 01.01.2017 - 30.4.2018 wurden in der Provinz 93 sicherheitsrelevante Vorfälle registriert.
Im gesamten Jahr 2017 wurden 129 zivile Opfer (52 getötete Zivilisten und 77 Verletzte) registriert. Hauptursache waren IEDs, gefolgt von Bodenoffensiven und Blindgänger/Landminen. Dies bedeutet einen Rückgang von 68% im Gegensatz zum Vergleichsjahr 2016. Zusammenstöße zwischen Aufständischen und Sicherheitskräften finden statt. Regierungsfeindliche Gruppierungen versuchen ihren Aufstand in der Provinz Balkh voranzutreiben.
Provinz Herat mit der Hauptstadt Herat-Stadt
Auch bei Herat-Stadt handelt es sich laut EASO um einen jener Landesteile, wo willkürliche Gewalt ein derart niedriges Ausmaß erreicht, dass für Zivilisten im Allgemeinen keine reelle Gefahr besteht, von willkürlicher Gewalt im Sinne von Art 15 (c) der Qualifizierungsrichtlinie persönlich betroffen zu sein.
Provinzhauptstadt von Herat ist Herat-Stadt, welche sich im gleichnamigen Distrikt befindet. In der Provinz befinden sich zwei Flughäfen: ein internationaler in Herat-Stadt und ein militärischer in Shindand.
Herat ist eine der größten Provinzen Afghanistans, liegt im Westen des Landes und grenzt an den Iran.
In der Provinz leben auch tausende afghanische Binnenflüchtlinge.
Herat wird als eine der relativ friedlichen Provinzen gewertet, dennoch sind Aufständische in einigen (abgelegenen) Distrikten der Provinz aktiv. In der Provinz werden militärische Operationen inklusive Luftangriffe durchgeführt. Es finde auch Zusammenstöße zwischen Sicherheitskräften und Aufständischen statt. Im Zeitraum 1.1.2017-30.4.2018 wurden in der Provinz 139 sicherheitsrelevante Vorfälle registriert.
Im gesamten Jahr 2017 wurden in der Provinz Herat 495 zivile Opfer (238 getötete Zivilisten und 257 Verletzte) registriert. Hauptursache waren IEDs, gefolgt von Selbstmordanschlägen/komplexen Attacken und gezielten Tötungen. Dies bedeutet eine Steigerung von 37% im Gegensatz zum Vergleichsjahr 2016 (UNAMA 2.2018).
Wirtschaftslage
Mazar-e Sharif ist ein Wirtschafts- und Verkehrsknotenpunkt in Nordafghanistan. Die Region entwickelt sich wirtschaftlich gut. Es entstehen neue Arbeitsplätze, Firmen siedeln sich an und auch der Dienstleistungsbereich wächst. Die Infrastruktur ist jedoch noch unzureichend und behindert die weitere Entwicklung der Region. Herat ist eine relativ entwickelte Provinz im Westen des Landes. Das Harirud-Tal, ist eines der fruchtbarsten Täler des Landes, wo Baumwolle, Obst und Ölsaat angebaut werden. Herat nimmt eine Vorreiterrolle in der Safran-Produktion ein, die mit nationaler und internationaler Unterstützung eine Alternative zum Mohnanbau werden soll. Darüber hinaus wurde im Dezember 2017 mit Usbekistan ein Abkommen über den Bau einer 400 km langen Eisenbahnstrecke von Mazar-e Sharif und Maymana nach Herat unterzeichnet. Mitte März 2018 wurde mit dem Bau der TAPI-Leitung (internationale Pipeline zur Versorgung mit turkmenischem Erdgas) in Afghanistan begonnen.
1.5.2. Sichere Einreise
Die Provinz Daikundi ist über die Provinzen Kabul, Parwan und Bamiyan sicher erreichbar.
Die Städte Kabul, Mazar-e Sharif und Herat-Stadt sind über internationale Flughäfen sicher erreichbar, auch die Befahrung der Straßen von den Flughäfen in die jeweilige Stadt ist untertags im Allgemeinen sicher.
Der Flughafen von Kabul liegt außerhalb des Stadtzentrums. Der Flughafen von Mazar-e Sharif liegt östlich der Stadt im Bezirk Marmul. Der Flughafen von Herat liegt südlich der Stadt im Bezirk Guzara.
1.5.3. Wirtschafts- und Versorgungslage
Angesichts des langsamen Wachstums, sicherheitsbedingter Versorgungsunterbrechungen und schwacher landwirtschaftlicher Leistungen, nimmt die Armut weiterhin zu.
Für ca. ein Drittel der Bevölkerung ist die Landwirtschaft (inklusive Tiernutzung) die Haupteinnahmequelle. Die Arbeitslosigkeit betrifft hauptsächlich gering qualifizierte bildungsferne Personen; diese sind auch am meisten armutsgefährdet. Es müssten jährlich geschätzte 400.000 neue Arbeitsplätze geschaffen werden, um Neueinsteiger in den Arbeitsmarkt integrieren zu können. Mehr als ein Drittel der männlichen Bevölkerung (34,3%) Afghanistans und mehr als die Hälfte der weiblichen Bevölkerung (51,1%) sind nicht in der Lage, eine passende Stelle zu finden.
Der Zugang zum Arbeitsmarkt ist angespannt und die Arbeitslosigkeit ist hoch. Sogar für gut ausgebildete und gut qualifizierte Personen ist es schwierig ohne ein Netzwerk einen Arbeitsplatz zu finden, wenn man nicht empfohlen wird oder dem Arbeitgeber nicht vorgestellt wird. Vetternwirtschaft ist gang und gebe. Arbeitgeber bewerten persönliche Beziehungen und Netzwerke höher als formelle Qualifikationen. Es gibt lokale Webseiten, die offene Stellen im öffentlichen und privaten Sektor annoncieren. Die meisten Afghanen sind unqualifiziert und Teil des informellen, nicht-regulierten Arbeitsmarktes. Der Arbeitsmarkt besteht Großteiles aus manueller Arbeit ohne Anforderungen an eine formelle Ausbildung und spiegelt das niedrige Bildungsniveau wieder. In Kabul gibt es öffentliche Plätze, wo sich Arbeitssuchende und Nachfragende treffen. Viele bewerben sich, nicht jeder wird engagiert. Der Lohn beträgt für Hilfsarbeiter meist USD 4,3 und für angelernte Kräfte bis zu USD 14,5 pro Tag.
In Kabul und in großen Städten stehen Häuser und Wohnungen zur Verfügung. Es ist auch möglich an Stelle einer Wohnung ein Zimmer zu mieten. Dies ist billiger als eine Wohnung zu mieten. Heimkehrer mit Geld können Grund und Boden erwerben und langfristig ein eigenes Haus bauen. In Städten gibt es Hotels und Pensionen unterschiedlichster Preiskategorien. Für Tagelöhner, Jugendliche, Fahrer, unverheiratete Männer und andere Personen, ohne permanenten Wohnsitz in der jeweiligen Gegend, gibt es im ganzen Land Angebote geringerer Qualität, sogenannte chai khana (Teehaus). Dabei handelt es sich um einfache große Zimmer in denen Tee und Essen aufgetischt wird. Der Preis für eine Übernachtung beträgt zwischen 0,4 und 1,4 USD. In Kabul und anderen großen Städten gibt es viele solche chai khana und wenn ein derartiges Haus voll ist, lässt sich Kost und Logis leicht anderswo finden. Man muss niemanden kennen um dort eingelassen zu werden.
In Mazar- e Sharif und Herat-Stadt haben die meisten Leute Zugang zu erschlossenen Wasserquellen sowie auch zu besseren Sanitäreinrichtungen. Den Berichten ist trotz der im Jahr 2018 herrschenden Dürre, keine Lebensmittelknappheit in Mazar-e Sharif und Herat-Stadt zu entnehmen.
1.5.4. Medizinische Versorgung
Medizinische Versorgung ist in Afghanistan insbesondere in größeren Städten wie etwa auch in Kabul-Stadt, Mazar-e Sharif und Herat-Stadt sowohl in staatlichen als auch privaten Krankenhäusern verfügbar. Psychische Krankheiten wie posttraumatische Belastungsstörung, Depression und Angstzustände - die oft durch den Krieg hervorgerufen wurden - sind in Afghanistan weit verbreitet, es gibt aber nur geringe Kapazitäten zur Behandlung dieser Erkrankungen. Spezifische Medikamente sind grundsätzlich verfügbar.
1.5.5. Ethnische Minderheiten
In Afghanistan leben laut Schätzungen vom Juli 2017 mehr als 34,1 Millionen Menschen. Zuverlässige statistische Angaben zu den Ethnien Afghanistans und zu den verschiedenen Sprachen existieren nicht. Schätzungen zufolge, sind: 40% Paschtunen, rund 30% Tadschiken, ca. 10% Hazara, 9% Usbeken. Auch existieren noch andere ethnische Minderheiten, die zusammen etwa 4 % der Bevölkerung ausmachen. Die afghanische Verfassung schützt sämtliche ethnische Minderheiten. Neben den offiziellen Landessprachen Dari und Paschtu wird in der Verfassung (Art. 16) sechs weiteren Sprachen ein offizieller Status in jenen Gebieten eingeräumt, wo die Mehrheit der Bevölkerung (auch) eine dieser Sprachen spricht. Diese weiteren in der Verfassung genannten Sprachen sind Usbekisch, Turkmenisch, Belutschisch, Pashai, Nuristani und Pamiri. Es gibt keine Hinweise, dass bestimmte soziale Gruppen ausgeschlossen werden. Keine Gesetze verhindern die Teilnahme der Minderheiten am politischen Leben. Nichtsdestotrotz, beschweren sich unterschiedliche ethnische Gruppen, keinen Zugang zu staatlicher Anstellung in Provinzen haben, in denen sie eine Minderheit darstellen.
Die schiitische Minderheit der Hazara, zu welchen der Beschwerdeführer zählt, macht etwa 10% der Bevölkerung aus. Die Hazara besiedelten traditionell das Bergland in Zentralafghanistan, das sich zwischen Kabul im Osten und Herat im Westen erstreckt und unter der Bezeichnung Hazaradschat (azarajat) bekannt ist. Das Kernland dieser Region umfasst die Provinzen Bamyan, Ghazni, Daikundi und den Westen der Provinz Wardak. Es können auch einzelne Teile der Provinzen Ghor, Uruzgan, Parwan, Samangan, Baghlan, Balkh, Badghis, und Sar-e Pul dazugerechnet werden. Wichtige Merkmale der ethnischen Identität der Hazara sind einerseits ihr ethnisch-asiatisches Erscheinungsbild, woraus gern Schlussfolgerungen über eine turko-mongolische Abstammung der Hazara gezogen werden. Eine Minderheit der Hazara, die vor allem im nordöstlichen Teil des Hazaradschat leben, sind Ismailiten.
Die Hazara-Gemeinschaft/Gesellschaft ist traditionell strukturiert und basiert auf der Familie bzw. dem Klan. Die sozialen Strukturen der Hazara werden manchmal als Stammesstrukturen bezeichnet; dennoch bestehen in Wirklichkeit keine sozialen und politischen Stammesstrukturen. Das traditionelle soziale Netz der Hazara besteht größtenteils aus der Familie, obwohl gelegentlich auch politische Führer einbezogen werden können.
Nicht weniger wichtig als Religion und Abstammung ist für das ethnische Selbstverständnis der Hazara eine lange Geschichte von Unterdrückung, Vertreibung und Marginalisierung. Jahrzehntelange Kriege und schwere Lebensbedingungen haben viele Hazara aus ihrer Heimatregion in die afghanischen Städte, insbesondere nach Kabul, getrieben. Dennoch hat sich die Lage der Hazara, die während der Taliban-Herrschaft besonders verfolgt waren, grundsätzlich verbessert; vornehmlich aufgrund von Bildung und vor allem auf ökonomischem und politischem Gebiet. Hazara in Kabul gehören jetzt zu den am besten gebildeten Bevölkerungsgruppen und haben auch eine Reihe von Dichtern und Schriftstellern hervorgebracht. Auch wenn es nicht allen Hazara möglich war diese Möglichkeiten zu nutzen, so haben sie sich dennoch in den Bereichen Bildung, öffentliche Verwaltung und Wirtschaft etabliert.
So haben Hazara eine neue afghanische Mittelklasse gegründet. Im Allgemeinen haben sie, wie andere ethnische Gruppen auch, gleichwertigen Zugang zum Arbeitsmarkt. Nichtsdestotrotz, sind sie von einer allgemein wirtschaftlichen Verschlechterung mehr betroffen als andere, da für sie der Zugang zu Regierungsstellen schwieriger ist - außer ein/e Hazara ist selbst Abteilungsleiter/in. Einer Quelle zufolge existiert in der afghanischen Gesellschaft die Auffassung, dass andere ethnische Gruppierungen schlecht bezahlte Jobs Hazara geben. Einer weiteren Quelle zufolge, beschweren sich Mitglieder der Hazara-Ethnie über Diskriminierung während des Bewerbungsprozesses, da sie anhand ihrer Namen leicht erkennbar sind. Die Ausnahme begründen Positionen bei NGOs und internationalen Organisationen, wo das Anwerben von neuen Mitarbeitern leistungsabhängig ist. Arbeit für NGOs war eine Einnahmequelle für Hazara - nachdem nun weniger Hilfsgelder ausbezahlt werden, schrauben auch NGOs Jobs und Bezahlung zurück, was unverhältnismäßig die Hazara trifft. So berichtet eine weitere Quelle, dass Arbeitsplatzanwerbung hauptsächlich über persönliche Netzwerke erfolgt. Hazara haben aber aufgrund vergangener und anhaltender Diskriminierung eingeschränkte persönliche Netzwerke.
Gesellschaftliche Spannungen bestehen fort und leben lokal in unterschiedlicher Intensität gelegentlich wieder auf; soziale Diskriminierung gegen schiitische Hazara basierend auf Klasse, Ethnie oder religiösen Ansichten finden ihre Fortsetzung in Erpressungen (illegale Steuern), Zwangsrekrutierung, Zwangsarbeit, physischer Misshandlung und Festnahmen.
Die Hazara sind im nationalen Durchschnitt mit etwa 10% in der Afghan National Army und der Afghan National Police repräsentiert.
1.5.6. Religion
Etwa 99,7% der afghanischen Bevölkerung sind Muslime, davon zwischen 84,7 und 89,7% Sunniten, davon zwischen 10-15 % Schiiten.
Beobachtern zufolge ist die Diskriminierung der schiitischen Minderheit durch die sunnitische Mehrheit zurückgegangen; dennoch existieren Berichte zu lokalen Diskriminierungsfällen. Afghanischen Schiiten ist es möglich, ihre Feste öffentlich zu feiern; einige Paschtunen sind jedoch wegen der Feierlichkeiten missgestimmt, was gelegentlich in Auseinandersetzungen mündet. In den Jahren 2016 und 2017 wurden schiitische Muslime, hauptsächlich ethnische Hazara, oftmals Opfer von terroristischen Angriffen u.a. der Taliban und des IS.
1.5.7. Rückkehrer
Als Rückkehrer/innen werden jene afghanische Staatsbürger/innen bezeichnet, die nach Afghanistan zurückgekehrt sind, nachdem sie mindestens sechs Monate im Ausland verbracht haben.
Im Jahr 2017 kehrten sowohl freiwillig, als auch zwangsweise insgesamt 98.191 Personen aus Pakistan und 462.361 Personen aus Iran zurück. Bis Juli 2017 kehrten aus Europa und der Türkei 41.803 Personen nach Afghanistan zurück. Im Jahr 2018 kehrten mit Stand 21.3. 1.052 Personen aus angrenzenden Ländern und nicht-angrenzenden Ländern zurück (759 davon kamen aus Pakistan).
Auch wenn scheinbar kein koordinierter Mechanismus existiert, der garantiert, dass alle Rückkehrer/innen die Unterstützung erhalten, die sie benötigen, und dass eine umfassende Überprüfung stattfindet, können Personen, die freiwillig oder zwangsweise nach Afghanistan zurückgekehrt sind, dennoch verschiedene Unterstützungsformen in Anspruch nehmen. Eine Reihe unterschiedlicher Organisationen ist für Rückkehrer/innen und Binnenvertriebene (IDP) in Afghanistan zuständig. Außerdem erhalten Rückkehrer/innen Unterstützung von der afghanischen Regierung, den Ländern, aus denen sie zurückkehren, und internationalen Organisationen (z.B. IOM) sowie lokalen Nichtregierungsorganisationen (NGO) (z. B. IPSO und AMASO). Nichtsdestotrotz scheint das Sozialkapital die wichtigste Ressource zu sein, die Rückkehrer/innen zur Verfügung steht, da keine dezidiert staatlichen Unterbringungen für Rückkehrer existieren und familiäre Unterbringungsmöglichkeiten für Rückkehrer/innen daher als die zuverlässigste und sicherste Möglichkeit erachtet werden. So kehrt der Großteil der (freiwilligen bzw. zwangsweisen) Rückkehrer/innen direkt zu ihren Familien oder in ihre Gemeinschaften zurück. Die International Organization for Migration (IOM) gewährt seit April 2019 in Kabul keine temporäre Unterkunft für zwangsrückgeführte Afghanen mehr. Diese erhalten eine Barzuwendung von ca. 150 Euro sowie Informationen über mögliche Unterkunftsmöglichkeiten. Gemäß dem Europäischen Auswärtigen Amt (EAD) nutzten nur wenige Rückkehrer die Unterbringungsmöglichkeiten von IOM.
IOM, IRARA, ACE und AKAH bieten Unterstützung und nachhaltige Begleitung bei der Reintegration einschließlich Unterstützung bei der Suche nach einer Beschäftigung oder Schulungen an. NRC bietet Rückkehrer/innen aus Pakistan, Iran und anderen Ländern Unterkunft sowie Haushaltsgegenstände und Informationen zur Sicherheit an und hilft bei Grundstücksstreitigkeiten. Das Internationale Komitee des Roten Kreuzes (ICRC) unterstützt Rückkehrer/innen dabei, ihre Familien zu finden.
Psychologische Unterstützung von Rückkehrer/innen wird über die Organisation IPSO betrieben - alle Leistungen sind kostenfrei. Diejenigen, die es benötigen und in abgelegene Provinzen zurückkehren, erhalten bis zu fünf Skype-Sitzungen von IPSO. Für psychologische Unterstützung könnte auch ein Krankenhaus aufgesucht werden; möglicherweise mangelt es diesen aber an Kapazitäten.
Die Großfamilie ist die zentrale soziale Institution in Afghanistan und bildet das wichtigste soziale Sicherheitsnetz der Afghanen. Alle Familienmitglieder sind Teil des familiären Netzes. Die Großfamilie trägt zu Schutz, Betreuung und Versorgung ihrer Mitglieder bei. Sie bildet auch eine wirtschaftliche Einheit; die Männer der Familie sind verpflichtet, die Mitglieder der Großfamilie zu unterstützen und die Familie in der Öffentlichkeit zu repräsentieren. Auslandsafghanen pflegen zumeist enge Kontakte mit ihren Verwandten in Afghanistan. Nur sehr wenige Afghanen in Europa verlieren den Kontakt zu ihrer Familie. Die Qualität des Kontakts mit der Familie hängt möglicherweise auch davon ab, wie lange die betreffende Person im Ausland war bzw. wie lange sie tatsächlich in Afghanistan lebte, bevor sie nach Europa migrierte. Der Faktor geographische Nähe verliert durch technologische Entwicklungen sogar an Wichtigkeit. Der Besitz von Mobiltelefonen ist mittlerweile "universell" geworden und digitale Kommunikation wird eine zunehmende Selbstverständlichkeit, vor allem in den Städten. Ein fehlendes familiäres Netzwerk stellt eine Herausforderung für die Reintegration von Migrant/innen in Afghanistan dar. Dennoch haben alleinstehende afghanische Männer, egal ob sie sich kürzer oder länger außerhalb der Landesgrenzen aufhielten, sehr wahrscheinlich eine Familie in Afghanistan, zu der sie zurückkehren können. Eine Ausnahme stellen möglicherweise jene Fälle dar, deren familiäre Netze in den Nachbarstaaten Iran oder Pakistan liegen.
Familien in Afghanistan halten in der Regel Kontakt zu ihrem nach Europa ausgewanderten Familienmitglied und wissen genau Bescheid, wo sich dieses aufhält und wie es ihm in Europa ergeht. Dieser Faktor wird in Asylinterviews meist heruntergespielt und viele Migranten, vor allem Minderjährige, sind instruiert zu behaupten, sie hätten keine lebenden Verwandten mehr oder jeglichen Kontakt zu diesen verloren.
Ein Netzwerk ist für das Überleben in Afghanistan wichtig. So sind einige Rückkehrer/innen auf soziale Netzwerke angewiesen, wenn es ihnen nicht möglich ist, auf das familiäre Netz zurückzugreifen. Die Rolle der Netzwerke - der Familie, der Freunde und der Bekannten - ist für junge Rückkehrer/innen besonders ausschlaggebend, um sich an das Leben in Afghanistan anzupassen. Sollten diese Netzwerke im Einzelfall schwach ausgeprägt sein, kann die Unterstützung verschiedener Organisationen und Institutionen in Afghanistan in Anspruch genommen werden.
Es kann nicht festgestellt werden, dass Rückkehrer allein aufgrund ihres Aufenthaltes in Europa in Afghanistan psychischer oder physischer Gewalt ausgesetzt sind.
1.5.8. Terroristische und aufständische Gruppierungen
Terroristische und aufständische Gruppierungen stellen Afghanistan und die Koalitionskräfte grundsätzlich vor erhebliche Herausforderungen. Derzeit sind rund 20 terroristische Organisationen in Afghanistan zu finden: das von außen unterstützte Haqqani-Netzwerk stellt nach wie vor die größte Gefährdung für afghanische und internationale Kräfte dar. Die Verflechtung von Taliban und Haqqani-Netzwerk ist so intensiv, dass diese beiden Gruppierungen als Fraktionen ein und derselben Gruppe angesehen werden. Wenn auch die Taliban öffentlich verkündet haben, sie würden zivile Opfer einschränken, so führt das Haqqani-Netzwerk auch weiterhin Angriffe in bevölkerungsreichen Gegenden aus. Die Taliban haben hauptsächlich in Faryab und Sar-i-Pul, wo die Mehrheit der Bevölkerung usbekischer Abstammung ist, ihre Reihen für nicht-paschtunische Kämpfer geöffnet. Schätzungen von SIGAR zufolge kontrollierten im Oktober 2017 und im Jänner 2018 die Taliban 14% der Distrikte Afghanistans. Die Taliban selbst verlautbarten im März 2017, dass sie beinahe 10% der afghanischen Distrikte kontrollierten.
Die Taliban und weitere aufständische Gruppierungen wie der Islamische Staat (IS) verübten "high-profile"-Angriffe, speziell im Bereich der Hauptstadt, mit dem Ziel, eine Medienwirksamkeit zu erlangen und damit ein Gefühl der Unsicherheit hervorzurufen und so die Legitimität der afghanischen Regierung zu untergraben. Die Auflistung der high-profile Angriffe zeigt, dass die Anschläge in großen Städten, auch Kabul, hauptsächlich im Nahebereich von Einrichtungen mit Symbolcharakter (Moscheen, Tempel bzw. andere Anbetungsorte), auf Botschaften oder auf staatliche Einrichtungen stattfinden. Diese richten sich mehrheitlich gezielt gegen die Regierung, ausländische Regierungen und internationale Organisationen.
1.5.9. Rekrutierung:
Im Februar 2016 trat das Gesetz über das Verbot der Rekrutierung von Kindern im Militär in Kraft. Berichten zufolge rekrutieren die ANDSF und andere regierungsfreundliche Milizen in limitierten Fällen Kinder; die Taliban und andere regierungsfeindliche Gruppierungen benutzen Kinder regelmäßig für militärische Zwecke.
Regierungsfeindliche Kräfte nutzen in Gebieten, in denen sie die tatsächliche Kontrolle über das Territorium und die Bevölkerung ausüben, verschiedene Methoden zur Rekrutierung von Kämpfern, einschließlich Maßnahmen unter Einsatz von Zwang. Personen, die sich der Rekrutierung widersetzen, sind ebenso wie ihre Familienmitglieder gefährdet, getötet oder bestraft zu werden. Regierungsfeindliche Kräfte rekrutieren weiterhin Kinder, um sie für Selbstmordanschläge, als menschliche Schutzschilde oder für die Beteiligung an aktiven Kampfeinsätzen zu verwenden, um Sprengsätze zu legen, Waffen und Uniformen zu schmuggeln sowie als Spione, Wachposten oder Späher für die Aufklärung (UNHCR-Richtlinien vom 30.08.2018, S. 59 f.)
1.5.10. Apostaten (Abfall vom Islam):
Die Abkehr vom Islam (Apostasie) wird nach der Scharia als Verbrechen betrachtet, auf das die Todesstrafe steht. Es gibt keine Berichte über die Verhängung der Todesstrafe aufgrund von Apostasie oder der Strafverfolgung bei Blasphemie. Gefahr bis hin zur Ermordung droht Konvertiten hingegen oft aus dem familiären oder nachbarschaftlichen Umfeld. Die afghanische Gesellschaft hat generell eine sehr geringe Toleranz gegenüber Menschen, die als den Islam beleidigend oder zurückweisend wahrgenommen werden. Personen, die der Apostasie beschuldigt werden, sind Reaktionen von Familie, Gemeinschaften oder in einzelnen Gebieten von Aufständischen ausgesetzt, aber eher nicht von staatlichen Akteuren. Wegen konservativer sozialer Einstellungen und Intoleranz sowie der Unfähigkeit oder Unwilligkeit der Sicherheitskräfte, individuelle Freiheiten zu verteidigen, sind Personen, die mutmaßlich gegen religiöse und soziale Normen verstoßen, vulnerabel für Misshandlung.
2. Beweiswürdigung:
2.1. Zu den Feststellungen zur Person des Beschwerdeführers
Die Feststellungen zur Staats-, Religions- und Volksgruppenzugehörigkeit, zum Familienstand, sowie zur Herkunftsprovinz des Beschwerdeführers beruhen auf seinen diesbezüglich gleichbleibenden und glaubwürdigen Angaben im gesamten Verfahren. Die Angabe zu seiner Muttersprache Dari bestätigte der Beschwerdeführer zuletzt in der Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht, in welcher ein Dolmetscher für die angegebene Sprache beigezogen wurde.
Die Feststellungen zu den individuellen Verhältnissen des Beschwerdeführers, v.a. auch betreffend den Aufenthaltsort seiner Familienangehörigen, in seinem Herkunftsstaat beruhen auf seinen diesbezüglich glaubwürdigen Angaben im Asylverfahren. Laut Aussage des Beschwerdeführers in der mündlichen Verhandlung beim Bundesverwaltungsgericht hat er regelmäßig Kontakt zu seiner Mutter und seinen Geschwistern. Aufgrund dessen ist davon auszugehen, dass die Familienangehörigen weiterhin an den angegebenen Orten aufhältig sind.
Die Angaben zu seinem Gesundheitszustand beruhen auf seinen glaubwürdigen Angaben im Asylverfahren sowie den vorgelegten medizinischen Unterlagen. Demnach wurde der Beschwerdeführer XXXX in Österreich operiert. Aus den vorgelegten medizinischen Unterlagen ergibt sich nicht, dass sich der Beschwerdeführer derzeit in Therapie befindet bzw. dass eine weitere Therapie notwendig wäre. XXXX Die Arbeitsfähigkeit des Beschwerdeführers konnte festgestellt werden, da dieser bereits in Afghanistan trotz dieser Einschränkung in der Landwirtschaft arbeiten und seinen Unterhalt erwirtschaften konnte. Darüber ergibt sich aus den vorgelegten Bestätigungen über ehrenamtliche Tätigkeiten, dass er auch in Österreich körperliche Arbeiten (wie beispielsweise Auf- und Abbau für eine Veranstaltung, Flurreinigung) durchgeführt hat.
Die Feststellungen zu seinen besuchten Kursen und Lehrgängen bzw. seinen ehrenamtlichen Tätigkeiten ergeben sich aus den vorgelegten Teilnahmebestätigungen.
Die Feststellung, wonach der Beschwerdeführer aus der islamischen Glaubensgemeinschaft ausgetreten ist, ergibt sich aus der vorgelegten Bestätigung der zuständigen Bezirkshauptmannschaft, welche der Beschwerdeführer ca. ein Monat nach der Ladung zur Verhandlung hat ausstellen lassen, er konnte allerdings keine nachvollziehbaren Angaben dazu machen, aus welchem Grund bzw. wieso er gerade zu diesem Zeitpunkt ausgetreten ist, zumal er auch seinen Hinweis auf mehrjährige Recherche über unterschiedliche Religionen auch über Nachfragen nicht substantiieren und daher auch nicht glaubhaft machen konnte (vergleiche Verhandlungsschrift S. 6 ff.).
Die Feststellungen zum Zeitpunkt der Ausreise aus Afghanistan sowie der gewählten Reiseroute ergeben sich aus den Angaben des Beschwerdeführers im Asylverfahren.
2.2. Zu den Feststellungen zum Fluchtvorbringen des Beschwerdeführers
Aus dem verwaltungsbehördlichen Verfahren und der mündlichen Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht ergibt sich, dass der Beschwerdeführer ausreichend Zeit und Gelegenheit hatte, eventuelle Fluchtgründe umfassend und im Detail darzulegen sowie allfällige Beweismittel oder Belege vorzulegen. Er wurde auch mehrmals zur umfassenden und detaillierten Schilderung seiner Fluchtgründe und zur Vorlage entsprechender Unterlagen aufgefordert sowie über die Folgen unrichtiger Angaben belehrt.
Der Beschwerdeführer brachte in der Erstbefragung vor, dass er seine Heimat hätte verlassen müssen, weil er von den Taliban bedroht werde. Die Taliban hätten ihn zur Mitwirkung an ihrem Kampf gezwungen, was er jedoch verweigert habe. Deshalb hätten sie ihm mit dem Tod gedroht. Er fürchte um sein Leben. Er fürchte die Rache der Taliban.
In der Niederschrift vor der belangten Behörde am XXXX gab der Beschwerdeführer hinsichtlich seiner Fluchtgründe an, dass die Taliban in seinem Ort gewesen wären und versucht hätten, Personen gegen Bezahlung in deren Organisation aufzunehmen. Der Beschwerdeführer habe nicht mitmachen wollen, weil es erstens menschlich nicht gut wäre und zweitens er sein Leben nicht in die Hände der Taliban hätte geben wollen. Er habe immer einen Traum gehabt, in die Schule gehen und lernen zu wollen. Das sei etwas, das sich die Taliban überhaupt nicht vorstellen hätten können. Die Taliban seien eine fanatische Gruppe, die gegen Lernen und Schule gestanden wären. Der andere Grund wäre XXXX des Beschwerdeführers gewesen, die in Afghanistan nicht hätte behandelt werden können. Weiters gäbe es zwischen Sunniten und Schiiten immer wieder Probleme und er wäre Schiite. Er wäre Hazara und mit Paschtunen hätte er auch Probleme.
In der mündlichen Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht gab der Beschwerdeführer an, dass sich die Taliban in seiner Region befinden würden. Er habe Angst, dass er bei einer Rückkehr von ihnen aufgefordert werde, sich ihnen anzuschließen. Sie würden ihn dann in den Krieg schicken. Sie würden ihn auffordern, sich einer terroristischen Gruppe anzuschließen. Er habe im Falle einer Rückkehr nach Afghanistan Angst, dass die Leute glauben würden, dass er sehr reich wäre und in Europa leben würde. Es bestehe die Gefahr, dass er entführt werde. In Afghanistan würde er keine medizinische Versorgung bekommen und XXXX würde nicht behandelt werden. Weiters führte der Beschwerdeführer aus, dass die Taliban in seiner Region stationiert waren. Sie hätten versucht, eine terroristische Gruppe zu gründen. Er wollte auf keinen Fall an einem Krieg teilnehmen. Der zweite Grund sei, dass es in seinem Land Konflikte zwischen Schiiten und Sunniten gäbe. Sie würden sich gegenseitig bekämpfen und einander nicht akzeptieren. Ein weiterer Grund sei XXXX , welche in Afghanistan nicht behandelt werden konnte. Aus diesen Gründen sei er geflüchtet. Auf Nachfrage führte der Beschwerdeführer aus, dass er keinen persönlichen Kontakt mit den Taliban hatte, er habe sie nur ein paar Mal in der Moschee gesehen.
Der Beschwerdeführer gab an, dass auch seine Geschwister die Region verlassen wollen, sich eine Ausreise jedoch finanziell nicht leisten könnten. Sein nicht verheirateter Bruder müsse sich zudem um ihre Mutter kümmern. Im Zuge der weiteren Befragung gab der Beschwerdeführer an, dass man in seiner Region als Angehöriger der Volksgruppe Hazara unter Druck gesetzt und schlecht behandelt werde. Persönlich habe er ein bis zweimal mit den Taliban gesprochen. Er sei von den Taliban aufgefordert worden, sich ihnen anzuschließen. Sie hätten ihm auch Geld versprochen und gesagt, dass er eine Ausbildung bekommen werde. Danach würde man ihn in die anderen Provinzen in den Krieg schicken.
In der mündlichen Verhandlung gab der Beschwerdeführer weiters an, dass er aus dem Islam (d.h. der islamischen Glaubensgemeinschaft) ausgetreten sei und legte eine diesbezügliche Bestätigung vor. Der Beschwerdeführer führte aus, mehr als drei Jahre über Religionen recherchiert und mit vielen Österreicher/innen Kontakt gehabt zu haben. Im Islam gäbe es nur Angst und Gewalt. Zudem gäbe es Zwangsverheiratung und keine Gleichstellung zwischen Mann und Frau. Deshalb habe er sich dazu entschlossen, aus dem Islam auszutreten.
Betreffend der vom Beschwerdeführer behaupteten Verfolgung durch die Taliban ist anzuführen, dass dieser nicht in der Lage war, diesen Fluchtgrund hinreichend zu konkretisieren. Bereits in der Einvernahme vor der belangten Behörde wurde er mehrfach dazu aufgefordert, sein Fluchtvorbringen möglichst konkret und mit allen ihm bekannten Details zu schildern. Der Beschwerdeführer beschränkte sich trotzdem auf allgemeine, abstrakte Aussagen betreffend seine Befürchtungen im Falle der Rückkehr nach Afghanistan. Zudem sind die Ausführungen des Beschwerdeführers - was seinen persönlichen Kontakt mit den Taliban betrifft - teilweise widersprüchlich. So gab der Beschwerdeführer etwa in der mündlichen Verhandlung an, mit den Taliban keinen persönlichen Kontakt gehabt und sie nur ein paar Mal in der Moschee gesehen zu haben. In weiterer Folge gab der Beschwerdeführer an, ein bis zweimal mit den Taliban gesprochen zu haben, wobei sie ihn aufgefordert hätten, sich ihnen anzuschließen. Dieser Vorfall sei ca. ein Jahr vor seiner Ausreise gewesen. Diese Widersprüche lassen darauf schließen, dass es keine konkreten Aufforderungen der Taliban an den Beschwerdeführer gegeben hat, sich ihnen anzuschließen. Der Beschwerdeführer war in der mündlichen Verhandlung nicht in der Lage, die von ihm angegebene Bedrohung durch die Taliban in einer solchen Weise zu schildern, dass er eine gegen ihn gerichtete Verfolgung glaubhaft hätte machen können. Darüber hinaus bringt der Beschwerdeführer selbst vor, dass der angebliche Vorfall ca. ein Jahr vor seiner Ausreise stattgefunden hat. Somit hätte er, selbst bei der Annahme, dass er tatsächlich angesprochen wurde, noch ein ganzes Jahr unbehelligt im Heimatort gelebt - weshalb jedenfalls von keiner Bedrohung durch die Taliban auszugehen ist. Zudem ergibt sich aus dem Umstand, wonach die Familie und v.a. auch die Brüder des Beschwerdeführers nach wie vor unbehelligt in der Heimatprovinz leben kann, dass eine konkrete Bedrohung des Beschwerdeführers durch die Taliban offenbar nicht gegeben ist.
Die Feststellungen hinsichtlich einer nicht bestehenden Gefährdung des Beschwerdeführers aufgrund seiner Volksgruppenzugehörigkeit beruhen auf den ins Verfahren eingebrachten Länderberichten. Auch vom Beschwerdeführer wurde keine über die oben dargestellten Fluchtgründe hinausgehende drohende Verfolgung substantiiert vorgebracht. Zudem wird festgehalten, dass die Herkunftsprovinz des Beschwerdeführers als zweitgrößte Region gilt, in der Hazara leben (86% der Bevölkerung).
In der mündlichen Verhandlung zeigte sich eine distanzierte Haltung des Beschwerdeführers zum Islam und gewisse Sympathien für die Weltanschauung des christlichen Glaubens, als er etwa vor dem Bundesverwaltungsgericht angab, dass es im Christentum Freiheit und Gleichberechtigung geben würde. Einen Abfall vom islamischen Glauben aus innerer Überzeugung konnte er in der Verhandlung allerdings keineswegs glaubhaft vermitteln. Der bloße Austritt aus der islamischen Glaubensgemeinschaft in Österreich, welcher zudem vertraulich behandelt wird (vergleiche Anfragebeantwortung der Staatendokumentation: AFGHANISTAN, Austrittsbestätigung der islamischen Religionsgemeinschaft vom 04.10.2016 - in der Verhandlung ins Verfahren eingebracht), ist nicht geeignet, eine drohende Verfolgung des Beschwerdeführers in seinem Herkunftsstaat auszulösen, zumal die Ablegung des islamischen Glaubens nicht nach außen zelebriert werden muss. Eine ernsthafte innere Abkehr vom Islam konnte in der Verhandlung aus folgenden Gründen nicht festgestellt werden: Zwar gibt der Beschwerdeführer an, dass er einzelne Aspekte des Islam bzw. wie dieser in seinem Herkunftsstaat ausgelegt bzw. gelebt wird, ablehnt. Eine Ablehnung des Islam bzw. ein dauerhafter innerer Abfall war in der Verhandlung allerdings nicht erkennbar, zumal der Beschwerdeführer keinerlei nachvollziehbare Gründe für den Austritt bzw. den Zeitpunkt des Austritts angeben konnte. In der Verhandlung war auch kein Interesse des Beschwerdeführers an einer Konversion zum Christentum erkennbar und wurde von ihm auch nicht vorgebracht.
Nunmehr übermittelte der Beschwerdeführer eine Tauferlaubnis einer katholischen Pfarre mit dem ergänzenden Hinweis, dass die Taufe aufgrund der Corona-Situation auf unbestimmte Zeit verschoben sei. Hierzu ist Folgendes festzuhalten (vergleiche Verhandlungsschrift S. 6 ff.): Im Rahmen der mündlichen Verhandlung hatte der Beschwerdeführer ausreichend Gelegenheit, sein Interesse am christlichen Glauben bzw. eine Teilnahme an einer Taufvorbereitung darzulegen. Dieses Interesse hat er dahingehend beschrieben, dass er mit Mitgliedern der katholischen Kirche öfter Diskussionen über die Religionen gehabt und dadurch erkannt habe, dass es im Islam nur Angst und Gewalt gäbe. Der Frage danach, ob er sich erkundigt habe, wie der Islam in Europa in gelebt werde, wich der Beschwerdeführer aus und beantwortete diese nicht. Es fällt auf, dass der Beschwerdeführer zwar Diskussionen mit Kirchenmitgliedern kurz angab, aber trotz intensiver Befragung zum Thema Austritt aus dem Islam und die Gründe dafür, weder die Gründe dafür nachvollziehbar angeben konnte noch jemals die Teilnahme an einer Taufvorbereitung bzw. der geplanten Konversion zum Christentum erwähnt hat. Dies ist umso erstaunlicher, als im Schreiben der Kirche (OZ 16) explizit darauf hingewiesen wird, dass Katechumenatsordnung eine mindestens einjährige Vorbereitung vorsieht und der zuständige Geistliche den Abschluss der Taufvorbereitung bestätigt. Somit hätte sich der Beschwerdeführer zum Zeitpunkt der Verhandlung bereits mehrere Monate in Taufvorbereitung befinden müssen. Aufgrund des Eindrucks den die Richterin in der Verhandlung vom Beschwerdeführer gewonnen hat und des kurz nach der Verhandlung erlangten Pflichtschulabschlusses ist davon auszugehen, dass dem Beschwerdeführer eine Unterscheidung zwischen reinen Diskussionen mit Kirchengemeindemitgliedern und einer Taufvorbereitung klar sein müsste. Zudem kann vorausgesetzt werden, dass der Beschwerdeführer, welcher einen lebenstüchtigen Eindruck macht, einen Pflichtschulabschluss hat und sich die für den Austritt aus der islamischen Glaubensgemeinschaft notwendigen Informationen beschafft hat, ein allfälliges starkes Interesse am Christentum hätte artikulieren können. Sollte tatsächlich über den von der Kirche selbst vorgeschriebenen Zeitraum eine Taufvorbereitung stattgefunden haben, so kann aufgrund der fehlenden Angaben des Beschwerdeführers in der Verhandlung dazu nur geschlossen werden, er zum damaligen Zeitpunkt diese allfällige Taufvorbereitung nicht ernsthaft verfolgte, da weder er noch seine Vertretung dazu irgendwelche Angaben machte. Zum damaligen Zeitpunkt legte er auch keine entsprechende Bestätigung vor. Es fällt auch auf, dass auch nach der Verhandlung mehrere Monate lang keinerlei Informationen zur Taufvorbereitung übermittelt wurden. Erst jetzt wurde das Bundesverwaltungsgericht von der Absicht des Beschwerdeführers zur Konversion in Kenntnis gesetzt. Im gesamten bisherigen Verfahren hat der Beschwerdeführer das Christum ausschließlich dahingehend erwähnt, dass er den Islam mit dem Christentum vergleichen habe und sich daher vom Islam abgewendet habe. Eine Hinwendung zum Christentum wurde im gesamten bisherigen Verfahren nicht erwähnt. Eine nachhaltige Hinwendung des Beschwerdeführers zum Christentum aus innerer Überzeugung ist daher trotz des vorliegenden Schreibens und der Tauferlaubnis nicht anzunehmen. Aus diesen Gründen ist es dem Beschwerdeführer nicht gelungen, eine innere Konversion und damit eine aus diesem Grund ihm drohende Verfolgungsgefahr bei einer Rückkehr nach Afghanistan glaubhaft zu machen.
Zum Vorbringen des Beschwerdeführers, wonach er im Falle einer Rückkehr nach Afghanistan Angst haben müsse, entführt zu werden, da die Leute glauben würden, dass er in Europa lebe und sehr reich wäre, ist festzuhalten, dass nicht angenommen werden kann, dass er alleine deshalb bei einer Rückkehr einer Verfolgungsgefährdung ausgesetzt wäre. Aus den Länderberichten zu Afghanistan lässt sich nicht entnehmen, dass per se jeder Rückkehrer aus Europa, aus diesem Grund einer asylrelevanten Verfolgung ausgesetzt wäre.
In einer Gesamtschau ist nicht davon auszugehen, dass dem Beschwerdeführer im Falle einer Rückkehr nach Afghanistan eine Verfolgung droht. Ihm drohen keine Übergriffe durch die Taliban, gegebenenfalls verbunden mit einer Aufforderung zur allfälligen Zusammenarbeit. Vielmehr ergibt sich aus dem Umstand, dass der Beschwerdeführer während des gesamten Verfahrens weniger auf konkrete Bedrohungen als auf abstrakte Gefahren durch die Taliban hingewiesen hat, dass wohl die Tatsache, er mit der erfolgten ärztlichen Versorgung in Afghanistan nicht zufrieden war und eine Operation in Österreich anstrebte (Niederschrift BFA, VwAkt S. 141 bis 143), der primäre Grund für seine Ausreise gewesen sein dürfe. Auch seine Volksgruppen-/Religionszugehörigkeit, seine in Österreich gewonnene Sichtweise auf