Entscheidungsdatum
25.05.2020Norm
AsylG 2005 §10 Abs1 Z5Spruch
W260 2204662-1/20E
IM NAMEN DER REPUBLIK!
Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch den Richter Mag. Markus BELFIN als Einzelrichter über die Beschwerde von XXXX , geb. XXXX , StA. Afghanistan, vertreten durch Diakonie Flüchtlingsdienst gem. GmbH, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl, Regionaldirektion Niederösterreich, vom 06.08.2018, Zl. 1093058505-180731948, nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung zu Recht:
A)
I. Der Beschwerde wird stattgegeben und die Spruchpunkte I., III., IV., V. und VI. des angefochtenen Bescheides werden ersatzlos behoben.
II. Spruchpunkt II. des angefochtenen Bescheides wird dahingehend abgeändert, dass dem Antrag vom 26.06.2018 auf Verlängerung der befristeten Aufenthaltsberechtigung gemäß § 8 Abs. 4 AsylG 2005 stattgegeben und die befristete Aufenthaltsberechtigung von XXXX als subsidiär Schutzberechtigter um zwei Jahre verlängert wird.
B) Die Revision ist gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.
Text
ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:
I. Verfahrensgang:
1. XXXX (im Folgenden "Beschwerdeführer"), ein Staatsangehöriger Afghanistans, stellte am 30.10.2015 einen Antrag auf internationalen Schutz in Österreich. Am 02.11.2015 erfolgte seine Erstbefragung vor einem Organ des öffentlichen Sicherheitsdienstes. Zu seinen Fluchtgründen gab der Beschwerdeführer an, seine Familie und er hätten Afghanistan aufgrund der Sicherheitslage vor ca. 14 Jahren verlassen und seien in den Iran gezogen. Seine Aufenthaltsberechtigung für den Iran sei nicht verlängert worden und er habe dort keine Rechte, nach Afghanistan könne er aufgrund des Krieges nicht zurück.
2. Die Einvernahmen vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (im Folgenden "belangte Behörde") fanden am 21.07.2016 und 08.03.2017 statt. Dabei gab der Beschwerdeführer zusammengefasst an, er stamme aus der Provinz Kapisa und sei im Alter von fünf Jahren mit seiner Familie wegen des Krieges in den Iran gezogen. In Afghanistan würden in Kapisa noch seine Großeltern mütterlicherseits leben, diese habe er aber nie kennengelernt. Ansonsten seien alle Verwandten im Iran. Er könne aufgrund der Sicherheitslage nicht zurück nach Afghanistan, Kapisa sei von Kabul aus nicht sicher erreichbar. Seine Großeltern könnten ihn auch nicht unterstützen. Im Rahmen der Einvernahmen legte der Beschwerdeführer Teilnahmebestätigungen für Deutschkurse und ein Unterstützungsschreiben vor.
3. Mit nicht verfahrensgegenständlichem Bescheid vom 06.08.2017 wies die belangte Behörde den Antrag hinsichtlich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten ab (Spruchpunkt I.), erkannte dem Beschwerdeführer den Status des subsidiär Schutzberechtigten zu (Spruchpunkt II.) und erteilte ihm eine bis 06.08.2018 befristete Aufenthaltsberechtigung (Spruchpunkt III.).
Begründend wurde zur Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten im Wesentlichen ausgeführt, der Beschwerdeführer wäre aufgrund der derzeitigen Sicherheitslage in Afghanistan im Fall einer Rückkehr einer ernsthaften Bedrohung seines Lebens oder seiner Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt ausgesetzt. Hinzu komme, dass er in Afghanistan über keine tragfähigen familiären Anknüpfungspunkte verfüge, seit er ein Kleinkind war im Iran gelebt habe und keine Berufsausbildung aufweise. Es könne daher nicht ausgeschlossen werden, dass er im Fall der Rückkehr in eine existenzielle Notlage geraten würde.
Dieser Bescheid erwuchs unbekämpft in Rechtskraft.
4. Am 26.06.2018 beantragte der Beschwerdeführer die Verlängerung seiner befristeten Aufenthaltsberechtigung.
Am 02.08.2018 wurde der Beschwerdeführer von der belangten Behörde dazu einvernommen. Dabei gab er zusammengefasst an, er habe im Iran elf Jahre die Schule besucht und ein Jahr in einer Ziegelfabrik gearbeitet. Seine Eltern, zwei Schwestern, ein Bruder und ein Onkel väterlicherseits würden nach wie vor in Teheran leben. Er wisse nicht, ob seine Großeltern mütterlicherseits in Afghanistan noch leben würden. In Afghanistan kenne er niemanden, bei einer Rückkehr hätte er Angst um sein Leben. In Österreich habe er noch nicht gearbeitet. Im Rahmen der Einvernahme legte er diverse Integrationsunterlagen vor.
5. Mit verfahrensgegenständlichem Bescheid vom 06.08.2018 wurde dem Beschwerdeführer der mit 06.08.2017 zuerkannte Status des subsidiär Schutzberechtigten von Amts wegen aberkannt (Spruchpunkt I.) und der Antrag auf Verlängerung der befristeten Aufenthaltsberechtigung vom 26.06.2018 abgewiesen (Spruchpunkt II.). Ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen wurde nicht erteilt (Spruchpunkt III.), es wurde eine Rückkehrentscheidung erlassen (Spruchpunkt IV.) und festgestellt, dass seine Abschiebung nach Afghanistan zulässig sei (Spruchpunkt V.). Die Frist für die freiwillige Ausreise wurde mit zwei Wochen ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung festgesetzt (Spruchpunkt VI.).
Begründend wurde im Wesentlichen ausgeführt, dass die Voraussetzungen für die Zuerkennung subsidiären Schutzes nicht mehr vorliegen würden. Die subjektive Lage des Beschwerdeführers habe sich im Vergleich zum Zuerkennungszeitpunkt geändert. Es bestehe eine innerstaatliche Fluchtalternative, der Beschwerdeführer könne seinen Lebensunterhalt in seiner Heimatprovinz Kapisa und in Kabul bestreiten. In Bezug auf beide Regionen sei nicht von einer allgemein relevanten Gefährdungslage auszugehen. Es sei nicht glaubhaft, dass der Beschwerdeführer keinen Kontakt mehr zu seinen Großeltern in der Heimatprovinz habe. Auch wenn er in Kabul über keine familiären oder sozialen Netzwerke verfüge, sei nicht davon auszugehen, dass es einem volljährigen, gesunden, jungen Mann, welcher Schulbildung und Berufserfahrung habe, unmöglich sei, in seinem Heimatland einen Neustart zu schaffen. Er könne auch von seiner im Iran lebenden Familie und seinen Großeltern unterstützt werden, auf die Unterstützung seiner Glaubensgemeinschaft und Volksgruppe zählen und Rückkehrhilfe in Anspruch nehmen.
6. Gegen diesen Bescheid erhob der Beschwerdeführer durch seine bevollmächtigte Vertretung fristgerecht Beschwerde. Er brachte darin im Wesentlichen vor, die belangte Behörde könne nicht darlegen, inwiefern sich seine Lage im Vergleich zum Vorjahr maßgeblich geändert hätte. Er habe bereits im Zuerkennungsverfahren angegeben, dass seine Großeltern mütterlicherseits vermutlich noch in Afghanistan aufhältig seien, er diese jedoch nie kennengelernt habe. An diesem Sachverhalt habe sich seither nichts geändert. Die Rechtskraft des Zuerkennungsbescheides verbiete es der belangten Behörde, bereits früher bekannt Umstände neu "aufzurollen". Der subsidiäre Schutz sei dem Beschwerdeführer auch aufgrund der schlechten Sicherheitslage in Afghanistan gewährt worden, wozu unter Verweis auf Länderberichte ausgeführt wird, dass sich diese im letzten Jahr eher verschlechtert als verbessert habe.
7. Das Bundesverwaltungsgericht führte am 31.10.2018 eine mündliche Verhandlung durch, die belangte Behörde blieb der mündlichen Beschwerdeverhandlung entschuldigt fern; das Verhandlungsprotokoll wurde der belangten Behörde übermittelt.
8. Das Bundesverwaltungsgericht übermittelte den Verfahrensparteien mit Schreiben vom 27.11.2018 im Rahmen des Parteiengehörs Anfragebeantwortungen der Staatendokumentation zur Sicherheits- bzw. Versorgungslage in den Städten Kabul, Herat-Stadt und Mazar-e-Sharif jeweils im Zeitverlauf 2010 bis 2018 mit der Möglichkeit zur Stellungnahme.
9. Der Beschwerdeführer erstattete namens seiner bevollmächtigten Vertretung am 28.11.2018 eine Stellungnahme zu den vom Bundesverwaltungsgericht in der mündlichen Verhandlung eingebrachten Länderberichten, in der er im Wesentlichen vorbrachte, die Sicherheits- und Versorgungslage in seiner Herkunftsprovinz und in Afghanistan allgemein habe sich jedenfalls nicht wesentlich und nachhaltig verbessert. Mit dieser Stellungnahme legte er ein Unterstützungsschreiben vor.
10. Die belangte Behörde erstattete am 03.12.2018 zur ihr übermittelten Niederschrift der mündlichen Verhandlung eine Stellungnahme, in der sie im Wesentlichen vorbrachte, die Angaben des Beschwerdeführers zu Angehörigen im Herkunftsstaat seien weiterhin nicht glaubhaft und die Behörde gehe davon aus, dass es Unterstützungsmöglichkeiten direkt vor Ort gebe. Der Beschwerdeführer sei ein junger, arbeitsfähiger und gesunder Mann mit Schulbildung, dem die Rückkehr nach Afghanistan möglich sei. Selbst wenn zur Entscheidung gelange, dass Kabul derzeit nicht zumutbar wäre, stünden immer noch Mazar-e-Sharif und Herat als innerstaatliche Fluchtalternativen zur Verfügung.
11. Der Beschwerdeführer erstattete namens seiner bevollmächtigten Vertretung am 12.12.2018 eine Stellungnahme zu den vom Bundesverwaltungsgericht übermittelten Anfragebeantwortungen, in der er im Wesentlichen vorbrachte, dass die Anfragebeantwortungen das bisherige Vorbringen des Beschwerdeführers stützen würden und sich auch aus diesen keine wesentliche und nachhaltige Veränderung bzw. Verbesserung der Lage in Afghanistan seit der Zuerkennung ergebe.
12. Mit Schreiben vom 05.03.2019 legte der Beschwerdeführer durch seine bevollmächtigte Vertretung ein Zertifikat über eine bestandene B2-Deutschprüfung vor.
13. Mit Schreiben vom 09.09.2019 legte der Beschwerdeführer durch seine bevollmächtigte Vertretung einen Lehrvertrag vor und erstattete eine ergänzende Stellungnahme zu aktueller Judikatur betreffend Aberkennungen und zur aktuellen Situation in Afghanistan.
14. Mit Schreiben vom 16.01.2020 übermittelte die belangte Behörde den ihr durch die bevollmächtigte Vertretung des Beschwerdeführers vorgelegten Lehrvertrag und das ausgefüllte Formular zur Mitteilung des Lehrverhältnisses.
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
1. Feststellungen:
1.1. Zur Person des Beschwerdeführers:
Der Beschwerdeführer führt den Namen XXXX und das Geburtsdatum XXXX .
Er ist afghanischer Staatsangehöriger, Angehöriger der Volksgruppe der Tadschiken und sunnitischer Muslim. Seine Muttersprache ist Dari, er spricht auch Farsi.
Er ist ledig und hat keine Kinder.
Der Beschwerdeführer wurde in Provinz Kapisa geboren. Im Alter von vier oder fünf Jahren übersiedelte er mit seiner Familie in den Iran und wuchs dort im Familienverband auf. Der Beschwerdeführer besuchte im Iran elf Jahre lang die Schule und arbeitete zwei Jahre lang als Hilfsarbeiter in einer Ziegelfabrik.
Die Eltern, zwei Schwestern, ein Bruder und ein Onkel väterlicherseits des Beschwerdeführers leben im Iran. Zu seinen Eltern hat der Beschwerdeführer regelmäßigen Kontakt. Die Großeltern mütterlicherseits des Beschwerdeführers leben in Afghanistan in der Provinz Kapisa. Zu diesen hatte der Beschwerdeführer noch nie Kontakt.
Es kann nicht festgestellt werden, dass die Verwandten des Beschwerdeführers willens und in der Lage wären, diesen im Falle einer Rückkehr finanziell zu unterstützen.
Der Beschwerdeführer ist gesund und arbeitsfähig.
1.2. Zum Leben des Beschwerdeführers in Österreich:
Der Beschwerdeführer befand bzw. befindet sich seit seiner Antragstellung im Oktober 2015 auf Grund einer vorübergehenden Aufenthaltsberechtigung nach dem AsylG 2005 und seit August 2017 aufgrund einer Aufenthaltsberechtigung als subsidiär Schutzberechtigter durchgehend rechtmäßig im Bundesgebiet.
Der Beschwerdeführer absolviert seit September 2019 eine dreijährige Lehre als Platten- und Fliesenleger. Er ist selbsterhaltungsfähig und nicht auf staatliche Leistungen angewiesen.
Der Beschwerdeführer besuchte in Österreich diverse Deutsch- und Alphabetisierungskurse und verfügt mittlerweile über gute Deutschkenntnisse auf Niveau B2. Der Beschwerdeführer besuchte einen Werte- und Orientierungskurs.
Der Beschwerdeführer hat in Österreich keine Familienangehörigen. Es konnten auch keine weiteren substantiellen Anknüpfungspunkte im Bereich des Privatlebens des Beschwerdeführers in Österreich festgestellt werden.
Der Beschwerdeführer ist in Österreich strafgerichtlich unbescholten.
1.3. Zu einer möglichen Rückkehr des Beschwerdeführers in den Herkunftsstaat:
Unter Berücksichtigung der individuellen Situation des Beschwerdeführers und der Sicherheits- und Versorgungslage in Afghanistan, insbesondere in der Herkunftsprovinz Kapisa und in den Städten Kabul, Mazar-e Sharif und Herat-Stadt, wird festgestellt, dass sich die Umstände, die zur Gewährung subsidiären Schutzes geführt haben, seit der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten mit Bescheid der belangten Behörde vom 06.08.2017 nicht wesentlich und nachhaltig verändert haben.
Insbesondere ist aus den getroffenen Länderfeststellungen im Vergleich zu den bei Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten herangezogenen Länderberichten keine Verbesserung der Sicherheits- oder Versorgungslage in Afghanistan ersichtlich und auch keine maßgebliche Änderung der individuellen Situation des Beschwerdeführers eingetreten.
1.4. Zur Lage im Herkunftsstaat:
Die Länderfeststellungen zur Lage in Afghanistan basieren auf nachstehenden Quellen:
* Länderinformationsblatt der Staatendokumentation Afghanistan in der Fassung der Gesamtaktualisierung vom 13.11.2019 (LIB);
* UNHCR-Richtlinien zur Feststellung des internationalen Schutzbedarfs afghanischer Asylsuchender vom 30.08.2018 (UNHCR) und
* EASO Country Guidance: Afghanistan vom Juni 2019 (EASO).
1.4.1. Allgemeine Sicherheitslage
Afghanistan ist ein Zentralstaat mit 34 Provinzen, die in Distrikte gegliedert sind. Auf einer Fläche von ca. 632.000 Quadratkilometern leben ca. 32 Millionen Menschen (LIB, Kapitel 2).
Die Sicherheitslage in Afghanistan bleibt insgesamt volatil und weist starke regionale Unterschiede auf. Provinzen und Distrikten mit aktiven Kampfhandlungen stehen andere gegenüber, in denen die Lage trotz punktueller Sicherheitsvorfälle vergleichsweise stabil ist. Die afghanische Regierung behält die Kontrolle über Kabul, größere Bevölkerungszentren, Transitrouten, Provinzhauptstädte und den Großteil der Distriktzentren (LIB, Kapitel 3). Die Hauptlast einer unsicheren Sicherheitslage in der jeweiligen Region trägt die Zivilbevölkerung (UNHCR, Kapitel II. B).
Für die Sicherheit in Afghanistan sind verschiedene Organisationseinheiten der afghanischen Regierungsbehörden verantwortlich. Die Afghan National Defense and Security Forces (ANDSF) umfassen militärische, polizeiliche und andere Sicherheitskräfte. Das Innenministerium ist primär für die interne Ordnung zuständig, dazu zählt auch die Afghan National Police (ANP) und die Afghan Local Police (ALP). Die Afghan National Army (ANA) ist für die externe Sicherheit verantwortlich, dennoch besteht ihre Hauptaufgabe darin, den Aufstand im Land zu bekämpfen. Die ANP gewährleistet die zivile Ordnung und bekämpft Korruption sowie die Produktion und den Schmuggel von Drogen. Der Fokus der ANP liegt derzeit in der Bekämpfung von Aufständischen gemeinsam mit der ANA. Die ALP wird durch die USA finanziert und schützt die Bevölkerung in Dörfern und ländlichen Gebieten vor Angriffen durch Aufständische (LIB, Kapitel 5).
In Afghanistan sind unterschiedliche regierungsfeindliche Gruppierungen aktiv, welche eine Bedrohung für die gesamte regionale Sicherheit und Stabilität in Afghanistan darstellen. Eine Bedrohung für Zivilisten geht insbesondere von Kampfhandlungen zwischen den Konfliktparteien sowie improvisierten Sprengkörpern, Selbstmordanschlägen und Angriffen auf staatliche Einrichtungen und gegen Gläubige und Kultstätten bzw. religiöse Minderheiten aus (LIB, Kapitel 3).
1.4.2. Allgemeine Wirtschaftslage
Afghanistan ist nach wie vor eines der ärmsten Länder der Welt und stark von internationalen Hilfsgeldern abhängig. Dabei bleibt das Gefälle zwischen urbanen Zentren und ländlichen Gebieten Afghanistans eklatant. Lebensgrundlage für rund 80 % der Bevölkerung ist die Landwirtschaft (LIB, Kapitel 21).
Der Zugang zum Arbeitsmarkt ist angespannt und die Arbeitslosigkeit ist hoch. Persönliche Kontakte, Empfehlungen sowie ein Netzwerk sind wichtig um einen Job zu finden. Arbeitgeber bewerten persönliche Beziehungen und Netzwerke höher als formelle Qualifikationen. Fähigkeiten, die sich Rückkehrer im Ausland angeeignet haben, können eine wichtige Rolle bei der Arbeitsplatzsuche spielen. Der afghanische Arbeitsmarkt ist durch eine starke Dominanz des Agrarsektors, eine Unterrepräsentation von Frauen und relativ wenigen Möglichkeiten für junge Menschen gekennzeichnet. Ebenso korreliert ein Mangel an Bildung mit Armut, wobei ein niedriges Bildungsniveau und Analphabetismus immer noch weit verbreitet sind. In Afghanistan existiert keine finanzielle oder sonstige Unterstützung bei Arbeitslosigkeit (LIB, Kapitel 21).
In den Jahren 2016-2017 lebten 54,5 % der Bevölkerung unterhalb der nationalen Armutsgrenze. Immer mehr Menschen greifen auf negative Bewältigungsmechanismen wie Kleinkriminalität, Kinderehen, Kinderarbeit und Betteln zurück, von denen insbesondere Binnenvertriebene betroffen sind. Der Zugang zu einer produktiven oder entgeltlichen Beschäftigung ist begrenzt, 80 % der Beschäftigung gelten als anfällig und unsicher in Form von Selbst- oder Eigenbeschäftigung, Tagarbeit oder unbezahlter Arbeit. Der saisonale Effekt ist erheblich. Die Arbeitslosenquote ist in den Frühlings- und Sommermonaten relativ niedrig (rund 20%), während sie im Winter 32,5% erreichen kann (EASO, Kapitel Common analysis: Afghanistan, V).
In Afghanistan gibt es neben der Zentralbank auch mehrere kommerzielle Banken. Es ist mittlerweile auch relativ einfach, in Afghanistan ein Bankkonto zu eröffnen. Geld kann auch über das Hawala-System (Form des Geldtausches) transferiert werden. Dieses System funktioniert schnell, zuverlässig und günstig. Spezielle Dokumente sind nicht notwendig und der Geldtransfer ist weltweit möglich und wird von verschiedenen Bevölkerungsschichten verwendet (LIB, Kapitel 21).
Im Zeitraum von 2016 bis 2017 waren 44,6 % der afghanischen Bevölkerung sehr stark bis mäßig von Lebensmittelunsicherheit betroffen. In allen Wohnbevölkerungsgruppen war seit 2011 ein Anstieg festzustellen, wobei der höchste Anstieg in den ländlichen Gebieten zu verzeichnen war (EASO, Kapitel Common analysis: Afghanistan, V).
Afghanistans jährliche Wachstumsrate der städtischen Bevölkerung gehört zu den höchsten der Welt. Kabul war das Zentrum des Wachstums, und der Rest der städtischen Bevölkerung konzentriert sich hauptsächlich auf vier andere Stadtregionen: Herat, Mazar-e Sharif, Kandahar und Jalalabad. Die große Mehrheit (72 %, basierend auf ALCS-Zahlen für 2016-2017) der afghanischen Stadtbevölkerung lebt in Slums oder in ungenügenden Wohnungen. 86 % der städtischen Häuser in Afghanistan können (gemäß der Definition von UN-Habitat) als Slums eingestuft werden. Der Zugang zu angemessenem Wohnraum stellt für die Mehrheit der Afghanen in den Städten eine große Herausforderung dar (EASO, Kapitel Common analysis: Afghanistan, V).
In den Städten besteht grundsätzlich die Möglichkeit, sicheren Wohnraum zu mieten. Darüber hinaus bietet die Städte die Möglichkeit von "Teehäusern", die mit 30 Afghani (das sind ca. ? 0,35) bis 100 Afghani (das sind ca. ? 1,20) pro Nacht relativ günstig sind. "Teehäuser" werden von Reisenden, Tagesarbeitern, Straßenhändlern, jungen Menschen, alleinstehenden Männern und anderen Personen, die in der Gegend keine ständige Unterkunft haben, als vorübergehende Unterkunft genutzt (EASO, Kapitel Common analysis: Afghanistan, V).
Der Zugang zu sauberem Trinkwasser sowie angemessenen sanitären Einrichtungen hat sich in den letzten Jahren erheblich verbessert. Der Zugang zu grundlegenden Dienstleistungen, wie Wasserversorgung und Abwasserentsorgung, war in den Städten im Allgemeinen besser als auf dem Land. Der Zugang zu Trinkwasser ist für viele Afghanen jedoch nach wie vor ein Problem, und die sanitären Einrichtungen sind weiterhin schlecht (EASO, Kapitel Common analysis: Afghanistan, V).
1.4.3. Medizinische Versorgung
Das afghanische Gesundheitsministerium gab an, dass 60 % der Menschen im April 2018 Zugang zu Gesundheitsdiensten hatten, wobei der Zugang als eine Stunde Fußweg zur nächsten Klinik definiert wurde. Trotz der Tatsache, dass die Gesundheitsversorgung laut afghanischer Verfassung kostenlos sein sollte, müssen die Menschen in vielen öffentlichen Einrichtungen für Medikamente, Arzthonorare, Labortests und stationäre Versorgung bezahlen. Hohe Behandlungskosten sind der Hauptgrund, weswegen die Behandlung vermieden wird (EASO, Kapitel Common Analysis: Afghanistan, V).
90 % der medizinischen Versorgung in Afghanistan werden nicht direkt vom Staat zur Verfügung gestellt, sondern von nationalen und internationalen NGOs, die über ein Vertragssystem beauftragt werden. Über dieses Vertragssystem wird sowohl primäre, als auch sekundäre und tertiäre medizinische Versorgung zur Verfügung gestellt. Allerdings mangelt es an Investitionen in medizinische Infrastruktur. Der Bauzustand vieler Kliniken ist schlecht. Während in den Städten ein ausreichendes Netz von Krankenhäusern und Kliniken besteht, ist es in den ländlichen Gebieten für viele Afghanen schwierig, eine Klinik oder ein Krankenhaus zu erreichen (LIB, Kapitel 22).
Psychische Krankheiten wie posttraumatische Belastungsstörung, Depression und Angstzustände - die oft durch den Krieg hervorgerufen wurden - sind in Afghanistan weit verbreitet, es gibt aber nur geringe Kapazitäten zur Behandlung dieser Erkrankungen. Spezifische Medikamente sind grundsätzlich verfügbar (LIB, Kapitel 22.1).
1.4.4. Ethnische Minderheiten
In Afghanistan sind ca. 40-42 % Paschtunen, rund 27-30 % Tadschiken, ca. 9-10 % Hazara und 9 % Usbeken. Die afghanische Verfassung schützt sämtliche ethnische Minderheiten. Neben den offiziellen Landessprachen Dari und Paschtu wird in der Verfassung sechs weiteren Sprachen ein offizieller Status in jenen Gebieten eingeräumt. Soziale Gruppen werden in Afghanistan nicht ausgeschlossen und kein Gesetz verhindert die Teilnahme von Minderheiten am politischen Leben. Es kommt jedoch im Alltag zu Diskriminierungen und Ausgrenzungen ethnischer Gruppen und Religionen sowie zu Spannungen, Konflikten und Tötungen zwischen unterschiedlichen Gruppen (LIB, Kapitel 17).
Die Volksgruppe der Tadschiken ist die zweitgrößte Volksgruppe in Afghanistan, sie macht etwa 27-30 % der afghanischen Gesellschaft aus und hat deutlichen politischen Einfluss im Land. In der Hauptstadt Kabul ist sie knapp in der Mehrheit. Tadschiken sind in zahlreichen politischen Organisationen und Parteien vertreten, sie sind im nationalen Durchschnitt mit etwa 25 % in der Afghan National Army (ANA) und der Afghan National Police (ANP) repräsentiert. Tadschiken sind allein aufgrund ihrer ethnischen Zugehörigkeit in Afghanistan weder psychischen noch physischen Bedrohungen ausgesetzt (LIB, Kapitel 17.2).
1.4.5. Relevante Provinzen und Städte
1.4.5.1. Herkunftsprovinz Kapisa
Kapisa liegt im zentralen Osten Afghanistans. Die wichtigsten ethnischen Gruppen in Kapisa sind Tadschiken, Paschtunen und Nuristani, wobei die Tadschiken als größte Einzelgruppe hauptsächlich im nördlichen Teil der Provinz leben. Die Provinz hat 479.875 Einwohner (LIB, Kapitel 3.16).
Kapisa zählt zu den relativ volatilen Provinzen. Die Taliban sind in entlegeneren Distrikten der Provinz aktiv und versuchen oft, terroristische Aktivitäten gegen die Regierung oder Sicherheitskräfte durchzuführen. Die Regierungstruppen führen, teils mit Unterstützung der USA, regelmäßig Operationen in Kapisa durch. Es werden auch Luftangriffe ausgeführt. Immer wieder kommt es zu bewaffneten Zusammenstößen zwischen Taliban und afghanischen Sicherheitskräften. Im Jahr 2018 gab es 139 zivile Opfer (39 Tote und 100 Verletzte) in Kapisa. Dies entspricht einer Zunahme von 38% gegenüber 2017. Die Hauptursache für die Opfer waren Kämpfe am Boden, gefolgt von Luftangriffen und improvisierten Sprengkörpern (improvised explosive devices, IEDs; ohne Selbstmordanschläge) (LIB, Kapitel 3.16).
In der Provinz Kapisa kommt es zu willkürlicher Gewalt, jedoch nicht auf hohem Niveau. Dementsprechend ist ein höheres Maß an individuellen Risikofaktoren erforderlich, um wesentliche Gründe für die Annahme aufzuzeigen, dass ein in dieses Gebiet zurückgekehrter Zivilist einem realen ernsthaften Risiko ausgesetzt wäre, Schaden im Sinne von Artikel 15(c) der Qualifizierungsrichtlinie zu nehmen (EASO, Kapitel Guidance note: Afghanistan, III.3).
1.4.5.2. Provinz Kabul bzw. Kabul-Stadt
Die Provinz Kabul liegt im Zentrum Afghanistans. Kabul-Stadt ist die Hauptstadt Afghanistans und auch ein Distrikt in der Provinz Kabul. Die Stadt Kabul ist die bevölkerungsreichste Stadt Afghanistans, sie hat 5.029.850 Einwohner. Kabul ist Zielort für verschiedene ethnische, sprachliche und religiöse Gruppen, und jede von ihnen hat sich an bestimmten Orten angesiedelt (LIB, Kapitel 3.1). Die Stadt Kabul ist über Hauptstraßen mit den anderen Provinzen des Landes verbunden und verfügt über einen internationalen Flughafen (LIB Kapitel 3.1 und Kapitel 3.35).
Die afghanische Regierung behält die Kontrolle über Kabul. Nichtsdestotrotz führten Aufständische, Taliban und andere militante Gruppierungen, im gesamten Jahr 2018, als auch in den ersten fünf Monaten 2019, insbesondere in der Hauptstadtregion weiterhin Anschläge auf hochrangige Ziele durch, um die Aufmerksamkeit der Medien auf sich zu ziehen, die Legitimität der afghanischen Regierung zu untergraben und die Wahrnehmung einer weit verbreiteten Unsicherheit zu schaffen. Die Hauptursache für zivile Opfer in der Provinz Kabul (596 Tote und 1.270 Verletzte im Jahr 2018) waren Selbstmord- und komplexe Angriffe, gefolgt von improvisierten Sprengkörpern (improvised explosive devices, IEDs) und gezielten Tötungen (LIB, Kapitel 3.1).
Kabul zählt zu jenen Provinzen, in denen es zu willkürlicher Gewalt kommt, jedoch nicht auf hohem Niveau. Dementsprechend ist ein höheres Maß an individuellen Risikofaktoren erforderlich, um wesentliche Gründe für die Annahme aufzuzeigen, dass ein in dieses Gebiet zurückgekehrter Zivilist einem realen ernsthaften Risiko ausgesetzt wäre, Schaden im Sinne von Artikel 15(c) der Qualifizierungsrichtlinie zu nehmen (EASO, Kapitel Guidance note: Afghanistan, III.3).
In Kabul leben 70.000 bis 80.000 Binnenvertriebene (LIB, Kapitel 3.1).
Afghanistans jährliche Wachstumsrate der städtischen Bevölkerung gehört zu den höchsten der Welt. Kabul war in den letzten Jahren das Zentrum dieses Wachstums. Schätzungsweise 70% der Bevölkerung Kabuls lebt in informellen Siedlungen (Slums), welche den meisten Einwohnern der Stadt preiswerte Wohnmöglichkeiten bieten. (EASO, Kapitel Common analysis: Afghanistan, V).
Kabul ist das wichtigste Handels- und Beschäftigungszentrum Afghanistans und hat ein größeres Einzugsgebiet in den Provinzen Parwan, Logar und Wardak. Es gibt eine dynamischere Wirtschaft mit einem geringeren Anteil an Arbeitssuchenden, Selbständigen und Familienarbeitern. Menschen aus kleinen Dörfern pendeln täglich oder wöchentlich nach Kabul, um landwirtschaftliche Produkte zu handeln oder als Wachen, Hausangestellte oder Lohnarbeiter zu arbeiten. Die besten (Arbeits-)Möglichkeiten für Junge existieren in Kabul. Trotz der niedrigeren Erwerbsquoten ist der Frauenanteil in hoch qualifizierten Berufen in Kabul (49,6 %) am größten (LIB, Kapitel 21).
Die Gehälter in Kabul sind in der Regel höher als in anderen Provinzen (EASO, Kapitel Common analysis: Afghanistan, V).
Das Hunger-Frühwarnsystem (FEWS) stufte Kabul im Dezember 2018 als "gestresst" ein, was bedeutet, dass Haushalte nur einen gerade noch angemessenen Lebensmittelverbrauch aufweisen und nicht in der Lage seien sich wesentliche, nicht nahrungsbezogenen Güter zu leisten, ohne irreversible Bewältigungsstrategien anzuwenden (EASO, Kapitel Common analysis: Afghanistan, V).
Schätzungen zufolge haben 32 % der Bevölkerung Kabuls Zugang zu fließendem Wasser, und nur 10 % der Einwohner erhalten Trinkwasser. Diejenigen, die es sich leisten können, bohren ihre eigenen Brunnen. Viele arme Einwohner von Kabul sind auf öffentliche Zapfstellen angewiesen, die oft weit von ihren Häusern entfernt sind. Der Großteil der gemeinsamen Wasserstellen und Brunnen in der Hauptstadt ist durch häusliches und industrielles Abwasser verseucht, das in den Kabul-Fluss eingeleitet wird, was ernste gesundheitliche Bedenken aufwirft. Fast die Hälfte der Bevölkerung in Kabul verfügt über sanitäre Grundversorgung (EASO, Kapitel Common analysis: Afghanistan, V).
In der Stadt Kabul besteht Zugang zu öffentlichen und privaten Gesundheitsdiensten. Nach verschiedenen Quellen gibt es in Kabul ein oder zwei öffentliche psychiatrische Kliniken (EASO, Kapitel Common analysis: Afghanistan, V).
1.4.5.3. Provinz Herat bzw. Herat-Stadt
Herat liegt im Westen Afghanistans. Die wichtigsten ethnischen Gruppen in der Provinz sind Paschtunen, Tadschiken, Hazara, Turkmenen, Usbeken und Aimaqs, wobei Paschtunen in elf Grenzdistrikten die Mehrheit stellen. Die Provinz hat 2.095.117 Einwohner. Die Provinz ist über einen Flughafen in der Nähe von Herat-Stadt zu erreichen (LIB, Kapitel 3.13).
Herat-Stadt ist die Provinzhauptstadt der Provinz Herat. Umfangreiche Migrationsströme haben die ethnische Zusammensetzung der Stadt verändert, der Anteil an schiitischen Hazara ist seit 2001 durch Iran-Rückkehrer und Binnenvertriebene besonders gestiegen. Sie hat 556.205 Einwohner (LIB, Kapitel 3.13).
Herat ist durch die Ring-Road sowie durch einen Flughafen mit nationalen und internationalen Anbindungen sicher und legal erreichbar (LIB, Kapitel 3.13). Der Flughafen Herat (HEA) liegt 13 km südlich der Stadt im Distrikt Gozara. Die Straße, welche die Stadt mit dem Flughafen verbindet wird laufend von Sicherheitskräften kontrolliert. Unabhängig davon gab es in den letzten Jahren Berichte von Aktivitäten von kriminellen Netzwerken, welche oft auch mit Aufständischen in Verbindung stehen (EASO, Kapitel Common analysis: Afghanistan, V).
Herat gehört zu den relativ ruhigen Provinzen im Westen Afghanistans, jedoch sind Taliban-Kämpfer in einigen abgelegenen Distrikten aktiv und versuchen oft terroristische Aktivitäten auszuüben. Je mehr man sich von Herat-Stadt (die als "sehr sicher" gilt) und den angrenzenden Distrikten Richtung Norden, Westen und Süden entfernt, desto größer wird der Einfluss der Taliban. Das Niveau an willkürlicher Gewalt ist in der Stadt Herat so gering, dass für Zivilisten an sich nicht die Gefahr besteht von erheblichen Eingriffen in die psychische oder physische Unversehrtheit betroffen zu sein (EASO, Kapitel Common analysis: Afghanistan, III).
Im Vergleich mit anderen Teilen des Landes weist Herat wirtschaftlich und sicherheitstechnisch relativ gute Bedingungen auf. Es gibt Arbeitsmöglichkeiten im Handel, darunter den Import und Export von Waren mit dem benachbarten Iran, wie auch im Bergbau und Produktion. Die Industrie der kleinen und mittelständischen Unternehmen (KMUs) ist insbesondere im Handwerksbereich und in der Seiden- und Teppichproduktion gut entwickelt und beschäftigt Tagelöhner sowie kleine Unternehmer (LIB, Kapitel 21).
Die Unterkunftssituation stellt sich in Herat, wie in den anderen Städten Afghanistans auch, für Rückkehrer und Binnenflüchtlinge als schwierig dar. Viele Menschen der städtischen Population lebt in Slums oder nichtadäquaten Unterkünften. In Herat besteht grundsätzlich die Möglichkeit, sicheren Wohnraum, wie beispielsweise in Teehäusern, zu mieten (EASO, Kapitel Common analysis: Afghanistan, V).
Die meisten Menschen in Herat haben Zugang zu Elektrizität (80 %), zu erschlossener Wasserversorgung (70 %) und zu Abwasseranlagen (30%). 92,1 % der Haushalte haben Zugang zu besseren Sanitäreinrichtungen und 81,22 % zu besseren Wasserversorgungsanlagen (EASO, Kapitel Common analysis: Afghanistan, V).
Herat ist im Zeitraum Oktober 2019 bis Januar 2020 als IPC Stufe 2 klassifiziert (IPC - Integrated Phase Classification). In Phase 2, auch "stressed" genannt, weisen Haushalte nur einen gerade noch angemessenen Lebensmittelverbrauch auf und sind nicht in der Lage, sich wesentlich, nicht nahrungsbezogenen Güter zu leisten, ohne dabei irreversible Bewältigungsstrategien anzuwenden (ECOI, Kapitel 3.1.).
1.4.5.4. Provinz Balkh bzw. Mazar-e Sharif
Mazar-e Sharif ist die Provinzhauptstadt von Balkh, einer ethnisch vielfältigen Provinz, welche von Paschtunen, Usbeken, Hazara, Tadschiken, Turkmenen, Aimaq, Belutschen, Arabern und sunnitischen Hazara (Kawshi) bewohnt wird. Sie hat 469.247 Einwohner und steht unter Kontrolle der afghanischen Regierung (LIB, Kapitel 3.5).
Bei der Provinz Balkh handelt es sich um eine jener Provinzen, in denen es zu willkürlicher Gewalt kommt, jedoch nicht auf hohem Niveau, und dementsprechend ist ein höheres Maß an Einzelelementen erforderlich ist, um wesentliche Gründe für die Annahme aufzuzeigen, dass ein in dieses Gebiet zurückgekehrter Zivilist einem realen ernsthaften Risiko ausgesetzt wäre, Schaden im Sinne von Artikel 15(c) der Qualifizierungsrichtlinie zu nehmen (EASO).
Die Stadt Mazar-e Sharif wird von EASO als eine jener Regionen eingestuft, in welcher willkürliche Gewalt auf einem so niedrigen Niveau stattfindet, dass im Allgemeinen kein reales Risiko besteht, dass ein Zivilist aufgrund willkürlicher Gewalt im Sinne von Artikel 15(c) der Qualifizierungsrichtlinie persönlich betroffen wird (EASO).
Mazar-e Sharif ist über die Autobahn sowie über einen Flughafen (mit nationalen und internationalen Anbindungen) legal zu erreichen (LIB, Kapitel 21). Der Flughafen von Mazar-e Sharif (MRZ) liegt 9 km östlich der Stadt im Bezirk Marmul. Die Befahrung der Straßen von diesem Flughafen bis zur Stadt Mazar-e Sharif ist zur Tageszeit im Allgemeinen sicher (EASO, Kapitel Common analysis: Afghanistan, V).
Mazar-e Sharif ist ein Import-/Exportdrehkreuz, ein regionales Handelszentrum sowie ein Industriezentrum mit großen Fertigungsbetrieben und einer Vielzahl von kleinen und mittleren Unternehmen (LIB, Kapitel 21). Mazar-e Sharif gilt im Vergleich zu Herat oder Kabul als wirtschaftlich relativ stabiler. Die größte Gruppe von Arbeitern in der Stadt Mazar-e Sharif sind im Dienstleistungsbereich und als Verkäufer tätig (EASO, Kapitel Common analysis: Afghanistan, V).
Die Unterkunftssituation stellt sich in Mazar-e Sharif, wie in den anderen Städten Afghanistans auch, für Rückkehrer und Binnenflüchtlinge als schwierig dar. Viele Menschen der städtischen Population lebt in Slums oder nichtadäquaten Unterkünften. In Mazar-e Sharif besteht grundsätzlich die Möglichkeit, sicheren Wohnraum, wie beispielsweise in Teehäusern, zu mieten. (EASO, Kapitel Common analysis: Afghanistan, V).
Die meisten Menschen in Mazar-e Sharif haben Zugang zu erschlossener Wasserversorgung (76 %), welche in der Regel in Rohrleitungen oder aus Brunnen erfolgt. 92 % der Haushalte haben Zugang zu besseren Sanitäreinrichtungen (EASO, Kapitel Common analysis: Afghanistan, V).
Während Mazar-e Sharif im Zeitraum Juni 2019 bis September 2019 noch als IPC Stufe 1 "minimal" (IPC - Integrated Phase Classification) klassifiziert wurde, ist Mazar-e Sharif im Zeitraum Oktober 2019 bis Januar 2020 in Phase 2 "stressed" eingestuft. In Phase 1 sind die Haushalte in der Lage, den Bedarf an lebensnotwenigen Nahrungsmitteln und Nicht-Nahrungsmitteln zu decken, ohne atypische und unhaltbare Strategien für den Zugang zu Nahrung und Einkommen zu verfolgen. In Phase 2 weisen Haushalte nur einen gerade noch angemessenen Lebensmittelverbrauch auf und sind nicht in der Lage, sich wesentliche, nicht nahrungsbezogene Güter zu leisten, ohne dabei irreversible Bewältigungsstrategien anzuwenden (ECOI, Kapitel 3.1).
In der Stadt Mazar-e Sharif gibt es 10 - 15 - teils öffentliche, teils private - Krankenhäuser. In Mazar-e Sharif existieren mehr private als öffentliche Krankenhäuser. Private Krankenhäuser sind sehr teuer, jede Nacht ist kostenpflichtig. Zusätzlich existieren etwa 30-50 medizinische Gesundheitskliniken die zu 80% öffentlich finanziert sind (LIB, Kapitel 22).
1.4.6. Situation für Rückkehrer/innen
In den ersten vier Monaten des Jahres 2019 kehrten insgesamt 63.449 Menschen nach Afghanistan zurück. Im Jahr 2018 kamen 775.000 aus dem Iran und 46.000 aus Pakistan zurück (LIB, Kapitel 23).
Soziale, ethnische und familiäre Netzwerke sind für einen Rückkehrer unentbehrlich. Der Großteil der nach Afghanistan zurückkehrenden Personen verfügt über ein familiäres Netzwerk, auf das in der Regel zurückgegriffen wird. Wegen der schlechten wirtschaftlichen Lage, den ohnehin großen Familienverbänden und individuellen Faktoren ist diese Unterstützung jedoch meistens nur temporär und nicht immer gesichert. Neben der Familie als zentrale Stütze der afghanischen Gesellschaft, kommen noch weitere wichtige Netzwerke zum Tragen, wie z. B. der Stamm, der Clan und die lokale Gemeinschaft. Diese basieren auf Zugehörigkeit zu einer Ethnie, Religion oder anderen beruflichen Netzwerken sowie politische Netzwerke usw. Ein Netzwerk ist für das Überleben in Afghanistan wichtig. Ein Mangel an Netzwerken stellt eine der größten Herausforderungen für Rückkehrer dar. Die Rolle sozialer Netzwerke - der Familie, der Freunde und der Bekannten - ist für junge Rückkehrer besonders ausschlaggebend, um sich an das Leben in Afghanistan anzupassen. Sollten diese Netzwerke im Einzelfall schwach ausgeprägt sein, kann die Unterstützung verschiedener Organisationen und Institutionen in Afghanistan in Anspruch genommen werden (LIB, Kapitel 23).
Rückkehrer aus dem Iran und aus Pakistan, die oft über Jahrzehnte in den Nachbarländern gelebt haben und zum Teil dort geboren wurden, sind in der Regel als solche erkennbar. Offensichtlich sind sprachliche Barrieren, von denen vor allem Rückkehrer aus dem Iran betroffen sind, weil sie Farsi (die iranische Landessprache) oder Dari (die afghanische Landessprache) mit iranischem Akzent sprechen. Es gibt jedoch nicht viele Fälle von Diskriminierung afghanischer Rückkehrer aus dem Iran und Pakistan aufgrund ihres Status als Rückkehrer. Fast ein Viertel der afghanischen Bevölkerung besteht aus Rückkehrern. Diskriminierung beruht in Afghanistan großteils auf ethnischen und religiösen Faktoren sowie auf dem Konflikt (LIB, Kapitel 23).
Rückkehrer aus Europa oder dem westlichen Ausland werden von der afghanischen Gesellschaft häufig misstrauisch wahrgenommen. Es sind jedoch keine Fälle bekannt, in denen Rückkehrer nachweislich aufgrund ihres Aufenthalts in Europa Opfer von Gewalttaten wurden. Wenn ein Rückkehrer mit im Ausland erlangten Fähigkeiten und Kenntnissen zurückkommt, stehen ihm mehr Arbeitsmöglichkeiten zur Verfügung als den übrigen Afghanen, was bei der hohen Arbeitslosigkeit zu Spannungen innerhalb der Gemeinschaft führen kann (LIB, Kapitel 23).
Der Mangel an Arbeitsplätzen stellt für den Großteil der Rückkehrer die größte Schwierigkeit dar. Der Zugang zum Arbeitsmarkt hängt maßgeblich von lokalen Netzwerken ab. Die afghanische Regierung kooperiert mit UNHCR, IOM und anderen humanitären Organisationen, um IDPs, Flüchtlingen, rückkehrenden Flüchtlingen und anderen betroffenen Personen Schutz und Unterstützung zu bieten. Für Afghanen, die im Iran geboren oder aufgewachsen sind und keine Familie in Afghanistan haben, ist die Situation problematisch (LIB, Kapitel 23).
Viele Rückkehrer leben in informellen Siedlungen, selbstgebauten Unterkünften oder gemieteten Wohnungen. Die meisten Rückkehrer im Osten des Landes leben in überbelegten Unterkünften und sind von fehlenden Möglichkeiten zum Bestreiten des Lebensunterhaltes betroffen (LIB, Kapitel 23).
Personen, die freiwillig oder zwangsweise nach Afghanistan zurückgekehrt sind, können verschiedene Unterstützungsformen in Anspruch nehmen. Rückkehrer erhalten Unterstützung von der afghanischen Regierung, den Ländern, aus denen sie zurückkehren, und internationalen Organisationen (z.B. IOM) sowie lokalen Nichtregierungsorganisationen (NGOs). Für Rückkehrer leisten UNHCR und IOM in der ersten Zeit Unterstützung. Bei der Anschlussunterstützung ist die Transition von humanitärer Hilfe hin zu Entwicklungszusammenarbeit nicht immer lückenlos. Es gibt keine dezidiert staatlichen Unterbringungen für Rückkehrer. Der Großteil der (freiwilligen bzw. zwangsweisen) Rückkehrer aus Europa kehrt direkt zu ihren Familien oder in ihre Gemeinschaften zurück. Es befinden sich viele Rückkehrer in Gebieten, die für Hilfsorganisationen aufgrund der Sicherheitslage nicht erreichbar sind (LIB, Kapitel 23).
Die "Reception Assistance" umfasst sofortige Unterstützung oder Hilfe bei der Ankunft am Flughafen: IOM trifft die freiwilligen Rückkehrer vor der Einwanderungslinie bzw. im internationalen Bereich des Flughafens, begleitet sie zum Einwanderungsschalter und unterstützt bei den Formalitäten, der Gepäckabholung, der Zollabfertigung, usw. Darüber hinaus arrangiert IOM den Weitertransport zum Endziel der Rückkehrer innerhalb des Herkunftslandes und bietet auch grundlegende medizinische Unterstützung am Flughafen an. 1.279 Rückkehrer erhielten Unterstützung bei der Weiterreise in ihre Heimatprovinz. Für die Provinzen, die über einen Flughafen und Flugverbindungen verfügen, werden Flüge zur Verfügung gestellt. Der Rückkehrer erhält ein Flugticket und Unterstützung bezüglich des Flughafen-Transfers. Der Transport nach Herat findet in der Regel auf dem Luftweg statt (LIB, Kapitel 23).
Familien in Afghanistan halten in der Regel Kontakt zu ihrem nach Europa ausgewanderten Familienmitglied und wissen genau Bescheid, wo sich dieses aufhält und wie es ihm in Europa ergeht. Dieser Faktor wird in Asylinterviews meist heruntergespielt und viele Migranten, vor allem Minderjährige, sind instruiert zu behaupten, sie hätten keine lebenden Verwandten mehr oder jeglichen Kontakt zu diesen verloren (LIB, Kapitel 23).
1.4.7. COVID-19-Pandemie
COVID-19 ist eine durch das Corona-Virus SARS-CoV-2 verursachte Viruserkrankung, die erstmals im Jahr 2019 in Wuhan/China festgestellt wurde und sich seither weltweit verbreitet. In Österreich gibt es mit Stand 20.05.2020 16.294 bestätigte Fälle von mit dem Corona-Virus infizierten Personen und 633 Todesfälle; in Afghanistan wurden zu diesem Zeitpunkt 7.655 Fälle von mit dem Corona-Virus infizierten Personen nachgewiesen, wobei 177 diesbezügliche Todesfälle bestätigt wurden.
Nach dem aktuellen Stand verläuft die Viruserkrankung bei ca. 80 % der Betroffenen leicht und bei ca. 15 % der Betroffenen schwerer, wenn auch nicht lebensbedrohlich. Bei ca. 5 % der Betroffenen verläuft die Viruserkrankung derart schwer, dass Lebensgefahr gegeben ist und intensivmedizinische Behandlungsmaßnahmen notwendig sind. Diese sehr schweren Krankheitsverläufe treten am häufigsten in den Risikogruppen der älteren Personen und der Personen mit Vorerkrankungen (wie z. B. Diabetes, Herzkrankheiten und Bluthochdruck) auf.
2. Beweiswürdigung:
2.1. Zu den Feststellungen zur Person des Beschwerdeführers:
Die Feststellungen zur Identität des Beschwerdeführers ergeben sich aus seinen dahingehend übereinstimmenden Angaben vor den Organen des öffentlichen Sicherheitsdienstes, vor der belangten Behörde, in der Beschwerde und vor dem Bundesverwaltungsgericht.
Die Feststellungen zur Staatsangehörigkeit des Beschwerdeführers, zu seiner Volksgruppen- und Religionszugehörigkeit, seiner Muttersprache und weiteren Sprache, seinem Aufwachsen in Afghanistan und im Iran sowie seinem Bildungsweg gründen sich auf seine diesbezüglich schlüssigen und stringenten Angaben. Das Bundesverwaltungsgericht hat keine Veranlassung, an diesen im gesamten Verfahren gleich gebliebenen Aussagen des Beschwerdeführers zu zweifeln.
Die Feststellungen zu den im Iran lebenden Familienangehörigen des Beschwerdeführers ergeben sich aus seinen diesbezüglich über das gesamte Verfahren hinweg gleich gebliebenen und daher glaubhaften Angaben.
Die Feststellung zu den in Afghanistan lebenden Großeltern mütterlicherseits gründet sich darauf, dass der Beschwerdeführer deren Tod nicht glaubhaft vorbringen konnte. So gab er in den Einvernahmen vor der belangten Behörde im Zuerkennungsverfahren noch eindeutig an, die Großeltern seien am Leben (vgl. AS 42, 65). In der Einvernahme im gegenständlichen Verfahren antwortete er hingegen auf Fragen nach seinen Großeltern unter anderem "Die sind noch in Afghanistan. Ich weiß aber nicht, ob die noch leben." und kurz darauf "Meine Eltern haben nicht darüber gesprochen, und wenn ich diese nach diesen gefragt habe, dann haben die gesagt, dass die verstorben sind." (vgl. Niederschrift vom 02.08.2018, S. 4-5), wobei er offenließ, ob er auch selbst davon ausgehe, dass seine Großeltern verstorben seien. In der mündlichen Verhandlung relativierte der Beschwerdeführer dies auf Vorhalt seiner widersprüchlichen Angaben weiter und sagte: "Als wir im Iran gelebt haben, haben wir keinen Kontakt zu den Großeltern gehabt. Deswegen habe ich dann auch gesagt, dass sie höchstwahrscheinlich gestorben sind, weil es sehr lange her ist." (vgl. Niederschrift vom 31.10.2018, S. 7). In einer Gesamtbetrachtung war daher die einmalige Angabe des Beschwerdeführers, seine Eltern hätten ihm gesagt, die Großeltern seien bereits verstorben, als bloße Schutzbehauptung zu werten.
Glaubhaft war hingegen, dass der Beschwerdeführer noch nie Kontakt zu seinen Großeltern hatte, wie er dies im gesamten Verfahren gleichbleibend angab. Weshalb die belangte Behörde aus einem vermeintlichen Täuschungsversuchs des Beschwerdeführers ableitet, dass von Kontakt zu nicht näher bestimmten Verwandten im Herkunftsstaat ausgegangen werden müsse (vgl. Bescheid vom 06.08.2018, S. 128), war für das Bundesverwaltungsgericht nicht nachvollziehbar.
Dass eine finanzielle Unterstützungsfähigkeit bzw. -willigkeit der Familienangehörigen des Beschwerdeführers nicht festgestellt werden kann, folgt aus seinen glaubhaften Angaben zu deren wirtschaftlicher Situation. So sagte er in der mündlichen Verhandlung, die finanzielle Situation seiner Familie "gehe halbwegs". Sein Vater versorge als Arbeiter in einer Ziegelfabrik die Familie (vgl. Niederschrift vom 31.10.2018, S. 6). Da sein Vater somit als Alleinverdiener bereits jetzt eine fünfköpfige Familie erhält, kann ohne weitere Anhaltspunkte nicht mit der nötigen Sicherheit angenommen werden, dass er darüber hinaus auch noch in der Lage wäre, den Beschwerdeführer zu unterstützen. Hinsichtlich der Großeltern mütterlicherseits ist einerseits darauf hinzuweisen, dass der Beschwerdeführer diese nicht kennt, andererseits davon auszugehen, dass diese selbst schon im höherem Alter und daher auf Unterstützung angewiesen sind.
Die Feststellungen zum Gesundheitszustand gründen auf den diesbezüglich glaubhaften eigenen Angaben des Beschwerdeführers. Dass der Beschwerdeführer arbeitsfähig ist, ergibt sich aus seinem Alter, seinem Gesundheitszustand und seiner aktuellen Erwerbstätigkeit.
2.2. Zu den Feststellungen zum Leben des Beschwerdeführers in Österreich:
Betreffend die (fehlenden) Familienangehörigen, das Privatleben und die Integration des Beschwerdeführers in Österreich wurden dessen Angaben in der mündlichen Beschwerdeverhandlung (vgl. Niederschrift vom 31.10.2018, S. 5-9) sowie die von ihm im Laufe des Verfahrens vorgelegten Unterlagen den Feststellungen zugrunde gelegt.
Dass der Beschwerdeführer über gute Deutschkenntnisse auf dem Niveau B2 verfügt, ergibt sich aus dem vorgelegten Zertifikat über die bestandene Prüfung auf diesem Niveau.
Die Feststellungen zur Lehre des Beschwerdeführers ergeben sich aus dem vorgelegten Lehrvertrag. Daraus lässt sich auch seine Selbsterhaltungsfähigkeit ableiten.
Die bisherige strafgerichtliche Unbescholtenheit des Beschwerdeführers ergibt sich aus dem eingeholten Strafregisterauszug.
2.3. Zu den Feststellungen zur Rückkehr des Beschwerdeführers in den Herkunftsstaat:
2.3.1. Die Feststellung, dass sich die Umstände, die zur Gewährung subsidiären Schutzes geführt haben, seit der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten mit Bescheid der belangten Behörde vom 06.08.2017 nicht wesentlich und nachhaltig verändert haben, wurde aufgrund eines Vergleichs der individuellen Situation des Beschwerdeführers sowie der Sicherheits- und Versorgungslage in Afghanistan zum Zeitpunkt der rechtskräftigen Zuerkennung subsidiären Schutzes einerseits und zum Zeitpunkt des angefochtenen Bescheides sowie der vorliegenden Entscheidung andererseits getroffen (siehe dazu noch in der rechtlichen Beurteilung).
Dabei erfolgte insbesondere eine Gegenüberstellung des Inhalts der dem Bescheid vom 06.08.2017 zugrunde gelegten Länderberichte mit jener Berichtslage, die die belangte Behörde bei der Erlassung des angefochtenen Bescheides herangezogene, sowie auch mit der zum Zeitpunkt der vorliegenden Entscheidung bestehenden Lage im Herkunftsstaat.
Die belangte Behörde legt nicht dar, inwiefern sich diese Umstände seit Erlassung des Bescheides vom 06.08.2017 geändert hätten.
2.3.2. Aus den Länderberichten lässt sich nicht ableiten, dass sich die Versorgungslage sowie die Sicherheitslage in Afghanistan seit dem Jahr 2017 wesentlich und nachhaltig verbessert hat. So ergibt sich aus den Feststellungen, dass die allgemeine Sicherheitslage in Afghanistan nach wie vor volatil ist. Die Kontrolle über Distrikte, Bevölkerung und Territorium befindet sich in einer Pattsituation.
Die Provinz Kapisa zählt unverändert zu den relativ volatilen Provinzen, in denen die Taliban aktiv sind.
Die Situation in Kabul, welche einst als relativ sicher qualifiziert wurde, hat sich verschlechtert, zumal die Stadt nunmehr sowohl von öffentlichkeitswirksamen Angriffen der Taliban, als auch von anderen militanten Gruppierungen betroffen ist. UNAMA registrierte im Jahr 2018 bei der Anzahl der zivilen Opfer in Kabul gegenüber dem Jahr 2017 einen Anstieg von 2 %.
Die Provinz Balkh, in der Mazar-e Sharif liegt, zählt - nach wie vor - zu einer der stabilsten Provinzen Afghanistans, wenngleich Aufständische der Taliban versuchen, die nördliche Provinz Balkh aus benachbarten Regionen zu infiltrieren. Die Taliban überrannten jedoch keine der drei Schlüsseldistrikte. Im Jahr 2018 dokumentierte UNAMA in dieser Provinz 227 zivile Opfer, dies entspricht einer Steigerung von 76 % gegenüber dem Jahr 2017.
Ebenso zählt Herat (noch immer) zu den relativ friedlichen Provinzen, wobei sich auch hier die Situation in den abgelegenen Distrikten in den letzten Jahren aufgrund der Präsenz der Taliban verschlechtert hat. Je mehr man sich von Herat-Stadt, welche als sicher gilt, und den angrenzenden Distrikten Richtung Norden, Westen und Süden entfernt, desto größer wird der Einfluss der Taliban.
Auch eine Verbesserung hinsichtlich der Grundversorgung bzw. der Situation am Arbeitsmarkt ist den Länderberichten nicht zu entnehmen. Afghanistan ist nach wie vor eines der ärmsten Länder der Welt und stützt sich die Wirtschaft hauptsächlich auf den informellen Sektor. Am Arbeitsmarkt müssten jährlich geschätzte 400.000 neue Arbeitsplätze geschaffen werden, um Neuankömmlinge in den Arbeitsmarkt integrieren zu können. Somit treten jedes Jahr sehr viele junge Afghanen in den Arbeitsmarkt ein, während die Beschäftigungsmöglichkeiten aufgrund unzureichender Entwicklungsressourcen und mangelnder Sicherheit nicht mit dem Bevölkerungswachstum Schritt halten können.
2.4. Zu den Feststellungen zur Situation im Herkunftsstaat:
Die Feststellungen zur maßgeblichen Situation im Herkunftsstaat stützen sich auf die zitierten Länderberichte. Da diese aktuellen Länderberichte auf einer Vielzahl verschiedener, voneinander unabhängiger Quellen von regierungsoffiziellen und nicht-regierungsoffiziellen Stellen beruhen und dennoch ein in den Kernaussagen übereinstimmendes Gesamtbild ohne wesentliche Widersprüche bieten, besteht im vorliegenden Fall für das Bundesverwaltungsgericht kein Anlass, an der Richtigkeit der herangezogenen Länderinformationen zu zweifeln.
Die den Feststellungen zugrundeliegenden Länderberichte sind in Bezug auf die Sicherheits- und Versorgungslage in Afghanistan aktuell. Das Bundesverwaltungsgericht hat sich durch Einsichtnahme in die jeweils verfügbaren Quellen (u.a. laufende Aktualisierung des Länderinformationsblattes der Staatendokumentation) davon versichert, dass zwischen dem Stichtag der herangezogenen Berichte und dem Entscheidungszeitpunkt keine wesentliche Veränderung der Sicherheits- und Versorgungslage in Afghanistan eingetreten ist. Die in der Beschwerde zitierten Länderberichte sind durch die aktuellen, in den Feststellungen zitierten Länderinformationen überholt.
Die unter Pkt. 1.4.7. getroffenen Feststellungen zur aktuell vorliegenden Pandemie aufgrund des Corona-Virus ergeben sich aus den unbedenklichen tagesaktuellen Berichten und Informationen (siehe jeweils mit einer Vielzahl weiterer Hinweise unter anderem:
https://www.sozialministerium.at/Informationen-zum-Coronavirus.html [20.05.2020]; https://covid19.who.int/region/emro/country/af [20.05.2020].
3. Rechtliche Beurteilung:
Zu A)
3.1. Zu Spruchpunkt I. des angefochtenen Bescheides:
Die im vorliegenden Fall maßgeblichen Bestimmungen des AsylG 2005 lauten (auszugsweise):
"§ 8 (1) Der Status des subsidiär Schutzberechtigten ist einem Fremden zuzuerkennen,
1. der in Österreich einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt hat, wenn dieser in Bezug auf die Zuerkennung des Status des Asylberechtigten abgewiesen wird oder
2. dem der Status des Asylberechtigten aberkannt worden ist,
wenn eine Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Fremden in seinen Herkunftsstaat eine reale Gefahr einer Verletzung von Art. 2 EMRK, Art. 3 EMRK oder der Protokolle Nr. 6 oder Nr. 13 zur Konvention bedeuten würde oder für ihn als Zivilperson eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes mit sich bringen würde.
[...]
(3) Anträge auf internationalen Schutz sind bezüglich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten abzuweisen, wenn eine innerstaatliche Fluchtalternative (§ 11) offen steht.
[...]
§ 9 (1) Einem Fremden ist der Status eines subsidiär Schutzberechtigten von Amts wegen mit Bescheid abzuerkennen, wenn
1. die Voraussetzungen für die Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten (§ 8 Abs. 1) nicht oder nicht mehr vorliegen;
[...]
(2) Ist der Status des subsidiär Schutzberechtigten nicht schon aus den Gründen des Abs. 1 abzuerkennen, so hat eine Aberkennung auch dann zu erfolgen, wenn
1. einer der in Art. 1 Abschnitt F der Genfer Flüchtlingskonvention genannten Gründe vorliegt;
2. der Fremde eine Gefahr für die Allgemeinheit oder für die Sicherheit der Republik Österreich darstellt oder
3. der Fremde von einem inländischen Gericht wegen eines Verbrechens (§ 17 StGB) rechtskräftig verurteilt worden ist. Einer Verurteilung durch ein inländisches Gericht ist eine Verurteilung durch ein ausländisches Gericht gleichzuhalten, die den Voraussetzungen des § 73 StGB, BGBl. Nr. 60/1974, entspricht.
In diesen Fällen ist die Aberkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten mit der Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme und der Feststellung zu verbinden, dass eine Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Fremden in seinen Herkunftsstaat unzulässig ist, da dies eine reale Gefahr einer Verletzung von Art. 2 EMRK, Art. 3 EMRK oder der Protokolle Nr. 6 oder Nr. 13 zur Konvention bedeuten würde oder für ihn als Zivilperson eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes mit sich bringen würde.
(3) Ein Verfahren zur Aberkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten ist jedenfalls einzuleiten, wenn der Fremde straffällig geworden ist (§ 2 Abs. 3) und das Vorliegen der Voraussetzungen gemäß Abs. 1 oder 2 wahrscheinlich ist.
(4) Die Aberkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten ist mit dem Entzug der Aufenthaltsberechtigung als subsidiär Schutzberechtigter zu verbinden. Der Fremde hat nach Rechtskraft der Aberkennung Karten, die den Status des subsidiär Schutzberechtigten bestätigen, der Behörde zurückzustellen.
3.1.1. Die Bestimmung des § 9 Abs. 1 Z 1 AsylG verfolgt das Ziel, sicherzustellen, dass nur jenen Fremden, die die Voraussetzungen für die Zuerkennung von subsidiärem Schutz erfüllen, der Status des subsidiär Schutzberechtigten zukommt. Während der erste Fall des § 9 Abs. 1 Z 1 AsylG die Konstellation erfasst, in der der Fremde schon im Zeitpunkt der Zuerkennung von subsidiärem Schutz die dafür notwendigen Voraussetzungen nicht erfüllt hat, betrifft § 9 Abs. 1 Z 1 zweiter Fall AsylG jene Konstellationen, in denen die Voraussetzungen für die Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten nachträglich weggefallen sind (vgl. VwGH 14.08.2019, Ra 2016/20/0038 mit Verweis auf VwGH 27.05.2019, Ra 2019/14/0153, Rn. 77).
Vorauszuschicken ist, dass sich die belangte Behörde im angefochtenen Bescheid ausdrücklich auf den Aberkennungstatbestand nach § 9 Abs. 1 Z 1 AsylG bezog. Die Frage, ob die Aberkennung des Schutzstatus auf den ersten Fall des § 9 Abs. 1 Z 1 AsylG, demzufolge die Voraussetzungen für die Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten "nicht vorliegen", oder auf den zweiten Fall des § 9 Abs. 1 Z 1 AsylG, demzufolge die Voraussetzungen für die Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten "nicht mehr vorliegen", gestützt wurde, ist anhand der konkretisierenden Ausführungen in der rechtlichen Beurteilung der belangten Behörde zu beantworten, wonach die Aberkennung erfolge, weil "die Gründe für die Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten nicht mehr vorliegend" seien (vgl. Bescheid vom 06.08.2018, S. 131).
3.1.2. Für eine unionsrechtskonforme Interpretation des § 9 Abs. 1 Z 1 zweiter Fall AsylG sind nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes die Art. 16 und 19 der Richtlinie 2011/95/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 13.12.2011 (im Folgenden: Statusrichtlinie) heranzuziehen (VwGH 27.05.2019, Ra 2019/14/0153, Rn 75 ff.).
Nach dem mit "Aberkennung, Beendigung oder Ablehnung der Verlängerung des subsidiären Schutzstatus" übertitelten Art. 19 Abs. 1 Statusrichtlinie erkennen die Mitgliedstaaten den zuerkannten subsidiären Schutz ab, bzw. beenden diesen oder lehnen seine Verlängerung ab, wenn die betreffende Person gemäß Art. 16 Statusrichtlinie nicht länger Anspruch auf subsidiären Schutz erheben kann. Art. 16 Abs. 1 Statusrichtlinie sieht vor, dass ein Drittstaatsangehöriger oder Staatenloser keinen Anspruch auf subsidiären Schutz mehr hat, wenn die Umstände, die zur Zuerkennung des subsidiären Schutzes geführt haben, nicht mehr bestehen oder sich in einem Maße verändert haben, dass ein solcher Schutz nicht mehr erforderlich ist. Nach Abs. 2 leg. cit. berücksichtigen die Mitgliedstaaten bei Anwendung des oben zitierten Abs. 1, ob sich die Umstände so wesentlich und nicht nur vorübergehend verändert haben, dass die Person, die Anspruch auf subsidiären Schutz hat, tatsächlich nicht länger Gefahr läuft, einen ernsthaften Schaden zu erleiden.
Damit stellt § 9 Abs. 1 Z 1 zweiter Fall