Entscheidungsdatum
26.05.2020Norm
AsylG 2005 §10 Abs1 Z3Spruch
W257 2158989-1/12E
IM NAMEN DER REPUBLIK!
Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch den Richter Mag. Herbert MANTLER, MBA als Einzelrichter über die Beschwerde von XXXX , geb. XXXX alias XXXX , StA. Afghanistan, vertreten durch den "MigrantInnenverein St. Marx", Wien, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 03.05.2017, Zl. XXXX , nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am 19.05.2020 zu Recht:
A)
Die Beschwerde wird abgewiesen.
B)
Die Revision ist nicht zulässig.
Text
ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:
I. Verfahrensgang:
1. Der Beschwerdeführer, ein afghanischer Staatsbürger, stellte am 14.11.2015 einen Antrag auf internationalen Schutz. Am gleichen Tag wurde er von Organen des öffentlichen Sicherheitsdienstes niederschriftlich zu seinen Fluchtgründen aus Afghanistan einvernommen. Dabei brachte er vor, dass er ein afghanischer Staatsbürger und ledig sei. Er sei am XXXX in Mazar e Sahrif in Afghanistan geboren und hätte zwölf Jahre die Grundschule besucht. Danach sei er zwei Jahre zur Universität gegangen. Er spreche Dari und Englisch. In Afghanistan würden sich noch sein Vater seine Mutter und sein 17 Jahre alte Bruder befinden. Sein letzter Wohnort wäre Mazar e Sharif gewesen, von wo er aus vor ca. 1 1/2 Monaten flüchtete. Als Fluchtgrund brachte er vor, dass er und sein Cousin als Wachmann gearbeitet hätte und von den Taliban angegriffen worden seien. Bei diesem Angriff wäre sein großer Cousin getötet worden. Einige Zeit später seien sie neuerlich angegriffen worden, weswegen er Afghanistan verlassen hätte.
2. Am 03.01.2017 wurde er von der belangten Behörde niederschriftlich einvernommen. Eingangs brachte er vor, dass er nicht am XXXX , sondern XXXX geboren worden sei. Er sei in Mazar-e Sharif geboren und aufgewachsen. Er sei Moslem in sunnitischer Glaubensausrichtung. Er hätte noch einen Vater, eine Mutter, einen Bruder und vier Schwestern wovon zwei Schwestern in Deutschland und zwei Schwestern in Kanada leben würden. Die finanzielle Situation der Familie sei sehr gut gewesen. Seine Schwestern seien nicht geflüchtet, sondern sie hätten mit ihren Männern das Land verlassen. Sein Vater hätte als Verkäufer in einem Lebensmittelgeschäft gearbeitet, seine Mutter wäre Lehrerin gewesen. Er hätte keine Großeltern mehr. Anfänglich brachte er vor, dass er in Afghanistan nur mehr seine Eltern hätte. Er hätte noch einen Onkel mütterlicherseits, welcher allerdings auch geflohen sei. Er halte sich entweder im Iran oder in Pakistan auf. Sein Vater wäre ein Einzelkind gewesen.
3. Später vermeinte er allerdings, dass er einen Onkel hätte, welche noch in Mazar-e Sharif leben würden. Er selbst sei als Geheimdienstmitarbeiter ausgebildet worden. Die Ausbildung hätte drei Monate in Kabul angedauert und danach weiter in Mazar-e Sharif. In der Funktion als Geheimdienstmitarbeiter sei er "under cover" eingesetzt worden. Er hätte unter Tags als Polizist gearbeitet in dem er Informationen von anderen gesammelt hätte. Teilweise wären die Informanten auch durch ihm bezahlt worden. Am Abend hätte er dann die Universität besucht. Diese beiden Tätigkeiten hätte er zwei Jahre vorgenommen. Er habe allerdings keinen Arbeitsnachweis von seiner polizeilichen Tätigkeit bekommen. An einem Tag hätte er mit weiteren Kollegen Taliban in Mazar-e Sharif festnehmen wollen. Es sei zu Gefechten mit den Taliban gekommen und er sei von einer Kugel getroffen worden. Er hätte sich auf der Flucht in einen Supermarkt verstecken können. Dort hätten sich Polizisten befunden, deswegen sei er noch am Leben. Nach dem Vorfall hätte er mit einem Vorgesetzten gesprochen, welcher ihm anbot zwei Wochen bei ihm zu wohnen. Er hätte nicht nach Kabul umziehen und dort weiterleben hätte können, weil sein Gesicht bekannt gewesen wäre. Auch wenn er unter einem falschen Namen in Kabul sich niedergelassen hätte, hätte man ihn dort seitens der Taliban erkannt.
4. In der Folge legte er eine Stellungnahme mit Lichtbildern vor. Darauf sei sein Cousin zu sehen, welcher ebenfalls von Taliban getötet worden sei. Dieser Vorfall wäre international von den Medien beachtet worden und deswegen könne er diesbezügliche Nachweise vorliegen. Des weiteren brachte er weitere Schreiben in der Sprache Dari/Farsi, teilweise in englischer Sprache. Bei dem englisch abgefasste Dokument handelt es sich um ein Sprachenzertifikat. Des weiteren brachte er eine Teilnahmebestätigung für einen Sprachkurs auf dem Niveau A1 vor. Der Verein "Ute Bock, Wien" bestätigte ihm, dass er am 03.12.2016 ehrenamtlich an einem Punschstand in Wien mitgeholfen hat. Es liegen auch einige Unterstützungsschreiben von Privatpersonen vor, verfasst Dezember bzw Jänner 2017. Zusammengefasst geht hervor, dass der Beschwerdeführer ein überaus liebenswerter Mensch sei, offen für Neues und sehr zuvorkommend sei. Er sei sehr sozial, umgänglich und lerne schnell Deutsch. Er hätte eine sehr offene und freundliche Art, sowie hätte der Beschwerdeführer sehr eine große Bereitschaft neue Erfahrungen zu machen.
5. Mit dem im Spruch erwähnten Bescheid wurde mit Spruchpunkt I sein Antrag auf international Schutz abgewiesen, mit Spruchpunkt II wurde ihm der subsidiärer Schutz nicht gewährt, mit Spruchpunkt III wurde festgestellt, dass er einen Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen nicht bekomme und eine Rückkehrentscheidung erlassen. Mit Spruchpunkt IV wurde ihm für die freiwillige Ausreise zwei Wochen eingeräumt. Die Behörde schenkte seinen Darstellungen kein Glauben. Sie führte dazu auf Seite 56 des Bescheides aus, dass er gemeinsam mit seinem Cousin nach seinen Angaben als "Undercover Agent" tätig gewesen sein. Laut seinen Angaben, sei er im Jahre 2014 gemeinsam mit seinem Cousin und weiteren Sicherheitsleuten von der Abteilung 9 nach Balkh gefahren um dort Talibanmitglieder zu verhaften. Er hätte behauptet, dass sie auf dem Weg von den Taliban angegriffen worden zu sein und dabei zwei Mitglieder seiner Gruppe getötet worden wären. Im selben Jahr sei laut Aussagen des Beschwerdeführers der Cousin auf dem Weg nach Hause bzw. zur Arbeit getötet worden. Er hätte weiterhin behauptet, dass er im Jahr 2015 beim Nachhauseweg zu seiner Tante durch vier Personen verfolgt worden wäre. Es sei auf ihn geschossen worden und er hätte in einem Supermarkt fliehen können. Dort wären Polizisten gewesen und so hätte er überleben können. Laut Behörde wurde sich der Beschwerdeführer in Widersprüchen ergeben, denn einerseits hätte er angegeben, dass er gleich nach der Schule bei der Polizei angefangen hätte. An anderer Stelle hätte er behauptet, das erst im Jahre 2013, also zwei Jahre nach der Schule, bei der Polizei angefangen hätte. Einerseits hätte er gemeint, dass er zwei Jahre nach dem Abschluss der Schule arbeitslos gewesen sei, andererseits hätte er allerdings ein Empfehlungsschreiben einer Firma wo er gearbeitet hätte vorlegen können. Das Schreiben würde ihn als "Marketing Officer" eine gute Arbeitshaltung nachweisen. Die Behörde meinte allerdings dazu, dass es unglaubwürdig sei, wenn er nach nur nach einer Woche als "Marketing Officer" - so wie er angab - eine gute Empfehlung bekommen hätte. Weiters scheint es äußerst unglaubwürdig zu sein, dass er Beschwerdeführer nach nur dreimonatiger Ausbildungszeit als anerkannter Agent eingesetzt worden ist. Ebenso unglaubwürdig seitens der Behörde war es, dass er diese Tätigkeit ganz normal während seines Studiums tagsüber nachgehen hätte können. Zudem scheint es für die Behörde unglaubwürdig zu sein, dass er bei einer Verhaftung im Jahre 2014 dabei gewesen wäre, da er als "Undercover Agent" auf jeden Fall damit rechnen hätte können, dass er erkannt worden wäre. Die Behörde geht davon aus das ein "Undercover Agent" auf jeden Fall nicht bei seiner Verhaftung dabei sein kann, weil er sonst seine Deckung verraten würde. Dazu meinte die Behörde, das es nicht stimmen könne, so der Beschwerdeführer vorbrachte, dass es sich um eine amerikanische Waffe handelte, die er bei der Polizei bekam. Die Bezeichnung, die er vorbrachte, es sei nämlich keine amerikanische, sondern eine tschechische Waffe. In Summe konnte die Behörde nicht feststellen, dass eine asylrelevante Verfolgung gegeben sei. Zudem wäre es für ihn möglich in Kabul zu leben, den er selbst brachte vor, dass er dort drei Monate gelebt haben. Er sei volljährig, arbeitswillig und hätte keine Sorgepflichten. Die Behörde gehe davon aus, dass er sich in Kabul zurechtfinden könne. Ebenso verfüge er über eine ausreichende Schulbildung um sich selbst sein Einkommen sichern zu können.
6. Dagegen wurde seitens der Rechtsvertretung des Beschwerdeführers fristgerecht Beschwerde erhoben.
7. Am 06.08.2019 legte der MigrantInnenverein St. Marx die Vollmacht des Beschwerdeführers vor, dass diese ihn weiterhin vertreten sollen.
8. Am gleichen Tag legte er ein Deutsch Zertifikat in A1, A2 und B1, sowie Bestätigungen des Vereins Alchemia Nova (Teilnahme an einem dreitägigen Workshop), dem Wiener Roten Kreuz (Teilnahme zur Ausbildung für betriebliche Ersthelfer), dem Arbeiter Samariterbund (Kursbestätigung hinsichtlich eines Tages über österr. Gesetze, Drogen und Gewalt), der FH Campus Wien (Kursbestätigung hinsichtlich der Teilnahme am Kurs "miteinander.Bildung.leben" vom 21.10.2016 bis 14.07.2017) und dem Verein Ute Bock, Wien (Bestätigung bzgl der Mithilfe am 02.12.2016 an einem ehrenamtlichen Projekt) vor.
9. Am 19.05.2020 wurde seitens des Gerichts eine mündliche Verhandlung am. Im Zuge der mündlichen Verhandlung wurden ihm die ua aktuellen Länderberichte zugesandt. Ihm wurde Gelegenheit geboten binnen 14 Tagen dazu Stellung zu nehmen. Eine Stellungnahme seitens des Beschwerdeführers, aber auch seitens der belangten Behörde, welche die Berichte ebenso zugesandt wurden, langten nicht ein. Es handelt sich um folgende Berichte:
- Länderinformationsblatt der Staatendokumentation vom 13.11.2019
- EASO-Bericht vom April 2019; Country Guidance: Afghanistan 2019
- EASO-Bericht vom April 2019; Country Guidance: Afghanistan 2018
- UNHCR-Richtlinie vom 30.08.2018
Im Zuge der Verhandlung brachte der Beschwerdeführer neun Empfehlungsschreiben von Privatpersonen vor. Darin wird dem Beschwerdeführer eine hohe soziale Kompetenz geschienen, sowie sei er sehr aufgeschlossen in sehr hilfsbereiter junger Mann, welche sich im Sozialleben von Österreich gut integriert hätte.
Zu seinen Fluchtgründen befragt wiederholte er im Grunde die bisherigen Ausführungen.
Im Grunde vermeinte er hinsichtlich seines Fluchtgrundes dass er aus Afghanistan geflohen sei, weil er Mitglied der Geheimpolizei gewesen sein. Er hätte als "Undercoverpolizist" an der Seite seines Cousins gearbeitet. Dabei hätte er Regionen von der Bevölkerung, insbesondere Hinweise auf die Taliban bzw. IS und Schleppern dem Cousin weitergegeben. Seine Ausbildung hätte nur drei Monate in Kabul angedauert. Er hätte immer eine Waffe bei sich getragen und er hat maßgeblich daran beteiligt, einen einflussreichen Taliban festzunehmen. Dieser Zugriff, an der er auch als Undercoverpolizist dabei gewesen wäre, wäre allerdings nicht erfolgreich gewesen, weil zwei seiner Kolleginnen dabei erschossen worden wären. Eines Tages wäre er von vier Personen verfolgt worden und es wäre auf ihn geschossen worden. Er hätte sich noch in einem Supermarkt verstecken können und so wäre er noch am Leben. Er könne nicht nach Afghanistan zurückkehren, weil die Taliban ihn sofort töten würden. Abgesehen von der Sicherheit, könne er sich vorstellen in Kabul oder in Mazar-e Sharif, bei seinen Eltern, zu leben.
Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
1. Feststellungen:
1.1. Zur Person des Beschwerdeführers:
Der Beschwerdeführer führt den Namen XXXX und das Geburtsdatum ist der XXXX . Er ist afghanischer Staatsangehöriger und gehört der Volksgruppe der Tadschiken an. Er ist sunnitischer Moslem. Seine Muttersprache ist Dari. Er spricht zudem Paschtu, Urdu, Englisch und Deutsch. Er ist ledig und kinderlos. Er hat auch sonst keine Sorgepflichten.
Der Beschwerdeführer wurde in der Provinz Balkh, in der Hauptstadt Mazar e Sahirf geboren und wuchs dort gemeinsam mit seinen Eltern und seinen 5 Geschwistern auf. Der Beschwerdeführer besuchte 12 Jahre lang die Schule, maturierte und studierte zwei Jahre IT an der Universität. Der Beschwerdeführer arbeitete eine Woche als "Marketing Officer"
Der Beschwerdeführer ist nach den afghanischen Gepflogenheiten und der afghanischen Kultur sozialisiert, er ist mit den afghanischen Gepflogenheiten vertraut.
Der Beschwerdeführer ist gesund.
1.2. Zu den Fluchtgründen des Beschwerdeführers:
1.2.1. Der Beschwerdeführer wurde weder von den Taliban nicht bedroht. Der Beschwerdeführer hatte keinen Kontakt zu den Taliban, er wird von diesen auch nicht gesucht.
1.2.2. Bei einer Rückkehr nach Afghanistan drohen dem Beschwerdeführer individuell und konkret weder Lebensgefahr noch ein Eingriff in seine körperliche Integrität durch Mitglieder der Taliban oder durch andere Personen. Bei einer Rückkehr nach Afghanistan droht dem Beschwerdeführer auch keine Zwangsrekrutierung durch die Taliban oder durch andere Personen.
1.3. Zum (Privat)Leben des Beschwerdeführers in Österreich:
Der Beschwerdeführer reiste unter Umgehung der Grenzkontrollen nach Österreich ein und hält sich zumindest seit November 2015 durchgehend in Österreich auf. Er ist nach seinem Antrag auf internationalen Schutz vom 14.11.2015 in Österreich aufgrund einer vorübergehenden Aufenthaltsberechtigung nach dem AsylG durchgehend rechtmäßig aufhältig.
Der Beschwerdeführer verfügt über Deutschkenntnisse auf Niveau B1. Der Beschwerdeführer lebt von der Grundversorgung, er ist am österreichischen Arbeitsmarkt nicht integriert und geht keiner Erwerbstätigkeit nach. Er verfügt über keine verbindliche Arbeitszusage.
Er arbeitet regelmäßig ehrenamtlich, indem für anderen Asylwerbern bei den Behörden dolmetscht.
Der Beschwerdeführer konnte in Österreich Freundschaften zu Österreichern knüpfen. Er spielt dreimal wöchentlich in einer Volleyball-Mannschaft.
Zwei seiner Onkel und ein Cousin befinden sich in Österreich. Diese leben ebenso in Wien wie er auch. Er hat zu diesen jedoch keinen Kontakt. Er wird von Vertrauenspersonen als sehr offen, freundlich, sozial und ehrgeizig beschrieben.
Der Beschwerdeführer ist in Österreich strafgerichtlich unbescholten.
1.4. Zu einer möglichen Rückkehr des Beschwerdeführers in den Herkunftsstaat:
Dem Beschwerdeführer wird mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit bei einer Rückkehr in seine Heimatstadt Mazar e Sharif kein Eingriff in seine körperliche Unversehrtheit drohen. Die Herkunftsprovinzstadt des Beschwerdeführers ist sicher erreichbar.
Die Eltern des Beschwerdeführers wohnen derzeit in Mazar e Sharif. Der Beschwerdeführer hat regelmäßig Kontakt zu ihnen. Der Familie des Beschwerdeführers gehört ein Haus in Mazar e Sharif. Derzeit versorgt die Mutter, welche Lehrerin ist, die Familie des Beschwerdeführers. Zum Zeitpunkt der Bescheiderlassung war der Vater noch als Verkäufer berufstätig. Der Beschwerdeführer unterstützt seine Familie derzeit finanziell nicht. Die Familie des Beschwerdeführers kann ihn bei einer Rückkehr nach Afghanistan zumindest anfänglich finanziell unterstützen, indem er bei Ihnen die Unterkunft wieder aufnehmen kann.
Der Beschwerdeführer verfügt zudem über einen Onkel und eine Tante in Mazar e Sharif. Eine weitere Tante befindet sich in Dehdadi. Er kann auch Rückkehrhilfe in Anspruch nehmen.
Der Beschwerdeführer hat zumindest gute Ortskenntnisse betreffend Mazar-e Sharif. Der Beschwerdeführer lebt seit seiner Kindheit in dieser Stadt. Der Beschwerdeführer ist anpassungsfähig und kann einer regelmäßigen Arbeit nachgehen.
Bei einer Rückkehr nach Afghanistan und einer Ansiedelung in der Stadt Mazar-e Sharif kann der Beschwerdeführer grundlegende und notwendige Lebensbedürfnisse, wie Nahrung, Kleidung sowie Unterkunft, befriedigen, ohne in eine ausweglose bzw. existenzbedrohende Situation zu geraten. Er kann selbst für sein Auskommen und Fortkommen sorgen und in Mazar-e Sharif einer Arbeit nachgehen und sich selber erhalten. Er ist ausgebildeter IT-Spezialist und hat eine 12-jährige Schulbildung.
1.4.1. Zu CoVID:
COVID-19 ist eine durch das Corona-Virus SARS-CoV-2 verursachte Viruserkrankung, die erstmals im Jahr 2019 in Wuhan/China festgestellt wurde und sich seither weltweit verbreitet. In Österreich gibt es mit Stand 23.03.2020, 08:00 Uhr, 3.611 bestätigte Fälle von mit dem Corona-Virus infizierten Personen und 16 Todesfälle; in Afghanistan wurden zu diesem Zeitpunkt 40 Fälle von mit dem Corona-Virus infizierten Personen nachgewiesen, wobei ein diesbezüglicher Todesfall bestätigt wurde.
Nach dem aktuellen Stand verläuft die Viruserkrankung bei ca. 80% der Betroffenen leicht und bei ca. 15% der Betroffenen schwerer, wenn auch nicht lebensbedrohlich. Bei ca. 5% der Betroffenen verläuft die Viruserkrankung derart schwer, dass Lebensgefahr gegeben ist und intensivmedizinische Behandlungsmaßnahmen notwendig sind. Diese sehr schweren Krankheitsverläufe treten am häufigsten in den Risikogruppen der älteren Personen und der Personen mit Vorerkrankungen (wie z.B. Diabetes, Herzkrankheiten und Bluthochdruck) auf.
Keine weitere gesonderte Feststellung zu CoVID, ausreichend dass Beschwerdeführer nichts droht.
1.5. Feststellungen zur Lage im Herkunftsstaat
Die Länderfeststellungen zur Lage in Afghanistan basieren auf nachstehenden Quellen:
- Länderinformationsblatt der Staatendokumentation vom 13.11.2019
- EASO-Bericht vom April 2019; Country Guidance: Afghanistan 2019
- EASO-Bericht vom April 2019; Country Guidance: Afghanistan 2018
- UNHCR-Richtlinie vom 30.08.2018
1.5.1. Allgemeine Sicherheitslage
Afghanistan ist ein Zentralstaat mit 34 Provinzen, die in Distrikte gegliedert sind. Auf einer Fläche von ca. 632.000 Quadratkilometern leben ca. 32 Millionen Menschen (LIB, Kapitel 2).
Die Sicherheitslage in Afghanistan bleibt insgesamt volatil und weist starke regionale Unterschiede auf. Provinzen und Distrikten mit aktiven Kampfhandlungen stehen anderen gegenüber, in denen die Lage trotz punktueller Sicherheitsvorfälle vergleichsweise stabil ist. Die afghanische Regierung behält die Kontrolle über Kabul, größere Bevölkerungszentren, Transitrouten, Provinzhauptstädte und den Großteil der Distriktzentren (LIB, Kapitel 3). Die Hauptlast einer unsicheren Sicherheitslage in der jeweiligen Region trägt die Zivilbevölkerung (UNHCR, Kapitel II. B).
Für die Sicherheit in Afghanistan sind verschiedene Organisationseinheiten der afghanischen Regierungsbehörden verantwortlich. Die Afghan National Defense and Security Forces (ANDSF) umfassen militärische, polizeiliche und andere Sicherheitskräfte. Das Innenministerium ist primär für die interne Ordnung zuständig, dazu zählt auch die Afghan National Police (ANP) und die Afghan Local Police (ALP). Die Afghan National Army (ANA) ist für die externe Sicherheit verantwortlich, dennoch besteht ihre Hauptaufgabe darin, den Aufstand im Land zu bekämpfen. Die ANP gewährleistet die zivile Ordnung und bekämpft Korruption sowie die Produktion und den Schmuggel von Drogen. Der Fokus der ANP liegt derzeit in der Bekämpfung von Aufständischen gemeinsam mit der ANA. Die ALP wird durch die USA finanziert und schützt die Bevölkerung in Dörfern und ländlichen Gebieten vor Angriffen durch Aufständische (LIB, Kapitel 5).
In Afghanistan sind unterschiedliche regierungsfeindliche Gruppierungen aktiv, welche eine Bedrohung für die gesamte regionale Sicherheit und Stabilität in Afghanistan darstellen. Eine Bedrohung für Zivilisten geht insbesondere von Kampfhandlungen zwischen den Konfliktparteien sowie improvisierten Sprengkörpern, Selbstmordanschlägen und Angriffen auf staatliche Einrichtungen und gegen Gläubige und Kultstätten bzw. religiöse Minderheiten aus (LIB, Kapitel 3).
1.5.2. Allgemeine Wirtschaftslage
Afghanistan ist nach wie vor eines der ärmsten Länder der Welt und stark von internationalen Hilfsgeldern abhängig. Dabei bleibt das Gefälle zwischen urbanen Zentren und ländlichen Gebieten Afghanistans eklatant. Lebensgrundlage für rund 80% der Bevölkerung ist die Landwirtschaft (LIB, Kapitel 21).
Der Zugang zum Arbeitsmarkt ist angespannt und die Arbeitslosigkeit ist hoch. Persönliche Kontakte, Empfehlungen sowie ein Netzwerk sind wichtig um einen Job zu finden. Arbeitgeber bewerten persönliche Beziehungen und Netzwerke höher als formelle Qualifikationen. Fähigkeiten, die sich Rückkehrer im Ausland angeeignet haben, können eine wichtige Rolle bei der Arbeitsplatzsuche spielen. Der afghanische Arbeitsmarkt ist durch eine starke Dominanz des Agrarsektors, eine Unterrepräsentation von Frauen und relativ wenigen Möglichkeiten für junge Menschen gekennzeichnet. Ebenso korreliert ein Mangel an Bildung mit Armut, wobei ein niedriges Bildungsniveau und Analphabetismus immer noch weit verbreitet sind. In Afghanistan existiert keine finanzielle oder sonstige Unterstützung bei Arbeitslosigkeit (LIB, Kapitel 21).
Der durchschnittliche Lohn beträgt in etwa 300 Afghani (ca. USD 4,3) für Hilfsarbeiter, während gelernte Kräfte bis zu 1.000 Afghani (ca. USD 14,5) pro Tag verdienen können (EASO Netzwerke, Kapitel 4.1).
In den Jahren 2016-2017 lebten 54,5% der Bevölkerung unterhalb der nationalen Armutsgrenze. Immer mehr Menschen greifen auf negative Bewältigungsmechanismen wie Kleinkriminalität, Kinderehen, Kinderarbeit und Betteln zurück, von denen insbesondere Binnenvertriebene betroffen sind. Der Zugang zu einer produktiven oder entgeltlichen Beschäftigung ist begrenzt, 80% der Beschäftigung gelten als anfällig und unsicher in Form von Selbst- oder Eigenbeschäftigung, Tagarbeit oder unbezahlter Arbeit. Der saisonale Effekt ist erheblich. Die Arbeitslosenquote ist in den Frühlings- und Sommermonaten relativ niedrig (rund 20%), während sie im Winter 32,5% erreichen kann (EASO, Kapitel Common analysis: Afghanistan, V).
In Afghanistan gibt es neben der Zentralbank auch mehrere kommerzielle Banken. Es ist mittlerweile auch relativ einfach, in Afghanistan ein Bankkonto zu eröffnen. Geld kann auch über das Hawala System (Form des Geldtausches) transferiert werden. Dieses System funktioniert schnell, zuverlässig und günstig. Spezielle Dokumente sind nicht notwendig und der Geldtransfer ist weltweit möglich und wird von verschiedenen Bevölkerungsschichten verwendet (LIB, Kapitel 21).
Im Zeitraum von 2016 bis 2017 waren 44,6% der afghanischen Bevölkerung sehr stark bis mäßig von Lebensmittelunsicherheit betroffen. In allen Wohnbevölkerungsgruppen war seit 2011 ein Anstieg festzustellen, wobei der höchste Anstieg in den ländlichen Gebieten zu verzeichnen war (EASO, Kapitel Common analysis: Afghanistan, V).
Afghanistans jährliche Wachstumsrate der städtischen Bevölkerung gehört zu den höchsten der Welt. Kabul war das Zentrum des Wachstums, und der Rest der städtischen Bevölkerung konzentriert sich hauptsächlich auf vier andere Stadtregionen: Herat, Mazar-e Sharif, Kandahar und Jalalabad. Die große Mehrheit (72%, basierend auf ALCS-Zahlen für 2016-2017) der afghanischen Stadtbevölkerung lebt in Slums oder in ungenügenden Wohnungen. 86% der städtischen Häuser in Afghanistan können (gemäß der Definition von UN-Habitat) als Slums eingestuft werden. Der Zugang zu angemessenem Wohnraum stellt für die Mehrheit der Afghanen in den Städten eine große Herausforderung dar (EASO, Kapitel Common analysis: Afghanistan, V).
In den Städten besteht grundsätzlich die Möglichkeit sicheren Wohnraum zu mieten. Darüber hinaus bieten die Städte die Möglichkeit von "Teehäusern", die mit 30 Afghani (das sind ca. ? 0,35) bis 100 Afghani (das sind ca. ? 1,20) pro Nacht relativ günstig sind. "Teehäuser" werden von Reisenden, Tagesarbeitern, Straßenhändlern, jungen Menschen, alleinstehenden Männern und anderen Personen, die in der Gegend keine ständige Unterkunft haben, als vorübergehende Unterkunft genutzt (EASO, Kapitel Common analysis: Afghanistan, V). Man muss niemanden kennen, um eingelassen zu werden (EASO Netzwerke, Kapital 4.2.).
Der Zugang zu sauberem Trinkwasser sowie angemessenen sanitären Einrichtungen hat sich in den letzten Jahren erheblich verbessert. Der Zugang zu grundlegenden Dienstleistungen, wie Wasserversorgung und Abwasserentsorgung, war in den Städten im Allgemeinen besser als auf dem Land. Der Zugang zu Trinkwasser ist für viele Afghanen jedoch nach wie vor ein Problem, und die sanitären Einrichtungen sind weiterhin schlecht (EASO, Kapitel Common analysis: Afghanistan, V).
1.5.3. Allgemeine Menschenrechtslage
Im Bereich der Menschenrechte hat Afghanistan unter schwierigen Umständen Fortschritte gemacht. Inzwischen ist eine selbstbewusste neue Generation von Afghaninnen und Afghanen herangewachsen, die sich politisch, kulturell und sozial engagiert und der Zivilgesellschaft eine stärkere Stimme verleiht. Diese Fortschritte erreichen aber nach wie vor nicht alle Landesteile und sind außerhalb der Städte auch gegen willkürliche Entscheidungen von Amtsträgern und Richtern sowie Einflussnahme örtlicher Machteliten nur schwer durchzusetzen. Die afghanische Regierung ist nicht in der Lage, die durch die afghanische Verfassung und einschlägige völkerrechtliche Verträge garantierten Menschenrechte vollumfänglich umzusetzen und zu gewährleisten (LIB, Kapitel 11).
Menschenrechtsverletzungen an der Zivilbevölkerung finden nach wie vor in allen Teilen des Landes und unabhängig davon statt, wer die betroffenen Gebiete tatsächlich kontrolliert (UNHCR, Kapitel II. C. 1).
Die Fähigkeit der Regierung, Menschenrechte zu schützen, wird durch die Unsicherheit und zahlreiche Angriffe durch regierungsfeindliche Kräfte untergraben. Insbesondere ländliche und instabile Gebiete leiden unter einem allgemein schwachen förmlichen Justizsystem, das unfähig ist, Zivil- und Strafverfahren effektiv und zuverlässig zu entscheiden (UNHCR, Kapitel II. C. 2).
1.5.4. Bewegungsfreiheit und Meldewesen
Das Gesetz garantiert interne Bewegungsfreiheit, Auslandsreisen, Emigration und Rückkehr. Afghanen dürfen sich formell im Land frei bewegen und niederlassen (LIB, Kapitel 19).
Afghanistan hat kein zentrales Bevölkerungsregister, keine Datenbanken mit Adress- oder Telefonnummerneinträgen und auch keine Melde- oder Registrierungspflicht. Die Gemeinschafts- bzw. Bezirksältesten führen kein Personenstandsregister, die Regierung registriert jedoch Rückkehrer. Durch die hohe soziale Kontrolle ist gerade im ländlichen Raum keine, aber auch in den Städten kaum Anonymität zu erwarten (LIB, Kapitel 19.1).
1.5.5. Regierungsfeindliche Gruppierungen
In Afghanistan sind unterschiedliche regierungsfeindliche Gruppierungen aktiv - insbesondere die Grenzregion zu Pakistan bleibt eine Zufluchtsstätte für unterschiedliche Gruppierungen, wie Taliban, Islamischer Staat, al-Qaida, Haqqani-Netzwerk, Lashkar-e Tayyiba, Tehrik-e Taliban Pakistan, sowie Islamic Movement of Uzbekistan (LIB, Kapitel 2).
Taliban:
Die Mehrheit der Taliban sind immer noch Paschtunen, obwohl es eine wachsende Minderheit an Tadschiken, Usbeken, Belutschen und sogar mehreren hundert Hazara (einschließlich Schiiten) gibt. In einigen nördlichen Gebieten bestehen die Taliban bereits überwiegend aus Nicht-Paschtunen, da sie innerhalb der lokalen Bevölkerung rekrutieren (LIB, Kapitel 2).
Die Gesamtstärke der Taliban betrug im Jahr 2017 über 200.000 Personen, darunter ca. 150.000 Kämpfer, davon rund 60.000 Vollzeitkämpfer mobiler Einheiten und der Rest ist Teil der lokalen Milizen. Die Taliban betreiben Trainingslager in Afghanistan (LIB, Kapitel 2).
Zwischen 01.12.2018 und 31.05.2019 haben die Talibanaufständischen mehr Angriffe ausgeführt, als in der Vergangenheit üblich, trotzdem war die Gesamtzahl effektiver feindlicher Angriffe stark rückläufig. Diese Angriffe hatten hauptsächlich militärische Außenposten und Kontrollpunkte sowie andere schlecht verteidigte ANDSF-Posten zum Ziel - die Taliban beschränken ihre Angriffe weitgehend auf Regierungsziele und afghanische und internationale Sicherheitskräfte (LIB, Kapitel 2).
Die Taliban haben eine Vielzahl von Personen ins Visier genommen, die sich ihrer Meinung nach "fehlverhalten", unter anderem Angehörige der afghanischen Sicherheitskräfte jeden Ranges, oder Regierungsbeamte und Mitarbeiter westlicher und anderer "feindlicher" Regierungen, Kollaborateure oder Auftragnehmer der afghanischen Regierung oder des ausländischen Militärs, oder Dolmetscher, die für feindliche Länder arbeiten. Die Taliban bieten diesen Personen grundsätzlich die Möglichkeit an, Reue und den Willen zur Wiedergutmachung zu zeigen. Die Chance zu bereuen, ist ein wesentlicher Aspekt der Einschüchterungstaktik der Taliban und dahinter steht hauptsächlich der folgende Gedanke: das Funktionieren der Kabuler Regierung ohne übermäßiges Blutvergießen zu unterminieren und Personen durch Kooperationen an die Taliban zu binden. Diese Personen können einer "Verurteilung" durch die Taliban entgehen, indem sie ihre vermeintlich "feindseligen" Tätigkeiten nach einer Verwarnung einstellen. (Landinfo 1, Kapitel 4)
Haqani-Netzwerk:
Das seit 2012 bestehende Haqqani-Netzwerk ist eine teilautonome Organisation, Bestandteil der afghanischen Taliban und Verbündeter von al-Qaida. Als gefährlichster Arm der Taliban, hat das Haqqani-Netzwerk seit Jahren Angriffe in den städtischen Bereichen ausgeführt und ist für einige der tödlichsten Angriffe in Afghanistan verantwortlich (LIB, Kapitel 2).
Islamischer Staat (IS/DaesH) - Islamischer Staat Khorasan Provinz:
Die Stärke des ISKP variiert zwischen 1.500 und 3.000, bzw. 2.500 und 4.000 Kämpfern bzw. ist ihre Zahl auf 5.000 gestiegen. Der IS ist seit Sommer 2014 in Afghanistan aktiv. Durch Partnerschaften mit militanten Gruppen konnte der IS seine organisatorischen Kapazitäten sowohl in Afghanistan als auch in Pakistan stärken. Er ist vor allem im Osten des Landes in der Provinz Nangarhar präsent (LIB, Kapitel 2).
Neben komplexen Angriffen auf Regierungsziele, verübte der ISKP zahlreiche groß angelegte Anschläge gegen Zivilisten, insbesondere auf die schiitische-Minderheit. Die Zahl der zivilen Opfer durch ISKP-Handlungen hat sich dabei 2018 gegenüber 2017 mehr als verdoppelt, nahm im ersten Halbjahr 2019 allerdings wieder ab. Die Taliban und der IS sind verfeindet. Während die Taliban ihre Angriffe überwiegend auf Regierungszeile bzw. Sicherheitskräfte beschränken, zielt der IS darauf ab konfessionelle Gewalt zu fördern und Schiiten anzugreifen (LIB, Kapitel 2).
Al-Qaida:
Al-Qaida sieht Afghanistan auch weiterhin als sichere Zufluchtsstätte für ihre Führung, basierend auf langjährigen und engen Beziehungen zu den Taliban. Al-Qaida will die Präsenz in der Provinz Badakhshan stärken, insbesondere im Distrikt Shighnan, der an der Grenze zu Tadschikistan liegt, aber auch in der Provinz Paktika, Distrikt Barmal, wird versucht die Präsenz auszubauen (LIB, Kapitel 2).
1.5.6. Provinzen und Städte
1.5.6.1. Herkunftsprovinz Balkh
Balkh liegt im Norden Afghanistans. Balkh ist eine ethnisch vielfältige Provinz, welche von Paschtunen, Usbeken, Hazara, Tadschiken, Turkmenen, Aimaq, Belutschen, Arabern und sunnitischen Hazara (Kawshi) bewohnt wird. Die Provinz hat 1.475.649 Einwohner (LIB, Kapitel 3.5).
Balkh zählt zu den relativ stabilen und ruhigen Provinzen Afghanistans. Drei Schlüsseldistrikte, Zari, Sholagara und Chahar Kant, zählen zu jenen Distrikten, die in den letzten Monaten von Sicherheitsbedrohungen betroffen waren. Im Jahr 2018 gab es 227 zivile Opfer (85 Tote und 142 Verletzte) in Balkh. Dies entspricht einer Steigerung von 76% gegenüber 2017. Die Hauptursache für die Opfer waren Bodenkämpfe, gefolgt von improvisierten Bomben (IEDS; ohne Selbstmordattentate) und gezielten Tötungen (LIB, Kapitel 3.5).
In der Provinz Balkh - mit Ausnahme der Stadt Mazar- e Sharif - kommt es zu willkürlicher Gewalt, jedoch nicht auf hohem Niveau. Dementsprechend ist ein höheres Maß an individuellen Risikofaktoren erforderlich, um wesentliche Gründe für die Annahme aufzuzeigen, dass ein in dieses Gebiet zurückgekehrter Zivilist einem realen ernsthaften Risiko ausgesetzt wäre, Schaden im Sinne von Artikel 15(c) der Qualifizierungsrichtlinie zu nehmen (EASO, Kapitel Guidance note: Afghanistan, III.3).
Die Hauptstadt der Provinz Balkh ist Mazar-e Sharif. In dieser Stadt findet willkürliche Gewalt auf einem niedrigen Niveau statt. Im Allgemeinen besteht kein reales Risiko, dass ein Zivilist aufgrund willkürlicher Gewalt im Sinne von Artikel 15(c) der Qualifizierungsrichtlinie persönlich betroffen wird. Es müssen jedoch immer individuelle Risikoelemente berücksichtigt werden, da sie den Antragsteller in risikoreichere Situationen bringen könnten (EASO, Kapitel Guidance note: Afghanistan, III.3).
1.5.6.2. Mazar-e Sharif
Mazar-e Sharif ist die Provinzhauptstadt von Balkh, einer ethnisch vielfältigen Provinz, welche von Paschtunen, Usbeken, Hazara, Tadschiken, Turkmenen, Aimaq, Belutschen, Arabern und sunnitischen Hazara (Kawshi) bewohnt wird. Sie hat 469.247 Einwohner und steht unter Kontrolle der afghanischen Regierung (LIB, Kapitel 3.5).
Das Niveau an willkürlicher Gewalt ist in der Stadt Mazar-e Sharif so gering, dass für Zivilisten an sich nicht die Gefahr besteht, von erheblichen Eingriffen in die psychische oder physische Unversehrtheit betroffen zu sein (EASO, Kapitel Common analysis: Afghanistan, III).
Mazar-e Sharif ist über die Autobahn sowie über einen Flughafen (mit nationalen und internationalen Anbindungen) legal zu erreichen (LIB, Kapitel 21). Der Flughafen von Mazar-e Sharif (MRZ) liegt 9 km östlich der Stadt im Bezirk Marmul. Die Befahrung der Straßen von diesem Flughafen bis zur Stadt Mazar-e Sharif ist zur Tageszeit im Allgemeinen sicher (EASO, Kapitel Common analysis: Afghanistan, V).
Mazar-e Sharif ist ein Import-/Exportdrehkreuz, ein regionales Handelszentrum sowie ein Industriezentrum mit großen Fertigungsbetrieben und einer Vielzahl von kleinen und mittleren Unternehmen (LIB, Kapitel 21). Mazar-e Sharif gilt im Vergleich zu Herat oder Kabul als wirtschaftlich relativ stabiler. Die größte Gruppe von Arbeitern in der Stadt Mazar-e Sharif sind im Dienstleistungsbereich und als Verkäufer tätig (EASO, Kapitel Common analysis: Afghanistan, V).
Die Unterkunftssituation stellt sich in Mazar-e Sharif, wie in den anderen Städten Afghanistans auch, für Rückkehrer und Binnenflüchtlinge als schwierig dar. Viele Menschen der städtischen Population lebt in Slums oder nichtadäquaten Unterkünften. In Mazar-e Sharif besteht grundsätzlich die Möglichkeit, sicheren Wohnraum, wie beispielsweise in Teehäusern, zu mieten. (EASO, Kapitel Common analysis: Afghanistan, V).
Die meisten Menschen in Mazar-e Sharif haben Zugang zu erschlossener Wasserversorgung (76%), welche in der Regel in Rohrleitungen oder aus Brunnen erfolgt. 92% der Haushalte haben Zugang zu besseren Sanitäreinrichtungen (EASO, Kapitel Common analysis: Afghanistan, V).
Während Mazar-e Sharif im Zeitraum Juni 2019 bis September 2019 noch als IPC Stufe 1 "minimal" (IPC - Integrated Phase Classification) klassifiziert wurde, ist Mazar-e Sharif im Zeitraum Oktober 2019 bis Januar 2020 in Phase 2 "stressed" eingestuft. In Phase 1 sind die Haushalte in der Lage, den Bedarf an lebensnotwenigen Nahrungsmitteln und Nicht-Nahrungsmitteln zu decken, ohne atypische und unhaltbare Strategien für den Zugang zu Nahrung und Einkommen zu verfolgen. In Phase 2 weisen Haushalte nur einen gerade noch angemessenen Lebensmittelverbrauch auf und sind nicht in der Lage, sich wesentliche, nicht nahrungsbezogene Güter zu leisten, ohne dabei irreversible Bewältigungsstrategien anzuwenden (ECOI, Kapitel 3.1).
In der Stadt Mazar-e Sharif gibt es 10 - 15 - teils öffentliche, teils private - Krankenhäuser. In Mazar-e Sharif existieren mehr private als öffentliche Krankenhäuser. Private Krankenhäuser sind sehr teuer, jede Nacht ist kostenpflichtig. Zusätzlich existieren etwa 30-50 medizinische Gesundheitskliniken die zu 80% öffentlich finanziert sind (LIB, Kapitel 22).
1.5.7. 1.5.10. Situation für Rückkehrer/innen
In den ersten vier Monaten des Jahres 2019 kehrten insgesamt 63.449 Menschen nach Afghanistan zurück. Im Jahr 2018 kamen 775.000 aus dem Iran und 46.000 aus Pakistan zurück (LIB, Kapitel 23).
Soziale, ethnische und familiäre Netzwerke sind für einen Rückkehrer unentbehrlich. Der Großteil der nach Afghanistan zurückkehrenden Personen verfügt über ein familiäres Netzwerk, auf das in der Regel zurückgegriffen wird. Wegen der schlechten wirtschaftlichen Lage, den ohnehin großen Familienverbänden und individuellen Faktoren ist diese Unterstützung jedoch meistens nur temporär und nicht immer gesichert. Neben der Familie als zentrale Stütze der afghanischen Gesellschaft, kommen noch weitere wichtige Netzwerke zum Tragen, wie z.B. der Stamm, der Clan und die lokale Gemeinschaft. Diese basieren auf Zugehörigkeit zu einer Ethnie, Religion oder anderen beruflichen Netzwerken sowie politische Netzwerke usw. Ein Netzwerk ist für das Überleben in Afghanistan wichtig. Ein Mangel an Netzwerken stellt eine der größten Herausforderungen für Rückkehrer dar. Die Rolle sozialer Netzwerke - der Familie, der Freunde und der Bekannten - ist für junge Rückkehrer besonders ausschlaggebend, um sich an das Leben in Afghanistan anzupassen. Sollten diese Netzwerke im Einzelfall schwach ausgeprägt sein, kann die Unterstützung verschiedener Organisationen und Institutionen in Afghanistan in Anspruch genommen werden (LIB, Kapitel 23).
Rückkehrer aus dem Iran und aus Pakistan, die oft über Jahrzehnte in den Nachbarländern gelebt haben und zum Teil dort geboren wurden, sind in der Regel als solche erkennbar. Offensichtlich sind sprachliche Barrieren, von denen vor allem Rückkehrer aus dem Iran betroffen sind, weil sie Farsi (die iranische Landessprache) oder Dari (die afghanische Landessprache) mit iranischem Akzent sprechen. Es gibt jedoch nicht viele Fälle von Diskriminierung afghanischer Rückkehrer aus dem Iran und Pakistan aufgrund ihres Status als Rückkehrer. Fast ein Viertel der afghanischen Bevölkerung besteht aus Rückkehrern. Diskriminierung beruht in Afghanistan großteils auf ethnischen und religiösen Faktoren sowie auf dem Konflikt (LIB, Kapitel 23).
Rückkehrer aus Europa oder dem westlichen Ausland werden von der afghanischen Gesellschaft häufig misstrauisch wahrgenommen. Es sind jedoch keine Fälle bekannt, in denen Rückkehrer nachweislich aufgrund ihres Aufenthalts in Europa Opfer von Gewalttaten wurden. Wenn ein Rückkehrer mit im Ausland erlangten Fähigkeiten und Kenntnissen zurückkommt, stehen ihm mehr Arbeitsmöglichkeiten zur Verfügung als den übrigen Afghanen, was bei der hohen Arbeitslosigkeit zu Spannungen innerhalb der Gemeinschaft führen kann (LIB, Kapitel 23).
Der Mangel an Arbeitsplätzen stellt für den Großteil der Rückkehrer die größte Schwierigkeit dar. Der Zugang zum Arbeitsmarkt hängt maßgeblich von lokalen Netzwerken ab. Die afghanische Regierung kooperiert mit UNHCR, IOM und anderen humanitären Organisationen, um IDPs, Flüchtlingen, rückkehrenden Flüchtlingen und anderen betroffenen Personen Schutz und Unterstützung zu bieten. Für Afghanen, die im Iran geboren oder aufgewachsen sind und keine Familie in Afghanistan haben, ist die Situation problematisch (LIB, Kapitel 23).
Viele Rückkehrer leben in informellen Siedlungen, selbstgebauten Unterkünften oder gemieteten Wohnungen. Die meisten Rückkehrer im Osten des Landes leben in überbelegten Unterkünften und sind von fehlenden Möglichkeiten zum Bestreiten des Lebensunterhaltes betroffen (LIB, Kapitel 23).
Personen, die freiwillig oder zwangsweise nach Afghanistan zurückgekehrt sind, können verschiedene Unterstützungsformen in Anspruch nehmen. Rückkehrer erhalten Unterstützung von der afghanischen Regierung, den Ländern, aus denen sie zurückkehren, und internationalen Organisationen (z.B. IOM) sowie lokalen Nichtregierungsorganisationen (NGOs) (LIB, Kapitel 23).
Unter Rückkehrhilfe wird in Österreich Beratung und - bei Vorliegen der entsprechenden Voraussetzungen auf Antrag - Unterstützung in Form von Organisation und Übernahme der Reise- und Dokumentenkosten sowie ein finanzieller Beitrag verstanden.
Die Höhe der finanziellen Starthilfe bemisst sich grundsätzlich nach einem "2-Phasen Modell":
500 EUR für Asylwerber im laufenden Verfahren I. Instanz,
250 EUR nach abgeschlossenem negativen Asylverfahren I. Instanz bzw. Fremde (BMI Rückkehrhilfe).
Zudem kann bei Erfüllung der Kriterien eine zusätzliche Reintegrationsunterstützung (Geld- und Sachleistung) vor Ort erfolgen. Das Projektziel dieses Reintegrationsprojektes mit dem Namen RESTART II mit IOM Österreich ist es, die freiwillige Rückkehr und Reintegration der Projektteilnehmer sowie der mit ihnen gemeinsam zurückgekehrten Familienmitglieder zu erleichtern. Rückkehrer sollen mithilfe der gewährten individuellen Unterstützung befähigt werden, sich erfolgreich in ihrem Herkunftsland einzugliedern. Die Reintegrationsleistung betragen 500 EUR Bargeldleistung und 2.800 EUR Sachleistung (BMI Rückkehrhilfe).
Erfolgt keine freiwillige Rückkehr, wird bei Zwangsrückführungen, sofern keine eigenen Mittel vorhanden sind, ein Zehrgeld in der Höhe von 50 EUR gewährt. Dieser Betrag kann im Fall von besonderen Bedürfnissen erhöht werden (BMI Rückkehrhilfe).
Für Rückkehrer leisten UNHCR und IOM in der ersten Zeit in Afghanistan Unterstützung. Bei der Anschlussunterstützung ist die Transition von humanitärer Hilfe hin zu Entwicklungszusammenarbeit nicht immer lückenlos. Es gibt keine dezidiert staatlichen Unterbringungen für Rückkehrer. Der Großteil der (freiwilligen bzw. zwangsweisen) Rückkehrer aus Europa kehrt direkt zu ihren Familien oder in ihre Gemeinschaften zurück. Es befinden sich viele Rückkehrer in Gebieten, die für Hilfsorganisationen aufgrund der Sicherheitslage nicht erreichbar sind (LIB, Kapitel 23).
Die "Reception Assistance" umfasst sofortige Unterstützung oder Hilfe bei der Ankunft am Flughafen: IOM trifft die freiwilligen Rückkehrer vor der Einwanderungslinie bzw. im internationalen Bereich des Flughafens, begleitet sie zum Einwanderungsschalter und unterstützt bei den Formalitäten, der Gepäckabholung, der Zollabfertigung, usw. Darüber hinaus arrangiert IOM den Weitertransport zum Endziel der Rückkehrer innerhalb des Herkunftslandes und bietet auch grundlegende medizinische Unterstützung am Flughafen an. 1.279 Rückkehrer erhielten Unterstützung bei der Weiterreise in ihre Heimatprovinz. Für die Provinzen, die über einen Flughafen und Flugverbindungen verfügen, werden Flüge zur Verfügung gestellt. Der Rückkehrer erhält ein Flugticket und Unterstützung bezüglich des Flughafen-Transfers. Der Transport nach Herat findet in der Regel auf dem Luftweg statt (LIB, Kapitel 23).
Familien in Afghanistan halten in der Regel Kontakt zu ihrem nach Europa ausgewanderten Familienmitglied und wissen genau Bescheid, wo sich dieses aufhält und wie es ihm in Europa ergeht. Dieser Faktor wird in Asylinterviews meist heruntergespielt und viele Migranten, vor allem Minderjährige, sind instruiert zu behaupten, sie hätten keine lebenden Verwandten mehr oder jeglichen Kontakt zu diesen verloren (LIB, Kapitel 23).
Erreichbarkeit:
Die Infrastruktur bleibt ein kritischer Faktor für Afghanistan, trotz der seit 2002 erreichten Infrastrukturinvestitionen und -optimierungen (TD 5.12.2017). Seit dem Fall der Taliban wurde das afghanische Verkehrswesen in städtischen und ländlichen Gebieten grundlegend erneuert. Beachtenswert ist die Vollendung der "Ring Road", welche Zentrum und Peripherie des Landes sowie die Peripherie mit den Nachbarländern verbindet (TD 26.1.2018). Investitionen in ein integriertes Verkehrsnetzwerk werden systematisch geplant und umgesetzt. Dies beinhaltet beispielsweise Entwicklungen im Bereich des Schienenverkehrs und im Straßenbau (z.B. Vervollständigung und Instandhaltung der Kabul Ring Road, des Salang-Tunnels, des Lapis Lazuli Korridors etc.) (BFA Staatendokumentation 4.2018; vgl. TD 5.12.2017), aber auch Investitionen aus dem Ausland zur Verbesserung und zum Ausbau des Straßennetzes und der Verkehrswege (BFA Staatendokumentation 4.2018; vgl. TN 18.6.2018; SIGAR 15.7.2018, TET 13.12.2018, TD 26.1.2018, TD 8.1.2019, TN 25.5.2019, CWO 26.8.2019).
Jährlich sterben Hunderte von Menschen bei Verkehrsunfällen auf Autobahnen im ganzen Land - vor allem durch unbefestigte Straßen, überhöhte Geschwindigkeit und Unachtsamkeit (KT 17.2.2017; vgl. GIZ 7.2019, IWPR 26.3.2018). Die Präsenz von Aufständischen, Zusammenstöße zwischen diesen und den afghanischen Sicherheitskräften, sowie die Gefahr von Straßenraub und Entführungen entlang einiger Straßenabschnitte beeinflussen die Sicherheit auf den afghanischen Straßen. Einige Beispiele dafür sind die Straßenabschnitte Kabul-Kandahar (TN 15.8.2018; vgl. ST 24.4.2019), Herat-Kandahar (PAJ News 5.1.2019), Kunduz-Takhhar (KP 20.8.2018; vgl. CBS News 20.8.2019) und Ghazni-Paktika (AAN 30.12.2019).
Mazar-e Sharif
Es gibt einige Busverbindungen zwischen Mazar-e Sharif und Kabul. Bis zu 50 unterschiedliche Unternehmen bieten 24 Stunden am Tag, sieben Tage die Woche, Fahrten von und nach Kabul an. Ausführende Busunternehmen sind beispielsweise Bazarak Panjshir Bus, Hesarak Panjshir Bus, Jawid Bus, Khorshid Bus und Jabal Seraj Bus. Die Preise pro Passagier liegen zwischen 400 und 1.000 Afghani und hängen stark vom Komfort im Bus ab. So kann man zum Beispiel in einem Bus der Marke Mercedes Benz mit Toiletten, Kühlschränken und Internet reisen. Busreisen gelten als relativ günstig (BFA Staatendokumentation 4.2018).
2. Beweiswürdigung:
Beweis wurde erhoben durch Einsicht in den Verwaltungsakt sowie in den Gerichtsakt und durch Einvernahme des Beschwerdeführers in der mündlichen Verhandlung.
2.1. Zu den Feststellungen zur Person des Beschwerdeführers:
Die Feststellungen zur Identität des Beschwerdeführers ergeben sich aus seinen dahingehend übereinstimmenden Angaben vor den Organen des öffentlichen Sicherheitsdienstes, vor der belangten Behörde, in der Beschwerde und vor dem Bundesverwaltungsgericht. Die getroffenen Feststellungen zum Namen des Beschwerdeführers gelten ausschließlich zur Identifizierung der Person des Beschwerdeführers im Asylverfahren. Das vom Beschwerdeführer anfänglich bei der Polizei angegebene Geburtsdatum wurde später von ihm abgeändert, deswegen wird das Datum XXXX als Aliasgeburtsdatum geführt.
Die Feststellungen zur Staatsangehörigkeit des Beschwerdeführers, zu seiner Volksgruppen- und Religionszugehörigkeit, seiner Muttersprache, seinem Lebenslauf, seinem Aufwachsen sowie seine familiäre Situation in Afghanistan, seiner Schul- und Universitätsausbildung gründen sich auf seinen diesbezüglich schlüssigen und stringenten Angaben, sowie auf den vorgelegten, teilweise in englischer Sprache verfassten Teilnahmebestätigungen. Das Bundesverwaltungsgericht hat keine Veranlassung, an diesen im gesamten Verfahren gleich gebliebenen Aussagen des Beschwerdeführers zu zweifeln, wobei der Beschwerdeführer in der mündlichen Verhandlung, befragt wurde ob er eine "Java-Skript" oder ein "html" kenne.
Beide Abkürzungen konnte er nicht erklären bzw. wusste er nicht um was es sich dabei handelt. Der Beschwerdeführer sei allerdings vier Jahre zur Universität in Afghanistan gegangen, mit dem Schwerpunkt der Idee Technologie. Er vermeinte vor dem Gericht auch, dass er programmieren können. Die vorhin genannten Begriffe sind allerdings Standardbegriffe eines jeden Programmierers und der Richter kann sich nicht erklären warum er diese beiden Begriffe nicht zuordnen kann. Auf der anderen Seite konnte er ein Abschlusszeugnis einer Universität von Afghanistan vorlegen. Im Grunde schenkt der Richter dem Abschlusszeugnis mehr Glauben als seiner offenkundigen Wissenslücken und gelangt so zur Feststellung, dass er IT-Technology in Afghanistan vier Jahre lang studiert hat.
Die Feststellungen zum Gesundheitszustand gründen auf den diesbezüglich glaubhaften Aussagen des Beschwerdeführers bei der belangten Behörde und in der mündlichen Verhandlung und auf dem Umstand, dass im Verfahren nichts Gegenteiliges hervorgekommen ist.
2.2. Zu den Feststellungen zum Fluchtvorbringen des Beschwerdeführers (Geheimdienstpolizist)
Der Beschwerdeführer brachte vor, dass er als Polizist (Geheimpolizist bzw "Undercoverpolizist") einer Verfolgung ausgesetzt war. Auch im Falle einer Rückkehr würde er, weil ihn die Taliban sofort wiedererkennen würden, einer Verfolgung ausgesetzt sein. Er wäre Mitglied der Geheimpolizei gewesen. Sein Cousin, welcher später von den Taliban getötet worden sei, hätte ihm ermöglicht, zwei Jahre nach Beendigung der Schule, in den nationalen Sicherheitsdienst einzutreten. Er brachte während der Verhandlung mehrmals vor, dass er lediglich wegen der Beziehung zu seinem Cousin zur Polizei gekommen sei. Er hatte z.B. kein reguläres Aufnahmeverfahren, sondern für ihn reichte die Verwandtschaft zu seinem Cousin aus (siehe Seite 8 der gerichtlichen Niederschrift).
Die Ausbildung in Kabul hätte lediglich drei Monate angedroht. Nach diesen drei Monaten sei er wieder nach Mazar e Sharif zurückgekehrt und hätte dort zugleich als Geheimdienstmitarbeiter arbeiten können.
* Hier fällt eingangs auf, dass er keine Arbeitsbestätigung oder sonst irgendeinen Nachweis vorlegen konnte welche bescheinigen hätte können, dass tatsächlich beim Geheimdienst gearbeitet hat. Er konnte zwar Bestätigungen von Englischkursen und seinen Universitätsabschluss vorlegen, ebenso konnte er eine Bestätigung vorlegen, dass er eine Woche als Marketing Officer gearbeitet hat, er konnte allerdings keine Bestätigung vorlegen, dass er zwei Jahre bei der Polizei gearbeitet hat. Dies ist alleine für sich genommen schon sehr zweifelhaft, da gerade eine solche Bestätigung dazu führt im Ausland nachweisen zu können, dass er tatsächlich als Polizist gearbeitet hat. Auch sind dem erkennenden Richter durch seine Berufserfahrung bekannt, dass die Polizei in Afghanistan Arbeitsbestätigungen ausstellt.
* Der zweite Aspekt weswegen der erkennende Richter Zweifel an der Darstellung hat, ist, das er lediglich drei Monate als Geheimdienstmitarbeiter ausgebildet worden sei. Er konnte auch nur rudimentäre Angaben über seine Ausbildung in Kabul machen.
RV: Was haben Sie bei der Ausbildung in Kabul gelernt?
BF: Öfters oder meistens haben wir über die Auseinandersetzung gelernt, wie man eine Waffe benutzt, wie man vorbereitet und es gab auch körperliche Aufgaben, wie man sich verteidigt, wie man einen Gegner zurückschlägt. Meistens solche Sachen.
R: Welche Unterrichtsfächer hatten Sie?
BF: Wir lernten über Funkgeräte, über verschiedene Waffen. Jeden Tag in der Früh machten wir Sport. Wir haben auch praktisch an den Waffen gelernt.
Er meinte lediglich, dass er an verschiedenen Waffen gelernt hätte, dass er Sport betrieben hätte, dass er etwas über Selbstverteidigung und Funkgeräte erfuhr, nicht allerdings auf welchen Grundlagen oder Strategien der Geheimdienst in Afghanistan funktioniert. Nach seinen Schilderungen hatte er nicht einmal einen Unterricht in Staatswesen bzw Gesetzen. Er meinte das es keinen regulären Unterricht gegeben hätte, sondern hätte lediglich selbst Mitschriften vorgenommen, nicht allerdings wäre er in einer Schulklasse gesessen. Er hätte auch nach dieser Ausbildung eine Waffe bekommen.
* Er beschrieb die Waffe als ein amerikanisches Model mit der Kurzbezeichnung CZ. Eine Nachschau bei "Google" durch den Richter ergab allerdings, dass dies kein amerikanisches Fabrikat, sondern eine technische Produktion ist. Er vermeinte, dass diese Waffe einen Durchmesser von 5,2 mm gehabt hätte. Eine diesbezügliche Waffe gibt es allerdings nicht. Dabei ist allerdings zu bemerken, dass ihm sein Cousin die Waffe mit dem Hinweis gab, dass es sich dabei um eine amerikanische Waffe handeln würde. Insofern muss er nicht wissen, dass es sich tatsächlich um ein tschechisches Fabrikat handelt. Nachdem der Beschwerdeführer allerdings angab, dass er diese Waffe immer bei sich getragen hätte, müsste er allerdings Kenntnis davon haben welche Kaliber diese Waffe hat. Nachdem es ein Kaliber 5,2 mm nicht gibt, kann es sich um eine andere Waffe handeln oder Beschwerdeführer sagt in diesem Punkt nicht der Wahrheit. Dass seine Darstellungen nicht Wahrheit entsprechen, gründet sich auch noch durch seine weitere für das Gericht erwiesene Tatsachen.
Der Beschwerdeführer meinte, dass er Informationen gesammelt und diese direkt seinem Cousin weitergeleitet hätte. Er konnte allerdings nicht genau sagen welche Informationen er weiterleitete. Er meinte lediglich, dass er Informationen gesammelt hätte ob bestimmte Personen zu den Taliban geführten oder nicht.
R: Haben Sie das nie gelernt?
BF: Ein bisschen darüber haben wir gelernt. Aber ich muss von meinen Aufgaben ein bisschen erzählen. Meine Aufgabe war, dass wir unter den Leuten gehen sollen besonders in Richtung Taliban oder IS aber auch Schleppern. Meine Informationen, die ich gesammelt habe, gab ich ausschließlich meinem Cousin weiter.
Seine Arbeitsweise beschrieb er trotz mehrfachen Aufforderung eher oberflächlich oder gar nicht. Er konnte zwar Namen nennen, beispielsweise jene Person welche seine Gruppe versucht habe festzunehmen, doch einen genauen Ablauf bzw. erneut Darstellung der Arbeitsweise konnte er nicht vornehmen. Dabei ist allerdings zu beachten, dass er hat seinen Angaben auch Geld ausbezahlt hätte, um auf Informationen zu gelagen. Er beschrieb dass er mit seinen Kollegen einen sehr einflussreichen Talib festnehmen wollte. Dabei wäre es allerdings zu Gefechten gekommen und zwei seiner Kollegen werden dabei gestorben. Für den erkennenden Richter, welcher selbst neun Jahre als Polizist gearbeitet hat, ist es vollkommen unglaubwürdig, dass ein Geheimdienstmitarbeiter bei einem Zugriff anwesend ist. Die höchste Priorität eines Geheimdienstmitarbeiters ist es seine Identität bzw. seine Person niemals preiszugeben. Er rechtfertigte allerdings seine Anwesenheit bei dem Zugriff damit, dass er einen Mittelsmann, dem Cousin der Zielperson hätte die identifizieren müssen. Dabei übersieht der Beschwerdeführer allerdings, dass nicht der Cousin/Informant festgenommen hätte werden sollen, sondern jener von ihm beschriebenen Taliban. Er beschrieb den Taliban sehr einflussreich und er hätte dem Mittelsmann, damit man auf die entsprechenden Informationen gelangen konnte, 5000 Afghani bezahlt. Es ist fürs Gericht nicht glaubhaft, dass jemand nach nur einer dreimonatigen Ausbildung eine so bedeutende Stellung innerhalb der Polizei in Mazar e Sharif bekommen kann, als dass er bei dem Zugriff von so einem wichtigen Taliban dabei sein kann bzw die entsprechenden Vorarbeiten maßgeblich verrichtet.
Überdies rechtfertigt seine Darstellung, dass er dem Mittelsmann identifizieren sollen nicht, dass er dem Zugriff dabei sein solle, zumal nicht der Mittelsmann die Zielperson war, sondern der Taliban. Denn wenn er tatsächlich dabei gewesen wäre, wäre seine Identität bekannt gewesen und wäre es ihm nicht mehr möglich gewesen als Geheimdienstmitarbeiter weiterhin zu arbeiten. Die Zweifel des Richters wurden von ihm auch in der Verhandlung ausgesprochen und konnte der Beschwerdeführer darauf allerdings keine sachliche Entgegnung vorbringen:
R: Ich muss Ihnen ganz ehrlich sagen für mich ist es unglaubwürdig, wenn Sie nach nur drei Monaten eine Waffe bekommen und es ist auch für mich unglaubwürdig, dass Sie eine so wichtige Funktion bekommen nach nur drei Monaten Ausbildung, weil das kann ich deswegen sagen, weil Polizeiarbeit auf der ganzen Welt die gleiche Funktion hat und ich selbst leider viel zu lange 11 Jahre Polizist war. Ich kann mir absolut nicht vorstellen, dass sie ohne eine theoretische Grundlage eine Funktion hätten und als Undercoverpolizist hat man die Aufgabe unentdeckt zu sein. Sie sagten es war den Taliban bekannt, dass Sie Undercoverpolizist sind. In der Sekunde müssten Sie ihre Arbeit lassen. Dann macht das ganze keinen Sinn mehr. Für mich ist es auch nicht glaubwürdig, dass Sie als Undercoverpolizist bei einem Angriff mit dabei sind.
BF: Ich verstehe Sie vollkommen aber noch einmal war es für mich ein bisschen anders diesen Job zu bekommen, weil mein Cousin ein stellvertretender Chef einer Abteilung war. Deshalb brauchte ich keine große Ausbildung. Ich habe direkt mit meinem Cousin gearbeitet, mehr habe ich auch nicht gemacht. Eigentlich diese drei Monate Ausbildung war auch eine Hilfe von ihm, sonst hätte ich nicht diesen Job bekommen.
R: Das erklärt für mich, dass Sie durch Beziehungen reingekommen sind.
BF: Ich war praktisch offiziell nicht in diesem Job. Ich habe nur für meinen Cousin gearbeitet.
* Es ist für das Gericht nicht erklärbar warum er als Geheimdienstmitarbeiter nicht exaktere und genauere Angaben machen konnte, denn genau jene Informationen sind notwendig um einen späteren Zugriff möglichst gefahrlos vornehmen zu können. Für das Gericht ist es durch seine Angaben erwiesen, dass er bei dem Angriff auf den Taliban nicht dabei sein konnte. Das macht ihn selbst allerdings unglaubwürdig insbesondere hinsichtlich der Darstellungen seiner Tätigkeit als "Undercoverpolizist". Seine Angaben hinsichtlich der geringen Ausbildung zum Geheimdienstpolizisten, der Waffe und dem Fehlen eines Nachweises führen ebenso zu dem Ergebnis, dass er nicht als "Geheimdienstpolizist" arbeiten konnte.
* Das Gericht geht davon aus, dass er eine Verbindung zu seinem Cousin, welcher laut den vorgelagerten Unterlagen tatsächlich Polizist gewesen war, zu konstruieren versucht, um eine mögliche Verfolgungshandlung seiner Person darlegen zu können. Dies entspricht allerdings nicht der Wahrheit. Der Beschwerdeführer war nicht beim Geheimdienst und hat keine glaubhafte Gefährdung darlegen können. Nachdem der Beschwerdeführer nicht bei der Polizei war, droht ihm auch keine Gefahr im Falle einer Rückkehr.
2.2.1. Er brachte keine weiteren Verfolgungsgründe vor und konnten von Amts wegen solche auch nicht erkannt werden.
2.3. Zu den Feststellungen zum (Privat)Leben des Beschwerdeführers in Österreich:
Die Feststellungen zum Leben des Beschwerdeführers in Österreich, insbesondere zur Aufenthaltsdauer, seinen Deutschkenntnissen, seinen familiären oder engen sozialen Anknüpfungspunkten in Österreich und seiner Integration in Österreich, stützen sich auf die Aktenlage, auf die Angaben des Beschwerdeführers in der mündlichen Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht sowie auf die von ihm in der mündlichen Verhandlung vorgelegten Unterlagen.
Die Feststellung zur strafgerichtlichen Unbescholtenheit des Beschwerdeführers ergibt sich aus der Einsichtnahme in das Strafregister.
2.4. Zu den Feststellungen zur Rückkehr des Beschwerdeführers in den Herkunftsstaat:
2.4.1. Die Feststellungen zu den Folgen einer Rückkehr des Beschwerdeführers in seine Heimatstadt Mazar e Sahirf ergeben sich aus den oben angeführten Länderberichten. Die Feststellungen zum Aufenthaltsort, zu den Eigentums- und Vermögensverhältnissen sowie zur finanzielle Situation der Familie des Beschwerdeführers in Afghanistan ergeben sich daraus, dass er dies vor dem Gericht glaubhaft wiedergab. Die Feststellung zum XXXX Kontakt zu seinen Verwandten ergibt sich ebenso aus den galubhaften Angaben vor dem Gericht. Die Feststellung zur finanziellen und sozialen Unterstützungsfähigkeit seiner Familie in Afghanistan, ergibt sich aus den Angaben des Beschwerdeführers des Beschwerdeführers in der mündlichen Verhandlung.
R: Wie geht es Ih