TE Bvwg Erkenntnis 2020/5/26 W116 2189133-1

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 26.05.2020
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Entscheidungsdatum

26.05.2020

Norm

AsylG 2005 §2 Abs1 Z15
AsylG 2005 §3
AsylG 2005 §3 Abs1
AsylG 2005 §3 Abs4
AsylG 2005 §3 Abs5
AsylG 2005 §75 Abs24
B-VG Art133 Abs4
VwGVG §24
VwGVG §28 Abs1
VwGVG §28 Abs2

Spruch

W116 2189133-1/4E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch den Richter Mag. Mario DRAGONI als Einzelrichter über die Beschwerde des minderjährigen XXXX , geb. XXXX , StA. Syrien, gegen Spruchpunkt I. des Bescheides des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 06.02.2018, Zl. 1095091204-151795063, zu Recht:

A)

Der Beschwerde wird gemäß § 28 Abs. 2 VwGVG stattgegeben und XXXX gemäß § 3 Abs. 1 AsylG 2005 der Status eines Asylberechtigten zuerkannt.

Gemäß § 3 Abs. 5 AsylG 2005 wird festgestellt, dass XXXX damit kraft Gesetzes die Flüchtlingseigenschaft zukommt.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang:

1.1. Der minderjährige Beschwerdeführer reiste illegal ins Bundesgebiet ein und stellte am 17.11.2015 den gegenständlichen Antrag auf internationalen Schutz. Am 24.11.2015 fand vor einem Organ des öffentlichen Sicherheitsdienstes die niederschriftliche Erstbefragung des Beschwerdeführers statt. Befragt, warum er seinen Herkunftsstaat verlassen habe, gab er im Wesentlichen an, dass die (syrische) Polizei seinen Vater zwei- oder dreimal mitgenommen habe. Sie hätten danach Angst gehabt und seien deswegen geflüchtet.

1.2. Am 11.08.2017 wurde der minderjährige Beschwerdeführer vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl im Beisein eines Dolmetschers für die arabische Sprache niederschriftlich einvernommen. Dabei gab der Beschwerdeführer im Wesentlichen an, dass er Syrer, Kurde und sunnitischer Moslem sei. Er habe mit seinen Eltern in Qamishli gelebt. In Syrien sei es zwei- oder dreimal zu Hausdurchsuchungen gekommen, wobei sein Vater und sein Onkel jeweils mitgenommen, irgendwo einvernommen worden und danach wieder nach Hause gekommen seien. Dazu sei es im Zusammenhang mit dem Militärdienst gekommen. Deshalb habe seine Familie Syrien verlassen und ins irakische Kurdistan ziehen müssen. Zu seinen Fluchtgründen brachte er vor, dass ihn seine Kumpel immer ausgelacht hätten, was ihm nicht gefallen habe. Außerdem seien die Lebensumstände sehr schwierig gewesen. Sie hätten keinen Strom gehabt, die Lebensmittel seien teuer geworden und Wasser hätten sie nur drei Stunden pro Tag bekommen. Schließlich sei er auch wegen der Geschichte mit seinem Vater und seinem Onkel ausgereist. Befragt, gab er an, dass er sowohl wegen seiner Behinderung, wie auch wegen seiner Volksgruppenzugehörigkeit beschimpft worden sei. Er sei aber auch im Alltag und auf der Straße manchmal aufgrund seiner Volksgruppe belästigt worden. Zur Verhaftung seines Vaters und Onkels, teilte er mit, dass sie für den Kriegseinsatz gesucht worden seien. Bezüglich eines fluchtauslösenden Vorfalls gab er an, dass sein Vater Angst gehabt habe, eingezogen zu werden und nicht mehr zu ihnen zurückzukommen. Weiters gab er an, dass sein Vater an Demonstrationen teilgenommen habe. Sie seien in der Nacht illegal ausgereist.

1.3. Mit Schreiben vom 14.08.2017 wurde für den Beschwerdeführer eine Stellungnahme eingebracht. Darin wird zunächst zur asylrelevanten Diskriminierung des Beschwerdeführers im Heimatstaat aufgrund seiner Zugehörigkeit zur ethnischen Gruppe der Kurden und zur sozialen Gruppe der Menschen mit Behinderung Stellung genommen und werden zur Untermauerung Auszüge von Berichten internationaler Organisationen angeführt. Weiters wird bezüglich einer möglichen Verfolgungsgefahr aufgrund der Zugehörigkeit zur sozialen Gruppe der Familie zusammengefasst ausgeführt, dass sein Vater an Demonstrationen in Syrien teilgenommen habe und sein Onkel von der syrischen Armee desertiert sei. Beide seien bereits von Verfolgungshandlungen der syrischen Regierung betroffen gewesen. Die auszugsweise angeführten Berichte würde u.a. belegen, dass Familienangehörige etwa von Protestteilnehmern oder Deserteuren - auch Kinder wie der Beschwerdeführer - einer Verfolgungsgefahr ausgesetzt seien. Zusammengefasst habe der Beschwerdeführer im Heimatstaat bereits asylrelevante Diskriminierung aufgrund seiner Zugehörigkeit zur ethnischen Gruppe der Kurden und zur sozialen Gruppe der Menschen mit Behinderung erlitten. Aber auch aufgrund der Zugehörigkeit zur sozialen Gruppe der Familie seines Vaters und seines Onkels sei er einem erheblichen Risiko asylrelevanter Verfolgung ausgesetzt (gewesen) und habe sein Heimatland daher aus wohlbegründeter Furcht vor Verfolgung verlassen. Da in seinem Fall mehrere Asyltatbestände erfüllt seien, sei ihm der Status des Asylberechtigten zuzuerkennen. Abschließend wird auf die Beachtung des Kindeswohls und die nationalen sowie internationalen Rechtsnormen dazu hingewiesen.

2. Der angefochtene Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl:

2.1. Mit Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 06.02.2018, am 09.02.2018 der Rechtsberaterin der gesetzlichen Vertreterin zugestellt, wurde der Antrag des minderjährigen Beschwerdeführers auf internationalen Schutz bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten gemäß § 3 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG 2005 abgewiesen (Spruchpunkt I.), gemäß § 8 Abs. 1 AsylG 2005 wurde dem Beschwerdeführer der Status eines subsidiär Schutzberechtigten zuerkannt (Spruchpunkt II.) und ihm gemäß § 8 Abs. 4 AsylG 2005 eine befristete Aufenthaltsberechtigung bis zum 05.02.2019 erteilt (Spruchpunkt III.).

Das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl traf herkunftsstaatsbezogene Feststellungen zur allgemeinen Lage in Syrien, stellte die Identität des minderjährigen Beschwerdeführers nicht fest und begründete im angefochtenen Bescheid die abweisende Entscheidung im Wesentlichen damit, dass die mehrmalige Überprüfung seines Vaters glaubhaft sei und nicht ausgeschlossen werden könnte, dass eine weitere dieser Überprüfungen dessen Rekrutierung zur Folge gehabt hätte, jedoch könnte davon ausgegangen werden, dass sein Vater aufgrund der Freilassungen bis zur gemeinsamen Ausreise nicht ins Rekrutierungspotential der syrischen Armee gefallen und dass auch er deshalb nicht Gefahr gelaufen sei, Repressalien der syrischen Behörden aufgrund einer Wehrdienstverweigerung seines Vaters ausgesetzt zu sein. Auch aus den Verfolgungsgründen seines Onkels (Einziehung zum Reservemilitärdienst) würde nicht hervorgehen, dass dessen Verhalten eine drohende Gefahr für seine Verwandten ausgelöst hat, sodass die Behörde zum Schluss gekommen sei, dass auch er einer solchen Verfolgungsgefährdung in Syrien nicht ausgesetzt war bzw. in Zukunft ausgesetzt wäre. Ein Indiz dafür sei der Umstand, dass seine Großeltern weiterhin unbeschadet in Syrien leben könnten. Daraus sei zu schließen, dass er keiner - aus der politischen Verfolgungsgefahr einer seiner Verwandten resultierenden - Verfolgungsgefahr ausgesetzt sei. Ebenso sei eine Verfolgung aufgrund seiner Behinderung oder seiner Zugehörigkeit zur kurdischen Volksgruppe nicht feststellbar gewesen. Nachdem eine Rückkehr derzeit nur über den unter Regierungskontrolle befindlichen Flughafen Damaskus zumutbar und möglich sei, sei auch eine Zwangsrekrutierung durch den IS oder oppositionelle Gruppen auszuschließen gewesen. Darüber hinaus würden die ACCORD-Anfragebeantwortungen vom 13.06.2014 und vom 22.06.2016 keine Hinweise auf systematische Zwangsrekrutierungen von Minderjährigen durch das syrische Regime erkennen lassen. Vielmehr habe Syrien das Zusatzprotokoll der UN-Kinderrechtskonvention über die Beteiligung von Kindern an bewaffneten Konflikten ratifiziert und im Juni 2013 die Strafen für eine Rekrutierung von Kindern verschärft. Es würde ihm daher während seiner Minderjährigkeit keine maßgeblich wahrscheinliche Gefahr drohen, zwangsrekrutiert zu werden. Ein Einsatz in der syrischen Armee würde aufgrund seiner Behinderung aber ebenfalls gegen Null gehen. Schließlich wird näher begründet, dass ihm auch im Zusammenhang mit seiner Ausreise, seinem Auslandsaufenthalt und der Asylantragstellung in Österreich keine Gefahr drohen würde.

2.2. Mit Verfahrensanordnung gemäß § 63 Abs. 2 AVG vom 07.02.2018 wurde dem Beschwerdeführer gemäß § 52 Abs. 1 BFA-VG die ARGE Rechtsberatung - Diakonie und Volkshilfe als Rechtsberater für das Beschwerdeverfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht zur Seite gestellt.

2.3. Gegen Spruchpunkt I. des oben genannten Bescheides wurde fristgerecht eine Beschwerde erhoben, welche am 07.03.2018 beim Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl einlangte. In dieser wurde im Zuge einer Wiederholung des Sachverhalts bzw. seines bisherigen Fluchtvorbringens im Wesentlichen ausgeführt, dass der Beschwerdeführer Syrer, sunnitischer Moslem sowie Angehöriger der kurdischen Volksgruppe sei und aus Qamishli stammen würde. Sein Vater habe an regimekritischen Demonstrationen teilgenommen und sei nur durch Bestechungszahlungen seines Großvaters und aufgrund von schriftlichen Erklärungen, nicht mehr an derartigen Kundgebungen teilzunehmen, wieder freigekommen. Aber auch sein Großvater sei zweimal mehrere Monate in Haft gewesen und nur aufgrund einer schriftlichen Distanzierung von seinem ihm vorgeworfenen Verhalten wieder freigelassen worden. Der Großvater sei Lehrer für die kurdische Sprache gewesen und habe zwei Bücher geschrieben, weshalb seine Familie Probleme gehabt habe. Die Polizei würde regelmäßig das Haus seiner Großeltern durchsuchen, Eigentum beschädigen und nach seinem desertierten Onkel und den restlichen Söhnen des Großvaters fragen. Aber auch der Beschwerdeführer selbst sei nunmehr im wehrfähigen Alter und würde sich vor einer Zwangsrekrutierung fürchten. Ferner seien auch die Länderberichte im angefochtenen Bescheid unvollständig und teilweise unrichtig. Die Behörde habe es zudem unterlassen, sich mit der Lage von beeinträchtigten Personen auseinanderzusetzen, insbesondere im Hinblick auf eine Diskriminierung und Verfolgung. Er würde mehrere der in den Erwägungen des UNHCR genannten und auszugsweise angeführten Risikoprofile erfüllen. Aus anderen, näher angeführten Quellen würde sich nämlich die für den Beschwerdeführer bestehende Gefahr ergeben, aufgrund seiner Familienzugehörigkeit und einer damit unterstellten oppositionellen Gesinnung bzw. wegen der Wehrdienstentziehung seines Vaters und der Desertion seines Onkels ebenso einer Verfolgung und Diskriminierung ausgesetzt zu sein. Er sei trotz seines jungen Alters nicht vor einer Rekrutierung geschützt, da den zum Teil angeführten Berichten zufolge minderjährige Personen ebenso rekrutiert würden. Weiters könnte nicht davon ausgegangen werden, dass ihn seine Beeinträchtigung vor einer Zwangsrekrutierung oder vor Sanktionen wegen seiner Angehörigen bewahren wird. Die Ausnahmen aus medizinischen Gründen würden nämlich nicht länger strikt eingehalten werden. Personen mit gesundheitlichen Problemen würden für logistische oder Kampfzwecke eingesetzt werden. Außerdem würde für Rückkehrer das Risiko bestehen, dass ihnen von der Regierung eine oppositionelle Gesinnung unterstellt wird. Weitere Quellen würden wiederum ergeben, dass Personen mit Beeinträchtigungen einem erhöhten Missbrauchsrisiko und weiterhin Diskriminierungen ausgesetzt sind. Ebenso wie Kurden aufgrund ihrer Volksgruppenzugehörigkeit. Hätte die Behörde die angeführten Länderberichte herangezogen, hätte sie zur Feststellung kommen müssen, dass dem Beschwerdeführer als Angehörigen der kurdischen Minderheit bzw. von vom syrischen Staat gesuchten Personen in ganz Syrien Verfolgung droht und dass Menschen mit Beeinträchtigungen massiven Diskriminierungen ausgesetzt sind. Zudem würde ihm aufgrund seines mehrjährigen Aufenthalts in Europa Verfolgung bzw. Diskriminierung wegen einer unterstellten westlichen Gesinnung drohen. Weiters wird ausgeführt, dass die Behörde seine Identität aufgrund des vorliegenden Behindertenausweises bzw. durch zeugenschaftliche Einvernahme seines Onkels feststellen hätte müssen. Insoweit die Behörde ausführt, dass sein Onkel keine Gefährdung seiner Verwandten aufgrund seiner Fluchtgründe dargetan habe, wird angeführt, dieser habe in seinem Rechtsberatungsgespräch angegeben, dass die ganze Familie in Gefahr sei, da neben ihm auch der Vater und der Großvater des Beschwerdeführers verfolgt worden seien. Den obigen Berichten sei zu entnehmen, dass Familienangehörige von Personen, denen eine oppositionelle Gesinnung unterstellt wird, ebenfalls Verfolgungsgefahr ausgesetzt seien. Aus dem Leitfaden des UNHCR würde hervorgehen, dass die tatsächlich oder vermeintlich oppositionellen Ansichten einer Person häufig auch Personen in deren Umfeld, wie etwa Familienmitgliedern zugeschrieben würden. Reflexverfolgung sei ein vertrautes politisches Instrument und auch Kinder seien davon betroffen. Laut seinem Onkel würde sich die Gefahr auf die gesamte Familie beziehen, auch auf den Beschwerdeführer. Zum Beweis dafür wird dessen Einvernahme beantragt. Insoweit die Behörde eine systematische Zwangsrekrutierung von Minderjährigen verneint, wäre dennoch eine einzelfallbezogene Prüfung notwendig gewesen. Nach der Anfragebeantwortung der Staatendokumentation vom 19.09.2017 sei es in den letzten Jahren nämlich immer wieder zu Zwangsrekrutierungen von jungen Männern sowie von minderjährigen Mädchen und Burschen gekommen. Dies würde auch ein Bericht der Schweizerischen Flüchtlingshilfe vom 23.03.2017 belegen. Seine Beeinträchtigung betreffend würde aus einem Bericht des IRB (Immigration and Refugee Board of Canada) vom ersten Halbjahr 2017 hervorgehen, dass Ausnahmeregelungen aus medizinischen Gründen nicht länger strikt eingehalten und Personen mit gesundheitlichen Problemen eingesetzt würden. Schließlich würde der Beschwerdeführer seit mehr als zwei Jahren im Bundesgebiet leben und könnte ohne weitere Ermittlungen nicht ausgeschlossen werden, dass er eine Wertehaltung - insbesondere hinsichtlich der Behandlung von Minderheiten - angenommen habe, welche bei einer hypothetischen Rückkehr in Syrien zu Problemen führen kann. Abschließend wird die Durchführung einer mündlichen Verhandlung vor dem BVwG beantragt.

3. Das Verfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht:

Die gegenständliche Beschwerde und Verwaltungsakten wurden vom Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl vorgelegt und sind am 14.03.2018 beim Bundesverwaltungsgericht eingelangt.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Entscheidungswesentlicher Sachverhalt:

Auf Grundlage des Antrages auf internationalen Schutz vom 17.11.2015, der Einvernahmen des Beschwerdeführers durch die Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes sowie des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl und der Beschwerde gegen den angefochtenen Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl werden folgende Feststellungen getroffen und der Entscheidung zugrunde gelegt:

1.1. Zur Person und zu den Fluchtgründen des Beschwerdeführers:

Der minderjährige Beschwerdeführer ist Staatsangehöriger von Syrien und Angehöriger der Volksgruppe der Kurden. Er bekennt sich zum sunnitischen Islam.

Der Beschwerdeführer hat Syrien gemeinsam mit seinen Eltern von Qamishli aus in Richtung Türkei verlassen und ist danach mit seinem Onkel in einem Schlauchboot nach Griechenland weitergereist. Seine Eltern wurden von der (türkischen) Polizei an der Weiterreise gehindert. Schließlich sind sie mit anderen Flüchtlingen auf unbekanntem Weg bis nach Österreich gereist, wo er am 17.11.2015 einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt hat.

Festgestellt wird, dass es den Länderberichten zufolge an der syrischen Grenze zu einer Befragung von erfolglosen Asylwerbern kommt, wobei die Rückkehrer über Gründe ihrer (illegalen) Ausreise, über den Aufenthaltszweck und u.U. auch nach politischen Aktivitäten im Ausland gefragt werden. Bei der "Sicherheitsprüfung" an den Grenzübergangsstellen wird bekanntlich überprüft, ob ein Rückkehrer Syrien gesetzeswidrig verlassen hat. Personen, deren Profil irgendeinen Verdacht erregt, sind dem Risiko einer längeren Haft und Folter ausgesetzt.

Es ist schon aufgrund seiner Herkunft aus der vornehmlich von Kurden bewohnten Provinz Al Hasaka, somit aus einer (vermeintlich) regimefeindlichen Region und seiner Ausreise bzw. seines mehrjährigen Auslandsaufenthalts während eines staatlichen Ausnahmezustandes zusammen mit seiner Asylantragstellung im Ausland davon auszugehen, dass der Beschwerdeführer bei einer allfälligen Rückkehr in seine Heimat das Interesse der syrischen Behörden auf sich ziehen und damit in deren Blickfeld geraten würde, wodurch ihm bereits aus diesem Grund von den syrischen Staatsorganen besondere Aufmerksamkeit gewidmet und eine regimekritische Haltung unterstellt werden bzw. eine entsprechende Verfolgung drohen könnte. Den Berichten zufolge basieren Festnahmen nämlich häufig allein auf der Herkunft aus einem Ort, in dem oppositionelle Kräfte aktiv sind.

Davon abgesehen stellt seine Zugehörigkeit zur kurdischen Volksgruppe einen weiteren Risikofaktor für eine Verfolgung in Syrien dar. Viele Angehörige seiner Volksgruppe haben sich nachweislich an Demonstrationen gegen das Assad-Regime innerhalb und außerhalb seiner Heimat beteiligt. Es ist daher nicht völlig auszuschließen, dass es seitens der syrischen Behörden aufgrund der Volksgruppenzugehörigkeit des Beschwerdeführers zur Unterstellung einer oppositionellen Gesinnung kommen kann. Darüber hinaus ist seine Zugehörigkeit zum sunnitischen Islam ebenfalls geeignet, den Beschwerdeführer zum Ziel von Verfolgungen zu machen. Der bewaffnete Konflikt wird nämlich zunehmend konfessionell und sunnitische Zivilisten sind aktuell das Hauptziel der Regimetruppen und von Pro-Regime-Milizen. Der Beschwerdeführer gehört der sunnitischen Religionsgemeinschaft an.

Vor dem Hintergrund der aktuellen Bürgerkriegssituation in Syrien ist auch nicht damit zu rechnen, dass der syrische Staat - sollte von ihm selbst keine Verfolgungshandlung ausgehen - seine Bürger vor Bedrohungen und Übergriffen seitens bewaffneter Milizen oder sonstiger Gruppierungen ausreichend schützen kann. Der Beschwerdeführer wäre allfälligen Bedrohungs- oder Verfolgungshandlungen von den anderen Kriegsparteien somit schutzlos ausgeliefert.

Festgestellt wird, dass in Syrien ein verpflichtender Wehrdienst für männliche Staatsbürger ab dem Alter von 18 Jahren besteht. Der Beschwerdeführer ist im Entscheidungszeitpunkt zwar erst 16 Jahre alt, sodass er frühestens in rund zwei Jahren in Syrien wehrdienstpflichtig wäre, die Altersgrenze ist aktuell jedoch auf beiden Enden des Altersspektrums nur theoretisch und jeder Mann in einem im weitesten Sinne wehrfähigen Alter, kann rekrutiert werden (vgl. Syria Direct 07.12.2017). So besteht auch für - teils relativ junge - Minderjährige die Gefahr, in Zusammenhang mit der Wehrpflicht an Checkpoints aufgehalten zu werden und dabei Repressalien ausgesetzt zu sein (UNHCR 30.11.2016). Einigen Quellen zufolge werden zum Teil bereits sechzehn- und siebzehnjährige Burschen zur syrischen Armee eingezogen. Es ist daher nicht mit der erforderlichen Sicherheit davon auszugehen, dass der Beschwerdeführer bei einer allfälligen Rückkehr in seine Heimat tatsächlich erst nach Erreichen des 18. Lebensjahres zur syrischen Armee eingezogen würde. Es kommt bei der Vollziehung des Wehrgesetzes nämlich aktuell zu einem bestimmten Maß an Willkür, wobei es vor allem beim Alter der Betroffenen keine Klarheit mehr gibt.

Aufgrund von Schwierigkeiten bei der Aushebung neuer Rekruten werden u.a. auch Reservisten (neuerlich) zum Militärdienst eingezogen und es kommt zurzeit sogar zur Aufhebung von Militärdienstaufschüben. Wie sich aus den aktuellen Länderberichten nämlich ergibt, kann beim gegenwärtigen Stand des Krieges in Syrien auf eine Ausnahme vom oder einen Aufschub des Militärdienstes nicht mehr vertraut werden. Es ist daher - vor dem Hintergrund der aktuellen Probleme des syrischen Militärs mit dem Nachschub junger Rekruten - mit entsprechend hoher Wahrscheinlichkeit davon auszugehen, dass der Beschwerdeführer bei Erreichen des wehrdienstpflichtigen Alters keinen Aufschub bzw. keine Ausnahmebewilligung bekommen würde und bei einer allfälligen Rückkehr in seine Heimat bereits früher als vorgesehen der Verpflichtung zur Ableistung des Militärdienstes nachkommen muss. Was seine körperliche Einschränkung betrifft, liegen nach Ansicht des erkennenden Richters keine unmittelbaren Gründe vor, welche ihn daran hindern würden, mehr oder weniger an menschenrechtwidrigen Handlungen der syrischen Armee teilzunehmen. Immerhin kommt es den Berichten zufolge nicht automatisch zu einer Befreiung vom Wehrdienst, sondern kann es bei gesundheitlichen Einschränkungen auch zu einer Ableistung fern von einer Teilnahme an einer Kampfausbildung bzw. eines Kampfeinsatzes kommen (BFA 8.2017). Dabei ist durchaus vorstellbar, dass der Beschwerdeführer zu menschenrechtswidrigen Handlungen gezwungen oder bei deren Verweigerung asylrelevant verfolgt werden könnte.

Dem Beschwerdeführer droht in Syrien bei einer nunmehrigen Rückkehr daher in absehbarer Zeit die reale Gefahr, als Mann im wehrfähigen Alter zum Militärdienst bei der syrischen Armee eingezogen zu werden und er ist im Zusammenhang mit der Einziehung, der Ableistung und der Verweigerung des Militärdienstes der Gefahr erheblicher Menschenrechtsverletzungen ausgesetzt.

Und schließlich wird das Risiko des Beschwerdeführers, in das Blickfeld der syrischen Behörden zu geraten bzw. entsprechend verfolgt zu werden, durch den Umstand, dass sich sein Vater und sein Onkel dem Militärdienst durch illegale Ausreise entzogen haben, nochmals erhöht. Festgestellt wird, dass auch Familien von Deserteuren oder Wehrdienstverweigerern mit Konsequenzen zu rechnen haben. Eine Familie kann u.U. von der Regierung unter Druck gesetzt werden, wenn der Deserteur dadurch vielleicht gefunden werden kann. Familienmitglieder können festgenommen werden, um den Deserteur dazu zu bringen, sich zu stellen. Manchmal wird auch ein Bruder oder der Vater des Deserteurs ersatzweise zur Armee rekrutiert (FIS 23.8.2016). Den Quellen zufolge gehen die syrischen Sicherheitskräfte bei einer erfolglosen Fahndung nach (möglichen) Regierungsgegnern bekanntlich dazu über, die Familienangehörigen der betreffenden Person festzunehmen oder zu misshandeln.

Eine hinsichtlich des Reiseweges zumutbare und legale Rückkehr nach Syrien ist nur über den Flughafen in Damaskus möglich, der sich in der Hand der Regierung befindet, wobei der Beschwerdeführer schon allein wegen seiner Herkunft aus einem oppositionellen Gebiet, seiner Ausreise sowie seines langen Auslandsaufenthalts während eines staatlichen Ausnahmezustandes zusammen mit seiner Konfession bzw. Volksgruppenzugehörigkeit und seiner Asylantragstellung im Ausland Gefahr läuft, bei einer Rückkehr die Aufmerksamkeit der syrischen Behörden auf sich zu ziehen und damit in deren Blickfeld zu geraten. Bei Männern im bzw. nahe des wehrfähigen Alters wird überprüft, ob diese ihren Militärdienst bereits abgeleistet haben. Weiters besteht für einen nach Syrien zurückkehrenden, abgelehnten Asylwerber im Allgemeinen bei der Ankunft die reale Gefahr, aufgrund einer angenommenen politischen Gesinnung inhaftiert zu werden, und in der Folge schweren Misshandlungen ausgesetzt zu sein (UK Home 8.2016).

1.2. Zur maßgeblichen Situation in Syrien:

"Allgemeine Menschenrechtslage

Schätzungen besagen, dass etwa eine halbe Million Menschen im syrischen Bürgerkrieg getötet wurden (BS 2018).

Die syrische Verfassung sieht die Baath-Partei als die regierende Partei vor und stellt sicher, dass sie die Mehrheit in allen Regierungs- und Volksverbänden hat. Ein Dekret von 2011 erlaubt die Bildung anderer politischer Parteien, jedoch nicht auf Basis von Religion, Stammeszugehörigkeit oder regionalen Interessen. Die Regierung erlaubt nur regierungsnahen Gruppen offizielle Parteien zu gründen und zeigt wenig Toleranz gegenüber anderen politischen Parteien, auch jenen, die mit ihr verbündet sind. Parteien wie das Communist Union Movement, die Communist Action Party und die Arab Social Union werden schikaniert. Gesetze, welche die Mitgliedschaft in illegalen Organisationen verbieten, wurden auch verwendet um Hunderte Mitglieder von Menschenrechts- und Studentenorganisationen zu verhaften. Es gibt auch zahlreiche Berichte zu anderen Formen der Belästigung von Menschenrechtsaktivisten, Oppositionellen oder Personen, die als oppositionell wahrgenommen werden, von Reiseverboten, Enteignung und Überwachung bis hin zu willkürlichen Festnahmen, "Verschwindenlassen" und Folter (USDOS 13.3.2019).

Es sind zahllose Fälle bekannt, bei denen Personen für als regierungsfeindlich angesehene Tätigkeiten ihrer Verwandten inhaftiert und gefoltert werden, darunter sollen auch Fälle sein, bei denen die gesuchten Personen ins Ausland geflüchtet sind (AA 13.11.2018). Frauen mit familiären Verbindungen zu Oppositionskämpfern werden z.B. als Vergeltung oder zur Informationsgewinnung festgenommen. Außerdem werden Personen festgenommen, die Kontakte zu Verwandten oder Freunden unterhalten, die in oppositionell kontrollierten Gebieten leben (UNHRC 31.1.2019).

Die Methoden der Folter, des Verschwindenlassens und der schlechten Bedingungen in den Haftanstalten sind keine Neuerung der letzten Jahre seit Ausbruch des Konfliktes, sondern waren bereits zuvor gängige Praxis der unterschiedlichen Nachrichtendienste und Sicherheitsbehörden in Syrien (SHRC 24.1.2019).

Russland, der Iran und die Türkei haben im Zusammenhang mit den Astana-Verhandlungen wiederholt zugesagt, sich um die Missstände bezüglich willkürlicher Verhaftungen und Verschwindenlassen zu kümmern. Im Dezember 2017 gründeten sie eine Arbeitsgruppe zu Inhaftierungen und Entführungen im syrischen Konflikt, es waren bisher jedoch nur geringe Fortschritte zu verzeichnen (HRW 17.1.2019).

Weitere schwere Menschenrechtsverletzungen, derer das Regime und seine Verbündeten beschuldigt werden, sind willkürliche und absichtliche Angriffe auf Zivilisten, darunter auch der Einsatz von chemischen Waffen; Massaker und Vergewaltigungen als Kriegstaktik; Einsatz von Kindersoldaten sowie übermäßige Einschränkungen der Bewegungs-, Meinungs-, Versammlungs- und Pressefreiheit, inklusive Zensur. Die Regierung überwacht die Kommunikation im Internet, inklusive E-Mails, greift in Internet- und Telefondienste ein und blockiert diese. Die Regierung setzt ausgereifte Technologien und Hunderte von Computerspezialisten für Überwachungszwecke ein (USDOS 13.3.2019).

Orte, die im Laufe der vergangenen Jahre wieder unter die Kontrolle der Regierung gelangt sind, erlebten organisierte und systematische Plünderungen durch die bewaffneten Einheiten der Regierung (SHRC 24.1.2019). Berichten zufolge sind Personen in Gebieten, die erst vor kurzer Zeit durch die Regierung wiedererobert wurden, aus Angst vor Repressalien oft zurückhaltend über die Situation in diesen Gebieten zu berichten (USDOS 13.3.2019).

Bewaffnete terroristische Gruppierungen, wie die mit al-Qaida in Verbindung stehende Gruppe Hay'at Tahrir al-Sham (HTS), sind für weitverbreitete Menschenrechtsverletzungen wie Massaker, Beschuss, Entführung, unrechtmäßige Inhaftierung, Folter, Tötung und Zwangsvertreibung auf Basis der Konfession Betroffener, verantwortlich. Der sogenannte Islamische Staat (IS) agiert(e) mit Brutalität gegenüber Bewohnern des von ihm kontrollierten Territoriums. Ihm werden u.a. vorgeworfen: außergerichtliche Hinrichtungen und Verhaftungen, Haft unter unmenschlichen Bedingungen, Folter, Verschwindenlassen und Anwendung von Körperstrafen. Frauen erleb(t)en in vom IS gehaltenen Gebieten willkürliche und schwere Bestrafungen, inklusive Hinrichtung durch Steinigung (USDOS 13.3.2019). Sexuelle Versklavung und Zwangsverheiratung sind zentrale Elemente der Ideologie des IS. Mädchen und Frauen wurden zur Heirat mit Kämpfern gezwungen. Frauen und Mädchen, die Minderheiten angehören, wurden sexuell versklavt, zwangsverheiratet und anderen Formen sexueller Gewalt ausgesetzt (USDOS 20.6.2019; vgl. USDOS 13.3.2019). Im Bezug auf Kampfhandlungen wird dem IS der Einsatz von Kindersoldaten sowie von Zivilisten als menschliche Schutzschilde vorgeworfen. Außerhalb der (ehemals) kontrollierten Gebiete verübte der IS Entführungen und Anschläge (USDOS 13.3.2019).

Auch die oppositionellen bewaffneten Gruppen der Syrian Democratic Forces (SDF) werden für Menschenrechtsverletzungen verantwortlich gemacht, darunter die kurdischen Volksverteidigungskräfte (YPG). Es gibt Berichte über Verschwindenlassen von Gegnern der kurdischen Partei der Demokratischen Union (PYD) und deren Familien, unrechtmäßige Verhaftungen, Folter von politischen Gegnern, sowie vereinzelte Berichte über Festnahmen von Journalisten, Mitgliedern von Menschenrechtsorganisationen und Oppositionsparteien und Personen, die sich weigerten mit den kurdischen Gruppen zu kooperieren (USDOS 13.3.2019; vgl. HRW 10.9.2018). Familienmitglieder von gesuchten Aktivisten, darunter auch Verwandte von Mitgliedern des IS, sollen von den SDF in den von ihnen kontrollierten Gebieten gefangen genommen worden sein, um Informationen zu erhalten oder um Druck auszuüben. Weiters gibt es Berichte über vermehrte Verhaftungen von Männern für versuchte Wehrdienstverweigerung und Einschränkungen der Bewegungsfreiheit in den befreiten Gebieten (USDOS 13.3.2019).

Berichten zufolge kam es 2017 auch zur Vertreibung von arabischen Bewohnern aus Gegenden, die durch kurdische Einheiten vom IS befreit worden waren (USDOS 20.4.2018; vgl. AA 13.11.2018).

Die YPG gehört seit 2014 zu den vom VN-Generalsekretär gelisteten Konfliktparteien, die Kindersoldaten einsetzen und Kinderrechte verletzen (AA 13.11.2018). Nach Berichten zu Rekrutierungen von Kindern, auch unter Zwang, durch die SDF, verabschiedeten diese ein Verbot der Rekrutierung und Verwendung von Personen unter 18 Jahren zum Kampf. Verboten sind, unter Androhung von Strafen für die Befehlshaber, auch Hilfsdienste wie Ausspähen, Wach- und Versorgungsdienste. Die kurdischen Gruppen erklärten ihre volle Unterstützung der Anordnung. Im Dezember 2018 wurden 56 Unter-18-Jährige ihren Eltern übergeben (USDOS 13.3.2019).

Die menschenrechtliche Situation in den kurdisch kontrollierten Gebieten stellt sich insgesamt deutlich weniger gravierend dar, als in den Gebieten, die sich unter Kontrolle des syrischen Regimes oder islamistischer bis jihadistischer Gruppen befinden (AA 13.11.2018).

Ein Charakteristikum des Bürgerkriegs in Syrien ist, dass in ganz Syrien bestimmte Personen aufgrund ihrer tatsächlichen oder wahrgenommenen bzw. zugeschriebenen politischen Meinung oder Zugehörigkeit direkt angegriffen werden oder ihnen auf andere Weise Schaden zugefügt wird. Diese Zuschreibung basiert oft nur auf den familiären Verbindungen der Person, ihrem religiösen oder ethnischen Hintergrund oder einfach auf ihrer Präsenz in oder Herkunft aus einem bestimmten Gebiet, das als "regierungsfreundlich" oder "regierungsfeindlich" gilt (UNHCR 11.2015).

Quellen:

-AA - Deutsches Auswärtiges Amt (13.11.2018): Bericht über die Lage in der Arabischen Republik Syrien, https://www.ecoi.net/en/file/local/1451486/4598_1542722823_auswaertiges-amt-bericht-ueber-die-lage-in-der-arabischen-republik-syrien-stand-november-2018-13-11-2018.pdf, Zugriff 10.12.2018

-BS - Bertelsmann Stiftung (2018): BTI 2018 Country Report - Syria, Gütersloh: Bertelsmann Stiftung, https://www.ecoi.net/en/file/local/1427445/488327_en.pdf, Zugriff 20.2.2019

-HRW - Human Rights Watch (10.9.2018): Syria: Kurdish-led Administration Jails Rivals, https://www.hrw.org/news/2018/09/10/syria-kurdish-led-administration-jails-rivals, Zugriff 9.1.2018

-HRW - Human Rights Watch (17.1.2019): Annual report on the human rights situation in 2018 - Syrian Arab Republic, https: //www.ecoi.net/en/document/2002172.html , Zugriff 29.1.2019

-SHRC - Syrian Human Rights Committee (24.1.2019): The 17th Annual Report on Human Rights in Syria 2018, http://www.shrc.org/en/wp-content/uploads/2019/01/English_Web.pdf, Zugriff 31.1.2019

-UNHCR - United Nations High Commissioner for Refugees (11.2015): International Protection Considerations with Regard to People Fleeing the Syrian Arab Republic Update IV, http://www.refworld.org/pdfid/5641ef894.pdf, Zugriff 27.3.2019

-UNHRC - United Nations Human Rights Council (31.1.2019): Report of the Independent International Commission of Inquiry on the Syrian Arab Republic [A/HRC/40/70], https://www.ohchr.org/Documents/HRBodies/HRCouncil/CoISyria/A_HRC_40_70.pdf, Zugriff 11.3.2019

-USDOS - United States Department of State (20.4.2018): Country Report on Human Rights Practices 2017 - Syria, https://www.ecoi.net/en/document/1430098.html, Zugriff 12.12.2018

-USDOS - United States Department of State (20.6.2019): Trafficking in Persons Report 2019 - Syria, https://www.ecoi.net/de/dokument/2010916.htm l , Zugriff 21.6.2019

-USDOS - United States Department of State (13.3.2019): Country Report on Human Rights Practices 2018 - Syria, https://www.ecoi.net/en/document/2004226.html, Zugriff 19.3.2019

Folter, Haftbedingungen und unmenschliche Behandlung

Das Gesetz verbietet Folter und andere grausame, unmenschliche oder erniedrigende Behandlungen oder Strafen, wobei das Strafgesetzbuch eine Strafe von maximal drei Jahren Gefängnis für Täter vorsieht. Nichtsdestotrotz wenden die Sicherheitskräfte in Tausenden Fällen solche Praktiken an (USDOS 13.3.2019). Willkürliche Festnahmen, Misshandlung, Folter und Verschwindenlassen sind in Syrien weit verbreitet (HRW 18.1.2018; vgl. AI 22.2.2018, USDOS 13.3.2019, AA 13.11.2018). Sie richten sich von Seiten der Regierung insbesondere gegen Oppositionelle oder Menschen, die vom Regime als oppositionell wahrgenommen werden (AA 13.11.2018).

NGOs berichten glaubhaft, dass die syrische Regierung und mit ihr verbündete Milizen physische Misshandlung, Bestrafung und Folter an oppositionellen Kämpfern und Zivilisten begehen (USDOS 13.3.2019; vgl. TWP 23.12.2018). Vergewaltigung und sexueller Missbrauch von Frauen, Männern und Minderjährigen sind weit verbreitet. Die Regierung soll hierbei auch auf Personen abzielen, denen Verbindungen zur Opposition vorgeworfen werden (USDOS 13.3.2019). Es sind zahllose Fälle dokumentiert, bei denen Familienmitglieder wegen der als regierungsfeindlich wahrgenommenen Tätigkeit von Verwandten inhaftiert und gefoltert wurden, auch wenn die als regierungsfeindlich wahrgenommenen Personen ins Ausland geflüchtet waren (AA 13.11.2018; vgl. AI 22.2.2018).

Systematische Folter und die Bedingungen in den Haftanstalten führen häufig zum Tod der Insassen. Die Gefängnisse sind stark überfüllt, es mangelt an Nahrung, Trinkwasser, Hygiene und Zugang zu sanitären Einrichtungen und medizinischer Versorgung. Diese Bedingungen waren so durchgängig, dass die UN Commission of Inquiry zu dem Schluss kam, diese seien Regierungspolitik. Laut Berichten von NGOs gibt es zahlreiche informelle Hafteinrichtungen in umgebauten Militärbasen, Schulen, Stadien und anderen unbekannten Lokalitäten. So sollen inhaftierte Demonstranten in leerstehenden Fabriken und Lagerhäusern ohne angemessene sanitäre Einrichtungen festgehalten werden. Die Regierung hält weiterhin Tausende Personen ohne Anklage und ohne Kontakt zur Außenwelt ("incommunicado") an unbekannten Orten fest (USDOS 20.4.2018; vgl. AA 13.11.2018, SHRC 24.1.2019). Von Familien von Häftlingen wird Geld verlangt, dafür dass die Gefangenen Nahrung erhalten und nicht mehr gefoltert werden, was dann jedoch nicht eingehalten wird. Große Summen werden gezahlt, um die Freilassung von Gefangenen zu erwirken (MOFANL 7.2019).

In jedem Dorf und jeder Stadt gibt es Haft- bzw. Verhörzentren für die ersten Befragungen und Untersuchungen nach einer Verhaftung. Diese werden von den Sicherheits- und Nachrichtendiensten oder auch regierungstreuen Milizen kontrolliert. Meist werden Festgenommene in ein größeres Untersuchungszentrum in der Provinz oder nach Damaskus und schließlich in ein Militär- oder ziviles Gefängnis gebracht. Im Zuge dieses Prozesses kommt es zu Folter und Todesfällen. Selten wird ein Häftling freigelassen. Unschuldige bleiben oft in Haft, um Geldsummen für ihre Freilassung zu erpressen oder um sie im Zuge eines "Freilassungsabkommens" auszutauschen (SHRC 24.1.2019).

Seit Sommer 2018 werden von den Regierungsbehörden Sterberegister veröffentlicht, wodurch erstmals offiziell der Tod von 7.953 Menschen in Regierungsgewahrsam bestätigt wurde, wenn auch unter Angabe wenig glaubwürdiger amtlich festgestellter natürlicher Todesursachen (Herzinfarkt, etc.). Berichte von ehemaligen Insassen sowie Menschenrechtsorganisationen benennen als häufigste Todesursachen Folter, Krankheit als Folge mangelnder Ernährung und Hygiene in den Einrichtungen und außergerichtliche Tötung (AA 13.11.2018; vgl. SHRC 24.1.2019). Die syrische Regierung übergibt die Überreste der Verstorbenen nicht an die Familien (HRW 17.1.2019).

Mit Stand Dezember 2018 ist der Verbleib von 100.000 syrischen Gefangenen noch immer unbekannt. Laut Menschenrechtsgruppen und den Vereinten Nationen sind wahrscheinlich Tausende, wenn nicht Zehntausende davon umgekommen (TWP 23.12.2018).

Die Methoden der Folter, des Verschwindenlassens und der schlechten Bedingungen in den Haftanstalten sind jedoch keine Neuerung der Jahre seit Ausbruch des Konfliktes, sondern waren bereits zuvor gängige Praxis der unterschiedlichen Nachrichtendienste und Sicherheitsbehörden in Syrien (SHRC 24.1.2019).

Russland, der Iran und die Türkei haben im Zusammenhang mit den Astana-Verhandlungen wiederholt zugesagt, sich um die Missstände bezüglich willkürlicher Verhaftungen und Verschwindenlassen zu kümmern. Im Dezember 2017 gründeten sie eine Arbeitsgruppe zu Inhaftierungen und Entführungen im syrischen Konflikt, es waren bisher jedoch nur geringe Fortschritte zu verzeichnen (HRW 17.1.2019).

Auch die Rebellengruppierungen werden außergerichtlicher Tötungen und der Folter von Inhaftierten beschuldigt (FH 1.2018; vgl. USDOS 13.3.2019). Opfer sind vor allem (vermutete) regierungstreue Personen und Mitglieder von Milizen oder rivalisierenden bewaffneten Gruppen. Zu den Bedingungen in den Hafteinrichtungen der verschiedenen regierungsfeindlichen Gruppen ist wenig bekannt, NGOs berichten von willkürlichen Verhaftungen, Folter und unmenschlicher Behandlung. Der IS bestrafte häufig Opfer in der Öffentlichkeit und zwang Bewohner, darunter auch Kinder, Hinrichtungen und Amputationen mitanzusehen. Es gibt Berichte zu Steinigungen und Misshandlungen von Frauen. Dem sogenannten Islamischen Staat (IS) werden systematische Misshandlungen von Gefangenen der Freien Syrischen Armee (FSA) und der kurdischen Volksverteidigungseinheiten (YPG) vorgeworfen. Berichtet werden auch Folter und Tötungen von Gefangenen durch den IS (USDOS 13.3.2019).

Quellen:

- AA - Deutsches Auswärtiges Amt (13.11.2018): Bericht über die Lage in der Arabischen Republik Syrien, https://www.ecoi.net/en/file/local/1451486/4598_1542722823_auswaertiges- amt-bericht-ueber-die-lage-in-der-arabischen-republik-syrien-stand-november-2018-13-11-2018.pdf, Zugriff 10.12.2018

- AI - Amnesty International (22.2.2018): Amnesty International Report 2017/2018 - The State of the Wolrd's Human Rights - Syria, https://www.ecoi.net/en/document/1425112.html. Zugriff 12.12.2018

- FH - Freedom House (1.2018): Freedom in the World 2018 - Syria. https://freedomhouse.org/report/freedom-world/2018/syria. Zugriff 12.12.2018

- HRW - Human Rights Watch (18.1.2018): World Report 2018 - Syria. https://www.ecoi.net/en/ document/1422595.html. Zugriff 12.12.2018

- HRW - Human Rights Watch (17.1.2019): Annual report on the human rights situation in 2018 - Syrian Arab Republic. https://www.ecoi.net/en/document/2002172.htm l. Zugriff 29.1.2019

- MOFANL - Ministry of Foreign Affairs of the Netherlands - Department for Country of Origin Information Reports (7.2019): Country of Origin Information Report Syria - The security situation. per E-Mail am 27.8.2019

- SHRC - Syrian Human Rights Committee (24.1.2019): The 17th Annual Report on Human Rights in Syria 2018. http://www.shrc.org/en/wp-content/uploads/2019/01/English_Web.pdf. Zugriff 31.1.2019

- TWP - The Washington Post (23.12.2018): Syria's once teeming prison cells being emptied by mass murder. https://www.washingtonpost.com/graphics/2018/world/svria-bodies/?noredirect=on&utm term=.6a8815bb3721. Zugriff 14.2.2019

- USDOS - United States Department of State (13.3.2019): Country Report on Human Rights Practices 2018 - Syria. https://www.ecoi.net/en/document/2004226.htm I . Zugriff 19.3.2019

Die syrischen Streitkräfte - Wehr- und Reservedienst

Für männliche syrische Staatsbürger ist im Alter zwischen 18 bis 42 Jahren die Ableistung eines Wehrdienstes von 18 oder 21 Monaten gesetzlich verpflichtend. Zusätzlich gibt es die Möglichkeit eines freiwilligen Militärdienstes. Frauen können ebenfalls freiwillig Militärdienst leisten (CIA 3.4.2019; vgl. AA 13.11.2018, FIS 14.12.2018). Palästinensische Flüchtlinge mit dauerhaftem Aufenthalt in Syrien unterliegen ebenfalls der Wehrpflicht, dienen jedoch in der Regel in der Palestinian Liberation Army (PLA) unter palästinensischen Offizieren. Diese ist jedoch de facto ein Teil der syrischen Armee (AA 13.11.2018; vgl. FIS 14.12.2018). Auch Binnenvertriebene sind wie andere Syrer zur Ableistung des Wehrdienstes verpflichtet und werden rekrutiert (FIS 14.12.2018).

Gemäß Artikel 15 des Gesetzesdekrets Nr. 30 von 2007 bleibt ein syrischer Mann nach Beendigung des Pflichtwehrdienstes, wenn er sich gegen einen Eintritt in den Militärdienst als Berufssoldat entscheidet, Reservist und kann bis zum Erreichen des 42. Lebensjahres in den aktiven Dienst einberufen werden. Vor dem Ausbruch des Konflikts bestand der Reservedienst im Allgemeinen nur aus mehreren Wochen oder Monaten Ausbildung zur Auffrischung der Fähigkeiten, und die Regierung berief Reservisten nur selten ein. Seit 2011 hat sich das jedoch geändert. Es liegen außerdem einzelne Berichte vor, denen zufolge die Altersgrenze für den Reservedienst erhöht wird, wenn die betreffende Person besondere Qualifikationen hat (das gilt z.B. für Ärzte, Panzerfahrer, Luftwaffenpersonal, Artilleriespezialisten und Ingenieure für Kampfausrüstung). Manche Personen werden wieder zum aktiven Dienst einberufen, andere wiederum nicht, was von vielen verschiedenen Faktoren abhängt. Es ist sehr schwierig zu sagen, ob jemand tatsächlich zum Reservedienst einberufen wird. Männer können ihren Dienst-/Reservedienststatus bei der Militärbehörde überprüfen. Die meisten tun dies jedoch nur auf informellem Weg, um zu vermeiden, sofort rekrutiert zu werden (BFA 8.2017).

Laut Gesetz sind in Syrien junge Männer im Alter von 17 Jahren dazu aufgerufen, sich ihr Militärbuch abzuholen und sich einer medizinischen Untersuchung zu unterziehen. Im Alter von 18 Jahren wird man einberufen, um den Wehrdienst abzuleisten. Wenn bei der medizinischen Untersuchung ein gesundheitliches Problem festgestellt wird, wird man entweder vom Wehrdienst befreit, oder muss diesen durch Tätigkeiten, die nicht mit einer Teilnahme an einer Kampfausbildung bzw. -einsätzen verbunden sind, ableisten. Wenn eine Person physisch tauglich ist, wird sie entsprechend ihrer schulischen bzw. beruflichen Ausbildung eingesetzt. Rekruten müssen eine 45-tägige militärische Grundausbildung absolvieren. Männer mit niedrigem Bildungsstand werden häufig in der Infanterie eingesetzt, während Männer mit einer höheren Bildung oft in prestigeträchtigeren Positionen eingesetzt werden. Gebildetere Personen kommen damit auch mit höherer Wahrscheinlichkeit in Positionen, in denen sie über andere Personen Bericht erstatten oder diese bestrafen müssen (BFA 8.2017).

Die syrische Armee hat durch Verluste, Desertion und Überlaufen zu den Rebellen einen schweren Mangel an Soldaten zu verzeichnen (TIMEP 6.12.2018).

Aktuell ist ein "Herausfiltern" von Militärdienstpflichtigen im Rahmen von Straßenkontrollen oder an einem der zahlreichen Checkpoints weit verbreitet. In der Praxis wurde die Altersgrenze erhöht und auch Männer in ihren späten 40ern und frühen 50ern sind gezwungen Wehr-/Reservedienst zu leisten. Die Altersgrenze hängt laut Experten eher von lokalen Entwicklungen und den Mobilisierungsbemühungen der Regierung ab, als vom allgemeinen Gesetz. Dem Experten zufolge würden jedoch jüngere Männer genauer überwacht, ältere könnten leichter der Rekrutierung entgehen. Generell hat sich das Maß der Willkür in Syrien im Zuge des Konfliktes erhöht (FIS 14.12.2018). Die Behörden ziehen vornehmlich Männer bis 27 ein, während Ältere sich eher auf Ausnahmen berufen können. Dennoch wurden die Altersgrenzen fallweise nach oben angehoben, sodass auch Männer bis zu einem Alter von 55 Jahren eingezogen wurden, bzw. Männer nach Erreichen des 42. Lebensjahres die Armee nicht verlassen können. Ebenso wurden seit Ausbruch des Konflikts aktive Soldaten auch nach Erfüllung der Wehrpflicht nicht aus dem Wehrdienst entlassen (ÖB 7.2019).

Die Militärpolizei verhaftet in Gebieten unter der Kontrolle der Regierung junge Männer, die für den Wehrdienst gesucht werden. Nachdem die meisten fixen Sicherheitsbarrieren innerhalb der Städte aufgelöst wurden, patrouilliert nun die Militärpolizei durch die Straßen. Diese Patrouillen stoppen junge Menschen in öffentlichen Verkehrsmitteln und durchsuchen Wohnungen von gesuchten Personen (SHRC 24.1.2019). Es gab in der Vergangenheit Fälle, in denen Familienmitglieder von Wehrdienstverweigerern oder Deserteuren Vergeltungsmaßnahmen wie Unterdrucksetzung und Inhaftierung ausgesetzt waren (TIMEP 6.12.2018).

Im November 2017 beschloss das syrische Parlament eine Gesetzesnovelle der Artikel 74 und 97 des Militärdienstgesetzes. Die Novelle besagt, dass jene, die das Höchstalter für die Ableistung des Militärdienstes überschritten haben und den Militärdienst nicht abgeleistet haben, aber auch nicht aus etwaigen gesetzlich vorgesehenen Gründen vom Wehrdienst befreit sind, eine Kompensationszahlung von 8.000 USD oder dem Äquivalent in SYP leisten müssen. Diese Zahlung muss innerhalb von drei Monaten nach Erreichen des Alterslimits geleistet werden. Wenn diese Zahlung nicht geleistet wird, ist die Folge eine einjährige Haftstrafe und die Zahlung von 200 USD für jedes Jahr, um welches sich die Zahlung verzögert, wobei der Betrag 2000 USD oder das Äquivalent in SYP nicht übersteigen soll. Jedes begonnene Jahr der Verzögerung wird als ganzes Jahr gerechnet. Außerdem kann basierend auf einem Beschluss des Finanzministers das bewegliche und unbewegliche Vermögen der Person, die sich weigert den Betrag zu bezahlen, konfisziert werden (SANA 8.11.2017; vgl. SLJ 10.11.2017, PAR 15.11.2017).

Quellen:

- AA - Deutsches Auswärtiges Amt (13.11.2018): Bericht über die Lage in der Arabischen Republik Syrien, https://www.ecoi.net/en/file/local/1451486/4598_1542722823_auswaertiges- amt-bericht-ueber-die-lage-in-der-arabischen-republik-syrien-stand-november-2018-13-11-2018.pdf, Zugriff 10.12.2018

- BFA - BFA Staatendokumentation (8.2017): Fact Finding Mission Report Syrien - mit ausgewählten Beiträgen zu Jordanien, Libanon und Irak, https://www.ecoi.net/file_upload/5618_1507116516_ffm-bericht-syrien-mit-beitraegen-zu-jordanien-libanon-irak-2017-8-31-ke.pdf, Zugriff 13.12.2018

- CIA - Central Intelligence Agency (3.4.2019): The World Factbook: Syria - Military and Security, https://www.cia.gov/library/publications/the-world-factbook/geos/sy.html. Zugriff 6.4.2019

- FIS - Finnish Immigration Service (14.12.2018): Syria: Fact-Finding Mission to Beirut and Damascus, April 2018, https://migri.fi/documents/5202425/5914056/Syria_Fact- finding+mission+to+Beirut+and+Damascus%2C+April+2018.pdf. Zugriff 1.2.2019

- ÖB - Österreichische Botschaft Damaskus (7.2019): Asylländerbericht Syrien 2019, https://www.ecoi.net/en/file/local/2014213/SYRI_ÖB+Bericht_2019_07.pdf. Zugriff 19.8.2019

- PAR - Webseite des Parlaments der Arabischen Republik Syrien (15.11.2017): /35/ ^ij jjjläJII2007/ ^l*J /30/ (vijj^l^JI pl*JI http://parliament.gov.sy/arabic/index.php?node=201 &nid=18681&RID=-1&Last=10262&First=0&CurrentPage=0&Vld=-1&Mode=&Service=- 1 &Loc1 =&Key1 =&SDate=&EDate=&Year=&Country=&Num=&Dep=-1 &, Zugriff 7.12.2017

- SANA - Syrian Arab News Agency (8.11.2017): jj- JA jl*ii jjjli ßj. ^*^Jl ÄJJ Ä^AUJI SJJJJ ÄJJAJI ^UJl J-^Jl ^JJ J^IJ iuJjNi i. ojl'xill http://www.sana.sy/?p=656572, Zugriff 15.1.2019

- SHRC - Syrian Human Rights Committee (24.1.2019): The 17th Annual Report on Human Rights in Syria 2018, http://www.shrc.org/en/wp-content/uploads/2019/01/English_Web.pdf. Zugriff 31.1.2019

- SLJ - Syrian Law Journal [Twitter] (10.11.2017): Kurznachricht vom 10.11.2017 08:37, https://twitter.com/syrian_law/status/929025146429624320. Zugriff 15.1.2019

- TIMEP - The Tahrir Institute for Middle East Policy (6.12.2018): TIMEP Brief: Legislative Decree No. 18: Military Service Amnesty.

https://timep.org/wp-content/uploads/2018/12/LegislativeDecree18SyriaLawBrief2018-FINAL12-6-18a.pdf. Zugriff 19.2.2019

Wehrdienstverweigerung / Desertion

Im Verlauf des syrischen Bürgerkrieges verlor die syrische Armee viele Männer aufgrund von Wehrdienstverweigerung, Desertion, Überlaufen und zahlreichen Todesfällen (TIMEP 6.12.2018).

Wehrdienstverweigerer werden laut Gesetz in Friedenszeiten mit ein bis sechs Monaten Haft bestraft, die Wehrpflicht besteht dabei weiterhin fort. In Kriegszeiten wird Wehrdienstverweigerung laut Gesetz, je nach den Umständen, mit Gefängnisstrafen von bis zu fünf Jahren bestraft (AA 13.11.2018). Bezüglich der Konsequenzen einer Wehrdienstverweigerung gehen die Meinungen der Quellen auseinander. Während manche die Ergreifung eines Wehrdienstverweigerers mit Foltergarantie und Todesurteil gleichsetzen, sagen andere, dass Betroffene sofort eingezogen würden. Die Konsequenzen hängen offenbar vom Einzelfall ab (Landinfo 3.1.2018).

Berichten zufolge betrachtet die Regierung Wehrdienstverweigerung nicht nur als eine strafrechtlich zu verfolgende Handlung, sondern auch als Ausdruck von politischem Dissens und mangelnder Bereitschaft, das Vaterland gegen "terroristische" Bedrohungen zu schützen (BFA 8.2017).

Zwischen der letzten Hälfte des Jahres 2011 bis zum Beginn des Jahres 2013 desertierten zehntausende Soldaten und Offiziere, flohen oder schlossen sich bewaffneten aufständischen Einheiten an. Seit der zweiten Hälfte des Jahres 2013 sind jedoch nur wenige Fälle von Desertion bekannt (Landinfo 3.1.2018).

Desertion wird gemäß dem Militärstrafgesetz von 1950 in Friedenszeiten mit ein bis fünf Jahren Haft bestraft und kann in Kriegszeiten bis zu doppelt so lange Haftstrafen nach sich ziehen. Deserteure, die zusätzlich außer Landes geflohen sind (sogenannte "externe Desertion"), unterliegen Artikel 101 des Militärstrafgesetzbuchs, der eine Strafe von fünf bis zehn Jahren Haft in Friedenszeiten und 15 Jahre Haft in Kriegszeiten vorschreibt. Desertion im Angesicht des Feindes ist mit lebenslanger Haftstrafe zu bestrafen. In schwerwiegenden Fällen wird die Todesstrafe verhängt (BFA 8.2017).

Deserteure werden härter bestraft als Wehrdienstverweigerer. Deserteure riskieren, inhaftiert, gefoltert und getötet zu werden. Repressalien gegenüber Familienmitgliedern können insbesondere bei Familien von "high profile"-Deserteuren der Fall sein, also z.B. Deserteure, die Soldaten oder Offiziere getötet haben oder sich der bewaffneten Opposition angeschlossen haben (Landinfo 3.1.2018).

Seit Ausbruch des Syrienkonflikts werden syrische Armeeangehörige erschossen, gefoltert, geschlagen und inhaftiert, wenn sie Befehle nicht befolgen (AA 13.11.2018).

In Gebieten, welche durch sogenannte Versöhnungsabkommen wieder unter die Kontrolle der syrischen Regierung gebracht wurden, werden häufig Vereinbarungen bezüglich des Wehrdienstes getroffen. Manche Vereinbarungen besagen, dass Männer nicht an die Front geschickt, sondern stattdessen bei der Polizei eingesetzt werden (BFA 8.2017). Berichten zufolge wurden solche Zusagen von der Regierung aber bisweilen auch gebrochen (AA 13.11.2018; vgl. FIS 14.12.2018). Auch in den "versöhnten Gebieten" sind Männer im entsprechenden Alter also mit der Wehrpflicht oder mit der Rekrutierung durch regimetreue bewaffnete Gruppen konfrontiert. In manchen dieser Gebiete drohte die Regierung auch, dass die Bevölkerung keinen Zugang zu humanitärer Hilfe erhält, wenn diese nicht die Regierungseinheiten unterstützt (FIS 14.12.2018).

Quellen:

- AA - Deutsches Auswärtiges Amt (13.11.2018): Bericht über die Lage in der Arabischen Republik Syrien, https://www.ecoi.net/en/file/local/1451486/4598 1542722823 auswaertiges-amt-bericht-ueber-die-lage-in-der-arabischen-republik-syrien-stand-November-2018-13-11-2018.pdf, Zugriff 10.12.2018

- BFA - BFA Staatendokumentation (8.2017): Fact Finding Mission Report Syrien - mit ausgewählten Beiträgen zu Jordanien, Libanon und Irak, https://www.ecoi.net/file_upload/5618_1507116516_ffm-bericht-syrien-mit-beitraegen-zu-jordanien-libanon-irak-2017-8-31-ke.pdf. Zugriff 13.12.2018

- FIS - Finnish Immigration Service (14.12.2018): Syria: Fact-Finding Mission to Beirut and Damascus, April 2018, https://migri.fi/documents/5202425/5914056/Syria_Fact- finding+mission+to+Beirut+and+Damascus%2C+April+2018.pdf, Zugriff 1.2.2019

- Landinfo (3.1.2018): Syria: Reactions against deserters and draft evaders, https://www.ecoi.net/en/file/local/1441219/1226_1534943446_landinfo-report-syria-reactions-against-deserters-and-draft-evaders.pdf, Zugriff 20.2.2019

- TIMEP - The Tahrir Institute for Middle East Policy (6.12.2018): TIMEP Brief: Legislative Decree No. 18: Military Service Amnesty, https://timep.org/wp-content/uploads/2018/12/LegislativeDecree18SyriaLawBrief2018-FINAL12-6-18a.pdf, Zugriff 19.2.2019

Rückkehr

Im Juli 2018 zählte die syrische Bevölkerung geschätzte 19,5 Millionen Menschen (CIA 3.4.2019).

Die Zahl der Binnenvertriebenen belief sich im September 2018 auf insgesamt 6,2 Millionen Menschen (UNHCR 30.9.2018). 2018 sind insgesamt etwa 1,2 bis 1,4 Millionen IDPs in Syrien zurückgekehrt (UNHCR 18.3.2019).

Mit März 2019 waren 5.681.093 Personen in den Nachbarländern Syriens und Nordafrika als syrische Flüchtlinge registriert (UNHCR 11.3.2019). 2018 sind laut UNHCR insgesamt etwa 56.000 Flüchtlinge nach Syrien zurückgekehrt (UNHCR 18.3.2019).

Weder IDPs noch Flüchtlinge sind notwendigerweise in ihre Heimatgebiete zurückgekehrt (UNHCR 18.3.2019).

Wenn eine Person in ihre Heimat zurückkehren möchte, können viele unterschiedliche Faktoren die Rückkehrmöglichkeiten beeinflussen. Ethno-religiöse, wirtschaftliche und politische Aspekte spielen ebenso eine Rolle, wie Fragen des Wiederaufbaus und die Haltung der Regierung gegenüber Gemeinden, die der Opposition zugeneigt sind (FIS 14.12.2018). Über die Zustände, in welche die Flüchtlinge zurückkehren und die Mechanismen des Rückkehrprozesses ist wenig bekannt. Da Präsident Assad die Kontrolle über große Gebiete wiedererlangt, sind immer weniger Informationen verfügbar und es herrschen weiterhin Zugangsbeschränkungen und Beschränkungen bei der Datenerhebung für UNHCR (EIP 6.2019). Die Behandlung von Einreisenden ist stark vom Einzelfall abhängig, und über den genauen Kenntnisstand der syrischen Behörden gibt es keine gesicherten Kenntnisse (ÖB 7.2019).

Das Fehlen von vorhersehbarer und nachhaltiger physischer Sicherheit in Syrien ist der Hauptfaktor, der die Rückkehrvorhaben von Flüchtlingen negativ beeinflusst. Weiters werden das Fehlen einer adäquaten Unterkunft oder Wohnung oder fehlende Möglichkeiten den Lebensunterhalt zu sichern als wesentliche Hindernisse für die Rückkehr genannt. Als wichtiger Grund für eine Rückkehr wird der Wunsch nach Familienzusammenführung genannt (UNHCR 7.2018). Rückkehrüberlegungen von syrischen Männern werden auch von ihrem Wehrdienststatus beeinflusst (DIS/DRC 2.2019).

Bereits im Jahr 2017 haben die libanesischen Behörden trotz des Konfliktes und begründeter Furcht vor Verfolgung vermehrt die Rückkehr syrischer Flüchtlinge gefordert. Eine kleine Anzahl von Flüchtlingen ist im Rahmen lokaler Abkommen nach Syrien zurückgekehrt. Diese Rückkehrbewegungen werden nicht von UNHCR überwacht. Einige Flüchtlinge kehren aufgrund der harschen Politik der Regierung ihnen gegenüber und sich verschlechternden Bedingungen im Libanon nach Syrien zurück, und nicht weil sie der Meinung sind, dass Syrien sicher sei. Gemeinden im Libanon haben Tausende von Flüchtlingen in Massenausweisungen/Massenvertreibungen ohne Rechtsgrundlage oder ordnungsgemäßes Verfahren vertrieben. Zehntausende sind weiterhin der Gefahr einer Vertreibung ausgesetzt (HRW 17.1.2019). Viele syrische Flüchtlinge kehren aufgrund der schlechten Bedingungen im Libanon und Jordanien nach Syrien zurück, und weil sie außerhalb Syriens keine Zukunft für sich sehen (IT 19.8.2018). UNHCR hat nur vereinzelt und für kurze Zeit Zugang zu Personen, die aus dem Libanon nach Syrien zurückkehren, und kann auch keine ungestörten Interviews mit ihnen führen (AA 13.11.2018).

Flüchtlinge, die aus dem Libanon nach Syrien zurückkehren möchten, müssen dies bei den lokalen Sicherheitsbehörden melden und diese leiten den Antrag an die syrischen Behörden weiter (IT 19.8.2018; vgl. Reuters 25.9.2018). Die syrischen Behörden überprüfen die Antragsteller. Anträge auf Rückkehr können von der Regierung auch abgelehnt werden. Der Anteil der Personen, denen die Rückkehr nicht gestattet wird, wird von den verschiedenen Quellen mit 5% (SD 16.1.2019), 10% (Reuters 25.9.2018), bis hin zu 30% (ABC 6.10.2018) angegeben. In vielen Fällen wird auch Binnenvertriebenen die Rückkehr in ihre Heimatgebiete nicht erlaubt (USDOS 13.3.2019).

Gründe für eine Ablehnung können (wahrgenommene) politische Aktivitäten gegen die Regierung bzw. Verbindungen zur Opposition oder die Nicht-Ableistung der Wehrpflicht sein (Reuters 25.9.2018; vgl. ABC 6.10.2018, SD 16.1.2019). Personen, die von der syrischen Regierung gesucht werden, und darum die Genehmigung zur Rückkehr nicht erhalten, sind aufgefordert ihren Status zu "regularisieren", bevor sie zurückkehren können (Reuters 25.9.2018; vgl. SD 16.1.2019). In Jordanien gibt es für diese Regularisierung jedoch bisher keine Abläufe. Im Januar 2019 fanden erstmals organisierte Rückkehrbewegungen einer geringen Anzahl von syrischen Flüchtlingen aus Jordanien am syrisch-jordanischen Jaber-Nassib-Grenzübergang statt. Organisiert wurde die Rückkehr von einem zivilen Komitee, ohne Beteiligung der jordanischen Behörden und auch hier wurden die Namen der Antragsteller den syrischen Behörden zur Rückkehrgenehmigung übermittelt (SD 16.1.2019).

Der Sicherheitssektor kontrolliert den Rückkehrprozess in Syrien. Die Sicherheitsdienste institutionalisieren ein System der Selbstbeschuldigung und Informationsweitergabe über Dritte, um große Datenbanken mit Informationen über reale und wahrgenommene Bedrohungen aus der syrischen Bevölkerung aufzubauen. Um intern oder aus dem Ausland zurückzukehren, müssen Geflüchtete umfangreiche Formulare ausfüllen (EIP 6.2019).

Gesetz Nr. 18 von 2014 sieht eine Strafverfolgung für illegale Ausreise in der Form von Bußgeldern oder Haftstrafen vor. Entsprechend einem Rundschreiben wurde die Bestrafung für illegale Ausreise jedoch aufgehoben und Grenzbeamte sind angehalten Personen, die illegal ausgereist sind, "bei der Einreise gut zu behandeln". Einem syrischen General zufolge müssen Personen, die aus dem Ausland zurückkehren möchten, in der entsprechenden syrischen Auslandsvertretung "Versöhnung" beantragen und unter anderem angeben wie und warum sie das Land verlassen haben und Angaben über Tätigkeiten in der Zeit des Auslandsaufenthaltes etc. machen. Diese Informationen werden an das syrische Außenministerium weitergeleitet, wo eine Sicherheitsüberprüfung durchgeführt wird. Syrer, die über die Landgrenzen einreisen, müssen dem General zufolge dort ein "Versöhnungsformular" ausfüllen (DIS 6.2019).

Syrer benötigen in unterschiedlichen Lebensbereichen eine Sicherheitsfreigabe von den Behörden, so z.B. auch für die Eröffnung eines Geschäftes, eine Eheschließung und Organisation einer Hochzeitsfeier, um den Wohnsitz zu wechseln, für Wiederaufbautätigkeiten oder auch um eine Immobilie zu kaufen (FIS 14.12.2018; vgl. EIP 6.2019). Die Sicherheitsfreigabe kann auch Informationen enthalten, z.B. wo eine Person seit dem Verlassen des konkreten Gebietes aufhältig war. Der Genehmigungsprozess könnte sich einfacher gestalten für eine Person, die in Damaskus aufhältig war, wohingegen der Aufenthalt einer Person in Orten wie Deir ez-Zour zusätzliche Überprüfungen nach sich ziehen kann. Eine Person wird für die Sicherheitserklärung nach Familienmitgliedern, die von der Regierung gesucht werden, befragt, wobei nicht nur Mitglieder der Kern- sondern auch der Großfamilie eine Rolle spielen (FIS 14.12.2018).

Für Personen aus bestimmten Gebieten Syr

Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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